Julia Exklusiv Band 359 - Carole Mortimer - E-Book

Julia Exklusiv Band 359 E-Book

Carole Mortimer

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Beschreibung

MEIN BABY! von CAROLE MORTIMER Für Andie erfüllt sich ein Traum: In den Armen ihres großen Schwarms, des Filmproduzenten Adam Munroe, erlebt sie zum ersten Mal lustvolle Leidenschaft. Wenn auch nur kurz. Denn sein Herz gehört noch immer einer anderen … WIE IM GOLDENEN KÄFIG von HELEN BROOKS Seit zwei Jahren ist Marianne mit dem Multimillionär Zeke Buchanan verheiratet. Doch keines seiner vielen Versprechen hat er je wahrgemacht. Überhaupt arbeitet er immer mehr anstatt weniger, wie abgemacht. Als Marianne sich auch einen Job suchen will, ist er entsetzt. Interessieren ihn ihre Bedürfnisse überhaupt nicht? Liebt er sie noch? LIEBE MEINES LEBENS von LYNNE GRAHAM Luc hat sie betrogen! Noch in der Hochzeitsnacht verlässt Star den attraktiven Unternehmer und flüchtet nach London. Jetzt, eineinhalb Jahre später, steht Luc plötzlich vor ihr und fordert eine Erklärung. Star fragt sich, ob er hinter ihr süßes Geheimnis gekommen ist …

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Seitenzahl: 597

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Carole Mortimer, Helen Brooks, Lynne Graham

JULIA EXKLUSIV BAND 359

IMPRESSUM

JULIA EXKLUSIV erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Neuauflage in der Reihe JULIA EXKLUSIV, Band 359 02/2023

© 2001 by Carole Mortimer Originaltitel: „To Make a Marriage“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Karin Weiss Deutsche Erstausgabe 2002 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA, Band 1507

© 2000 by Helen Brooks Originaltitel: „A Whirlwind Marriage“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Hella Farrell Deutsche Erstausgabe 2002 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA, Band 1526

© 1999 by Lynne Graham Originaltitel: „One Night with His Wife“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Sabine Reinemuth Deutsche Erstausgabe 2002 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA, Band 1525

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 02/2023 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751519496

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

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Mein Baby!

PROLOG

„Wer zweimal Brautjungfer war, wird selbst nie eine Braut“, sagte Adam leise an Andies Ohr. Ihr Parfüm ist einfach betörend, dachte er.

Sie drehte sich zu ihm um und lächelte ihn an. In ihren grünen Augen leuchtete es liebevoll auf, als sie ihn zur Begrüßung auf die Wange küsste.

Andrea Summer sah so perfekt aus wie immer. In dem pfirsichfarbenen Seidenkleid und mit dem langen blonden Haar, das ihr in weichen Locken über den Rücken fiel und in das sie winzige pfirsichfarbene Teerosen gesteckt hatte, erinnerte sie ihn an eine Märchenprinzessin.

Sie lachte auf, und es hörte sich irgendwie heiser und erotisch an. Adam überlief es heiß. „Wer dreimal Brautjungfer war, Adam, nicht zweimal“, korrigierte sie ihn sanft.

„Ach ja?“, fragte er betont überrascht. „Aber du musst zugeben, es wird langsam Zeit für dich, Andie. Du wirst bald sechsundzwanzig“, neckte er sie. „Deine beiden älteren Schwestern sind verheiratet, jetzt bist du an der Reihe.“

Andie zuckte die Schultern und betrachtete ihre Schwestern und deren Ehemänner. Harrie hatte vor einigen Wochen Quinn McBride geheiratet, und heute feierten sie Danies Hochzeit mit Jonas Noble.

„Sie haben offenbar den richtigen Mann gefunden“, erwiderte Andie leise.

Sekundenlang verging Adam das Lächeln. Doch er hatte sich rasch wieder unter Kontrolle. „Und was ist mit dir? Bist du dem Richtigen noch nicht begegnet, Andie?“

Sie lachte. „Gerade du solltest doch wissen, dass es den richtigen Partner oder die richtige Partnerin gar nicht gibt. Man muss mit dem vorlieb nehmen, was kommt“, behauptete sie. Dass sie sich damit selbst widersprach, war ihr egal.

Gerade ich? überlegte er. Ja, er hatte immer den Eindruck erweckt, ein eingefleischter Junggeselle zu sein. Er hatte sogar bei jeder Gelegenheit betont, wie sehr ihm diese Art zu leben gefiel. Aber diese schöne junge Frau, die immer so elegant gekleidet war und so viel Humor hatte, hätte das alles ändern können. Das jedoch ahnte sie nicht.

Wie lange fühlte er sich schon zu ihr hingezogen? Seit er sie kannte, so kam es ihm jedenfalls vor. Es hatte natürlich andere Frauen in seinem Leben gegeben, schöne und verführerische, blonde, brünette und rothaarige. Doch keine Einzige war mit Andie zu vergleichen.

„Hoffentlich sagst du so etwas nicht zu Harrie und Danie.“ Adam lächelte.

„Ach, die beiden sind sowieso die Ausnahme.“ Andies Miene wurde ernst. „Ich bin mir ganz sicher, dass Quinn und Jonas die richtigen Männer für meine Schwestern sind.“

Das Thema Harrie und Danie fing an, ihn zu langweilen. Er interessierte sich nur für Andie, und das schon lange. „Ich bin wirklich froh, dass du heute gekommen bist“, erklärte er.

Andie runzelte die Stirn. „Ich würde doch nicht der Hochzeit meiner Schwester fernbleiben!“

„Na ja, bei zwei anderen Gelegenheiten hast du gefehlt“, wandte er ein. „Auf dem Sommerfest beispielsweise“, fügte er hinzu, als sie ihn fragend ansah. Das Sommerfest wurde jedes Jahr im Juni auf Jerome Summers Landsitz gefeiert. „Und eine Woche später auf dem Familienfest. Dein Vater hat dich damit entschuldigt, du hättest die Grippe gehabt.“

Sie zuckte die Schultern und lächelte. „Wenn Dad das gesagt hat, stimmt es auch. Es steckt nichts Geheimnisvolles dahinter.“

Adam nahm zwei Gläser Champagner von dem Tablett, das ein Kellner umhertrug. Der Hochzeitsempfang fand in einem der besten Londoner Hotels statt. Er reichte Andie ein Glas. Doch zu seiner Überraschung schüttelte sie den Kopf und entschied sich für Orangensaft. „Trinkst du etwa keinen Champagner mehr?“ Adam wusste, dass sie außer Champagner keinen Alkohol trank.

„Ach, ich probiere momentan nur eine neue Diät aus“, antwortete sie ausweichend.

„Wie bitte?“ Er betrachtete ihre überaus schlanke Gestalt. „Das kannst du dir eigentlich gar nicht erlauben, deine Figur ist doch perfekt.“

„Du hörst dich so an wie mein Vater.“ Andies Stimme klang spöttisch, und sie sah ihn mit ihren grünen Augen an, die von dichten, langen Wimpern umrahmt wurden.

Verdammt, mit ihrem Vater will ich ganz und gar nicht verglichen werden, dachte er irritiert. Seine Gefühle für sie waren bestimmt keine väterlichen. Aber da er vierzehn Jahre älter war als sie, war er für sie vielleicht wirklich so etwas wie eine Vaterfigur.

„Nächsten Monat wird diese Diät in der Gloss vorgestellt“, fuhr Andie unbekümmert fort. Sie war Chefredakteurin dieser Monatszeitschrift. „Ich wollte sie zuvor ausprobieren, um herauszufinden, ob sie wirklich gut ist.“

Er blickte sie mit finsterer Miene an. „Du brauchst genauso wenig eine Diät wie …“

„Wie du noch mehr Geld?“, beendete sie den Satz für ihn betont sanft. „Man kann nie reich genug oder schlank genug sein, so sagt man doch, stimmt’s?“

Ihm entging die leichte Schärfe in ihrer Stimme nicht. In den letzten Monaten hatten sie sich nur zweimal getroffen, aber nie Gelegenheit gehabt, sich zu unterhalten. Bisher hatte Adam nicht bezweifelt, dass sie wirklich krank gewesen war. Auf die Idee, dass Andie ihn absichtlich gemieden hatte, war er nicht gekommen. Jetzt wurde er jedoch nachdenklich.

„Natürlich kenne ich diese Redewendung“, antwortete er. „Aber daran glaubst du doch selbst nicht.“

„Bist du sicher?“ Ihre Miene wirkte plötzlich verschlossen. „Obwohl wir uns schon lange kennen, hast du nicht das Recht, mir zu sagen, was ich glaube.“

Er packte sie am Arm. „Andie …“

„Du musst mich entschuldigen“, unterbrach sie ihn energisch. Braut und Bräutigam setzten sich in dem Moment an den großen Tisch, und in wenigen Minuten würde man das Essen servieren. „Man braucht mich.“

Ja, ich beispielsweise, dachte er. Vor bald acht Jahren, an ihrem achtzehnten Geburtstag, war ihm klar geworden, dass sie kein Kind mehr war, sondern eine schöne, begehrenswerte junge Frau.

„Andie, lass uns nächste Wochen zum Abendessen ausgehen“, schlug er vor. Diese Frau brachte ihn beinah um den Verstand, wenn er in ihrer Nähe war.

Sie blickte ihn kühl an. „Das ist keine gute Idee, finde ich. Aber ich habe wirklich etwas anderes zu tun“, erklärte sie bestimmt. Dann löste sie sich sanft, allerdings entschlossen aus seinem Griff, ehe sie das Glas Orangensaft hinstellte. „Ich wünsche dir noch einen schönen Tag“, fügte sie steif hinzu.

Adam hatte sich vor vielen Jahren entschieden, nie zu heiraten. Doch während er Andie beobachtete, wie sie mit geschmeidigen Bewegungen zu dem Tisch des Brautpaars ging, gestand er sich ein, dass er alles daransetzen würde, Andie zu seiner Frau zu machen.

1. KAPITEL

„Es tut mir leid, dass ich Sie störe, Miss Summer. Da ist jemand, der sie unbedingt sprechen will.“

Andie sah auf. Sie war mit dem Layout der Modeseiten beschäftigt, und hatte April, ihre Sekretärin, gebeten, sie die nächsten Stunden nicht zu stören. Bis zum Redaktionsschluss am Nachmittag musste sie fertig sein.

„Wer ist es denn, April?“, fragte sie leicht spöttisch, als sie die geröteten Wangen ihrer Mitarbeiterin bemerkte.

„Ich bin’s.“ Adam Munroe kam lächelnd herein. Er war so elegant gekleidet wie immer. Der anthrazitfarbene Anzug saß perfekt und betonte seine breiten Schultern. Das hellblaue Hemd war aus Seide, und wenn er nicht eine leuchtend blaue Krawatte mit gelbem Muster getragen hätte, hätte er ausgesprochen konservativ gewirkt.

Dass April bei Adam Munroes Auftauchen nervös geworden war, konnte Andie gut verstehen. Langsam legte sie den Marker aus der Hand.

Adam war ein berühmter und bekannter Filmproduzent und ein Freund ihres Vaters, Jerome Summer. Mit dem silberblonden Haar, seiner Größe und dem guten Aussehen hätte er ein Filmstar sein können.

„Danke, April.“ Lächelnd beobachtete Andie, wie interessiert ihre Sekretärin Adam betrachtete, ehe sie langsam aus dem Raum ging.

Solange sie denken konnte, hatte Adam mit seinem Charme und seiner Ausstrahlung die Herzen der Frauen erobert. Er machte jedoch jeder Frau von Anfang klar, dass aus der Freundschaft niemals eine feste Beziehung werden könnte. Es war nicht romantisch, aber das schreckte die Frauen nicht ab. Sie ließen sich trotzdem oder gerade deshalb mit ihm ein.

Andie stand auf. „Nachdem du meine Sekretärin völlig verwirrt hast, bezweifle ich, dass sie heute noch arbeiten kann. Was verschafft mir die Ehre, Adam?“, neckte sie ihn. Dann ging sie auf ihn zu und küsste ihn flüchtig auf die Wange.

Er lächelte, und in seinen grauen Augen leuchtete es liebevoll auf. „Im Vorbeifahren hatte ich die Idee, dich zum Lunch einzuladen. Hast du Lust dazu?“

Sie zog die Augenbrauen hoch. „Es ist erst halb zwölf. Ist das nicht etwas früh?“

Adam zuckte die Schultern und setzte sich auf die Schreibtischkante. „Für mich nicht, ich habe heute nicht gefrühstückt“, antwortete er.

Leicht belustigt schüttelte sie den Kopf. „Hast du wieder eine anstrengende Nacht hinter dir, Adam?“, fragte sie spöttisch. Dann ließ sie sich in ihren Ledersessel sinken und sah Adam an.

„Nein. Momentan kann ich nicht gut schlafen.“

„Du …“

„Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich schlafe allein“, unterbrach er sie.

„Vielleicht ist genau das dein Problem, Adam, denn daran bist du nicht gewöhnt.“

„Sehr komisch!“ Seine Miene verfinsterte sich. „Das Problem mit dir und deinen beiden Schwestern ist, ihr habt keinen Respekt vor älteren Männern.“

Es fiel ihr schwer, sich das Lachen zu verbeißen. „Sind etwa Harrie und Danie derselben Meinung wie ich, was dein Liebesleben angeht?“

Adam verzog das Gesicht. „Wann macht ihr drei euch mal nicht über mich lustig?“

Er hat recht, gestand sie sich insgeheim ein. Doch sie und ihre beiden älteren Schwestern kannten Adam schon seit zwanzig Jahren. Als Teenager hatten sie sich darüber lustig gemacht, wie sehr die Frauen ihn anhimmelten.

„Ach Adam, es gefällt dir doch. Gib es zu.“

„Am meisten würde mir jetzt gefallen, etwas zu essen zu bekommen.“ Er stand auf. „Kommst du mit?“ Er blickte sie fragend an.

„Ich habe viel zu tun, Adam.“ Müde wies sie auf das Layout auf ihrem Schreibtisch.

„Trotzdem musst du etwas essen.“

„Aber nicht schon um halb zwölf“, entgegnete sie.

Adam seufzte ungeduldig. „Weshalb ist es so schwierig, dich zu überreden, mich zu begleiten?“

Andie lachte. „Es ist gut für die Seele, auch einmal auf etwas verzichten zu können.“

„Ich weiß selbst am besten, was gut für mich ist. Und dass ich dich geradezu anflehen muss, mir Gesellschaft zu leisten, tut meiner Seele bestimmt nicht gut“, erklärte er.

Obwohl er ein selbstbewusster Mann von bald vierzig Jahren war, sah er sekundenlang aus wie ein kleiner Junge, der seinen Willen nicht durchsetzen konnte.

Sie schüttelte den Kopf. „Du hast mich nicht angefleht, Adam. Das würde ich auch gar nicht zulassen“, fügte sie ernst hinzu. „Ich mache es dir nicht absichtlich schwer, sondern habe wirklich viel zu tun.“

„Dein Vater ist überzeugt, dass du zu viel arbeitest. Wenn du sogar auf die Mittagspause verzichtest, muss ich ihm zustimmen.“ Adam kniff die Augen zusammen und betrachtete ihre schlanke Gestalt in dem pflaumenfarbenen Hosenanzug aus Seide und der hellen Bluse aus demselben Material.

Andie gestand sich ein, dass sie in den letzten Monaten sehr viel Gewicht verloren hatte. Doch bald würde sie wieder zunehmen, dessen war sie sich sicher.

Der Gedanke ernüchterte sie irgendwie. Sie sah Adam an. „Wann hast du dich eigentlich mit meinem Vater über mich unterhalten?“, fragte sie.

„Am Samstag auf Danies Hochzeit“, antwortete er und zog die Worte herausfordernd in die Länge. „Ich habe nur erwähnt, dass du etwas blass wärst, und daraufhin hat dein Vater erklärt, du würdest zu viel arbeiten. Das war alles, mehr haben wir über dich nicht geredet.“

„Ah ja, dann hast du mich wohl aus lauter Mitleid zum Mittagessen eingeladen.“ In ihren Augen blitzte es zornig auf. „Das ist sehr freundlich von dir, Adam …“

„Komm mir jetzt nicht so, meine Liebe“, unterbrach er sie. „Diese steife Höflichkeit passt nicht zu dir. Außerdem habe ich dich nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit eingeladen.“

„Du isst eben nicht gern allein, das ist es“, vermutete sie.

Adam lächelte und schüttelte den Kopf, während er betont verzweifelt an die Decke blickte. „Entweder bist du heute besonders schwierig, oder ich werde alt.“

Aber es war weder das eine noch das andere. Andie hatte nur zu viel zu tun – und außerdem mochte sie nicht mit Adam zum Essen gehen. Ihr Leben war momentan auch so schon kompliziert genug, sie wollte es nicht noch komplizierter machen.

„Es war eine schöne Hochzeit am Samstag, findest du nicht auch?“, wechselte sie das Thema. Sie wusste genau, dass er Hochzeiten nicht leiden konnte.

„Ja, wirklich großartig“, stimmte er ihr ironisch zu. „Zuerst hat Harrie sich in die Ehe gestürzt und kurz darauf Danie auch noch. Du bist die Nächste“, fügte er verächtlich hinzu.

Andie betrachtete wehmütig ihre linke Hand. Nie würde sie einen Verlobungs- oder Trauring tragen, denn den Mann, den sie liebte, konnte sie nicht haben.

„Das ist sehr unwahrscheinlich“, erwiderte sie und hatte Mühe, die Tränen wegzublinzeln, die ihr plötzlich in die Augen traten. In der letzten Zeit war sie viel zu emotional. „Ich befürchte, ich werde eine alte Jungfer“, fügte sie leicht spöttisch hinzu.

„Es war doch nur ein Scherz.“ Er eilte um den Schreibtisch herum und legte ihr den Arm um die Schultern. „Du bist doch erst fünfundzwanzig, Andie, und hast noch viel Zeit, dich zu verlieben und zu heiraten.“

„In zwei Monaten werde ich sechsundzwanzig“, wandte sie ein. Adam konnte natürlich nicht wissen, warum sie mit den Tränen kämpfte. Es ging ihr nicht darum, sich zu verlieben und zu heiraten. Wenn sie den Mann, den sie liebte, nicht haben konnte, würde sie nie heiraten.

„So alt schon?“, sagte Adam sanft. Er legte ihr die Finger unters Kinn und zwang sie, ihn anzusehen.

Andie schüttelte den Kopf und löste sich von Adam. „Ich bin aus einem ganz anderen Grund so … emotional. Wahrscheinlich fällt es mir schwer, mich damit abzufinden, dass Harrie und Danie nicht mehr nur meine Schwestern sind, sondern zugleich auch Quinns und Jonas’ Frauen“, erklärte sie bestimmt.

Daran musste sie sich wirklich erst gewöhnen. Noch vor drei Monaten hatten sie sich so nahe gestanden, dass sie keine anderen Freundinnen gebraucht hatten. Ihre Schwestern hatten noch gar nicht ans Heiraten gedacht. Und dann hatte sich schlagartig alles geändert, und innerhalb von nur zwei Monaten hatten die beiden vor dem Traualtar gestanden.

Adam blickte sie mitfühlend an. „Harrie ist die Frau eines Bankers, und die temperamentvolle Danie hat einen Arzt geheiratet. Es ist erstaunlich.“

Ja, das ist es wirklich, stimmte Andie ihm insgeheim zu. Aber auch in ihrem Leben würde es bald Veränderungen geben …

„Andie, komm mit zum Essen“, bat Adam sie. „Und wenn du es nur deshalb tust, damit ich meinem Ruf gerecht und mit einer sehr schönen jungen Frau gesehen werde.“

Sie sah ihn skeptisch an. „Du mit deinen vielen Freundinnen! Wozu brauchst du mich da noch?“

Er seufzte und ging ungeduldig um den Schreibtisch herum. „Dein Vater hätte dir den Hintern versohlen sollen, als du noch lernfähig warst.“

„Das hätte meine Mutter nie zugelassen“, erklärte Andie überzeugt. Ihre Mutter war eine sehr sanfte, warmherzige Frau gewesen.

Adams Miene wurde ernst. „Ja, da hast du recht“, stimmte er ihr seltsam unsicher zu.

Andie wusste genau, warum er so unsicher war: Adam war in ihre Mutter verliebt gewesen.

Als sie und ihre Schwestern noch Kinder gewesen waren, hatte Adam die meisten Wochenenden bei ihnen auf dem Landgut verbracht, obwohl ihm das Leben auf dem Land nicht gefiel. Erst später war Andie klar geworden, warum er ihre Eltern trotzdem so oft besucht hatte. Und nachdem ihre Mutter vor zehn Jahren gestorben war, hatte Adam mit ihnen getrauert und war genauso untröstlich gewesen wie die ganze Familie.

Ja, er musste Barbara geliebt haben.

Zunächst war Andie bestürzt gewesen über die Erkenntnis. Mit ihren Schwestern sprach sie nicht darüber, denn das Thema war ihrer Meinung nach zu heikel. Sie hatte sich jedoch gefragt, wie ihr Vater reagieren würde, falls er es erfuhr. Adam versuchte nie, seine Gefühle zu verbergen. Alle wussten, wie nahe ihm Barbaras Tod gegangen war.

Seltsamerweise schien es Rome, wie ihr Vater genannt wurde, zu trösten, dass Adam Barbara auch gemocht hatte. Die beiden Männer verband schon lange eine herzliche Freundschaft.

Andie warf Adam einen fragenden Blick zu. „Heißt das, du ziehst deine Einladung zurück?“

„Nein, natürlich nicht“, fuhr er sie ärgerlich an. „Ich bitte dich auch gar nicht mehr, mich zu begleiten, sondern fordere dich dazu auf! Was auch immer du zu tun hast“, er machte eine wegwerfende Handbewegung in Richtung ihres Schreibtisches, „es kann warten. Außerdem kannst du nach einer Pause und einem leichten Essen besser und konzentrierter arbeiten.“

Insgeheim gestand Andie sich ein, dass er recht hatte. Es gefiel ihr jedoch nicht, herumkommandiert zu werden. Sie schüttelte den Kopf. „Trotzdem komme ich nicht mit, Adam. Es tut mir leid.“

„Es tut dir überhaupt nicht leid“, antwortete er hart. „Verdammt, Andie, wir waren doch mal Freunde …“

„Das sind wir immer noch“, versicherte sie ihm kühl. „Aber ich habe keine Zeit, wie ich dir schon gesagt habe.“

„Okay“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, „vielleicht hat ja April Lust mitzukommen.“

Andie lächelte. „Das würde sie bestimmt gern tun. Doch ihr Verlobter hätte wahrscheinlich etwas dagegen.“

Adam runzelte die Stirn. „Du bist neuerdings sehr schwierig, das warst du früher nicht, Andie“, stellte er fest.

Sie richtete sich in dem Ledersessel auf. Die Sonnenstrahlen, die durch das Fenster hinter ihr hereindrangen, ließen ihr langes Haar, das sie zu einem Zopf geflochten hatte, golden schimmern.

„Manchmal ändert man sich, Adam“, erwiderte sie angespannt und hoffte, dass er nicht merkte, wie unglücklich sie war. Er sollte nicht neugierig werden. Es war für sie schon problematisch genug gewesen, sich mit ihrem überaus fürsorglichen Vater auseinandersetzen zu müssen. Adam brauchte sich nicht auch noch um sie zu kümmern.

Er sah sich anerkennend in ihrem luxuriös ausgestatteten Büro um. „Offenbar gefällt es dir, die Nummer eins bei der Gloss zu sein.“

„Ja, genauso wie es dir gefällt, dein eigenes Unternehmen zu leiten und Filme zu produzieren.“ Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, warum er seinen Besuch in die Länge zog.

„Bist du wirklich nur an deiner Karriere interessiert, Andie?“, fragte er und betrachtete sie nachdenklich.

Nein, das kann man wohl kaum behaupten, überlegte sie. Sie arbeitete nur noch diese eine Woche für die Zeitschrift, ehe sie für mehrere Monate pausierte. Nicht zuletzt deshalb war sie so fest entschlossen, ihre Arbeit perfekt zu erledigen. Es war für einige Zeit die letzte Ausgabe der Zeitschrift, an der sie mitarbeitete.

Darüber wollte sie jedoch mit Adam nicht reden, obwohl er ein Freund der Familie war. Bis jetzt war noch nicht allgemein bekannt, dass sie neun Monate wegbleiben würde. Und so sollte es vorerst auch bleiben.

„Was für eine seltsame Idee“, entgegnete sie betont unbekümmert. „Fährst du am Wochenende zu Rome?“, fragte sie gleichgültig.

Er war auf der Hut. „Warum willst du es wissen?“

„Einfach so, ohne besonderen Grund. Vielleicht sollte ich dich warnen, Rome hat momentan nicht die beste Laune.“

Das war sehr untertrieben. Ihre Schwester Danie hatte ihr vor einigen Wochen versprochen, dafür zu sorgen, dass ihr Vater ihr nicht im Nacken saß. Es hatte sich jedoch herausgestellt, dass Danie ihn gar nicht abzulenken brauchte. Das tat Audrey, Romes Assistentin und Sekretärin, schon.

„Stimmt, er hat am Samstag nicht gerade glücklich ausgesehen. Aber ich habe gedacht, er sei traurig darüber, auch Danie zu verlieren“, sagte Adam.

Andie lachte in sich hinein. „Dad versucht schon jahrelang, uns zu verheiraten.“

„So hätte ich es jetzt nicht ausgedrückt.“ Adam lächelte. „Er will oder wollte euch nicht unter allen Umständen unter die Haube bringen. Ihr sollt nicht mit irgendwem verheiratet sein.“

„Das beruhigt mich“, erwiderte Andie spöttisch. Sie wusste jedoch, dass Adam recht hatte. Harrie und Danie hatten Glück gehabt, ihr Vater war mit den Männern ihrer Wahl einverstanden gewesen, sonst hätte es Kämpfe oder Auseinandersetzungen gegeben.

„Rome wünscht sich einen Enkel, der sein Firmenimperium einmal weiterführen wird“, erklärte Adam.

„Und wenn wir alle nur Töchter bekommen?“, fragte Andie und blickte zu den Fotos auf ihrem Schreibtisch, ohne sie wirklich zu sehen.

Adam lachte. Er schien nicht zu merken, wie nachdenklich sie plötzlich war. „Dann müsst ihr es so lange versuchen, bis eine von euch einen Sohn hat.“

„Ich bin sicher, Harrie und Danie wären begeistert von der Idee!“ Andies Lachen klang unnatürlich.

„Ach Andie, es ist ja noch nicht dein Problem“, sagte Adam langsam.

Wie ahnungslos er doch war!

Adam wusste, dass Rome sich Sorgen machte um Andie, und seit er sie am Samstag auf der Hochzeit gesehen hatte, konnte er ihren Vater verstehen. Sie war ungemein attraktiv, das würde sie auch immer bleiben, aber momentan wirkte sie seltsam bekümmert. Und ihr Blick kam ihm irgendwie traurig oder freudlos vor.

„Kann ich dich wirklich nicht überreden, mit mir essen zu gehen?“, fragte er, während sie ihn spöttisch ansah.

Sie seufzte. „Ich habe dir doch schon erklärt …“, begann sie ungeduldig.

„Ja, ich weiß“, unterbrach er sie. „Bist du denn dieses Wochenende bei deinem Vater?“

„Warum, Adam?“

Zwischen ihnen hatte sich einiges verändert. Er war mit den drei Schwestern eng befreundet gewesen, und mit Andie, der jüngsten, hatte er sich besonders gut verstanden. Doch die Zeit war offenbar vorbei. Adam war nicht glücklich über die Entwicklung.

„Ich wollte es nur wissen“, antwortete er. „Rome hat mich eingeladen, aber wenn seine Laune so schlecht ist, wie du behauptest, wäre es schön, wenn du auch da wärst und mir Gesellschaft leisten könntest.“

Andie musste lachen. „Du bist immer so herrlich direkt, Adam.“

Er verzog das Gesicht. „Wenn ich charmant und höflich wäre, würdest du mich nicht mehr erkennen.“

„Stimmt“, gab sie zu. „Trotzdem fände ich es ganz interessant, dich auch mal höflich zu erleben“, fügte sie sanft hinzu.

Bildete er es sich nur ein, oder klang ihre Stimme wirklich etwas sehnsüchtig? Vergiss es, hier ist der Wunsch der Vater des Gedanken, mahnte er sich sogleich.

Andie war am Samstag allein auf der Hochzeit gewesen. Demnach hatte sie momentan keinen Freund. Adam wusste jedoch, dass es in der Vergangenheit mehrere Männer in ihrem Leben gegeben hatte. Es wäre die größte Dummheit, wenn er sich einbildete, sie hätte sich all die Jahre insgeheim in Liebe zu ihm verzehrt.

„Was ist denn los mit Rome?“, wechselte er unvermittelt das Thema.

Andie runzelte sekundenlang die Stirn. „Audrey hat gekündigt“, erwiderte sie dann.

„Wie bitte? Audrey hat gekündigt?“, wiederholte er verblüfft.

Er konnte es kaum glauben. Audrey Archer war seit zwölf Jahren Romes persönliche Assistentin, und sie gehörte praktisch zur Familie. Es war einfach unmöglich, sich die Summers ohne diese Frau vorzustellen.

„Wir sind alle genauso überrascht wie du“, gab Andie mit unglücklicher Miene zu. „Rome ist natürlich …“

„Ich bin eigentlich nicht überrascht. Nein, so würde ich es nicht ausdrücken“, unterbrach Adam sie.

„Wie denn?“ Andie sah ihn erstaunt an.

Sind die Summers blind? fragte Adam sich ungeduldig. Ihm war schon seit Jahren klar, dass die schöne Audrey in ihren Arbeitgeber verliebt war. Außerdem ging Rome seit mindestens zehn Jahren so mit ihr um, als wäre sie seine Frau. Sie begleitete ihn auf allen Reisen und lebte seit zwölf Jahren nur für ihn und seine Familie. Für Harrie, Danie und Andie war sie seit dem Tod ihrer Mutter so eine Art Mutterersatz. Weshalb hatte sie sich jetzt entschlossen, die Summers zu verlassen?

Plötzlich begriff Adam die Zusammenhänge. Audrey hatte die Hoffnung aufgegeben, Rome würde eines Tages einsehen, dass er sie liebte. Adam wusste genau, wie schmerzlich und quälend es war, jemand so hoffnungslos zu lieben und zusehen zu müssen, wie dieser Mensch vielleicht auch noch mit einem anderen Partner zusammenlebte. Es war eine schwierige Situation.

Adam war sich jedoch sicher, dass Rome Audrey auch liebte, ohne sich dessen bewusst zu sein. Vor zehn Jahren war Rome über Barbaras Tod tief betroffen gewesen. Zwei Jahre lang hatte er keine einzige andere Frau überhaupt nur angeschaut. Danach hatte er einige unbedeutende, flüchtige Affären gehabt, wie er Adam anvertraut hatte. Aber Rome hatte die schöne Frau, die ihn liebte und jeden Tag in seiner Nähe war, kaum beachtet.

„Was wollt ihr tun? Wie wollt ihr sie umstimmen?“, stieß Adam gereizt hervor.

Andie war verblüfft, sie verstand seinen Ärger nicht. „Was können wir denn tun? Natürlich sind wir sehr bestürzt …“

„Ja natürlich!“, wiederholte er spöttisch.

Sie sah ihn an, und ihre Augen leuchteten wie Smaragde. „Audrey ist offenbar fest entschlossen, die Kündigung nicht zurückzunehmen“, fuhr sie energisch fort. „Deshalb …“

„Verdammt!“, unterbrach er sie zornig. „Seid ihr Summers denn so sehr mit euch selbst beschäftigt, dass keiner von euch in der Lage ist zu begreifen, was ihr Audrey damit antut?“

Andie wurde blass. „Ist das nicht etwas unfair, Adam?“

„Nein, ist es nicht!“ Er ballte die Hände zu Fäusten. „Eins hast du jedoch erreicht: Ich werde auf jeden Fall am Wochenende rausfahren aufs Landgut, und wenn ich es nur tue, damit Audrey sich an meiner Schulter ausweinen kann“, erklärte er ärgerlich.

Ihr Blick wirkte kühl, doch der Puls an ihrem Hals schlug viel zu heftig. „Sie wird dir sehr dankbar sein …“

„Andie, ich hatte gehofft, zwei angenehme Stunden mit dir beim Mittagessen zu verbringen“, sagte er hart. „Doch mir ist der Appetit vergangen. Du liebe Zeit, Audrey gehört zu eurer Familie.“

Genau wie ich, hätte er am liebsten hinzugefügt. Würde man mit ihm auch so verfahren? Bedeutete er den Summers auch so wenig wie Audrey? Obwohl sie Rome in den letzten zehn Jahren so nahegestanden hatte wie niemand sonst und obwohl sie für Harrie, Danie und Andie eine Art Mutterersatz geworden war, ließ man sie einfach gehen, ohne dass man versuchte, sie zurückzuhalten.

Ihm wurde ganz übel.

Andie seufzte. „Das ist mir klar, Adam“, erwiderte sie. „Ich habe mit ihr geredet …“

„Offenbar ohne Erfolg, denn sie hat ja ihren Entschluss nicht geändert“, fuhr er sie an.

Sie sah ihn misstrauisch an. „Vielleicht kannst du ja am Wochenende etwas erreichen“, entgegnete sie ruhig.

Adam presste ärgerlich die Lippen zusammen. Er war erschüttert. Für die Summers war es wohl ein ganz normaler Vorgang, dass Audrey sich nach so langer Zeit enger Zusammengehörigkeit sang- und klanglos verabschieden wollte. Aber es ging ihm nicht nur um Audrey, wie er sich eingestand. Erwartete ihn etwa am Ende dasselbe Schicksal?

Vor fast zwanzig Jahren hatte Adam als beinah Zwanzigjähriger Rome kennengelernt. Er hatte viele gute Ideen, doch kein Geld gehabt. Rome hatte ihn damals mehrere Jahre finanziell unterstützt, bis er auf eigenen Füßen hatte stehen können. Adam hatte ihm alles zurückbezahlt, und die letzten fünfzehn Jahre war er als Filmproduzent so erfolgreich gewesen, dass sein Unternehmen mehrere Millionen wert war.

Da er keine eigene Familie mehr hatte, hatte er sich im Lauf der Zeit genau wie Audrey als Mitglied der Familie Summer gesehen. Rome war für ihn wie ein älterer Bruder, und die drei Mädchen waren so etwas wie seine Nichten gewesen.

Es war reine Dummheit, dass er geglaubt hatte, es würde immer so bleiben.

„Ja, das hoffe ich“, antwortete er schließlich. „Irgendjemand muss etwas unternehmen.“

Sekundenlang blickte Andie ihn schweigend an. Die Spannung zwischen ihnen wurde beinah unerträglich. Dann nahm sie ihren Marker wieder in die Hand. „Vielleicht sehen wir uns am Samstag“, sagte sie leise.

„Ja, das ist möglich.“ Er drehte sich um und durchquerte den Raum. An der Tür blieb er kurz stehen und fügte hinzu: „Falls es dir gelingt, dich von deiner Arbeit zu lösen.“

Der Blick, den sie ihm zuwarf, wirkte hart. „Ich bin sicher, dass ich es schaffe“, erwiderte sie kühl.

Adam kniff die Augen zusammen und sah Andie noch einmal an, ehe er ihr Büro verließ und die Tür hinter sich schloss.

Die hübsche, junge Sekretärin in Andies Vorzimmer lächelte ihn scheu an. Es kostete ihn viel Mühe, eine freundliche Miene aufzusetzen und die junge Frau anzulächeln, während er hinauseilte. Sie war ja nicht schuld an seinem Ärger.

Auf wen bin ich eigentlich so zornig? fragte er sich draußen auf der Straße.

Auf Rome, weil er nicht merkte, dass Audrey ihn liebte und dass er im Begriff war, sie zu verlieren? Oder auf Andie, weil es ihr offenbar egal war, dass Audrey gekündigt hatte? Oder etwa nur auf sich selbst?

Letzteres war am wahrscheinlichsten, wie er sich eingestand. Nichts war mehr so wie zuvor, obwohl er geglaubt hatte, es würde sich nie etwas ändern. Harrie und Danie waren verheiratet und hatten ihr eigenes Zuhause. Audrey hatte sich entschieden, die Familie zu verlassen, und Andie war für ihn plötzlich eine Fremde.

Das reicht, Selbstmitleid hilft mir in dieser Situation wirklich nicht, ermahnte er sich dann.

2. KAPITEL

Audrey lächelte wehmütig. „Es ist Zeit für mich, etwas anderes zu machen, Andie“, sagte sie gleichgültig.

Andie hatte nicht vorgehabt, dieses Wochenende auf dem Landgut ihres Vaters zu verbringen. Nach ihrem letzten Arbeitstag in der Redaktion vor dem eher unfreiwilligen, längeren Urlaub brauchte sie erst einmal Zeit für sich selbst. Sie hatte sich eingestanden, dass Adam recht hatte, obwohl sie sich über seine Bemerkungen geärgert hatte. Deshalb hatte sie sich entschlossen, mit Audrey zu reden.

Sie war schon am Abend zuvor eingetroffen, doch erst jetzt war sie mit Audrey allein. Rome war irgendwo auf dem Gut unterwegs, und die beiden Frauen machten es sich bei einer Tasse Kaffee auf der überdachten Terrasse gemütlich.

Audrey war so schön wie immer. Das elegante blaue Kleid passte zu der Farbe ihrer Augen, und das offene blonde Haar fiel ihr über die Schultern. Doch sie wirkte seltsam traurig. So kannte Andie sie nicht.

„Was hast du denn vor?“, fragte Andie.

„Ich habe noch keine festen Pläne“, gab Audrey zu.

Andie sah sie mit großen Augen an. „Nein? Ich habe gedacht, du hättest einen besseren Job gefunden.“

Plötzlich hatte sie das Gefühl, Audrey sei leicht verunsichert. Oder bildete Andie es sich nur ein? Hatte Adam vielleicht recht? Hatte Audreys Kündigung ganz andere Gründe, als sie alle glaubten?

Audrey zuckte die Schultern. „Ich werde eine Zeit lang gar nicht arbeiten. Immerhin habe ich in den letzten Jahren viel sparen können. Vielleicht mache ich Reisen und sehe mir alles an, was mich interessiert.“

Die Antwort überzeugte Andie nicht. „Du bist doch ständig mit Dad umhergereist“, wandte sie ein.

„Das waren meist Geschäftsreisen.“ Audrey seufzte. „Oft habe ich noch nicht einmal gewusst, in welchem Land ich mich gerade befand. Sitzungszimmer sehen überall gleich aus.“

Okay, das klingt plausibel, überlegte Andie. Audrey war erst Anfang vierzig und jung genug, sich ihre Träume zu erfüllen. Dennoch wurde Andie ihre Zweifel nicht los. Aber Audrey war ein freier Mensch und konnte tun und lassen, was sie wollte.

„Man kann nie wissen, was geschieht“, fügte Audrey lächelnd hinzu. „Vielleicht lerne ich jemand kennen und bekomme noch Kinder. Dazu bin ich noch nicht zu alt.“

„Stimmt“, ertönte Adams Stimme hinter ihnen. Er gesellte sich zu ihnen auf die überdachte Terrasse. „Wer auch immer er ist, er kann sich glücklich schätzen.“

Andie hatte gewusst, dass Adam an diesem Wochenende kommen würde. Trotzdem war sie über sein plötzliches Auftauchen verblüfft und ärgerte sich, dass er sie in ihrer Unterhaltung störte.

Außerdem gefiel es Andie nicht, dass er ungeniert mit Audrey flirtete und sie bewundernd betrachtete. Sie hatte nie an die Möglichkeit gedacht, dass Audrey auch heiraten und Kinder haben wollte. Irgendwie war sie überzeugt gewesen, Audrey sei mit ihrem Leben und ihrem Job zufrieden. Sie alle hatten es als selbstverständlich hingenommen, dass Audrey immer da war. Das war vielleicht egoistisch gewesen, zumindest aber gedankenlos.

Audrey hatte recht, mit ihren zweiundvierzig Jahren war sie noch nicht zu alt, um Kinder zu bekommen.

„Danke, Adam, das war nett von dir.“ Audrey stand auf und küsste ihn auf die Wange.

„Ich habe es nicht nur so dahingesagt, sondern es ernst gemeint.“ Er sah sie aufmerksam an.

„Trotzdem danke.“ Audrey lächelte und legte ihm sekundenlang die Hand auf den Arm. „Ich hole dir auch einen Kaffee. Setz dich hin“, forderte sie ihn auf, ehe sie den Raum verließ.

Dann herrschte Schweigen. Unter halb gesenkten Lidern warf Andie Adam einen Blick zu.

Er trug ein schwarzes Seidenhemd zu perfekt sitzenden schwarzen Jeans. Das hellgraue Jackett hatte er achtlos auf einen der Rattansessel gelegt. Er war groß und schlank, und das silberblonde Haar war im Nacken etwas zu lang.

Adam war der Inbegriff eines sehr erfolgreichen Geschäftsmanns und ein sehr begehrenswerter Junggeselle.

Schließlich sah er sie an, ohne eine Miene zu verziehen. „Offenbar hast du dich doch noch entschlossen zu kommen“, stellte er leise und gleichgültig fest.

Andie war klar, dass er sich immer noch ärgerte. Warum eigentlich? Okay, die ganze Familie hatte sich keine Gedanken über Audreys Kündigung gemacht. Aber Adam ahnte nicht, was in den letzten Wochen los gewesen war. Und er würde es auch nicht erfahren, jedenfalls nicht von ihr, Andie.

Er durfte sich nicht anmaßen, etwas beurteilen und verurteilen zu können, wovon er nichts verstand. Außerdem war sie immer noch der Meinung, dass keiner von ihnen versuchen sollte, Audrey den Wunsch, ihr Leben zu ändern und etwas anderes zu machen, auszureden.

„Richtig“, erwiderte sie. „Entschuldige mich bitte, ich wollte sowieso gerade ins Gewächshaus zu den Rosen gehen.“

„Ich bin sicher, sie kommen die nächsten zehn Minuten auch noch ohne dich aus“, antwortete er spöttisch. „Du kannst mir ruhig Gesellschaft leisten, während ich den Kaffee trinke.“

Sie atmete tief ein. Adam machte sich über sie lustig. Die Atmosphäre zwischen ihnen war in der letzten Zeit viel zu gereizt, was Andie gar nicht gefiel.

„Natürlich“, stimmte sie ihm sanft zu und blieb sitzen. Sie fühlte sich seltsam verletzlich, nachdem sie ihren letzten Arbeitstag hinter sich hatte, und wollte eine erneute Auseinandersetzung mit Adam unbedingt vermeiden. „Weißt du, dass Jonas am Anfang ihrer Beziehung Danie einen Strauß gelber Rosen geschenkt hat? Sie sahen genauso aus wie die, die unsere Mutter gezüchtet hat. Das war für Danie die Bestätigung, dass sie ihn liebt.“

„Nein.“ Adam lächelte und ließ sich in den Sessel ihr gegenüber sinken. „Die Reaktion passt zu unserer unberechenbaren Danie, so kennen wir sie, und so lieben wir sie“, fügte er voller Zuneigung hinzu. „Wie geht es dir damit, dass ihr jetzt einen Arzt in der Familie habt?“

Seit man ihr als Kind die Mandeln herausgenommen hatte, hatte sie eine Abneigung gegen Ärzte. Darüber machte sich die ganze Familie lustig.

„Wahrscheinlich ist es ganz nützlich“, erwiderte sie ruhig.

Adam lachte. „Jonas würde sich über deinen Kommentar freuen.“

„Er ist Frauenarzt. Ist dir das bekannt?“, fragte Andie.

„Ich glaube, Rome hat es mal erwähnt.“ Adam nickte. „Wo und wie hat Danie ihn eigentlich kennengelernt?“

Andie wusste natürlich genau, bei welcher Gelegenheit ihre Schwester Jonas Noble zum ersten Mal begegnet war. Doch das ging Adam nichts an.

„Rome ist irgendwo auf dem Gut unterwegs“, wechselte sie rasch das Thema. „Er müsste bald zurückkommen.“

„Ich habe mich doch gar nicht beschwert“, bemerkte Adam betont gedehnt und lächelte Audrey, die in dem Moment mit dem Kaffee ankam, freundlich an. „Welchem Mann wäre es nicht recht, mit zwei schönen Frauen zusammenzusitzen?“

„Mit einer schönen Frau“, korrigierte Audrey ihn sogleich. „Ich muss mich um die Post kümmern und lasse euch eine Zeit lang allein.“

„Soll ich den Kaffee einschenken, oder möchtest du hier die Mutterrolle übernehmen?“, fragte Adam spöttisch, nachdem Audrey wieder weg war.

Andie warf ihm einen prüfenden Blick zu. Wusste Adam etwa Bescheid? Hatte ihr Vater seinem besten Freund alles verraten, obwohl Andie ihn gebeten hatte, mit niemandem darüber zu reden?

In sechs Monaten würde sie wirklich Mutter sein, denn sie erwartete ein Baby.

Als sie vor neun Wochen festgestellt hatte, dass sie schwanger war, war sie schockiert gewesen. Zunächst hatte sie sich damit nicht abfinden können, denn sie würde das Kind ganz allein und ohne den Vater großziehen müssen.

Doch vor vier Wochen hatte die Gefahr bestanden, dass sie ihr Kind verlor. Darüber war sie zutiefst verzweifelt gewesen, und ihr war plötzlich klar geworden, wie sehr sie sich das Baby wünschte. Sie war bereit, alles dafür zu tun, die Schwangerschaft nicht zu gefährden. Deshalb hatte sie sich auf Jonas’ Rat hin entschlossen, ihren Job aufzugeben und neun Monate Urlaub zu nehmen.

Natürlich wussten ihre Familienangehörigen und Audrey, was los war. Alle hatten versprochen, die Sache geheim zu halten. Aber hatte ihr Vater vielleicht trotzdem mit Adam darüber geredet?

Andie betrachtete ihn aufmerksam. In seinen Augen blitzte es jedoch nur amüsiert auf. Schließlich schenkte er sich und ihr den Kaffee selbst ein. Nein, er hatte keine Ahnung. Sie seufzte erleichtert. Sobald man ihr ansah, dass sie schwanger war, würde er es sowieso erfahren.

Seltsamerweise hatte sie zu Beginn der Schwangerschaft mehrere Kilo abgenommen. Jonas hatte ihr versichert, es sei nicht beunruhigend, sie hätte wahrscheinlich in den ersten Wochen zu viel Stress gehabt. Ihr Gewicht würde sich normalisieren. Und genau das tat es momentan, wie sie an ihren Röcken und Hosen merkte, die in der Taille bald zu eng sein würden.

Glücklicherweise konnte man noch nicht sehen, dass sie schwanger war. Adam schöpfte nicht den geringsten Verdacht, und Andie war froh darüber.

Sie liebte ihn schon viele Jahre, und ihr war immer klar gewesen, dass er ihre Liebe nicht erwiderte. Er hatte immer nur ihre Mutter geliebt. Vielleicht hätte er Mitleid mit ihr, wenn er von ihrer Schwangerschaft erfuhr, oder er würde spöttische Bemerkungen machen. Beides wollte Andie sich ersparen.

Gedankenverloren trank Adam den Kaffee. Dann ließ er sich im Sessel zurücksinken. Zunächst hatte er sich gefreut, Andie zu sehen. Aber er spürte deutlich, dass die Spannung zwischen ihnen seit Montag noch größer geworden war.

Verdammt, dachte er und atmete tief ein. „Wie geht es Rome?“, fragte er, nur um etwas zu sagen.

Andie verzog das Gesicht. „Nicht besser.“

Das überraschte ihn nicht. Audrey war offenbar fest entschlossen, ihre Stelle aufzugeben, wie Adam aus dem, was er von der Unterhaltung der beiden Frauen mitbekommen hatte, schloss.

Er schüttelte den Kopf. „Dann muss ich wohl mal mit ihm reden.“ Normalerweise war Rome ein freundlicher, umgänglicher Mensch. Er konnte es jedoch nicht ertragen, dass man sich in seine Privatangelegenheiten einmischte.

Sie lächelte wehmütig. „Momentan geht er sehr leicht in die Luft. Man darf nicht zu empfindlich sein. Gestern habe ich ihn beim Abendessen nur gebeten, mir den Pfeffer zu reichen, aber er hat mich gleich angefahren“, erklärte sie und verzog das Gesicht.

„Vielleicht sollte ich erst mit dir ins Gewächshaus zu den Rosen gehen, ehe ich mir Rome vorknöpfe.“ Adam befürchtete, es könnte mit Rome eine Auseinandersetzung geben. Trotzdem wollte er mit ihm über Audreys Kündigung sprechen. „Sagt man nicht, man solle innehalten, um den Duft der Rosen am Wegrand wahrzunehmen, oder so?“

Andie lachte und stand anmutig auf. „Ja, aber in einem anderen Zusammenhang.“

Adam musterte sie anerkennend. Das offene goldblonde Haar, das ihr über Schultern und Rücken fiel, umrahmte ihr schönes Gesicht. Ihre feine Haut war von der Sommersonne leicht gebräunt, und ihre grünen Augen strahlten.

Auf einmal fiel ihm auf, dass sie sich irgendwie verändert hatte. Aber was war anders als sonst? Er wusste es nicht. Schließlich stand er auch auf, um sie ins Gewächshaus hinter dem Haus zu begleiten.

Als ihnen der intensive Duft der herrlichen Blüten in die Nasen stieg, erinnerte Adam sich sogleich an Barbara, die die Rosen gezüchtet und gepflegt hatte. Sie war ein wunderbarer Mensch gewesen. Ihr Tod vor zehn Jahren – sie war an Krebs gestorben – hatte eine schmerzliche Lücke hinterlassen.

Plötzlich wusste Adam, weshalb ihm Andie an diesem Tag anders als sonst vorkam. Sie wirkte immer perfekt, genau wie ihre Mutter. Ausnahmsweise trug Andie jedoch einmal kein Designeroutfit, sondern eine weites grünes Hemd, das von Rome hätte sein können, zu eng anliegenden Jeans.

Natürlich war sie so schön wie immer. Die Freizeitkleidung ließ sie jedoch zugänglicher erscheinen und weniger distanziert. Er war überrascht über die Veränderung.

Andie blieb unvermittelt stehen. Hatte sie seinen prüfenden Blick bemerkt oder gespürt? Ihre Wangen waren gerötet, und sie schien auf der Hut zu sein. War ihre bisher so herzliche Freundschaft etwa im Begriff zu zerbrechen?

Wahrscheinlich, dachte er und seufzte. Es tat ihm leid, dass die schöne, unbeschwerte Zeit vorbei sein sollte. Aber was hatte er erwartet? Nichts blieb so, wie es war.

„Mir ist gerade aufgefallen, wie ähnlich du deiner Mutter bist“, sagte er ruhig. Bei der Spannung, die zwischen ihnen herrschte, konnte er es nicht wagen, eine zu persönliche Bemerkung über ihr Aussehen zu machen.

„Sie wäre bestimmt mit Harries und Danies Wahl einverstanden gewesen“, erwiderte Andie gleichgültig, weil ihr nichts Besseres einfiel.

Ja, der Meinung war Adam auch. Über Schwiegersöhne wie Quinn und Jonas wäre sie sicher nicht enttäuscht gewesen.

Aber hätte Barbara Andies Lebensstil gebilligt? Andie war eine Karrierefrau. Seit drei Jahren war sie schon Chefredakteurin der Gloss, und bis jetzt schien sie nicht daran zu denken, eine eigene Familie zu gründen.

Natürlich hätte Barbara nichts dagegen gehabt, sie hat sich immer nur gewünscht, dass ihre Töchter glücklich sind, überlegte Adam. Außerdem hatten Harrie und Danie ihren Beruf nicht aufgegeben und hatten jetzt beides, einen Mann und eine eigene Karriere.

„Ich bin …“, begann er.

In dem Moment kam Rome ins Gewächshaus. „Da bist du ja, Adam“, unterbrach er ihn. „Audrey hat gemeint, ich könne dich hier finden.“

Sekundenlang betrachtete Adam den älteren Mann. Was er sah, gefiel ihm nicht. Mit dem blonden Haar und den blauen Augen war Rome immer noch ein attraktiver Mann. Doch der harte Blick und der strenge Zug um den Mund verhießen nichts Gutes.

„Und sie hat mal wieder recht gehabt“, antwortete Adam betont unbekümmert. „Wie willst du eigentlich ohne sie zurechtkommen, Rome?“

Rome sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an. „Niemand ist unersetzlich, Adam“, stellte er kühl fest.

Adam zog die Augenbrauen hoch. „Sicher, ganz normale Angestellte lassen sich ersetzen.“ Seine Stimme klang scharf. „Aber ich habe gedacht, Audrey sei für dich mehr als nur das“, fügte er hinzu und bemerkte Andies schmerzerfüllte Miene.

Ihm wurde klar, dass es kein freundschaftliches, offenes Gespräch mit Rome geben würde, dazu wirkte der ältere Mann momentan zu gereizt. Er kam Adam vor wie ein verwundeter Elefantenbulle.

Rome zuckte gleichgültig die Schultern. „Offenbar ist Audrey anderer Meinung“, antwortete er hart. „Wenn eine Frau sich entschlossen hat, ihren eigenen Weg zu gehen, hat es überhaupt keinen Sinn, sie umstimmen zu wollen. Das habe ich bei anderer Gelegenheit erst vor Kurzem auf schmerzliche Weise erfahren müssen.“

Er zielt mit seiner Bemerkung wahrscheinlich nicht nur auf Audrey, sondern auch auf Harrie und Danie, die die Männer ihrer Wahl so schnell wie möglich hatten heiraten wollen, dachte Adam. Doch er spürte auch Andies seltsame Reaktion auf die Worte ihres Vaters und die Spannung, die plötzlich zwischen den beiden herrschte.

Adam überlegte, ob sie vielleicht auch kürzlich einen Entschluss gefasst hatte, mit dem Rome nicht einverstanden war. Dann musste sie natürlich jetzt annehmen, ihr Vater hätte sie gemeint.

Er nahm sich vor, später mit Andie zu reden. Zumindest würde er es versuchen, denn es war in der letzten Zeit ausgesprochen schwierig, sich mit ihr zu unterhalten.

„Was hat Audrey denn vor? Was will sie machen?“, erkundigte Adam sich.

„Keine Ahnung“, antwortete Rome scharf. „Du musst sie schon selbst fragen.“

„Hast du etwa noch nicht mit ihr darüber gesprochen?“ Adam setzte eine betont unschuldige Miene auf.

Rome sah ihn ärgerlich an. „Audrey hat mir erklärt, es würde mich nichts angehen“, stieß er hervor.

„Ah ja“, sagte Adam nachdenklich.

„Was genau soll das heißen?“, fuhr Rome ihn an.

„Was? Das ‚Ah ja‘?“ Adam war sich bewusst, dass er Rome provozierte. Aber er hatte keine Wahl, wenn er irgendetwas erreichen wollte. „Ich habe es immer für eine harmlose, nichtssagende Bemerkung gehalten.“

„Dann hättest du sie dir sparen können.“ Romes Stimme klang verächtlich. „Du …“

„Dad“, mischte Andie sich vorsichtig ein, „geht das nicht etwas zu weit? Du behandelst deinen Gast ziemlich … aggressiv.“

Rome ärgerte sich natürlich über die Zurechtweisung. Auch Adam war nicht gerade begeistert darüber. Seit wann betrachtete man ihn nur noch als Romes Gast?

Ich weiß doch genau, seit wann das so ist, gestand er sich ein. Er und Andie waren keine Freunde mehr. Das herzliche, vertrauensvolle Verhältnis bestand nicht mehr. Adam machte sich nichts vor, ihm war völlig klar, was der Grund dafür war. Er bereute das alles mehr, als er mit Worten ausdrücken konnte. Es tat ihm unendlich leid.

„Mit Aggressionen kann ich umgehen“, versicherte Adam ihr in leichtem Ton. Seine Beziehung zu der Familie Summer hatte sich in den letzten Monaten sehr verändert, nicht zuletzt deshalb, weil Harrie und Danie geheiratet hatten. Wahrscheinlich würde er mit Rome nicht so offen über Audrey reden können, wie er es sich vorgestellt hatte. Sonst würde er wahrscheinlich die Freundschaft gefährden. Und dann gehörten seine Besuche hier der Vergangenheit an.

Wollte er das wirklich riskieren? Nein, natürlich nicht. Seine Freundschaft mit der Familie Summer war schon seit vielen Jahren so etwas wie sein Rettungsanker.

Andererseits konnte er nicht einfach zusehen, wie Rome den größten Fehler seines Lebens machte. Ich weiß selbst besser als die meisten Menschen, wie es ist, eine Frau zu lieben, die völlig unerreichbar ist, dachte Adam. Audrey würde für Rome unerreichbar sein, wenn er sie jetzt gehen ließ.

„Komm mit ins Haus“, bat er Rome und stellte sich neben ihn an die Tür. „Ich muss sowieso noch einiges mit dir besprechen.“

„So ist das also! Und ich habe geglaubt, dein Besuch hätte uns allen gegolten“, sagte Andie spöttisch. „Wie dumm von mir!“ In ihren Augen blitzte es ärgerlich auf.

Adam blickte sie an und seufzte. Seine Freundschaft mit Andie war offenbar endgültig zerstört.

3. KAPITEL

Momentan hatte Andie keinen Appetit. Ihr war übel, und das angespannte Schweigen an diesem Abend beim Essen machte die Situation für sie keineswegs leichter.

Adam und Rome redeten offenbar nicht mehr miteinander. Rome sprach eigentlich mit überhaupt niemandem. Und die wenigen Worte, die Andie und Adam wechselten, waren nichts anderes als der krampfhafte Versuch, höflich Konversation zu machen. Audrey war die Einzige, die ganz normal und unbekümmert plauderte.

Sie sah in dem schwarzen Kleid sehr schön aus. Ihr Lächeln wirkte warm und charmant, und sie war so freundlich wie immer.

Andie ließ sich jedoch nicht täuschen. Sie erkannte die Traurigkeit in Audreys tiefblauen Augen.

„Ich habe gedacht, Lachs sei eines deiner Lieblingsgerichte“, sagte Adam schließlich in das Schweigen hinein. Er blickte Andie an, die lustlos im Essen herumstocherte.

Ja, das war es auch, aber jetzt wird mir schon übel, wenn ich den gegrillten Fisch nur rieche, dachte sie. Sie legte Messer und Gabel hin und gab es auf, so zu tun, als wollte sie etwas essen.

„Heute bin ich eben nicht hungrig“, erklärte sie. „Entschuldigt mich, ich brauche frische Luft.“ Sie wartete gar nicht erst ab, ob jemand etwas dagegen hatte, sondern eilte durch die Terrassentür in den Garten. Dann atmete sie die Luft tief ein.

„Die Atmosphäre beim Essen ist nicht gerade angenehm, stimmt’s?“, ertönte plötzlich Adams Stimme hinter ihr.

Andie drehte sich um. In der Dämmerung schimmerte sein Haar silbern. Sie hatte nicht gemerkt, dass er ihr gefolgt war, und es gefiel ihr nicht.

Sie zuckte traurig die Schultern. „Rome ist schon tagelang so“, erwiderte sie und wünschte, Adam würde sie allein lassen und wieder ins Esszimmer gehen. Sie wollte nachdenken, und das konnte sie nicht, wenn Adam in der Nähe war.

Er schlenderte über die Terrasse und stellte sich neben Andie. „Ich befürchte, ich habe nichts erreicht“, gab er zu. „Ich habe ihm gesagt, es sei dumm, Audrey einfach aus seinem Leben verschwinden zu lassen.“

„Es wundert mich, dass du es überlebt hast“, antwortete sie leicht spöttisch. So gereizt, wie ihr Vater momentan war, hätte sie nicht gewagt, mit ihm über dieses Thema zu reden. Mit solchen Skrupeln musste Adam sich offenbar nicht herumschlagen. „Jetzt muss die arme Audrey seine schlechte Laune ganz allein ertragen.“

„Ich habe mir deinetwegen Sorgen gemacht“, sagte Adam mit ernster Miene und sah Andie aufmerksam an.

„Wie bitte?“ Sie versteifte sich und bekam Herzklopfen. „Warum das denn?“

Er schüttelte den Kopf. „Ich weiß es selbst nicht genau. Du hast dich irgendwie verändert.“

Sie wandte sich ab und schluckte. Ihre Schwangerschaft sah man ihr bestimmt noch nicht an. Der schwarze Hosenanzug mit der langen Jacke verbarg perfekt ihre nicht mehr ganz so schmale Taille und die voller gewordenen Brüste.

Aber was meinte Adam damit, sie hätte sich verändert?

„Die Grippe hat mich sehr geschwächt“, erklärte sie.

„Es ist nicht nur das, Andie …“

„Hör bitte damit auf, Adam“, unterbrach sie ihn scharf. Ihr war klar, was er sagen wollte.

Adam hatte ihre Mutter geliebt, und sie, Andie, wollte kein Ersatz sein für eine andere Frau, auch nicht für ihre Mutter.

Er packte sie behutsam an den Schultern und drehte sie zu sich herum. „Wir müssen reden, Andie …“

In ihren Augen blitzte es auf. „Warum?“, fragte sie und hob stolz den Kopf.

„Verdammt, du weißt, warum“, antwortete er mit finsterer Miene.

„Nein, ich habe keine Ahnung“, entgegnete sie. „Es wäre mir lieber, wenn du mich allein lassen würdest. Ich bin nach draußen gegangen, um die Ruhe und den Frieden zu genießen, aber nicht, um mit dir zu streiten.“ Sie sah ihn vorwurfsvoll an. „Außerdem hast du sowieso nichts übrig für die frische Landluft.“

Wenn er nicht geschäftlich unterwegs war, verbrachte Adam jedes Wochenende bei den Summers. Er hatte jedoch nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er nicht verstehen konnte, warum Rome und seine Familie das Leben auf dem Land so sehr liebten.

„Vielleicht könnte ich mich daran gewöhnen“, erwiderte er ruhig.

Sie presste die Lippen zusammen. „Dafür gibt es keinen Grund“, stellte sie hart fest. „Einer von uns beiden sollte wieder ins Haus gehen, schon allein Audrey zuliebe.“

Weshalb lässt er mich eigentlich nicht los? überlegte Andie. Ihre Haut fing an zu prickeln, während sich eine verräterische Wärme in ihrem Körper ausbreitete. Und ihre Beine fühlten sich so an, als würden sie jeden Moment unter ihr nachgeben.

Es war offenbar immer noch dasselbe, auch nach allem, was geschehen war. Adam brauchte sie nur zu berühren, und sie wurde schwach, trotz ihrer komplizierten Situation und obwohl er für sie nichts empfand.

Andie schüttelte den Kopf. Adam war für sie unerreichbar, und daran würde sich auch nichts ändern.

„Ich …“, begann Adam, unterbrach sich jedoch unvermittelt, denn aus dem Esszimmer drang ein Geräusch, das sich wie zersplitterndes Glas anhörte. Dann ertönten laute Stimmen.

Sie drehte sich alarmiert zum Haus um. „Hat Rome etwa völlig den Verstand verloren und wird handgreiflich?“ Sie löste sich von Adam und eilte durch die Terrassentür ins Esszimmer. Adam folgte ihr.

Das Bild, das sich ihr bot, war ganz anders, als sie erwartet oder befürchtet hatte.

Ihr Vater war allein in dem Raum und stand am Tisch. Sein weißes Hemd und das schwarze Dinnerjacket wiesen nasse Flecken auf, und vor ihm auf seinem Platz lag ein zerbrochenes Weinglas.

„Was, zum Teufel, hast du mit Audrey gemacht?“, fragte Adam, nachdem er Rome sekundenlang betrachtet hatte.

In Romes Augen blitzte es ärgerlich auf, und er verzog zornig das Gesicht. „Du siehst doch, dass sie mich angegriffen hat! Sie hat mir den Wein ins Gesicht geschüttet und das Glas hinterhergeworfen“, fuhr er ihn gereizt an.

Andie musste sich das Lachen verbeißen. Ihr Vater hatte Audrey offenbar ernsthaft provoziert, sonst hätte sie Rome nicht den Wein ins Gesicht geschüttet.

Rome wirkte irgendwie lächerlich, wie er dastand in dem nassen Hemd, während ihm die Flüssigkeit vom Kinn tropfte. Andie fand Audreys Reaktion bewundernswert, und sie wünschte, sie hätte auch so viel Mut.

„Natürlich habe ich das bemerkt. Aber ich kenne Audrey ziemlich gut und weiß, dass sie nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen ist. Du musst sie provoziert haben. Was hast du mit ihr gemacht?“, wiederholte er.

„Nichts“, stieß Rome hart hervor und fing an, sich das Hemd mit einer weißen Serviette abzuwischen.

„Dad!“, sagte Andie vorwurfsvoll. Er musste etwas gesagt oder getan haben, worüber Audrey sich sehr aufgeregt hatte. Normalerweise verlor sie die Beherrschung nicht.

Ihr Vater warf ihr einen ärgerlichen Blick zu. „Auf wessen Seite stehst du eigentlich? Ich …“

„Auf keiner“, unterbrach sie ihn. „Aber ich glaube, ich kenne dich und Audrey ganz gut. Deshalb weiß ich, dass sie dir nicht ohne einen schwerwiegenden Grund den Wein ins Gesicht schüttet.“

„Offenbar hältst du doch zu ihr.“ Rome warf die nasse Serviette angewidert auf den Tisch und richtete sich auf. „Ich hätte nie gedacht, dass eines Tages eine meiner Töchter …“

„Da du uns nicht verraten willst, weshalb Audrey so in die Luft gegangen ist, gehe ich am besten zu ihr und frage sie selbst“, unterbrach Andie ihren Vater. Sie drehte sich um und fing an, den Raum zu durchqueren.

„Sie packt ihre Sachen“, murmelte Rome.

Andie blieb stehen und drehte sich wieder zu ihrem Vater um. Ungläubig sah sie ihn an. Die Situation war noch verfahrener, als sie befürchtet hatte.

„Sie will die Kündigungsfrist nicht einhalten, sondern uns heute noch verlassen“, fuhr er fort.

Ihr Vater wirkte so unversöhnlich, dass Andie sich plötzlich seltsam hilflos fühlte. „Willst du nicht mit ihr reden und versuchen, sie zurückzuhalten?“

Rome machte eine arrogante Kopfbewegung. „Es gibt nichts, was ich tun könnte.“

„Adam hat recht“, fuhr Andie ihn verächtlich an, „du bist ein Dummkopf.“ Sie wirbelte herum, eilte aus dem Zimmer und die Treppe hinauf.

Vor Audreys Tür blieb sie stehen, sie war plötzlich unsicher. Ihr Vater war im Unrecht, das bezweifelte Andie nicht. Aber vielleicht wollte Audrey jetzt niemanden von der Familie sehen. Ach, was soll’s, meine Schwestern und ich haben sie gern, und ich kann nicht zulassen, dass sie einfach aus unserem Leben verschwindet, sagte Andie sich schließlich und klopfte an.

„Geh weg“, rief Audrey sogleich.

Andie drückte auf die Klinke und stellte erleichtert fest, dass Audrey nicht abgeschlossen hatte. Doch als sie ins Zimmer kam, erblickte sie Audrey, die eine Vase in der Hand hielt und offenbar bereit war, sie ihr an den Kopf zu werfen.

„Ich will doch nur mit dir reden!“ Andie hielt sich vorsichtshalber die Hände vors Gesicht.

Audrey seufzte und stellte die Vase auf die Kommode. „Ich dachte, es sei jemand anders“, gab sie zu.

Sie hatte geglaubt, es sei Rome, das war Andie klar. Sie spürte, wie enttäuscht Audrey trotz ihrer spontanen Reaktion darüber war, dass sie sich geirrt hatte.

Nachdem Andie die Tür hinter sich zugemacht hatte, bemerkte sie den offenen Koffer mit Kleidern auf Audreys Bett. Sie hatte wirklich vor, Rome und die Familie zu verlassen.

Andie setzte sich auf die Bettkante. „Audrey“, begann sie energisch, während Audrey ihre Kleider in den Koffer legte, „ich habe dich heute schon einmal gefragt, warum du weggehst. Du hast behauptet, es sei Zeit …“

„Ich glaube, ich habe mich klar genug ausgedrückt“, unterbrach Audrey sie, ohne Andie anzusehen.

„Ja, das mag sein“, stimmte Andie ihr zu. „Aber ich möchte dich bitten, mir deine Gründe zu verraten. Und komm mir bitte nicht wieder mit diesem Hokuspokus. Damit beleidigst du mich nur“, fuhr Andie fort. „Ich bin schwanger, Audrey, sonst fehlt mir nichts. Mein Verstand funktioniert trotzdem perfekt.“

Audrey blieb zwischen dem Schrank und dem Bett stehen. „Das habe ich keine einzige Sekunde bezweifelt.“

„Und?“, fragte Andie.

Plötzlich konnte Audrey sich nicht mehr beherrschen. Ihr liefen Tränen über die Wangen, und sie war nahe daran zusammenzubrechen.

Andie eilte zu ihr und umarmte sie. Sie liebte Audrey und konnte es nicht ertragen, sie so verletzt zu sehen.

„Audrey, du musst es mir sagen. Ich verspreche dir, mit niemandem darüber zu reden.“ Andie war selbst den Tränen nahe.

„Hast du es denn noch nicht gemerkt, Andie?“ Audrey rang sich ein Lächeln ab. „Ich liebe deinen Vater, schon sehr lange sogar.“

Damit hatte Andie nicht gerechnet. Aber womit denn sonst? Hatte sie gedacht, Audrey hätte eine Affäre mit einem verheirateten Mann? Oder sie hätte irgendein Unrecht begangen und hätte Schuldgefühle, mit denen sie nicht mehr zurechtkam?

„O Andie …!“ Audrey lachte freudlos, als sie Andies verblüffte Miene sah. Dann löste sie sich von ihr und zog ein Taschentuch aus der Kommode. „Hast du damit ein Problem?“

Nein, ich bin ja in einer ähnlichen Situation, denn ich liebe Adam auch schon lange und genauso hoffnungslos, überlegte Andie.

Sie wusste, wie weh es tat, viele Stunden mit jemandem zusammen zu sein, den man liebte und der die Gefühle nicht erwiderte. Doch empfand Rome wirklich nichts für Audrey? Er benahm sich jedenfalls seit ihrer Kündigung sehr seltsam.

Hatte Adam etwa die ganze Zeit gewusst, dass Audrey Rome liebte? War er vielleicht deshalb so zornig auf die ganze Familie?

„Das beweist doch nur, was ich gerade gesagt habe, Rome“, erklärte Adam hart.

„Du meinst, dass Audrey mich liebt?“ Rome schenkte sich einen Brandy ein. „Das glaube ich nicht.“ Er betrachtete nachdenklich sein feuchtes Hemd, ehe er einen kräftigen Schluck trank.

Adam warf ihm einen mitleidigen Blick zu und schwieg. Er hatte Rome sehr gern, er war für ihn so etwas wie ein älterer Bruder. Doch in diesem Moment hätte er ihn am liebsten kräftig geschüttelt, um ihn zur Vernunft zu bringen. Offenbar war er im Privatleben unfähig zu erkennen, was sich in seiner unmittelbaren Umgebung abspielte, obwohl er ein ungemein erfolgreicher Geschäftsmann war.

„Barbara hat mir nie Wein ins Gesicht geschüttet, um mir ihre Liebe zu beweisen“, erklärte Rome.

„Sie hat dir wahrscheinlich auf eine andere Art klargemacht, was für ein Dummkopf du bist“, antwortete Adam.

„Du bist wirklich nett und kannst einen so richtig aufbauen!“ Rome blickte ihn finster an.

Er sieht momentan aus wie ein beleidigter kleiner Junge, dachte Adam. Die Situation war ungemein komisch, und er musste sich das Lachen verkneifen. Mit dem vom Wein feuchten Hemd und seiner empörten Miene war Rome alles andere als der charmante, selbstbewusste, liebenswürdige Mann, als den man ihn sonst kannte.

Auf einmal kniff Rome die Augen zusammen und betrachtete Adam misstrauisch. „Lachst du mich etwa aus?“, fragte er langsam.

Jetzt konnte Adam sich nicht mehr beherrschen und lachte in sich hinein.

„Verdammt, es stimmt“, stieß Rome ärgerlich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und stellte das Glas viel zu heftig hin. „Kannst du mir bitte erklären, was der Grund für dein kindisches Benehmen ist?“

Romes Empörung wirkte in der Situation sehr erheiternd. Adam brach in lautes Lachen aus. Der Mann ist einfach unbezahlbar, er liebt Audrey genauso sehr wie sie ihn, aber er will es nicht zugeben, schoss es ihm durch den Kopf.

Warum hatte Rome sonst so schlechte Laune, seit Audrey gekündigt hatte? Und warum hätte er die arme Frau sonst so sehr beleidigen sollen, dass sie sich nicht anders zu helfen wusste, als ihm den Wein ins Gesicht zu schütten?

Ja, der Mann hatte nur Angst zuzugeben, dass er Audrey liebte. Würde er sie wirklich gehen lassen, ohne mit ihr über seine Gefühle zu reden?

„Schade, dass in dem Glas kein Rotwein war. Der Effekt wäre noch dramatischer gewesen. Es hätte wie Blut ausgesehen“, sagte Adam lächelnd.

Rome verzog keine Miene, während er Adam nachdenklich ansah. „Du hast eine seltsame Art von Humor“, stellte er fest.

„Und du hast momentan überhaupt keinen Humor“, entgegnete Adam ungerührt.

„Das Hemd ist aus Seide.“ Romes Stimme klang vorwurfsvoll.