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PRINZESSIN AUF PROBE? von CATHERINE MANN Prinz Carlos Medina ist fassungslos, als Lilah behauptet, von ihm schwanger zu! Er weiß, dass das vollkommen ausgeschlossen ist. Doch während er in ihre grünen Augen sieht, ist er hin- und hergerissen. Lilah verzaubert ihn … aber sie lügt und ist nur hinter seinem Geld her. Oder? DIE BRAUT DES PRINZEN von REBECCA WINTERS Nicco Tescotti ist ein Prinz wie aus dem Märchen. Aber für Callie steht fest: Sie wird nicht seine erkaufte Braut. Schließlich kennt sie den attraktiven Prinz Charming noch nicht einmal. Doch als sie das erste Mal auf Nicco trifft, verlangt ihr Herz, was ihr Verstand so ausdrücklich verbietet … SO HEISS KÜSST NUR EIN PRINZ von LYNN RAYE HARRIS Prinzessin Antonella sollte Prinz Cristiano di Savaré hassen – er ist der größte Feind ihres Landes! Doch ihr Körper verrät sie: Als Cristiano sie auf einer Luxusjacht in der Karibik mit einem lustvollen Kuss überrascht, spürt sie gegen ihren Willen ein sinnliches Prickeln …
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Seitenzahl: 573
Veröffentlichungsjahr: 2025
Catherine Mann, Rebecca Winters, Lynn Raye Harris
JULIA ROYAL BAND 36
IMPRESSUM
JULIA ROYAL erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
Neuauflage 2025 in der Reihe JULIA ROYAL, Band 36
© 2011 by Catherine Mann Originaltitel: „His Heir, Her Honor“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Gabriele Ramm Deutsche Erstausgabe 2011 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1682
© 2002 by Rebecca Winters Originaltitel: „Bride Fit For a Prince“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Sabine Buchheim Deutsche Erstausgabe 2005 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe ROMANA, Band 1563
© 2010 by Lynn Raye Harris Originaltitel: „The Prince’s Royal Concubine“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Susanne C. Roth-Drabusenigg Deutsche Erstausgabe 2011 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA EXTRA, Band 334
Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 02/2025 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751534017
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. Jegliche nicht autorisierte Verwendung dieser Publikation zum Training generativer Technologien der künstlichen Intelligenz (KI) ist ausdrücklich verboten. Die Rechte des Autors und des Verlags bleiben davon unberührt. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
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Catherine Mann
„Verstecken Sie die Kronjuwelen, meine Herren“, rief Lilah Anderson in die Männer-Umkleidekabine des St. Mary Krankenhauses. „Frau im Anmarsch.“
Das Klacken ihrer High Heels hallte in dem gefliesten Flur wider, als Lilah an einem Krankenpfleger vorbeimarschierte, der sich die Hände schrubbte, und an einem Anästhesisten, der mit einem viel zu kleinen Handtuch kämpfte. Unbeeindruckt von all der nackten Haut, dem empörten Räuspern und dem unterdrückten Lachen, bahnte sie sich ihren Weg durch den feuchtheißen Raum.
Ihr ging es lediglich darum, ihn ausfindig zu machen.
Niemand traute sich, sie aufzuhalten, denn als Chefin der Verwaltung in Tacomas führender Klinik könnte sie jeden Einzelnen von ihnen schneller entlassen, als er sich nach der Seife bücken konnte.
Ihr Problem? Ein besonders sturer Angestellter, der entschlossen zu sein schien, jeglichen Versuch ihrerseits, mit ihm zu sprechen, zu unterbinden. Und das schon seit Wochen. Deshalb hatte sie sich einen Ort ausgesucht, wo sie sich sicher sein konnte, dass Dr. Carlos Medina ihr seine volle Aufmerksamkeit schenken würde – die Dusche im Krankenhaus.
Wanda, seine Sekretärin, hatte sie gewarnt. Er sei nicht zu sprechen, da er sich nach einer langwierigen Operation frisch machen müsste. Außerdem, so Wanda, sei er erschöpft und ungnädig.
Doch davon ließ Lilah sich nicht abschrecken. Es war die perfekte Gelegenheit, um ihn in die Ecke zu treiben. Sie war mit zwei Brüdern aufgewachsen und entsprechend abgehärtet. Prüfend musterte sie die Duschen.
Drei davon waren in Betrieb. Hinter dem ersten Vorhang erkannte sie die Umrisse eines kleinen, rundlichen Mannes. Definitiv nicht Carlos.
Aus der zweiten Dusche linste erschrocken ein Mann hervor, dessen Haaransatz bereits deutlich zurückging. Auch er war nicht ihr gesuchter Chirurg.
Knapp nickte sie dem Chef der Kinderheilkunde zu. „Hallo, Jim.“
Jim verschwand blitzschnell wieder hinter dem Vorhang, und mit klopfendem Herzen wandte sich Lilah der dritten Dusche zu.
Sie vergewisserte sich, damit sie auch den Richtigen ansprach, indem sie den schlanken Körper hinter dem Plastikvorhang musterte. Er war dabei, sich die Haare zu waschen, und Lilah brauchte den Vorhang nicht einmal zur Seite zu ziehen, denn sie kannte diesen Körper gut … sehr gut sogar.
Ja, sie hatte Carlos Medina gefunden: Arzt, Liebhaber und – als hätte er nicht schon genügend Vorzüge – ältester Sohn eines ehemaligen europäischen Monarchen. Sein königlicher Stammbaum beeindruckte sie jedoch wenig. Schon lange bevor sie erfahren hatte, dass er ein Prinz war, hatte sie sich zu ihm hingezogen gefühlt. Er war brillant und brachte seinen Patienten viel Mitgefühl entgegen.
Sein Anblick im Arztkittel war auch nicht zu verachten, und wenn er gar nichts trug … Darüber sollte sie jetzt lieber nicht nachdenken.
Lilah fasste sich ein Herz und zog den Duschvorhang mit einem Ruck zur Seite.
Wasserdampf strömte ihr entgegen, sodass sie einen Moment lang kaum etwas sehen konnte. Dann klärte sich die Sicht, und … Wow! Was sie zu sehen bekam, war wahrlich nicht zu verachten. Wasser rann an Carlos’ nacktem Körper hinunter, der ihr seitlich zugewandt war, und dessen kräftige Muskeln angespannt waren. Außerdem, gütiger Himmel, präsentierte er ihr seinen knackigen Po.
Wassertropfen glitzerten auf seiner von Natur aus gebräunten Haut und in den dunklen Härchen, mit denen Arme und Beine bedeckt waren.
Als er gelassen den Kopf zu ihr herumdrehte, zeichnete sich auf seinem Gesicht keine Spur von Überraschung ab. Seine dunklen Augen wirkten wie immer rätselhaft und zogen Lilah in ihren Bann, sodass sie einen kleinen Schauer der Erregung nicht unterdrücken konnte. Die Schmetterlinge in ihrem Bauch waren ihrem Vorhaben nicht gerade zuträglich.
Carlos hob eine seiner dunklen Augenbrauen. „Ja?“
Selbst aus diesem einen Wort hörte man den leichten spanischen Akzent heraus, einen Akzent, der so betörend war, dass Lilah noch heißer wurde. Am liebsten hätte sie ihre Kostümjacke ausgezogen.
In der Dusche nebenan wurde das Wasser ausgestellt, und der Leiter der Kinderheilkunde hastete zu den Spinden, wo die anderen Mitarbeiter ganz offensichtlich neugierig zuhörten, auch wenn sie Lilah den Rücken zuwandten.
Lilah zupfte ihre Jacke zurecht. „Ich muss mit dir reden.“
„Ein Telefonat hätte meinen Kollegen eine gewisse Verlegenheit erspart.“ Wie immer sprach Carlos leise. Er brauchte seine Stimme nicht zu erheben, denn die Leute hingen auch so an seinen Lippen.
„Was ich zu sagen habe, ist nichts für ein unpersönliches Telefongespräch.“ Zwar war es auch nicht für die neugierig gespitzten Ohren in der Umkleidekabine geeignet, aber sie würde ja gleich mit Carlos allein sein.
Ganz allein?
Auf einmal knisterte es zwischen ihnen, und die kleinen Härchen auf ihren Armen stellten sich auf. Auch seine Augen begannen zu funkeln, oder? Doch Carlos blinzelte, und sofort wirkte seine Miene wieder ausdruckslos.
„Viel persönlicher als das hier kann es wohl kaum werden, Chefin.“ Er stellte die Dusche aus. „Kannst du mir bitte das Handtuch geben?“
Sie schnappte sich das weiße Handtuch und warf es ihm zu, um keine Berührung zu riskieren. Als er es sich um die Hüften schlang, konnte sie der Versuchung nicht widerstehen und riskierte einen Blick.
Nass wirkte sein Haar noch dunkler. Es war zurückgestrichen, sodass die ausgeprägten aristokratischen Gesichtszüge deutlich zu erkennen waren. In seinen braunen Augen blitzte selten Humor auf. Doch als sie sich geliebt hatten, war die Glut in ihnen unverkennbar gewesen.
Carlos drehte sich um und wandte ihr den Rücken zu, um nach seinem Shampoo zu greifen. Lilahs Blick schweifte vom festen Po zu den Narben auf seinem Rücken. Carlos humpelte und hatte das immer mit einem Reitunfall in seiner Jugend begründet. Nachdem sie die Narben das erste Mal entdeckt und Carlos gedrängt hatte, ihr mehr darüber zu erzählen, hatte er vom Thema abgelenkt, indem er ihren nackten Körper mit Küssen übersät hatte.
Auch wenn sie Juristin und keine Ärztin war, erkannte sie, dass er nicht nur äußerliche Wunden davongetragen hatte.
Die Kulturtasche unter den Arm geklemmt, beugte er sich zu ihr und musterte sie mit kühlem Blick, bis Lilah schlucken musste.
„Können wir das jetzt bitte schnell erledigen?“, meinte er grimmig.
„Dein Charme betört mich immer wieder.“
„Wenn du auf Charme aus bist, hast du vor vier Jahren den falschen Mann eingestellt.“ Er war damals vierunddreißig gewesen, sie einunddreißig. Ihr kam es vor, als wäre es eine Ewigkeit her. „Ich habe fast den ganzen Tag damit zugebracht, die Wirbelsäule eines siebenjährigen afghanischen Mädchens zu reparieren, das durch eine Sprengbombe verletzt wurde. Ich bin fertig.“
Ungewollt verspürte Lilah Mitleid. Natürlich war er erschöpft. Auch wenn er seinen Stolz bezwang und bei solch langen Operationen einen Stuhl benutzte, war es offensichtlich, dass diese Art von OP ihren Tribut forderte. Doch sie konnte es sich nicht leisten, jetzt schwach zu werden.
Eigentlich waren Carlos und sie seit Jahren befreundet, doch nach ihrem impulsiven One-Night-Stand nach einer Spendengala kurz vor Weihnachten hatte er sich als kaltherziger Schuft entpuppt. Dabei war es nun wirklich nicht so, dass sie ihm die Pistole auf die Brust gesetzt hätte, um einen Hochzeitstermin festzulegen, nachdem er sie zum dritten Mal zum Höhepunkt gebracht hatte.
Allein bei der Erinnerung an jene Nacht wogte ein wohliger Schauer durch ihren Körper. Es war unglaublich gewesen, und natürlich hatte sie gehofft, dass sie künftig nicht nur eine freundschaftliche, sondern auch eine sehr intime Beziehung mit ihm pflegen könnte. Doch am nächsten Morgen hatte Carlos ihr die kalte Schulter gezeigt. Er war kühl, zurückhaltend und übertrieben höflich gewesen.
Jetzt verscheuchte sie die unschönen Erinnerungen. Sie hatte nicht vor, sich einschüchtern zu lassen. „Ich habe keine Zeit für Spitzfindigkeiten. Ich habe dir etwas zu sagen, also zieh dich an und lass uns reden.“
Er senkte den Kopf, und sein warmer Atem strich über ihr Ohr. „Du gehörst nicht zu den Frauen, die eine Szene machen. Lass uns einen Termin verabreden. Bis dahin hast du dich hoffentlich wieder beruhigt. Das hier ist schon peinlich genug.“
Der Duft seines Shampoos stieg ihr in die Nase. Ja, sie hatte sich einen ungewöhnlichen Ort für diese Konfrontation ausgesucht, aber Carlos Medinas Sturheit war bekannt. Bei ihr würde die Krankenhausleitung bestimmt ein Auge zudrücken. Und wenn nicht? Dann war es eben so. Manchmal musste eine Frau zu ihrer Entscheidung stehen.
Jetzt war der richtige Zeitpunkt gekommen, denn viel länger konnte sie nicht warten.
„Ich lasse mich von dir nicht schon wieder abwimmeln.“ Sie senkte die Stimme, obwohl verhallende Schritte die Vermutung nahelegten, dass nicht mehr viele Mitarbeiter in der Umkleide waren. „Wir reden. Heute. Du darfst entscheiden, ob wir die Sache hier vor allen Leuten besprechen oder vielleicht doch lieber in deinem Büro. Und glaub mir, wenn wir hierbleiben, wird es noch viel peinlicher.“
Carlos hob eine Augenbraue.
Lilah hörte, wie sich hinter ihr jemand räusperte. Vielleicht war es aber auch ein unterdrücktes Lachen. Als sie Carlos anschaute, wurde ihr auf einmal schmerzhaft bewusst, wie nah sie beieinander standen – und nichts als ein Handtuch bedeckte seine durchaus nicht kleinen „Kronjuwelen“.
Vergiss es, ermahnte sie sich. Carlos hatte sie seit fast drei Monaten ignoriert, was angesichts ihrer Freundschaft nicht nur wehgetan hatte, sondern auch beleidigend gewesen war.
Flüsternd fuhr sie fort: „Es ist ja nicht so, dass ich dich nicht schon … so gesehen hätte. Ich kann mich sogar noch ganz genau erinnern …“
„Das reicht“, schnitt er ihr das Wort ab.
„Der allmächtige Medina-Prinz hat gesprochen“, kommentierte sie sarkastisch, während sie nach einem Stapel mit OP-Kleidung griff. „Zieh dich an. Ich warte.“
Sie drückte ihm die Sachen in die Hand und drehte sich um. Ein Trio halb bekleideter Männer starrte sie an. Erst in diesem Moment wurde ihr die Tragweite der Szene bewusst, die sie hier provoziert hatte, und sie wäre am liebsten im Erdboden versunken.
Aber das Ganze war zu wichtig, da durfte sie keinen Rückzieher machen. Sie hatte gehofft, sie könnte genügend Distanz wahren während dieses ersten Gesprächs seit Langem. Sie presste die Finger an die Lippen und konnte noch immer nicht die Leidenschaft vergessen, die der erste Kuss von Carlos in ihr ausgelöst hatte. Ein Kuss, der zu viel mehr geführt hatte und weitreichende Konsequenzen haben würde.
Sobald Carlos sich etwas angezogen hatte und sie endlich allein waren, würde sie ihm erzählen, was sie selbst erst langsam hatte akzeptieren müssen. Etwas, was sie nicht länger verbergen konnte.
Dr. Carlos Medina war nur noch etwas mehr als sechs Monate davon entfernt, Vater eines kleinen Prinzen oder einer Prinzessin zu werden.
Carlos Medina war nur noch sechs Sekunden davon entfernt, die Geduld zu verlieren – etwas, was ihm sonst nie passierte.
Natürlich war er selbst schuld, weil er vor fast drei Monaten mit Lilah geschlafen und damit eine wirklich gute Arbeitsbeziehung ruiniert hatte.
Schweigend wich er einer Putzfrau aus, die den Boden des ansonsten leeren Flures im Krankenhaus wischte, und folgte Lilah. Schummriges Licht drang durch die vom Regen nassen Fenster. Doch sein Blick war ohnehin nur auf die Frau gerichtet, die zwei Schritte vor ihm auf sein Büro zumarschierte.
Sein Büro. Nicht ihres. Sein Territorium.
Auch wenn sie in der Dusche die Oberhand gehabt hatte, noch einmal würde er nicht nachgeben. In seinem Büro würden sie zudem garantiert ungestört bleiben. Kaum hatte man enthüllt, dass er ein Medina war, waren die Paparazzi wie ein Heuschreckenschwarm in das Krankenhaus eingefallen. Er hatte schon befürchtet, seine Stelle aufgeben zu müssen, um die Sicherheit der Patienten nicht zu gefährden.
Doch da hatte er Lilah unterschätzt.
Sie hatte es geschafft, die Presse aus dem Krankenhaus fernzuhalten, indem sie die Sicherheitsmaßnahmen drastisch erhöht und ihm zusätzlich ein Büro im hintersten Winkel der Klinik zugeteilt hatte. Übereifrige Reporter müssten zwei Sicherheitssperren und ein halbes Dutzend gut bemannter Schwesternstationen überwinden, ehe sie sein Heiligtum erreichten. Und bisher hatte das noch niemand geschafft.
Ja, er hatte Lilah unterschätzt, doch das würde ihm nicht noch einmal passieren. In ihrer Gegenwart musste er auf der Hut sein, vor allem, da er an kaum etwas anderes denken konnte als daran, wie sie ihn in der Dusche so ungeniert gemustert hatte. So, als hätte sie nichts dagegen, seinen Körper wieder zu berühren. Oder ihn mit Haut und Haaren zu verschlingen. Verdammt, er hatte nicht erwartet, sie wiederzusehen, ohne zumindest mit Boxershorts gerüstet zu sein.
Der dezente Hüftschwung, das schwarze Kostüm – sie erregte ihn mehr, als er zugeben wollte. Er ließ den Blick über ihren Rücken wandern, bis hinauf zu ihrem Hals. Ihr rotbraunes Haar hatte sie hochgesteckt, und nur eine Locke war dem festen Knoten entschlüpft und streichelte ihr Ohr, etwas, was er auch nur zu gern getan hätte, obwohl er sich so über sie geärgert hatte.
Seit Jahren begehrte er Lilah, doch er wusste, dass sie eine Frau war, von der er die Finger lassen musste. Sie durchschaute ihn viel zu leicht. Außerdem war sie eine viel zu gute Freundin und genauso ein Workaholic wie er. Als Mann, der nur wenige enge Freunde hatte, schätzte er die unerwartete Kameradschaft, die ihn mit Lilah verband, viel zu sehr, um sie aufs Spiel zu setzen.
Als sie in sein Vorzimmer traten, löste er den Blick von dem verführerischen Anblick, den Lilahs Po darstellte, und nickte seiner Sekretärin zu. „Bitte keine Anrufe, Wanda, es sei denn, es geht um das afghanische Mädchen, das ich eben operiert habe.“
Der Schmerz in seinem Rücken erinnerte ihn daran, wie lange er daran gearbeitet hatte, um wenigstens sicherzustellen, dass das Mädchen ihre Arme wieder benutzen konnte. Dass sie jemals wieder würde laufen können, war unwahrscheinlich. Als er sein Büro betrat, stützte er sich am Türrahmen ab, weil er sich nach dem langen Tag kaum noch auf den Beinen halten konnte.
Lilah blieb vor einem Ölgemälde von Joaquín Sorolla y Bastida stehen, einem Geschenk seines Bruders Duarte. Und wenn Carlos auch noch so viel Distanz zwischen sich und seinem Heimatland schuf, konnte er doch seinem Erbe nicht entfliehen. Er war der älteste Sohn des gestürzten Königs Enrique Medina aus San Rinaldo, einer kleinen Insel vor der Küste Spaniens.
Erst vor Kurzem hatte die Presse das Geheimnis der Medinas gelüftet. Carlos und seine beiden Brüder, inzwischen längst erwachsen, lebten in unterschiedlichen Orten der Vereinigten Staaten. Bis vor vier Monaten hatten sie unerkannt und unbehelligt unter falschen Namen leben können. Nur Enrique, der auf einer Insel vor Floridas Küste wohnte, hatte man noch nicht ausfindig gemacht.
Die meiste Zeit seines Lebens als Erwachsener hatte er sich Carlos Santiago genannt, doch seit der Enthüllung war er nur noch Prinz Carlos Medina, Erbe eines nicht mehr existierenden Königreiches.
Lilah war eine der Wenigen, die ihn auch nach dem Bekanntwerden seiner wahren Identität nicht anders behandelt hatte. Weder war sie beeindruckt noch wütend gewesen, weil er sie seit Jahren getäuscht hatte. Sie verstand seine Beweggründe.
Da er unter falschem Namen eingestellt worden war, hatte sie nur darauf bestanden, dass er bewies, dass all seine medizinischen Zulassungen in Ordnung waren.
Letztlich war sie vor allem eine logisch denkende und pragmatische Frau.
Wie kam also eine solch vernünftige Frau dazu, in die Männerumkleide zu spazieren und ihn unter der Dusche zur Rede zu stellen? Dass er sich in dem Moment gewünscht hatte, er könnte sie zu sich unter den Wasserstrahl ziehen und ihr die Kleider vom Leib reißen, bis sie genauso nackt und erregt war wie er, tat ja nichts zur Sache.
Er schloss die Bürotür, und damit waren sie allein in seinem kleinen, spärlich möblierten Reich mit den dunklen Ledermöbeln, den Büchern und dem Gemälde von seinem Bruder.
Um den Druck in seinem schmerzenden Rücken etwas zu mildern, lehnte er sich gegen die Wand und schaute Lilah an. Sie hielt sich noch immer aufrecht, doch ihr Gesicht war blass. Sehr blass.
Zu sehr Arzt, um das zu ignorieren, bekam Carlos ein schlechtes Gewissen. Ganz offensichtlich stand sie unter großem Stress. Anders war ihr ungestümer Auftritt in der Dusche nicht zu erklären. Normalerweise legte sie ihren Fall ruhig dar und schlug dann gnadenlos und mit einer Präzision zu, die ihr eine brillante Karriere versprach. Das hätte er erkennen müssen. Idiotischerweise war er davon ausgegangen, dass ihr Auftritt etwas mit ihrer gemeinsamen Nacht vor drei Monaten zu tun hatte.
Carlos musterte ihre grünen Augen, entdeckte die dunklen Schatten darunter. „Gibt es schlechte Neuigkeiten wegen der Finanzierung des neuen Rehabilitationsgebäudes?“
„Es geht nicht um die Arbeit …“ Sie zögerte und biss sich auf die vollen Lippen, die wie geschaffen waren zum Küssen.
Die Sorge um sie vertrieb einen Teil seiner Verärgerung. Er stieß sich von der Wand ab und ging auf sie zu, angezogen nicht nur von den Erinnerungen an ihre Freundschaft, sondern auch von ihrem Parfum. Es war ein dezenter Duft, da es im Krankenhaus strikte Vorschriften gab, die stark riechende Parfums, Seifen und Cremes verboten. Doch es war der einzigartige Duft, den er nur mit Lilah in Verbindung brachte, und bei dem sein Puls jedes Mal stieg.
Lilah ließ ihn nicht aus den Augen, als er humpelnd näher kam, jeder Schritt eine Qual nach all den Stunden, die er im OP gestanden hatte. Doch er hatte schon vor langer Zeit aufgehört, sich über diesen offensichtlichen Makel Gedanken zu machen. Es gab im Leben so viel Wichtigeres. Er wusste, er konnte froh sein, überhaupt laufen zu können.
Er blieb vor ihr stehen. „Was ist denn so wichtig, dass du eine Szene machst, die noch die nächsten vier Wochen für Gesprächsstoff in der Cafeteria sorgen wird?“
„Es geht darum, was nach der Spendengala passiert ist.“
Carlos schluckte. Mit wenigen Worten hatte sie das Tor zu den Erinnerungen geöffnet. An jenem Abend waren sie hierher in sein Büro getaumelt und hatten die Nacht schließlich in seinem Haus verbracht. Die Erinnerungen waren zu lebhaft und folgten zu schnell auf Lilahs forschen Auftritt in der Dusche. Zum Glück hatte sie ihm so schnell das Handtuch gegeben, denn er war verdammt kurz davor gewesen, ihr ganz offensichtlich zu zeigen, wie sehr sie ihn noch immer berührte. Ihr den Rücken zuzukehren, um nach seinem Shampoo zu greifen, hatte ihm immerhin ein paar Sekunden gelassen, um seine Libido wieder unter Kontrolle zu bringen.
Es war leichtsinnig genug von ihm gewesen, der Versuchung nachzugeben, mit Lilah zu schlafen. Seitdem hatte er sich jeden Tag damit gequält, diese Nacht noch einmal zu durchleben, wohl wissend, dass es ganz leicht war, erneut der Versuchung zu erliegen. Als Lilah ihn unter der Dusche so eingehend gemustert hatte, war ihr Blick ihm fast wie ein Streicheln vorgekommen, und es war ihm, genau wie jetzt, schwergefallen, sich an all die Gründe zu erinnern, warum er die Finger von ihr lassen sollte.
Jetzt gelang es ihm definitiv auch nicht, denn er strich mit dem Finger über die einzelne Locke, die ihr Ohr umspielte. Ihre weiche Haut, das seidige Haar, all das zog ihn magisch an und ließ ihn seine guten Vorsätze vergessen.
Lilah riss ihre wunderschönen Augen auf, eine Sekunde, bevor er ihr die Hand in den Nacken legte und noch näher an sie herantrat. Genüsslich registrierte er, dass sie ihre herrlichen Kurven an ihn schmiegte. Die Rundung ihrer Brüste, die wohlgeformten Hüften, Lilah zu spüren weckte nicht nur sein Verlangen, sondern wieder einmal die Erinnerungen an ihre gemeinsame Nacht.
„Carlos“, flüsterte sie, während sie die Hände auf seinen Oberkörper legte, „du bist so unglaublich arrogant.“
Trotzdem schmiegte sie sich an ihn. Im nächsten Moment setzte sein Verstand aus, und er presste die Lippen auf ihren Mund.
Das Verlangen überkam ihn, es gab kein Entkommen. Kurz verspannte Lilah sich, bevor sie ihn an sich zog. Ihre offensichtliche Wut änderte nichts daran, dass sie sich begierig an ihn drängte. Ihr Geschmack, das Spiel ihrer Zunge, erinnerten ihn daran, wie schnell die Leidenschaft zwischen ihnen aufgelodert war. Während der vergangenen Wochen Distanz zu wahren war einerseits notwendig, andererseits völlig sinnlos gewesen.
Dies hier war unausweichlich. Carlos schob die Finger in ihr Haar und löste den Knoten, bis die seidigen Strähnen über seine Hände glitten. Wie einfach wäre es, ihr das Kostüm vom Leib zu reißen, sich ebenfalls auszuziehen … Das Ledersofa in der Ecke war breit genug.
Sein Schreibtisch war näher.
Mit der Hand fuhr er über die glatte Mahagonifläche und beförderte Stifte, einen Kalender und einen Notizblock auf den Boden. Er schob Lilah zum Schreibtisch, umfasste ihren Po und hob sie auf die Tischkante. Ohne den Kuss zu unterbrechen, öffnete er den obersten Knopf ihrer Jacke.
Lilah stöhnte und murmelte etwas, das eindeutig nach Ermutigung klang, sodass Carlos nicht zögerte, auch die anderen Knöpfe zu öffnen. Ein silberfarbenes Shirt, das ihren Körper wie eine zweite Haut umschloss, kam darunter zum Vorschein. Er küsste ihre Mundwinkel und glitt dann tiefer, an ihrem Hals entlang, bis er an den üppigen Rundungen ihrer Brüste angekommen war. In seinen Erinnerungen war er ihr eindeutig nicht gerecht geworden. Als er kleine Küsse in dem verführerischen Tal verteilte, warf Lilah den Kopf in den Nacken. Begierig, endlich ihre nackte Haut zu spüren, zog er ihr das Shirt aus dem Rock, schob die Hand tiefer und legte sie auf die kleine Rundung ihres Bauches.
Im selben Moment erstarrte Lilah förmlich.
Die Kälte, die sie auf einmal ausstrahlte, wirkte, als hätte sie ihm einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf geschüttet. Verdammt, monatelang hatte er sich zurückgehalten. Doch kaum war sie wieder in seiner Nähe – was er ja nicht gewollt hatte –, konnte er sich nicht mehr beherrschen. Er löste sich von ihr und ließ sich neben ihr gegen den Schreibtisch sinken. Tief durchatmend sah er aus dem Augenwinkel, wie sie sich mit zitternden Fingern die Jacke wieder zuknöpfte.
Irgendwie musste er einen Ausweg aus dieser heiklen Situation finden, die er selbst heraufbeschworen hatte. „Lilah, mir scheint, dass es ein Fehler von mir war, das, was nach der Spendengala passiert ist, zu ignorieren. Wir müssen eine Lösung finden, um eine vernünftige Basis für die Arbeit hier im Krankenhaus zu schaffen.“
„Ja, verdammt, es ist passiert.“ Vehement schloss sie die Knöpfe, und ihr Körper schien fast zu vibrieren vor unterdrückter Energie. „Glaub mir, es ist sehr unwahrscheinlich, dass ich es je vergesse.“
Carlos rieb sich frustriert die Nase, während er nur eine Antwort auf das Problem fand. „Mein Leben ist aufgrund meiner Herkunft extrem kompliziert, und auch wenn ich mir um deinetwillen wünschen würde, es wäre anders, kann ich nichts daran ändern, dass ich ein Medina bin.“ Entschlossen, seinen spontanen Entschluss weiterzuverfolgen, fuhr er fort: „Aber ich finde, wir sollten überlegen, ob wir uns nicht doch auf eine Affäre einlassen sollten.“
Lilah riss die Augen auf und schnappte nach Luft, bevor sie anfing zu lachen.
„Lilah?“ Er legte einen Finger unter ihr Kinn und drehte ihren Kopf zu sich herum. „Das ist bestimmt die beste Lösung, um diese Anziehungskraft, die ja eindeutig zwischen uns besteht, abzuarbeiten, bis wir wieder normal weitermachen können.“
Abrupt verstummte ihr Lachen, und sie sah ihn ernst an. „Noch vor Kurzem hätte ich dir sicherlich zugestimmt. Aber dafür ist es jetzt zu spät, Carlos.“
Die Enttäuschung, die er verspürte, war größer, als er vermutet hätte, zumal er seinen Vorschlag so unüberlegt herausposaunt hatte. Er hätte schon früher mit Lilah sprechen sollen. Vielleicht war sie sauer, weil er ihr so lange aus dem Weg gegangen war.
Okay, dann würde er eben ihre Vorbehalte einen nach dem anderen ausräumen müssen. „Das sehe ich nicht so.“
„Dir fehlen noch ein paar wichtige Informationen.“ Sie richtete sich auf. „Ich bin schwanger. Im dritten Monat. Und du bist der Vater.“
Schwanger?
Der Schock nahm ihm fast den Atem. Eine Sekunde später folgten Fassungslosigkeit und Resignation darüber, dass auch Lilah ihn betrog.
Dabei hatte er schon geglaubt, nichts könnte ihn mehr erschüttern. Zu oft war er von anderen verraten worden. Doch das setzte dem Ganzen die Krone auf. Ein bitteres Lachen entfuhr ihm.
Lilah verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn grimmig an. „Wenn du mir damit mein Lachen von eben zurückzahlen willst, dann kann ich nur sagen, dass ich das nicht besonders lustig finde.“
„Glaub mir, ich auch nicht.“ Die Narben auf seinem Rücken schmerzten und erinnerten ihn daran, was er alles vor fünfundzwanzig Jahren auf der Flucht aus San Rinaldo verloren hatte. Er hatte der Welt immer erzählt, die Narben würden von einem Reitunfall stammen, den er als Teenager erlitten hätte. Die Lüge war so viel annehmbarer als die Wahrheit.
Lilah presste wütend die Lippen aufeinander. „Das ist keine besonders schöne Geschichte, um sie irgendwann unserem Kind zu erzählen.“
„Unserem Kind? Ich glaube nicht.“ Wenn jemand Grund hatte, wütend zu sein, dann ja wohl er. „Es heißt ja, im Zweifelsfall für den Angeklagten, von daher gehe ich einfach mal davon aus, dass du dich nur täuschst, weil du nicht genau weißt, wer der Vater deines Kindes ist. Es scheint mir unvorstellbar, dass du mir ganz bewusst das Kind eines anderen Mannes als meins unterschieben willst.“
Sie verpasste ihm eine Ohrfeige. „Du Mistkerl.“
„Entschuldige?“, fragte er und betastete seinen schmerzenden Kiefer, um ein wenig Zeit zu gewinnen. Er war kurz davor, die Beherrschung zu verlieren.
„Du hast mich genau verstanden. Glaub mir, das war noch eins der harmloseren Wörter, die mir im Moment einfallen. Wir mögen vielleicht keine … Freunde … mehr sein, aber das hätte ich nun doch nicht von dir erwartet.“ Sie machte eine Handbewegung, als wollte sie auf diese Weise all das, was eben zwischen ihnen vorgefallen war, umfassen. „Du wirkst zwar oft eiskalt, aber bisher habe ich immer gedacht, dass du zumindest ein gewisses Ehrgefühl besitzt.“
Carlos fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und widerstand der Versuchung, zu sagen, dass er dasselbe von ihr gedacht hatte. Sie war schwanger – auch wenn es nicht sein Kind war. Das erschütterte ihn, zumal er noch immer heftiges Verlangen nach ihr verspürte. Das Thema Affäre hatte sich jetzt wohl erledigt.
Er zwang sich, seine Wut zu bezähmen. „Lilah, es tut mir leid. Aber es ist definitiv nicht mein Kind.“
Sie zupfte ihre Kostümjacke zurecht. „Ich habe nicht vor, dich zu zwingen, das Kind zu lieben oder anzuerkennen. Dieses Baby verdient etwas Besseres, auf jeden Fall einen besseren Vater. Ich habe meine Pflicht getan, indem ich dich darüber informiert habe. Und jetzt kannst du zur Hölle fahren.“
Der Klang ihrer Stimme, die Intensität ihres Zorns verrieten Carlos, dass Lilah anscheinend wirklich glaubte, dass das Kind von ihm war. Er wusste, das konnte nicht sein. Wenn sie den Entbindungstermin auch nur um ein paar Wochen falsch berechnet hatte, dann war es vermutlich sogar logisch, dass sie zu dieser Schlussfolgerung gelangt war. Allerdings war ihm gar nicht bewusst gewesen, dass sie sich mit einem anderen Mann getroffen hatte. Aber er war ihr ja seit Weihnachten auch aus dem Weg gegangen.
„Hör zu.“ Er deutete auf ihren Bauch. „Dies ist nicht mein Kind, was bedeutet, dass du mit dem wirklichen Vater reden solltest.“
Überraschenderweise verspürte er einen Anflug von Eifersucht, als ihm jetzt zum ersten Mal klar wurde, dass sie mit einem anderen Mann geschlafen haben musste – und zwar kurz vor oder nach ihrer gemeinsamen Nacht. Verdammt, nein, darüber würde er jetzt nicht nachdenken.
„Du hast recht, wenn du sagst, dass der Mann es erfahren sollte. Aber dieser Mann bin nicht ich.“ Nicht nach dem, was ihm in der Nacht ihrer Flucht aus San Rinaldo passiert war. Rebellen hatten nicht nur seine Mutter getötet, sondern auch fast sein Leben ausgelöscht, weil er versucht hatte, sie zu beschützen. Aber er hatte, wie durch ein Wunder, überlebt.
Als Lilah etwas sagen wollte, hob er eine Hand. „Der Unfall, der zu meinem Humpeln geführt hat, hatte auch andere körperliche Auswirkungen.“ Carlos fiel es schwer, das auszusprechen, doch Lilah musste die Wahrheit erfahren. „Lilah, ich bin zeugungsunfähig.“
Lilah hatte schon so manchen Schock in ihrem Leben verkraften müssen, sei es als Staatsanwältin oder hier in der Krankenhausverwaltung. Die Tatsache, dass Dr. Carlos Medina seine königlichen Wurzeln verheimlicht hatte, war zum Beispiel etwas gewesen, was sie völlig geschockt hatte. Doch das, was er eben von sich gegeben hatte, übertraf alles.
Sie umklammerte die Kante des Schreibtisches, um nicht vollkommen aus dem Gleichgewicht zu geraten. Während sie Carlos musterte, fragte sie sich, was einen von Natur aus ehrenwerten Mann dazu bringen konnte, das eigene Kind zu verleugnen.
Ihre Hand kribbelte noch immer von der Ohrfeige, die sie ihm gegeben hatte, als er sie vorhin eine Lügnerin genannt hatte. Es ärgerte sie, dass sie die Kontrolle verloren hatte … auch schon bei dem Kuss. Kein Mann sollte solch eine Wirkung auf sie haben. Sie hatte lange und hart darum gekämpft, nicht so zu werden wie ihre Mutter. Und doch hatte schon eine einzige Berührung von Carlos’ Lippen genügt, und sie war schwach geworden.
„Du bist zeugungsunfähig?“, wiederholte sie, weil sie glaubte, sich verhört zu haben. Sie musste sich verhört haben, denn sie trug den Beweis seiner Zeugungsfähigkeit in sich. Entweder täuschte er sich, oder er war ein kaltblütiger Lügner.
„Das habe ich gesagt, ja.“ Er verlagerte sein Gewicht auf einen Fuß, eine Bewegung, die, oberflächlich betrachtet, zufällig aussah. Aber da Lilah ihn seit Jahren kannte, wusste sie, dass er damit sein verletztes Bein und den schmerzenden Rücken entlastete, etwas, was er unweigerlich tat, wenn er unter Stress stand.
Carlos wurde als einer der Halbgötter in Weiß angesehen, ein Chirurg, dem man zutraute, Wunder zu vollbringen. Ihr war aufgefallen, dass die meisten Menschen nur diesen Erfolg und seine Intelligenz wahrnahmen – einmal ganz davon abgesehen, dass sie sich von seinem guten Aussehen blenden ließen. Die Wenigsten blickten hinter die Fassade und entdeckten den Druck, den er auf sich ausübte. Mit dem Verlagern des Gewichts von einem Fuß auf den anderen und der Gewohnheit, den Rücken abzustützen, indem er sich gegen etwas lehnte, versuchte er, sich zu entlasten, ohne dass es anderen auffiel.
Doch daran durfte sie jetzt nicht denken. Für sie stand zu viel auf dem Spiel, als dass sie seiner Anziehungskraft nachgeben durfte.
„Warum hast du damals nichts gesagt?“, fragte sie skeptisch.
„Ich hielt die Information für nicht sonderlich relevant, da das Thema Fortpflanzung nicht zur Debatte stand.“ Sein süffisanter Tonfall reizte sie noch mehr.
„Aber du hast Kondome benutzt … auch wenn das eine im Whirlpool geplatzt ist.“
Allein der Gedanke an den Abend, als sie beide so sehr die Kontrolle verloren hatten, brachte sie wieder aus dem Gleichgewicht.
„Bei sicherem Sex geht es um mehr als um Schwangerschaftsverhütung.“
Natürlich wusste sie das. Sie war in helle Aufregung geraten, als das Kondom gerissen war, auch wenn Carlos ihr sofort versichert hatte, er sei gesund. Doch nie hatte sie das Schluchzen ihrer Mutter hinter der verschlossenen Schlafzimmertür vergessen können. Lilah war noch ein Kind gewesen, doch alt genug, um das Wesentliche des Streits ihrer Eltern zu verstehen.
Wieder einmal hatte ihr Vater eine Affäre gehabt, eine folgenschwere, denn er hatte seine Frau mit einer Krankheit angesteckt. Diese war heilbar gewesen, zum Glück, doch Lilah war entsetzt gewesen, wie schnell ihre Mutter ihm die Untreue vergeben hatte. Wieder und wieder.
Statt die Gedanken an ihre Mutter zu verdrängen, ließ Lilah sie zu, als Motivation, jetzt standhaft zu bleiben. „Dies ist dein Kind. Ich will kein Geld von dir, und ich habe auch nicht das geringste Interesse an diesem ganzen königlichen Kram. Ich möchte nur, dass mein Kind weiß, wer sein Vater ist.“
„Es ist nicht mein Baby“, erklärte er voller Überzeugung.
Lilah machte es wütend, dass er es weiterhin abstritt.
„Nur weil du als Teenager mal einen Reitunfall hattest?“ Sie war keine Ärztin, aber irgendwie klang seine Begründung nicht wirklich überzeugend, auch wenn seine Stimme absolut ernst war und seine aristokratische Miene so entschlossen wirkte.
„Das Trauma des Unfalls, zusammen mit einer Infektion nach der Operation, hat mich zeugungsunfähig gemacht. Ich bin Arzt, falls du das vergessen haben solltest. Dein Kind muss von jemand anderem sein.“
Ein Schatten huschte über sein Gesicht. Verärgerung, Verdruss? Ehe sie sich sicher sein konnte, sah er sie wieder mit steinerner Miene an.
Wenn jemand wütend sein durfte, dann war es ja wohl sie. Am liebsten hätte sie vor Frust geschrien. Ob Carlos es nun glaubte oder nicht, aber sie sprach mit dem Vater. „Carlos, du hörst mir nicht zu. Es gibt niemand anderen“, erklärte sie langsam, in der Hoffnung, dass er die Wahrheit aus ihren Worten heraushörte. „Außer dir hat es in den vergangenen acht Monaten niemanden gegeben“, gestand sie.
Eine Falte erschien auf seiner Stirn, doch weil er schwieg, fuhr sie fort: „Es ist völlig unmöglich, dass ich das Kind eines anderen Mannes in mir trage. Und glaub mir, ich bin schwanger.“ Ihre Stimme schwankte zum ersten Mal. „Ich habe das Ultraschallbild gesehen. Unser Baby ist gesund und munter.“
Ihr Leben hatte sich innerhalb von so kurzer Zeit so drastisch verändert, dass es sie fast überwältigte. Bisher war sie mit allem fertig geworden, was das Leben ihr an Hindernissen in den Weg gelegt hatte, sei es im Jurastudium in Yale oder im Gericht.
Niemals war ihr der Einsatz allerdings so hoch vorgekommen wie jetzt, als sie für ein winziges, schutzloses Wesen kämpfen musste.
Carlos’ Miene verriet Mitgefühl und, noch schlimmer, Mitleid. „Du glaubst das tatsächlich.“
„Und du tatsächlich nicht.“
Endlich hörte und akzeptierte sie, was er ihr von Anfang an sagen wollte. Sie hatte eine Reihe von Reaktionen erwartet und sich entsprechend darauf vorbereitet, so wie sie einen juristischen Fall vorbereiten würde. Hiermit hatte sie allerdings nicht gerechnet. Offenbar hatten seine Ärzte eine falsche Diagnose gestellt, und seine Weigerung, das auch nur in Erwägung zu ziehen und stattdessen darauf zu beharren, dass sie ihn anlog, verletzte sie tief.
Seine Reaktion war enttäuschend, denn auch wenn sie sich seit Wochen einredete, ihn nicht zu brauchen, hatte sie doch auf … mehr gehofft.
Die Küsse von eben bedeuteten ihm offenbar nichts. Sie bedeutete ihm nichts, also musste sie dafür sorgen, dass auch er ihr nichts mehr bedeutete.
Lilah atmete tief durch. „Ich habe meine Pflicht erfüllt und dich informiert. Ein Vaterschaftstest nach der Geburt wird beweisen, dass ich die Wahrheit sage. Schauen wir mal, wie sich Seine königliche Hoheit dann fühlt.“
Entschlossen, wenigstens ihren Stolz zu wahren, warf Lilah ihm noch einen bösen Blick zu, ehe sie mit hoch erhobenem Haupt zur Tür ging. Diese Unterhaltung war so viel schrecklicher verlaufen, als sie sich ausgemalt hatte. Natürlich hatte sie keine überschäumende Freude erwartet, doch zumindest eine gewisse Akzeptanz und ein wenig Unterstützung. Sie hatte gehofft, dass Carlos mit ihr wenigstens die praktischen Details besprechen würde, die zu regeln waren, wenn man ein Kind erwartete. Carlos war ein sehr zurückhaltender Mann, doch ein ehrenwerter. Obwohl er ihr seit Wochen die kalte Schulter zeigte, hätte sie doch mehr von ihm erhofft.
Den Tränen nahe, schloss sie die Tür mit einem leisen, aber festen Klick und wünschte, sie könnte ihr Herz genauso leicht abschotten.
Das Zufallen der Tür hallte in Carlos’ Ohren wider, als sich die ersten Zweifel meldeten.
Er lehnte sich gegen den Schreibtisch und starrte dorthin, wo eben noch Lilah gestanden hatte. Sie schien sich so sicher zu sein. Seit er sie vor vier Jahren kennengelernt hatte, hatte er sie immer als eine durch und durch ehrliche Frau erlebt – eine Kämpfernatur, wenn es darum ging, die Interessen des Krankenhauses zu vertreten –, aber stets offen und ehrlich. Das hatte er immer an ihr bewundert. Jahrelang hatte er diese Bewunderung ihres Charakters genutzt, um seine … nun ja, eher niederen Instinkte ihr gegenüber zu unterdrücken.
Was wäre, wenn …
Die Möglichkeit, dass er tatsächlich Vater werden könnte, brachte ihn weit mehr aus dem Gleichgewicht als all die Verletzungen, die dazu führten, dass er immer noch humpelte.
Im Laufe der Zeit hatte er immer wieder Affären gehabt, ohne sich jedoch von den Frauen von seiner Arbeit ablenken zu lassen. Lilah war anders. Ihn beeindruckte es, wie sie sich für das Krankenhaus engagierte, wie sie selbst großzügigen Spendern und Politikern die Stirn bot, wenn es um die Rechte von Patienten ging. Selbst ihm gab sie Kontra, wenn er sich halsstarrig für irgendetwas einsetzte und dabei den Überblick über das Gesamtbild verlor. Sie besaß einen scharfen Verstand und nutzte ihn beruflich sehr geschickt aus.
Würde sie die gleichen Fähigkeiten jetzt nutzen – gegen ihn –, wenn sie sich davon einen Vorteil für ihr Kind versprach?
Sein Vater hatte ihm und seinen beiden Brüdern beigebracht, niemandem zu trauen … niemals. Jeder Mensch hatte einen Preis, selbst sein Cousin, der ihren Fluchtplan an die Rebellen verkauft hatte. Die Königin, seine Mutter, hatte das mit dem Leben bezahlt, als sie versucht hatten, San Rinaldo zu verlassen. Carlos selbst war durch Schusswunden so schwer verletzt worden, dass er den Großteil seiner Jugend damit zugebracht hatte, sich von diesen Verletzungen zu erholen. Dass er überhaupt wieder laufen konnte, glich einem Wunder. Die Ärzte hatten ihm gesagt, er solle sich darüber freuen, auch wenn es bedeutete, dass er niemals eigene Kinder würde haben können.
Konnte er Lilah vertrauen?
Wenn nicht ihr, wem dann? Er konnte nur hoffen, dass die Presse von dieser Sache keinen Wind bekam, jedenfalls nicht, bis er die Sache geklärt hatte. Er musste Lilah beweisen, dass sie sich irrte.
Dafür musste als Erstes ein Spermientest gemacht werden. Auch wenn ihm dieser Eingriff in seine Privatsphäre schwerfiel, würde damit ein für alle Mal bewiesen sein, dass er zeugungsunfähig war.
Trotzdem schwirrte immer wieder das „was wäre, wenn“ in seinem Kopf herum, die Möglichkeit, dass sich wie durch ein Wunder herausstellte, dass dieses Kind doch von ihm war. Dann musste er dafür sorgen, dass Lilah an seiner Seite blieb, bis man beim Kind einen Vaterschaftstest durchführen konnte.
Denn sollte Lilah tatsächlich einen Medina unter ihrem Herzen tragen, würde ihn nichts und niemand davon abhalten, Anspruch auf sein Kind zu erheben.
Unendlich erschöpft lehnte Lilah sich gegen die geschlossene Bürotür. Zum Glück war Carlos’ Vorzimmer leer. Aber seine Sekretärin konnte jeden Augenblick zurückkehren.
Lilah schloss die Augen. Der Streit mit Carlos bedrückte sie, und außerdem wurde ihr wieder einmal übel, was für diese Uhrzeit eher ungewöhnlich war. Noch immer litt sie unter der morgendlichen Übelkeit, und ohne Frage machte emotionaler Stress die Sache nicht besser. Beschützend legte sie eine Hand auf ihren Bauch, der bisher noch kaum etwas von ihrer Schwangerschaft verriet. Carlos war es nicht einmal aufgefallen, als er ihr Shirt aus dem Rockbündchen gezogen hatte. Doch sie spürte die Veränderungen in ihrem Körper, die größer und empfindlicher werdenden Brüste, die Geruchsempfindlichkeit und die bisher unbekannte Lust auf eingelegte Artischocken. Aber auch wenn die Umstände alles andere als perfekt waren, liebte sie ihr Baby mit einer Bedingungslosigkeit, die sie manchmal fast überwältigte.
Eine Locke fiel ihr ins Gesicht, und sie merkte, dass ihre Frisur sich aufgelöst hatte, als Carlos sie in seinem Büro so stürmisch geküsst hatte. Ihre Brustwarzen kribbelten bei der Erinnerung daran, wie schnell er das Verlangen in ihr entfacht hatte. Sie zog die Nadeln aus dem Haar und ließ es auf die Schultern fallen. Das wirkte zwar nicht so professionell, wie sie es gern hätte, war aber zweifellos besser, als auszusehen, als hätte sie gerade Sex gehabt.
Ihrem Kind zuliebe musste sie rational vorgehen und nicht emotional, und schon gar nicht durfte sie auf ihre in Aufruhr geratenen Hormone hören. Carlos glaubte offenbar, dass er zeugungsunfähig war, und konnte nur ihrem Wort vertrauen, dass das Kind von ihm war. Offensichtlich überzeugte nicht einmal ihre vierjährige Freundschaft ihn von ihrer Vertrauenswürdigkeit. Er war von Natur aus ein zurückhaltender, sehr zurückgezogen lebender Mensch. Seine Distanziertheit – verdammt, seine Unzugänglichkeit – während der vergangenen Monate bewiesen, dass ihre Freundschaft doch nicht so tief war, wie sie immer geglaubt hatte. Dass sie gezwungen gewesen war, ihn unter der Dusche zur Rede zu stellen …
Noch einmal holte sie tief Luft, um sich nicht wieder aufzuregen. Sie musste Ruhe bewahren und abwarten. Nach der Geburt würde sich seine Vaterschaft beweisen lassen.
Zufrieden, sich wieder einigermaßen beruhigt zu haben, richtete Lilah sich auf. Im gleichen Moment ging die Tür auf. Hastig steckte sie die Haarnadeln in die Tasche und strich sich noch einmal übers Haar. Es gab gute Gründe, warum man sie hier als eiserne Lady bezeichnete, und sie hatte vor, diesem Ruf weiterhin gerecht zu werden.
Allerdings war es nicht Wanda, die hereinkam, sondern die neue Radiologin Nancy Wolcott. Vermutlich hatte sie heute zusammen mit Carlos den chirurgischen Eingriff bei dem afghanischen Mädchen vorgenommen.
„Hallo, Nancy.“ Zum Glück klang ihre Stimme gelassen. „Dr. Medina und ich haben gerade unsere Besprechung beendet. Ich bin sicher, dass er unbedingt wissen will, wie es der kleinen Patientin geht.“
„Oh, den Fall behandele ich nicht.“ Die schlanke Brünette lächelte zögernd. „Ich bin eigentlich aus eher persönlichen Gründen hier.“
Lilah schluckte. „Aus persönlichen Gründen?“
„Dr. Medina und ich sind zum Essen verabredet. Ich habe Feierabend, von daher gibt es wohl keine Disziplinarstrafen, oder?“, fragte sie lachend und zog sich ihren Arztkittel aus.
O nein, Lilah gefiel die Richtung, die dieses Gespräch nahm, überhaupt nicht. Was für ein Timing! Dabei hätte sie es kommen sehen müssen. Carlos waren die Frauen immer hinterhergelaufen, auch schon, bevor seine wahre Herkunft publik geworden war. Er war schließlich ein gut aussehender, reicher Arzt. Okay, ein Workaholic und launischer Arzt. Doch jetzt, da er auch noch eine königliche Herkunft zu all seinen anderen Vorzügen hinzufügen konnte, umschwärmten ihn die Frauen geradezu.
Fieberhaft suchte Lilah nach einer Antwort, um dann schnellstmöglich zu verschwinden. „Niemand stellt Ihre Arbeitsmoral infrage. Ich weiß sehr wohl, wie oft Sie Überstunden machen. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen …“
Die jüngere Frau hielt sie auf, indem sie ihren Arm berührte. „Ich sollte das vielleicht erklären. Carlos … Dr. Medina … und ich gehen seit ein paar Wochen miteinander aus. Allerdings haben wir uns bemüht, das möglichst diskret zu tun.“ Sie rückte einen von den vielen Bilderrahmen auf Wandas Schreibtisch gerade. „Er hasst es wirklich, wie aufdringlich die Presse sein kann, also warten wir auf einen guten Zeitpunkt, um eine Pressemitteilung herauszugeben.“
Lilah verschlug es nicht nur die Sprache, sondern auch den Atem. Carlos hatte die Sache mit keinem Wort erwähnt. Ihren Zorn bezähmend, meinte sie: „Ich hatte davon noch nicht gehört.“
„Ich wollte es auch noch nicht herumposaunen. Er steht zwar in dem Ruf, keine festen Beziehungen einzugehen, aber ich glaube, das mit uns beiden könnte von Dauer sein.“ Nancy lachte nervös. „Vielleicht hat er vorher immer Distanz gewahrt, weil er seine königliche Abstammung verheimlichen musste. Aber, jetzt ist er ja frei …“
Am liebsten hätte Lilah die junge Ärztin wegen ihrer Verliebtheit gehasst und sie wie all die Groupies des Prinzen abgetan, die seit Kurzem aufgetaucht waren. Zu gern hätte sie Fehler gefunden in der Frau, der es gelungen war, Carlos’ Interesse zu erregen, während eine heiße Nacht mit ihr ihn dazu bewogen hatte, die Flucht zu ergreifen.
Doch Nancy wusste ja nichts von der Nacht mit Carlos. Niemand wusste davon.
Zudem war Nancy von all den Frauen, die hinter Carlos her waren, wohl noch diejenige, der am wenigsten an seinem Geld und am Titel lag. Nancy Wolcott war eine nette Frau, die auf Wolke sieben schwebte, weil es einen neuen Mann in ihrem Leben gab. Wer konnte es ihr verdenken?
Wohl nur eine Frau, die bereits ein Kind desselben Mannes in sich trug.
Das ungute Gefühl in ihrem Magen verstärkte sich, als Lilah sich wieder auf Nancys Schwärmerei konzentrierte.
„Ich weiß, ich bin vielleicht etwas voreilig, aber er ist ein solch wunderbarer, launischer Mann. Als Frau will man da doch instinktiv tiefer vordringen.“ Nancy drückte eine Hand auf ihr Herz und seufzte.
Lilah hätte sie gern geschüttelt, um sie aus ihren unrealistischen Träumen zu wecken, was Carlos anging. Auch wenn er in der Vergangenheit mit Frauen liiert gewesen war, hatte er stets emotionale Distanz gewahrt. Das hatte sich auch nicht geändert, als enthüllt worden war, dass er der Sohn eines gestürzten Monarchen war.
Aber es überraschte Lilah nicht. Es gab niemals ein Happy End. So etwas wurde nicht ohne Grund als Fiktion bezeichnet. Schon bei ihren Eltern hatte sie miterleben können, wie schnell Liebe erlöschen konnte, wie leicht es für eine Frau war, zu einem mitleiderregenden, gutgläubigen Fußabtreter zu werden.
Ihr Vater hatte seinen Job als Hollywoodagent benutzt, um zahllose Möchtegern-Starletts zu verführen. Bis zum heutigen Tag versuchte Lilahs Mutter seine Untreue zu ignorieren. Manchmal, wenn das Häschen des Monats sich Hoffnungen auf einen Ring machte oder wütend wurde, weil die Rollenangebote ausblieben, konfrontierte sie die Ehefrau, sodass Lilahs Mutter sich gezwungen sah, sich mit der Untreue ihres Mannes auseinanderzusetzen.
Das führte unweigerlich zum Streit, zu Tränen. Mit Schmuck oder einer romantischen Reise kaufte er sich wieder frei, alles war vergeben und vergessen, bis der Kreislauf von vorn begann. Auch im Moment waren die beiden mal wieder auf einer dieser Reisen, und wenn ihre Eltern zurück waren, würde sie ihnen von dem Baby erzählen müssen.
Auch von Carlos?
Während sie Nancy zuhörte, musste sie wohl oder übel akzeptieren, dass die Frau nicht übertrieb. Carlos war tatsächlich mehrfach mit ihr ausgegangen. Nicht, dass Lilah davon geträumt hätte, aber verdammt, sie hatten miteinander geschlafen. Und vorher waren sie befreundet gewesen. Auch wenn er nicht der warmherzige, liebevolle Typ war, verdiente sie etwas Besseres als die Art und Weise, wie er sie nach ihrem One-Night-Stand behandelt hatte.
Sie verdiente auf jeden Fall etwas Besseres als das, was sie eben in seinem Büro erlebt hatte.
Nancy schaute skeptisch zur Bürotür. „Ich hoffe, er ist nach der Konfrontation mit Ihnen nicht allzu schlecht gelaunt.“
Vor Schock verkrampfte sich Lilahs Magen noch mehr. Nancy konnte doch wohl nichts von dem Baby wissen, oder? Hatte jemand an der Tür gelauscht? Wanda vielleicht?
Als sie sich wieder so weit beruhigt hatte, um in Nancys neugierige Miene zu schauen, erkannte sie, dass sie wirklich nur neugierig war. Sie war weder geschockt noch wütend, keine der Reaktionen, die sie zeigen würde, wenn sie erfahren hätte, dass ihr „neuer Freund“ mit einer anderen Frau ein Kind gezeugt hatte. „Ich nehme an, Sie meinen den Vorfall in der Dusche?“
„Tut mir leid.“ Nancy zupfte nervös an ihrer Kleidung. „Ich hätte nichts sagen dürfen.“
Lilah machte einen Schritt auf die Tür zu. „Ich bin ehrlich gesagt neugierig, wie Sie so schnell davon erfahren haben …?“
Nancy sah gequält aus. „Ich hab es in der Cafeteria gehört. Die Gerüchteküche brodelt, alle versuchen herauszufinden, was er getan hat, dass Sie so wütend sind. Es werden schon Wetten angenommen über mögliche Gründe.“
„Und was munkelt man so?“
Nancy biss sich auf die Lippe, bevor sie zögernd fortfuhr. „Die meisten glauben, dass Sie sauer sind, weil er die Vorstandssitzung Anfang der Woche platzen lassen hat. Andere fragen sich, ob Sie sich darüber ärgern, dass er zu viele Fälle aufnimmt, für die es kein Geld gibt. Ich würde auf Letzteres wetten. Er hat unter seiner rauen Schale solch ein weiches Herz.“
Lilah umschloss die Haarnadeln in ihrer Tasche so fest, dass sie wahrscheinlich Löcher in ihre Finger bohrten. „Hoffen wir, dass Sie nicht Ihr ganzes Vermögen darauf verwettet haben, sonst könnte es Ihnen bald schlecht gehen.“
Wenn die Gerüchteküche schon bei einer Konfrontation – okay, es war eine ziemlich theatralische gewesen – so außer Kontrolle geriet, dann mochte sie gar nicht daran denken, was ihr noch alles bevorstand. Himmel, sie musste extrem aufpassen, um die Privatsphäre ihres Kindes zu schützen. Zum ersten Mal wurde ihr wirklich bewusst, dass sie das Kind eines Prinzen erwartete. Einen Menschen, den die Presse ein Leben lang verfolgen würde.
Würde die Neuigkeit ihrer Schwangerschaft in dieselbe Pressemitteilung gelangen, die über Carlos’ neue Freundin informierte?
Langsam stieg Panik in Lilah auf. Es war blauäugig von ihr gewesen, darauf zu bauen, dass sie einfach abwarten konnte. Nancy führte ihr vor Augen, dass bereits zu viele Menschen und deren Gefühle betroffen waren.
Sie würde kämpfen müssen, statt sich von Carlos überrollen zu lassen, und nicht zulassen, dass er ihrem Kind wehtat. Sie würde das kostbare Leben so gut es ging davor schützen, von seinem Vater vernachlässigt zu werden.
Hinter ihr wurde die Tür geöffnet, und eine Sekunde später stand Carlos auf der Schwelle. Überraschung zeichnete sich auf seinem Gesicht ab.
Wut, Frust und, verdammt, ja, auch Schmerz durchströmten Lilah. Doch sie unterdrückte das Verlangen, ihrer Wut Ausdruck zu geben. Sie hatte ihm heute schon eine Szene gemacht, das genügte, und vor allem hatte sie nicht vor, Carlos wissen zu lassen, wie sehr er sie verletzt hatte.
Das hieß jedoch nicht, dass sie davor zurückschrecken musste, ihn auch ein wenig leiden zu sehen.
Lilah warf ihr Haar über die Schulter. „Hallo, Carlos. Ich habe mich gerade mit deiner neuen Freundin unterhalten.“
Nimmt das Unheil denn heute gar kein Ende? dachte Carlos.
Er schaute von einer Frau zur anderen. Wie viel hatte Lilah gesagt, bevor er herausgekommen war? Offenbar nicht allzu viel, denn Nancy schien glücklicherweise völlig unwissend. Sie war nett, und er war ein paar Mal mit ihr ausgegangen, in der Hoffnung, sich auf diese Weise Lilah aus dem Kopf schlagen zu können.
Nancy war all das, was er sich wünschte. Sie war intelligent, humorvoll, hatte vielfältige Interessen und stellte keine Forderungen in Bezug auf Gefühle. Sie müsste eigentlich perfekt für ihn sein, doch sie ließ ihn völlig kalt. Statt ihn wieder auf den richtigen Weg zu bringen, zeigte die Anwesenheit seiner „neuen Freundin“ nur, wie sehr jede Frau im Vergleich zu Lilah verblasste.
Er hatte vorgehabt, die Sache mit Nancy heute Abend zu beenden. Diesen Entschluss hatte er bereits gefasst, ehe Lilah ihn mit ihrer Neuigkeit geschockt hatte. Es war nicht fair, sich weiter mit Nancy zu treffen, wenn er mit Lilah noch nicht fertig war. Verdammtes Pech, dass er nicht einen Tag eher mit Nancy gesprochen hatte.
Die Radiologin schaute verwirrt von Carlos zu Lilah. „Ich wollte nicht stören, falls Sie noch geschäftlich reden müssen. Ich kann ja später wiederkommen, damit wir dann essen gehen können.“
Carlos nickte. „Das wäre gut.“
„Okay.“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, als wollte sie ihm einen schnellen Kuss geben, hielt dann aber inne.
Entweder erkannte sie, dass diese Zurschaustellung von Zuneigung bei der Arbeit nicht angebracht war – oder sie sah Carlos’ Stirnrunzeln. Wie auch immer, sie verstand die Botschaft und machte einen Rückzieher.
Carlos bemerkte Lilahs hochgezogene Augenbraue und fügte hinzu: „Offen gestanden, habe ich noch einen anderen Termin, um den ich mich kümmern muss, sobald ich nach meiner Patientin gesehen habe.“
Er hatte seinen Arzt und das Labor angerufen, damit der Spermientest sofort gemacht werden konnte. Er war sich sicher, was dabei herauskommen würde, doch Lilah zuliebe brauchte er eine Bestätigung.
Und wenn er durch einen glücklichen Zufall tatsächlich Kinder zeugen konnte? Dann würde er alle seine Vorbehalte über Bord werfen, auch wenn Lilah ihn noch so sehr aus dem Gleichgewicht brachte, und sein Möglichstes tun, um sie zu erobern. Er machte keine halben Sachen, daher würde er alles in die Waagschale werfen, bis die Situation zwischen ihnen geklärt war.
Sich von Nancy zu Lilah drehend, sah er ihr offenes Haar, erinnerte sich daran, wie es dazu gekommen war und spürte, dass er schon wieder aus dem Gleichgewicht geriet. „Wir reden morgen.“
Benommen verließ Carlos das Labor und ging zu seinem Büro. Was für ein Tag! Erst hatte er ein Kind operiert, das ihn an die eigene Vergangenheit erinnerte, denn auch dieses Mädchen war in die Wirren eines Krieges geraten. Bevor er auch nur fünf Minuten gehabt hatte, um sich davon zu erholen, hatte Lilah den Duschvorhang zur Seite gezogen. Und nun endete der Tag damit, dass er eine überraschende Diagnose von seinem Arzt erhalten hatte. Es waren noch keine endgültigen Ergebnisse, aber es bestand die geringe Chance, dass er tatsächlich Kinder zeugen konnte.
Allein die Möglichkeit stellte seine Welt auf den Kopf. Er brauchte Zeit, um den nächsten Schritt zu überlegen.
Als er um die Ecke kam, wartete Nancy neben der Tür und tippte etwas in ihr Handy ein.
Auf keinen Fall konnte er jetzt mit ihr ins Restaurant gehen, immer auf den richtigen Moment wartend, um die Sache mit ihr zu beenden. Er würde es sofort tun müssen. Es war das Mindeste, was er Nancy und auch Lilah schuldete.
„Nancy, tut mir leid, dass ich dich habe warten lassen.“
„Kein Problem.“ Sie steckte das Handy in ihre kleine schwarze Handtasche. „Ich habe meiner besten Freundin gerade von unserer Verabredung erzählt.“
Carlos zuckte zusammen. „Was das angeht …“ Er öffnete die Tür zu seinem Büro. „Lass uns kurz reingehen, damit wir reden können.“
„Oh, es ist schon zu spät, oder?“ Sie zog die Nase kraus und blieb im Flur stehen. „Du willst absagen. Ich verstehe schon. Wir können ja auch morgen gehen. Oder … wie wäre es, wenn ich uns etwas koche?“
„Nancy“, unterbrach er sie. „Ich fürchte, ich habe bei dir einen falschen Eindruck erweckt. Dies ist etwas, was wir nicht hier auf dem Flur besprechen sollten.“
Sie kaute auf ihrer Lippe, bevor sie lächelnd – allerdings ein wenig zu strahlend – an ihm vorbei ins Büro ging. Carlos kam sich mies vor, weil er ihr etwas vorgemacht hatte. Irgendwie war sein gesamtes Privatleben im Moment verpfuscht. Die Vergangenheit konnte er nicht mehr ändern, aber von jetzt an würde er es besser machen.
Während er Nancy folgte, entschied er, nicht länger zu zögern. So, wie er jetzt mit Nancy reinen Tisch machen musste, hätte er auch die Dinge mit Lilah schon längst regeln müssen. Noch heute Abend würde er zu ihr fahren und ihr von den Ergebnissen des Labortests berichten.
Lilah stand in der offenen Tür zu ihrer Penthousewohnung und ärgerte sich, dass sie nicht erst durch den Spion geschaut hatte. Aber warum hatte der Portier sie nicht angerufen, um ihr zu sagen, dass Carlos auf dem Weg zu ihr war? Selbst Prinzen sollten keinen freien Zugang zum Gebäude haben.
Okay, zugegeben, sie hätte Carlos nicht weggeschickt, aber sie hätte gern eine Sekunde Zeit gehabt, um sich auf seinen Besuch vorzubereiten.
Die Wandleuchter im Flur tauchen ihn in kühles Licht, während er wartete. Draußen regnete es, und winzige Tropfen hingen noch in seinen Haaren und an den grau melierten Schläfen. Unweigerlich musste Lilah daran denken, wie das Wasser an seinem nackten Körper abgeperlt war, als er am Nachmittag unter der Dusche gestanden hatte.
Im Hausflur war es still, die anderen Bewohner des restaurierten Gebäudes direkt am Wasser machten es sich vermutlich in ihren Wohnzimmern gemütlich. Carlos war schon öfter hier gewesen, bei informellen Anlässen, geselligen Abenden und Dinnerpartys, doch immer zusammen mit anderen. Niemals allein.
Lilah umschloss den Türknauf noch fester. „Ich dachte, wir wollten morgen reden.“
„Mein Termin hat sich schneller erledigt als gedacht.“ Die Hand auf den Türrahmen gestützt, schaute er an ihr vorbei in die Wohnung. „Wir sollten reingehen.“
Obwohl sie vollständig bekleidet war, war sie sich ihres Pyjamas, der späten Stunde und Carlos allzu bewusst. „Es gehört sich, darum zu bitten, hereingelassen zu werden, statt es zu fordern.“
Irritiert verzog er das Gesicht. „Hör bitte auf mit den Wortspielen. Wir haben wichtige Dinge zu besprechen.“
Natürlich hatte er recht. Es störte sie trotzdem, dass er sie so überrumpelte und Ort und Zeit des Treffens diktierte. „Na gut, komm rein. Aber mach es dir nicht zu sehr gemütlich. Es war ein langer …“, frustrierender, „… Tag. Ich bin müde.“
Sie trat zur Seite, um ja keine Berührung mit ihm zu riskieren. Sein ungleichmäßiger Gang hallte auf dem neu verlegten Holzfußboden wider, als er die Wohnung betrat. Sie liebte ihr geräumiges Zuhause, das eine ganz spezielle Ausstrahlung besaß. Die weiß getünchten Ziegelsteinwände, die hohen Decken mit den freigelegten Balken und das Büro im Loft besaßen einen eigenen Charme. Große Fenster eröffneten den Ausblick auf die Skyline von Tacoma, den historischen Foss Waterway und die vom Nebel umhüllten Berggipfel in der Ferne.
Carlos blieb vor dem Sofa stehen und zog sich den Trenchcoat aus. „Was Nancy angeht …“
Lilah machte eine abwehrende Handbewegung. „Nancy geht mich gar nichts an. Mir ist es egal, mit wem du dich verabredest.“ Vielleicht glaubte sie das sogar selbst irgendwann, wenn sie es nur häufig genug wiederholte. „Das ist deine Sache und hat nichts mit uns zu tun. Wir waren nie ein Paar. Du und ich, wir haben uns, abgesehen von Dingen, die das Krankenhaus betreffen, nichts weiter zu sagen, bis der Vaterschaftstest vorliegt.“
„Nancy und ich, wir sind kein Paar, waren wir auch nie“, erwiderte er und ignorierte ihren Seitenhieb, während er bei dem Punkt blieb, den er anscheinend kommunizieren wollte. „Wir sind ein paar Mal ausgegangen, und ich hatte bereits vorher beschlossen, die Sache zu beenden.“
„Wie praktisch, aber trotzdem völlig irrelevant.“ Sie ging auf ihn zu. „Wenn das alles ist, was du mir sagen wolltest, dann sind wir ja fertig.“
Sie deutete zur Tür.
Er warf seinen Trenchcoat über die Lehne eines Stuhls und griff nach Lilahs Hand. Langsam und sehr bewusst kam er noch näher an sie heran. Seine Augen funkelten … Und dann konzentrierte er sich auf ihren Mund.
Lilah bekam Herzklopfen. „Vergiss es, Carlos!“, warnte sie ihn, ohne sich jedoch von ihm loszumachen. „Jeglicher Wunsch, dich zu küssen, ist in dem Moment verschwunden, als du dich geweigert hast, mir zu glauben, was meine Schwangerschaft angeht.“
Während er mit dem Daumen über die Stelle strich, wo er ihren immer schneller werdenden Puls sah, brachte er sie mit einem Blick zum Schweigen. „Ich bin hier, um dir zu sagen, dass ich nicht mehr ganz abgeneigt bin, dir zu glauben, wenn du behauptest, dieses Kind sei von mir.“
Die sinnliche Berührung lenkte sie ab, sodass es drei, vier Herzschläge lang dauerte, bis sie seine Worte verstand. Jetzt war ihr klar, warum er so überraschend zu ihr gekommen war. Sie beugte sich vor, bis ihre Brüste so nahe an seinem Oberkörper waren, dass sie nur einmal tief einzuatmen brauchte, um ihn mit den empfindlichen Spitzen zu berühren.
Sie bemühte sich, flach zu atmen, als sie die Stimme senkte und fragte: „Du hast einen Test machen lassen, stimmt’s? Das ging ja schnell.“
Er verzog den Mund. „Wenn man Beziehungen hat und im Krankenhaus arbeitet.“
Die Bestätigung ihrer Vermutung machte es keinen Deut besser. Er war nicht hier, weil er seine Meinung geändert hatte und ihr auf einmal vertraute. Er hatte seinen Beweis erhalten. Auch wenn sie diese Handlungsweise auf intellektueller Ebene verstand, fühlte sie sich im Augenblick alles andere als vernünftig.
„Wie schön für dich.“ Sie entzog sich seinem Griff und ging zum Fenster. „War bestimmt ein großer Schock für dich, dass du tatsächlich noch ein paar Schwimmer hast.“
„Freut mich, dass du meine Krankengeschichte so amüsant findest.“
„Ich finde das alles überhaupt nicht amüsant. Vor allem nicht deine Unterstellungen.“ Sie schaute ihn über die Schulter an. „Hast du es deiner neuen Freundin schon gesagt?“
Verflixt, sie hatte nicht vorgehabt, die Sache mit Nancy noch einmal zur Sprache zu bringen. Das klang so entsetzlich eifersüchtig. Sie wandte schnell den Blick ab, bevor er die verräterischen Anzeichen auf ihrer Miene entdecken konnte.