Julia Exklusiv Band 175 - Jacqueline Baird - E-Book

Julia Exklusiv Band 175 E-Book

Jacqueline Baird

4,8
3,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

KOMM ZURÜCK NACH KORFU von BAIRD, JACQUELINE Voller Sehnsucht erinnert sich Anne an die wunderbare Zeit, die sie mit Nikos auf Korfu verbrachte. Sie trafen sich, liebten einander und heirateten. Das Glück aber zerbrach, und Anne verließ die Insel. Nun sucht Nikos sie auf - mit einem ungeheuerlichen Anliegen ... SONNE MEINES LEBENS von GORDON, LUCY Bis jetzt hat Briony ihren Chef für einen unausstehlichen Mann gehalten. Nun aber sieht sie, wie liebevoll Carl sich bemüht, seiner kranken Tochter Emma ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. Brionys Herz fliegt ihm zu - doch er hat nur Augen für Emma. IM HOCHLAND ERWACHT DIE LIEBE von RYDER, ALEX Wie soll Shona den Küssen ihres Erzrivalen Dirk MacAllister nur widerstehen? Nie hat sie ihm verziehen, dass er einst wegen einer Familienfehde ihre leidenschaftliche Liebe verriet. Als er zurückkehrt, fühlt sie sich zwischen Hass und Sehnsucht zerrissen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 599

Bewertungen
4,8 (18 Bewertungen)
15
3
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Jacqueline Baird, Lucy Gordon, Alex Ryder

Traummänner, Band 175

IMPRESSUM

JULIA EXKLUSIV erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG, 20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

Redaktion und Verlag: Brieffach 8500, 20350 Hamburg Telefon: 040/347-25852 Fax: 040/347-25991
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Cheflektorat:Ilse BröhlProduktion:Christel Borges, Bettina SchultGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)Vertrieb:asv vertriebs gmbh, Süderstraße 77, 20097 Hamburg Telefon 040/347-27013

© by Jacqueline Baird Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Deutsche Erstausgabe 1991 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

© by Lucy Gordon Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Deutsche Erstausgabe 1997 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

© by Alex Ryder Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Deutsche Erstausgabe 1994 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

Fotos: RJB Photo Library / gettyimages

© by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg, in der Reihe JULIA EXKLUSIV, Band 175 (6) - 2008

Veröffentlicht im ePub Format im 04/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86349-536-7

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

JACQUELINE BAIRD

KOMM ZURÜCK NACH KORFU

Enttäuscht reist Anne mit ihrem kleinen Sohn von Korfu zurück nach England: Sie erträgt es nicht mehr, wie ihr geliebter Ehemann Nikos sie hintergeht. Dabei waren sie so glücklich und zärtlich miteinander! Nun vergeht keine Nacht, in der sie nicht sehnsüchtig an Nikos denkt, bis er eines Tages tatsächlich vor ihr steht. Oder träumt sie das etwa nur?

LUCY GORDON

SONNE MEINES LEBENS

„Tu es für Emma!" Als Briony von ihrem Chef Carl Brackman einen Heiratsantrag bekommt, weiß sie, dass sie nicht von Liebe träumen darf: Ihm geht es nur darum, dass seine kranke Tochter Emma noch einmal echtes Familienglück genießt. Trotzdem stimmt Briony zu – doch das Wichtigste verschweigt sie Carl: Schon lange hat sie ihr Herz an ihn verloren!

ALEX RYDER

IM HOCHLAND ERWACHT DIE LIEBE

Eine zärtliche, aber verbotene Liebesnacht war es, die Shona und Dirk vor Jahren erlebten. Weil ihre Familien verfeindet sind, begegneten sie sich danach nie wieder. Bis jetzt, da sie sich erneut gegenüberstehen und Shona sich in einem Zwiespalt sieht: Die Familienehre verlangt, dass sie Dirk leidenschaftlich hasst – doch ihr Herz sagt etwas ganz anderes.

Jacqueline Baird

KOMM ZURÜCK NACH KORFU

1. KAPITEL

St. Ives glänzte im frühen Morgensonnenlicht. Der von der Ebbe rein gewaschene Strand wirkte jetzt im September fast einsam. Die Urlauber waren abgefahren, und die Kinder gingen wieder in die Schule.

Anne wischte sich verstohlen die Tränen aus den Augen, als sie an einem älteren Ehepaar vorbeischlenderte, das Schnappschüsse von der Bucht machte. Sie hatte gerade ihren dreijährigen Sohn Jonathan in den Kindergarten gebracht und fühlte sich, als hätte er sie verlassen.

„Du meine Güte“, schalt sie sich selbst, „wie soll das dann erst werden, wenn er mit der Schule anfängt?“ Seufzend riss sie sich zusammen und ging schneller die Promenade entlang. Der Wind verfing sich in ihrem Haar und ließ es um ihre Schultern wehen.

Anne hatte mit neunzehn Jahren geheiratet und eine viel versprechend begonnene Karriere als Mannequin aufgegeben, aber mit ihren Fünfundzwanzig sah sie immer noch umwerfend aus. Sie vermittelte jene Sinnlichkeit, der nur wenige Männer widerstehen konnten. Sie war groß und vollbusig, hatte eine schlanke Taille und schöne, lange Beine. Neben den gut proportionierten weiblichen Kurven besaß sie ein atemberaubend attraktives Gesicht mit großen, dunkelgrünen Augen, einer kleinen geraden Nase und fein geschwungenen Lippen. Es war umrahmt von einer wilden Mähne roten Haares, das in dichten Locken über den Rücken fiel.

Anne schenkte den bewundernden Blicken der Passanten keine Beachtung. Denn seit ihre Ehe vor vier Jahren geschieden wurde, hatte sie aufgehört, Wert auf ihr Aussehen zu legen. Sie wollte nie mehr ihr Leben danach ausrichten, einem Mann zu gefallen. Nikos Kardis, ihr Ex-Mann, hatte sie gelehrt, dass das nicht funktionierte …

Sie stieß eine schmale Glastür mit den aufgedruckten Goldbuchstaben Hope Gallery auf.

„Brauchst du ein Taschentuch?“, fragte ihre Freundin und Geschäftspartnerin Iris.

Anne lächelte. „Zu spät. Ich habe mich schon zum Trottel gemacht und den ganzen Rückweg über geheult. Aber eine Tasse Kaffee wäre nicht zu verachten.“

Iris lachte. „Ich weiß genau, wie du dich fühlst. Es ging mir damals auch so, als meine beiden mit dem Kindergarten anfingen. Der erste Schritt los vom Elternhaus schmerzt eben immer wieder. Setz dich, gib vor, beschäftigt zu sein, und ich mache den Kaffee.“

Zärtlich schaute Anne ihr nach, wie sie durch eine Tür hinten in der Galerie verschwand. Sie setzte sich seufzend auf den eleganten cremefarbenen Drehstuhl hinter dem Schreibtisch und stützte das Kinn in die Hände. Iris war beinahe doppelt so alt wie Anne, und ohne sie wären die letzten Jahre bestimmt nicht so glücklich verlaufen. Sie hatte Anne nach der Scheidung wieder aufgebaut, war Mutter und beste Freundin zugleich. Auch Jonathan liebte sie herzlich.

Mit einem Anflug von Stolz betrachtete Anne ihre Umgebung. Die Galerie bestand aus einem langen Raum. In der Mitte wurde er durch eine Treppe geteilt, die zu den Wohnräumen führte. An den Wänden hingen Gemälde von hiesigen Künstlern, darunter auch ein oder zwei von Anne. Den Blickfang bildete ein Tisch mit Bronzeskulpturen, und in einer Ecke befand sich eine kleine Abteilung für den künstlerischen und fotografischen Bedarf. Die Galerie konnte Anne zwar niemals reich machen, aber sie warf einen beträchtlichen Gewinn ab. Im Sommer herrschte bei den Touristen eine rege Nachfrage an Gemälden, und im Winter hielten die zahlreich in St. Ives lebenden Künstler ihr Geschäft durch den Kauf von Arbeitsmaterial über Wasser. Und durch die Einzelausstellungen, die Anne im Winter für einige Künstler organisierte, gewann die Galerie allmählich auch außerhalb Cornwalls einen Namen.

Anne lächelte. Sie konnte mit ihrem Leben wirklich zufrieden sein. Und es war töricht, sich niedergeschlagen zu fühlen, nur weil ihr Sohn nun in den Kindergarten ging. Aber sie wusste auch, dass diese Traurigkeit eigentlich einen anderen Grund hatte. Es waren die plötzlich wachgerufenen Erinnerungen, die sie für immer hatte vergessen wollen: Da war ihr übergroßes Glück, als die Schwangerschaft festgestellt wurde, das schon zwei Monate später einer unendlichen Qual weichen musste.

Mr. Farlow, ihr Anwalt, hatte sie in sein Büro gebeten. Nikos wollte sich wegen böswilligen Verlassens von ihr scheiden lassen. Sie war so entsetzt gewesen, dass sie ohnmächtig geworden war. Mr. Farlow hatte sofort ihren Zustand erkannt und darauf bestanden, Nikos gleich über die Schwangerschaft zu informieren, weil Anne nun neben der Scheidungsabfindung auch Unterhalt für das Kind zustand.

So rief Anne gleich von der Kanzlei aus bei Nikos an und platzte mit ihren Neuigkeiten heraus. Seine Antwort prägte sich für immer in ihrem Gedächtnis ein: „Glückwunsch, aber es interessiert mich nicht. Soweit es mich betrifft, bist du nicht länger meine Frau. Und falls du glaubst, dass ich die Zahlungen erhöhe – vergiss es. Gib mir deinen Anwalt.“

Kurze Zeit später hatte sie die Scheidungsurkunde und eine Kopie von Nikos’ offizieller Ablehnung des Kindes. Wie sie die folgende Zeit überstanden hatte, wusste Anne nicht mehr genau. Denn sie lebte außerhalb der Realität, in einer eigenen zwielichtigen Welt, gefangen in Schmerz und Verzweiflung. Doch mit Beginn des neuen Jahres hatte sich plötzlich alles geändert …

Sie schlenderte die Regent Street ohne festes Ziel hinunter, als ihr in einem Schaufenster ein Ölgemälde auffiel. Es zeigte eine Landschaft in Cornwall und erinnerte sie an glücklichere Zeiten – an die Ferien, die sie dort mit ihren Eltern verbracht hatte, an Iris, eine Frau aus Cornwall, die ihren Eltern während des Urlaubs im Haushalt und als Kindermädchen geholfen hatte. Bei ihr hatte Anne sich als Kind immer geborgen gefühlt.

Dann ging alles sehr schnell. Anne beauftragte einen Immobilienmakler mit dem Verkauf ihres Apartments, packte ihre Habe zusammen und stand ein paar Tage später vor Iris’ Haus in Trevlyn Cove, in Tränen aufgelöst und im siebten Monat schwanger. Anne wurde herzlich aufgenommen, rührend umsorgt und gebar auch ihr Baby in diesem Haus. Als dann einige Monate später das dreistöckige Terrassengebäude mit dem Eckgeschäft in St. Ives angeboten wurde, übernahm Anne es in Pacht und richtete sich eine Galerie ein. Von da an hatte sie nie wieder zurückgeblickt …

„Hier, der wird dir guttun. Du siehst schrecklich aus.“ Iris servierte den Kaffee und sah Anne mitfühlend an.

„Oh, vielen Dank, sehr nett“, entgegnete Anne gespielt gekränkt. Dankbar trank sie den Kaffee und gab sich dann einen Ruck. „So, jetzt machen wir uns besser an die Arbeit. Die ganzen Kisten warten schon seit gestern darauf, ausgepackt zu werden.“

Sie arbeiteten schweigend, denn nach dem Sommeransturm war vieles aufzufüllen, doch schließlich meinte Iris: „Nun mach dich schon auf den Weg und hol deinen Spross ab. Du schaust ohnehin dauernd zur Uhr. Den Rest schaffe ich auch ganz gut allein.“

Anne hatte Jonathan gerade zu seinem Mittagsschlaf gelegt, als das Telefon läutete.

„Hope Gallery“, meldete sie sich und lauschte dann nur noch andächtig, und gleich darauf spielte ein Lächeln um ihren Mund. „Das ist großartig, einfach fantastisch!“, rief sie schließlich begeistert aus. „Ja, ja, bestimmt, ich werde fertig sein“, versprach sie. Dann legte sie den Hörer auf und rannte die Treppe hinunter.

„Iris, Iris!“ Anne umfing ihre Freundin an der Taille und tanzte mit ihr ausgelassen in der Galerie herum. „Harry Trevlyn hat eben angerufen. Seine Verhandlung war ein Riesenerfolg. Der Chef des Konsortiums kam persönlich und …“ Sie holte tief Luft. „Sie übernehmen die Finanzierung. Trevlyn Cove ist gerettet.“

„Das ist einfach wunderbar“, sagte Iris leise. „Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viel mir das bedeutet. Ich habe mein ganzes Leben in Trevlyn Cove verbracht, und mein Mann hat bis zu seinem Tod in der Mine gearbeitet. Ich hatte solche Angst, dass das Dorf …“ Mit Tränen in den Augen brach sie ab. Anne wusste, was Iris fühlte. Trevlyn Cove war ein winziges, malerisches Bergarbeiterdorf am Rande der Klippen. Es bestand aus zwei Reihen kleiner Steinhäuser, einer kleinen Kirche und einem Pub. Nach der Scheidung war es Annes Zufluchtsort gewesen und würde immer, genauso wie die Menschen dort, einen besonderen Platz in ihrem Herzen behalten. Als es feststand, dass die Zinnmine in wenigen Monaten geschlossen werden musste, hatte Anne mit ihren Freunden um die Zukunft des Dorfes gebangt. Harry Trevlyn, ein fünfzigjähriger Witwer, war der Minenbesitzer und Eigentümer des Landes, das sich meilenweit um das Dorf herum erstreckte. Es gehörte seiner Familie schon seit Generationen, und er kämpfte darum, es seinen beiden Söhnen Michael und David zu erhalten. Er kam auf die Idee, aus Trevlyn Cove ein Ferienparadies zu machen, in dem auch seine Minenarbeiter gleich neue Arbeitsplätze erhielten. Und nun hatte er endlich den Geldgeber für dieses Projekt gefunden.

Am Abend machte Anne sich sorgfältig zurecht. Harry Trevlyn wollte den erfolgreichen Vertragsabschluss mit seinem neuen Geschäftspartner bei einem Essen feiern und hatte sie gebeten mitzukommen.

Sie steckte ihr Haar an einer Seite mit einem Goldkamm zurück und ließ den Rest in einem Wirrwarr von Locken über die Schulter fallen. Dann wählte sie ein knielanges, rückenfreies Kleid aus cremefarbener Seide, das noch aus ihrer Mannequinzeit stammte. Es hatte einen gewagten V-Ausschnitt und war hauteng geschnitten.

Anne warf ihrem Spiegelbild einen unzufriedenen Blick zu. Wegen des tiefen Ausschnitts konnte sie keinen Büstenhalter tragen, und ihre Brust war wesentlich voller als vor fünf Jahren. Wenn sie sich zu unbedacht bewegte, hatte sie das scheußliche Gefühl, dass ihre Brüste aus dem dünnen Stoff des Kleides herausschlüpfen könnten. Es war wirklich nicht ihr gewohntes Image, doch Glamour war das Gebot des Abends. Denn Harry hatte am Telefon gesagt: „Vielleicht kannst du heute Abend zeigen, was du als Mannequin gelernt hast.“

Also, weshalb nicht? Sie schlüpfte in hochhackige bronzefarbene Sandaletten, verteilte noch die letzten Tropfen eines sündhaft teuren Parfüms hinter den Ohren und am Dekolleté und eilte hinunter.

„Wow, Mummy! Du siehst umwerfend aus!“

„Danke, Liebling.“ Anne lächelte und strich zärtlich über den dunklen Lockenkopf ihres Sohnes. „Und du bist wirklich ganz brav bei Tante Iris, versprochen?“

„Ich bin doch immer brav“, antwortete er entrüstet, während seine großen grauen Augen spitzbübisch aufblitzten.

Sekundenlang war Anne überwältigt, wie sehr er seinem Vater ähnelte. Aber rasch verdrängte sie den Gedanken wieder, denn in diesem Augenblick traf Harry ein. Überraschenderweise hatte er Michael mitgebracht.

„Nein, Anne! Bist du es wirklich? Bei diesem Kleid ist es für meinen Vater bestimmt ein zu großes Risiko, mit dir auszugehen. In seinem Alter ist vielleicht das Herz einer so großen Anstrengung nicht mehr gewachsen.“

Eine schroffere Stimme mischte sich ein: „Du frecher Bengel! Pass auf, was du sagst, sonst gebe ich dir den Wagen nicht.“

„Ach, deshalb ist Michael hier.“ Anne lächelte Harry zu. „Wir haben heute Abend also einen Chauffeur.“

„Ich hoffe, du hast nichts dagegen. Bei der Verhandlung heute Mittag hatte ich schon ein paar Drinks, und um gesellschaftsfähig zu sein, brauche ich bestimmt auch heute Abend noch einige.“

Sie fuhren zum Hotel Cove Country House. Harrys Geschäftspartner und seine Begleiterin übernachteten dort, und es war berühmt für sein gutes Essen und die exzellente Bedienung. Anne spürte allmählich eine kribbelnde Aufregung und betrachtete die beiden Männer im Fond des Wagens zärtlich. Es versprach wirklich, ein angenehmer Abend zu werden.

Dann drehte sich Harry zu ihr um und warf ihr einen seltsam unsicheren Blick zu. „Nur eine Sache noch. Ich – ich habe ihnen erzählt, dass du meine Verlobte bist.“

Das Auto schlingerte, als Michael lauthals lachte. „Aber Dad, wozu das? Du bist doch alt genug, um ihr Vater zu sein.“

„Das weiß ich selbst“, gab Harry ungehalten zurück. „Doch dieser Kardis hat es mir förmlich aufgezwungen. Er nahm an, dass ich meine Frau mitbringe. Als er erfuhr, dass ich Witwer bin, meinte er anzüglich, ich solle eben mit irgendeiner Freundin kommen. Diese ausländischen Burschen sind ziemlich unmoralisch. Wahrscheinlich hat er auch ein Verhältnis mit seiner Sekretärin. Verstehst du, Anne? Ich musste deinen Ruf schützen.“ Anne war zu geschockt, um antworten zu können. Der Name Kardis dröhnte in ihrem Kopf und riss wieder alte Wunden auf. Sie musste sich verhört haben, es konnte einfach nicht wahr sein!

„Anne? Alles okay? Du bist ja ganz blass geworden. Ich habe nur gedacht … Ach, zum Teufel! Ein Mann meines Alters kann nicht sagen, dass er eine Freundin hat. Verlobte klingt viel besser, und es ist doch nur für heute Nacht.“

Anne ballte ihre Hände so fest, dass sie die Fingernägel schmerzhaft in den Handflächen spürte. Aber schließlich hatte sie sich wieder so weit in der Gewalt, dass sie sprechen konnte. „Hast du gesagt, der Name dieses Mannes sei Kardis? Ist es Nikos Kardis?“, fragte sie und hatte Mühe, ihren Ärger nicht zu zeigen.

„Ja“, antwortete Harry. Er war erleichtert, dass es ihr nicht um die Verlobungsgeschichte ging. „Ihm gehört Troy International. Er war gerade in London. Deshalb hat er auch keinen Vertreter geschickt, sondern sich in Trevlyn Cove gleich persönlich umgeschaut. Für mich ist das wirklich ein glücklicher Zufall.“

Doch für Anne war es alles andere als eine glückliche Fügung. In wenigen Minuten würde sie ihrem Ex-Mann gegenüberstehen. Sie zermarterte sich das Gehirn. Weshalb hatte Harry nur niemals vorher den Namen des Konsortiums erwähnt? Aber nun war es zu spät. Und plötzlich wusste sie, weshalb sie sich beim Zurechtmachen so unerklärlich unbehaglich gefühlt hatte. Wäre sie doch nur ihrer Intuition gefolgt und lieber zu Hause geblieben.

In ihr sträubte sich alles bei der Vorstellung, wieder Nikos begegnen zu müssen. „Halt den Wagen an!“, schrie sie voller Panik und umklammerte Michaels Schulter.

„Verdammt!“ Michael trat auf die Bremse, fuhr an den Straßenrand und drehte sich wütend um. „Was ist los mit dir? Ich weiß, dass Dad kein Adonis ist, aber die Rolle als Verlobte ist nur für diese eine Nacht. Niemand wird etwas davon erfahren, also warum stellst du dich so an?“ Er war von ihrer heftigen Reaktion sichtlich verwirrt.

Anne winkte heftig ab. „Es geht mir nicht um die Verlobung, das ist vielleicht eine gute Idee.“ Anne lächelte ziemlich verkrampft und spürte erleichtert, dass sich ihre Panik etwas gelegt hatte. „Nikos Kardis ist mein Ex-Mann.“

„So?“, meinte Michael unbeeindruckt und mit einem gelassenen Achselzucken. „Scheidung ist heutzutage doch nichts Ungewöhnliches. Und hast du mir nicht erzählt, dass deine ganz zivilisiert abgelaufen ist? Der Mann hat dir das alleinige Erziehungsrecht für Jonathan zugestanden und dich nie belästigt. Er scheint recht vernünftig zu sein. Weshalb hast du dann einen Horror davor, ihn wiederzusehen?“

Ja, warum eigentlich? Mit seiner jugendlichen Selbstverständlichkeit hatte Michael ihre Situation perfekt beschrieben. Nikos bedeutete ihr nichts mehr. Ihre Liebe zu ihm war vor langer Zeit gestorben. Die Verleugnung seines eigenen Kindes hatte ihr gezeigt, wie herzlos er war. Sie war für alle Zeiten von ihm kuriert. Es gab also keinen Grund, weshalb sie nicht mit ihm zusammen essen sollte. Die Vergangenheit existierte nicht mehr.

Anne atmete tief ein und riss sich zusammen. „Du hast recht, Michael“, räumte sie ein. „Es kam nur so unerwartet. Nun fahr schon weiter, sonst kommen wir zu spät!“

Harry schaute sie forschend an. „Bist du wirklich sicher, Anne?“, fragte er weich.

Sie lächelte zärtlich. „Ja, keine Sorge. Und in der Gegenwart meines ‚Verlobten‘ wird Nikos die Vergangenheit bestimmt nicht erwähnen. Außerdem waren wir nur kurze Zeit verheiratet. Wahrscheinlich hat er sogar alles schon vergessen.“

„Das kann ich mir nicht vorstellen. Du bist eine sehr reizvolle Frau, Anne. Aber irgendwie kann ich nicht verstehen, dass du mit ihm zusammen warst. Er ist ein harter Geschäftsmann und er wirkt auf mich wie ein Playboy. Überhaupt nicht dein Typ“, stellte Harry schließlich mit einem Kopfschütteln fest.

Anne wurde einer Antwort enthoben, weil der Wagen gerade vor dem Hotel hielt. Als sie in das Foyer gingen, nahm Harry ihren Arm. Sie war dankbar für diesen Halt und unsagbar froh, dass Harry sie vorgewarnt hatte. Denn nun hatte sie zwar ein flaues Gefühl in der Magengegend und etwas zittrige Beine, aber unvorbereitet hätte sie Nikos’ Anblick wahrscheinlich völlig aus der Fassung gebracht.

„Das traute Paar!“ Antonio und seine Frau Maria, die italienischen Hotelbesitzer, kamen ihnen freudestrahlend entgegen.

„Woher wisst ihr das?“ Harry war durch diese Begrüßung sichtlich verstört.

„Mr. Kardis sagte, dass er auf Mr. Trevlyn und seine Verlobte in der Cocktailbar warte. Du hättest uns auch etwas erzählen können, Anne, wir sind Freunde.“

Anne war wie gelähmt. Am liebsten hätte sie laut gelacht, denn der Abend schien sich zusehends zu einer Farce zu entwickeln. Aber bevor sie reagieren konnte, mischte Harry sich ein. „Später Antonio, später“, sagte er kurz und drängte Anne in die Bar.

Anne musste ihre ganze Willensstärke aufbieten, um nicht auf dem Absatz kehrtzumachen und zu flüchten, als sie das Paar sah, das mit dem Rücken zur Tür am Tresen stand. Nikos Kardis. Es gab keinen Zweifel. Seine breitschultrige, geschmeidige Gestalt schuf noch dieselbe Aura reiner Männlichkeit, die sie – Anne – vor Jahren so betört hatte.

Nikos hatte sie bemerkt und drehte sich um. Anne schluckte und hielt sekundenlang den Atem an. Aber sie schaffte es, ein strahlendes Lächeln aufzusetzen. Sie vermied es jedoch, Nikos anzuschauen, und richtete stattdessen ihre Aufmerksamkeit auf seine Begleiterin: Melanie.

Anne war nicht überrascht. Es gab offenbar Dinge, die sich nie änderten. Melanie war Nikos’ Sekretärin und schon vor, während und nach Annes Ehe mit ihm auch seine Geliebte. Melanies Gegenwart erleichterte es Anne, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten.

„Anne, das ist aber eine Überraschung“, zwitscherte Melanie überschwänglich.

„Melanie“, antwortete Anne höflich und registrierte aus den Augenwinkeln, wie die beiden Männer sich die Hand reichten.

„Trevlyn. Wie schön, dass Sie kommen.“ Nikos’ Stimme hatte noch immer denselben Klang, tief und kehlig. „Und Anne, schöner denn je, meine Liebe.“

Da Nikos nun genau vor ihr stand, blieb Anne keine andere Wahl, sie musste ihn ansehen. Er schien verärgert zu sein, denn sie fing ein kurzes Aufflackern brennender Wut in seinen Augen ein, bevor er wieder seine typische Pokermiene aufsetzte.

„Hallo, Nikos“, erwiderte Anne kühl und reichte ihm höflich die Hand zur Begrüßung. Sein Händedruck war fest und dauerte länger als nötig. Gleichzeitig ließ er ungeniert einen lüsternen Blick über ihren Körper gleiten.

Anne war froh, dass sie sich für diesen Abend so sorgfältig zurechtgemacht hatte. Sie wusste, dass sie gut aussah und hielt der unverschämten Musterung gelassen stand. Früher hätte Nikos sie mit einem solchen Blick in Verlegenheit gebracht. Doch das war lange vorbei. Sie entzog ihm die Hand, warf selbstbewusst den Kopf in den Nacken und lächelte herablassend.

Nikos sah noch immer atemberaubend gut aus, und in dem eleganten dunkelblauen Anzug wirkte seine fast zwei Meter große Gestalt sehr beeindruckend. Aber er war schlanker, als Anne ihn in Erinnerung hatte. Sein dichtes dunkles Haar war inzwischen von grauen Strähnen durchzogen, und in seinem Gesicht hatten sich steile Falten zwischen Mund und Nase eingefurcht. Am nächsten Geburtstag wurde er vierzig, und dieses Alter sah man ihm mittlerweile an. Anne verbarg ihre Überraschung, indem sie sich mit einem strahlenden Lächeln an Harry wandte.

„Bist du so nett und bestellst mir meinen Drink, Lieber?“

„Wenn du erlaubst, übernehme ich das“, mischte Nikos sich ein. „Gin and Tonic, nicht wahr?“

„Aber nein“, erklärte Harry entrüstet. „Anne trinkt immer nur ein Glas Wein.“

Nur mühsam konnte Anne ein Grinsen unterdrücken. Harry schien ein Naturtalent zu sein. Er reagierte so gut, als wenn sie es vorher abgesprochen hätten. Zufrieden notierte sie Nikos’ wütend zusammengepressten Mund. Sie hatte einen traumatischen Abend befürchtet. Doch solange sie ihre kühle Haltung bewahrte, konnte er nun sogar recht viel versprechend und amüsant werden. Nikos würde sehr schnell feststellen, dass sie nicht mehr das törichte junge Mädchen war, das um seine Liebe bettelte.

„Dann hat sich dein Geschmack also verändert, Anne“, bemerkte Nikos anzüglich und warf einen viel sagenden Blick auf Harry. „In jeder Beziehung, wie mir scheint.“

„Das gebe ich gern zu. Als ich dich kannte, war ich noch sehr jung, ein Teenager, der versuchte, reif und erfahren zu wirken. Jetzt brauche ich keine Rolle mehr zu spielen.“

Diese Reaktion schien Nikos nicht zu gefallen. Aber er verbarg seinen Ärger, drehte sich zu dem Barkeeper um und bestellte die Drinks.

„Es ist wirklich ein überraschender Zufall“, ließ Melanie dann vernehmen. „Ich hätte niemals erwartet, Sie in einem so rückständigen Nest zu treffen. Ich war davon überzeugt, dass Sie wieder als Mannequin arbeiten würden. Oder haben Sie für diesen Beruf nicht mehr ganz die richtigen Maße?“

Hexe! dachte Anne, aber sie ignorierte diese Frechheit und dachte nicht daran, sich auf diese Ebene des Gesprächs zu begeben. „Nun“, antwortete sie gelassen, „ich hatte einige Angebote bekommen, aber ich wollte eine größere Herausforderung. Deshalb habe ich mir ein Geschäft aufgebaut. Besuchen Sie doch einmal meine Galerie. Ich bin sicher, dass Sie Ihnen gefällt.“

„Dann verkaufen Sie Bilder an Touristen? Wie urig.“ Melanie lachte höhnisch.

Diese abfällige Bemerkung konnte Anne nur noch mit großer Anstrengung ruhig hinnehmen. Nikos lehnte lässig am Tresen und verfolgte den Disput mit unverhohlener Belustigung. Aber wenn es um ihre hart erworbene Unabhängigkeit ging, konnte Anne keine Kritik vertragen. Und schon gar nicht eine Verunglimpfung von so arroganten Jet-Settern wie Melanie und Nikos. Doch als sie antwortete, schwang keinerlei Unmut in ihrer Stimme mit.

„Ja, und es macht mir viel Freude. Besonders interessant sind die Einzelausstellungen für die Künstler. Zum Beispiel Ian Harkness. Er hat seine Ausbildung auf der Royal Academy absolviert und ist sehr erfolgreich. Seine dritte Ausstellung in meiner Galerie ist für diesen Winter geplant. Wir bekommen allmählich einen weit reichenden Ruf.“ Die Erwähnung, dass Ian auch ein persönlicher Freund war, schluckte sie hinunter.

„Dein Drink“, warf Nikos schnell ein, reichte Anne das langstielige Glas und streifte dabei wie zufällig ihre Hand.

Versuchte er etwa zu flirten?

Anne musterte Nikos gelassen. „Danke“, sagte sie kühl. Sie war stolz, dass seine Berührung überhaupt keine Wirkung auf sie hatte und registrierte schadenfroh seine offensichtliche Enttäuschung. Dann wendete er sich wieder an Harry.

„Es ist wirklich ein äußerst glücklicher Zufall, dass sich Ihre Verlobte als meine Ex-Gattin entpuppt hat, Trevlyn – Anne, hast du ihm erzählt, dass wir verheiratet waren?“

Anne kochte innerlich vor Wut. Wenn sie nun wirklich mit Harry verlobt wäre und ihm nichts erzählt hätte? Nikos scheute sich nicht, ihr Unannehmlichkeiten zu bereiten. Aber weshalb? Schließlich ging die Scheidung damals von ihm aus. Und sie war verletzt worden, nicht er.

„Ja, natürlich. Anne hat viel von ihrer kurzen Ehe erzählt“, antwortet Harry an Annes Stelle. „Sie war damals viel zu jung. Ich halte nichts von Teenager-Ehen und warne auch immer meine Söhne davor. Ein Mann sollte mehr Verstand haben.“

Anne hätte Harry am liebsten umarmt, als sie Nikos’ zornigen Gesichtsausdruck sah. Das geschieht ihm recht, dachte sie schadenfroh. Und Harry merkte gar nicht, dass er Nikos beleidigt hatte, sondern redete noch munter weiter.

„Ich bewundere, wie vernünftig Sie sich bei der Scheidung verhalten haben. Es ist Ihnen doch bestimmt nicht leicht gefallen, auf Ihren Sohn zu verzichten, aber für das Kind ist es besser so. Es kann sich jetzt leicht an einen anderen Mann als Vater gewöhnen. Und Jonathan ist wirklich ein feiner Kerl. Sie brauchen sich um seine Zukunft keine Sorgen zu machen.“

Nun konnte Nikos seinen Ärger kaum noch verbergen – während Anne darum kämpfte, ihre Belustigung nicht zu zeigen. Allmählich genoss sie diesen Abend. Sie durfte zuschauen, wie Nikos Kardis zur Abwechslung auch einmal Beleidigungen einstecken musste, statt sie auszuteilen.

„Ich bin sicher, dass Sie recht haben“, entgegnete Nikos gefährlich ruhig. Dann leerte er sein Glas in einem Zug und wechselte das Thema. „Ich denke, unser Tisch ist fertig. Wollen wir?“

Er hielt Anne am Arm zurück, so dass Harry und Melanie vor ihnen den Raum verließen. „Er hält mich für den Vater deines Kindes. War das nicht etwas dreist von dir, meine liebe Anne?“, fragte er zynisch.

„Ich weiß nicht, was du meinst. Und lass meinen Arm los!“, forderte Anne eisig. Aber seine Berührung beunruhigte sie, und Anne merkte, dass sie etwas zu sehr auf ihre kühle Überlegenheit vertraut hatte. Ohne Harrys Schutz wirkte Nikos’ Nähe regelrecht bedrohlich.

Nun zeigte sich in seinen Augen eiskalte Wut, doch ehe er etwas sagen konnte, rief Melanie von der Tür zurück: „Kommst du, Nikos-Darling? Ich verhungere.“

Anne nahm die Tischunterhaltung nur am Rande wahr. Sie konzentrierte sich auf die Muscheln und den Fasan, obwohl sie überhaupt nichts davon schmeckte. Nikos saß ihr gegenüber und ließ sie nicht aus den Augen. Er hatte Anne damals so tief verletzt, dass sie in den letzten Jahren nur noch voller Hass und Abscheu an ihn hatte denken können. Und er bedeutete ihr nichts mehr. Aber jedes Mal, wenn er sie anschaute, ging von seinem Blick ein seltsamer Zwang aus und weckte in ihr Erinnerungen, die sie lieber vergessen hätte, und es bestand die Gefahr, dass sie ihre Selbstbeherrschung verlor.

„Noch Champagner, Anne?“, fragte Nikos mit einschmeichelnder Stimme.

Da war Anne gezwungen, vom Teller aufzusehen. Rasch legte sie eine Hand aufs Glas. „Nein danke, nicht mehr“, antwortete sie kühl.

„Das klingt gar nicht nach dir, meine Liebe. Du warst doch nie einem Drink abgeneigt. Und ich weiß noch sehr genau, dass das sogar immer eine sehr liebenswerte Wirkung auf dich hatte.“ Er warf einen anzüglichen Blick auf den tiefen Ausschnitt ihres Kleides und schaute sie dann spöttisch an.

Es kostete Anne viel Mühe, diesen Blick kühl und gelassen zu erwidern. Ihr war sehr wohl klar, worauf Nikos anspielte. In der letzten Zeit ihrer Ehe hatte sie ihre Abende allein zu Hause verbringen müssen, während Nikos sich mit seinen Freundinnen amüsierte und erst spät nachts heimkam. Die Einsamkeit schmerzte, und Anne begann zu trinken. Gin Tonic, nicht zu viel, aber genug, um alles ertragen zu können. Eines Nachts schluckte sie schließlich ihren Stolz hinunter und bat Nikos, mit ihr zu schlafen. Seine abfällige Bemerkung hallte noch immer in ihrem Kopf wider: „Ich schlafe nicht mit Betrunkenen, mein Liebes.“ Danach hatte sie nie wieder einen Tropfen Alkohol angerührt …

Plötzlich hatte Anne ein beklemmendes Gefühl in der Magengegend. Weshalb reizte Nikos sie absichtlich? Sie hatte ihm nie etwas bedeutet, und trotzdem war er den ganzen Abend verdrossen und ließ abfällige Bemerkungen über ihre Verlobung fallen. Er hatte zahlreiche Fehler, war unmoralisch und rücksichtslos, aber Eifersucht gehörte nicht dazu. Also warum?

„Anne!“ Erschrocken zuckte sie zusammen, als sie Harrys vorwurfsvolle Stimme hörte. „Ich habe dich gefragt, ob du noch einen Kaffee möchtest, Liebling.“

„Ja, bitte.“ Sie schenkte ihm ein entschuldigendes Lächeln und bemerkte sein gerötetes Gesicht. Dann sah sie entsetzt die drei Champagnerkorken auf dem Tisch liegen. Ihre Gedanken hatten sie so gefangen genommen, dass ihr entgangen war, mit welcher Geschwindigkeit die Gläser gefüllt wurden. Harry und Melanie hatten schon einen verdächtig glasigen Blick. Dieser Schuft! Das war Absicht, dachte sie voller Wut, als sie Nikos’ arrogantes, selbstgefälliges Lächeln registrierte. Er selbst hatte ganz offensichtlich nur wenig getrunken.

Harry befand sich inzwischen in einer rührseligen Stimmung und hielt Nikos für einen guten Freund. „Wissen Sie, Nikos, altes Haus, als ich Sie das erste Mal sah, wusste ich gleich, dass Sie mich an jemanden erinnern. Nur nicht an wen.“ Er kicherte albern. „Dabei ist das ganz einfach. Der kleine Jonathan ist genau Ihr Ebenbild. Ja, der ist wirklich von Ihnen gemacht.“

Anne wäre am liebsten im Erdboden versunken. Jeden Augenblick konnte Harry erzählen, dass sie nicht wirklich verlobt waren. Verzweifelt überlegte sie, wie sie der Unterhaltung eine andere Richtung geben konnte. Aber zum Glück wurde Harry schon von Melanie gestoppt. Sie legte eine Hand auf Nikos’ Arm und sagte: „Ach bitte, ich möchte jetzt gern tanzen.“

„Gute Idee, Melanie. Aber wir können unsere Gäste nicht vernachlässigen. Harry ist bestimmt ein hervorragender Tänzer“, ließ Nikos mit samtweicher Stimme wissen. Und bevor Anne wusste, wie ihr geschah, fand sie sich mitten auf der Tanzfläche in Nikos’ Armen wieder.

Anne verspürte den übermächtigen Wunsch, ihm gegen das Schienbein zu treten und einfach alleine stehen zu lassen. Doch sie wusste, dass Nikos arrogant und eingebildet war. Womöglich sah er eine solche Reaktion als Herausforderung an, und sie wollte ihn nicht ermutigen. So blieb ihr nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Aber sie war entschlossen, sich nicht von der vertrauten Wärme seines Körpers beeindrucken zu lassen und hielt sich so steif wie möglich in seinen Armen.

„Du meine Güte, entspann dich, Anne“, forderte Nikos ungehalten. „Ich werde dich bestimmt nicht mitten auf der Tanzfläche vergewaltigen.“

„Das könnte ich mir bei dir auch wirklich nicht vorstellen“, gab Anne schnippisch zurück.

„Dann ist es ja gut“, gab er spöttisch zurück. „Und ich dachte schon, du hättest Angst vor mir.“ Dann zog er sie fester an sich heran.

Anne war sich schlagartig wieder Nikos’ imposanter Männlichkeit bewusst. Sie spürte die Wärme seiner Hand auf ihrem nackten Rücken und die muskulösen Oberschenkel, mit denen er in erregenden Bewegungen ihre Beine streifte. Und sekundenlang war sie versucht, der sinnlichen Einladung seines Körpers zu folgen.

„Es tut so gut, dich wieder in meinen Armen zu spüren, Anne“, raunte Nikos an ihrem Ohr. „Wenn du wüsstest, wie ich das vermisst habe.“

Der erotische Zauber war sofort gebrochen und Anne schreckte in die Realität zurück. Dieser Mann hatte wirklich kolossale Nerven! „Heb dir das Süßholz für deine Freundinnen auf“, zischte sie verächtlich. „Ich habe das schon alles gehört und weiß, was für ein Lügner du bist.“

Nikos warf ihr einen halb verwunderten, halb ärgerlichen Blick zu. „Wenn wir schon von Lügnern reden, meine liebe Anne, dann gebührt dir doch der Oskar.“ Abfällig verzog er die Mundwinkel. „Soll ich deinem Verlobten erzählen, dass dein Sohn gar nicht von mir ist? Dass du mit irgendwelchen Männern ins Bett gegangen bist, noch bevor wir geschieden waren?“

Anne ignorierte diese Frage und schnaubte verächtlich. „Es ist unglaublich, wie du dich sogar selbst belügst. Beruhigst du damit dein Gewissen?“ Sie löste sich aus seinen Armen, als sie Michael hereinkommen sah. „Nein, gib dir keine Mühe, ich habe wirklich kein Interesse an deiner Antwort. Entschuldige mich bitte.“

Aber Nikos ließ sie nicht gehen. „Warte noch!“, sagte er schroff und hielt sie fest. „Wenn irgendein Gewissen beruhigt werden müsste, so ist es deins. Du hast mich genarrt. Ich schulde weder dir noch dem Kind etwas.“

Anne zuckte unter seinem eisigen Blick zusammen. Aber dann wurde ihr plötzlich bewusst, worum es ihm ging, weshalb er den ganzen Abend schon so gewesen war. Natürlich, das Geld. „Ich verstehe nicht, was du meinst“, entgegnete sie mit vorgetäuschter Ahnungslosigkeit.

„Ach, komm schon, Anne. Ich habe dir eine anständige Abfindung gezahlt. Du kannst dir schmeicheln, der einzige Mensch zu sein, der mich jemals ausgenommen hat. Aber weshalb arbeitest du? Das Geld hast du doch bestimmt nicht nötig. Oder hat Ian Harkness dich ausgebeutet?“

Anne lachte leise auf. „Dann willst du also wissen, was mit deinem Geld passiert ist? Hast du wirklich geglaubt, dass ich mich wie die romantische Heldin eines Romans verhalte und keinen Cent davon anrühre?“ Anne wusste genau, dass Nikos so etwas Ähnliches von ihr erwartet hatte. Nur deshalb hatte er diese großzügige Geste gemacht. Zwar war er ihr gegenüber niemals knauserig gewesen, aber die beträchtliche Abfindungssumme war auch für einen so reichen Mann wie Nikos sehr viel Geld.

Und Anne wollte es zuerst nicht annehmen. Doch ihr Anwalt Farlow hatte darauf bestanden, erst einmal in Ruhe darüber nachzudenken. Heute war sie froh, dass sie auf ihn gehört hatte.

„Aber nein, ich habe es dir gern gegeben. Damals habe ich geglaubt, dass du es verdienst. Du warst ein ausgesprochen sinnlicher Bettpartner, sehr einfallsreich.“

„Dann wird es dich ja freuen, dass ich es auch auf sehr einfallsreiche Weise ausgegeben habe.“ Anne nahm belustigt Nikos Worte auf, aber innerlich kämpfte sie heftig gegen die Erinnerungen, die er geweckt hatte.

„Du hast alles ausgegeben? Das ist eigentlich fast unmöglich. Aber ich habe mich schon gefragt, warum Trevlyn so viel außenstehende Hilfe braucht, wenn seine Verlobte eine wohlhabende Frau ist.“

„Alles, was ich besitze, habe ich mir selbst erarbeitet. Von deinem Geld ist kein Cent mehr übrig. Es war in nicht ganz zwei Monaten ausgegeben.“ Welch ein erhebendes Gefühl! Rache war wirklich süß.

„Und du kannst es kaum erwarten, mir zu erzählen, wie“, gab Nikos sarkastisch zurück.

„Ich hatte etwas Hilfe dabei. Mr. Farlow hat alles arrangiert. Die Nutznießer waren ein Seniorenheim für Schauspieler und – bei deinem Lebenswandel kommt dir das sicher sehr entgegen – ein Hilfsfonds für Aidskranke.“

Nikos starrte sie fassungslos an. Aber Anne wartete keine weitere Reaktion ab, löste sich aus seinem Griff und kehrte an den Tisch in die sichere Gesellschaft der anderen zurück. Michael begrüßte sie sofort mit einem komisch verzweifelten Gesichtsausdruck. „Dad scheint sich königlich zu amüsieren, aber für meinen Geschmack etwas zu viel. Lass uns lieber mit ihm verschwinden, bevor er das singende Stadium erreicht.“

Anne war einverstanden. Sie bedachte Nikos mit einem flüchtigen Seitenblick. Zu ihrer Überraschung schien er überhaupt nicht wütend zu sein. Plötzlich fühlte sie sich erschöpft. Weshalb machte sie sich die Mühe, ihn zu quälen? Sie würde ihn niemals verstehen und er bedeutete ihr nichts mehr. Er war noch nicht einmal ihren Hass wert.

Anne atmete erleichtert die kühle Nachtluft ein. Der Abschied hatte sich noch ziemlich in die Länge gezogen. Nikos war der perfekte, charmante Gastgeber und Anne fragte sich schon, ob sie sich sein gemeines Verhalten ihr gegenüber nur eingebildet hatte. Er versprach Harry, gleich am nächsten Morgen nach London zurückzukehren und die Ausarbeitung der Vertragsdokumente zu veranlassen. Alles schien auf einmal in bester Ordnung zu sein. Weshalb spürte sie dann dieses nagende Gefühl von Unbehagen?

„Es tut mir leid wegen deines Verlobten“, raunte plötzlich eine tiefe Stimme an ihrem Ohr.

Anne zuckte zusammen. Nikos stand dicht hinter ihr und warf Harry einen abfälligen Blick zu. Sofort war sie auf der Hut. „Dein Geliebter wird dir heute Nacht nicht sehr viel zu bieten haben, mein Liebes“, fügte er noch anzüglich hinzu.

Doch ehe Anne darauf reagieren konnte, mischte sich Melanie mit leicht lallender Stimme ein: „Nikos-Darling, mir ist kalt. Können wir nicht endlich nach oben gehen?“

„Aber nein, Nikos-Darling“, nahm Anne diesen Ausdruck spöttisch auf und sah Nikos unschuldig an. „Auch du hast dich wirklich verändert, und bist zu betrunkenen Bettpartnern abgesunken. Wie traurig.“

„Touché“, gab Nikos sanft zurück. Sekundenlang hätte Anne schwören können, so etwas wie Leid in seinen Augen zu sehen. Aber dann drehte er sich um und ging hinein.

2. KAPITEL

Anne rollte sich auf ihrem Bett zusammen, wickelte die geblümte Bettdecke fest um sich herum und schloss die Augen. Aber sie fand keinen Schlaf. Es war, als würde die Stille des Hauses sie stören. Sie fühlte wieder die bodenlose Einsamkeit, die sie zum ersten Mal empfunden hatte, als ihre Eltern bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen waren.

Sie hatten beide als Schauspieler gearbeitet und nur wenig Zeit für Anne. So hatte sie schon in früher Kindheit erfahren müssen, dass sie sozusagen ein Versehen war, mit dem die Eltern nichts Rechtes anzufangen wussten. Im Wesentlichen hatten sich nur Kindermädchen um Anne gekümmert, bis sie mit acht Jahren dann alt genug war, um in ein Internat abgeschoben zu werden. Der einzige Versuch der Eltern, ihr eine normale Kindheit zu geben, waren die Ferien in Cornwall gewesen.

Anne war fünfzehn, als ihre Eltern starben. Tony Bonajee, der Agent ihrer Eltern, war zu Annes Vormund ernannt worden, und Farlow, der Familienanwalt, hatte das Vermögen verwaltet – ein Apartment in Kensington und gerade so viel Geld, um Annes Schulausbildung zu finanzieren. Und Anne hatte sich einsam und verlassen gefühlt, obwohl sich ihr Leben kaum verändert hatte. Der einzige Unterschied hatte nur darin bestanden, dass sie nun auch die Ferien im Internat verbrachte …

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!