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Die Schatten wurden länger und wuchsen immer schneller und schließlich stand der Sonnenball auf dem welligen Horizont im Westen. Einige Wolken hatten sich vor das Gestirn geschoben und schienen in ihrem Innern zu erglühen.
Der Abend brach an und bald würde es sich zeigen, ob die italienischen Händler das Angebot Jugurthas annahmen und mit ihren Familien und ihrem Hab und Gut Thamugadi verließen. Und in mir entstand mehr und mehr die besorgte Frage, ob Jugurtha tatsächlich zu seinem gegebenen Wort stehen und sie ungeschoren ziehen lassen würde.
Ich misstraute ihm.
Der Westhimmel färbte sich im Sonnenuntergang purpurn. Die Bergspitzen schienen im letzten Licht des Tages zu bluten und auf den nach Westen ausgerichteten Abhängen lag ein rötlicher Schein. Die Schatten begannen zu verblassen und von Osten schob sich das Grau der Dämmerung in das Land, das Jugurtha mehr und mehr im Würgegriff von Mord und Totschlag zu halten gedachte.
Und schließlich wurde das Haupttor der Stadt geöffnet und einige Krieger liefen heraus. Ein Fuhrwerk, das von zwei Ochsen gezogen wurde, erschien. Es handelte sich um einen Planwagen. Auf dem Wagenbock hockte ein Mann, der eine Peitsche schwang, neben ihm saß eine Frau. Dem Fuhrwerk folgte ein zweiter, ein dritter, ein vierter Planwagen … Am Ende war es ein Zug von mehr als zwanzig Fuhrwerken, der sich nach Osten wendete und der hereinbrechenden Nacht entgegenfuhr.
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Veröffentlichungsjahr: 2017
Historisches Serial - Episode 5
von Pete Hackett
Der Umfang dieses Buchs entspricht 47 Taschenbuchseiten.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
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© dieser Ausgabe 2016 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.
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Unablässig und mit aller Wucht knallten die schweren Wurfgeschosse gegen die Stadtmauer. Der Rammbock am Haupttor, ein Baum, der den Umfang eines ausgewachsenen Mannes hatte und dessen Kopf mit einem Überzug aus Eisen versehen war, krachte in rhythmischen Abständen gegen das eisenbeschlagene Tor. In der Stadt brachen erste Brände aus. Die Krieger auf den Wehren kämpften mit dem Mut der Verzweiflung.
Ich hatte das alles schon einmal erlebt, aber das lag fast zwanzig Jahre zurück. Die Inszenierung war eine ähnliche, nur die Protagonisten waren andere. Damals spielten die Hauptrollen Keltiberer und Römer, dieses Mal waren es die Bewohner Numidiens.
Ja, es war ein Bruderkrieg.
Jugurtha, ich und ein Stab aus Beratern beobachteten von einem felsigen Hügel aus die Aktionen unserer Leute. Unablässig schleppten die Krieger aus dem Umland schwere Felsbrocken zu den Katapulten. Unsere Bogenschützen versuchten so viele Verteidiger wie möglich von den Wehren zu schießen, während von den Mauern Brandpfeile in Richtung unserer Belagerungsmaschinen flogen, sich in die Abdeckungen bohrten und den einen oder anderen Brand auslösten, den unsere Krieger unter Einsatz ihres Lebens zu löschen versuchten.
Ich stand neben Jugurtha und beobachtete ihn von der Seite. Sein Gesicht war wie versteinert, die Augen blickten hart wie Bachkiesel. Und – als hätte er meinen Blick gespürt -, drehte er den Kopf zu mir herum und musterte mich fragend. „Ich denke, dass Thamugadi innerhalb der nächsten zwei Tage fällt“, stieß ich hervor, denn ich fühlte mich dazu aufgefordert, irgendetwas zu sagen, vor allen Dingen aber versuchte ich meine Verlegenheit zu überspielen. Ich kam mir irgendwie ertappt vor, und es war gut, dass er meine Gedanken nicht lesen konnte. Es hätte mich vielleicht den Kopf gekostet.
„Dir gefällt mein Vorgehen nicht“, versetzte Jugurtha. „Ich kann es dir regelrecht von der Stirn ablesen.“
„Es steht mir nicht zu …“
„Sehr richtig.“ Er richtete den Blick wieder nach vorne. „Die Erfahrungen, die ich bei den Römern vor allem in der Provinz Hispania gesammelt habe, sind Gold wert. Unseren Maschinen haben die Städte Adherbals nichts entgegenzusetzen.“
Noch weniger deiner Kompromisslosigkeit und Hinterhältigkeit!, durchfuhr es mich und ich war froh, dass er mich nicht mehr fixierte. Denn ich konnte selbst spüren, dass sich meine Züge verhärteten. Ich war schon lange nicht mehr einverstanden mit seiner Vorgehensweise und hatte Angst vor der Zukunft. Jugurtha machte schon seit längerer Zeit mehr kein Hehl aus seinen usurpatorischen Absichten und Zielen. Ich fragte mich voll Beklemmung, wie lange die Römer wohl zuschauen würden, wie er ihre Entscheidungen geradezu mit Füßen trat.
Aber ihn zu kritisieren wäre unter Umständen tödlich gewesen. Wie jede Kreatur auf dieser Erde hing ich an meinem Leben, und mein Schweigen – das Jugurtha sicherlich als Zustimmung auslegte – rechtfertigte ich mit meiner Angst, sein Missfallen zu erregen, in Ungnade zu fallen und jedwede dümmliche Courage mit dem Leben zu bezahlen. „Du solltest Parlamentäre zum Tor schicken“, gab ich zu verstehen. „Vielleicht ist die Stadt bereit, sich zu ergeben.“
„Ich will sie erobern!“, versetzte Jugurtha. „Es gilt Stärke zu demonstrieren, Unduldsamkeit und Kompromisslosigkeit. Die Menschen, die Adherbal die Treue geschworen haben, sollen aus Angst vor mir erbeben.“
„In den Städten befinden sich auch italienische Kaufleute“, gab ich zu bedenken. „Sie haben Adherbal nicht die Treue geschworen. Willst du sie auch töten lassen, um ein abschreckendes Beispiel zu geben?“
In seinen Zügen begann es zu arbeiten, er dachte lange nach, kam schließlich zu einem Ergebnis und sagte: „Gut. Wir schicken Unterhändler vor. Ich gewähre den Italikern freien Abzug. Aber nur ihnen.“
„Was ist, wenn man uns von Seiten der Stadt die Tore öffnet?“, fragte ich.
„Muss ich mich wiederholen?“, kam Jugurthas Gegenfrage. „Such dir vier Männer aus, die mit dir zum Tor reiten sollen, mein Freund Gulupsa. Du wirst die Verhandlungen führen. Ich werde befehlen, den Beschuss der Stadt einzustellen, solange du beim Stadttor bist.“
Es war um die Mittagszeit und die Sonne stand hoch im Zenit. Kaum eine Wolke trübte den seidenblauen Himmel, die Hitze war unerträglich und sowohl Mensch als auch Tier litten unter ihr. Thamugadi lag unter einem flirrenden Hitzeschleier.
Es dauerte fast eine Stunde, bis kein Stein oder Brandsatz mehr in Richtung der Stadt flog. Ich hatte vier Männer ausgewählt, einer von ihnen hielt eine weiße Fahne in die Höhe, im leichten Trab ritten wir zum Stadttor, das von den Stößen mit dem Rammbock schon ziemlich ramponiert aussah.
Zwischen den Zinnen über dem Tor waren Bogenschützen zu sehen. Ich hatte ein mulmiges Gefühl, denn wenn man sich von Seiten der Stadt genauso wenig an Konventionen hielt wie Jugurtha, dann war unser Leben in diesen Augenblick so gut wie nichts wert.
„Was wollt ihr?“, wurden wir angerufen.
Die Frage nahm unserer Situation ein wenig die Gefährlichkeit, denn sie wäre nicht nötig gewesen, hätte man uns ohne jede Vorwarnung töten wollen.
„In Thamugadi sollen sich italienische Händler aufhalten“, rief ich.
„Das ist richtig.“