Julia Platin Band 8 - Jacqueline Baird - E-Book

Julia Platin Band 8 E-Book

Jacqueline Baird

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Beschreibung

VERHEIRATET MIT EINEM MILLIARDÄR von REBECCA WINTERS Nachdem Terri den gut aussehenden Milliardär Ben gesund gepflegt hat, ist sie nun gezwungen, eine Scheinehe mit ihm einzugehen. Dabei kennt sie ihn kaum! Doch je intensiver und lustvoller die Zeit auf Bens Luxusjacht wird, desto mehr läuft Terri Gefahr, ihr Herz an ihn zu verlieren … EINE NACHT DER LEIDENSCHAFT von JACQUELINE BAIRD Willow hat es geschafft: Sie ist eine gefeierte Autorin! In einem Nobelhotel soll sie nun einen Preis erhalten. Doch beim Blitzlichtgewitter im Foyer stockt ihr der Atem: Lässig lehnt an einer Marmorsäule Yannis Kadros, der braungebrannte Millionär, der ihr vor neun Jahren das Herz brach … VERLOCKUNG IN ITALIEN von HELEN BROOKS Allein der Klang seiner Stimme genügt, um Maisie heiße Schauer über den Rücken zu jagen! Als der charmante Italiener Blaine Morosini ihr einen Job in seiner Traumvilla an der Amalfiküste anbietet, kann sie nicht Nein sagen. Nur ahnt sie nicht, worauf sie sich einlässt ...

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Seitenzahl: 595

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Rebecca Winters, Jacqueline Baird, Helen Brooks

JULIA PLATIN BAND 8

IMPRESSUM

JULIA PLATIN erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Zweite Neuauflage in der Reihe JULIA PLATINBand 8 - 2019 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

© 2002 by Rebecca Winters Originaltitel: „The Tycoon’s Proposition“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Sabine Reinemuth Deutsche Erstausgabe 2005 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA, Band 1655

© 2004 by Jacqueline Baird Originaltitel: „The Greek Tycoon’s Love-Child“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Tina Beckmann Deutsche Erstausgabe 2005 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA, Band 1669

© 2006 by Helen Brooks Originaltitel: „The Italian Tycoon’s Bride“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Gudrun Bothe Deutsche Erstausgabe 2007 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA, Band 1764

Abbildungen: Harlequin Books S. A., Olga Gillmeister, xbrchx / Getty Images, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 12/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733715731

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

Verheiratet mit einem Milliardär

1. KAPITEL

„Möchtest du mir nicht noch deine Wohnung zeigen?“

Matt Watkins, sympathisch, gut aussehend und geschieden, lebte noch nicht lange in Lead, einer kleinen Stadt in South Dakota. Erst kürzlich hatte er die Leitung einer beliebten und viel besuchten Raststätte übernommen.

Es war das erste Date mit ihm und auch das letzte, dessen war sich Terri Jeppson sicher. Sie spürte genau, dass Matt nach einer neuen Ehefrau suchte, und daher war es besser, seine Hoffnungen von vornherein im Keim zu ersticken.

„Es tut mir leid, Matt, aber ich muss morgen sehr früh aufstehen und …“

„Du hat deinen Ex immer noch nicht vergessen“, unterbrach er sie, eher verletzt als ärgerlich.

Es lag ihr schon auf der Zunge, ihm die Wahrheit zu sagen, ihre Liebe zu Richard war nämlich längst erloschen. Gleich zu Anfang ihrer sechsjährigen Ehe hatte Terri begriffen, dass sie einen Fehler begangen hatte. Es wäre jedoch äußerst unklug gewesen, Matt dies jetzt zu gestehen.

„Mag sein“, antwortete sie daher ausweichend. „Vielleicht musste ich erst mit dir ausgehen, um das zu erkennen.“ Das war eine Notlüge, mit der sie leben konnte. „Bitte verzeih mir, falls ich falsche Hoffnungen in dir geweckt habe. Es war ein sehr schöner Abend, und ich möchte mich noch einmal für die Einladung ins Kino und das Essen bedanken.“

Matt betrachtete sie nachdenklich. „Wenn dein Herz endgültig frei ist, lass es mich bitte wissen.“

Terri nickte, schloss die Wohnungstür hinter sich und atmete befreit auf. Endlich war sie wieder allein! Sie ging in die Küche, um den Anrufbeantworter abzuhören, so wie sie es immer tat, wenn sie nach Hause kam.

Da sie stellvertretende Leiterin der örtlichen Handelskammer war, wurden nach Dienstschluss die Gespräche auf ihren Privatapparat umgeleitet. Und jetzt im Juli gab es besonders viel zu tun. Die Urlauber kamen in Scharen, wollten den Mount Rushmore besteigen und suchten nach Ferienquartieren in der Umgebung.

Während sie darauf wartete, welche Probleme in ihrer Abwesenheit aufgetaucht waren, blätterte sie ihre Post durch.

Der erste Anruf kam von ihrer Mutter, der zweite von ihrer Schwester Beth, die mit ihrem Ehemann Tom ebenfalls in Lead wohnte. Unglücklicherweise hatte Beth von der Verabredung mit Matt erfahren und war entsprechend neugierig. Der Familie konnte es gar nicht schnell genug gehen, dass Terri endlich wieder einen Partner fand, der ihrer „würdig“ war. Doch Matt Watkins war leider nicht dieser Mann, und sie würde Beth enttäuschen müssen.

Die nächste Nachricht schien geschäftlicher Art zu sein. „Mrs. Jeppson?“, erklang eine Frauenstimme.

Terri warf die Reklame in den Papierkorb und hörte zu.

„Ich bin Martha Shaw, die Sekretärin von Creighton Herrick, und rufe aus der Hauptverwaltung der Herrick Corporation in Houston, Texas an. Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass Ihr Mann Richard einen Arbeitsunfall hatte und Ihr Kommen dringend erforderlich ist. Wir haben ein Notfallvisum für Sie beantragt und hoffen, dass Sie sofort reisen können.“

Ein Notfallvisum?

„Da es sich nicht um ein Dschungelgebiet handelt, sind keinerlei Impfungen erforderlich. Die Firma übernimmt die Kosten für Reise und Unterbringung. Bitte rufen Sie mich umgehend unter der folgenden Nummer an, damit ich den Flug und das Hotel für Sie buchen kann …“

Terri war fassungslos.

Richard und sie hatten sich vor achtzehn Monaten getrennt und waren seit einem Jahr offiziell geschieden. Das letzte Mal hatte sie Richard beim Scheidungstermin gesehen und war davon ausgegangen, nie wieder etwas mit ihm zu tun zu haben.

Warum hatte er bloß in seinen Arbeitspapieren angegeben, verheiratet zu sein? Sie wusste ganz genau, wie viel ihm daran gelegen hatte, endlich frei und niemandem mehr Rechenschaft schuldig zu sein.

Und warum arbeitete er nicht mehr in den USA? Verdiente ein Glaser im Ausland mehr Geld?

Die Zusammenhänge blieben ihr ein Rätsel, doch Richards Zustand schien ernst zu sein, sonst hätte sein Arbeitgeber ihr nicht ein so großzügiges Angebot unterbreitet. Sie spielte die Nachricht noch einmal ab, notierte sich die Nummer und rief zurück – sie brauchte es nur zwei Mal klingeln zu lassen, und schon hatte sie Martha Shaw am Apparat.

„Leider kann ich Ihnen auch nicht genau sagen, wie es Ihrem Mann geht“, erklärte sie Terri. „Er hatte einen Unfall, das ist alles, was wir aus unserer Niederlassung in Ecuador erfahren haben.“

Ecuador?

„Die Mitarbeiterin konnte mir keine Einzelheiten nennen, weil sie die Information auch nicht aus erster Hand hatte – unser Büro dort befindet sich nämlich in der Stadt Guayaquil, und die Baustelle liegt weit außerhalb.

Wenn Sie in Guayaquil ankommen, rufen Sie bitte sofort in unserem dortigen Büro an, die Nummer gebe ich Ihnen gleich. Bis dahin wird man die Details kennen und Ihnen auf alle Fälle sagen können, in welches Krankenhaus Ihr Mann gebracht wurde. Ich kann Ihnen nur empfehlen, so schnell wie möglich zu fliegen.“

Terri klärte mit Martha Shaw den genauen Reiseplan ab und rief dann ihren Chef Ray Gladstone an, um Urlaub zu nehmen. Ray zeigte sich äußerst verständnisvoll, versprach dann, ihre Aufgaben bis auf Weiteres mit zu erledigen, und wünschte ihr eine gute Reise.

Selbst ihre Mutter reagierte positiv. Das Mitleid für ihren ehemaligen Schwiegersohn, der allein und verletzt in einem ausländischen Krankenhaus lag, war stärker als die Vorbehalte, die sie gegen ihn hatte. Sie versprach Terri, sich gemeinsam mit Beth um die Wohnung zu kümmern.

Sofort packte Terri ihren Koffer. Das Telefonat mit Martha Shaw hatte ihr Leben auf einen Schlag umgekrempelt. War sie eben noch überzeugt gewesen, Richard gehöre ein für alle Mal der Vergangenheit an, war sie jetzt auf dem Weg zu ihm. Die Nächstenliebe erforderte es, da war sie derselben Meinung wie ihre Mutter.

Schließlich hatte Terri Richard einmal geliebt, auch wenn es schon lange her war. Richard war in Spearfish bei seinem Onkel und seiner Tante aufgewachsen, die dort eine Glaserei besaßen, und hatte auch bei ihnen gelernt. Nach dem Tod der beiden hatte er einen Job in Lead angenommen, wo er Terri kennengelernt und sofort geheiratet hatte.

Die Schattenseiten seines Charakters hatte Terri erst nach der Hochzeit entdeckt … Richard war unstet und wechselte nicht nur häufig die Firma, sondern zog auch von einem Bundesstaat in den anderen. Stets war er auf der Jagd nach einem besseren Job und noch mehr Geld.

Schon bald vermutete Terri, dass es außer ihr noch andere Frauen in Richards Leben gab. Auf alle Fälle hatte er Alkoholprobleme, was er ihr jedoch zu verheimlichen suchte, wenn er zwischen zwei Jobs einmal nach Hause kam.

Von dem optimistischen Zweiundzwanzigjährigen mit den lachenden blauen Augen, in den sie sich damals verliebt hatte, war nicht mehr viel übrig geblieben. Wie sich herausstellte, besaß Richard mehr Charme als Charakter.

Seine Unfähigkeit, in seinem Beruf Fuß zu fassen, und die damit verbundenen langen Phasen der Trennung waren eine schwere Belastung für die Ehe. Zwei Fehlgeburten und seine Weigerung, Terri hinterher zur Seite zu stehen und sie zu trösten, führten dann zum endgültigen Bruch.

Doch das alles spielte im Moment keine Rolle. Richard, der keine Angehörigen mehr hatte, lag verletzt und allein im Ausland im Krankenhaus und brauchte Zuspruch.

Achtzehn Stunden später landete Terri in Guayaquil, einer Stadt mit knapp zwei Millionen Einwohnern. Als Terri das Flugzeug verließ, war sie überrascht. Das Klima war angenehm trocken und überhaupt nicht so schwül oder feucht, wie sie befürchtet hatte.

In ihrem Hotelzimmer angekommen, rief Terri die Nummer an, die Martha Shaw ihr gegeben hatte, erfuhr jedoch nichts Näheres, sondern lediglich den Namen des Krankenhauses, in das man Richard eingeliefert hatte.

In aller Eile duschte sie, zog sich um und tauschte an der Rezeption etwas Geld ein. Dann stieg sie in eines der Taxis, die vor dem Hotel warteten, und ließ sich zum Hospital San Lorenzo bringen.

Selbst sie, die New York und Los Angeles kannte, fand die Verkehrsverhältnisse unbeschreiblich chaotisch. Froh, unbeschadet das Krankenhaus erreicht zu haben, suchte sie nach der betreffenden Station. Dr. Dominguez begrüßte sie und betrachtete sie interessiert.

„Ihr Gatte wird sich über Ihren Besuch außerordentlich freuen.“ Er sprach Englisch, wenn auch mit sehr starkem Akzent. „Von dem Fischer, der ihn vor drei Tagen zu uns in die Ambulanz brachte, wissen wir, dass er immer wieder Ihren Namen rief, bevor er das Bewusstsein verlor. Wir hätten Sie schon viel früher benachrichtigt, doch da Ihr Gatte keinerlei Papiere bei sich trug, dauerte es eine Weile, bis wir ihn mit der Herrick Corporation in Zusammenhang bringen konnten.“

„Liegt er etwa im Koma?“ Vor Schreck vergaß Terri, den Arzt darüber aufzuklären, dass sie gar nicht mehr Richards Ehefrau war.

„Nein, nein“, beruhigte Dr. Dominguez sie. „Als man ihn einlieferte, war er schon wieder bei Bewusstsein. Sein größtes Problem ist seine innere Unruhe, Ihre Anwesenheit wird daher einen äußerst wohltuenden Einfluss auf ihn haben.“

„Doktor, wie ernst ist sein Zustand?“, fragte Terri unverblümt.

„Keinesfalls bedrohlich. Einige Platzwunden im Gesicht, die wir genäht haben, und oberflächliche Verbrennungen an den Händen, die von allein heilen werden. Auch seine Schulter, die wir ihm wieder einrenken mussten, braucht zur Heilung weiter nichts als Ruhe. Das Schlimmste ist die Speiseröhre. Das Meerwasser, das er nach dem Unfall geschluckt hat, muss stark verunreinigt gewesen sein, sonst hätte er sich nicht solche Verätzungen zugezogen.“

„Das ist ja schrecklich!“

„Machen Sie sich bitte keine Sorgen! Es werden keinerlei Folgeschäden zurückbleiben, im Moment sind die Schleimhäute jedoch noch so stark geschwollen, dass er die nächsten zwei, drei Tage wohl noch nicht sprechen kann. So lange werden wir auf eine genaue Schilderung des Unfalls also noch warten müssen.

Wir haben seinen Kopf und das Gesicht nur deshalb bandagiert, damit die sterile Gaze über seinen Wunden nicht verrutschen kann. Die Stiche befinden sich im Haaransatz und direkt unter dem Kinn, entstellende Narben werden daher nicht zurückbleiben. Höchstens am Kinn könnte später eine Nachbehandlung erforderlich werden, aber das ist jetzt noch nicht abzusehen.“

„Darf ich jetzt zu ihm?“

„Ja, natürlich. Wir haben das Zimmer absichtlich abgedunkelt, schalten Sie also bitte nicht die Deckenbeleuchtung ein, das würde unseren Patienten im Moment nur beunruhigen.“

Terri nickte.

„Schwester Angelica wird Sie begleiten.“ Dr. Dominguez wandte sich an die Nonne an seiner Seite und gab ihr in einem atemberaubenden Tempo Anweisungen auf Spanisch.

Zusammen mit Schwester Angelica betrat Terri Richards Krankenzimmer – und schrie unwillkürlich auf. Was da im Bett lag, ähnelte eher einer Mumie als einem lebendigen Menschen, und Mumien waren Terri schon immer unheimlich gewesen.

Richard bewegte den Kopf in Richtung Tür, und die Nonne legte den Finger auf den Mund, um Terri zu bedeuten, den Patienten nicht aufzuregen. Beschämt nickte Terri ihr zu und trat an Richards Bett.

Er war an mehrere Infusionen angeschlossen, den rechten Arm hatte man mit einer Schlinge fixiert. Seine Hände waren dick mit Mull umwickelt, und er trug eine Atemmaske. Der Anblick verursachte Terri Beklemmungen.

„Richard?“, fragte sie leise und so sanft wie möglich. „Ich bin es, Terri. Als ich von deinem Unfall erfuhr, habe ich mich sofort ins nächste Flugzeug gesetzt und bin gekommen.“

Er gab einen unartikulierten Laut von sich.

„Nein, bitte sprich nicht! Der Arzt hat gesagt, je mehr Ruhe du dir gönnst, desto schneller wird deine Stimme sich wieder erholen. Ich werde mich jetzt zu dir ans Bett setzen und so lange bei dir bleiben, wie du es möchtest.“

Terri zog sich einen Stuhl neben den Infusionsständer und machte es sich darauf bequem. Die Nonne nickte ihr aufmunternd zu und verließ geräuschlos das Zimmer.

Richard hatte früher Fußball gespielt, war durchtrainiert und gut eins achtzig groß – der dicke Verband ließ ihn jedoch größer und muskulöser erscheinen. Allein die unverletzte Schulter war nicht unter Bandagen verborgen. Trotz der stark gedämpften Beleuchtung fiel Terri auf, wie dunkel die Haut dort gebräunt war – Richard musste also mit freiem Oberkörper gearbeitet haben, was er früher nie getan hatte, doch vielleicht war er eitel geworden. Wieder versuchte er, etwas zu sagen, und hob mühsam die linke Hand.

Einen von Natur aus so rastlosen Menschen wie ihn musste es unendlich quälen, zu keiner Äußerung oder Bewegung fähig zu sein. Voller Mitgefühl strich sie seine Decke glatt.

„Du wirst keine Narben zurückbehalten, das hat mir der Arzt versichert. Was für ein Glück, was sollten sonst die Frauen sagen?“, scherzte sie.

Unruhig bewegte er die Beine – wahrscheinlich hatte er unerträgliche Schmerzen.

Wie schrecklich, Richard unter diesen Umständen wieder treffen zu müssen! In den anderthalb Jahren, die sie nun schon von ihm getrennt lebte, war er ihr fremd geworden, und sie wusste nicht, wie sie ihm seine Situation erleichtern sollte.

„Dr. Dominguez hat mir berichtet, du hättest nach deiner Rettung meinen Namen gerufen“, redete sie weiter. „Außerdem verwirrt es mich, dass du in deinen Unterlagen angegeben hast, immer noch mit mir verheiratet zu sein.

Warum eigentlich? Du warst damals über die Scheidung genauso froh wie ich. Wie dem auch sei, für mich ist es selbstverständlich, dir in dieser Situation beizustehen, und auch meine Familie lässt dich grüßen. Sie wünschen dir alle gute Besserung.“

Wieder hob er den Arm. Wollte er sich mit dieser Geste für ihr Kommen bedanken? Sie wusste es nicht. Wie sollte sie ihn nur unterhalten?

„Von deinem Job in Südamerika wusste ich gar nichts – anscheinend bist du schon länger hier, sonst wärst du nicht so braun. Ich freue mich schon darauf, wenn du in einigen Tagen wieder sprechen kannst, dann wirst du mir ja alles erklären. Wenn du Freunde oder deine Partnerin benachrichtigen möchtest, werde ich dir dabei helfen, so gut ich es kann.“

Erneut versuchte Richard, etwas zu sagen, und bewegte sich unruhig. Statt besänftigend zu wirken, schien ihn ihre Gegenwart nur noch mehr aufzuregen.

„Du brauchst jetzt Ruhe“, sagte sie und stand auf. „Deshalb werde ich jetzt gehen und erst morgen früh wiederkommen. Aber keine Angst, ich hinterlasse gleich bei der Stationsschwester meine Telefonnummer. Ich werde außerdem mein Hotelzimmer heute nicht mehr verlassen und bin jederzeit erreichbar.“

Er stöhnte lauter als zuvor, und Terri verließ ihn mit einem unguten Gefühl. Auf dem Flur kam ihr Dr. Dominguez entgegen.

„Sie wollen schon gehen?“, fragte er erstaunt.

„Ja, Richard scheint meine Anwesenheit nicht gut zu bekommen. Er ist unruhig und versucht zu sprechen. Ich habe den Eindruck, er möchte mir etwas mitteilen.“

„Das kann ich ihm nachempfinden – bei solch einer schönen Ehefrau. Er ist bestimmt glücklich, Sie wieder an seiner Seite zu haben, und mit seiner Genesung wird es ab jetzt steil bergauf gehen.“

Sie schüttelte den Kopf. „Sie irren, Dr. Dominguez, ich bin nicht seine Frau.“

Verständnislos sah er sie an.

„Wir sind vor knapp einem Jahr geschieden worden“, erklärte ihm Terri. „Seitdem haben wir uns nicht mehr gesehen, ich wusste noch nicht einmal, dass Richard für Herrick in Ecuador arbeitet. Das habe ich erst erfahren, als mich die Sekretärin aus der Hauptverwaltung in Houston anrief, um mich von dem Unfall zu benachrichtigen.

Ich weiß auch nicht, warum er in seinem Personalbogen angegeben hat, er sei noch mit mir verheiratet – bestimmt wird sich alles aufklären, wenn Richard wieder sprechen kann. Hauptsache, er erleidet keinen Rückfall, denn er versucht ständig, mir etwas zu sagen, und das ist bestimmt nicht gut für seinen Hals.

Ich wohne im Ecuador Inn, Zimmer 137. Sie können mich dort jederzeit erreichen, ansonsten komme ich erst morgen früh wieder.“

„Gut.“ Dr. Dominguez nickte und sah sie nachdenklich an.

„Bekommt er auch wirklich ausreichend Schmerzmittel, Doktor?“

„Wir geben ihm die Höchstdosis. Vielleicht bereut er ja auch die Scheidung und möchte Ihnen sagen, dass er einen Fehler gemacht hat. Das würde sowohl seine Unruhe erklären als auch die Tatsache, dass er den Fragebogen nicht wahrheitsgemäß ausgefüllt hat. Manchmal muss man einen Menschen erst verlieren, um seinen wahren Wert zu erkennen. Meinen Sie nicht, die dramatischen Umstände könnten den Anstoß zu einer Versöhnung geben?“

Terri verstand die Gedankengänge des Arztes, doch Dr. Dominguez irrte sich. Richard bereute die Scheidung nicht. Seine Behauptung, verheiratet zu sein, diente ganz anderen Zwecken. Und was sie selbst betraf, so war sie sich ihrer Gefühle völlig sicher, ihre Liebe zu Richard war längst gestorben und ließ sich nicht wieder beleben.

Sie schüttelte nachdrücklich den Kopf. „Unsere Ehe hat keine zweite Chance, Dr. Dominguez, das können Sie mir glauben. Aber ich mag Richard natürlich noch und möchte, dass er möglichst schnell wieder gesund wird.“

Damit verabschiedete sie sich, ging noch ins Schwesternzimmer, um die Nummer zu hinterlassen, unter der sie im Hotel zu erreichen war, dann nahm sie ein Taxi zum Ecuador Inn.

Sie ließ sich das Dinner aufs Zimmer bringen und aß im Bett, während sie mit ihrer Mutter und Beth telefonierte, um sie über den Stand der Dinge zu informieren.

Beth fand noch eine andere Erklärung für Richards Lüge: Vielleicht waren für den Auslandseinsatz in Ecuador nur verheiratete Männer angeworben worden. Das war eine Möglichkeit, an die Terri noch nicht gedacht hatte. Auf alle Fälle würde sie am nächsten Tag das Büro der Herrick Corporation in Guayaquil aufsuchen und dort einige Fragen stellen.

Obwohl Terri von dem anstrengenden Tag erschöpft war, konnte sie nicht einschlafen. Sie schaltete den Fernseher ein und sah sich die Nachrichten an. Doch ihr Schulspanisch war nicht gut genug, um alles richtig zu verstehen, so wechselte sie den Sender und landete bei einem Spielfilm, den sie bereits in der englischen Fassung kannte.

Darüber war sie offenbar eingeschlafen, denn als sie am nächsten Morgen aufwachte, lief der Apparat immer noch. Sie bestellte sich das Frühstück aufs Zimmer, machte sich zurecht und fuhr mit dem Taxi zum Krankenhaus.

Wieder fiel ihr auf, wie angenehm das Klima in Ecuador selbst im Hochsommer war. In Atlanta dagegen, wo sie auf dem Hinflug umgestiegen war, war es heiß und drückend gewesen.

Sie prägte sich den Weg genau ein, um sich wenigstens etwas orientieren zu können. Guayaquil war eine ebenso betriebsame wie faszinierende Hafenstadt. Die vorwiegend dunkelhaarigen Frauen waren auffallend schön. Richard fühlte sich bestimmt äußerst wohl hier, schade nur, dass er diesen Unfall gehabt hatte, der ihn fast das Leben gekostet hätte.

Ob Richard, der ein leidenschaftlicher Angler war, sich zu weit auf den Ozean hinausgewagt hatte und mit dem Boot gekentert war? War er allein gewesen? Waren auch noch andere bei dem Unfall zu Schaden gekommen?

Wie gern hätte sie Klarheit gehabt! Sie musste sich jedoch in Geduld fassen, bis die Schwellungen abgeklungen waren und er wieder reden konnte.

Als sie das Krankenzimmer betrat, wechselte ein junger Arzt gerade den Verband um Richards Stirn. Er lächelte ihr freundlich zu.

„Treten Sie ruhig näher, Señora Jeppson. Ich bin Dr. Fortuna. Wir haben schon auf Sie gewartet. Wenn Ihr Gatte sprechen könnte, würde er Ihnen bestimmt sagen, wie sehr er sich über Ihr Kommen freut. Ich habe gerade die Naht an seinem Kinn kontrolliert. Sie hat sich nicht entzündet und heilt hervorragend.“

Erleichtert ließ sich Terri auf einen Stuhl sinken und sah Dr. Fortuna zu, der offensichtlich noch nicht wusste, dass Richard und sie schon längst nicht mehr verheiratet waren.

Richard saß aufrecht, da das Kopfteil seines Bettes hochgestellt war, und trug keine Sauerstoffmaske mehr. Dr. Fortuna wickelte den Stirnverband ab, und einige Strähnen von Richards Haar kamen zum Vorschein – er trug es ein ganzes Stück länger als noch vor elf Monaten.

Nachdem er auch die Gazeabdeckung entfernt hatte, nickte Dr. Fortuna zufrieden. „Das sieht ja bestens aus! Die Narbe wird später so gut wie unsichtbar sein. Wenn die Wunde weiterhin so gut verheilt, werden Sie morgen schon keinen Kopfverband mehr tragen müssen.“

Terri freute sich für Richard, denn die festen Bandagen mussten ihn schrecklich einengen. Wie sie ihn kannte, hätte er sie sich schon längst abgestreift, wenn er zwei gesunde Hände gehabt hätte.

„Was machen die Verbrennungen, Doktor?“, erkundigte sie sich.

„Auch die heilen erstaunlich schnell. Morgen werden wir einen leichteren Verband anlegen, damit die Finger frei beweglich sind, das wird Ihrem Mann große Erleichterung bringen. Seine Atemkapazität liegt auch schon wieder bei fünfundneunzig Prozent, sodass er kein Sauerstoffgerät mehr braucht.“

„Und die Schulter?“

„Sie war lediglich ausgerenkt, nicht gebrochen, also keinerlei Grund zur Besorgnis. Der Arm muss zwei, drei Wochen durch eine Schlinge ruhiggestellt werden, das ist alles. Ihr Gatte hat den Unfall nur deshalb so gut überstanden, weil er so durchtrainiert ist. Wie oft geht er denn ins Fitnessstudio?“

„Früher hat er in der Schulmannschaft Fußball gespielt, doch danach hat er nie wieder Sport getrieben“, antwortete sie, denn ihres Wissens hatte Richard noch nie ein Fitnessstudio von innen gesehen.

„Dann hat er ein Geheimnis vor Ihnen gehabt, Señora. Solche Muskeln bekommt man nur durch intensives Training.“

Also musste Richard seinen Lebensstil in den vergangenen anderthalb Jahren doch geändert haben! Das hätte sie ihm nicht zugetraut.

„Und seine Kehle? Ist sie immer noch stark entzündet?“

„Nein, noch einige Tage, und er wird völlig beschwerdefrei sein.“

„Es tut mir leid, wenn ich so ungeduldig klinge.“

„Das ist das Vorrecht der Ehefrau.“

Terri ging nicht darauf ein. „Kann ich irgendetwas tun, das ihm seine Lage erleichtert?“, fragte sie stattdessen.

Dr. Fortuna hatte den Verbandswechsel beendet und stellte das Bett wieder flach. „Sie könnten ihm Füße und Waden mit dem Gel massieren, das dort drüben auf dem Tisch steht. Das entspannt die Muskeln und wirkt beruhigend. Wahrscheinlich wird er anschließend sogar schlafen können.“

„Ich fange sofort damit an.“

„Ausgezeichnet! Von seiner schönen Frau liebevoll umsorgt zu werden wird ihm gefallen.“

In diesem Punkt täuschte Dr. Fortuna sich, doch wenn sie Richard durch eine Massage Linderung verschaffen konnte, würde sie es selbstverständlich tun.

Der Arzt verabschiedete sich, drehte sich an der Tür jedoch noch einmal um. „Morgen werden wir Ihrem Mann dabei helfen, sich das erste Mal nach seinem Unfall wieder zu duschen. Das wird sein Wohlbefinden zusätzlich steigern.“

Terri nickte und bedankte sich.

„Du bist hier wirklich in den besten Händen, das muss ich schon sagen“, wandte sie sich an Richard, als sie mit ihm wieder allein war. „Wahrscheinlich kannst du es kaum erwarten, die dicken Bandagen endlich loszuwerden. Um dir die Wartezeit zu verkürzen, werde ich Dr. Fortunas Rat folgen und deine Füße und Waden massieren. Ich hoffe, es ist dir angenehm.“

Sie holte sich die Tube, schlug Richards Decke bis auf Kniehöhe zurück, verrieb etwas Gel in den Händen und machte sich ans Werk. Doch kaum hatte sie begonnen, hielt sie erschrocken inne.

Wer immer dieser Mann sein mag – Richard ist es nicht!

Richards Beine waren stämmiger und viel stärker behaart, seine Füße waren kleiner und breiter!

Terri zog die Hände zurück, als hätte sie sich verbrannt, eilte zum Schalter und knipste die grelle Neonbeleuchtung an der Decke an. Dann beugte sie sich über das Bett, sodass sie dem Fremden in die Augen schauen konnte.

Als er in stummer Verzweiflung ihren Blick erwiderte, erkannte sie, dass seine Augen grau waren und nicht blau wie Richards.

„Du Ärmster!“, bedauerte sie ihn leise. „Seit dem Unfall hält dich jeder für meinen geschiedenen Ehemann! Kein Wunder, dass du keine Ruhe finden kannst!“

Er gab einen stöhnenden Laut von sich, den sie als Zustimmung deutete.

Terri stiegen vor Mitleid die Tränen in die Augen. „Es ist unverzeihlich von mir, erst jetzt die Wahrheit entdeckt zu haben! Doch Dr. Dominguez hatte mir gestern Abend strikt verboten, die Deckenbeleuchtung einzuschalten, um dich nicht zu blenden. Hätte ich dir in die Augen sehen können, hätte ich die Verwechslung sofort erkannt.“ In ihrer Aufregung merkte sie gar nicht, dass sie beim vertrauten Du geblieben war. „Bei deiner Rettung sollst du mehrfach meinen Namen gerufen haben – du musst also ein Freund oder Kollege von Richard sein. Wart ihr beide in den Unfall verwickelt?“

Der Fremde brachte so etwas wie ein Nicken zustande, was ihm sichtlich Mühe bereitete. Doch er verstand Englisch, wenigstens das wusste sie jetzt.

„Bitte bleib ganz ruhig“, bat sie eindringlich. „Ich werde alles Nötige veranlassen – deine Familie muss ja schon in allergrößter Sorge um dich sein! Ich sage sofort den Ärzten Bescheid, dann benachrichtige ich die Polizei und frage bei Herrick Corporation nach, ob ein Mitarbeiter vermisst wird. Richard ist bestimmt in ein anderes Krankenhaus gebracht worden.“

Der Fremde schüttelte unmissverständlich den Kopf.

„Nein? Aber du weißt, wo er ist?“

Er nickte, schloss sofort darauf jedoch die Augen.

Dieser Mann musste unerträgliche Schmerzen haben!

„Es spielt im Moment keine Rolle“, beruhigte sie ihn. „Versuch, etwas zu schlafen, während ich weg bin. Ich verspreche dir, mich zu beeilen und möglichst schnell zurückzukommen.“

Sie schaltete das Licht wieder aus, zog die Bettdecke zurecht, nahm ihre Tasche und eilte aus dem Zimmer. Glücklicherweise traf sie Dr. Fortuna im Stationszimmer, nahm ihn beiseite und berichtete ihm von ihrer Entdeckung. Er war ebenso schockiert wie sie und versprach, die Schwestern und den Direktor der Klinik umgehend zu informieren.

Keine halbe Stunde später sprach Terri bereits bei der Polizei von Guayaquil vor. Capitán Ortiz hatte von dem Unfall auf See noch nichts gehört und stellte daher jede Menge Fragen. Doch Terri konnte ihm lediglich eine genaue Personenbeschreibung von Richard geben, mehr wusste sie nicht.

Capitán Ortiz versprach, den Fall sofort und mit höchster Dringlichkeit zu untersuchen. Als ersten Schritt wollte er den Fischer ausfindig machen, der den Fremden gerettet hatte, weil er sich von ihm eine Klärung der Umstände erhoffte.

Terri dagegen erbot sich, Richard ausfindig zu machen. Sie wusste, dass man ihn nicht ins Krankenhaus transportiert hatte, also war er anscheinend nicht ernstlich verletzt und kurierte die Folgen seines Unfalls zu Hause aus. Sie versprach Capitán Ortiz, ihn sofort anzurufen, wenn sie Richard gefunden hatte, und auch er sicherte ihr zu, im Krankenhaus oder im Hotel eine Nachricht für sie zu hinterlassen, sobald er etwas Licht in das Dunkel gebracht hatte.

Nachdem sich die beiden so über das weitere Vorgehen geeinigt hatten, nahm Terri ein Taxi zur Herrick Corporation. Glücklicherweise war dem Fahrer das Unternehmen sofort ein Begriff, und er wusste auch, wo sich das Büro befand.

Die Empfangsdame war erst sehr abweisend und wollte ihr Richards Adresse nicht verraten. Doch als Terri Creighton Herrick und Martha Shaw erwähnte, wurde sie plötzlich sehr hilfsbereit. Sie telefonierte kurz, schaltete dann den Computer ein und suchte Richards Adresse heraus, eine Telefonnummer war leider nicht angegeben. Terri bedankte sich und bat die Sekretärin, ihr ein Taxi zu rufen.

Als sie dem Fahrer den Zettel mit der Anschrift zeigte, erklärte er ihr, dass es sich um einen Vorort fünfundzwanzig Meilen südlich der Stadt handele und die Fahrt dorthin eine gute Stunde dauere. Terri nickte und stieg ein – so würde sie wenigstens mehr von Guayaquil kennenlernen als nur das Krankenhaus und ihr Hotel.

Je weiter sie sich vom Stadtzentrum entfernten, desto einfacher wurden die Häuser. Es gab Viertel, die regelrecht verwahrlost wirkten, und auch der dreistöckige Wohnblock, vor dem der Fahrer schließlich hielt, wirkte heruntergekommen. Es gab keine Grünanlage, und die Kinder spielten auf der Treppe.

Terri bat den Chauffeur, auf sie zu warten, um sie zurück in die Stadt zu fahren, sollte sie niemanden antreffen. Er nickte und holte sich seine Zeitung aus dem Handschuhfach.

Die Kinder betrachteten sie neugierig, als sie an ihnen vorbei ins Haus ging. Die Wohnung mit der Nummer zehn fand sie im zweiten Stock. Da es keine Klingel gab, klopfte sie an der Tür. Als niemand reagierte, versuchte sie es noch einmal etwas nachdrücklicher.

„Richard?“, rief sie. „Ich bin es, Terri. Wenn du da bist, antworte bitte. Ich habe von deinem Unfall gehört und bin extra deinetwegen nach Ecuador gekommen.“

Nichts rührte sich.

Vielleicht lag er ja im Bett und hatte die Tür für Besucher offen gelassen, weil er nicht aufstehen konnte. Terri drückte die Klinke nieder.

Eine Frau schrie entsetzt auf, und Terri wusste nicht, wer mehr Angst hatte, die Fremde oder sie. Durch den Spalt, den die Sicherheitskette freigab, sah sie eine junge Frau. Sie, Terri, war siebenundzwanzig, das Mädchen mit den großen braunen Augen und dem langen schwarzen Haar musste wesentlich jünger sein. Was Richard an ihr faszinierte, konnte Terri gut verstehen.

Die Fremde, die Richards alten gelben Bademantel trug, war ungewöhnlich schön – und hochschwanger.

2. KAPITEL

„Buenas tardes.“ Terri fand als Erste die Sprache wieder. „Habla ingles?“

Die Fremde schüttelte den Kopf und blickte abweisend.

Terri hatte zwar in der Schule zwei Jahre Spanisch gehabt, doch das war lange her. Mühsam und umständlich fragte sie nach Richard und stellte sich als seine geschiedene Frau vor. Die Fremde reagierte mit einem unfreundlichen und äußerst lautstarken Wortschwall, von dem Terri nichts verstand, und schlug ihr die Tür vor der Nase zu.

Wäre Richard in der Wohnung gewesen, hätte er bestimmt nachgesehen, was sich auf dem Flur abspielte, davon war Terri überzeugt. Aus dem Wutausbruch seiner Freundin schloss sie, dass es Richard gut gehen musste.

Wahrscheinlich hatte die junge Frau aus Eifersucht derart unhöflich reagiert, denn Richard hatte ihr seine geschiedene Frau in South Dakota zweifellos verschwiegen. An die Möglichkeit, Terri könne in Guayaquil plötzlich vor seiner Tür stehen, hatte er bestimmt im Traum nicht gedacht.

Um nichts klüger als zuvor, kehrte sie zum Taxi zurück. Sie bat den Fahrer, auf dem Weg ins Krankenhaus vor einem Kaufhaus der gehobenen Preisklasse zu halten, da sie noch einige Besorgungen zu erledigen habe.

Richard schien nicht in Gefahr zu sein, und unwillkürlich kehrten ihre Gedanken zu dem Fremden im Hospital San Lorenzo zurück. Sie konnte den Schmerz und die Verzweiflung in seinen faszinierenden grauen Augen einfach nicht vergessen.

Welch schreckliches Schicksal, in einer fremden Umgebung aufzuwachen, nicht sprechen zu können und von der Umwelt für eine andere Person gehalten zu werden! Bestimmt war er verheiratet. Seine Frau ängstigte sich gewiss um ihn und hatte keine Ahnung, wo sie ihn suchen sollte. Bis seine Angehörigen gefunden waren, würde sie, Terri, an seiner Seite bleiben, das war das Mindeste, das sie für ihn tun konnte.

Als sie auf die Station kam, wurde gerade das Mittagessen ausgeteilt. Eine Schwester bot an, ihr ein Tablett ins Krankenzimmer zu bringen, und Terri stimmte dankbar zu. Möglichst geräuschlos öffnete sie die Tür, stellte die Plastiktüten mit ihren Einkäufen ab und zog sich einen Stuhl ans Bett.

Kaum hatte sie den Fremden begrüßt, als die Schwester auch schon das Essen brachte.

„Es hat leider alles länger als erwartet gedauert“, entschuldigte Terri sich, nachdem sie wieder allein waren. „Erst war ich bei der Polizei, dann habe ich mich ins Büro der Herrick Corporation bringen lassen. Ich bin schrecklich hungrig, weil ich nur gefrühstückt habe – hoffentlich macht es dir nichts aus, wenn ich hier in deinem Zimmer esse. Sollte dir der Geruch unangenehm sein, hebe den Arm, dann gehe ich mit meinem Tablett nach draußen.“

Da er nicht reagierte, blieb sie.

„Erst wollte mir die Sekretärin Richards Adresse nicht geben, aber letztlich konnte ich sie doch überreden. Dann bin ich sofort mit dem Taxi zur Wohnung gefahren, habe jedoch nicht Richard, sondern nur seine Freundin angetroffen. Sie ist hochschwanger, die beiden scheinen also schon eine ganze Zeit zusammen zu sein.“

Der Fremde gab röchelnde Laute von sich, die Terri nicht deuten konnte.

„Sie schien alles andere als erfreut, ausgerechnet mir gegenüberzustehen. Was sie genau sagte, habe ich leider nicht verstanden, dazu hat sie viel zu schnell gesprochen. Ich werde es noch einmal im Büro versuchen – irgendein Kollege muss doch wissen, wo Richard zu finden ist.“

Das Hühnchen auf Gemüse schmeckte wirklich lecker, und der Fruchtsaft war einfach köstlich.

„Bei der Polizei ist ein Capitán Ortiz für den Fall verantwortlich“, fuhr sie fort, nachdem sie den letzten Schluck getrunken hatte. „Er hatte von dem Unfall auf See bisher überhaupt noch nichts gehört. Jetzt wird er sich darum kümmern und bestimmt bald herausfinden, wer du bist. Wenn er sich in den nächsten Stunden hier nicht meldet, werde ich ihn auf alle Fälle anrufen, bevor ich gehe.

Sollte er wider Erwarten nichts in Erfahrung gebracht haben, weiß ich eine andere Möglichkeit. Morgen werden dir die Ärzte ja die Bandagen abnehmen, vielleicht kannst du dann deinen Namen und deine Telefonnummer auf einen Zettel schreiben – aber nur, wenn es dir keine allzu großen Schmerzen verursacht. Vielleicht könntest du ja auch den Ort aufschreiben, an dem Richard sich aufhält. Keine Angst, wir werden das Rätsel schon lösen.“

Terri schob sich den letzten Bissen Hühnchen in den Mund und stellte das Tablett beiseite. Sie fühlte sich gestärkt und brannte darauf, dem leidgeprüften Patienten etwas Erleichterung zu verschaffen.

„Jetzt bekommst du endlich die Massage, auf die du so lange warten musstest“, erklärte sie. Großzügig verteilte sie Gel auf seiner linken Wade und massierte sie sanft.

„In der Schule haben wir einmal zu Halloween eine Kurzgeschichte gelesen, die mich tief beeindruckt hat, sie hieß ‚Der unsichtbare Mann‘. Falls du noch nie etwas von Halloween gehört hast: Es ist in den USA ein Feiertag, an dem die Kinder verkleidet durch die Straßen ziehen und um Süßigkeiten bitten.

Die Geschichte handelt von einem Wissenschaftler, der sich aus Versehen unsichtbar gemacht hat. Damit man ihn trotzdem sehen kann, wickelt er sich in Bandagen. Manchmal verfolgen ihn jedoch Hunde oder Katzen und reißen ihm die Binden herunter. Die Passanten schreien dann entsetzt auf, wenn darunter kein Körper zum Vorschein kommt.

Ich liebe Science-Fiction, und diese Geschichte hat mich ganz besonders fasziniert. Als ich gestern in dein Zimmer kam, fiel sie mir sofort wieder ein. Daher war ich unsagbar erleichtert, als ich heute Morgen deine Augen gesehen habe, jetzt bin ich wenigstens sicher, dass sich unter diesem Verband wirklich ein Mensch verbirgt.“ Terri lachte. „Du bist eine Kreuzung aus dem unsichtbaren Wissenschaftler und einer Mumie. Kennst du den alten Spielfilm, in dem sich ein Höfling in die Gemahlin des Pharaos verliebt und zur Strafe in eine lebendige Mumie verwandelt wird? Ich bekomme stets Gänsehaut, wenn ich nur daran denke!“

Durch die Lagen von Mull hörte sie ein ersticktes Geräusch.

„Bist du kitzlig?“, fragte sie besorgt. „Dann lasse ich deine Fußsohlen lieber in Frieden, sonst treibe ich dich noch in den Wahnsinn.“

Sie ging um das Bett, um die rechte Wade zu massieren. Eigenartigerweise fand sie es überhaupt nicht peinlich, den Fremden so zu berühren. Ganz im Gegenteil, sie empfand die Atmosphäre in dem abgedunkelten Raum als ausgesprochen angenehm.

Mit Richard hätte sie nicht so unbefangen umgehen können, die Situation wäre sehr viel angespannter und durch die Vergangenheit stark belastet gewesen.

„Ich weiß noch nicht einmal, was für ein Landsmann du bist“, überlegte Terri laut. „Du verstehst zwar Englisch, aber das heißt nicht viel. Für mich bist du ein geheimnisvoller Unbekannter, was ich äußerst spannend finde. Bist du schon einmal in South Dakota gewesen? So heißt der Staat der USA, aus dem ich komme. Ich lebe in einer kleinen Stadt namens Lead am Fuß des berühmten Mount Rushmore, von dem du vielleicht schon gehört hast.

Ich habe Englisch studiert und nach dem Examen einen Job bei der örtlichen Handelskammer angenommen. Ursprünglich wollte ich nur die Zeit überbrücken, bis ich eine Anstellung als Lehrerin gefunden hatte. Doch meine Arbeit gestaltete sich so interessant, dass ich mich gar nicht mehr um etwas anderes bemüht habe.

Ich bin in der Zentrale Mädchen für alles und muss unvorhergesehene Probleme lösen, und die gibt es bei uns reichlich. Mein Job ist anspruchsvoll und abwechslungsreich, und genau das ist es, was mir Spaß macht.

Meine Eltern und meine Schwester Beth wohnen auch in Lead. Beth hat vor drei Monaten ihren langjährigen Freund Tom geheiratet, und die beiden erwarten jetzt ein Baby. Dass meine Ehe mit Richard gescheitert ist, weißt du ja bereits. Mehr gibt es über mich nicht zu berichten – ich hoffe, ich habe dich nicht zu Tode gelangweilt.“

Sie ließ die Hand ein letztes Mal über seinen Spann gleiten und steckte dann die Decke wieder fest. „Da du keinen Fernseher hast, werde ich dir die Titelseite der Zeitung vorlesen. Falls Spanisch deine Muttersprache ist, entschuldige ich mich jetzt schon für meine schlechte Aussprache.“

Terri wusch sich die Hände und rieb sie mit der Creme ein, die sie stets in der Handtasche hatte. Dann zog sie sich den Stuhl unter die Wandlampe, um besseres Licht zum Lesen zu haben.

Sie las den ersten Absatz des Leitartikels und ließ die Zeitung dann sinken. „Wenn ich wüsste, was ‚vinculante‘ bedeutet, würde das Ganze für mich vielleicht Sinn ergeben. Davon abgesehen interessiert dieses trockene Zeug nur jemanden, der sich für Lokalpolitik begeistert, und zu dieser Gruppe gehöre ich ganz bestimmt nicht. Solltest du es tun, verzeih mir bitte, wenn ich nicht weiterlese.“

Als der Fremde von Kopf bis Fuß zitterte, sprang sie erschrocken auf und eilte zu ihm ans Bett.

„Fehlt dir etwas? Soll ich den Arzt rufen?“

Er schüttelte den Kopf.

„Ist dir kalt?“

Wieder verneinte er.

Terri runzelte die Stirn und überlegte angestrengt. „Lachst du etwa?“, fragte sie schließlich.

Jetzt nickte er.

„Ist mein Spanisch so schlecht?“

Nachdrücklich schüttelte er den Kopf.

„Lügner!“, entgegnete sie leise und lächelte. Sie musste insgeheim zugeben, dass sie sich schon lange nicht mehr so gut amüsiert hatte. „Ich freue mich ja, wenn du wieder lachen kannst“, redete sie weiter. „Du solltest es jedoch nicht übertreiben, nachher platzt deine Wunde am Kinn wieder auf. Wenn deine Frau dich endlich gefunden hat, wird sie denselben attraktiven Mann erwarten, der sich von ihr verabschiedet hat.“

Erneut schüttelte er den Kopf.

„Sei nicht so bescheiden! Immerhin habe ich schon deine Augen gesehen, und deine Beine sind einfach klasse!“

Zum zweiten Mal bebte er am ganzen Leib.

„Und was für schönes, dichtes schwarzes Haar du hast! Ich vermute, unter all diesen Bandagen ist ein ausnehmend gut aussehender Mann verborgen, ‚muy guapo‘, wie eine Spanierin sagen würde – das hast du ja bestimmt schon oft genug gehört.“

Sie ging zu den Einkaufstaschen, holte die in Geschenkpapier eingewickelten Päckchen hervor und legte sie auf den Stuhl.

„Das habe ich dir mitgebracht, damit du deine Familie nicht in einem Krankenhaushemd empfangen musst. Hoffentlich habe ich die Größe richtig geschätzt.“ Sie entfernte das Papier. „Dies ist ein marineblauer Pyjama mit einem farblich darauf abgestimmten Morgenmantel. Es tut mir leid, falls ich deinen Geschmack nicht getroffen haben sollte, aber meiner Meinung nach werden die Sachen einem dunklen Typ wie dir hervorragend stehen. Die Sandalen aus Leder werden dir garantiert passen.“

Sie hielt alles hoch, damit er es besser betrachten konnte. „Morgen früh, nach dem Duschen, kannst du die Sachen anziehen und wirst dich bestimmt gleich besser fühlen.“ Terri legte den Schlafanzug mit dem Morgenmantel über den Stuhl und stellte die Slipper daneben.

„Schade, dass Capitán Ortiz noch nicht angerufen hat“, meinte sie und stellte sich ans Fußende seines Bettes. „Wahrscheinlich hatten seine Nachforschungen bislang keinen Erfolg. Aber bitte verliere nicht den Mut. Wer weiß, vielleicht passe ich morgen früh gar nicht mehr ins Zimmer, weil du schon so viele Besucher hast“, scherzte sie. „Deshalb ist es besser, wenn ich jetzt gehe und du schlafen kannst.“

Wieder gab er einen Laut von sich und schüttelte seinen bandagierten Kopf.

„Was ist los? Soll ich bleiben?“

Sein nachdrückliches Nicken tat ihr wohl. Ihre Anwesenheit schien ihm Trost zu spenden, und darüber freute sie sich.

„Also gut, dann bleibe ich noch bis zur Visite und erzähle dir etwas.“

Sie legte seine Sachen in den Schrank und holte den Stuhl wieder ans Bett.

„Mir ist gerade etwas eingefallen!“ Terri war plötzlich ganz aufgeregt. „Als kleine Mädchen haben meine Schwester und ich uns gegenseitig die Namen von Filmstars mit dem Finger auf den Rücken geschrieben. Die andere musste dann den Namen erraten. Ich werde jetzt die Namen von Kontinenten auf dein Schienbein schreiben, und du nickst, wenn ich den Erdteil erwischt habe, von dem du stammst.“

Begeistert von ihrer eigenen Idee, schlug sie die Decke zurück und schrieb Europa auf sein Bein – keine Reaktion.

Als Nächstes versuchte sie es mit Südamerika – wieder nichts. Erst als sie USA schrieb, nickte der Fremde stürmisch.

Terri sprang auf. „Warum bin ich nicht schon viel früher darauf gekommen?“ Ihre Stimme bebte. „Arbeitest du vielleicht auch für die Herrick Corporation?“

Sein Nicken bestätigte ihre Vermutung.

„Lass uns weitermachen und nach deinem Vornamen suchen! Ich sage das Alphabet auf, und wenn ich bei dem entsprechenden Buchstaben angekommen bin, hebst du kurz die Hand.“ Sie atmete tief durch, um sich zu beruhigen. „A, B …“

Er reagierte.

„Jetzt der zweite Buchstabe. A, B, C, D, E …“

Er machte das Handzeichen.

Beim dritten Buchstaben kam sie bis N. „Ben! Du heißt Ben! Ist das die Kurzform für Benjamin?“

Er nickte.

Nach derselben Methode fand Terri seinen Nachnamen heraus. Irritiert blickte sie den dick bandagierten Mann an. „Du heißt Herrick? Ist es ein Zufall, dass du den gleichen Namen trägst wie die Firma, für die du arbeitest?“

Er schüttelte den Kopf.

„Bist du etwa der Inhaber?“

Endlich hatte sie es erraten!

Ben nickte erleichtert und sah ihr in die großen, erstaunten Augen. Die wunderbare blaue Farbe hatte ihn sofort an die wilden Hyazinthen erinnert, die im Frühjahr auf seiner Ranch in Texas blühten. Ihm gefielen Terris dunkelblondes Haar, ihre fröhliche Windstoßfrisur und ihr herzförmiger Mund. Er hatte eine ausgesprochene Schwäche für diese Frau entwickelt und fand sie einfach faszinierend.

„Aber warum sucht dann niemand nach dir? Capitán Ortiz hat nichts erwähnt – er hätte es doch wissen müssen, wenn der Boss von Herrick Corporation in Guayaquil vermisst wird! Ich verstehe das alles nicht! Im Moment ist das aber auch nicht so wichtig, Hauptsache, du lebst und bist nicht ernsthaft verletzt.“

Zur Bewegungslosigkeit verurteilt, musste Ben mit ansehen, wie sie sich auf die Lippe biss. Wie gern hätte er diesen süßen Mund geküsst!

„Ich rufe jetzt Martha Shaw an, damit sie deine Familie benachrichtigen kann.“

Nein, nur das nicht! Nicht Martha!

Er stöhnte und hob den Arm, doch Terri bemerkte es nicht, da sie sich nach ihrer Handtasche bückte, um den Zettel mit der Nummer der Herrick Corporation in Houston zu suchen. Nachdem sie ihn gefunden hatte, griff sie zum Hörer des Telefons, das auf Bens Nachttisch stand, und hatte Martha Shaw sofort am Apparat.

„Mrs. Jeppson! Welche Überraschung. Wie geht es Ihrem Mann?“

„Gut, nehme ich an – ich habe ihn nämlich noch gar nicht gesehen. Ich rufe aus einem ganz anderen Grund an.“ Terri atmete tief durch.

„Was ist passiert? Sie klingen so aufgeregt.“

„Der Mann, den die Ärzte für Richard gehalten haben, ist jemand ganz anderes. Da er eine verätzte Kehle hat, ist er nicht in der Lage zu sprechen und konnte das Missverständnis nicht aufklären. Doch dann bin ich auf die Idee gekommen, mich mit ihm durch Zeichensprache zu verständigen, und habe seinen Namen herausgefunden: Benjamin Herrick.“

Am anderen Ende der Leitung herrschte sekundenlang Schweigen. „Ben ist der Patient?“ Martha klang jetzt ebenso atemlos wie Terri.

„Ja. Ich werde sofort die Polizei informieren. Ich wollte zuerst mit Ihnen reden, damit Sie seine Familie und die Mitarbeiter benachrichtigen können. Natürlich hat Mr. Herrick von niemandem Besuch bekommen, und er ist jetzt schon den vierten Tag im Krankenhaus. Obwohl er hier medizinisch wirklich hervorragend versorgt wird, muss es schrecklich für ihn sein, für einen anderen Menschen gehalten zu werden und den Irrtum nicht aufklären zu können.“

Ben entging nicht, wie Terris Stimme bei diesen Worten schwankte. Ihre Anteilnahme rührte ihn tief, sein Schicksal schien ihr mehr am Herzen zu liegen als das ihres geschiedenen Mannes.

„Wie ist sein Zustand?“, fragte Martha leise. „Sagen Sie mir bitte die Wahrheit und ersparen mir nichts.“

Terri hielt den Hörer fester als notwendig. Martha klang, als sei sie persönlich berührt, beinahe, als ob …

„Er ist nur leicht verletzt, das haben mir die Ärzte einhellig versichert.“ Ohne zu zögern, berichtete sie alles, was sie von Dr. Fortuna und Dr. Dominguez erfahren hatte.

Martha atmete auf. „Ben hat großes Glück gehabt! Der Unfall hätte ihn das Leben kosten können. Ich werde seine Familie sofort benachrichtigen.“

„Er liegt im Hospital San Lorenzo, Zimmer W621. Er hat zwar ein Telefon am Bett, wird aber die nächsten Tage noch nicht sprechen können. Der Stationsarzt heißt Dr. Dominguez, er oder Dr. Fortuna werden den Angehörigen für Fragen bestimmt zur Verfügung stehen.“

„Ich werde alles weitergeben.“ Marthas Stimme wurde plötzlich sehr leise. „Mrs. Jeppson? Würden Sie mir bitte einen Gefallen tun und Ben den Hörer ans Ohr halten, damit ich ihm etwas sagen kann?“

Martha liebte Ben, das konnte Terri hören.

„Mr. Herrick?“ Terri wandte sich an Ben.

Gequält schloss er die Augen. Mr. Herrick hatte sie ihn genannt! Jetzt, da Terri seine wahre Identität kannte, würde sie offensichtlich nicht mehr so herrlich ungezwungen mit ihm umgehen wie vorher – schade.

„Miss Shaw möchte Ihnen etwas sagen.“

Wut stieg in ihm auf, doch da ihm in seiner derzeitigen Lage nichts anderes übrig blieb, nickte er. Martha war rücksichtslos. Wenn es darum ging, ihren Willen durchzusetzen, war ihr jedes Mittel recht.

Vorsichtig hielt ihm Terri den Hörer mit dem Lautsprecher direkt ans Ohr und wandte dann den Blick ab, um ihm wenigstens etwas Privatsphäre zu gewähren. Er schätzte ihr Taktgefühl.

„Ben? Ich bin es, Martha – hoffentlich kannst du mich auch hören. Du weißt gar nicht, wie glücklich ich bin, endlich zu dir sprechen zu dürfen!“ Sie schluchzte. „Schon seit über einer Woche versuche ich, dich zu erreichen. Da du auf die Nachrichten, die ich dir auf dem Anrufbeantworter hinterlassen habe, nicht reagiert hast, dachte ich schon, du hättest dich über meinen Brief geärgert.“

Geärgert? Abgestoßen hatte er sich gefühlt!

„Ich werde sofort Creighton anrufen, damit er deine Eltern informiert. Sie werden dich bestimmt sofort nach Houston fliegen lassen, damit du dich zu Hause erholen kannst. Ich würde alles dafür geben, wenn ich dich gesund pflegen dürfte, aber dazu habe ich kein Recht – noch nicht.“

Das wirst du auch nie bekommen!

„Oh Ben, ich kann es kaum erwarten, dich wiederzusehen. Die Zeit ist mir unendlich lang vorgekommen. Ich weiß, dass ich einen schrecklichen Fehler begangen habe, aber ich bin grausam dafür bestraft worden.“

Ben registrierte noch nicht einmal, dass Martha weinte, so nahm ihn der liebliche Pfirsichduft gefangen, den Terris Hände verströmten.

Er mochte diese Hände, unter deren sanfter Berührung er seine Schmerzen vergessen hatte. Terris Massage hätte ewig dauern können.

„Bitte, Ben, sag mir beim Wiedersehen, dass ich meinen Fehler wiedergutmachen kann, dass es eine gemeinsame Zukunft für uns gibt! Du weißt genau, wie sehr ich dich schon immer geliebt habe. Es gibt so vieles, das ich dir sagen möchte.“

Wenn er Martha doch endlich loswerden könnte! Frustriert hob er die Hand, um Terri ein Zeichen zu geben. Sie war es, der er unbedingt etwas mitteilen wollte!

Terri reagierte sofort und nahm den Hörer ans Ohr.

„Miss Shaw?“

„Ich war doch noch gar nicht fertig!“, empörte sich Martha.

„Es tut mir leid, aber Mr. Herrick hat mir zu verstehen gegeben, er sei erschöpft. Vielleicht rufen Sie morgen früh noch einmal an, dann ist er ausgeruht und kräftiger.“

Ben nickte zustimmend.

„Ob er mich wohl verstanden hat?“, fragte Martha weinerlich.

„Ganz bestimmt“, versicherte Terri. Ben und Martha hatten etwas miteinander, dessen war sie sich inzwischen ganz sicher, doch es ging sie nichts an.

Martha Shaw bedankte sich noch einmal für den Anruf und wünschte Terri alles Gute für die weitere Suche nach ihrem verschwundenen Ehemann. Ohne den Irrtum richtigzustellen, verabschiedete Terri sich und legte auf.

Sie ging zum Tisch, holte sich ihre Handtasche und wollte das Zimmer verlassen, als Ben Herrick sich unruhig bewegte. Sofort kehrte sie an sein Bett zurück.

„Ich muss zurück ins Hotel und Capitán Ortiz anrufen“, erklärte sie.

Zu ihrer Überraschung schüttelte er den Kopf. Obwohl er dick bandagiert war und sich sprachlich nicht äußern konnte, fühlte sie die Autorität, die er ausstrahlte.

„Sie haben heute genug Aufregung gehabt und müssen jetzt unbedingt schlafen.“ Sie holte Pyjama, Morgenmantel und Sandalen wieder aus dem Schrank und legte die Sachen auf den Stuhl, damit sie dem Pfleger auffielen. „Ich gehe noch bei der Stationsschwester vorbei und sage ihr, wer Sie in Wirklichkeit sind, und gebe ihr die Telefonnummer von Miss Shaw. Schlafen Sie gut, Mr. Herrick.“

Schrecklich, wie förmlich sie sich plötzlich benimmt!

Er protestierte, so gut er konnte, doch sie ließ ihn einfach allein!

So gern sie auch geblieben wäre, Terri traute es sich nicht, denn dazu mochte sie Ben viel zu gern. Sie fühlte eine tiefe Vertrautheit, die sie sich verstandesmäßig nicht erklären konnte. Beim ersten Blick in seine Augen hatte sie in Ben eine verwandte Seele erkannt.

Eine innere Stimme warnte sie davor, ihm länger Gesellschaft zu leisten, weil es ihr dann noch schwerer fallen würde, sich von ihm zu trennen – und trennen musste sie sich von ihm, das war ihr klar.

Eine kluge Frau würde die Beziehung sofort abbrechen und die Gedanken ignorieren, die sich ihr ständig aufdrängten. War Ben verheiratet? Wenn ja, wusste seine Frau, dass seine Sekretärin in ihn verliebt war? Hielt er von Treue ebenso wenig, wie Richard es getan hatte?

Die Vorstellung, Ben könnte sich als zweiter Richard entpuppen, war ihr unerträglich. Deshalb war es besser für sie, Ben nie wiederzusehen und das Hospital San Lorenzo nie mehr zu betreten.

Für den hilflosen Patienten hatte sie alles, was in ihrer Macht stand, getan, doch ein Mr. Herrick hatte ihre Zuwendungen nicht nötig. Schon morgen früh würden ihn Angehörige und Freunde mit Aufmerksamkeiten überschütten.

Das Rätsel um den Fremden war gelöst, die Spannung abgeklungen.

Ihr blieb nichts weiter zu tun, als Richard an seiner Arbeitsstelle aufzusuchen, sich über sein gutes Befinden zu vergewissern und nach Hause zu fliegen. Ray würde bei all den unerledigten Vorgängen, die sie ihm aufgebürdet hatte, aufatmen, wenn sie endlich wieder ins Büro kam.

Nachdem sie der Stationsschwester die neue Situation geschildert hatte, nahm sie ein Taxi zum Hotel. In ihrem Zimmer angekommen, rief sie als Erstes Capitán Ortiz an, der jedoch lediglich den Anrufbeantworter eingeschaltet hatte. Terri sprach aufs Band, dass der Mann, den sie für Richard gehalten hatten, in Wirklichkeit Benjamin Herrick sei, und bat dringend um einen Rückruf, egal zu welcher Zeit.

Dann machte sie sich zur Nacht zurecht, legte sich hin und rief ihre Schwester an. Sie erzählte Beth zwar von der überraschenden Entdeckung, schwieg jedoch über ihre Gefühle. Sie kündigte ihre Rückkehr für den nächsten Tag an und legte dann auf, um noch etwas zu lesen.

Doch der Roman vermochte sie nicht zu fesseln, immer wieder musste sie an den Mann denken, der jetzt allein in seinem Krankenhausbett lag. Schließlich schaltete sie den Fernseher ein und sah sich einen alten Film an. Das half, sie schlief ein und wachte erst wieder auf, als morgens um halb neun das Telefon klingelte.

„Señora Jeppson? Hier spricht Capitán Ortiz.“

Terri setzte sich auf. „Was gibt es Neues, Capitán?“

„Vielen Dank für Ihre Hilfe, Señora. Mr. Herrick ist eine wichtige Persönlichkeit, und wenn die Presse von seinem Verschwinden erfahren hätte, wäre ein Medienrummel nicht zu vermeiden gewesen.“

Das hatte sich Terri auch schon gedacht.

„Sie haben mehr herausgefunden als meine Kollegen und ich und der Polizei damit einen Skandal erspart, vielen Dank dafür. Doch jetzt zu Ihrem Problem. Haben Sie mit Ihrem geschiedenen Mann gesprochen?“

„Nein, ich habe ihn in seiner Wohnung nicht angetroffen. Aber da Mr. Herrick mir ja zu verstehen gegeben hat, dass Richard nicht ins Krankenhaus musste, beunruhigt mich das nicht weiter. Gleich nach dem Frühstück will ich Richard an seinem Arbeitsplatz aufsuchen, sollte ich ihn auch dort nicht finden, habe ich eine große Bitte. Könnten Sie einen Ihrer Mitarbeiter freistellen, damit er mich noch einmal zu Richards Wohnung begleitet? Ich habe das Gefühl, seine Freundin weiß genau, wo Richard ist, ich kann mich jedoch ohne Dolmetscher nicht mit ihr verständigen.“

„In dem Fall würde ich Sie persönlich begleiten, Señora.“

„Vielen Dank, Capitán Ortiz. Sobald ich etwas Neues erfahren habe, melde ich mich wieder.“

Terri frühstückte ausgiebig und fuhr dann mit dem Taxi zum Büro der Herrick Corporation, wo sie von derselben Sekretärin empfangen wurde wie bei ihrem ersten Besuch.

Die Frau hörte sich Terris Anliegen an und dachte nach. „Die Baustelle liegt sehr weit außerhalb und ist nur schwer zu erreichen“, antwortete sie schließlich. „Daher werde ich erst einmal anrufen, ob Ihr Mann überhaupt zur Arbeit erschienen ist. Sollte das der Fall sein, werde ich Ihnen den Weg genau beschreiben. Einen Moment, bitte.“

Terri nickte.

Während sie wartete, kehrten ihre Gedanken unwillkürlich zu Ben Herrick zurück. Ob er wohl schon Besuch hatte? Wenigstens würden ihn seine Verwandten und Freunde so antreffen, wie sie ihn kannten, und nicht als eine lebende Mumie.

Wie er wohl aussah, nachdem man ihm den Verband abgenommen hatte? Vielleicht war es auch besser, dass sie es nie erfahren und Ben Herrick stets ein Phantom für sie bleiben würde – wenn auch eines mit den schönsten Augen, die sie je gesehen hatte.

Konnte man allein über Blickkontakt eine so tiefe und innige Beziehung zu einem Menschen aufbauen? Ihre Schwester Beth hätte über eine solche Frage nur gelacht, doch sie, Terri, war sich absolut nicht sicher.

„Señora Jeppson?“ Die ernste Miene der Sekretärin verhieß nichts Gutes. „Ich habe mit dem Vorarbeiter gesprochen. Ihr Mann ist heute schon den vierten Tag hintereinander nicht auf der Baustelle erschienen. Es hat Ärger mit seinen Kollegen gegeben, und vielleicht hat er das Handtuch geschmissen.“

Das klang ganz nach Richard, und Terri war nicht weiter erstaunt. Sie bedankte sich bei der Sekretärin für ihre Mühe und bat sie höflich, sie mit der Polizeidienststelle zu verbinden.

Terri sprach kurz mit Capitán Ortiz, der ihr versprach, sie umgehend abzuholen und mit ihr zu Richards Wohnung zu fahren.

Schon eine gute Stunde später hielt der Polizeiwagen vor Richards Tür. Capitán Ortiz drehte sich zu Terri um. „Bleiben Sie hier sitzen, ich gehe allein. Sollte es erforderlich sein, werde ich Sie holen.“

Eine Viertelstunde musste Terri warten, dann kehrte er zurück und setzte sich wieder hinters Steuer.

„Von Ihrem geschiedenen Mann fehlt leider jede Spur. Die Frau heißt Juanita Rosario und gibt an, seit zehn Monaten bei ihm zu leben. Ihrer Aussage nach hat sie Richard getroffen, kurz nachdem er den Job bei Herrick angenommen hatte. Vor vier Tagen ist er zur gewohnten Zeit zur Arbeit gegangen, doch seitdem hat sie nichts mehr von ihm gehört. Zuerst hat sich Juanita keine Gedanken gemacht, weil er öfters mit seinen Freunden feiert und abends nicht nach Hause kommt, doch mehrere Tage hintereinander ist er noch nie fortgeblieben.

Als Sie gestern an ihrer Tür klopften, hielt Juanita sie für die Ehefrau. Richard hatte ihr erzählt, dass er sich um eine Scheidung bemühen würde, Sie jedoch alles daransetzen würden, um eine Trennung zu verhindern.“

Terri seufzte. Das klang ganz nach Richard. Er schreckte vor keiner Lüge zurück, wenn er sich dadurch einer Verpflichtung entziehen konnte.

„Als ich Juanita erklärte, dass Richard und Sie bereits seit einem Jahr geschieden sind, brach sie zusammen. Sie befürchtet nun, dass Richard eine andere kennengelernt hat, geht jedoch davon aus, dass er nächsten Monat, wenn das Baby geboren wird, wieder zu ihr zurückkommt. Ihrer Meinung nach freut er sich ebenso sehr auf das Kind wie sie.“

„Wenn sie sich da nur nicht täuscht!“ Terri wiegte den Kopf. „Richard hat die unangenehme Eigenschaft, genau dann zu verschwinden, wenn er am dringendsten gebraucht wird. Wovon lebt sie eigentlich?“

„Er hat für sie gesorgt.“

„Oh nein! Hat Juanita eine Familie, bei der sie Obdach finden kann, wenn Richard sie im Stich lässt?“

„Nein. Sie hat in einem Frauenhaus gelebt, weil ihr vorheriger Freund sie misshandelt hat.“

„Capitán Ortiz, wir müssen Richard unbedingt aufspüren! Was soll sonst aus Juanita werden?“

Er sah sie nachdenklich von der Seite an. „Im Moment scheint es nur einen Menschen zu geben, der etwas über Richards Verbleib weiß, nämlich Mr. Herrick.“

„Das stimmt.“ Terri schloss kurz die Augen. „Am besten, Sie setzen mich vor dem Krankenhaus ab. Vielleicht kann ich ja herausfinden, was er weiß.“

„Gut, und ich werde einen meiner Männer auf die Baustelle schicken, um sich unter Richards Kollegen umzuhören. Möglicherweise bringt uns das auf eine neue Spur.“

„Vorher möchte ich aber noch kurz mit Juanita sprechen.“ Terri suchte in ihrer Handtasche nach dem Portemonnaie. „Ich bin gleich wieder da.“

Sie eilte an den Kindern vorbei, die, wie am Tag zuvor, auf der Treppe spielten. Viel Bargeld hatte sie zwar nicht dabei, aber Juanita würde einige Tage davon leben können.

Diesmal öffnete Juanita schon beim ersten Klopfen. Sie hatte die Sicherheitskette nicht vorgelegt und machte die Tür weit auf.

In holprigem Spanisch erklärte Terri, sie würde etwas Geld bringen, weil Richard sich tagelang nicht hatte blicken lassen.

Doch Juanita schüttelte nur den Kopf und nahm die Scheine nicht an, auch nicht, als Terri betonte, sie seien für das Baby gedacht.

Juanita, die anfangs sehr unsicher gewirkt hatte, schaute Terri jetzt abweisend an.

Ich habe genau das Falsche getan und sie tief verletzt, dachte Terri. Doch wer sollte Juanita helfen, wenn Richard nicht da war? Da sie mit ihren Spanischkenntnissen am Ende war, sagte sie den Rest einfach auf Englisch.

„Ich lasse das Geld einfach hier. Vielleicht ändern Sie ja Ihre Meinung.“ Sie legte Banknoten auf die Matte, drehte sich um und ging, ohne noch einmal zurückzublicken.

Stumm stieg sie zu Capitán Ortiz ins Auto, und er fuhr los. Er respektierte ihr Schweigen und sprach sie erst nach etlichen Meilen an.

„Das war sehr nett von Ihnen, Señora Jeppson. Ich fürchte allerdings, Sie haben einen Fehler gemacht. Sie hätten Juanita kein Geld geben sollen.“

„Da bin ich mir nicht so sicher. Ich an Juanitas Stelle hätte mich über jede Hilfe gefreut. So muss sie wenigstens die nächsten zwei, drei Tage nicht hungern – und länger werden wir bestimmt nicht brauchen, um Richard zu finden.“

„Ich hoffe, Sie behalten damit recht, Señora“, antwortete Capitán Ortiz, und Terri spürte, dass er ebenso wenig daran glaubte wie sie.

3. KAPITEL

Als Terri Ben Herricks Krankenzimmer betrat, duftete es nach Blumen. Offensichtlich war durchgesickert, um wen es sich bei dem Patienten in Wirklichkeit handelte. Auf einem Rollwagen neben dem Schrank standen etliche exklusive Gestecke und ein üppig bestückter Fruchtkorb.

Welches Geschenk wohl von seiner Frau war? Ob Martha Shaw auch ein Präsent geschickt hatte?

Hör auf damit, Terri! Es geht dich nichts an.

Sie schaute sich um. So wie die Stühle standen, hatte Ben schon Besuch gehabt, und zwar mehrere Personen. Das Bett war leer, der Infusionsständer verschwunden, und Schlafanzug und Morgenmantel lagen nicht mehr über dem Stuhl.

Auch im Badezimmer war niemand, denn die Tür stand offen. Wo Ben wohl sein mochte? Hatte man ihn verlegt, weil es ihm wieder schlechter ging? Besorgt machte sie sich auf, um sich im Schwesternzimmer nach Ben zu erkundigen.

Auf dem Flur begegnete sie einer Gruppe Besucher, die in ein angeregtes Gespräch vertieft waren. Terri wäre an den Leuten vorbeigegangen, hätte sie unter ihnen nicht einen schwarzhaarigen Mann entdeckt, der einen marineblauen Morgenmantel trug.

Wie gelähmt blieb sie stehen, als sich ihre Blicke trafen.