12,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 12,99 €
Die Steeles und die Mikkelsons sind erbitterte Rivalen im hart umkämpften Öl-Business von Alaska. Familiäre Skandale, dunkle Geheimnisse und heiße Liebschaften sorgen jedoch dafür, dass sich die Mitglieder der zwei verfeindeten Imperien letztlich näherkommen, als sie für möglich gehalten hätten. HEIMLICHE WÜNSCHE IN EISKALTEN NÄCHTEN Ihre Familien sind erbitterte Rivalen im hart umkämpften Öl-Business von Alaska, und mit seiner Arroganz bringt Milliardär Broderick Steele die hübsche Glenna regelmäßig zur Weißglut! Nur mit Mühe behält sie in Brodericks Gegenwart die Beherrschung. Doch damit ist endgültig Schluss, als ein süßes kleines Findelbaby sie beide zwingt, Eltern auf Zeit zu werden … WIE GLUT UNTER DEM SCHNEE Ein plötzlich aufziehender Schneesturm in der Wildnis zwingt die schöne Naomi, bei Royce Miller Unterschlupf zu suchen. Aber was heißt schon zwingen?! Eigentlich ist sie zu dem brillanten Wissenschaftler gefahren, um alles über sein geheimes Forschungsprojekt herauszufinden. Es könnte ihrer Familie, den mächtigen Steeles, bei der Ölförderung helfen. Doch von ihrem doppelten Spiel darf Royce nichts erfahren ... VERFÜHRT IN DIESER EINEN NACHT Berufliches und Privates sollte man trennen - das weiß Ölmilliardär Trystan Mikkelson nur zu gut. Trotzdem kann er der sexy Imageberaterin Isabeau einfach nicht widerstehen. Bei einer Party, die sie gemeinsam besuchen, wird klar: Auch Isabeau fühlt sich zu ihm hingezogen. Sie verbringen eine heiße Nacht voller Leidenschaft, die nicht ohne Folgen bleibt ... VERBOTENES VERLANGEN ? ODER NOCH VIEL MEHR? Was soll Naomi nur tun? Zwischen ihr und Royce knistert es genauso heftig wie früher. Damals hat sie mit ihm Schluss gemacht, weil sie sicher war, dass er ohne sie glücklicher wird. Aber nun arbeitet der brillante Wissenschaftler im Ölimperium ihrer Familie. Keine Gelegenheit lässt er aus, mit ihr zu flirten. Er hilft ihr sogar mit ihren kleinen, vaterlosen Zwillingen. Haben sie eine zweite Chance? KLIRRENDES EIS, BRENNENDE KÜSSE "Wir sind verheiratet?" Shana kann sich an alles erinnern, nur nicht an ihren sexy Ehemann. Allein das Begehren, das sie in seiner Nähe spürt, kommt ihr vertraut vor. Während draußen klirrende Kälte herrscht, verwöhnt Chuck Mikkelson sie in ihrer traumhaften Villa mit brennenden Küssen. Doch je mehr Shana sich in den Milliardär verliebt, desto stärker wachsen ihre Zweifel. Denn sie fühlt: Ihr Mann verbirgt etwas vor ihr … HEIßE VERSUCHUNG IN ALASKA Liebe? Auf keinen Fall. Große Gefühle kommen für den überzeugten Junggesellen Marshall Steele nicht infrage. Doch dann bricht sich der Ölbaron den Arm - ausgerechnet kurz vor einer weihnachtlichen Benefizgala, die auf seinem Anwesen in Alaska stattfinden soll. Seine Familie schickt ihm die schöne Tally Benson als Haushaltshilfe. Sein Verlangen brennt plötzlich lichterloh. Aber Marshall ahnt nichts von dem wahren Grund, warum Tally den Job angenommen hat … SINNLICHE NÄCHTE IN ALASKA Gerührt beobachtet die Sozialarbeiterin Felicity, wie Ölbaron Conrad Steele im Kinderkrankenhaus den kleinen Patienten vorliest. Felicity hat den sexy Milliardär abgewiesen, denn er will nur eine Affäre. Sie kann nicht zulassen, dass er ihr das Herz bricht! Aber jetzt soll sie mit ihm eine Benefizveranstaltung vorbereiten - auf seiner Ranch in der winterlichen Wildnis Alaskas. Vor dem lodernden Kaminfeuer steigt ihr Begehren nach ihm ins Unermessliche. Wie lange kann sie Conrad widerstehen? STÜRMISCHE BEGEGNUNG IN ALASKA Ein Blick in Ward Benallys eisblaue Augen und Breannas Knie werden weich. Wann immer sie dem neuen CEO der Alaskan Oil Barons begegnet, fühlt sie sich geradezu magisch von ihm angezogen. Dabei will sie eigentlich die Umstände des mysteriösen Flugzeugabsturzes aufklären, bei dem ihre Mutter vor Jahren ums Leben kam. Doch wenn Ward in ihrer Nähe ist, fällt es Brea schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Wie soll sie seiner sexy Ausstrahlung nur widerstehen?
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 1625
Catherine Mann
Alaska in Love - Familiengeheimnisse, Rivalitäten und leidenschaftliche Liebe (8-teilige Serie)
IMPRESSUM
BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2018 by Catherine Mann Originaltitel: „The Baby Claim“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 2074 - 2019 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Maike Claußnitzer
Abbildungen: [email protected] / Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 03/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733724856
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de
Werden Sie Fan vom CORA Verlag auf Facebook.
„Ist es eigentlich dein Lebenszweck, mich zur Weißglut zu treiben, oder ist es nur ein netter Zeitvertreib, wenn du gerade nicht mit den weiblichen Singles von Alaska ausgehst?“
Glenna Mikkelson-Powers hielt sich an ihrem Terminkalender fest, um nicht hinter ihrem Mahagonischreibtisch hervorzuschießen und sich Broderick Steele mal so richtig vorzuknöpfen.
In der Nähe dieses Mannes zu sein, machte sie fast wahnsinnig.
Seine sinnliche Anziehungskraft war so stark, dass keine Frau ihm lange widerstehen konnte, ohne den Verstand zu verlieren. Sein langer Wollmantel wirkte edel, aber sein Cowboyhut und seine Lederstiefel waren abgenutzt – dieser Mix machte Broderick nur noch attraktiver. Sein dunkles Haar, das davon zeugte, dass er zu einem Viertel Inuit war, zeigte erste feine graue Strähnen, aber jeder, der Broderick sah, war sofort überzeugt, dass sein Charisma und seine Kraft so unendlich sein mussten wie die Tundra Alaskas, wo er und Glenna zu Hause waren.
In einem so großen Bundesstaat hätte genug Platz für sie beide sein sollen. Theoretisch hätten sie sich nie über den Weg laufen müssen. Aber das ständige Ringen ihrer verfeindeten Familien um die Vorherrschaft in der Ölindustrie garantierte, dass Glenna und Broderick in denselben Kreisen verkehrten.
Sie sahen sich viel zu oft für Glennas Geschmack.
Sie presste die Hände fester auf den Kalender und fixierte Broderick mit ihrem besten eisigen Blick. „Ich habe einen Assistenten. Zeke – der nette Herr, der wie ein Großvater aussieht – kann dich anmelden. Oder du kannst klopfen. Versuch wenigstens, dich hier ansatzweise normal zu verhalten.“
Nicht, dass irgendetwas an Broderick normal gewesen wäre.
„Erstens …“, er warf seinen schneebestäubten Hut auf ihren Schreibtisch, „… ist es nicht mein Lebenszweck, jemanden zur Weißglut zu treiben. Und dein Assistent ist nicht da.“
Glenna warf einen Blick durch die offene Tür und stellte fest, dass er recht hatte. Sie unterdrückte den Drang, trotzdem die Augen zu rollen. Broderick hätte auf Zeke warten können, statt einfach hereinzustürmen.
„Zweitens …“ Er zog die Lederhandschuhe aus und entblößte schwielige Hände.
Broderick war ein körperlich starker Mann, aber auch ein außerordentlich begabter Finanzchef, was dem Unternehmen seiner Familie zugutekam.
„Zweitens bin ich viel zu beschäftigt, um ein so reges Liebesleben zu führen, wie du es mir unterstellst.“
Das verschlug ihr die Sprache und ließ ihren Magen mehr Purzelbäume als nötig schlagen.
„Drittens habe ich keine Ahnung, warum du dich hier aufregst, obwohl ich derjenige bin, der heute eine Hiobsbotschaft verkraften musste.“
Er beugte sich zu ihr. Der Moschusduft seines Eau de Toilette kitzelte ihre Sinne, als würde sie an einem kalten Tag warmen Rauch einatmen.
„Aber sobald wir die Sache geklärt haben, können wir gern auf deine Besessenheit von meinem Liebesleben zurückkommen.“
Seine Augen funkelten. Im hellen Licht kam der Whiskeyfarbton seiner Augen besonders gut zur Geltung. Er verzog die vollen Lippen zu einem überheblichen Lächeln.
„Du verhältst dich äußerst unprofessionell.“ Sie kniff die Augen zusammen und ärgerte sich über ihre Reaktion auf ihn, während sie seine altvertraute Arroganz auf sich wirken ließ.
Sie sahen einander an, und die Luft knisterte. Glenna erinnerte sich nur zu gut an dieses Gefühl. Als Collegestudenten hatten sie eine kurze Romeo-und-Julia-Affäre gehabt.
Von Anfang an zum Scheitern verurteilt.
Und dennoch … Die Erinnerungen waren nie verblasst.
Ein Wochenende vor langer Zeit. Zwei Tage voller Leidenschaft in ihrer Dachwohnung. Feuer im Kamin. Schnee auf dem Oberlicht.
Dampf in der engen Duschkabine, in die sie sich beide hineingezwängt hatten.
Aber diese beiden Tage waren nichts im Vergleich zu der Liebe, die sie während ihrer sechsjährigen Ehe zu ihrem verstorbenen Mann empfunden hatte. Gemeinsam hatten sie viel Arbeit in die Überwindung von Schwierigkeiten gesteckt – und über ihre Unfähigkeit getrauert, ein Kind zu bekommen.
Heute bedeutete der Beruf ihr alles. Glenna war nicht bereit, das zu riskieren, vor allem nicht für Broderick.
Er war ihr Rivale. Er wollte, dass die Firma seiner Familie die Ölindustrie dominierte, und das durfte sie nicht zulassen. Sie war die Finanzchefin von Mikkelson Oil, und sie würde dafür sorgen, dass das Unternehmen ihrer Familie die Oberhand gewann.
Sein intensiver Blick und sein grüblerischer Charme würden sie nicht davon ablenken.
Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. „Ich frage dich ein letztes Mal: Was machst du in meinem Büro?“
„Als wüsstest du das nicht.“ Er ließ einen großen Briefumschlag auf ihren Kalender fallen. „Wie nennst du das hier?“
„Post“, sagte sie, um Zeit zu gewinnen. Was für ein Spiel spielt er?
Seit ihr Vater vor zwei Jahren an einem Herzinfarkt gestorben war, hatte sich in der Firma viel verändert. So viel Trauer … Erst mein Vater, dann mein Mann.
Es hatte sie völlig aus der Bahn geworfen. Aber wenn sie zuließ, dass die Trauer sie verzehrte, würde Mikkelson Oil gegen Broderick den Kürzeren ziehen.
„Könntest du das bitte näher erläutern?“, fragte sie.
Er zuckte die breiten Schultern. Sein gestärktes weißes Hemd raschelte.
„Es sind Ausdrucke mit einem Bericht über Aktienaufkäufe. Meine Leute haben die Spur bis zurück in euer Büro verfolgt.“
Sie griff in eine Schublade, zog einen Umschlag daraus hervor und legte ihn neben seinen. „Wirklich? Denn ich könnte dich nach ganz ähnlichen Aufkäufen fragen. Nur in die Gegenrichtung.“
Er runzelte die Stirn und ließ sich in einen der beiden ledernen Klubsessel vor ihrem Schreibtisch fallen. „Unsere Firmen tauschen Aktien aus? Das ist doch sinnlos.“
Sie zeigte mit einem perfekt manikürten Finger auf ihn. „Dein Vater hat irgendetwas vor. Es gefällt mir gar nicht, dass er seit dem Tod meines Dads verstärkt Druck ausübt. Es ist sexistisch, zu glauben, dass wir ohne Mann an der Spitze schwächer sind.“
„Ob Sex oder Sexismus, alles Geschlechtliche interessiert dich wirklich sehr, oder?“ Broderick legte den Kopf schief und warf einen verdammt vielsagenden Blick auf das gelbe Sofa hinter ihm.
„Halt den Mund, und hör mir zu.“ Sie war nahe daran, mit dem Fuß aufzustampfen.
„Das tue ich doch. Es macht Spaß, zu beobachten, wie du rote Wangen bekommst.“ Er legte sich die Hand auf die Brust. „Außerdem hat meine Mutter mir beigebracht, dass es sich nicht gehört, anderen zu sagen, dass sie den Mund halten sollen.“ Ein sardonisches Lächeln umspielte seine Lippen.
„Bei einem geschäftlichen Treffen von Sex zu reden, gehört sich auch nicht.“ Sie hob ihren Briefbeschwerer hoch – einen Messingbären, der ihrem Vater gehört hatte. Ihn von einer Hand in die andere zu nehmen, war ein seltsam tröstliches Ritual. Vielleicht war es auch gar nicht so seltsam. Als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war, hatte ihr Vater ihr erzählt, dass diese Statue einem Kraft verlieh. Er hatte seinen Erfolg auf den Bären zurückgeführt.
Nach den Verlusten der letzten zwei Jahre brauchte Glenna jedes bisschen Glück und Kraft, das sie bekommen konnte. „Ich bin ganz bestimmt nicht darauf aus, mich all den liebestollen Frauen Alaskas anzuschließen, die dir zu Füßen liegen.“
„Darum habe ich dich auch nicht gebeten, und du musst mich nicht mit einem schweren Gegenstand bedrohen. Bei mir bist du sicher.“ Der Humor verschwand aus seiner Miene. „Aber da diese Aktienkäufe dich genauso verwirren wie mich, solltest du mitkommen, damit wir zusammen mit deiner Mutter darüber sprechen können.“
„Natürlich. Dann klärt sich alles bestimmt im Handumdrehen.“
Sie wollte, dass Broderick Steele wenigstens aus ihrem Büro verschwand und ihr nicht so beunruhigend nah war, wenn er schon nicht aus ihrem Leben verschwinden konnte.
Broderick spielte ein riskantes Spiel mit Glenna, aber diese Frau berührte ihn auf eine Art wie niemand sonst.
Als sie noch auf dem College gewesen waren, hatte er sich eingeredet, dass nur der Reiz des Verbotenen das Begehren zwischen ihnen ausgelöst hatte. Ihre Familien waren schließlich verfeindet. Allerdings sehnte er sich heute noch nach ihr.
Normalerweise hielt er diese Gefühle in Schach, indem er so viel Abstand wie möglich von der blonden Sexbombe hielt.
Aber heute hatte er diese verstörenden Dokumente über Aktien erhalten, die den Besitzer wechselten.
„Können wir sofort mit deiner Mutter reden? Wir müssen wissen, wer da in eurem oder unserem Aufsichtsrat für Unruhe sorgt.“
Glenna schaute auf. Ihre blauen Augen waren so kristallklar wie der Himmel über Alaska. „Je eher, desto besser. Sie ist heute hier. Ich habe mich vorhin schon mit ihr getroffen.“ Sie stand auf und kam um ihren Schreibtisch herum.
Heiliger Strohsack. Broderick verschluckte sich fast an seiner eigenen Zunge.
Ihr Bleistiftrock lag eng an ihren Kurven an und setzte seine Fantasie in Flammen. Die Kostümjacke war tief ausgeschnitten, und obwohl eine weiße Bluse fast ihr gesamtes Dekolleté verdeckte, war dieser Ausschnitt einfach … Er zwang sich, den Blick abzuwenden.
Aus Respekt, aber auch, um nicht vor Verlangen verrückt zu werden.
„Nach dir“, sagte er.
Er tat sein Bestes, die Beherrschung zu wahren, aber ihre Nähe brachte ihn völlig aus der Fassung. Er folgte ihr am Sitzbereich ihres Büros vorbei: Das gelbe Sofa und zwei Sessel standen vor einem Kamin.
Sie warf einen Blick über die Schulter. Ihr blondes Haar schimmerte wie ein goldener Vorhang. „Mutters Büro liegt zwei Stockwerke über meinem. Wir klären das, keine Sorge.“
Ohne ein weiteres Wort stürmte sie los. Der dicke Teppich dämpfte das Klackern ihrer Stiefelabsätze. Die Glaswand an einer Seite des Korridors bot einen eindrucksvollen Blick auf das Bergpanorama. Überall sonst in Amerika war jetzt Frühling, aber hier in Alaska waren die Gipfel noch schneebedeckt.
Sonnenlicht fiel durch die Fenster und auf Glenna. Um nicht ihre schwingenden Hüften oder ihre eng anliegenden Lederstiefel anzustarren, konzentrierte er sich auf die Gemälde an der Wand. Wieder einmal fiel ihm auf, wie sehr sich der Mikkelson-Firmensitz von den Büros seiner Familie auf der anderen Seite des Geschäftsviertels von Anchorage unterschied. Das Steele-Hauptquartier war moderner gehalten, ein hohes, minimalistisches Gebäude, das für ihn seinen Heimatstaat symbolisierte: eine Eishülle gefüllt mit Kohle, Sand und Gold.
Die Mikkelson-Büros dagegen waren noch ganz im alten Alaska verwurzelt. Die raue Eleganz der Tierfelle und der schweren Holzmöbel machte deutlich, dass in diesem Land nichts Zerbrechliches überdauerte. Um es hier zu schaffen, musste man robust sein.
Der Umschlag knisterte in seiner Hand und erinnerte ihn daran, warum er hier war. Wie viel wusste sein Vater? Broderick hatte ihn heute Morgen nicht erreichen können, obwohl er sich bemüht hatte.
Seit einer Weile war sein Dad oft abgelenkt und nicht ansprechbar. Jetzt war jedoch der ungünstigste Zeitpunkt dafür. Angebote für die große Pipeline aus Alaska nach Dakota wurden gemacht. Dabei ging es nicht nur um Geld, sondern auch darum, das Projekt so umweltfreundlich wie möglich zu gestalten, um das Land zu schützen, das sie liebten und in dem sie zu Hause waren. Alle Ingenieure und Biologen der Familie rackerten sich ab, um einen ausgewogenen Plan zu präsentieren.
Broderick wusste, dass er in dem Ruf stand, ein eiskalter Bastard zu sein. Aber er fand, dass es keinen Zweck hatte, Emotionen in irgendetwas – oder irgendjemanden – außer der Arbeit zu investieren.
In ihm war etwas zerbrochen, als seine Schwester gestorben war. Hätte er nicht gleichzeitig seine Mutter verloren, hätte sie ihm vielleicht geholfen, einen Weg aus dem Gefühls-Labyrinth zu finden, statt eine Beziehung nach der anderen wieder aufzugeben. Jetzt beschränkte sich sein Liebesleben auf Frauen, die kein Interesse an etwas anderem als einer lockeren Affäre hatten.
Glenna betonte oft, dass sie ganz in ihrem Job aufging. Er hatte Verständnis dafür. Er war auch mit seiner Arbeit verheiratet.
Deshalb musste er dieses lächerliche Gerücht über eine Fusion unterdrücken.
„Du bist ganz anders als die meisten Bürohengste“, sagte sie nun.
Er legte den Kopf schief. „Praktisch veranlagt?“
„Ja, vielleicht. Du bist einfach so … unverschämt. Unlogisch. Unberechenbar.“ Sie beschleunigte ihre Schritte.
„Und du bist eine typische zugeknöpfte Buchhalterin.“ Hitze wallte in ihm auf, als er an eine Zeit dachte, als er sie sehr gründlich aufgeknöpft hatte.
Sie schien seine Gedanken zu lesen. „Immer schön nach vorn gucken, Cowboy.“
„Glaubst du, dass ich eine versteckte Kamera dabei habe, um Formeln aus deinem Büro zu stehlen?“
Er sah ihr unverwandt in die Augen. Diese blauen Tiefen sind einfach zu verführerisch. Irgendetwas an ihnen ließ ihm Worte entschlüpfen, bevor er sie aufhalten konnte: „Ich würde sehr gern deine geheimsten Wünsche kennen.“
Ihre Atemzüge wurden flacher. Sie leckte sich die Lippen. „Mir wäre es lieber, wenn wir uns aufs Geschäft beschränken. Meinst du, dass du meine Wünsche wenigstens die nächste halbe Stunde über respektieren kannst? Wenn nicht, müssen wir alles per Videokonferenz klären.“
Er nickte und wich einen Schritt zurück, weil er wusste, dass er mit dem Feuer spielte. Aber sie hatte recht: Er war unberechenbar. Obwohl alles so kompliziert war, ertappte er sich dabei, darüber nachzudenken, wie er ihr noch mehr Privates entlocken konnte. Natürlich erst später. Timing war alles.
„Selbstverständlich respektiere ich deine Wünsche.“
„Ich wünschte, ich könnte darauf vertrauen“, sagte sie, ging zum Fahrstuhl und betätigte den Knopf.
Ihre Worte trafen ihn. So schlecht denkt sie also von mir? Er stellte sich neben sie vor den Lift und beobachtete sie nachdenklich.
Sie tastete nach einer Haarnadel und schob sie sich so in die Frisur, dass die goldene Fülle ihr über eine Schulter fiel. Ihr hellrosa Nagellack war kaum wahrnehmbar. Edles Understatement. Typisch für sie.
Er räusperte sich. „Und ich mache mir Sorgen, dass du einen Insiderblick auf unser Geschäft und unsere Finanzen bekommen könntest.“
Der Aufzug blieb stehen, die Türen glitten auf, und Glenna stieg ein.
Er trat zu ihr in die runde Kabine, die einen Panoramablick auf den Hafen bot. Ein paar Boote trieben zwischen Eisschollen. „Vielleicht solltest du auch Angst um deine Dateien haben“, fuhr er fort. „Es gibt alle möglichen Kopierprogramme für Computer, und …“
„Ich lasse dich vom Sicherheitsdienst von Kopf bis Fuß durchsuchen, wenn du wieder gehst.“
Gerade, als er zu dem Schluss gekommen war, dass sie sich unabsichtlich so verfänglich ausgedrückt hatte, warf sie ihm einen Blick zu. Ihre blauen Augen funkelten frech.
Hitze breitete sich in ihm aus. Er beugte sich zu ihr. „Überwachst du die Durchsuchung persönlich? Ein Glück, ich habe meine Lieblingsboxershorts an. Die mit den Comicmotiven.“
Sie zog eine blonde Augenbraue hoch. Glenna war schon immer gut darin gewesen, andere ruhig und schnell zurechtzuweisen. „Schmeichel dir nicht.“
„Ich träume nur, Lady, ich träume.“
Sie runzelte die Stirn. „Behandelst du alle Geschäftspartnerinnen so?“
„Nur die, mit denen ich schon eine Affäre hatte. Nein, das stimmt nicht ganz.“ Er hob die Hand. „Nur dich.“
„Eine Fehlentscheidung an einem einzigen Wochenende auf dem College ist noch keine Affäre.“
Ihre in die Hüften gestemmten Hände betonten ihre Kurven in diesem umwerfenden Kostüm. Es juckte ihm in den Fingern, es ihr auszuziehen.
Broderick legte sich die Hand aufs Herz. „Du kränkst mich. Das Wochenende damals ist für mich in Sachen Beziehung das Maß aller Dinge. Keine Frau kann dir das Wasser reichen.“
Habe ich das gerade laut gesagt? Es fühlt sich fast so an, als würde ich es ernst meinen.
Er wurde davor bewahrt, sich näher mit diesem unbehaglichen Gedanken zu befassen, als der Fahrstuhl stoppte. Sie hatten ihr Ziel erreicht.
Glenna überraschte ihn: Sie betätigte den Knopf, um die Tür geschlossen zu halten. „Euer Aufsichtsrat kauft dir deinen Unfug vielleicht ab, aber ich lasse mich nicht ins Bockshorn jagen.“
Sie hatte recht. Was auch immer er hier gerade tat, es hatte nichts mit der Arbeit zu tun.
Aber wir sind im Fahrstuhl. Allein.
Solch eine Gelegenheit konnte er sich nicht entgehen lassen.
Er trat näher an sie heran und sog ihren Duft ein. Mandel … Unerwartet. Sinnlich. „Was, wenn ich es ernst meine?“
„Dann tut es mir sehr leid, dass du so verletzt worden bist.“ Sie schluckte, rümpfte die Nase und zeigte mit dem Finger auf ihn. „Aber jetzt hör auf, Spielchen mit mir zu spielen. Reden wir lieber mit meiner Mutter.“
Glenna öffnete die Fahrstuhltür und rauschte dann zu einem leeren Empfangstresen. „Ich weiß auch nicht, wo Sage steckt …“
Im selben Augenblick bog Glennas junge Cousine Sage Hammond um die Ecke, strich sich ihr schlichtes Strickkleid glatt und setzte sich an ihren Platz. „Ich habe mich gerade in der Technikabteilung mit deinem Assistenten getroffen, Glenna. Tut mir leid, dass ich hier nicht aufgepasst habe. Deine Mutter hat telefoniert, als ich gegangen bin.“ Sage blickte zur Telefonanlage. Ihre blonden Haare fielen ihr auf die Schultern. „Aber das Licht ist jetzt aus, also muss sie fertig sein.“
Broderick nickte. „Danke, Miss Hammond.“
Glenna murmelte: „Finger weg von meiner Cousine“, während sie nach dem Griff der Bürotür langte.
Eifersüchtig? Interessant. „Ich reiße Schmetterlingen nicht die Flügel aus.“
In Glennas himmelblauen Augen veränderte sich ganz kurz etwas. Er konnte es nicht benennen. Dann wandte sie sich ab und betrat das Büro ihrer Mutter.
Drinnen wartete noch mehr Mikkelson-Charme auf ihn. Antiquitäten und Farbtupfer in Hellgrün brachten Leben in das Eckbüro. Zwei Glaswände und ein Oberlicht ließen den Sonnenschein herein. Draußen wimmelte es auf den Straßen vor Leuten und Autos. Sogar ein Elch auf Abwegen kam in Sicht.
Aber das Büro war leer.
„Mom? Ich bin mit Broderick Steele hier. Es gibt ein Missverständnis, das wir aufklären müssen.“ Glenna sah sich um. „Ich weiß, dass sie hier ist. Alles ist noch da, ihre Aktentasche und ihr Mantel, sogar ihr Kaschmirschal. Sie holt sich bestimmt nur eben Kaffee.“
Oder war sie im Waschraum?
Glennas Blick huschte zu dem privaten Bad.
Von drinnen kamen gedämpfte Geräusche, die nach einer Dusche klangen. Dampf drang unter der Tür hervor, als würde das Wasser schon lange laufen. Ein Stöhnen war zu hören. Genießt sie das Duschen? Oder hat sie Schmerzen? Broderick war sich nicht sicher.
Er ging in den Sitzbereich hinüber. „Sieh nach ihr. Wenn du Hilfe brauchst, sag einfach Bescheid.“
„Danke, das weiß ich zu schätzen. Mom?“ Glennas Stimme hatte einen Unterton von Besorgnis. „Mom, ist alles in Ordnung?“
Keine Antwort.
Glenna sah sich nach ihm um. „Ich will eigentlich nicht einfach ins Bad stürmen, aber wenn es ihr nicht gut geht … Wenn es nun ein Notfall ist …“
„Deine Entscheidung. Soll ich lieber gehen?“ Vielleicht steckten ja gesundheitliche Probleme hinter dem seltsamen Geschäftsgebaren.
„Bleib einfach da hinten, aber in der Nähe, falls ich dich zu Sage schicken muss.“ Glenna klopfte leise an. „Mom? Ich bin es. Geht es dir gut?“
Broderick musterte seine Stiefel und hielt den Blick von der Tür abgewandt.
„Mom, ich mache mir Sorgen. Ich will dich nicht in Verlegenheit bringen, aber ich muss wissen, ob alles in Ordnung ist. Ich komme jetzt rein.“
Als der Türgriff klapperte, schaute Broderick auf und sah Glenna den Kopf schütteln.
„Es ist abgeschlossen.“ Sie klopfte lauter. „Mom, du machst mir Angst. Mach auf. Bitte.“ Sie griff in ihre Tasche. „Ich nehme jetzt den Hauptschlüssel, um die Tür zu öffnen.“ Sie schloss auf – und schrie.
Broderick sprang auf, rannte zu ihr und legte ihr die Hand auf den Rücken, um ihr zu helfen, ganz gleich, welche Krise sich hier gerade abspielte.
Glenna hielt sich am Türrahmen fest. „Mom?“
Broderick stutzte. Blinzelte. Blinzelte noch einmal. Du meine Güte. Er traute seinen Augen nicht.
Glenna war vielleicht überrascht, aber Broderick war völlig sprachlos. Er stolperte einen Schritt zurück, weil die Welt gerade einen Purzelbaum geschlagen hatte.
Jeannie Mikkelson stand in ein Handtuch gehüllt im dampfgeschwängerten Bad, aber sie war nicht allein.
Eine nur allzu vertraute Gestalt schob sich vor sie. Der Mann brachte Jeannie hinter seinem breiten Oberkörper in Sicherheit.
Broderick konnte gar nicht anders, als sich zu vergewissern, dass das Offensichtliche zutraf: „Dad?“
Glenna tigerte im Empfangsbereich zum Büro ihrer Mutter auf und ab und versuchte, sich durch den Nebel ihrer Gefühle zu kämpfen. War es Verwirrung? Schock? Sie konnte einfach nicht fassen, was sie gerade gesehen hatte.
Ihre Mutter hatte eine Affäre mit der Konkurrenz.
Na gut – eigentlich hatte Glenna auf dem College dasselbe getan, aber sie und Broderick hatten damals noch keine Positionen im jeweiligen Familienunternehmen bekleidet. Sie waren nicht wie ihre Eltern, die selbst in Gesprächen beim Abendessen die Fehde immer wieder mit Verdächtigungen und Gerüchten geschürt hatten.
Damals auf dem College hatte Glenna ein schlechtes Gewissen gehabt und war sich wie eine Verräterin vorgekommen, weil sie sich zu Broderick hingezogen gefühlt hatte. Genau wie vor einer Viertelstunde in ihrem Büro.
Jetzt warf sie einen Blick in den Sitzbereich zu dem … dem Sohn des Geliebten ihrer Mutter.
Das ist alles so surreal!
Broderick war nach wie vor unglaublich heiß. Er lehnte mit der Hüfte an einem der Ohrensessel und wippte unruhig mit dem Fuß. Ihre Cousine sah zwischen ihnen beiden hin und her. Sage spürte offenbar, dass etwas nicht stimmte, hielt aber den Mund. Sie würde keine Fragen stellen.
Und sie würde nicht tratschen. Höchstwahrscheinlich war diese Eigenschaft Jeannie Mikkelson wichtig gewesen, als sie ihre Assistentin ausgewählt hatte.
Wusste Sage von der Affäre? Und vielleicht auch, was mit den Aktien los war? Wenn irgendein Hinweis auf die Beziehung zwischen den beiden Öl-Magnaten an die Öffentlichkeit gedrungen war, erklärte das möglicherweise die Schwankungen. Manche Investoren waren bestimmt verunsichert und verkauften ihre Anteile, während andere sich mehr sicherten.
So viele Fragen … Vor allem eine: Wie lange dauert es, sich etwas überzuziehen?
Glenna zuckte bei dem Gedanken zusammen.
Endlich schwang die Tür aus heimischer Gelbzeder auf, und ihre Mutter trat heraus. Jack Steele stand hoch aufgerichtet hinter ihr. Seine grünen Augen funkelten. Beschützend. Besitzergreifend. Glenna kannte seinen unnachgiebigen Blick aus geschäftlichem Kontext. Aber das hier war etwas ganz anderes.
Sie sah ihre Mom an.
Das Haar ihrer Mutter war noch feucht, aber abgesehen davon deutete nichts mehr auf das hin, was gerade passiert war. Jeannie Mikkelson wirkte so gelassen und stark wie immer. Sie hatte die Firma jahrelang an der Seite ihres Mannes geführt und dann allein das Ruder in die Hand genommen, nachdem sein erster Herzinfarkt ihn zum Pflegefall gemacht hatte.
Sie hatte dafür gesorgt, dass das Geschäft weiter auf Hochtouren lief und sogar nach dem Tod ihres Mannes Haltung bewahrt. Die ganze Familie war erschüttert gewesen, aber Glenna hatte Jeannie nur ein einziges Mal weinen sehen.
Ihre Mutter war gut darin, ihre Gefühle für sich zu behalten.
Deshalb war es keine Überraschung, dass sie auch jetzt undurchschaubar blieb.
Es ging nicht darum, dass sie eine Beziehung mit einem anderen Mann als Glennas Vater hatte. Das Entscheidende war, dass es ausgerechnet dieser Mann war.
Jack Steele sah wie eine ergraute Version seines ältesten Sohns aus. Er war noch gut in Form, aber das Alter hatte ihn etwas fülliger gemacht. Wie seine drei Söhne war er ein Original: Geschäftsmann und Cowboy. Ein Mann aus Alaska.
Glenna fiel die Überschrift ein, unter der eine Zeitschrift ihn porträtiert hatte: „CEO in Eskimostiefeln“.
Jeannie nickte ihrer Assistentin zu. „Sage, könntest du bitte alle Anrufe entgegennehmen und etwaigen Besuchern absagen? Das hier dauert wahrscheinlich eine Weile.“
„Natürlich, Tante Jeannie.“ Sage hielt schon ihr Tablet in der Hand. „Ich verlege deinen Elf-Uhr-Termin und sage Chuck, dass er mit ihm Mittagessen gehen soll.“
Chuck, alias Charles Mikkelson III, war Jeannies Sohn, Glennas Bruder und der Vizechef des Unternehmens. Er war der Kronprinz, der die Firma übernehmen sollte, wenn Jeannie in den Ruhestand ging.
Wenn sie das denn je tut. Jeannie war noch keine siebzig und so dynamisch und fit wie eh und je.
„Perfekt. Danke, Liebes.“ Jeannie winkte Glenna und Broderick in ihr Büro. Jack zog die Tür hinter ihnen zu und drehte den Schlüssel um, um sicherzugehen, dass niemand sie unterbrechen würde.
Glenna wankte ein wenig, und Broderick hielt sie an der Taille fest. Sie war ihm dankbar, dass er sie stützte, auch wenn es sich anfühlte, als würde seine Hand sie versengen.
Jack zog eine Augenbraue hoch und sagte: „Setzen wir uns doch alle.“
Verlegen rückte Glenna von Broderick ab. Die Stelle, an der er sie berührt hatte, prickelte noch immer.
Der Steele-Patriarch zog einen der grünen Klubsessel näher an einen zweiten und berührte Jeannie leicht am Arm, als sie sich darauf niederließ. Dann sah er Richtung Sofa. Anscheinend sollten Broderick und Glenna sich darauf setzen wie zwei Kinder, denen die Eltern die Leviten lesen wollten.
Broderick sagte immer noch nichts, machte es sich aber neben ihr auf dem apfelgrünen Sofa bequem. Glenna wurde nicht schlau aus ihm, und es brachte sie durcheinander, dass sein Knie ihres streifte.
Was zum Teufel ist bloß mit diesen Steele-Männern los?
Ihre Mutter und Jack hielten jetzt Händchen wie Teenager. Es war irgendwie süß, verstörte Glenna aber trotzdem. „Mom, ich möchte nicht schnüffeln, aber du verstehst sicher, dass ich angesichts unserer Familiengeschichte etwas verwirrt bin.“
„Mir ist klar, dass das hier mehr als nur ein bisschen peinlich ist, Glenna. Wir hatten eigentlich gehofft, bald mit allen sprechen zu können.“
Broderick klopfte mit dem Umschlag auf seinem Oberschenkel herum. „Worüber? Über eure Beziehung oder über etwas anderes? Etwas, das, sagen wir, mit dem Geschäft zu tun hat?“
Jack streichelte Jeannie mit dem Daumen über das Handgelenk. „Es war auch für uns überraschend. Solange wir noch verheiratet waren, ist nie etwas passiert. Wir haben beide glückliche Ehen geführt.“
Jeannie lächelte und drückte ihm die Hand, bevor sie fortfuhr: „Jack und ich haben in den letzten Monaten viel Zeit miteinander verbracht, weil wir verschiedene Fragen bezüglich der Umweltbehörde zu besprechen hatten.“
„Aber unsere Firmen sind doch Konkurrenten?“ Glenna verstand die Situation immer noch nicht.
„Unsere Unternehmen fressen einander bei lebendigem Leib auf. Wir laufen beide Gefahr, von Johnson Oil United übernommen zu werden. Ihr CEO Ward Benally tätigt seit einiger Zeit besorgniserregende Käufe. Aus Liebe zu dem, was wir aufgebaut haben, haben wir uns entschlossen, miteinander zu reden.“
Reden? Glenna konnte gar nicht anders, als zu bemerken: „Beim Reden ist es ja wohl nicht geblieben.“
Ihre Mutter prustete vor Lachen. „Eindeutig. Wir waren so erstaunt darüber wie ihr.“ Sie legte den Kopf schief. „Na ja – vielleicht nicht ganz so erstaunt wie ihr, als ihr die Badezimmertür geöffnet habt.“
Ihre Mundwinkel zuckten; dann lachte sie wieder los. Jack fiel mit ein, und sie tauschten einen unverkennbar intimen Blick.
Aus irgendeinem Grund machte das Glenna noch verlegener als die Entdeckung vorhin. Hier ging es nicht nur um Sex. Was sie sah, war eine echte Beziehung voller Verbundenheit, etwas, das ihr seit dem Tod ihres Mannes fehlte.
Sie war zwar nicht so lange verheiratet gewesen wie ihre Mutter, aber Glenna wusste, wie weh es tat, Witwe zu sein. Sie hatte ja noch nicht einmal ein gemeinsames Kind mit ihrem Mann, das sie lieben konnte.
Sie kniff sich in die Nasenwurzel, als ihr die Tränen kamen. So viel Verlust. So viele Veränderungen. Das ist zu viel für mich.
Broderick beugte sich vor und knallte den Umschlag auf den Sofatisch. „Wenn wir alle mit Lachen fertig sind, können wir wohl Eines festhalten: Ihr plant eine Fusion beider Unternehmen und rechnet damit, dass wir alle mitspielen, ohne dass ihr uns auch nur nach unserer Meinung fragt.“
„Nein“, stellte Jack fest.
„Natürlich nicht“, bekräftigte Jeannie. „Es hat sich zwischen uns nur alles so schnell entwickelt, dass wir noch keine Chance hatten, euch auf den neuesten Stand zu bringen.“
„Aber das tun wir sehr bald“, versprach Jack.
Broderick runzelte die Stirn. „Bitte sag, dass du nicht willst, dass wir uns alle an einen Tisch setzen, Dad.“
„Nicht beim allerersten Gespräch“, antwortete sein Vater. „So schlau sind wir auch.“
Ein Glück. So nahe bei Broderick zu sein, wenn auch nur für kurze Zeit, wirkte sich negativ auf Glennas Konzentrationsfähigkeit aus. Und sie musste einen kühlen Kopf bewahren – mehr, als ihr noch vor einer halben Stunde klar gewesen war. „Mom, was genau habt ihr vor?“
„Wir arrangieren erst einmal getrennte Familientreffen“, erläuterte Jeannie. „Wir müssen allen Zeit geben, zu verdauen, was wir zu sagen haben.“
„Aber dann …“ Jack hob einen Finger, als würde er einen Vortrag halten wollen.
Glenna biss gereizt die Zähne zusammen. Er war nicht ihr Vater. Und auch nicht ihr Boss. Noch nicht.
„Wir erwarten von allen, unsere Entscheidungen voll und ganz zu akzeptieren“, verkündete Jack.
Broderick schnaubte und lehnte sich zurück. „Dad, ich finde, du verlangst eine ganze Menge.“ Er wandte sich an Glenna. „Ich weiß nicht, wie das mit eurer Familie ist, aber meine Brüder und Schwestern werden ausflippen.“
Was das betraf, war Glenna vollkommen einer Meinung mit Broderick. Denn von ihren Geschwistern zu erwarten, eine jahrzehntelange Familienfehde nach einem einzigen Gespräch beizulegen und eine Fusion zu akzeptieren …
Da war „ausflippen“ noch stark untertrieben.
Broderick hatte schon in Spitzenrestaurants auf der ganzen Welt gegessen, aber kein Essen konnte mit der Küche hier in Kit’s Kodiak Café in einem kleinen Städtchen bei Anchorage mithalten. Der rustikale Diner lag am Rande der Bucht. Die großen Fenster boten klare Sicht auf den Hafen und den einen oder anderen Walrücken, der zwischen den Eisschollen auftauchte. Drinnen saßen an langen Holztischen lärmende Gruppen – wie seine Familie.
Er und seine Geschwister waren schon als Kinder immer wieder bei Kit’s gewesen. Ihr Vater war am Samstagmorgen oft mit ihnen hergefahren, damit ihre Mutter ausschlafen konnte. Broderick hatte damals noch nicht geahnt, dass der Milliardär Jack versucht hatte, ihnen bodenständige Werte zu vermitteln, indem er mit ihnen in ein normales Restaurant ging, in dem Countrymusik im Radio lief. Die Luft roch hier immer nach hausgemachtem Essen und Holzrauch. Als Junge hatte Broderick den ausgestopften Bären cool gefunden.
So ging es ihm noch heute.
Früher hatten die Steele-Kinder immer Rentierwürstchen, Eier und Pfannkuchen mit Waldbeersirup bestellt. Heute bevorzugte Broderick die pochierten Eier mit Lachs, aber seine Geschwister und er standen sich noch so nahe wie früher. Das war Segen und Fluch zugleich gewesen, als sie eine Schwester und ihre Mom bei einem Flugzeugabsturz verloren hatten.
Selbst wenn es am Tisch voll war, fühlte es sich an, als wäre ein Stuhl leer: Ihre Schwester Breanna war nicht mehr da. Manchmal baten sie versehentlich noch um einen Platz mehr als nötig.
Heute aber setzte sich Onkel Conrad zu den fünf verbliebenen Steele-Geschwistern. Der Bruder ihres Vaters war fünfzehn Jahre jünger als Jack. Als Ingenieur hatte er die Expansion der Firma nach North Dakota vorangetrieben. Die Steeles hatten in Alaska angefangen und sich Richtung Dakota vorgearbeitet. Die Mikkelsons waren in Gegenrichtung gewachsen.
Conrad griff nach der Kaffeekanne. „Wo ist Jack? Seit diese Gerüchte gestern Morgen die Runde gemacht haben, versteckt er sich. Es ist verdammt unhöflich von ihm, uns so lange warten zu lassen. Marshall, Broderick? Weiß irgendwer mehr?“
„Ich bin gerade erst angekommen. Ich war mit dem Wasserflugzeug draußen“, erwiderte Marshall. Als Rancher der Familie kümmerte er sich um ihr Land und überflog auch oft die Pipelines.
Conrad umfasste seinen Kaffeebecher mit beiden Händen. „Man sollte doch meinen, dass er die Anrufe seines Bruders annimmt.“
Der jüngste Steele-Bruder Aiden griff nach dem Sirup. „Sollte man meinen. Es ist doof, nie ganz ernst genommen zu werden, nur weil man der Jüngste ist.“ Sein Lächeln drang nicht bis in seine Augen vor. „Stimmt’s, Onkel Rad?“
„Nenn mich nicht so, du freches Gör. Du bist genauso schlimm wie dein Bruder.“ Conrad zeigte auf Broderick. „Ihr beide übertreibt es mit dem Sarkasmus. Nun sag schon, Broderick, stimmt es, dass du und Glenna Mikkelson-Powers deinen Dad mit …“
Conrad brach ab, schauderte und trank einen Schluck Kaffee, um sich zu stärken. Dann füllte er seinen Becher auf, hielt die leere Kanne hoch und lächelte die Kellnerin an, die sie ihm auf dem Weg zu einem anderen Gast aus der Hand nahm.
„In Wirklichkeit war es noch viel schlimmer …“ Broderick beugte sich zu seiner jüngsten Schwester.
„Unfassbar“, bemerkte Delaney und löffelte Waldbeeren auf ihren Haferbrei.
Naomi, älter als Delaney und die Mutigste und Direkteste im ganzen Rudel, stützte die Ellbogen auf den Tisch. „Hat er wirklich mit Jeannie Mikkelson eine heiße Nummer geschoben?“
„Unter der Dusche?“
„In ihrem Büro?“
Die Fragen seiner beiden Brüder kamen wie aus der Pistole geschossen.
Broderick nahm etwas Lachs auf die Gabel. „Anscheinend muss ich euch gar nichts mehr erzählen.“
Naomi strich sich Marmelade auf den Toast. „Welcher Teufel hat Dad nur geritten?“
Conrad hob den Kaffeebecher. „Oh, ich denke, das wissen wir alle.“
Delaney schlug mit ihrer Serviette nach ihm. „Sei nicht so vulgär.“
Eine Touristengruppe kam an ihrem Tisch vorbei. Die Steeles verstummten, bis die Leute wieder fort waren.
Naomi drehte ein Zuckertütchen zwischen den Fingern. „Glaubt ihr, dass es nur der Reiz des Verbotenen ist? Eine Affäre mit einer Mikkelson?“ Sie sah Broderick schief an. „Das hattest du ja auch schon …“
Broderick musterte seine Schwester aus schmalen Augen.
„Okay, okay.“ Sie kippte noch mehr Zucker in ihren Kaffee. „Verdammt, heute sind alle so gereizt.“
„Na ja“, gestand Delaney leise. „Ich habe vorhin mit Dad telefoniert. Er wollte mir zwar keine Details verraten, aber er hat zugegeben, dass sie ineinander verliebt sind.“
Aufkeuchen und entsetztes Stöhnen ertönten über das Klappern des Bestecks hinweg.
„Was meinst du, Broderick?“, fragte Conrad. „Du hast sie ja zusammen gesehen.“
„Ich würde sagen, dass Dad es ernst mit ihr meint“, antwortete er, ohne zu zögern.
„Glaubst du, dass das schon lange läuft?“ Naomi zog die Augenbrauen hoch.
„Und wie ernst ist es? Ernst genug für … eine Ehe? Was soll aus der Firma werden?“ Marshall fuhr sich durch die braunen Locken.
Delaney rührte die Beeren in ihren Haferbrei. „Konntest du sie nach Einzelheiten fragen, was ihre Pläne angeht?“
Broderick schüttelte den Kopf. „So tief sind wir in die Diskussion gar nicht eingestiegen. Dad hat gesagt, dass er mit uns allen sprechen will, während Jeannie Mikkelson mit ihren Kindern redet – aber getrennt.“
Aiden nahm sich noch drei Pfannkuchen von der Servierplatte in der Mitte des Tisches. „Aber unsere Familien hassen sich.“
„Vielleicht nur die Väter?“, fragte Delaney leise.
Broderick schüttelte noch einmal den Kopf. „Jeannie Mikkelson war immer genauso sehr Teil des Unternehmens wie ihr Mann. Sie ist anders als Mom.“
Bei der Erwähnung ihrer Mutter verstummten die Geschwister. Sie hatten sich nie wirklich damit abgefunden, dass sie ihre Mom und Breanna so unerwartet verloren hatten. Ein Flugzeugabsturz an einem Berg … Nach den Flammen war von dem Wrack nicht mehr viel übrig gewesen. Ihr Vater hatte die Leichen gesehen, aber er hatte seine Kinder davon ferngehalten.
Naomi trank einen Schluck Kaffee. „Vielleicht können wir Dad klarmachen, dass das hier fürs Geschäft fatal ist. Der Aufsichtsrat dreht durch, und die Aktionäre reagieren bestimmt heftig auf die Ungewissheit.“
Broderick rieb sich das Kinn. „Willst du ihnen raten, sich aus Profitgründen zu trennen? Das klappt nicht – jedenfalls nicht bei unserem Dad.“
Sein jüngster Bruder riss erschrocken die Augen auf und warnte Broderick damit etwas zu spät, als eine vertraute tiefe Stimme hinter ihm ertönte.
„Was klappt bei mir nicht?“
Jack Steele war da.
Broderick stellte vorsichtig seinen Kaffeebecher ab, während er sich eine Antwort für seinen Vater einfallen ließ, die weder seinen alten Herrn noch den ganzen Tisch voll gereizter Steeles auf die Palme bringen würde.
Seine Familie neigte dazu, ihrem Temperament freien Lauf zu lassen. Besonders, seit die Friedensstifterinnen gestorben waren: seine Mutter und seine Schwester. Heute versuchte Delaney oft, die Familienstreitigkeiten zu schlichten, aber sie war nur eine leise Stimme inmitten einer Flut durchsetzungsstarker Persönlichkeiten.
Als er schon nahe daran war, das Thema zu wechseln, bewahrte Conrad ihn davor, antworten zu müssen, indem er aufstand und noch einen Stuhl heranzog.
„Setz dich, Jack. Du bist der Mann der Stunde. Spann uns nicht länger auf die Folter.“ Er klopfte seinem Bruder auf die Schulter.
„Danke, dass ihr euch so kurzfristig hier mit mir treffen konntet.“ Jack winkte die Kellnerin heran, als er sich setzte. „Für mich bitte das Übliche.“ Wie seit Jahrzehnten bestellte er damit Sauerteigwaffeln. Anders als früher aß er sie jetzt lieber mit Obst als mit Sirup, aber wie immer dominierte er den Tisch sofort, wenn er am Kopfende saß.
Jacks ältester Sohn zu sein, war nicht einfach. Es fiel Broderick nicht leicht, in die großen Fußstapfen seines Vaters zu treten. Aber er würde nicht tatenlos zusehen, wie das Familienunternehmen in Gefahr geriet. Er wusste, dass Glenna dasselbe empfand, was das Erbe der Mikkelsons anging.
Seltsam, dass wir diesmal auf einer Seite stehen.
Broderick musterte seinen Vater prüfend. Er musste auf die richtige Gelegenheit warten und durfte keine Schwäche zeigen. Es stand zu viel auf dem Spiel.
Conrad setzte sich wieder. „Danke, dass du dir für uns Kleider angezogen hast. Der arme Broderick wirkt immer noch, als ob er einen stärkenden Drink braucht.“
Jack presste die Lippen so fest zusammen, dass sie unter seinem Schnurrbart verschwanden. „Reiß das Maul nicht so weit auf, Bruder.“
Conrad lächelte unverfroren. „Ist ‚Aufreißen‘ wirklich das passende Thema?“
Jack verschränkte die Arme. „Was das betrifft, habe ich keinen Sinn für Humor. Du bist respektlos gegenüber Jeannie, und das lasse ich mir nicht bieten.“
„In Ordnung“, lenkte Conrad ein. „Aber du musst verstehen, dass wir alle mehr als nur ein wenig verblüfft sind.“
Zum Teufel mit der Warterei! Broderick sah die Chance, die Kontrolle über das Gespräch zu übernehmen – nicht nur im Namen seiner Familie, sondern auch für Glenna. „Wir sind in dem Glauben aufgewachsen, dass unsere Familien verfeindet sind. Ich weiß nicht, wie oft ich dich auf beide habe fluchen hören – auf Jeannie und auf Charles Mikkelson.“
„Die Dinge ändern sich“, sagte Jack schlicht. „Ich schulde keinem von euch eine Erklärung, aber Jeannie und ich lieben einander. Sehr sogar. Wir wollen heiraten …“
„Heiraten?“, unterbrach Aiden ihn.
Alle anderen starrten in benommenem Schweigen vor sich hin und sahen dann Broderick an, als hätte er ein Geheimnis vor ihnen gehabt. Er schüttelte den Kopf und presste sich die Finger an die Schläfen, um seine beginnenden Kopfschmerzen unter Kontrolle zu bringen. Er hatte nicht geschlafen, sondern nur gegrübelt, wie ernst das Verhältnis seines Vaters zu Jeannie war. Eine Fülle von Fragen hatte ihn wachgehalten. Ganz zu schweigen davon, dass immer wieder Glenna in ihrem engen Rock vor seinem inneren Auge erschienen war. Das Wiedersehen mit ihr hatte lebhafte Erinnerungen wachgerufen.
„Ja“, bestätigte Jack in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. „Heiraten. So bald wie möglich, da unser Geheimnis jetzt ans Tageslicht gekommen ist. Jeannie und ich haben gestern Abend ausführlich darüber gesprochen. Deshalb haben wir auch keinen eurer Anrufe entgegengenommen.“
Broderick konzentrierte sich auf das entscheidende Wort in der Antwort seines Vaters. „Bald?“
„Ja. Da ihr ohnehin schon Bescheid wisst, müssen wir ja nicht mehr auf den perfekten Zeitpunkt warten, es euch schonend beizubringen. Die Ereignisse des gestrigen Nachmittags haben uns in Zugzwang gebracht. Jeannie spricht jetzt auch mit ihren Kindern.“ Er sah Broderick an. „Du weißt das sicher schon, da du ja mit Glenna geredet hast.“
Die Erwähnung der Mikkelson-Finanzchefin sorgte hier und da am Tisch für hochgezogene Augenbrauen. Seine Geschwister sahen ihn schief an.
Broderick beugte sich vor und verdrängte den Gedanken an Glenna und ihr blondes Haar. „Bleiben wir beim Thema, Dad. Du bist hier, um uns über deine Verlobungspläne mit einer Frau zu informieren, von der wir dachten, du würdest sie nicht mögen. Habe ich das richtig zusammengefasst?“
„Es geht um mehr als nur Verlobungspläne. Wie gesagt, wir heiraten. Bald.“ Jacks Ton war streng wie ein Winter in Alaska.
„Wie bald?“, fragte Naomi. Sie hing mehr an ihrem Vater, als sie es sich gern anmerken ließ.
Jack wartete, bis die Kellnerin seine Waffeln vor ihm abgestellt hatte und wieder gegangen war. „Jeannie und ich heiraten an meinem Geburtstag. So vergesse ich meinen Hochzeitstag bestimmt nie.“ Er lachte und amüsierte sich offenbar prächtig.
Broderick stellten sich die Nackenhaare auf. „Dein Geburtstag ist …“
„In zwei Wochen.“ Jack nickte knapp.
„Oh Gott“, flüsterte Naomi, und alle Mitglieder des Steele-Clans spürten das Echo ihrer Worte tief in der Magengrube.
Broderick sackte auf seinem Stuhl zusammen. Das hatte er nicht kommen sehen. Zorn brodelte in seinem Bauch. Er hatte sich nach einem der unvergesslichsten Wochenenden seines Lebens aus Familienloyalität von Glenna getrennt. Sogar jetzt konnte er fast noch ihre vollen Lippen schmecken. Und doch hatte er das Begehren verdrängt. Er hatte es dem Wahlspruch der Steeles geopfert: Die Familie steht über allem.
Wo war diese Familienloyalität jetzt?
Vor Wut schwieg er eisern. Er hatte Angst, sonst etwas zu sagen, was er bereuen würde. Seine Geschwister hatten das Problem nicht. Ihre schockierten Äußerungen kamen gleichzeitig, sodass es schwer war, festzustellen, wer eigentlich was sagte.
Broderick zwang sich, nicht länger an Glenna zu denken, sondern an die Zukunft des Öl-Imperiums der Steeles. „Was ist mit den Aktienverkäufen? Weiß irgendjemand von eurer Beziehung? Wenn ihr euch immer im Büro trefft, haben andere vielleicht schon etwas ausgeplaudert. Dad, du musst doch wissen, was das für die finanzielle Situation beider Firmen bedeutet.“
„Ja, was das betrifft …“ Jack säbelte ein Stück von einer seiner Waffeln ab und spießte es auf. „Wir wollen mit euch an einer Präsentation für den Aufsichtsrat arbeiten, um unsere Fusionspläne vorzustellen.“
Normale Firmen konnten fusionieren. Aber das hier war wie eine Kombination aus Zunder und Streichhölzern. Flammen, eine Explosion – und als Endergebnis vielleicht die Zerstörung all dessen, was sie aufgebaut hatten.
Die Bestätigung von Brodericks schlimmsten Befürchtungen fachte seinen Zorn zu lodernder Wut an. Sein Vater setzte alles aufs Spiel, was Broderick sein ganzes Erwachsenenleben über bewahrt und ausgebaut hatte.
„Du kannst nicht von uns – von mir – erwarten, das zu akzeptieren!“
Jack beugte sich vor, bis er Nase an Nase mit seinem ältesten Sohn war – reines Dominanzgebaren. „Genau das erwarte ich von dir. Ich bin immer noch der Mehrheitseigner von Steele Industries, und Jeannie besitzt ebenfalls die Aktienmehrheit an ihrer Firma. Der Aufsichtsrat hat vielleicht Einwände. Aber Jeannie und ich haben alles durchdacht. Es wird Zeit, dass dieser Kleinkrieg zu Ende geht. Wir fusionieren. Du kannst mitziehen, um uns stärker zu machen, oder dir deinen Anteil auszahlen lassen. Ich kaufe ihn dir zu einem fairen Preis ab. Deine Entscheidung.“
„Denk gut nach, was du sagst, Bruder!“ Conrad legte Jack erschrocken die Hand auf den Arm. „Willst du wirklich deine Kinder ausbooten? Dein eigen Fleisch und Blut?“
Broderick fragte sich dasselbe. Wenn sein Vater von ihm erwartete, die Firma kampflos aufzugeben, würde er sich noch wundern.
Jack kaute nachdenklich. „Ich sagte ja nur, dass jeder, der die Firma verlassen möchte, das gern tun kann.“
Marshall meldete sich zu Wort. „Und was ist mit unseren Jobs? Mit dem Landbesitz der Familie, unserem Erbe?“
„Nun mal langsam, bei dem Thema sind wir noch gar nicht“, erklärte Jack. „Die Umstrukturierung schafft auch neue Möglichkeiten.“
Umstrukturierung?
Der Begriff spukte geschlagene fünf Sekunden in Brodericks Kopf herum, bevor er sich zu einem Bild verfestigte, das für die Steeles wie für die Mikkelsons komplettes Chaos bedeuten würde.
„Dad, so etwas sage ich normalerweise zu Angestellten, die ich entlassen muss.“
Sein Vater lächelte. „Dann bist du im Vorteil, wenn es darum geht, wer Finanzchef des ganzen Unternehmens wird.“
Gerade, als Broderick gedacht hatte, dass seine Welt nicht noch mehr aus der Bahn geraten konnte, wurde er eines Besseren belehrt.
Sein Vater hatte sich unmissverständlich ausgedrückt. Nur einer konnte den Posten des Finanzchefs übernehmen, Broderick oder Glenna. Einer von ihnen würde den anderen verdrängen.
„Ich hoffe, es macht dir nichts aus, dass ich meinen Hund mitgebracht habe.“
Glenna kniete sich hin und schmiegte das Gesicht an den flauschigen Husky-Welpen, der artig vor ihr saß. Das süße Fellknäuel war ihr nach dem Tod ihres Mannes ein Trost.
Sie spürte, dass Brodericks Blick auf ihr ruhte. Als sie aufschaute, sah sie, dass er sie von der anderen Seite seines Büros aus aufmerksam musterte. Elektrizität schien in der Luft zwischen ihnen zu knistern.
„Es stört mich kein bisschen“, antwortete er. „Wie heißt der Kleine?“
„Kota. Wie in Dakota.“ Sie löste die Leine, stand auf und behielt Kota im Auge, während er den Raum erkundete. Der Hund schnüffelte neugierig an Brodericks Lederstiefeln. Neben dem eleganten schwarzen Stuhl blieb er stehen und richtete die gletscherblauen Augen auf Broderick.
Der Steele-Finanzchef räusperte sich, ging um seinen Tisch herum zur Minibar und holte eine Flasche Wasser daraus hervor, die an einem nahen Gletscher abgefüllt worden war. Die Kohlesäure sprudelte in den Gläsern, als er einschenkte.
Eine Millisekunde lang fing Glenna seinen Blick auf, und ihr lief ein Kribbeln über den Rücken. Bilder erschienen vor ihrem inneren Auge, aber sie wusste, dass sie sie unterdrücken musste. Hier ging es ums Geschäft.
„Danke für dein Verständnis. Kota wird im Hundekindergarten zwar immer gut betreut, aber ich möchte, dass er mich besser kennenlernt.“ Sie verwuschelte Kotas schwarz-weißes Fell.
„Er ist ein süßer Welpe und benimmt sich sehr gut. Es macht mir nichts aus“, antwortete Broderick.
Glenna hätte im Traum nicht damit gerechnet, dass Broderick binnen sechsunddreißig Stunden zurück in ihr Leben stürmen und mit ihr zusammenarbeiten würde.
Aber darum hatte ihre Mutter sie nachdrücklich gebeten, nachdem sie die Bombe hatte platzen lassen. Sie wollte einen Bericht von ihnen beiden.
„Wie ist das Treffen mit deinen Geschwistern und deiner Mutter gelaufen?“
Seine Stimme klang warm wie Whiskey, und sofort prickelte es in ihrem Innern, als hätte sie an einem eisigen Schneetag gerade einen heißen Grog getrunken.
Sie konzentrierte sich auf den Welpen, der vertrauensvoll zu ihr aufsah. „Wir mussten das Gespräch per Telefonkonferenz führen. Das Flugzeug meines jüngeren Bruders hatte Probleme, aus North Dakota hierher durchzukommen. Alle in der Leitung sind höflich geblieben.“
„Aber das ist doch gut, oder?“, fragte Broderick.
Sie zuckte die Schultern. „Wer weiß? Das dicke Ende könnte immer noch kommen.“
Und dann würde es ein unbarmherziger Sturm werden, voller Emotionen und Debatten, der alle Hunde und Katzen im Ranchhaus unter Tische und Stühle flüchten lassen würde.
Eis klirrte und lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf Broderick, der ihre Wassergläser um Limonenscheiben ergänzte. Dann schüttete er die Süßigkeiten aus einer Kristallschale und füllte die leere Schüssel mit dem restlichen Wasser.
Die freundliche Geste ihrem Hund gegenüber ließ ihr Herz schneller dahinschmelzen als die Sonne einen Schneemann. „Mein ältester Bruder Charles hat wahrscheinlich vor allem dank seiner Frau ruhig geklungen. Trystan war mürrisch, aber beherrscht.“
„Und deine Schwester?“ Broderick stellte Gläser und die Schale auf ein Tablett, bevor er an den Tisch in der Ecke zurückkehrte. Es war kein richtiger Konferenztisch, sondern ein behaglicher Sitzbereich, der ihr im Moment nicht annähernd groß genug vorkam.
„Alayna ist harmoniesüchtig. Wenn ich ihr nicht in die Augen sehe, bin ich mir bei ihr nie sicher.“ Sie griff nach ihrem Glas. Ihre Hand streifte seine und setzte ihre Sinne in Flammen. Sie trank rasch einen Schluck, um ihre Aufregung zu kaschieren. „Danke dafür.“
„Ich habe uns etwas zu essen bestellt, aber wenn du jetzt schon verhungerst, liegen in der Minibar ein paar Müsliriegel.“
„Nein danke, ich warte lieber.“
„Ich habe reichlich bestellt. Vor uns liegt eine lange Nacht.“
Sie sah ihm in die Augen und suchte nach einer Zweideutigkeit, aber heute Abend war sein Blick ernst. Nichts erinnerte mehr an die Neckereien neulich in ihrem Büro.
Die drei Tage seitdem waren ernüchternd gewesen. „Ich bin mir nicht sicher, wie wir das schaffen sollen.“ Sie schob sich einen Bleistift in den lockeren Haarknoten. „Wie arbeiten wir zusammen und wahren dabei dennoch die Interessen der beiden Unternehmen?“
„Des einen Unternehmens, wenn wir das, was unsere Eltern sagen, für bare Münze nehmen.“ Er stellte Kota die Wasserschale hin.
„Ich verstehe einfach nicht, wie sie von ihren Angestellten erwarten können, jahrzehntelanges Misstrauen und alle Verschwiegenheitserklärungen zu vergessen. Ich weiß ja noch nicht einmal, wie wir das bewältigen sollen.“
„Wir haben keine Wahl.“
Nur der eisige Regen, der gegen die Fenster prasselte, durchbrach die Stille.
Glenna trommelte mit den Fingern auf dem Rand ihres Laptops herum. Sie war sich immer noch nicht sicher, wie viel sie offenlegen sollte. Aber Jeannie und Jack wollten ein Info-Paket für den Aufsichtsrat, um die Investoren zu beruhigen, und das erforderte, dass sie und Broderick zusammenarbeiteten. „Wie war denn das Treffen mit deinem Vater und dem Rest deiner Familie?“
„Wir stehen noch immer unter Schock.“
„Kaum eine Stunde nach der Telefonkonferenz haben meine Schwägerin und meine kleine Schwester Nachrichten in die Runde geschickt, dass wir eine Art Junggesellinnenabschied für meine Mutter mit den Frauen beider Familien organisieren sollten. Ich hatte sofort ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht gleich gratuliert und alles Gute gewünscht habe.“
„Du darfst nicht vergessen, dass die anderen auch nicht mit ansehen mussten, wie …“
„Erinnere mich nicht daran! Meine Reaktion tut mir leid. Meine Mutter ist erwachsen. Sie hat Anspruch auf ihr eigenes Leben. Es fällt mir nur schwer, diese Beziehung in positivem Licht zu sehen, nachdem unsere Eltern unser Leben lang über das Geschäftsgebaren der anderen Seite hergezogen haben.“
Broderick ließ einen Bleistift so zwischen den Fingern kreisen, dass er immer wieder rhythmisch auf die Tischplatte traf. Sie beobachtete die kontrollierte Bewegung gebannt. Erst sein herausfordernder Ton riss sie aus ihrer Trance.
„Was genau stört euch denn an der Art, wie wir unser Unternehmen führen?“
„Ich bin nicht auf einen Streit aus.“ Sie wurde unwillkürlich laut, und ihr Welpe setzte sich auf und winselte. „Wir müssen das irgendwie ausdiskutieren.“
„Nein. Wir müssen nur einen stimmigen Finanzplan erstellen, den wir dem Aufsichtsrat präsentieren können. Einen Weg, die Vermögenswerte zu kombinieren und dabei möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten.“
Sie schnippte mit den Fingern, um Kota zu sich zu rufen. „Und um im Rennen um die Pipeline zu bleiben.“
Er ging sofort auf ihren Gedanken ein. „Um sie schneller und sicherer zu bauen, damit wir mehr Öl transportieren können und konkurrenzfähig bleiben. Das ist eine Frage der Selbsterhaltung.“
„Stimmt.“ Sie streichelte ihrem Husky den Rücken. Die flauschige Struktur seines Fells war tröstlich.
Und sie konnte allen Trost gebrauchen, den sie bekommen konnte, solange sie mit Broderick in diesem Zimmer festsaß. Der frische Zedernduft seines Aftershaves überwältigte ihre Sinne und verlockte sie bei jedem Atemzug. Mein Körper will ihn … Aber ihr Verstand rebellierte.
Sie trauerte immer noch um ihren verstorbenen Mann. Sie hatte ihn während ihrer Ehe geliebt, trotz aller Konflikte und obwohl sie so verdammt hart an ihrer Beziehung hatten arbeiten müssen. Doch ihr Körper sehnte sich nach einem Mann. Nach Broderick.
Sie holte Luft und erschauerte beim köstlichen Kitzeln seines Dufts. „Willst du noch mehr als … das hier? Den Job, das Büro?“
„Nein“, antwortete er ohne Zögern. „Heißt das, dass du mehr willst? Was denn?“
Ist es nur Einbildung, oder hat er tatsächlich bei der Frage die Stimme gesenkt?
Er sah ihr so feurig in die Augen, dass seine Hitze sie innerlich versengte.
Ihr Herzschlag beschleunigte sich, während sie um Fassung rang. Um professionelle Distanz.
„Oh, so leicht wirst du mich nicht los. Mein Job steht nicht zur Verfügung.“ Sie zog sich den Stift aus den Haaren und zeigte auf ihn. „Und ich auch nicht.“
Das musste sie sich selbst genauso ins Gedächtnis rufen wie ihm.
Finger weg von Broderick Steele.
„Warum nicht?“ Er musterte sie fragend, als ob er die Idee wirklich in Erwägung zog und nicht nur flirtete.
Etwas an seinem Ton machte sie misstrauisch. Und ließ ihr sehr, sehr heiß werden.
Sie holte tief Luft und war sich der Reaktion ihres Körpers auf diesen Mann nur zu gut bewusst.
„Seit du vor drei Tagen in mein Büro gekommen bist, hat alles, was du sagst, einen anzüglichen Unterton.“ Sie musste das Gespräch in eine andere Richtung lenken, bevor sie sich fragen konnte, ob ihr das nicht gerade gefiel. „Sex würde zwischen uns alles nur noch komplizierter machen.“
„Warum denn?“ Sein Grinsen ließ Grübchen in seinen Wangen erscheinen.
„Du bist so klug, das selbst zu wissen.“ Sie sah nach unten und schüttelte den Kopf, während sie so tat, als würde sie seine Stiefel mustern. „Wir müssen diese angespannte Situation nicht unbedingt noch mehr aufheizen. Wir sind keine Studenten mehr, die auf einer Party zu viel getrunken haben.“
„Du hast recht. Wir sind keine rebellischen Jugendlichen mehr. Wir sind erwachsen und wissen genau, was los ist. Unsere Eltern heiraten. Wahrscheinlich müssen wir von nun an jedes Jahr zu Weihnachten gemeinsam am Esstisch sitzen.“ Er beugte sich zu ihr. Sie nahm seinen Moschusduft wahr, das spielerische Grollen in seiner Stimme. „Aber zum Glück gibt es ja Mistelzweige.“
Die Szenerie, die er heraufbeschwor, ließ das Feuer in ihrem Bauch abkühlen. Das Bild, das er zeichnete, war ihr zu … familiär. „Das ist nicht witzig. Du bist höllisch sexy, und ich fühle mich ganz offensichtlich zu dir hingezogen. Aber ich habe schon genug verloren. Ich will nicht auch noch meinen Job und meine Familie riskieren.“
„Das Begehren ist also gegenseitig? Das höre ich gern.“ Er fasste nach ihrer Hand.
„Wie gesagt: Du bist ein kluger Mann. Das wusstest du doch schon.“ Sie streichelte für einen Augenblick seine Finger, bevor sie ihm ihre Hand entzog.
„Nein, nicht sicher. Vor all den Jahren bist du abgehauen – nach einem Wochenende, das ich ganz unglaublich fand.“
„Es war … unvergesslich“, räumte sie ein und setzte dann hastig hinzu: „Aber heute wissen wir doch beide, wie schwierig alles geworden wäre. Denk nur daran, wie unmöglich es uns erscheint, dass dein Dad meine Mom heiratet. Wie hätten wir uns nach einem einzigen impulsiven Wochenende unserer Familienfehde entgegenstemmen können?“
„Und später hast du geheiratet.“ Sein Tonfall war ausdruckslos.
„Ja.“ Sie hob trotzig das Kinn. „Und du musst zugeben, dass dein Ruf als Frauenheld wohlverdient ist. Die Artikel in der Regenbogenpresse geben sicher nicht alle nur Gerüchte wieder.“
„Die Klatschtanten sind jetzt mit meinem Vater und deiner Mutter beschäftigt. Ich glaube nicht, dass sie Zeit für uns haben.“ Er fuhr ihr mit den Fingerknöcheln über die Wange und weckte blitzartig ein heißes Sehnen in ihr, bevor er an seinen Computer zurückkehrte. „Denk darüber nach.“
Die Einladung in seinem Blick war nicht zu übersehen. Und so einsam, wie sie seit einer Weile war, sehnte ihr Körper sich einfach nach der Berührung eines Mannes. Dieses Mannes.
Nein.
Mit Broderick würde es nicht bei einer Berührung bleiben.
Und einfach würde es auch nicht werden.
Jack Steele hatte von Anfang an gewusst, dass es schwer werden würde, seine und Jeannies Kinder von der Fusion zu überzeugen, aber mit derart sturer Ablehnung hatte er nicht gerechnet.
Sein großes Blockhaus lag weit hinter ihm. Er ließ sich tiefer in den Sattel sinken und hoffte, dass der rhythmische Schritt des Quarterhorses seinen Frust etwas lindern würde. Nach dem Tod seiner Frau war das Reiten seine Rettung gewesen. An der frischen Luft fühlte er sich geborgen, ob bei Tag oder bei Nacht.
Im Moment glitzerte die Sonne auf den schneebedeckten Bäumen und Bergen – und auf Jeannies Haar. Sie ritt neben ihm. Er hatte davon geträumt, mit ihr auszureiten, sobald sie sich öffentlich miteinander zeigen konnten. Ein Grund mehr, mich zu freuen, aber die Welt steht Kopf.
Jack hielt die Zügel locker. Er hatte die gescheckte Stute Willow für Jeannie gesattelt. Die Frau war ein Naturtalent. Das hatte er gleich geahnt. Ihr helles Haar quoll offen unter der Kapuze ihres Parkas hervor. Sie saß selbstsicher im Sattel. Die sanften Kurven ihres schlanken Körpers zogen ihn magisch an. Die langen Beine, die ihn daran denken ließen, wie gern er ihr Stiefel, Jeans und seidene Leggings ausziehen würde …
Er würde nie den Augenblick vor sechs Monaten vergessen, als sie auf einer Industriekonferenz in Juneau plötzlich allein gewesen waren. Er hatte sie angesehen. Sie hatte ihn angesehen.
Und die Welt hatte sich verändert.
Er hatte sie gebeten, etwas mit ihm trinken zu gehen. Sie hatte Ja gesagt … Und jetzt waren sie hier. Zusammen. Fest verbunden.
Er räusperte sich in der eisigen Luft und kehrte in die Gegenwart zurück. Zu seinem ersten Ausritt mit Jeannie. Er konnte sich viele weitere Ausflüge dieser Art vorstellen.
Sobald sie die Meinungsverschiedenheiten mit ihren Kindern beigelegt hatten.
Verdammt. Jeannie und ich sind doch erwachsen! Ihre jeweiligen Ehepartner waren vor Jahren gestorben. Und er war nicht bereit, für immer ein einsames Leben als Witwer zu führen.
Wenn ich eine andere gefunden hätte, die nicht ausgerechnet Mikkelson heißt … Aber das Leben hatte ihm schon immer Knüppel zwischen die Beine geworfen. Er wusste, wie kostbar das Glück war, und war deshalb umso entschlossener, es zu genießen.
Er warf einen Blick auf Jeannie, die neben ihm so königlich und schön dahin ritt. Sie raubte ihm einfach den Atem. „Danke, dass du heute mit mir hergekommen bist.“ Er konnte immer noch nicht fassen, dass sie sich bereit erklärt hatte, bald zu ihm zu ziehen.
Sie ließ den Blick von seinem riesigen Haus zu dem Wasserflugzeug schweifen, das auf dem See schaukelte. „Hier ist es wunderschön. Ich verspreche dir auch, dass ich es langsam damit angehen lasse, allem meinen eigenen Stempel aufzudrücken. Ich will bei den Steeles nicht alles über den Haufen werfen.“
„Es ist auch dein Zuhause“, sagte er mit Nachdruck. „Deine Entscheidungen sind meine.“
Ihr Atem bildete ein weißes Wölkchen in der Nachmittagsluft. „Wenn es doch nur so einfach wäre!“
„Nichts im Leben war für mich oder meine Familie je einfach. Meine Kinder sind hart im Nehmen. Wenn sie die erste Überraschung überwunden haben …“
„Den Schock“, verbesserte Jeannie.
„So kann man es auch ausdrücken.“ Er musste lachen, als er an Brodericks und Glennas Gesichter beim Öffnen der Badezimmertür dachte. „Sie haben es jedenfalls nicht ganz allmählich erfahren, wie wir es eigentlich geplant hatten.“
Jeannie lachte mit ihm. Der Klang ihrer Stimmen vereinte sich im Wind.
Verdammt, ich werde auf meine alten Tage noch ganz poetisch.
Das macht die Liebe eben mit einem Mann.
Er griff nach den Zügeln von Jeannies Pferd und parierte beide Tiere durch, sodass sie dicht nebeneinander zum Stehen kamen. Dann strich er Jeannie die Haare zurück und schob sie unter ihre Kapuze. „Was wir zusammen gefunden haben, ist ein Geschenk.“
Ihre blauen Augen glänzten vor Tränen. Sie berührte sein Handgelenk. „Eines, mit dem ich nie gerechnet hätte.“
„Und eines, das ich nicht wieder hergebe“, sagte er, ohne zu zögern.
„Selbst, wenn es deine Firma bedroht?“
„Selbst, wenn es deine bedroht?“
„Unsere“, antwortete sie lächelnd.
„Genau.“ Er ließ die Hand nach unten gleiten, um ihre Taille zu umfassen und sie aus dem Sattel auf seinen Schoß zu ziehen.
„Wir sind jetzt ein Team.“ Sie schlang ihm die Arme um den Hals und lehnte sich an ihn. „Das hier ist echt.“
„Ja, mein Schatz, sehr echt.“ So echt wie sein wachsendes Bedürfnis, sie auf der Stelle zu nehmen. Aber es war mehr als eine Affäre. Er liebte sie. „Unsere Familien müssen uns endlich unterstützen. Keine getrennten Treffen mehr. Sie müssen lernen, zusammenzuarbeiten, wenn die Fusion funktionieren soll.“
„Du hast recht.“ Sie küsste ihn erst einmal, dann noch einmal höllisch verführerisch. „Und je eher, desto besser. Für sie und für uns, denn ich liebe dich, Jack Steele.“
„Ich weiß. Ich liebe dich auch, Lady.“ Er drückte sie enger an sich und umfasste beide Zügel mit der Faust. „Und weißt du was?“
„Na?“
„Ich will dich. Sofort.“
Zu ihrem Glück war der Flugzeughangar ganz in der Nähe.
Glenna umklammerte den Rand ihres Stuhls. Sie saß im Wintergarten der Steele-Familienlodge. Es war ihr erstes großes Doppelfamilientreffen und absolut surreal.
Nicht, dass beide Clans sich schon komplett vermischt hätten. Die Frauen saßen je nach Familienzugehörigkeit auf unterschiedlichen Seiten des Raums. Glenna und ihre Schwester Alayna blieben dicht bei ihrer Schwägerin Shana sowie bei ihrer Mutter und Sage. Dagegen saßen die beiden Steele-Gastgeberinnen an der Bar. Sie sahen einander sehr ähnlich, obwohl sie vom Temperament her völlig unterschiedlich waren. Naomi war ein wildes Partygirl, Delaney eine ernste Umweltschützerin.
Die Männer unternahmen an dem sonnigen Tag, der die Schneeschmelze zu einem glitzernden Schauspiel machte, einen Ausritt. Das hier hätte auch ein Familientreffen in Glennas Elternhaus sein können, nur, dass doppelt so viele Leute wie sonst anwesend waren.