Jüdischer Krieg - Flavius Josephus - E-Book

Jüdischer Krieg E-Book

Flavius Josephus

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Beschreibung

Das Werk, aufgeteilt in sieben Bücher, beginnt mit einer Zusammenfassung der jüdischen Geschichte von der Einnahme Jerusalems durch den Seleukidenherrscher Antiochus IV. Epiphanes im Jahr 168 v. Chr. bis zu den ersten Phasen des Ersten Jüdisch-Römischen Krieges (Buch I und II). Die nächsten fünf Bücher schildern die Entwicklung des Krieges unter den römischen Generälen Vespasian und Titus bis zum Tod des letzten Sikariers. Das Buch wurde um 75 n. Chr. geschrieben, ursprünglich in Josephus' "Heimatsprache" - entweder Aramäisch oder Hebräisch -, obwohl diese Version nicht überlebt hat. Kritiker haben dieses Buch als den "vielleicht einflussreichsten nichtbiblischen Text der westlichen Geschichte" bezeichnet." Der Text dieser Edition folgt der 1901 erschienenen und von Philipp Kohout übersetzten Ausgabe.

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Seitenzahl: 978

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Jüdischer Krieg

 

FLAVIUS JOSEPHUS

 

 

 

 

 

 

 

Jüdischer Krieg, Flavius Josephus

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849662394

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Vorrede des Uebersetzers. 1

I. Buch. Entferntere Vorgeschichte. 7

II. Buch. Nähere Vorgeschichte. 123

III. Buch. Der Krieg in Galiläa: 211

IV. Buch. Der Krieg im Ostjordanland  und in der Landschaft Judäa: 265

V. Buch. Die nahende Entscheidung des Krieges. 331

VI. Buch. Die letzte Entscheidung des Krieges. 394

VII. Buch. Ende des Krieges. 441

Vorrede des Uebersetzers.

Wenn die Vorrede das Erscheinen einer Arbeit begründen sollte, so wäre sie wohl in diesem Falle eine höchst überflüssige Sache. Der Unterzeichnete hat sich schon vor Jahren die Frage vorgelegt, und mit ihm gewiss viele andere, die ihr Beruf auf das Feld der Bibelwissenschaften geführt hat, wie es denn zu erklären sei, dass gerade das originellste Werk des Geschichtsschreibers Flavius Josephus, wie Paret mit Recht den jüdischen Krieg bezeichnet, so wenige Bearbeiter finde. Wir haben vor längerer Zeit eine besondere Uebersetzung der umfangreicheren und dabei matter geschriebenen Alterthümer desselben von Kaulen erhalten, auf die im letzten Jahre neuerdings eine deutsche Uebertragung gefolgt ist, aber das kürzere und interessantere Werk des Krieges blieb seit Gfrörer und Paret für die Uebersetzer ein verschlossenes Buch, und beschied man sich selbst in neueren Gesammtausgaben, diese Uebersetzungen, die schon vor einem halben Jahrhundert und darüber das Licht erblickt haben, dem deutschen Publicum darzubieten, obschon sich gerade in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf dem Gebiete der biblischen Archäologie und Topographie, wie auch der Textkritik bedeutende Fortschritte vollzogen haben. Wenn es nun der Unterzeichnete gewagt hat, eine neue Uebersetzung davon nach Einsicht in die griechischen Textausgaben von S. H. Naber, Leipzig 1895, und Bened. Riese, Berlin 1894, herauszugeben, so hat ihn dazu vor allem der öfter empfundene Mangel eines so trefflichen Behelfes, wie es anerkanntermaßen das Buch vom Kriege ist, bewogen, in zweiter Linie aber auch die Erwartung, mit einer lesbaren und dabei nicht allzu freien oder ungenauen Verdeutschung den Theologen, Geschichtsfreunden und Gebildeten jeder Art einen Dienst zu erweisen. Die Uebersetzung hat sich indes nicht einseitig einen der obigen Texte zur Vorlage genommen, was schon darum nicht möglich war, weil die erwähnten Ausgaben nicht selten und an nicht unwichtigen Stellen auch voneinander wieder abweichen. Eine Rechtfertigung der Uebertragung war selbstverständlich nur ausnahmsweise in den Anmerkungen möglich, doch glaubt der Uebersetzer ruhig versichern zu können, dass er sich bei aller Freiheit, die er sich in einzelnen Wendungen, Satzanschlüssen und bei Uebergangspartikeln gestattete, keine Mühe verdrießen ließ, um dem Gedanken des Verfassers nicht bloß eine kleidsame, sondern auch wahrheitsgetreue Form zu leihen. Noch mehr Sorgen haben ihm die Bemerkungen im Anhange gemacht, die nach der ursprünglichen Absicht nur als Fußnoten die Uebersetzung begleiten sollten, aber bei dem Umfange, den manche nothwendige Erläuterungen angenommen haben, dort störend gewirkt hätten. Wenn hier, wie ich bekenne, die rechte Grenze nicht immer eingehalten worden ist, so möge eine Entschuldigung die billige Erwägung bieten, dass jede Uebersetzung naturgemäß zu einem weiteren Eingehen in den Gegenstand drängt oder ein solches voraussetzt, sowie dass gerade das vorliegende Werk des Josephus bei aller Knappheit an Fragen religiösen, historischen und politischen Inhaltes ungewöhnlich reich ist. Gerne hätte ich diesen Theil der Arbeit einer fähigeren Hand überlassen, da ihr Stoff dem Exegeten zu ferne liegt, aber die Wahrnehmung, dass Josephus nach einem bekannten Ausspruch an seiner Mittelstellung immer zu leiden haben wird, indem die Theologen ihn den Philologen und umgekehrt einander zuschieben, veranlasste mich, auch die zahlreichen Berührungspunkte unserer Geschichte mit der alten Literatur und dem römischen Staatswesen unter der Führung verlässlicher Werke einer häufigen Erörterung zu unterziehen. Schon die richtige Wiedergabe vieler Ausdrücke im römischen Militär- und Beamtenleben, an der es auch in guten Uebersetzungen zuweilen fehlt, zwingt den Interpreten zu einer besonderen Beachtung der diesbezüglichen Zeitverhältnisse, obschon ich nicht behaupten will, stets das Richtige getroffen zu haben, und gerade hierin auf eine mehr als gütige Nachsicht bauen muss. Sehr bedauere ich, dass ich von Schürers neuester Auflage der Geschichte des Judenthums zur Zeit Christi den ersten und für meinen Zweck wichtigsten Band nicht mehr benützen konnte.

Da sich die Thätigkeit und der Charakter unseres Verfassers zum guten Theil und in den entscheidendsten Momenten in dem düsteren Gemälde eingezeichnet findet, das er im vorliegenden Werke von dem Untergange seines Volkes uns entwirft, so glaubte ich von einer förmlichen Lebensskizze an dieser Stelle Abstand nehmen zu dürfen. Hat doch Josephus das gewaltige Ringen zwischen Jerusalem und Rom durch die Insurrection von Galiläa und den ersten, ungewöhnlich erbitterten Festungskampf persönlich eingeleitet und dann alle seine schauerlichen Phasen bis zum Triumphzug der beiden Sieger als Kriegsgefangener und Freund derselben mitgemacht. Noch unter den Augen der beiden Kaiser ist unser Geschichtsbuch erwachsen, nicht aber erst unter Domitian, wie die öfter citierte Personenbeschreibung der römischen Kaiserzeit, Bd. II. s. v. Flavius n. 189 annimmt, da Josephus im Buche gegen Apion 1, 9 versichert, er habe dem Vespasian und Titus sein Werk über den Krieg zuerst überreicht, wozu noch die Bemerkung in seiner Selbstbiographie (c. 65) kommt, dass Titus die schriftliche Erlaubnis zur Publication dieses Buches noch eigenhändig gegeben habe. Die schonende Nichterwähnung der bedeutenden und sehr früh hervortretenden Schattenseiten im Leben des dritten Flaviers und das ihm gespendete Lob lässt sich auch vor seinem Regierungsantritt insoferne leicht erklären, als sich Josephus auf alle Fälle die Gunst des Prinzen sichern wollte, der trotz seiner schlimmen Eigenschaften einen empfindlich feinen Sinn für den Nachruhm der Geschichte bekundete. Das Werk ist also sicher vor dem Jahre 79 n. Ch. entstanden. Ihm folgten die Alterthümer, die sicher im Jahre 94 n. Ch. verfasst sind (Altth. 20, 11, 2 a. E.) und zu denen die kleine Biographie einen Anhang bilden sollte, weshalb sie mit Recht noch unter Domitian angesetzt wird, zumal noch des Kaisers in ehrenvoller Weise gedacht wird. Agrippa II. war damals nicht mehr am Leben. Die Vertheidigung des jüdischen Volkes gegen den Sophisten Apion, die ebenfalls manchmal verwertet ist, hat wohl noch die Biographie zur Voraussetzung (s. geg. Ap. 1, 10 a. E.) und schließt die Reihe der anerkannt echten Schriften des Josephus, dem das dankbare Rom die Feder vergoldet und sogar ein Denkmal unter seinen eigenen Größen eingeräumt hat (‚ob ingenii gloriam statuam meruit Romae‘, St. Hier. de viris ill. c. 13), während seine Stammesgenossen ihn lieber unter einem Hagel von Steinen begraben hätten.

Ja. selbst bis heute ist die Bewertung seines Charakters sowohl, wie die seiner Schriften noch keineswegs ins erwünschte Gleichgewicht gekommen. Soviel dürfte jedoch anerkannt sein, dass die Ergebnisse der fortschreitenden Forschung mehr als einen Stein von seinem Grabe aufgelesen haben, den Hass und Missverstand darauf geworfen, und dass besonders die geschichtliche Glaubwürdigkeit des Josephus in neuester Zeit nicht selten eine unerwartete Rechtfertigung gefunden hat. Wir haben in unseren Bemerkungen eine kleine Probe seiner historischen Verlässlichkeit angestellt und gesehen, dass der Verfasser im Großen und Ganzen sein Versprechen zu Beginn des Werkes auch eingelöst hat. Er zeigt sich in Fragen militärischer und administrativer Natur ausgezeichnet bewandert, obwohl gerade dieses Feld mit seinen hunderterlei, dem Juden fremden Details einem historischen Schriftsteller viele Anstöße hätte bereiten können. Die starke Benützung der Schriften des Jos., zumal unseres Werkes, in der archäologischen Wissenschaft beweist seinen Credit in dieser Beziehung. Eher lassen seine Kenntnisse der damaligen römischen Geschichte, speciell der großen Bürgerkriege, etwas zu wünschen übrig, noch mehr aber die chronologischen Angaben aus der älteren Zeit, von denen Destinon behauptet, dass Jos. hierin wohl etwas liederlich zu Werke gegangen sei, indem er seine gesammelten Notizen öfter ohne Umsicht combiniert habe. Doch dürfte hier mancher Fehler auf Rechnung der Textcorruption oder späterer Verbesserer gesetzt werden, und ist gewiss anerkennenswert, dass die chronologischen Daten der zeitgenössischen Ereignisse öfter bis auf den Monatstag genau fixiert sind und über den Verlauf des Krieges, speciell der Belagerung Jerusalems, die wertvollsten Aufschlüsse bieten, wie sie die alten Schriftsteller nicht zu geben pflegen. Als Topograph ist unser Autor durch die neueren Untersuchungen vielfach gerechtfertigt worden, wenn man von seinen Höhenbestimmungen, Notizen über Flussläufe, Küsten u. s. w. und von gewissen Bemerkungen über den Norden des Landes und einzelnen Maßangaben über Tempel und Stadt absieht. Die Anschaulichkeit und Treue seiner Naturschilderung ist berühmt, und die Kriegsbilder, die er in raschem Wechsel vor unseren Augen vorüberziehen lässt, erheben sich zu den größten Leistungen antiker Scenenmalerei. Was aber seine Glaubwürdigkeit in der Darstellung des ganzen traurigen Dramas anlangt, die öfter ganz maßlos, besonders von Gfrörer, angegriffen worden ist, so wird die düstere Charakterzeichnung, die uns Jos. von den sog. patriotischen Parteien gibt, durch den ganzen Verlauf des Kampfes bestätigt. Denn dass diese Leute, denen kein Eid mehr heilig genug ist, die sich den wildesten Ausschweifungen der Rache überlassen, um damit jede Brücke hinter sich abzubrechen, die auch den billigsten Vergleich höhnisch ablehnen, bis sie beim letzten Bollwerk angekommen sind, dass solche Kämpfer auch im Innern der Stadt den äußersten Terrorismus übten, ist wohl mehr als glaublich. Der Name „Patriot“ ist denn doch, meine ich, zu edel für solche blutrünstige Gestalten, die schon längst nicht mehr für die Stadt, sondern gegen das Henkerbeil und Kreuz kämpften. Der zweite jüdische Krieg mit seinen Greueln gegen die wehrlosen Christen und dem unstillbaren Hasse gegen die Heiden ist allein ein vollgiltiger Beweis für die Wahrheit der historischen Physiognomien des Jos. Oder ist etwa auch der gegenseitige, ebenso wahnsinnige als brudermörderische Kampf der großen Parteien in Jerusalem, der für sich schon diese Sorte von Patrioten zur Genüge kennzeichnet, ist das Gelüsten ihrer Führer nach dem Königthum wirklich nur eine Dichtung? Ist die entsetzliche Hungersnoth, die nur durch ein unverantwortliches Vergeuden der Lebensmittel zu erklären ist, da die Stadt lange Zeit hatte, sich zu verproviantieren, eine Fiction gewesen? Ist die Thatsache wegzuleugnen, dass die begeistertsten Freunde der Freiheit, wie ein Niger von Peräa, an denen gar kein Schatten eines Verdachtes haften konnte, die Schreckensherrschaft in gleicher Weise, wie die „Verräther“, fühlen mussten? Die Tapferkeit der Rebellen ist Jos. eher geneigt zu vergrößern, als zu mindern. Das spricht sehr für seine Treue, abgesehen davon, dass er unter den Ueberläufern, den freigelassenen Bürgern Jerusalems und Priestern, wie auch unter den Römern viele Zeugen hatte, die bis zu den zwei Hauptfeldherrn des Krieges hinauf die competenteste Kritik am Werke üben konnten. Dass Jos. die Todten nicht immer gezählt, wer möchte es ihm verargen? Dass aber in einem solchen Vernichtungskampf Zahlen auftreten, die alle sonstigen Dimensionen durchbrechen, lehren die Blutscenen der späteren Erhebungen. Zweifellos sind die äußeren Ursachen des Krieges, die schwankende Haltung des Priesteradels, das Eingreifen des Königs Agrippa II., das Anwachsen des Revolutionsfeuers, die furchtbare Zermalmung der Mittelpartei ungemein psychologisch und wirkungsvoll geschildert – und dennoch vermisst gerade hier der aufmerksame Beobachter jener weltgeschichtlichen Periode eine tiefere Erfassung der eigentlichen treibenden Unheilsmächte, eine fast totale Verkennung des ganzen furchtbaren Verhängnisses macht sich überall geltend, die nur für Augenblicke und blitzartig durch den Hinweis auf einen bei Jos. allerdings unerklärlichen Zorn des Ewigen unterbrochen wird, dem Verfasser schwankt, wie man sieht, der eigene tausendjährige Boden unter den Füßen, und er versteht trotz seiner gegentheiligen Betheuerung weder die Vergangenheit noch die Zukunft seines unglücklichen Volkes. Es muss zur Ehre des Jos. gesagt werden, dass er, wie er sich trotz seiner vielgeschmähten Liebesdienerei gegen Rom im Herzen stets eine aufrichtige Anhänglichkeit an seine Nation und einen freieren, selbst von der kaiserlichen Gnadensonne nicht ganz beirrten Blick für ihre große Vergangenheit bewahrt hat, so auch die Krone Israels unter den Völkern, den Glauben an die Einheit Gottes, theoretisch hochgehalten und in seinen Schriften verkündet hat. Aber dieses unstreitige Verdienst hat er sich wesentlich dadurch verdorben, dass er das schönste Juwel, die messianische Hoffnung, aus dem Kranze seines Volkes gebrochen und den Bundesherrn mit seinen untrüglichsten und klaren Verheißungen gerade in unserem Werke in einer Art behandelt hat, die fast einer Deferenz gegen den Juppiter des Capitols und einer factischen Absage an die Weisheit, Macht und Heiligkeit eines wahrhaft lebendigen und ewig treuen Gottes gleichkommt. Die Geschichte Israels ist ihm wie ein gewaltiger, immer herrlicher sich ausbreitender Strom, der sich in dem Augenblicke, wo er die Welt nach allen Seiten hin befrachten soll, in elende, pestathmende Sümpfe von Blut und Schmutz verliert, die Geschichte eines Volkes, wie die so vieler anderer Völker, die ohne Verheißung und Auserwählung, ohne Offenbarung und Heilshoffnung sich eine stolze Stellung im Völkerbau errungen, um dann, wie Babel und Assur, in das Dunkel der Vernichtung herabzusinken, ohne der Menschheit etwas anderes, als einen leeren, gehassten Namen, zu hinterlassen. Der Gott des Jos. ist dann nicht viel besser, als jener der Epikuräer und Stoiker, der sich um die Welt nicht kümmert oder gar in ihren Veränderungen seine eigene göttliche Entwicklung durchmacht, wie es vom Fatum unabänderlich bestimmt ist. Wie oft klingt etwas fatumähnliches aus den Worten unseres Verfassers, der als Pharisäer wenigstens die kalte und starre Auffassung derselben von Gott und ihre ablehnende Haltung gegen seinen Gesalbten getheilt hat. Er hat mit ihnen den Faden und das Ziel der Offenbarung verloren, kein Wunder, wenn ihm die Geschichte Israels zum finsteren Irrgang geworden ist, aus dem sein sonst so heller Geist den Ausgang nimmer finden kann. Ob Jos. an eine Auferstehung Israels geglaubt hat? Fast möchte es hie und da scheinen, aber vor seinen Lesern hat er den einzigen Hoffnungsstern, der ihn aus seiner trüben Gegenwart in eine lichtere Zukunft hätte hinüberleiten können, den messianischen Gedanken, nicht bloß ganz verhüllt, sondern, wozu ihn sein Publicum sicher nicht genöthigt hätte, ihn officiell einem Irrlicht vergänglicher Herrlichkeit geopfert. Das ist die große geschichtliche Unwahrheit des Josephus, das begründet zum Theil auch die innere Zerrissenheit und Unwahrheit seines Charakters. Es ist, als ob auch aus seinem Werke immer und immer der unheilvolle Ruf uns entgegenklänge, der das furchtbare materielle und geistige Elend seines Volkes verschuldet hat: Non habemus regem, nisi Caesarem! Nur war Josephus hierin consequenter und glücklicher, als sein armes Volk!

Das neunzehnte Jahrhundert seit Christus versinkt soeben im Strome der Zeiten! Was für historische Gebilde, was für gewaltige Gestalten, was für Riesenwerke und Riesenvölker hat diese ungeheure Wasserwüste geboren und verschlungen! Nur zwei Monumente stehen noch unberührt von der nagenden Welle: Die trauernde Ruine Sions, die ihren gespenstischen Schatten mahnend und drohend über die christlichen Völker wirft; denn von ihren Trümmern sagt der strafende Gottesspruch: „Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis alles geschieht!“ Auch das zweite hat eine göttliche Verheißung, aber eine solche der Liebe und der Gnade: „Auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und alle Mächte der Hölle werden ihn nie überwältigen.“ Treu geblieben ist der Herr seiner Barmherzigkeit, treu geblieben seiner Gerechtigkeit, Himmel und Erde werden vergehen, aber sein Wort nicht, so ruft ein Jahrhundert dem andern zu, und das ist auch die große Wahrheit, welcher unser Geschichtschreiber unbewusst seinen scharfen Griffel geliehen hat. Durch sie allein wird seine schauerliche Grabschrift auf Israel unsterblich bleiben, ein hochernster Wegweiser auf der Heerstraße der Völker.

Linz, den 10. December 1900.

Der Uebersetzer.

I. Buch. Entferntere Vorgeschichte.

Von den Machabäerkämpfen bis zum Tode des Herodes.

Vorwort des Verfassers.

1 (1.) Da der zwischen den Juden und Römern ausgefochtene Krieg, welcher nicht bloß unter den Kriegen der Jetztzeit, sondern, fast möchte ich sagen, auch unter allen blutigen Zusammenstößen einzelner kleinerer Staaten oder ganzer Nationen, von denen uns überhaupt die Geschichte Kunde gibt, der gewaltigste ist, von dem einen Theile der Geschichtschreiber nur zu einem Gegenstande der Schönrednerei gemacht wird, weil sie ja keine Augenzeugen jener Ereignisse waren, sondern bloß vom Hörensagen die erstbesten und widerspruchsvollsten Geschichten zusammentragen, 2 während die Augenzeugen theils aus Schmeichelei gegen die Römer, theils aus Hass gegen die Juden der Wahrheit geradezu absichtlich ins Angesicht schlagen, so dass ihre Schriften hier nur einseitigen Tadel, dort wieder die reinste Lobhudelei, nirgends aber das enthalten, was man zuverlässige Geschichte nennt, 3 so habe ich, Josephus, des Matthias Sohn, ein gebürtiger Hebräer aus Jerusalem und priesterlicher Abstammung, nachdem ich persönlich beim Beginn des Krieges den Römern gegenüber gestanden, dem späteren Verlaufe aber wenigstens als Zuschauer wider Willen nahegestanden bin, mir vorgenommen, den Bewohnern des römischen Reiches in griechischer Ueberarbeitung dasselbe Geschichtswerk zu bieten, das ich früher für die Barbaren im oberen Asien in meiner Muttersprache abgefasst und herausgegeben habe.

4 (2.) Zu jener Zeit, wo die erwähnte überaus gewaltige Bewegung eintrat, war im römischen Reiche gar manches faul, und da nun gerade mitten in jenen wirren Verhältnissen das neuerungssüchtige Element unter den Juden, das über die besten Streitkräfte und Geldquellen verfügte, sein Haupt erhob, so kam es soweit, dass in dem ungeheuren Durcheinander die einen sogar ihre Augen auf den Besitz des Orientes richten konnten, die anderen dagegen mit dem Gedanken an seinen Verlust sich vertraut machen mussten. 5 Denn einerseits erwarteten es sich die Juden, dass unsere gesammte Stammverwandtschaft jenseits des Euphrat sich wie ein Mann mit ihnen erheben würde, indes die Römer von ihren gallischen Nachbarn in Athem gehalten wurden, und auch die Masse der eigentlichen Keltenvölker in Gährung kam, bis endlich die Verwirrung nach dem Tode Neros eine allgemeine wurde, und die günstige Gelegenheit viele verleitete, ihre Hand sogar nach der Kaiserkrone auszustrecken, während das Militär schon wegen der Hoffnung auf Beutegewinn sich nach Umwälzungen sehnte. 6 Ich hielt es nun für unstatthaft, einfach davon abzusehen, wie die geschichtliche Wahrheit bei so hochbedeutsamen Begebenheiten, sozusagen, auf die Fremde angewiesen wäre, und dass, obschon selbst die Parther und Babylonier, die entlegensten Araberstämme, wie auch unsere Stammgenossen drüber dem Euphrat und die Bewohner von Adiabene dank meiner Sorgfalt über die Entstehung dieses Krieges, über die entsetzlichen Leiden, unter denen er seinen Fortgang genommen und endlich über seinen Ausgang genau unterrichtet sind, einzig die Griechen und von den Römern jene, die am Feldzug nicht theilgenommen haben, über diese Ereignisse in Unkenntnis bleiben sollten, indem sie ja doch nur entweder Schmeicheleien oder Dichtungen zu lesen bekommen.

7 (3.) Trotzdem wagt man es, diesen letzteren Schriften den Titel eines Geschichtswerkes zu geben, wenngleich man mit ihnen, weit entfernt davon, ein gesundes Ergebnis der Geschichte zu erzielen, nach meiner Meinung wenigstens, sogar auch das eigentliche Ziel, das man im Auge hat, gänzlich verfehlt: Man beabsichtigt nämlich auf der einen Seite die Römer als recht groß hinzustellen, während man andererseits die Juden immer recht tief herabdrückt und verkleinert: 8 mir ist es aber einfach unerfindlich, wie denn die Sieger über kleine Feinde selbst noch groß erscheinen können. Auch findet bei diesen Leuten weder die lange Dauer des Krieges noch auch die große Stärke des mühsam operierenden römischen Heeres noch selbst die Größe seiner Feldherren eine billige Berücksichtigung, welch’ letztere ungeachtet ihrer vielen und harten Mühen bei der Belagerung Jerusalems, wie ich glaube, ruhmlos dastehen müssen, wenn man ihnen dergestalt ihre Heldenthaten verkümmern will.

9 (4.) Nicht beabsichtige ich jedoch umgekehrt im feindlichen Wettstreit mit jenen, die Roms Waffenthaten allzusehr erheben, dafür die Thaten meiner Stammesbrüder zu übertreiben, sondern ich will ganz einfach die Thatsachen auf beiden Seiten genau durchmustern, ohne indes meiner eigenen Empfindung jene Erwägungen zu versagen, die sich naturgemäß an jene Ereignisse knüpfen, und ohne meinen innersten Gefühlen den Ausdruck des Schmerzes über des Vaterlandes Unglücksschläge zu verweigern. 10 Denn, dass der eigene Bürgerkrieg es zugrunde gerichtet hat, und dass von den Tyrannen der Juden selbst die Faust des Römers und seine Brandfackel mit aller Gewalt gegen den heiligen Tempel herangezerrt worden ist, dafür gibt kein geringerer, als der ihn zerstört hat, der Cäsar Titus selbst, Zeugnis, da er während des ganzen Krieges für das von den Aufrührern niedergehaltene Volk inniges Mitleid zeigte, ja zu öfterenmalen die Einnahme der Stadt aus freien Stücken hinausschob und die Belagerung in die Länge zog, nur damit die Schuldigen anderen Sinnes würden. 11 Sollte indes jemand an den Ueberschwenglichkeiten der Anklagen, die wir gegen die Schreckenshäupter und ihre Banden erheben, oder an dem Uebermaß des Jammers über die Unglücksfälle meines Landes eine allzu peinliche und kleinliche Kritik üben wollen, so möge er wenigstens aus Rücksicht auf meine seelische Erschütterung über die strengen Anforderungen der Geschichtschreibung gütigst hinwegsehen. War es ja doch gerade unserer Vaterstadt bestimmt, dass sie von allen unter der römischen Herrschaft lebenden Städten zum höchsten Gipfel des Wohlstandes emporklimmen sollte, um wiederum in den tiefsten Abgrund des Elendes hinabzustürzen. 12 Selbst alles Unheil, das seit dem Bestande der Welt die Menschen betroffen hat, scheint mir hinter dem der Juden noch zurückzubleiben, die überdies auch nicht einmal den Trost haben, einem Fremden dafür die Schuld aufbürden zu können – kein Wunder, dass es mir unmöglich war, meinen Jammer ganz zu bemeistern! Wollte aber jemand schon durchaus mit meinen Klagen allzu streng ins Gericht gehen, so möge er nur ruhig die erzählten Thatsachen der Geschichte, die Ausbrüche des Schmerzes aber dem Schreiber aufs Conto setzen.

13 Ich könnte indes selber mit Fug und Recht den griechischen Geschichtschreibern Vorwürfe machen, weil sie mit den folgenschweren Ereignissen, die sich doch vor ihren eigenen Augen abgespielt haben, und denen gegenüber sich die Kriege der alten Zeiten nur sehr klein ausnehmen, nichts anderes zu thun wissen, als den Kritiker zu spielen und auf ihre strebsamen Bearbeiter zu schmähen, hinter denen sie, mögen sie dieselben auch an schriftstellerischer Gewandtheit übertreffen, doch wenigstens an wissenschaftlicher Begeisterung zurückstehen müssen. Dafür greifen diese Kritiker in ihren eigenen Beschreibungen gar auf die Geschichte der Assyrer und Meder zurück, als wäre dieselbe nicht schon trefflich genug von den alten Geschichtschreibern behandelt worden, obschon sie ebenso weit von ihrer markigen Schreibweise, wie von ihrem gesunden Urtheile entfernt sind. 14 Denn die Geschichte der eigenen Zeit zunächst suchte damals jeder zu schildern, wobei sowohl die persönliche Theilnahme an den Ereignissen die Mit- theilung lebendig gestaltete, als auch die Fälschung durch die Scheu vor so vielen Zeugen ausgeschlossen war. 15 Wenn es nun allerdings ganz gewiss Lob und Anerkennung verdient, dass man einen früher noch nicht geschichtlich behandelten Stoff dem Gedächtnis überliefert und die Thaten der Zeitgenossen für die Nachkommen darstellt, so ist andererseits der noch kein Forscher, welcher einfach Plan und Eintheilung eines Anderen umstellt, sondern, wer sowohl Neues bringt, wie auch seine Geschichte in origineller Darstellung zu verkörpern weiß. 16 So biete nun auch ich mit großen Unkosten und Mühen Griechen und Römern eine geschichtliche Erinnerung an die erwähnten großen Waffenthaten, obschon ich ganz anderer Nationalität bin, während die gebürtigen Griechen, wo es Gewinn und Rechtshändel gilt, gleich das Maul recht weit aufreißen und eine geläufige Zunge entwickeln, wo es sich aber um die Geschichtschreibung handelt, bei der man nur die Wahrheit sagen und mit vieler Mühe die Thatsachen zusammensuchen muss, die Mundsperre haben und es den weniger Begabten und schlecht Unterrichteten überlassen, die Thaten der Heerführer zu schildern. Je weniger sich nun aber die Griechen um Geschichte und Wahrheit kümmern, desto höher soll beides dafür bei uns in Ehren stehen!

17 (6.) Eine Darstellung der ganzen alten Geschichte der Juden mit den näheren Angaben, woher sie eigentlich stammten, und wie sie aus Aegypten hinausgekommen, was für einen ungeheuren Weg sie auf ihren Irrfahrten zurückgelegt, was für ein Gebiet sie dann bleibend besetzt, und auf welche Art sie daraus wieder verbannt worden sind, eine solche Darstellung hielt ich jetzt für unzeitgemäß und auch sonst für überflüssig, nachdem schon viele Juden vor mir die Geschichte unserer Vorfahren mit aller Genauigkeit zusammengestellt, und selbst einige Griechen mit ihren diesbezüglichen Uebertragungen in ihre heimatlichen Laute so ziemlich das Richtige getroffen haben. 18 Ich gedenke vielmehr dort, wo jene griechischen Schriftsteller und unsere prophetischen Männer den Faden der Geschichte fallen gelassen haben, mit meiner Arbeit wieder anzusetzen, und zwar in der Weise, dass ich darin jene Periode, wo die kriegerischen Ereignisse vor meinem eigenen Auge vorübergezogen sind, ausführlicher und mit aller mir möglichen Exactheit behandeln will, während ich das, was sich kurz vor meiner Zeit ereignet hat, nur im Auszuge flüchtig berühren werde.

19 (7.) Ich werde nämlich berichten, wie Antiochus, genannt Epiphanes, sich Jerusalems mit Gewalt bemächtigt und es drei Jahre und sechs Monate besetzt gehalten, dann aber von den Söhnen des Asamonäus zum Lande hinausgejagt worden, wie darauf die Nachkommen derselben wegen der Herrschaft unter sich selbst in Streit gerathen sind und die Römer unter Pompejus in ihre eigenen Händel förmlich hereingezerrt haben, und wie es endlich dem Herodes, dem Sohne des Antipater, gelungen ist, mit Beiziehung des römischen Feldherrn Sosius ihre Dynastie zum Sturze zu bringen; 20 vom Aufruhr ferner, den das Volk nach dem Tode des Herodes unter der Regierung des Kaisers Augustus und der Verwaltung des Provinzial-Statthalters Quintilius Varus erregte, und wie im zwölften Jahre der Regierung des Nero der jüdische Krieg zum Ausbruch kam, von den Ereignissen, die sich an Cestius knüpfen, und den furchtbaren Verheerungen, welche die Juden bei ihren ersten kriegerischen Ausfällen weit und breit anrichteten, wie auch von ihren Befestigungsarbeiten, die sie an den Städten im Umkreise des ganzes Landes vorgenommen.

21 (8.) Daran schließt sich der Bericht, wie Nero den Vespasian mit der Führung des Krieges betraute, weil er wegen der Niederlagen des Cestius selbst für den Bestand der Herrschaft im Oriente fürchten musste; vom Einfall, den Vespasian in Begleitung seines älteren Sohnes in das jüdische Gebiet unternahm, wie auch von der Stärke des römischen Heeres und dem Contingent der Hilfstruppen, mit dem er zunächst ganz Galiläa überschwemmte, von den Städten, die er im Sturme nahm, und jenen, die er durch Capitulation gewann. 22 Dort wird auch Gelegenheit sein, das Wesen der ausgezeichneten römischen Kriegsdisciplin und ihre militärischen Uebungen, die Ausdehnung und natürliche Beschaffenheit der beiden galiläischen Landschaften, die Grenzen von Judäa mit seinen topographischen Eigenthümlichkeiten, die Seen und Quellen des Landes zu beschreiben, im Anschluss an die genaue Schilderung der Leiden, welche die einzelnen eroberten Städte ausgestanden, und die ich zum Theil aus persönlicher Anschauung, theils sogar als Leidensgenosse kenne. Denn ich kann natürlich auch von meinem eigenen Missgeschick nicht das mindeste verschleiern, da ich ja im Begriffe stehe, auch vor solchen Lesern zu erzählen, welche um die ganze Sache wissen.

23 (9.) Es wird hierauf zur Darstellung gelangen, wie Nero gerade zu der Zeit, da es bei den Juden schon sehr schief gieng, vom Tode ereilt ward, und Vespasian, schon im Begriffe, sich auf Jerusalem zu stützen, durch seine Erhebung auf den Kaiserthron von seinem Ziele plötzlich abgelenkt wurde: im Einzelnen: die Anzeichen, die ihm von Gott über seine Würde zugekommen, 24 die Umwälzungen in Rom, seine Proclamierung zum Alleinherrscher, die von den eigenen Kriegern gegen seinen Willen vollzogen ward, und endlich der Bürgerkrieg, der nach seinem Abgange nach Aegypten, wo er die Verwaltung des Reiches in die Hand nehmen wollte, unter den Juden ausbrach, und in welchem einerseits den Parteien die Schreckensmänner über den Kopf wuchsen, andererseits aber die letzteren selbst wieder untereinander in Kampf geriethen.

25 (10.) Weiter werde ich dann berichten von dem Abmarsch des Titus aus Aegypten, von dem zweiten Einfall in das Land, von der Art, dem Sammelpunkt und der Stärke seiner Truppenconcentrierung, von der traurigen Lage, in der sich zufolge des inneren Zwistes die Hauptstadt bei seinem Erscheinen befand, von den zahlreichen und blutigen Stürmen und den gewaltigen Schanzarbeiten, die er unternommen, von den drei Ringmauern mit ihren Dimensionen und von den sonstigen Befestigungswerken der Stadt, von der ganzen Anlage des Heiligthums 26 und des Tempelgebäudes mit seinen und des Altares Maßen, von einigen Festgebräuchen und den sieben Stufen der gesetzlichen Reinheit, von den heiligen Verrichtungen der Priester und auch von der priesterlichen, wie hohenpriesterlichen Kleidung nebst einer Beschreibung der heiligen Räume des eigentlichen Tempelhauses: das alles werde ich mit möglichster Genauigkeit darlegen, ohne etwas zu verheimlichen oder zu dem, was mir durch Nachforschung zuverlässig bekannt geworden, etwas hinzuzudichten.

27 (11.) Endlich muss ich noch die Grausamkeit der Schreckensmänner gegen ihre eigenen Stammgenossen, wie auch die Schonung besprechen, welche die Römer gegen uns Fremde geübt, wie oft z. B. Titus in dem Verlangen, die Stadt und den Tempel zu retten, die Empörer zur Capitulation aufgefordert hat, wobei ich auch von dem Elend und den Leiden des Volkes ein detailliertes Bild entwerfen will, was es alles vom Kriege, was es vom Parteikampf und vom Hunger zu erdulden gehabt, ehe es unterlag. 28 Ich kann auch das Missgeschick der Ueberläufer nicht unberührt lassen, so wenig wie die Martern der Gefangenen, worauf ich die Einäscherung des Tempelgebäudes, die gegen den Willen des Cäsar erfolgte, und die Rettung eines Theiles der heiligen Schätze aus dem Flammenmeer, die vollständige Eroberung der Stadt und die vor derselben eingetretenen Zeichen und Erscheinungen, die Gefangennahme der Schreckenshäupter, die Unmasse der in die Sclaverei geschleppten Juden und das elende Los schildern werde, dem jeder einzelne zugetheilt wurde; 29 zum Schlusse dann, wie die Römer die letzten Zuckungen des Krieges vollends bewältigten und die Mauern der festen Plätze niederrissen, Titus aber das ganze Land bereiste, um die Ordnung darin wieder herzustellen; endlich seine Rückkehr nach Italien und seinen Triumphzug.

30 (12.) Diesen ganzen Stoff habe ich in sieben Bücher zusammengefasst und mich beim Schreiben bemüht, denen, welche die Ereignisse kennen und dabei betheiligt waren, keinerlei Anlass zu Tadel oder schwereren Vorwürfen zu bieten, da ich es ja nur für die Freunde der Wahrheit und nicht zur Unterhaltung bestimmt habe. Ich werde die ausführliche Abhandlung natürlich mit jenen Ereignissen beginnen, mit denen ich auch die Inhaltsangabe eröffnet habe.

Erstes Capitel.

Zwistigtkeiten unter den Juden. Eroberung Jerusalems durch Antiochus Epiphanes. Flucht des Onias. Der Hasmonäer Matthias und sein Sohn Judas Machabäus.

31 (1.) Um dieselbe Zeit, da sich Antiochus, genannt Epiphanes, mit Ptolemäus VI. von Aegypten wegen Cölesyriens überworfen hatte, brach auch unter den jüdischen Großen ein Zwist aus, der seinen Grund in der Eifersucht um die Herrschaft hatte, weil kein Jude in Amt und Würde mehr seinesgleichen gehorchen wollte. In diesem Streite trug Onias, einer von den Hohenpriestern, den Sieg davon, was die Vertreibung der Söhne des Tobias aus Jerusalem zur Folge hatte. 32 Letztere aber nahmen ihre Zuflucht zu Antiochus und baten ihn dringend, er möchte unter ihrer Leitung eine Expedition nach Judäa unternehmen lassen. Da der König ohnehin schon längst einen solchen Wunsch gehegt hatte, ließ er sich gerne dazu herbei und marschierte persönlich mit einer sehr starken Kriegsmacht gegen Jerusalem, nahm die Stadt mit stürmender Hand und ließ eine große Zahl von Juden, die auf der Seite des Ptolemäus standen, über die Klinge springen und gestattete nicht bloß seinen Soldaten eine zügellose Plünderung, sondern legte selbst Hand an an die Schätze des Tempelhauses und unterbrach das immerwährende tägliche Opfer auf drei Jahre und sechs Monate. 33 Der Hohepriester Onias aber entkam zu Ptolemäus und erhielt von ihm ein Gebiet im Gau von Heliopolis, wo er ein kleines Städtchen nach dem Plane von Jerusalem und einen Tempel nach dem Vorbilde des palästinensischen erbaute, worüber wir ohnehin später an seinem Orte noch nähere Aufschlüsse geben werden.

34 (2.) Antiochus gab sich jedoch mit der wider alles Erwarten gelungenen Eroberung der Stadt und den Plünderungen, wie auch mit dem großen Gemetzel, das sie begleitet hatte, nicht zufrieden, sondern suchte in seiner unbändigen Leidenschaftlichkeit und in der noch frischen Erinnerung an die während der Belagerung erlittenen Verluste die Juden zum Aufgeben ihrer ererbten Sitten, namentlich zur Unterlassung der Kinderbeschneidung und zur Darbringung von Schweineopfern auf dem Brandaltare zu zwingen. 35 Diesen Anordnungen verweigerten jedoch alle den Gehorsam, was die Angesehensten wieder mit ihrem Leben zu büßen hatten. Insonderheit ließ der von Antiochus nach Judäa gesandte Befehlshaber der syrischen Besatzung, Bakchides, dem jene gottlosen Aufträge bei seiner natürlichen Grausamkeit wie aus der Seele gesprochen waren, keinen auch noch so maßlosen Frevel unversucht, indem er nicht bloß einzelne Persönlichkeiten von Rang und Stand martern ließ, sondern auch durch Massenmorde Tag für Tag der Stadt, sozusagen, das Trauerspiel der Eroberung wieder aufs neue aufführte, bis er durch seine alles Maß übersteigenden Unbilden die Gequälten zu einem kühnen Versuche der Nothwehr aufreizte.

36 (3.) Die Schilderhebung begann ein gewisser Matthias, der Sohn des Asamonäus, ein Priester vom Dorfe Modein, unterstützt von einer kleinen Schar der Seinigen, zunächst der fünf Söhne, die er hatte. Er erdolchte den Bakchides und floh dann auf der Stelle aus Furcht vor den zahlreichen Besatzungstruppen in die Berge. 37 Sobald er aber aus dem Volke einen starken Zuwachs bekommen hatte, wagte er sich wieder herab, besiegte in offener Feldschlacht die Feldherren des Antiochus und jagte sie aus Judäa hinaus. Nachdem er endlich auf seiner Siegeslaufbahn noch zur höchsten Macht emporgestiegen und zum Lohne für die Vertreibung der Fremden die Herrschaft über das eigene Volk mit dessen vollkommener Zustimmung erlangt hatte, segnete er das Zeitliche und hinterließ die Herrschaft seinem ältesten Sohne Judas.

38 (4.) Da Judas vermuthen konnte, dass Antiochus die Sache nicht ruhen lassen werde, suchte er zunächst alle verfügbaren Streitkräfte im Lande zu sammeln und schloss dann das erste Freundschaftsbündnis der Juden mit Rom ab. Als dann wirklich Epiphanes aufs neue in das Land einbrach, ward er von Judas mit schweren Verlusten zurückgeschlagen. 39 Frischweg von der glänzenden That stürzte er sich auf die in Jerusalem befindliche Besatzung, die bisher noch nicht hatte aufgehoben werden können, warf sie aus der oberen Stadt hinab und drängte sie in die Unterstadt, einen Stadttheil, der den Namen Akra führte, zusammen. Dann brachte er auch das Heiligthum in seine Gewalt, reinigte den ganzen Platz und schloss ihn mit einer Mauer ab, ließ hierauf neue Gefäße für den heiligen Dienst anschaffen und im Tempel aufstellen, da die früheren verunreinigt worden waren, baute einen anderen Brandopferaltar und nahm die Darbringung der Opfer wieder auf. 40 Gerade als die Stadt auf diese Weise ihren heiligen Charakter wieder erlangt hatte, starb Antiochus, und trat sein Sohn Antiochus das Erbe seines Reiches, aber auch seiner Feindschaft gegen die Juden an.

41 (5.) Er zog in dieser Absicht ein Heer von 50.000 Fußtruppen, von ungefähr 5000 Reitern und 80 Elephanten zusammen und drang in Judäa bis ins eigentliche Bergland vor. Hier nahm er das Städtchen Bethsur weg, beim Orte Bethzacharias aber, wo eine Enge ihm den Weg versperrte, stellte sich ihm Judas mit seiner Streitmacht entgegen. 42 Kaum war Eleazar, der Bruder des Judas, noch ehe die Schlachtreihen aneinander geriethen, des höchsten Elephanten, der mit einem großen Thurme und ganz vergoldeten Brustwehren darüber ausgerüstet war, ansichtig geworden, als er auch schon in der Meinung, dass dort Antiochus in Person sein müsse, den Seinigen weit vorauslief, sich durch den feindlichen Haufen durchschlug und wirklich bis zum Elephanten gelangte. 43 Da er sich aber nun hier in Anbetracht der Höhe des Thieres außerstande sah, dem Manne, den er für den König hielt, beizukommen, schlitzte er dem Elephanten den Bauch auf und ließ sich von dem stürzenden Kolosse begraben und zermalmen, ohne etwas anderes auszurichten, als eine große That versucht und sein Leben dem Ruhme geopfert zu haben. 44 Der, welcher auf dem Elephanten befehligte, war übrigens nur ein Krieger, wie andere; wäre es aber auch zufällig Antiochus gewesen, so hätte doch der Held nichts anderes erzielt, als das Lob eines Mannes, der sich für die unsichere Hoffnung auf einen glänzenden Erfolg freiwillig in den Tod gestürzt hat. 45 Sein Fall war auch eine böse Vorbedeutung für seinen Bruder, beziehungsweise für die Wendung der ganzen Schlacht. Denn obschon die Juden sich tapfer und lange herumschlugen, siegten doch die Königlichen, weil sie nicht bloß mehr Leute, sondern diesmal auch mehr Glück hatten. Nachdem Judas viele der Seinen eingebüßt hatte, flüchtete er sich mit dem Reste nach dem Bezirke von Gophna, während Antiochus in Jerusalem einzog. 46 Der König hielt sich aber nur einige Tage hier auf, weil ihm die Lebensmittel ausgiengen, und brach dann nach Zurücklassung einer entsprechend starken Besatzung mit der übrigen Streitmacht nach Syrien auf, um sie in die dortigen Winterquartiere abzuführen.

47 (6.) Der Abzug des Königs schläferte indes die Thätigkeit des Judas nicht ein. Er zog aus dem Volke bedeutende Verstärkungen an sich und sammelte auch die Trümmer des geschlagenen Heeres, worauf er sich bei dem Dorfe Adasa aufs neue mit den Feldherren des Antiochus in einen Kampf einließ. Nachdem er noch mit größter Auszeichnung gekämpft und sein Leben gar theuer verkauft hatte, starb er hier den Heldentod. Wenige Tage darauf endete auch sein Bruder Johannes unter den Meuchlerhänden der Parteigänger des Antiochus.

Zweites Capitel.

Die Machabäer Jonathas, Simon und Johannes Hyrkanus.

48 (1.) Auf Judas folgte in der Führerschaft sein Bruder Jonathas, der sich eben so glücklich vor Verrath im Innern zu schützen wusste, wie er nach außen seine Herrschaft durch die Erneuerung des Bündnisses mit den Römern zu kräftigen verstand. Selbst mit dem jungen Antiochus kam ein Vergleich zustande. Trotz all’ dem konnte er seinem Schicksale nicht entgehen! 49 Der Usurpator Tryphon, welcher seine Vormundschaft über den kleinen Antiochus dazu missbrauchte, um dem letzteren nach dem Leben zu streben, und zu diesem Zwecke zunächst dessen Freunde aus dem Wege räumen wollte, ließ den Jonathas, als er eben mit wenigen Begleitern zu Antiochus nach Ptolemais gekommen war, hinterlistigerweise ergreifen und in Ketten legen, um selbst sofort Judäa mit einem Heere zu überfallen. Von Simon, einem Bruder des Jonathas, zurückgetrieben, nahm er in seiner Erbitterung über diese Niederlage dem Jonathas auch noch das Leben.

50 (2.) Simon aber führte die Zügel der Regierung mit fester Hand weiter. Es gelang ihm, die Grenzen des Landes durch die Wegnahme von Gazara, Joppe und Jamnia zu erweitern und auch in Jerusalem selbst die Besatzung der Akra zu überwältigen und die Veste abzutragen. Ja später erscheint er sogar als Bundesgenosse des Antiochus im Kampfe gegen Tryphon, den der syrische König noch vor seinem Feldzug gegen die Meder in der Stadt Dora belagern wollte. 51 Aber trotzdem Simon dem König bei der Aufhebung des Tryphon gute Dienste geleistet hatte, konnte er damit nicht verhindern, dass Antiochus in seiner Unverfrorenheit die habsüchtigen Anschläge auf Judäa fortsetzte. Denn es stand nicht lange an, so sandte Antiochus seinen Feldherrn Kendebäus an der Spitze seiner Kriegsmacht nach Judäa, um das Land zu verwüsten und den Simon zur Unterwerfung zu zwingen. 52 Dieser aber führte, obschon hochbetagt, den Krieg fast mit der Frische eines Jünglings. So ließ er zunächst seine Söhne mit den Kerntruppen vorausmarschieren, um den König an der Front festzuhalten, während er selbst mit einem Theile der Heeresmacht denselben von einer anderen Richtung her zu packen gedachte. 53 Unterstützt von einem ausgebreiteten Netze von starken Hinterhalten, die er vorsorglich, namentlich in den Bergen, gelegt hatte, gelang sein ganzer Operationsplan, und nach einer Reihe glänzender Siege hatte er die Freude, sich selbst mit dem Namen eines Hohenpriesters geehrt, das jüdische Volk aber von der 170jährigen macedonischen Zwingherrschaft befreit zu sehen.

54 (3.) Dennoch sollte auch Simon durch Meuchelmord, und zwar bei einem Gastmahle unter der Hand seines eigenen Schwiegersohnes Ptolemäus sterben. Nachdem der Mörder noch seine Gattin und zwei seiner Söhne ins Gefängnis geworfen hatte, schickte er auch gegen den dritten Sohn Johannes, Hyrkanus zubenannt, seine Meuchler aus. 55 Der Jüngling erfuhr aber noch rechtzeitig von ihrem Anzuge und beeilte sich, die Hauptstadt zu erreichen, weil er auf das Volk bei der frischen Erinnerung an die Siege seines Vaters und bei dem Abscheu, den die Greuelthat des Ptolemäus erregen musste, das größte Vertrauen setzte. Schon war indes auch Ptolemäus zur Stelle, um bei einem anderen Thore in die Stadt einzudringen. Doch wurde er vom Volke, das dem Hyrkan bereits Aufnahme gewährt hatte, rasch hinausgestoßen, 56 worauf er sich sogleich auf eine der oberhalb Jericho gelegenen Burgen, namens Dagon, zurückzog. Hyrkan ließ sich zunächst die hohepriesterliche Würde, die schon sein Vater bekleidet hatte, übertragen und brachte Gott sein Opfer, dann aber rückte er in aller Eile gegen Ptolemäus heran, um seine Mutter und die Brüder aus der Gewalt des Wütherichs zu befreien.

57 (4.) Bei der nun folgenden Bestürmung der Veste hätten wohl die feindlichen Bollwerke den Hyrkan nicht aufzuhalten vermocht, leider unterlag er aber einem, freilich nur allzu gerechten, seelischen Schmerze. Ptolemäus ließ nämlich, so oft seine Kraft sich im Kämpfe erschöpfte, die Mutter und Brüder des Hyrkan an eine weithin sichtbare Stelle auf der Mauer führen und dort mit Streichen zerfleischen, ja er drohte ernstlich, sie endlich gar hinabzustürzen, wenn der Feind sich nicht schnell zurückziehen würde. 58 Bei diesem Anblick überfiel den Hyrkan ein Erbarmen und Schrecken, die noch größer waren als sein Zorn, während die Mutter weder unter den Misshandlungen noch selbst angesichts des ihr angedrohten Todes im geringsten wankte, sondern mit ausgestreckten Händen den Sohn anflehte, er möge ja nicht, gebrochen von dem an ihr verübten Frevel, des Ruchlosen schonen, da sie für ihre Person den Tod aus der Hand des Ptolemäus wertvoller finde, als selbst die Unsterblichkeit, weil er dann wenigstens die gerechte Strafe für das empfangen werde, was er an ihrem Hause gefrevelt habe. 59 So oft nun Johannes sich die Fassung seiner Mutter zu Gemüthe führte und ihren Racheschrei oben vernahm, eilte er entschlossen zum Sturme; wie er sie aber wieder geschlagen und zerfleischt sah, wurde ihm wieder weich ums Herz und er war ganz nur Mitleid. 60 Während sich aber die Belagerung aus diesen Gründen immer weiter hinauszog, trat das Ruhejahr ein, welches bei den Juden alle sieben Jahre, ähnlich wie der Sabbatstag, durch Einstellung der Arbeit geheiligt wird, und so war für jetzt Ptolemäus der Belagerung los. Er ließ nun die Brüder des Johannes sammt ihrer Mutter hinrichten und floh dann zu Zeno, genannt Kotylas, dem Fürsten von Philadelphia.

61 (5.) Jetzt machte auch Antiochus voll Zorn über die durch Simon erlittenen Niederlagen einen neuen Einfall in Judäa und lagerte sich mit seinem Heere vor Jerusalem, um Hyrkan zur Uebergabe zu zwingen. Hyrkan aber wusste sich durch Eröffnung des Grabes Davids, der da einer der reichsten Könige gewesen war, über 3000 Talente Geldes zu verschaffen und durch Zahlung einer Summe von 300 Talenten den Antiochus zur Aufhebung der Belagerung zu bestimmen. Vom Ueberschuss des Geldes begann er nun auch Soldtruppen zu halten, was vor ihm noch kein jüdischer Fürst gethan hatte.

62 (6.) Als ihm jedoch später Antiochus selbst durch seine Entfernung nach dem medischen Kriegsschauplatz eine gute Gelegenheit zur Wiedervergeltung gab, säumte er nicht und fiel über die Städte Syriens her, in der Annahme, die auch wirklich zutraf, sie von den besten Streitern entblößt zu finden. 63 Er bezwang nun Medaba und Samäa mit den umliegenden Städten, ferner Sichem und Garizin mit dem Volk der Chuthäer, welches um das bekannte, dem Tempel von Jerusalem nachgemachte Heiligthum herum wohnte, und eroberte auch in Idumäa außer zahlreichen anderen Städten namentlich Adoreus und Marissa.

64 (7.) Er schritt endlich auch zur Belagerung von Samaria, woselbst gegenwärtig die von König Herodes gegründete Stadt Sebaste steht. Er schnitt sie zunächst durch einen Wall von jeder Verbindung nach außen ab und überließ dann den Söhnen Aristobulus und Antigonus die Leitung der Belagerung. Da diese sie rastlos betrieben, geriethen die Bewohner der Stadt in eine solche Hungersnoth, dass sie sogar zu den ekelhaftesten Dingen griffen. 65 Da riefen sie Antiochus mit dem Beinamen Aspendius zu Hilfe, der auch bereitwillig ihrem Rufe Folge leistete, aber von den Leuten des Aristobulus geschlagen ward. Bis Scythopolis von beiden Brüdern verfolgt, kam er zwar für seine Person noch mit heiler Haut davon, doch kehrten dieselben wieder nach Samaria zurück, um deren Bevölkerung aufs neue in den Mauerwall einzuschließen. Endlich brachten sie die Stadt in ihre Gewalt, worauf sie dieselbe dem Erdboden gleich, ihre Einwohner aber zu förmlichen Sclaven machten. 66 Da sich auf solche Art der Sieg überall an ihre Fahnen geheftet hatte, loderte auch das Feuer ihrer Kriegslust immer mächtiger auf, und sie zogen schließlich mit ihrer Macht vor Scythopolis, machten mehrere Stürme auf die Stadt und verheerten die ganze Umgebung südlich vom Karmelgebirge.

67 (8.) Unterdessen hatte aber der Neid gegen die glänzenden Erfolge des Johannes, wie seiner Söhne, eine Gährung unter ihren eigenen Landsleuten erregt, von denen sich eine bedeutende Zahl gegen sie verschwor und rastlos schürte, bis der Zunder zur lichterlohen Kriegesflamme aufschlug. Doch unterlagen die Verschwörer. 68 Die übrige Zeit seines Lebens verbrachte Johannes recht glücklich und starb endlich nach einer durch volle 33 Jahre aufs trefflichste geführten Regierung mit Hinterlassung von fünf Söhnen, ein Mann, der es fürwahr verdient, selig gepriesen zu werden, und bei dem das Schicksal einmal gar nichts zu wünschen übrig ließ. Besaß doch hier ein einziger Mensch die drei kostbarsten Dinge: Die Herrschaft über die Nation, die hohepriesterliche Würde und die Prophetengabe. 69 Denn auch die Gottheit redete mit ihm, so dass ihm nichts von der Zukunft verborgen blieb, wie er insbesondere auch von seinen zwei ältesten Söhnen voraussah und voraussagte, dass es mit ihrer Herrschaft keine Dauer haben werde. Es lohnt sich der Mühe, dieses traurige Ende näher zu schildern, schon um zu sehen, was für ein Abstand zwischen ihrem Schicksal und dem Glücke ihres Vaters liegt.

Drittes Capitel.

Das Ende des Antigonus und des Aristobulus.

70 (1.) Nach dem Hingange des Vaters verwandelte nämlich der älteste Sohn Aristobulus die Herrschaft in ein förmliches Königthum und schmückte sich mit dem Diadem. Es war das erste Beispiel dieser Art seit der Heimkehr des Volkes aus der babylonischen Gefangenschaft, die vor 471 Jahren und 3 Monaten erfolgt war. 71 Unter seinen Brüdern ließ er nur dem Antigonus, der ihm an Alter zunächst stand, und dem er eine unverhohlene Zuneigung schenkte, königliche Ehren erweisen, während er die anderen in Ketten legte und in Gewahrsam hielt. Ja er ließ sogar seine eigene Mutter fesseln, weil sie sich mit ihm wegen der Herrschaft entzweit hatte – denn sie hatte eigentlich Johannes vor seinem Ableben zur Regentin bestimmt gehabt – und gieng in seiner Grausamkeit so weit, dass er sie sogar im Kerker verhungern ließ.

72 (2.) Merkwürdigerweise raubte ihm eine gerechte Strafe gerade jenen Bruder, den er aufrichtig liebte, und den er zum Mitregenten angenommen hatte, den Antigonus. Er ließ nämlich infolge von verleumderischen Intriguen, welche eine ruchlose Partei am Hofe angesponnen hatte, auch diesen ums Leben bringen. Anfangs schenkte freilich Aristobulus diesem Gerede nicht den mindesten Glauben, weil er seinem Bruder wirklich zugethan und das Geschwätz zum größten Theil auf Rechnung des Neides zu setzen geneigt war. 73 Als aber einst Antigonus ruhmbedeckt vom Kriegsschauplatz zum Feste sich begab, an welchem die Juden nach väterlicher Sitte Gott unter Laubhütten dienen, wollte es der Zufall, dass gerade an jenen Tagen Aristobulus unpässlich darniederlag, während Antigonus am Ende des Festes in denkbar prächtigstem Schmucke und umgeben von seinen Kriegern zum Tempel hinaufstieg, um dort sein Gebet, besonders für den kranken Bruder, zu verrichten. 74 Das war die Zeit für die Bösewichte, an den König sich heranzumachen. Mit den lebendigsten Farben schilderten sie ihm den Aufzug der Bewaffneten und das gebieterische, mit einem Privatmann unvereinbare Auftreten des Antigonus, dessen Anwesenheit in Verbindung mit einer so großen Truppenabtheilung nur dahin gedeutet werden könne, dass er den König beseitigen wolle. Denn gewiss würde er sich nicht länger mit dem bloßen Königstitel abspeisen lassen, wo es in seiner Macht liege, nach dem Königthum selbst zu greifen.

75 (3.) Diesen Worten schenkte Aristobulus nach und nach, wenn auch ungern, Glauben und stellte, um einerseits nicht das geringste Misstrauen zu verrathen, andererseits auch gegen Ueberraschungen gesichert zu sein, die Leibwache in einem finsteren, unterirdischen Gange der Burg, wo er lag, und die früher Baris, später aber Antonia hieß, mit dem Befehle auf, wenn Antigonus ohne Waffen käme, seiner zu schonen, ihn aber niederzustoßen, wenn er bewaffnet sich nähern würde. Zu Antigonus schickte unterdessen der König eigens Boten mit der vorgängigen Weisung, dass er unbewaffnet kommen möchte. 76 Das benutzte die Königin zu einem äußerst schlauen Anschlag im Bunde mit den geheimen Feinden des Antigonus. Man überredete nämlich die Boten, den vom König erhaltenen Auftrag nicht auszurichten und dafür dem Antigonus zu sagen: „Dein Bruder hat gehört, dass du dir in Galiläa sehr schöne Waffen und ein Panzerkleid habest herrichten lassen. Da er nun leider wegen seiner Krankheit außerstande ist, sie persönlich bei dir Stück für Stück zu besichtigen, so würde es ihm jetzt, zumal du auch schon wieder abreisen willst, ein großes Vergnügen sein, dich einmal im vollen Waffenschmucke bei sich zu sehen.“

77 (4.) Als Antigonus diese Botschaft vernommen, gieng er im vollen Vertrauen auf die bisherige Gesinnung des Bruders, und ohne im mindesten etwas Böses zu ahnen, mit seiner Waffenrüstung zu ihm, nur, um sich damit anschauen zu lassen. Angekommen aber beim finsteren Durchgang im sogenannten Stratonsthurm, ward er von der Leibwache des Königs niedergemacht – zum unwiderleglichen Beispiele, wie der Zahn der Verleumdung auch die innigste Freundschaft und die stärksten Bande des Blutes zernagen kann, und kein edles Gefühl kräftig genug ist, um dem Neide auf die Dauer zu widerstehen.

78 (5.) Was bei dieser Gelegenheit unsere Bewunderung verdienen dürfte, das ist das Benehmen eines gewissen Judas. Der Mann gehörte dem Stande der Essener an und hatte sich in seinen Weissagungen noch kein einzigesmal auch nur unbedeutend geirrt, geschweige denn ganz getäuscht. Wie er nun damals den Antigonus in seiner Nähe durch den Tempel gehen sah, schrie er in Gegenwart seiner Freunde oder eigentlich Schüler, von denen damals gerade eine beträchtliche Zahl bei ihm saß, laut auf: 79 „O weh!“ sprach er, „jetzt wäre ich lieber schon todt, da ich leider die Wahrheit überlebt habe, und sich wirklich etwas, was ich vorausverkündigt habe, als ganz und gar falsch erwiesen hat. Es geht ja da leibhaft jener Antigonus, der heute schon eines gewaltsamen Todes hätte sterben sollen und zwar nach des Schicksals Verhängnis durch Mörderhand beim Orte Stratonsthurm. Nun ist aber dieser Ort 600 Stadien von hier entfernt, und vom heutigen Tage überdies bereits die vierte Stunde verflossen. Schon an diesem Stande der Zeit muss meine Weissagung vollständig scheitern!“ 80 Nach diesem Ausruf blieb der Greis düster und nachdenklich. Bald darauf brachte man schon die Nachricht, dass Antigonus in jenem unterirdischen Raume, der da ebenfalls Stratonsthurm hieß, also mit Cäsarea am Meere denselben Namen theilte, ermordet worden sei. Diese Verwechslung nun war es, die den Seher so bestürzt gemacht hatte.

81 (6.) Die Reue über diese Greuelthat gab jedoch dem Zustand des Aristobulus alsbald eine neue gefährliche Wendung. Beständig schwebte ihm dieser Mord vor Augen und erfüllte seine Seele mit stets neuen Schreckbildern, so dass er immer mehr abzehrte, bis endlich die Brustorgane unter dem Druck einer übergroßen Trauer barsten, und der König das Blutbrechen bekam. 82 Als nun einer von den Krankenwärtern den Auswurf hinaustragen wollte, glitt er genau an der Stelle, wo Antigonus gemordet worden, auf besondere göttliche Zulassung aus und schüttete auf die vom Morde herrührenden und noch deutlich erkennbaren Blutflecken das Blut seines Mörders aus. Bei diesem Anblick erhoben sofort die Zeugen jenes Vorganges ein erbärmliches Geschrei, als ob der Diener zu Fleiß das Blut dort auf den Boden hingegossen hätte. 83 Der König hörte den Lärm und fragte nach dem Grunde. Da sich aber niemand denselben zu sagen getraute, so wollte der Kranke erst recht der Sache auf den Grund kommen und machte schließlich unter Drohungen seine Gewalt geltend. Und nun erzählte man ihm den Sachverhalt. Da traten ihm die hellen Thränen in die Augen, und mit dem ganzen Aufgebot seiner letzten Kräfte seufzte er: 84 „So konnte ich also doch nicht, wie ich vermeinte, das große Auge Gottes über meine Ruchlosigkeiten hinwegtäuschen: nur allzu rasch folgt mir die gerechte Strafe für den Mord am eigenen Blute! Wie lange noch willst du, o unverschämter Leib, meine Seele zurückhalten, die schon längst dem Rachegeiste meiner Mutter und meines Bruders gehört, und wie lange soll ich nur stoßweise mein Blut ihnen zum Opfer bringen? Sie sollen alles auf einmal nehmen, und nicht weiter möge die Gottheit mit den aus meinen Eingeweiden geschöpften Blutspenden für die Todten ihr grausames Spiel treiben!“ Bei diesen Worten verschied er, nachdem er nicht länger als ein Jahr geherrscht hatte.

Viertes Capitel.

Regierung des Alexander Jannäus.

85 (1.) Jetzt gab die Frau des Verstorbenen dessen Brüdern die Freiheit und stellte den Alexander, der sowohl in Anbetracht seines Alters, wie auch seiner Mäßigung den Vorzug zu verdienen schien, zum König auf. Kaum aber zur Macht gelangt, ließ derselbe den einen seiner Brüder, den es nach dem Königthum gelüstete, hinrichten, den letzten Bruder dagegen, den seine Neigung zum Privatleben hinzog, überhäufte er mit Ehren.

86 (2.) Alexander gerieth auch in einen Kampf mit Ptolemäus, Lathurus zubenannt, welcher die Stadt Asochis genommen hatte, und brachte ihm schwere Verluste bei, obwohl schließlich der Sieg dem Ptolemäus zufiel. Als dieser jedoch, von seiner eigenen Mutter Kleopatra angegriffen, sich nach Aegypten zurückgezogen hatte, bemächtigte sich Alexander durch Belagerung Gadaras, wie auch der Stadt Amathus, welche da die bedeutendste Festung jenseits des Jordans war, und wo auch Theodorus, der Sohn des Zeno, den wertvollsten Theil seiner Schätze liegen hatte. 87 Plötzlich aber fällt Theodorus über die Stadt her, gewinnt nicht bloß sein Eigenthum wieder, sondern auch die ganze Bagage des Königs dazu und erschlägt den Juden bei 10.000 Mann. Kaum hatte sich indes Alexander von diesem Schlage wieder aufgerichtet, als er sich auch schon wieder gegen die Meeresküste wandte und Raphia, Gaza, nebst der Stadt Anthedon, die später vom König Herodes Agrippias genannt wurde, eroberte.

88 (3.) Nach Unterwerfung dieser Städte, deren Bewohner vollständige Sclaven wurden, brach aber unter seinem eigenen Volke ein Aufstand los und zwar an einem Festtage, weil meistens gerade bei Gelegenheit von festlichen Zusammenkünften unter den Juden die innere Unzufriedenheit aufflammt. Und wahrscheinlich wäre er der gefährlichen Bewegung nicht Herr geworden, wenn er nicht die Hilfe seiner Fremdentruppe, bestehend aus Pisidiern und Ciliciern, gehabt hätte. Eigentliche Syrer pflegte er nämlich wegen ihres eingefleischten Hasses gegen das jüdische Volk unter seine Söldner nicht aufzunehmen. 89 Nachdem er den Aufstand im Blute von 6000 Juden erstickt hatte, band er mit den Arabern an, nahm ihnen die Gebiete von Galaad und Moab ab und legte ihnen einen Tribut auf. Darauf wandte er sich aufs neue gegen Amathus. Da sich diesmal Theodorus unter dem Eindruck seiner gewaltigen Waffenthaten nicht zu rühren getraute, fand Alexander auch die Veste ohne Vertheidiger und zerstörte sie.

90 (4.) Dann gab es wieder einen Strauß mit dem arabischen König Obedas. Dieser hatte im Gebiete von Gaulana dem Alexander eine Falle gelegt. Wirklich ließ sich der jüdische König in dieselbe locken und verlor sein ganzes Heer, das, in eine tiefe Schlucht zusammengedrängt, von der Masse der arabischen Kameelreiter förmlich zermalmt ward. Der König selbst rettete sich und floh nach Jerusalem, wo aber gerade die Größe seines Unglücks das ihm schon längst feindselige Volk zu einer neuen Erhebung reizte. 91 Doch behauptete er sich auch jetzt und führte Schlag auf Schlag, so dass er innerhalb sechs Jahre nicht weniger als 50.000 Juden niedermachte. Eine wahre Freude konnte er freilich über diese Siege schon darum nicht empfinden, weil sie ihm das eigene Reich aufzehrten, weshalb er mit Beiseitelegung der Waffen auf dem Wege der Ueberredung eine Versöhnung mit den niedergeworfenen Landsleuten anzubahnen suchte. 92 Diese betrachteten aber seinen Gesinnungswechsel und seine schwankende Haltung mit nur noch größerem Hasse und gaben ihm, da er einmal um den Grund fragte und wissen wollte, was er denn eigentlich thun sollte, um sie zu besänftigen, zur Antwort: „Sterben! Denn einem Menschen, der uns so entsetzliche Unbilden zugefügt hat, könnten wir selbst nach seinem Tode nur mit harter Mühe verzeihen.“ Gleichsam zur Bekräftigung ihrer Antwort riefen sie den Demetrius mit dem Beinamen Akärus zu Hilfe, der diesem Rufe ohne viele Umstände folgte, da er ihm noch weitere Aussichten bot, und mit einem Heere herbeikam. Bei Sichem erfolgte der Anschluss der Juden an ihre Bundesgenossen.

93 (5.) Diesem vereinigten Heere wollte Alexander mit 1000 Reitern und 8000 Soldtruppen zu Fuß, unterstützt von etwa 10.000 jüdischen Anhängern, die Spitze bieten. Er stand 3000 feindlichen Reitern und 14.000 Mann Fußtruppen gegenüber. Bevor es nun zum Handgemenge kam, suchten sich noch die Könige durch laute Proclamationen gegenseitig die Soldaten abwendig zu machen, indem Demetrius seinerseits die Söldner Alexanders, Alexander aber die Juden im Heere des Demetrius zu sich herüberzuziehen hoffte. 94 Da aber weder die Juden von ihrer feindseligen Gesinnung gegen Alexander, noch die Griechen von ihrer Treue lassen wollten, so maßen sie sich nun mit den Waffen im Kampfe. 95 Die Walstatt behauptete Demetrius, obwohl auch die Söldner des Alexander viele Proben ihres Muthes und ihrer Kraft abgelegt hatten. Indes gestaltete sich die Folge der Schlacht ganz entgegengesetzt der beiderseitigen Erwartung. Denn einerseits wollten die Juden, die den Demetrius herbeigerufen hatten, obwohl er Sieger geblieben, nicht mehr bei ihm aushalten, während andererseits der ins Bergland geflüchtete Alexander plötzlich eine Verstärkung von 6000 Juden erhielt, die sich ihm aus Mitleid mit seinem Schicksalsschlage angeschlossen hatten. Dieser Umschwung nahm dem Demetrius allen Muth, und er trat in der Voraussetzung, dass Alexander ihm bereits wieder ebenbürtig geworden sei und am Ende noch das ganze Volk zu ihm überlaufen würde, den Rückzug an.

96 (6.) Letzteres traf aber durchaus nicht zu, da die übrige Masse der Juden nach dem Rückzug ihrer Aliierten ihre Feindseligkeiten keineswegs einstellte, sondern im Gegentheil beständig mit Alexander im Kampfe lag, bis er die meisten von ihnen vernichtet und den Rest in die Stadt Bemeselis geworfen hatte. Mit dem Falle der Stadt, die er gänzlich zerstörte, fiel auch dieser in seine Hände und wurde nach Jerusalem hinaufgeschleppt. 97 Was er nun hier in seinem maßlosen Grimme an Grausamkeiten alles verübte, das streift schon an Gottlosigkeit. So ließ er von den Kriegsgefangenen bei 800 mitten in der Stadt ans Kreuz schlagen und dann vor ihren Augen ihre Frauen und Kinder hinschlachten, und diese Scenen sah er sich noch bei einem Trinkgelage und mit seinen Kebsweibern schwelgend an! 98 Das Volk ergriff darob ein so gewaltiger Schrecken, dass sich in der folgenden Nacht allein 8000 seiner Widersacher über die Grenzen Judäas flüchteten, deren Verbannung erst der Tod Alexanders ein Ziel setzte. Nachdem der König endlich mit so entsetzlichen Mitteln, spät freilich und mit Mühe, dem Reiche wieder Ruhe verschafft hatte, ließ er die Waffen ruhen.

99 (7.) Einen Anlass zu neuen Wirren gab ihm dann Antiochus, Dionysus zubenannt, ein Bruder des Demetrius und der letzte Seleucide. Da dieser sich nämlich anschickte, mit einem Kriegsheere gegen die Araber zu ziehen, so ließ Alexander, der ihm nicht recht traute, den ganzen Abstand zwischen Antipatris am Gebirge und der Meeresküste bei Joppe mit einer tiefen Kluft durchschneiden, vor diesem Graben aber eine hohe Mauer aufführen und hölzerne Thürme darauf zimmern, um auf diese Weise die bequemen Einbruchstellen des Landes dem Syrer zu versperren. 100 Dennoch war er nicht imstande, den Antiochus auch nur aufzuhalten, da derselbe die Thürme einfach in Brand steckte, den Graben auffüllte und mit seinem Heere hinüberdrang. Ohne sich vorderhand mit einem Rachezug gegen Alexander, der ihm das Hindernis gelegt hatte, aufzuhalten, gieng er sofort auf die Araber los. 101 Deren König zog sich zunächst auf ein günstigeres Terrain zurück, lässt dann seine ganze Reiterei, 10.000 an der Zahl, plötzlich Front gegen den Feind machen und stürmt gegen die Scharen des Antiochus, ehe sie noch Zeit gefunden hatten, sich ordentlich aufzustellen. Es entstand ein furchtbares Ringen. Obwohl von den Arabern ein wahres Blutbad unter den Syrern angerichtet wurde, leistete doch die Macht des Antiochus tapferen Widerstand, solange ihr Führer am Leben war. 102 Als er aber im dichtesten Kampfgewühl, in dem er sich stets herumschlug, um auf den bedrohtesten Punkten Hilfe zu bringen, gefallen war, da wich alles zurück und gieng so der größte Theil des Heeres theils am Schlachtfeld, theils auf der Flucht zugrunde. Die übrigen aber, die in das Dorf Kana geflohen waren, hatten das traurige Schicksal, mit wenigen Ausnahmen insgesammt aus Mangel an Lebensmitteln langsam zu verderben.

103 (8.) In der Folge brachten die Damascener aus Hass gegen Ptolemäus, den Sohn des Mennäus, den Aretas, ins Land und stellten ihn zum König von Cölesyrien auf. Als solcher fieng er mit Judäa einen Krieg an und besiegte den Alexander in offener Feldschlacht, trat aber nach geschlossenen Vereinbarungen wieder den Rückzug an. 104 Jetzt nahm sich Alexander Pella und richtete dann seinen Marsch auf Gerasa, weil er neuerdings nach den Schätzen des Theodorus Appetit bekam. Nachdem er mit einer dreifachen Umwallung die Besatzung cerniert hatte, fiel ihm die Festung ohne Schwertstreich in die Hände. 105 Auch Gaulana, Seleucia und die sogenannte Antiochusschlucht wurden von ihm erobert. Nachdem er noch die mächtige Veste Gamala erstürmt und den dortigen Fürsten Demetrius, mit dem man allgemein unzufrieden war, gestürzt hatte, kehrte er nach einer Abwesenheit von vollen drei Jahren im Felde wieder nach Judäa zurück. 106 Diesmal erhielt er vom Volke wegen seines Waffenglückes einen wohlwollenden Empfang. Aber gerade das Ende vom Kriege bedeutete für ihn den Anfang einer Krankheit, nämlich eines viertägigen Wechselfiebers, das ihn beständig quälte. Er glaubte sich nun die Krankheit vertreiben zu können, wenn er sich mit neuen Unternehmungen abgäbe. Er stürzte sich darum zur ungünstigsten Zeit abermals in kriegerische Verwicklungen und zwang den Körper, sich über seine Kräfte anzuspannen. So musste er erliegen! Er starb mitten in den Unruhen des Krieges, nachdem er 27 Jahre die königliche Gewalt inne gehabt hatte.

Fünftes Capitel.

Die Königin Alexandra und die Herrschaft der Pharisäer.

107 Die Regierung hinterließ Alexander seiner Frau Alexandra in der sicheren Erwartung, dass derselben die Juden noch am liebsten gehorchen würden, weil sie, von seiner Grausamkeit weit entfernt und eine Feindin der Gesetzesverletzungen, das Volk sich zum Wohlwollen verbunden hatte. 108 Er sollte sich in seiner Hoffnung auch nicht täuschen! Denn obschon nur ein schwaches Weib, kam sie doch auf den Thron und behielt ihn auch, geschirmt vom Ruhme ihrer Frömmigkeit, indem sie es mit den angestammten Vorschriften der Nation sehr genau nahm und jene, welche sich gegen die heiligen Gesetze verfehlten, vom Hofe verbannte. 109 Von den zwei Söhnen, welche sie von Alexander empfangen hatte, bestimmte sie den älteren, namens Hyrkan, sowohl mit Rücksicht auf sein Alter als auch aus dem Grunde zum Hohenpriester, weil er zu geistesschwach war, als dass er ihr hinsichtlich der Herrschaft hätte Ungelegenheiten bereiten können. Dem jüngeren, Aristobulus, dagegen gestattete sie wegen seines lebhaften Geistes gar keinen Antheil an der Regierung.

110 (2.) Dafür wuchsen ihr aber in der Regierung allmählig die Pharisäer über den Kopf, eine Vereinigung von Juden, deren Mitglieder im Ruhme einer besonderen Frömmigkeit und genaueren Gesetzeserklärung stehen. 111 In ihrem leidenschaftlichen Eifer für alles Göttliche erzeigte Alexandra diesen Männern begreiflicherweise eine ungewöhnliche Anhänglichkeit, während die Pharisäer nach und nach auf das einfältige Frauenzimmer in schlauer Weise ihren Einfluss geltend machten, bis sie endlich die Herren der ganzen Regierung waren, ächteten und zurückberiefen, lösten und banden, wen sie wollten. Um es kurz zu sagen: den Genuss von der Regierung hatten die Pharisäer, die Zahlungen und Scherereien aber Alexandra. 112 Letztere zeigte sich übrigens auch schwierigeren Aufgaben gewachsen. Sie verdoppelte ihre Kriegsmacht durch immer neue Werbungen und brachte auch eine nicht unbeträchtliche Fremdenlegion zusammen, so dass sie sich nicht bloß des eigenen Volkes versicherte, sondern auch bedrohlich für die auswärtigen Mächte wurde. Während sie aber die anderen beherrschte, wurde sie selbst wieder von den Pharisäern beherrscht.

113 (3.) So veranlassten die Pharisäer unter anderem die Hinrichtung eines angesehenen und dem Alexander befreundeten Mannes, namens Diogenes, der von ihnen beschuldigt wurde, zu der vom König vollzogenen Kreuzigung jener 800 gerathen zu haben. Auf ihr Drängen ließ Alexandra auch den übrigen, welche den Alexander gegen jene Unglücklichen aufgereizt hatten, den Process machen, und da sie in ihrer Bigotterie sich regelmäßig nachgiebig zeigte, so räumten schließlich die Pharisäer die Leute aus dem Wege, wie es ihnen passte. 114 Da stellten sich die Häupter der Proscribierten unter den Schutz des Aristobulus, der denn auch seine Mutter beredete, diesen Männern um ihres Standes willen das Leben zu schenken; vermöchte sie schon nicht an ihre Unschuld zu glauben, so könnte sie dieselben ja aus der Stadt verbannen. Auf das hin ward ihnen Sicherheit gewährleistet, und sie zerstreuten sich im Lande umher. 115 Darauf sandte Alexandra ein Heer nach Damaskus unter dem Vorwande, der Stadt gegen die beständigen Angriffe des Ptolemäus zu Hilfe zu kommen; sie musste indes dasselbe, ohne dass es etwas nennenswertes ausgerichtet hätte, wieder zurückziehen. 116 Dafür gelang es ihr, den armenischen König Tigranes, der vor Ptolemais lag und Kleopatra belagerte, durch Verträge und Geschenke sich willfährig zu machen, obschon derselbe übrigens, bevor er weiteres hätte unternehmen können, infolge der im eigenen Lande ausgebrochenen Wirren, die durch den Einfall des Lucullus in Armenien veranlasst worden waren, ohnehin hätte abziehen müssen.

117 (4.) Unterdessen erkrankte Alexandra, und diesen günstigen Zeitpunkt machte sich der jüngste Sohn Aristobulus sofort zunutzen, indem er sich mit Hilfe seiner zahlreichen Dienerschaft, bei der er wegen seines geweckten Geistes durchgängig beliebt war, in den Besitz sämmtlicher Festungen setzte. Mit den hier vorgefundenen Geldbeständen warb er nun Soldtruppen und ließ sich zum König ausrufen. 118 Auf das hin erhob Hyrkan einen großen Jammer, und aus Mitleid mit ihm ließ seine Mutter Frau und Kinder des Aristobulus in die Antonia einsperren. Es war dies eine unmittelbar an der Nordseite des Heiligthums gelegene Burg, ehemals, wie ich schon gesagt habe, Baris geheißen, die aber dann unter der Dictatur des Antonius diese Bezeichnung erhielt, sowie auch andere Orte, einer z. B. den Namen Sebaste von Sebastus, d. h. Augustus, ein anderer den Namen Agrippias von Agrippa später bekamen. 119 Bevor jedoch Alexandra den Aristobulus für die versuchte Entthronung des Hyrkan zur Strafe ziehen konnte, schied sie aus dem Leben, nachdem sie neun Jahre die Regentschaft geführt hatte.

Sechstes Capitel.

Kampf zwischen Hyrkan und Atistobulus. Einmischung der Römer unter Pompejus.

120 (1.) Hyrkan hatte nun freilich als Erbe das Anrecht auf die Regierung, wie ihm denn auch Alexandra vor ihrem Ableben noch das Scepter eingehändigt hatte, aber in Bezug auf die factische Macht und das Regierungstalent besaß Aristobulus einen großen Vorsprung. Der Zusammenstoß, der über die Herrschaft entscheiden sollte, geschah in der Gegend von Jericho, und hier ließen die meisten den Hyrkan im Stiche, 121 um zu Aristobulus überzugehen, so dass der erstere mit den Leuten, die ihm noch geblieben waren, sich beeilen musste, noch vor dem Gegner die Antonia zu gewinnen und sich wenigstens der für sein Leben wichtigen Geiseln, der Frau des Aristobulus und seiner Kinder, zu bemächtigen. In der That verglichen sich auch die Brüder, ehe es zum Aeußersten kam, in der Weise, dass Aristobulus den Thron einnehmen, Hyrkan aber mit Verzichtleistung auf denselben alle jene Ehren empfangen sollte, auf die er als Bruder des Königs Anspruch hatte. 122 Unter diesen Bedingungen schlossen sie im Tempel miteinander Frieden, umarmten sich auf eine herzliche Weise im Angesichte des ganzen Volkes und wechselten gegenseitig ihre Behausung: Aristobulus hielt seinen Einzug in den Königspalast, Hyrkan aber zog sich in das frühere Haus des Aristobulus zurück.

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