Just love zwischen Wohnmobil und Campingplatz - Hilca Stiehn - E-Book

Just love zwischen Wohnmobil und Campingplatz E-Book

Hilca Stiehn

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Beschreibung

Kathi ist von ihrer viereinhalbwöchigen Wohnmobilreise zurück und hat nach der Trennung von ihrem Exfreund jetzt auch wieder einen freien Kopf. Aber sich gleich wieder in eine neue Beziehung stürzen will sie auch nicht. Obwohl es da schon ein, zwei ganz interessante und aussichtsreiche Typen geben würde. Aber sie könnte sich gut vorstellen, sich einfach nochmal unverbindlich mit ihrem heißen Nachbarn Gunther zu treffen, mit dem sie im Frühjahr schon mal zusammen im Bett war. Denn das war wirklich ganz großes Kino und Spaß und Sex vom Feinsten! Gunther ist allerdings ein echter bad guy, ein Macho und richtiger Draufgänger mit fetten Muskeln und jeder Menge Tätowierungen und fährt ein aufgemotztes Auto und eine dicke Harley. Ganz klare Sache: der passt keinesfalls zu ihr! Das war auch zwischen ihnen beiden im Frühjahr kein Problem, weil keiner an einer Beziehung mit dem anderen interessiert war, sondern nur den gemeinsamen Spaß haben wollte. Aber warum reagiert er momentan so gar nicht auf ihre Einladungen? Als sie ihn schon abgeschrieben hat, kommen sie sich doch nochmal näher. Und zwar so richtig nahe! Turbulent und mit ordentlich Tempo stellen sie beide irgendwann fest, dass sie mehr füreinander sind, als nur der Gegenpart im Bett. Und jetzt? Kann das wirklich klappen?

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Just love zwischen Wohnmobil und Campingplatz

VierundvierzigEine skurrile FeierAbsackerEndlich wieder CampingplatzHaare schneidenChristianSaisonendeWieder zu HauseCocktail mit AlexHerbstmenüNachbarschaftliches MiteinanderBock auf kuscheln?WeihnachtsmarktFamilienwochenendeRedenUnd plötzlich ist WeihnachtenZuerst der heilige Morgen...... und dann der heilige AbendBitte lächeln!Entspannter Urlaub in DänemarkSilvesterNeujahrHausrundgangTropische AuszeitFebruarSanjaEin Ex kommt selten alleinNeuer Job gefällig?AncampenUmzugWer die Wahl hat...WochenendspaßTraumhaus gesucht?Geburtstag im DoppelpackDie Entscheidung nahtHaus für zweiEs geht voranHome, sweet homeAfterwork für den FasanenhofAlltag zu zweitEin besonderer Champagner, für ganz besondere Momente...VorbereitungenEin weiterer 16. Oktober...NachwortImpressum

Vierundvierzig

Heute war Donnerstag, der 16. Oktober, und damit Kathis vierundvierzigster Geburtstag. Sie hatte extra gestern Abend den Klingelton ihres Handys auf lautlos gestellt und auch ihr Festnetztelefon aus der Telefondose gezogen, damit sie heute Morgen nicht schon von ganz vorwitzigen und besonders frühen Gratulanten geweckt werden konnte. Wie zu erwarten fühlte sie sich genauso wie auch gestern, obwohl sie heute ein Jahr älter war. Sie räkelte sich genüsslich im Bett und blickte zum Wecker auf dem Nachtschrank. Halb neun war es bereits. Sie hatte wundervoll tief und entspannt geschlafen und freute sich auf den heutigen Tag. Jetzt drückte aber ihre Blase und sie stand auf, um ins Bad zu gehen. Ob sie ihr Handy schon mal mitnehmen sollte? Ach Quatsch. Erstmal duschen und fertigmachen, dann anziehen und einen Tee kochen. Und dann würde sie sich ihren Glückwünschen und Gratulanten widmen. 

Da sie nachher um elf Uhr mit ihrer besten Freundin Tanja zu einem späten Frühstück in der Stadt verabredet war, nahm sie sich nur eine Banane zu ihrem Tee mit ins Wohnzimmer und machte es sich auf dem Sofa gemütlich. Während sie die Banane aß, las sie die ersten Glückwünsche von vielen Freunden und Freundinnen, die schon alle an sie gedacht hatten. Die Nachrichten waren allesamt mit vielen Smileys rund ums Thema Geburtstag versehen. Torte, Sektgläser, Sektflasche, Partysmiley, Geschenk, küssendes Smiley und noch viele weitere lustige Bildchen verzierten die guten Wünsche. 

Kathi bedankte sich brav bei all ihren Lieben und trank dazu ihren Tee. Mitten in einer Antwort begann ihr Handy zu klingeln und ihr Exmann Michael rief an. Er hatte es schon mal heute Morgen um kurz nach acht bei ihr probiert, aber war natürlich durch ihre Vorsichtsmaßnahme nicht zu ihr durchgekommen. 

„Guten Morgen mein Lieber“, begrüßte sie ihn lächelnd.

„Guten Morgen meine Süße und alles Liebe und Gute zu deinem Geburtstag wünsche ich dir. Fühle dich ganz doll umarmt und gedrückt! Ich hatte es schon mal vor einer Stunde bei dir versucht, gleich als ich hier im Büro angekommen war, aber vermutlich hast du da noch geschlafen und hattest dein Handy ausgeschaltet“, sagte er schmunzelnd.

Kathi lachte. „Oh Michi, du kennst mich einfach zu gut. Genau so war es natürlich! Da ich mich nachher erst um elf Uhr mit Tanni zum Frühstücken treffe, habe ich den Tag einfach ganz in Ruhe starten lassen. Wer weiß, wie spät das heute Abend wird. Wir sind ja bei Tannis neuster Eroberung zum Essen eingeladen.“

„Stimmt, das hattest du letzte Woche erzählt, als wir telefoniert hatten. Den hat sie doch auf irgend so einem Datingportal über das Internet kennengelernt.“ Er lachte schelmisch. „Ich bin jetzt schon gespannt auf deine Berichte.“ Wieder lachte er.

„Was meinst du, wie gespannt ich auf den Abend heute bin? Eigentlich wollten wir beide ja schön zusammen essen gehen und danach in einen Club und ordentlich tanzen, um unseren gemeinsamen neunzigsten Geburtstag zu feiern. Und dann kam sie vor eineinhalb Wochen mit dieser Einladung von diesem Martin um die Ecke und hat mich bekniet, dass wir da unbedingt hingehen sollen. Und der Typ dreht seitdem völlig am Rad, aber das erzähle ich dir nächste Woche, wenn wir beide zusammen essen gehen.“

„Alles klar. Ich freue mich schon auf unseren Termin. Dann wünsche ich dir heute noch einen ganz tollen Tag und einen hoffentlich wundervollen Abend. Ach so, und richte natürlich Tanja auch meine Glückwünsche aus. Viel Spaß euch beiden Geburtstagskindern heute!“

Von Michael war sie bereits seit über elf Jahren geschieden, aber sie beide verstanden sich nach wie vor bestens und hatten ein sehr enges und vertrautes Verhältnis zueinander. Sie telefonierten oft und gingen regelmäßig zusammen essen und plauderten dabei über alle wichtigen Dinge, die sich so ereigneten. Auch das Liebesleben war regelmäßig Thema. Michael war einfach ihr engster Vertrauter.

Sie hatten sich vor vielen Jahren während des Studiums kennen und lieben gelernt und waren von da an ein festes Paar. Zum Ende ihres Studiums war Kathi dann ungeplant schwanger geworden, aber eine Abtreibung kam für sie beide überhaupt nicht in Frage, auch wenn sie sich mit dem Kinderkriegen eigentlich noch hatten Zeit lassen wollen. So wurde dann schon bald ihr gemeinsamer Sohn Timo geboren. Aber irgendwann über die Jahre hatte sich ihre Beziehung leider erschöpft. Michael arbeitete quasi Tag und Nacht in der Kanzlei seines Vaters und es fehlten die Gemeinsamkeiten. So kam es, dass sie sich nach einem gemeinsamen Urlaub getrennt hatten.

Michael hatte letztes Jahr nochmal neu geheiratet. Seine Frau Britta war drei Jahre jünger als Kathi und hatte zwei Kinder aus erster Ehe. Sina war mittlerweile fünfzehn Jahre alt und Felix war zwölf. Zwei ganz gewöhnliche Teenager voll in der Pubertät. Aber auch mit Michaels neuer Familie verstand sich Kathi sehr gut. Sie hatten im letzten Jahr sogar Weihnachten zusammen gefeiert.

Jetzt schaute sie sich mal die eingegangenen Nachrichten aus dieser skurrilen WhatsApp Gruppe an, die vor einigen Tagen eingerichtet worden war und die seitdem mehrmals am Tag plingte. Es handelte sich um die Gruppe ‘Geburtstag von Tanja und Kathi‘ und war von Tanjas neuem Freund Martin eingerichtet worden. Nachdem Kathi zugestimmt hatte, dass sie ihre bisherige Geburtstagsplanung aufgeben würden und zu einem ‚netten und geselligen Abend mit gutem Essen und guten Freunden‘ zugesagt hatte, war diese Gruppe eingerichtet worden und seitdem waren täglich irgendwelche Fotos von Weinflaschen und derbe Kommentare der anderen Gäste dazu geteilt worden. Insgesamt waren zehn Personen Mitglied, die Kathi aber alle bis auf Tanja natürlich nicht kannte. Es gab Jochen und Karin, Wolle und Christiane, Sönke und Bine, einen anscheinend einzelnen Herren namens Jan und natürlich Martin, Tanja und Kathi. Heute Morgen waren schon wieder mehrere Nachrichten in dieser Gruppe eingegangen. Kathi las sich die ganzen Einträge durch, die weitestgehend aus Glückwünschen unbekannterweise an Tanja und Kathi mit der Versicherung bestanden, dass sich alle auf den heutigen Abend freuen würden.

Kathi atmete tief aus und schrieb eine Antwort: „Guten Morgen zusammen. Vielen Dank für eure lieben Wünsche. Ich freue mich darauf, euch heute Abend alle kennenzulernen. Bis dahin, liebe Grüße von Kathi“

Kaum abgeschickt kamen gleich mehrere Antworten.

„Wir freuen uns auch schon riesig!“

„Genieße deinen Tag. Du lässt doch hoffentlich schon heute Vormittag die Korken knallen, oder? (Zwinkerndes Smiley)“

„Wolle, du musst nicht immer von dir auf andere schließen!“

„Man muss doch jede Gelegenheit nutzen...“

„Da haben wir ja heute Abend genug Zeit zu.“

„Hoffentlich hat Martin nicht nur die paar Flaschen da, die er hier gepostet hat!!! (Tränenlachendes Smiley) Ich habe morgen extra einen Tag Urlaub genommen!“

Und in dieser Art und Weise schrieben Wolle, Bine und Karin noch einige Nachrichten weiter. Kathi beendete mit leicht hochgezogenen Augenbrauen die App und legte ihr Handy zur Seite. Was war denn das bloß für eine Truppe, mit der sie da heute Abend ihren Geburtstag feiern sollte?

Sie trank den Rest von ihrem Tee aus und brachte die benutzte Tasse in die Küche. Auf dem Weg dahin klingelte ihr Handy wieder und ihre Freundin Petra rief sie an. Nachdem sie mit ihr bestimmt eine halbe Stunde geplaudert hatte, war es auch schon langsam Zeit, sich für das Treffen mit Tanja auf den Weg zu machen. In der Zwischenzeit waren wieder neue Glückwünsche als Nachricht bei ihr angekommen, die sie noch schnell beantwortete, und auf dem Weg zu ihrem Auto rief noch eine weitere Freundin kurz an. Auch die Anzahl in der WhatsApp Gruppe zeigte bereits wieder zweiundzwanzig neue Nachrichten, aber Kathi schaute sich diese gar nicht an, sondern ignorierte sie erstmal. 

„Kathi!!! Alles Liebe zu deinem vierundvierzigsten Geburtstag!“

„Hey Tanni. Und dir alles Liebe zu deinem sechsundvierzigsten“, antwortete Kathi grinsend und die beiden Frauen nahmen sich lachend in die Arme. 

Schnatternd machten sie sich auf den kurzen Fußweg vom Parkplatz zum Bäcker, bestellten das große Frühstück für zwei und suchten sich dort einen schönen Platz in einer ruhigen Ecke. 

„Na, hast du dich denn auch schon bei der Gruppe für die Geburtstagsglückwünsche bedankt?“ fragte Kathi und schaute ihre Freundin interessiert an.

Die druckste ein bisschen herum und räusperte sich erstmal. „Ähm, ja. Hab ich vorhin. Du warst ja schon etwas früher.“ Sie atmete tief aus und auf ihrer Stirn bildeten sich ein paar leichte Falten. „Du, Kathi... ich bin seit dem Wochenende echt ein bisschen am zweifeln, was die Sache mit Martin angeht.“

„Waaasss???“ fragte Kathi leicht alarmiert. „Du hast mir doch die ganze Zeit so von deinem neuen Typen vorgeschwärmt. Also, was ist los? Findet das heute Abend jetzt doch nicht statt oder was?“

„Doch, doch, das findet schon statt. Aber ich weiß auch nicht. Ist gerade ein bisschen komisch alles. Ich bin etwas unsicher, ob Martin doch so der Richtige ist. Letztes Wochenende war ich bei ihm und da kamen abends dann Jochen und Karin vorbei auf ein Gläschen Wein. Und das ist ganz schön ausgeartet. Ich glaube fünf Flaschen waren das nachher bei nur vier Personen. Die haben so eine selbsternannte Weintrinkerrunde und haben den ganzen Abend nur über ihre neuesten Errungenschaften in ihren Weinkellern gefachsimpelt. Ich kam mir irgendwie ein bisschen fehl am Platze vor. Zumal ich am nächsten Tag so einen Schädel von dem ganzen Zeug hatte.“

„Na super, Tanni! Und das weißt du seit dem Wochenende und sagst nicht einen Ton? Warte, haben wir nicht sogar Montag noch ausgiebig telefoniert? Da hättest du ja mal etwas andeuten können!“

„Ja, hast ja recht“, sagte Tanni ertappt.

„Und für solche Aussichten lassen wir unseren geplanten Abend sausen? Kommen wir aus der Sache noch irgendwie raus?“

„Nee, das können wir nicht bringen. Ich habe ja auch nicht mit Martin Schluss gemacht. Ich fand das nur ein bisschen komisch irgendwie“, sagte Tanni zerknirscht. „Aber hoffentlich wird das doch ganz lustig nachher. Die sollen alle total nett sein, hat Martin mir versichert. Und extra für dich ist auch sein alter Freund Jan da, der wohl momentan keine Freundin hat.“ Sie zwinkerte Kathi verschmitzt zu und biss von ihrem Lachsbrötchen ab. 

„Als ob ich sowas bräuchte, dass ich auch noch verkuppelt werden soll! Besten Dank! Wenn du jetzt noch so ein Ding bringst, dann sage ich heute Nachmittag mit Übelkeit und spontanem Durchfall ab! Da kannst du aber Gift drauf nehmen“, entgegnete Kathi empört.

„Ach, komm schon. Wir machen einfach das Beste daraus. Und ansonsten können wir morgen Abend immer noch unseren Zug durch die Clubs machen.“

„Nee, können wir nicht. Weil ich ja morgen zum Campingplatz fahre, du vergessliche Nudel! Dieses und nächstes Wochenende nochmal und dann ist sowieso Schluss für dieses Jahr. Durch meinen Urlaub bin ich jetzt ja die letzten sieben Wochen nicht mehr dort gewesen.“

„Ach ja, stimmt. Das hatte ich schon wieder verdrängt. Na gut, dann holen wir das eben Ende Oktober oder Anfang November nach. Ich bin echt ewig nicht mehr tanzen gewesen.“

Kathi grinste versöhnlich. „Alles klar. Das machen wir auf jeden Fall. Aber dann bin ich ja mal höchst gespannt auf die Truppe heute Abend!“ Sie schüttelte immer noch den Kopf, aber zwinkerte Tanni dabei zu.

„Hast du dich denn eigentlich schon mal wieder mit deinem Nachbarn getroffen?“ fragte Tanni jetzt interessiert.

„Nein, seit der Beerdigung von seiner Mutter nicht wieder. Aber vorgestern habe ich ihn kurz unten auf dem Parkplatz gesehen und habe ihn gefragt, ob er nicht dieses Wochenende mit dem Motorrad auf dem Campingplatz vorbeikommen will. Es ist ja ganz schönes Wetter vorhergesagt. Er meinte, er wüsste noch nicht, ob sie noch eine Tour machen werden, aber vielleicht schauen sie vorbei.“

Gemeint war hier Kathis Nachbar Gunther, mit dem sie sich schon mal im Frühsommer ein wenig näher gekommen war. Und zwar ziemlich nahe sogar! Nämlich in dem Sinne, dass sie ein paarmal zusammen im Bett gewesen waren. Sie waren zwar total unterschiedliche Typen und passten auch absolut gar nicht zusammen, aber die gegenseitige Anziehungskraft war extrem hoch. Gunther war ein echter bad guy. Er sah sehr gut aus, war groß und extrem muskulös und seine Arme und fast sein gesamter Oberkörper waren von unzähligen Tattoos bedeckt. Sein bester Kumpel Alex war genau das gleich Kaliber. Er war bestenfalls drei Zentimeter kleiner, aber genauso muskulös und genauso tätowiert. Die beiden waren seit Ewigkeiten eng befreundet und machten einfach alles gemeinsam. Beide fuhren eine dicke Harley und ein aufgemotztes Auto und waren absolute Rowdys. Kathi hatte lange mit sich gehadert, ob sie sich wirklich mal mit ihm einlassen sollte, aber im Endeffekt war es ziemlich genial gewesen. Sie hatten es beide im Bett ganz schön krachen lassen und hatten auch ansonsten viel Spaß miteinander gehabt. Aber von Anfang an hatten sie sich beide geschworen, dass keiner von ihnen an einer Beziehung interessiert war und es keine Verpflichtungen gegenseitig geben sollte. Und so waren sie nach drei Wochen, in denen sie ein paar Nächte zusammen verbracht hatten, dann auch einfach wieder auseinander gegangen. Denn zu dem Zeitpunkt war Marten bei ihr wieder auf der Bildfläche aufgetaucht und der war eigentlich ein Mann, der perfekt zu ihr passte. Leider hatte diese Beziehung aber doch nicht so funktioniert, wie sie sich das am Anfang ausgemalt hatte. Deshalb hatte sie sich Ende August leider schweren Herzens wieder von Marten getrennt. Danach war sie mit ihrem Wohnmobil für viereinhalb Wochen durch Deutschland gefahren, um den Kopf wieder freizubekommen, und das war auch das Beste gewesen, was sie tun konnte. Sie war entspannt und erholt wiedergekommen.

Eine neue Beziehung wollte sie erstmal nicht wieder anfangen, das war ihr klar, aber einem bisschen Spaß mit Gunther wäre sie durchaus nicht abgeneigt. Und da sie von Alex wusste, dass Gunther das im Grunde genauso sah, könnten sie beide ja vielleicht mal wieder...

„Hey, Kathi! Hörst du mir überhaupt zu?“ fragte Tanni sie laut und guckte sie direkt an.

„Ähh, was? Nee, Tschuldigung. Ich war gerade in Gedanken. Was hast du gesagt?“ fragte Kathi und wurde ein bisschen rot.

„Ja, ja,“ grinste sie. „Ich glaube, ich weiß genau, wo deine Gedanken eben waren! Also nochmal: Was ziehst du heute Abend an?“

„Ich wollte eigentlich einen kurzen Rock mit einer blickdichten, schwarzen Strumpfhose anziehen. Und dazu lange Stiefel und irgendeine Bluse. Aber falls das nachher noch anfängt zu regnen würde ich eher auf eine Hose umschwenken. Und du?“

„Bleib mal bei dem Rock. Dann bin ich nicht die Einzige mit Rock. Ich wollte ein dunkelgraues, enges Wollkleid anziehen und dazu die Stiefeletten mit dem mittelhohen Absatz, die wir vor deinem Urlaub zusammen gekauft haben.“

Kathi nickte wissend. „Ok, dann ziehe ich auf jeden Fall den Rock an. Feierst du am Wochenende eigentlich nochmal mit deinen Eltern und deinen Kindern?“

„Ja, am Samstag kommt die ganze bucklige Verwandtschaft zu mir. Schön mit Torte essen, wie sich das gehört“, lachte sie. 

„Herrlich! Ich werde am Wochenende auch eine Grillparty auf dem Campingplatz schmeißen. Ich habe noch so viele Getränke da auf Vorrat, weil ich ja seit Ende August nicht mehr dagewesen bin. Und die müssen jetzt nochmal alle weg. Die wollte ich keinesfalls wieder mit nach Hause nehmen!“ 

„Passt doch perfekt. Da hast du ja gleich drei Dinge zum feiern: das Wiedersehen nach sieben Wochen, deinen Geburtstag und das Saisonende für dieses Jahr!“

Kathi lachte vergnügt. „Da hast du absolut recht! So meine Liebe, ich will jetzt los. Ich muss noch ein paar Dinge fürs Wochenende einkaufen und schon mal mein Wohnmobil fertig packen. Wir sehen uns heute Abend zu einer wie auch immer gearteten Party.“ Sie zog die Augenbrauen hoch und schaute Tanni mit süffisantem Blick an. „Du brockst uns echt was ein!“

Jetzt war es halb fünf nachmittags und in knapp einer Stunde musste Kathi sich auf den Weg zu ihrer Abendeinladung machen. Nach dem Frühstück mit Tanni hatte sie ihren Einkauf für das Wochenende erledigt und die Sachen gleich unten in ihrem Wohnmobil verstaut. Die Klamotten, die sie mitnehmen wollte, lagen schon zusammengepackt als Stapel auf ihrem Bett. Sie betrachtete sich gerade in ihrem Schlafzimmerspiegel und überlegte, ob sie zu dem gewählten Rock vielleicht doch lieber eine Bluse und nicht dieses Top mit der kurzen Jeansjacke drüber anziehen sollte? Verwundert schaute sie sich um, als es an ihrer Haustür klingelte. Am Klingelton konnte sie erkennen, dass jemand direkt im ersten Stock vor ihrer Wohnungstür stand und nicht unten vor der Haupteingangstür. Diese war nämlich tagsüber so eingestellt, dass Besucher gleich reinkommen konnten. 

Sie öffnete die Tür und blickte in ein Meer aus langstieligen, roten Rosen. „Luke!“ entfuhr es ihr erstaunt. Was machte der denn hier?

Er strahlte sie breit an. „Hallo Kathi. Du kannst es dir bestimmt denken: ich bin nur der Bote!“ Er lachte kurz. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag von meinem Chef soll ich überbringen.“

Kathi schaute ihn immer noch total überrascht an und schüttelte dann leicht grinsend den Kopf. „Woher weiß der, wann ich Geburtstag habe?“

„Stets bestens informiert. Und zur Not hat er da Mittel und Wege sowas rauszubekommen.“ Er zwinkerte ihr grinsend zu.

„Komm rein mein Lieber“, sagte sie immer noch kopfschüttelnd und ließ ihn schmunzelnd eintreten. 

Luke ging mit dem Arm voll Rosen an ihr vorbei und hatte noch eine große Umhängetasche über der rechten Schulter.

„Einfach weiter durch den Flur ins Wohnzimmer“, dirigierte sie ihn und folgte ihm dann. 

Luke war der Bursche für alles von Christian Bergmann, mit dem sie vor drei Wochen am Ende ihrer Wohnmobiltour ein Wochenende in seinem Haus auf Sylt verbracht hatte. 

„Ich lege die Rosen hier auf deinen Esstisch. Wahrscheinlich musst du erstmal eine Vase dafür suchen. Und dann habe ich natürlich noch ein paar Kleinigkeiten mit. Aber erstmal auch von mir und von Simon einen ganz lieben Glückwunsch zum Geburtstag.“ Er stellte die Tasche ab und kam jetzt lächelnd und mit ausgebreiteten Armen auf sie zu. 

Kathi umarmte ihn ebenfalls und ließ sich von ihm einen freundschaftlichen Kuss auf die Wange geben. „Danke ihr zwei. Ihr seid echt Gratulanten, mit denen ich in keinem Fall gerechnet hatte.“

Luke grinste. „Warte, wir haben natürlich auch eine Kleinigkeit für dich.“ Er langte in die Tasche und nahm vorsichtig einen leckeren, kleinen Gugelhupf heraus. In der Mitte steckte eine Kerze, die er jetzt anzündete, und den Kuchen danach Kathi hinhielt. „Ein kleiner Schoko-Rumrosinen-Gugelhupf. Natürlich selbst gebacken. Simons Lieblingsrezept“, erklärte er schmunzelnd. 

„Oh, danke, ihr seid echt süß!“

„Und jetzt warte, erzähl das bitte nicht meinem Chef. Denn eigentlich hätte ich ja erstmal die anderen beiden Dinge noch überreichen müssen!“ Er machte verschmitzt ein ertapptes Gesicht und holte jetzt aus der Tasche eine sündhaft teure Flasche Champagner und eine Schachtel mit erlesenen Pralinen hervor. „Und die Karte noch. So, das war‘s jetzt.“

Kathi atmete tief aus und schüttelte wieder grinsend den Kopf. „Ok. Richte ihm bitte ganz lieben Dank aus.“

Luke machte ein verschmitztes Gesicht. „Warum schenkt dir mein Chef eigentlich vierundvierzig rote Rosen, einen Champagner und Pralinen? Noch dazu hat er sich übrigens selber darum gekümmert die Sachen zu besorgen und die Rosen zu bestellen. Ich musste sie nur heute abholen und überbringen. Normalerweise würde ich für sowas einfach den Auftrag bekommen, mich um alles zu kümmern. Wobei ich noch nie in meiner Dienstzeit so etwas in der Dimension überbracht habe.“

„Das musst du ihn schon selber fragen, mein Lieber“, antwortete Kathi frech. „Für diese Massen an Rosen habe ich überhaupt keine Vase!“ Sie überlegte und schaute zweifelnd zu den Blumen auf dem Esstisch. „Ach, warte, ich habe im Schlafzimmer eine Kerze in so einem großen Glasbehälter als Deko stehen. Das könnte vielleicht gehen.“

 „Er ruft dich übrigens gleich an, wenn ich ihm Erfolg vermeldet habe, dass ich dich angetroffen habe“, rief Luke ihr ins Schlafzimmer hinterher. 

Kathi hatte die Deko aus dem großen Glas entfernt und füllte es jetzt in der Küche mit Wasser. Dann kam sie damit wieder ins Wohnzimmer. 

„Warte, ich helfe dir“, sagte Luke sofort und hatte den riesigen Strauß wieder aufgenommen. Er stellte die Rosen in das große Glas und ordnete sie noch ein wenig. „Perfekt!“ sagte er dann und strahlte Kathi wieder an. 

„Ich rufe ihn gleich selber an, wenn du weg bist“, sagte sie dann schmunzelnd.

„Auch gut. Ach so, bevor ich das vergesse: Simon und ich würden dich und Tanni gerne mal wieder zum Essen einladen. Ich habe ein tolles Herbstmenü im Kopf, was ich gerne für euch kochen würde. Mit Entenbrust und Kürbis und so was. Ich glaube, das wird richtig lecker.“

Kathi musste lachen. „Oh ja, gerne. Du hast uns beim letzten Mal so verwöhnt, das war echt besser, als in jedem Restaurant.“

„Danke, das freut mich. Vielleicht so Anfang November? Die nächsten Wochenenden jetzt im Oktober sind wir nämlich schon voll verplant.“

„Ich sehe Tanni nachher und frage sie mal wegen eines Termins. Ich schicke dir dann eine Nachricht, wann wir können, ok?“

„Super. Das ist perfekt. Ich mache mich jetzt auf den Weg. Du willst anscheinend noch weg heute, oder? Du hast dich schon so schick gemacht.“ 

Kathi nickte und ging mit ihm in Richtung Haustür. „Tschüß Luke. Und grüße Simon bitte ganz doll von mir. Ich freue mich schon auf den nächsten Termin bei euch. Und nochmal ganz lieben Dank.“ Sie nahm ihn in den Arm und gab ihm einen liebevollen Kuss auf die Wange. 

„Wir freuen uns auch. Bis dann, Kathi. Und hab einen zauberhaften Abend!“

Sie schaute ihm hinterher, wie er die Treppe runterging und sich am Absatz nochmal winkend umdrehte. Dann schloss sie die Tür und ging zurück ins Wohnzimmer. Dort schaute sie auf den riesigen Rosenstrauß und musste wieder den Kopf schütteln. Dieser Mann!!! Dann nahm sie ihr Handy und wählte seine Nummer. Nach zweimal Klingeln nahm er das Gespräch an und sie konnte das breite Lächeln in seiner Stimme hören.

„Kathi, herzlichen Glückwunsch zu deinem Geburtstag. Ich nehme an, Luke war gerade bei dir, wenn du mich jetzt anrufst.“

„Danke Christian. Ja, das war er. Du Wahnsinniger! Woher weißt du, wann ich Geburtstag habe?“ war natürlich ihre erste Frage.

Er lachte belustigt. „Tja, Marten hat immer absolut akkurat seine gesamten Kontakte mit allen Daten, Adressen, Telefonnummern und Mailadressen gepflegt. Und zwar seine geschäftlichen wie auch seine privaten. Als Chef hat man in seinem Computersystem halt weitreichende Rechte und da ich an dieser Stelle ein zugegebenermaßen sehr egoistisches Interesse hatte, habe ich mal geschaut, was er unter dem Kontakt Kathi Faber alles so eingetragen hatte.“

 Kathi schmunzelte. „Ok, also ist mein Ex schuld, dass du jetzt weitreichende Kenntnisse über mich hast? Na, der kriegt was zu hören!“ Sie lachten gemeinsam.

„Ich hoffe, dir gefällt mein Geschenk“, sagte er jetzt.

„Na ja. Kannst du bitte nächstes Mal eine entsprechende Blumenvase mit schenken, wenn du schon so viele Rosen kaufst?“ fragte sie ironisch.

„Oh, selbstverständlich. Tut mir leid, habe ich notiert“, lachte er.

„Das wäre wundervoll. Die Pralinen werde ich mal in Ruhe an einem gemütlichen Abend genießen und den Champagner natürlich aufbewahren, bis mal ein ganz besonderer Moment gekommen ist, um ihn zu öffnen. Aber momentan sind solche Momente nicht in Sicht“, ließ sie ihn wissen. 

Der geflügelte Ausdruck ein besonderer Champagner für ganz besondere Momente war entstanden, als er im Sommer mal eine Flasche dieses fast vierhundert Euro teuren Getränks hatte öffnen lassen, als Kathi zusammen mit Marten und einem weiteren Pärchen bei ihm eingeladen gewesen war. ‚Spinnst du?‘ war ihr entgeistert herausgerutscht, als er der Bedienung aufgetragen hatte eine solche Flasche zu öffnen. ‚Nein. Gefällt dir meine Champagnerauswahl nicht?‘ hatte er im Gegenzug schmunzelnd gefragt. Kathi hatte drauf geantwortet: ‚Doch, er ist sehr gut. Aber auch sehr teuer. Ein besonderer Champagner für ganz besondere Momente.‘ Und als sie vor drei Wochen das Wochenende auf Sylt mit ihm verbracht hatte, hatten sie natürlich auch eine Flasche dieses Champagners zusammen getrunken. 

„Gehst du mit mir heute Abend essen?“ fragte er jetzt.

„Nein, natürlich nicht. Ich dachte, du wolltest mich nicht weiter mit Einladungen bombardieren“, antwortete sie gewohnt frech.

Er lachte leise. „Aber ein Geburtstag ist eine Ausnahmesituation. Und ich habe auch absolut eingesehen, dass wir nur das eine Wochenende hatten. Aber trotzdem würde ich gerne mit dir essen gehen und mich nur mit dir unterhalten.“

„Trotzdem nein. Ich bin heute Abend schon zu einer Feier eingeladen.“

„Dann morgen Abend?“

„Auch nicht. Ich fahre dieses Wochenende nach Eutin.“

„Dann eben am Sonntag? Da bist du dann ja wieder da“, fragte er weiter. 

„Oh, Christian, bitte hör auf!“ Kathi musste lachen. 

„Ich muss dich nur lange genug nerven, dann sagst du irgendwann ja. Also Sonntag?“ fragte er jetzt wieder mit schmunzelnder Stimme.

Kathi stöhnte theatralisch auf. „Komm ich aus der Nummer raus, wenn ich mich weiter weigere?“ fragte sie schon halb ihren Widerstand aufgebend.

„Nein, das weißt du doch. Ich hole dich Sonntag um sechs Uhr ab.“

„Du bist unmöglich! Und ich war schon richtig stolz auf dich, dass du dich seit Sylt nicht wieder bei mir gemeldet hattest.“

Er lachte. „Ich verspreche, ich werde dich nicht belästigen, Kathi. Ich möchte nur mit dir essen gehen und mich mit dir unterhalten. Nicht mehr.“

„Ich nehme dich beim Wort, mein Lieber. Sonntag um sechs. Ich freue mich.“

„Und ich mich erst! Bis dann“, verabschiedete er sich lachend.

Eine skurrile Feier

Kathi wollte gerade ihre Jacke überziehen und sich auf den Weg zum Bus machen, als sie einen Videoanruf von ihrem Sohn Timo erhielt. Perfekt, das war Grund genug, einen Bus später zu nehmen und damit eine Viertelstunde zu spät zu der abendlichen Feier zu kommen. 

„Hallo Timo, mein Schatz“, nahm sie mit einem Lächeln an. 

„Hi Mum. Alles Liebe zum Geburtstag! Sorry, dass ich jetzt erst anrufe. Ich war heute voll auf Dauerfeuer. Eigentlich wollte ich schon heute Mittag anrufen, aber da ist in der Mensa beim Essen einer meiner Freunde mit Kreislaufproblemen umgekippt und da war dann voll was los. Mit Rettungswagen kommen lassen und so weiter. Und nach den Vorlesungen sind wir natürlich nochmal kurz ins Krankenhaus gefahren. Geht ihm schon wieder besser, aber er muss noch ein oder zwei Tage zur Beobachtung dableiben, weil sie noch ein paar Untersuchungen machen.“

„Ui! Das ist ja nicht so schön. Dann hoffe ich mal, dass es nichts Schlimmes ist. Aber schön, dass du anrufst und danke für deine Glückwünsche. Wie geht es dir?“

„Danke gut, alles bestens. Gehst du gleich noch weg? Du bist so hübsch gemacht?“

„Ja, genau. Ich wollte eigentlich gerade los, aber jetzt nehme ich einen Bus später. Ist nicht so dramatisch, wenn ich da etwas später komme. Tanja, die ja auch heute Geburtstag hat, hat einen neuen Freund und bei dem sind wir heute Abend eingeladen. Der wollte unbedingt eine Feier für sie veranstalten. Insgesamt sind da zehn Leute eingeladen. Bisschen was essen und trinken. Und ehrlich gesagt bin ich gar nicht so erpicht darauf zu dieser Feier zu gehen. Das ist irgendwie etwas eigenwillig. Aber nicht so schlimm! Wird hoffentlich trotzdem ein ganz lustiger Abend werden“, wiegelte sie ab und zwinkerte ihm zu. 

Timo lachte kurz. „Ok, na das hört sich ja etwas seltsam an. Ich drück dir die Daumen.“

„Danke. Ich treffe mich nächste Woche übrigens mit Michi. Wir hatten überlegt, ob wir vielleicht eins der Adventswochenenden zu dir nach Frankfurt kommen und unser Familienweihnachten im Voraus feiern. Was hältst du davon?“ fragte Kathi.

„Das wäre super, Mum! Dann kann ich euch hier mal die Frankfurter Weihnachtsmärkte zeigen. Wir haben auch im Wohnzimmer eine Schlafcouch. Da könnt ihr gerne drauf übernachten“, bot er an.

„Äh, nee, lass mal. Ich glaube, wir gehen lieber in ein Hotel“, lachte Kathi. „Aber danke für das Angebot. So mein Schatz, jetzt muss ich dich mal abwürgen, weil ich sonst auch den nächsten Bus nicht bekomme. Und dann bekomme ich wirklich Ärger mit Tanja!“

„Alles klar“, schmunzelte Timo. „Dann wünsche ich dir einen tollen Abend und lass dich noch ordentlich feiern. Ich hab dich lieb, Mum!“ Er warf ihr einen Kuss zu.

Kathi machte lächelnd einen Kuss zurück. „Ich dich auch. Tschüß mein Großer.“ Damit beendete sie den Videochat und machte sich wieder auf den Weg in den Flur, um ihre Jacke anzuziehen.

 Martin hatte ihr die Tür geöffnet und Kathi in einen kleinen, engen Vorflur gebeten. Es war ein typisches Mittelreihenhaus älteren Baujahres mit einem Windfang hinter der Haustür, der abgetrennt durch eine weitere Tür dann in einen angrenzenden Flur führte. Von diesem Flur ging das wahrscheinlich auch klitzekleine Gästebad auf der linken Seite, rechts die Küche und geradeaus das Wohnzimmer ab. Gegenüber vom Gästebad führte eine schmale Treppe in den ersten Stock. Der Verschlag unterhalb der Treppe war mit Holz getäfelt, wie es in den siebziger und achtziger Jahren aktuell gewesen war und eine in die Täfelung eingelassene Tür verriet, dass es hier wohl den Zugang zum Keller gab. Kathi hatte ihre Jacke auf die übervolle Garderobe gequetscht und sich schon mal artig für die freundliche Einladung bedankt. 

Martin sah auf den ersten Blick ganz nett aus, wenn er auch so gar nicht Kathis Männergeschmack entsprach. Sie schätze ihn auf Mitte bis Ende vierzig. Er hatte einen leichten Bauchansatz, aber im Großen und Ganzen konnte man ihn schon noch als schlank bezeichnen. Seine kurzen Haare wiesen an den Schläfen einen ersten grauen Ton auf und die Geheimratsecken an der Stirn traten deutlich hervor. Er trug eine modische Brille und hatte sich einen akkurat gestutzten Hippsterbart stehen lassen. Seine Kleidung sollte anscheinend jugendlich und stylisch wirken. Er hatte eine mittelblaue Jeans an, deren Bund für Kathis Geschmack deutlich zu hoch saß. Dazu ein schwarzes Hemd mit Motiven von Camp David drauf, was an den Armen aufgekrempelt war und dessen oberste zwei Knöpfe am Hals offen standen. 

„Schön, dass du endlich da bist. Du wirst schon von allen heiß erwartet“, sagte er emsig bemüht und zeigte ihr den Weg in das Wohnzimmer. 

Kathi trat mit einem Lächeln und einem Hallo zur Begrüßung hinter ihm ein. Alle Augen der Anwesenden waren natürlich auf sie gerichtet. Das war halt das Problem, wenn man als letztes zu so einer Party kam. 

Aber zuerst kam natürlich Tanja mit einem Glas Sekt in der Hand auf sie zu. „Hey meine Süße. Endlich bist du da!“ Sie nahm Kathi in den Arm und gab ihr zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange. „Ich dachte schon, du wolltest wirklich kneifen“, raunte sie ihr flüsternd beim Begrüßungskuss zu. 

Kathi schmunzelte. „Nein, das würde ich doch nicht wagen. Aber Timo hatte gerade angerufen, als ich los wollte. Und da musste ich leider einen Bus später nehmen“, entschuldigte sie sich mit einem Zwinkern. 

Martin kam geschäftig mit einem frisch eingeschenkten Glas Sekt an und versorgte Kathi damit. „So, meine Liebe. Herzlichen Glückwunsch nochmal und auf einen wundervollen Abend.“ Er hielt sein Glas in die Mitte und stieß mit Kathi und Tanni an. „Und jetzt stell ich dich mal dem Rest hier vor. Die Namen kennst du ja schon. Also hier haben wir Wolle und Christiane.“ 

Kathi gab den beiden freundlich die Hand, wurde natürlich nochmal persönlich beglückwünscht und plauderte ein, zwei Sätze mit dem ungleichen Pärchen. Während Christiane ganz schmal und untersetzt war, hatte Wolle einen ordentlichen Bauch und war in seiner ganzen Erscheinung eher groß und bullig. Seine Gesichtsfarbe deutete auf einen deutlich zu hohen Blutdruck hin und seine dicke Knubbelnase war von roten und lila Äderchen durchzogen. 

„Ein Glück, dass wir heute gleich zwei Geburtstagskinder hier haben. Da können wir ja doppelt anstoßen“, brachte er lauthals einen Scherz, der in ein schepperndes Lachen überging und dann in einem heftigen Hustenanfall endete. 

Oh wei, dachte Kathi bei sich.

Christiane klopfte ihrem Mann mit hochgezogenen Augenbrauen auf den Rücken. „Wolli, halt dich ein bisschen zurück. Er hatte gerade erst eine Erkältung und der Husten sitzt noch total fest in den Bronchien. Was meinst du, wie schlimm das nachts immer mit seinem Husten ist. Ich komme kaum zum schlafen!“ erklärte sie an Kathi gewandt.

„Wir wollen jetzt aber auch das zweite Geburtstagskind kennenlernen“, drängelten sich zwei weitere Frauen in ihre Runde dazu. „Ich bin die Bine. Freut mich dich kennenzulernen, Kathi.“

„Und ich bin Karin. Hallo Kathi und nochmal persönlich alles Gute“, begrüßte sie jetzt auch eine Frau mit einer tiefen und rauen Stimme.

„Hallo ihr beiden. Freut mich auch.“

Wieder stießen sie zusammen mit ihren Sektgläsern an und Martin eilte eifrig davon und kam mit der Sektflasche zurück, um die Gläser wieder nachzufüllen. Kathi lehnte dankend ab, da sie bis jetzt ja nur zwei Schlucke genommen hatte. Die restlichen Gäste ließen ihre Gläser gerne nochmal voll schenken. Die Damen plauderten munter drauf los und nahmen Kathi und Tanja gleich in ihre Mitte. 

„Jetzt muss ich aber nochmal die Herren da drüben begrüßen“, entschuldigte Kathi sich nach einer kurzen Weile. 

„Komm, ich stelle dich vor“, bot Bine an und hakte sie vertraut unter. 

Kathi war etwas irritiert über diese Geste, aber da Bine ungefähr in ihrem Alter war und bis jetzt irgendwie am normalsten von den kennengelernten Gästen wirkte, ließ sie sie gewähren. Bei den drei Männern angekommen, gab Bine strahlend einem jungen Typen von vielleicht knapp dreißig Jahren einen Kuss und stellte dann vor: „Das ist mein Freund Sönke, das ist Martins Kumpel Jan und das ist Karins Mann Jochen.“ 

Die drei gaben ihr nacheinander die Hand und beglückwünschten sie nochmals. Grundsätzlich machten alle erstmal einen ganz netten Eindruck. Bine schmiegte sich jetzt an ihren jungen Freund und küsste ihn strahlend. 

Sönke war bei genauerer Betrachtung noch nicht mal dreißig Jahre alt und war von seiner ganz Erscheinung her irgendwie unscheinbar. Er hatte einen etwas verwaschenen, langweiligen Pullover zu einer billigen Jeans an. Sein Allerweltsgesicht wurde von einer langweiligen, rausgewachsenen Frisur umrahmt und seine Fingernägel waren abgekaut und ungepflegt. In Gedanken rümpfte Kathi die Nase. Jochen dagegen strotzte nur so von Markenklamotten und Labels jeglicher Art. Er war der Typ alternder Playboy, der sich für unwiderstehlich hielt. Im Ausschnitt seines offenen Hemdkragens prangte eine breite, goldene Panzerkette und an seinem Handgelenk trug er eine teure und auffällige Uhr. Er musterte Kathi süffisant grinsend.

Jan, der dritte im Bunde, sah für Kathis Empfinden sogar richtig nett aus. Er hatte einen sportlich, lässigen Kleidungsstil und lächelte sie sympathisch an. Seine mittelbraunen Haare waren im Nacken und an den Seiten kurz ausrasiert, das Deckhaar war etwas länger und mit Gel verwegen zu einer Seite gestylt. Die Spitzen seiner Haare waren frech blondiert. 

„Extra für den großen Auftritt leicht zu spät gekommen?“ fragte er Kathi neckend und zwinkerte ihr mit seinen blauen Augen zu.

„Nein, das war eigentlich nicht mein Anliegen. Mein Sohn hatte gerade noch angerufen, als ich los musste. Und dadurch habe ich leider den Bus verpasst, den ich eigentlich hätte nehmen müssen, um pünktlich zu sein.“

Sie zuckte mit den Achseln und schaute sich in der Runde um. Martin kam von hinten angerauscht und legte vertraut den Arm um Kathi und Bine. 

„So, ihr Lieben. Wir wollen mal langsam mit dem Essen starten. Ich denke, in zehn Minuten können wir die Vorspeise nehmen. Also wenn ihr euch schon mal ganz langsam in Richtung Tisch begebt, wäre das toll.“ 

„Dann geh ich nochmal kurz vorher eine rauchen. Kommst du mit, Jochen?“ fragte Jan jetzt. 

Der nickte und die beiden verschwanden nach draußen auf die Terrasse. Kathi und die anderen bewegten sich langsam in Richtung Esstisch, der ein wenig gequetscht in einer Nische des Wohnzimmers stand. Wenn derjenige, der am hinteren Ende des Tisches saß, während des Essen mal raus musste, mussten mindestens zwei weitere Personen aufstehen und denjenigen rauslassen. Ganz hinten in der Ecke wurde Wolle platziert. Ob das mal so eine schlaue Idee war, gerade den Dicksten ganz hinten hin zu setzen?

Kathi saß in der Mitte des Tisches mit der Wand im Rücken. Auf ihrer linken Seite waren Bine und Sönke gesetzt, rechts neben ihr sollte Jan sitzen. Ihr gegenüber saß Tanja. Martin hatte den Platz vorne neben Tanja, so dass er jederzeit aufstehen konnte. Jochen machte den vorderen Kopf des Tisches zusammen mit seiner Frau Karin. Diese unterstützte Martin beim Servieren des Essens und begann jetzt für jeden einen Weißwein einzuschenken. Alle redeten lustig und lachend durcheinander und freuten sich anscheinend auf das Essen. Mittlerweile hatte sich auch Jan neben sie gesetzt und ein leichter Geruch von Zigarettenrauch zog Kathi in die Nase, der aber nicht zu unangenehm war. Karin brachte die ersten drei Teller mit einem Salat darauf und gab diese nach hinten durch. 

Als alle mit ihrer Vorspeise versorgt waren, nahm Martin sein Glas und schaute nochmal, ob alles zu seiner Zufriedenheit war. „So, ihr Lieben. Nochmal ein ganz herzliches Willkommen von mir. Ich freue mich sehr, dass ihr meiner etwas spontanen Einladung gefolgt seid und ganz besonders freue ich mich natürlich, dass ich euch allen Tanja vorstellen konnte und wir gleichzeitig Tanjas und Kathis Geburtstag heute feiern. Was für ein besonderer Anlass“, sagte er mit geschwollener Stimme und blickte erhaben in die Runde.

Kathi merkte, wie sie selber leicht die Stirn runzelte, aufgrund dieser seltsam anmutenden Ansprache. 

„Lasst uns jetzt alle das Glas erheben und mit diesem wundervollen italienischen 2017er Sauvignon Blanc den Abend beginnen. Die Trinktemperatur ist selbstverständlich elf Grad. Ich hoffe er mundet euch. Saluti, ihr Lieben!“ Er hob nochmal das Glas und blickte einmal durch die Runde.

Kathi war mehr als irritiert und hielt jetzt den Blick gesenkt, nachdem sie einen Schluck getrunken hatte.

„Welche Aromen schmeckt ihr, meine Lieben?“ fragte Martin jetzt interessiert seine Weinfreunde.

Die nahmen alle noch einen weiteren Schluck und begannen heftig darüber zu diskutieren, ob eher ein Hauch von Limone oder Pfirsich im Abgang des Weines zu schmecken war und ob die Traube eher Schiefer oder Granitgestein im Untergrund gehabt hatte. Kathis Blick musste anscheinend so ungläubig aussehen, dass Jan neben ihr anfing zu schmunzeln, nachdem er ihr einen kurzen Seitenblick zugeworfen hatte. 

„Na? Willst du dich gar nicht an der momentanen Diskussion beteiligen?“ fragte er sie leise ironisch.

Sie warf ihm einen kurzen Seitenblick zu und musste grinsen. „Nee. Anscheinend bin ich nicht so ein Weinexperte, wie die Gesellschaft hier am Tisch.“

„Martin, dürfen wir eigentlich auch anfangen zu essen?“ fragte Jan jetzt grinsend seinen Kumpel, der immer noch stehend mit dem Weinglas am Tisch stand und mit Bine und Wolle sich weiterhin in Kategorisierungen dieses Weins verstrickt hatte.

„Was?“ fragte Martin irritiert in seine Richtung.

„Dürfen wir anfangen zu essen oder soll der Salat erst noch welk werden, damit er besser mit dem Wein harmoniert?“ foppte Jan ihn.

Volker begann zu lachen und Martin setzte sich jetzt leicht beleidigt. „Selbstverständlich. Guten Appetit zusammen.“

Kathi und Tanni blickten sich für einige Sekunden direkt in die Augen und begannen dann ebenfalls mit dem Essen. Alle unterhielten sich miteinander und lobten den wundervollen Salat, der aber nach Kathis Empfinden nix Besonderes war.

„Und du bist auch nicht so ein großer Weinkenner, wie anscheinend der Rest hier am Tisch?“ fragte Kathi  Jan jetzt schmunzelnd.

„Nee, ich bin da raus. Ich als Raucher kann diese feinen Nuancen leider an meinen Geschmacksknospen nicht wahrnehmen.“ Er zwinkerte ihr von der Seite aus zu.

Kathi kicherte vor sich hin. „Ok. Aber würden deine vernebelten Geschmacksnerven denn bestätigen, dass diese Salatsauce aus der Flasche ist und keinesfalls selbstgemacht ist?“ fragte sie ihn leise und nahm eine weitere Gabel voll Salat in den Mund.

Jan lachte los und hielt sich die Serviette vor den Mund. Dazu nickte er und zwinkerte ihr zu. Sie plauderten weiter ein bisschen zusammen und schienen auf einer Wellenlänge zu sein. Die Weinfreunde hatten derweil einen ordentlichen Zug am Leib und Martin schenkte schon wieder großzügig die Gläser nach. Bereits die dritte Flasche war gerade geöffnet worden und sie waren ja erst beim Salat. 

Karin begann die Teller abzuräumen und Martin kündigte an, dass es in zehn Minuten mit einer Suppe weitergehen sollte. 

„Ich geh nochmal raus“, erklärte Jan und erhob sich von seinem Stuhl. 

„Weißt du was? Ich begleite dich mal“, sagte Kathi und erhob sich ebenfalls. „Bisschen frische Luft schnappen.“ 

Jan freute sich sichtlich und Kathi holte schnell ihre Jacke von der Garderobe vorne im Flur. Dann gingen sie zusammen auf die Terrasse und er schloss hinter ihr die Terrassentür und zündete sich eine Zigarette an. 

„Willst du auch eine?“ bot er an. 

„Nein, danke. Ich rauche nicht. Aber ich hatte das Gefühl, dass ich mal zehn Minuten raus musste.“

Jan lachte, zog ein weiteres Mal an seiner Zigarette und stieß den Rauch lässig nach oben aus, um Kathi nicht direkt im Rauch stehen zu lassen. Sie schaute sich in dem trostlos wirkenden kleinen Gartenstück um. Auf der Terrasse standen noch die Gartenmöbel vom Sommer und die alten Waschbetonplatten waren zum Großteil mit grünem Moos bewachsen. Einzig die Laufwege, die häufiger benutzt wurden, waren sauberer. Das kleine, vielleicht zwanzig Quadratmeter große, Rasenstück hatte seinen letzten Schnitt vermutlich vor mehr als acht oder zehn Wochen erhalten, denn die Gräser waren bestimmt zwanzig Zentimeter hoch. 

„Wie lange kennst du Martin schon?“  

Jan schnipste mit dem Daumen und einer lockeren Bewegung seines Handgelenks die Asche von seiner Zigarette. „Boah, schon über dreißig Jahre. Er war früher mal ganz nett, aber seit ein paar Jahren hat er sich stark verändert. Wenn du mich fragst, nicht unbedingt zu seinem Besten.“

„Ok, verändert in welche Richtung?“ fragte sie weiter.

Jan lachte kurz. „Na ja, diese Truppe da drin ist mit Teil der Veränderung. Martin hat früher nie Wein getrunken, sondern immer Bier oder Cola-Rum. Und dann hat er vor ein paar Jahren von seiner Oma dieses kleine Häuschen und ein paar Eurokröten geerbt. Und von da an hat er dann gedacht, jetzt ist er der ganz große Macker. Als erstes hat er sich ein Cabrio gekauft, dann sich nach zwanzig Jahren Ehe von seiner Frau getrennt und dann irgendwie diesen Quatschkram mit dem Wein trinken und dem schick Essen, wie er es nennt, angefangen. Er ist da ständig zu irgendwelchen Weinseminaren gelaufen und hat nur noch Weinzeitschriften gekauft und es gab kein anderes Thema mehr. Seitdem macht er auch nur noch Weinreisen und bringt von jeder Reise kartonweise das Zeug mit. Der geht da voll drin auf.“ 

„Aha, spannend. Und dabei hat er auch die Truppe da drinnen kennengelernt?“

„Ja, genau.“ Jan nahm mal wieder einen Zug von seiner Zigarette, die eigentlich die ganze Zeit nur vor sich hingebrannt hatte. „Skurrile Truppe, oder?“ fragte er jetzt mit schmunzelnden Blick in Kathis Richtung. 

„Das kannst du wohl laut sagen.“ 

Martin klopfte von drinnen an die Scheibe der Terrassentür und deutete ihnen beiden an, dass es jetzt mit dem Essen weitergehen würde. 

Sie nickten und Jan nahm noch einen Zug und drückte dann seine Zigarette im Aschenbecher aus, der auf dem Gartentisch stand. Drinnen legten sie ihre Jacken auf einen Sessel und setzten sich wieder an den Tisch.

Martin schenkte gerade einen neuen Wein ein. „Oh, Kathi, du hast ja noch gar nicht ausgetrunken. Nimm doch bitte schnell den letzten Schluck, damit ich dir von diesem wundervollen Chardonnay einschenken kann. Der ist optimal auf die jetzt kommende Suppe abgestimmt.“

Kathis Weinglas war noch halb voll. „Ähh, danke Martin. Ich trinke erstmal den anderen aus. Ist nicht so schlimm für mich. Der ist ganz ok und wird der Suppe keinen Abbruch tun.“ 

Martin zog eine Augenbraue hoch und holte schnell ein weiteres Glas von einer Anrichte. Er schenkte ein und reichte es Kathi rüber. „Nein, lass lieber den vorherigen  stehen. Die Weine bauen ja aufeinander auf.“

„Ok, wenn du meinst.“ Sie nahm das neue Glas und reichte ihm im Gegenzug das vorherige rüber.

Martin nickte jetzt zufrieden und schaute, ob alle ausreichend versorgt waren. Sie blickte kurz zu Jan, der schon wieder breit vor sich hingrinste und ihr verschwörerisch zublinzelte. Dann lehnten sie sich beide entspannt mit verschränkten Armen in ihren Stühlen zurück und warteten ab, wie es weiterging. Martin begann wie beim ersten Mal wieder mit der Vorstellung des jetzt kredenzten Weines, es wurde getrunken und der Wein für wunderbar, besonders lecker, ja sogar herausragend und als der Beste seines Jahrgangs befunden. Kathi konnte nicht anders und musste einfach grinsen über diese ungewöhnliche Situation. 

Sie nahm ihr Glas und hielt es mit einem breiten Grinsen quer über den Tisch. „Ich würde mal sagen: Prost, Tanni! Auf uns beide!“ 

Tanni hatte sie und Jan ja im direkten Blick und hatte mitbekommen, dass sie sich beide über die Situation lustig machten. Sie schaute leicht gequält und stieß mit ihr an.

„I know what you mean“, sagte Kathi und nahm kichernd einen kräftigen Schluck. 

Tanni nickte nur und kicherte ebenfalls ein wenig. Dann trank auch sie einen großen Schluck und atmete tief aus. 

„Wir haben übrigens eine Einladung bei Luke und Simon. Anfang November. Wir müssen gleich mal nach einem gemeinsamen Termin schauen, damit ich Luke schreiben kann, wann es uns passt.“

„Echt? Oh wie geil. Wann hast du die beiden denn wiedergetroffen?“ fragte Tanni interessiert.

„Erzähl ich dir gleich mal nach der Suppe unter vier Augen.“ Kathi zwinkerte ihr zu und aß weiter die Suppe, die etwas fad schmeckte. 

Jochen und Jan hatten gerade großzügig mit Salz nachgewürzt. 

„Willst du auch?“ fragte er und hielt ihr die Salzmühle hin. 

„Oh, danke. Normalerweise würze ich nie nach, aber ich glaube, etwas Salz kann die Suppe gut vertragen.“

„Das Essen ist extra nicht so doll gewürzt, damit die Geschmacksnerven nicht zu stark überlastet werden. Da kann lieber jeder für sich selber nachwürzen, wer möchte“, mischte sich Martin ein, der ihr Gespräch mitbekommen hatte.

„Meine Geschmacksnerven können etwas mehr vertragen; das hatten wir ja schon festgestellt“, lachte Jan. „Und Jochen als Zigarillo-Raucher braucht wahrscheinlich nochmal die doppelte Menge, oder?“

Jochen lachte. „Genau. Das muss auch schon nach was schmecken! Martin, hast du nochmal etwas Wein für mich?“

Martin sprang auf und öffnete eine weitere Flasche, da die vorherige bereits wieder leer war.

Kathi nahm noch einen Schluck aus ihrem Glas, lehnte aber ab, als Martin ihr ebenfalls noch nachschenken wollte. 

„Merkst du denn auch, wie sich der Spannungsbogen durch den Wein immer doller aufspannt?“ raunte Jan ihr leise von der Seite zu.

Kathi kicherte. „Total. Ich weiß gar nicht, in welche Höhepunkte das hier heute noch ausarten soll!“ 

„Du bist ein echter Höhepunkt auf dieser Feier heute. Ich habe schon lange keine so nette Tischbegleitung mehr gehabt“, sagte er und schaute ihr offen ins Gesicht. 

„Danke für das Kompliment. Wir sind ja auch extra füreinander vorgesehen, habe ich im Vorfeld gehört“, antwortete sie mit einem ironischen Unterton. 

„Das können wir gleich mal draußen besprechen.“ Seine dunkelblauen Augen schauten sie blitzend an und er grinste über das ganze Gesicht. 

„Ich muss gleich erstmal was mit Tanni unter vier Augen besprechen.“ 

Karin begann wieder die Suppenteller abzuräumen und Martin verkündete, dass es bis zum Hauptgang jetzt eine kurze Pause geben würde, weil er noch ein paar Dinge in der Küche vorbereiten musste. Bine und Karin gingen mit ihm, um zu helfen, Jochen und Jan gingen zusammen zum Rauchen nach draußen. Kathi setzte sich auf Martins freien Stuhl neben Tanja und begann ihr leise die Geschichte von heute Nachmittag mit Luke zu erzählen. 

„Ich zeig dir mal ein Foto von dem Strauß.“ Kathi nahm ihr Handy raus und zeigte ihr die Fotos, die sie gemacht hatte.

„Boah, Wahnsinn! Vierundvierzig Rosen? Das ist ja irre! Der Strauß kostet ja ein Vermögen! Aber sowas schenkt der dir ja nicht ohne Grund, oder?“

Kathi grinste sie nur an, aber erwiderte nichts darauf. Von dem Wochenende mit Christian hatte sie keinem etwas erzählt. Noch nicht mal Michael hatte das erfahren, obwohl er eigentlich immer alles wusste. „Ich habe halt auch so meine heimlichen Verehrer“, schmunzelte sie. 

Tanni war jetzt, abgesehen von Luke, die erste, die etwas in die Richtung erfuhr. Sie kannte Luke immerhin und wusste zu mindestens vom Namen her, für wen er arbeitete und woher Kathi ihn kannte. Daher war ihr jetzt klar, wer der heimliche Verehrer hinter dem riesigen Blumenstrauß war. Die beiden Mädels musterten sich grinsend für ein paar Sekunden. 

„Wir müssen jetzt mal nach einem Termin für das Essen bei Luke und Simon gucken“, lenkte Kathi das Gespräch in eine andere Richtung. 

Tanni holte ebenfalls ihr Handy hervor und sie schauten gemeinsam in ihre Terminkalender. An den ersten beiden Novemberwochenenden hatten sie beide freitags und samstags noch keine Termine in ihren Kalender drin stehen. 

„Komm her, Süße. Wir machen jetzt mal ein gemeinsames Selfie und dann schicken wir Luke gleich unsere Terminvorschläge.“

Sie legten die Köpfe aneinander und Tanni legte noch den Arm um ihre Schultern. Kathi machte ein paar Selfies von ihnen beiden und sie wählten das beste Foto aus. Dann verfasste sie eine Nachricht an ihn, versah diese mit dem Foto und schickte sie ab. 

„Erledigt! Perfekt“, strahlte sie ihre Freundin an. „Und sonst so meine Liebe?“ fragte sie süffisant. „Wie gefällt dir denn die Feier, die dein Freund extra dir zu Ehren ausgerichtet hat?“

„Geht so. Du verstehst jetzt, was ich heute Vormittag meinte, oder?“ stellte Tanni ernst die Gegenfrage.

Kathi nickte grinsend. 

„Wir hatten uns vor dem letzten Wochenende immer nur irgendwo in der Stadt nachmittags zum Kaffee oder auch zum essen gehen oder spazieren gehen oder so getroffen. Und da war er ganz normal und entspannt. Er hat zwar immer Wert auf die Auswahl des Essens gelegt und wir haben auch ab und zu eine Flasche Wein dazu im Restaurant getrunken, aber das war irgendwie ganz normal. Und dann war ich ja letztes Wochenende das erste Mal hier bei ihm auch über Nacht und da waren dann Jochen und Karin abends da und da ging das auch schon so. Der benimmt sich hier gerade, als ob er ein ganz anderer wäre, als der, den ich seit ein paar Wochen kenne. Wobei ich natürlich gar nicht wirklich beurteilen kann, ob das der echte Martin ist, den ich bis jetzt kennengelernt habe.“ Sie schüttelte den Kopf und dachte ein wenig nach.

„Jan meinte vorhin draußen, dass Martin sich vor ein paar Jahren ein total neues Image zugelegt hat. Er hat wohl ein bisschen Geld von seiner Oma geerbt und macht jetzt auf dicke Hose. Wenn du mich fragst, würde ich sagen, er ist voll der Blender. Seine ganze Art, wie er um diese Weintruppe rumwieselt und sich anbiedert. Für mich wäre das nichts. Und ich wusste gar nicht, dass du auf sowas stehst...“

Tanni nickte versonnen und tippte sich dabei mit dem Fingerknöchel des Zeigefingers gegen die Unterlippe.

Martin kam mit Bine im Schlepptau ins Wohnzimmer reingerauscht und zeigt ihr, wo die jetzt benötigten Rotweingläser standen, die sie jetzt auf dem Tisch verteilen sollte. Er hatte sich eine Kochschürze umgebunden, worauf der Spruch ‘Hier kocht der Boss‘ prangte. Als Kathi das entdeckte, musste sie sich ein breites Grinsen verkneifen. Tanni schaute ebenfalls kurz hoch und in Martins Richtung. Der kam natürlich lächelnd auf sie beide zu und legte vertraut eine Hand auf Tannis Schulter. „Na, alles klar Schatz?“ fragte er, aber er war mit seinen Gedanken keinesfalls bei seiner neuen Freundin.

Während Tanni noch nickte, schaute er schon wieder zu seinen anderen Gästen am Tisch und überprüfte, ob noch alle genug zu trinken hatten. Aber die Runde hatte sich schon selber zwischenzeitlich mit einer weiteren Weißweinflasche beholfen und sie grinsten ihn alle leicht angetrunken an.

„Braucht noch jemand Wasser von euch?“ fragte Martin in die Runde.

„Wer wird denn Wasser trinken, wenn es auch Wein gibt?“ gab Wolle zur Antwort, lachte natürlich über seinen eigenen Witz und endete wieder in einem Hustenanfall.

„Es geht auch gleich weiter mit dem Hauptgang. Sauerbraten mit Kartoffeln, Klößen und Rotkohl. Dazu nehmen wir natürlich einen Roten. Also seht zu, dass ihr eure Gläser bis dahin leer habt“, gab Martin als Anweisung raus.

Damit rauschte er wieder ab in Richtung Küche.

„Christiane, ist in der Flasche hinter dir noch was drin? Sonst verteile den Rest doch noch in unsere Gläser. Wäre ja schade um den letzten Rest von dem guten Weißwein“, sagte jetzt Sönke.

Christiane drehte sich um und verteilte den Rest aus der noch fast halb vollen Flasche auf die drei Gläser. Danach prosteten sie sich gemeinsam zu und tranken alle einen großen Schluck. Kathi und Tanni hatten diese Szene beobachtet und runzelten jetzt beide die Stirn. 

„Die sind echt geübt, oder? Wenn ich soviel in so kurzer Zeit trinken würde, würde ich schon kurz vorm Delirium sein.“

Tanni schüttelte den Kopf. „Oh Kathi. Das geht ja völlig in die falsche Richtung hier heute! Ich weiß echt nicht, wie ich das wieder gut machen soll.“ 

Kathi lachte und zwinkerte ihr zu. „Ja, da kannst du mal ganz scharf nachdenken, wie du aus der Nummer wieder rauskommst. Es könnte auch sein, dass mein empfindlicher Magen tatsächlich gleich anfängt mich ganz böse zu quälen. Ich glaube, ich spüre schon den Anflug einer ersten Übelkeit.“ Sie lachte belustigt auf, als sie Tannis geschocktes Gesicht sah. 

„Nix da! Du bleibst schön hier.“

„Ich weiß echt nicht, ob ich das noch lange aushalte.“

„Kathi! Wehe!“

„Was? Vielleicht lasse ich mich auch von Jan abschleppen. Das ist doch auch eine gute Idee, oder?“ zog Kathi ihre Freundin weiter vergnügt auf und warf einen Blick raus auf die Terrasse. Jan schaute gerade in ihre Richtung und zwinkerte ihr zu. 

„Findest du den gut?“ fragte Tanni jetzt, die ihrem Blick natürlich gefolgt war.

Kathi schmunzelte und machte ein gönnerhaftes Gesicht. „Der ist ja jetzt nicht von Hässlichkeit gepeinigt. Würde mir grundsätzlich gefallen, aber ich habe gerade kein Interesse. Weder an einer Beziehung noch an einem Typen nur für eine Nacht. Aber um dieser Farce hier zu entgehen... da muss man halt Opfer bringen.“

Tanni guckte jetzt echt geschockt und Kathi lachte laut auf. „Ich geh mal kurz auf die Toilette. Bin gleich wieder da.“ Sie gab ihr einen freundschaftlichen Knutscher auf die Wange und verließ das Wohnzimmer in Richtung Gästebad. 

Wie gedacht war das Gästebad super klein und beengt und dazu in wundervoll hässlichen, moosgrünen Fliesen gefliest. Kathi wusch sich in dem Miniwaschbecken die Hände und betrachtete sich dabei in dem kleinen Spiegel. Sie grinste ihr Spiegelbild an und musste dann den Kopf schütteln, als sie über die Truppe da draußen nachdachte. Sie atmete noch einmal tief ein und aus und verließ das Bad wieder. Dabei schaute sie kurz in die Küche rein, wo sie die Stimmen von Bine, Karin und Martin vernahm und fragte, ob sie irgendwie behilflich sein konnte, was aber vehement verneint wurde. Es wäre auch gar kein Platz für eine weitere Person in der kleinen Küche gewesen. Aber es standen schon mehrere Schüsseln mit dampfendem Rotkohl und Sauce auf dem Tisch und Bine goss gerade einen großen Topf Kartoffeln ab. Karin begann die Schüsseln reinzutragen und Kathi folgte ihr ins Wohnzimmer.

Jan saß bereits wieder an seinem Platz, lächelte sie entspannt an und rückte ein wenig zurück, um sie durchzulassen. Ihre Weißweingläser waren alle abgeräumt worden und gegen Rotweingläser ausgetauscht worden. Martin kam mit einer geöffneten Flasche, entnahm ein Weinthermometer und überprüfte die Temperatur nochmal. Dann nickte er zufrieden und begann den Wein in die Gläser zu verteilen. Jans Grinsen wurden immer breiter und um nicht loszulachen, kratzte er sich an der Nase und kniff die Augen zusammen, als ob ihn etwas in der Nase gekitzelt hatte. 

Kathi schaute zu ihm und schüttelte leicht den Kopf. „Die richtige Temperatur ist bei Rotwein schon sehr entscheidend.“

„Da sprichst du wahre Worte, Kathi“, mischte sich Martin geschwollen ein, der ihren eigentlich ironisch gemeinten Kommentar anscheinend sehr ernst genommen hatte. 

„Siehst du.“ Kathi zwinkerte Jan nochmals neckisch zu. 

Martin pries seinen neuen Wein an und es wurde wieder ein Schluck genommen und verkostet. 

„Bisschen sehr warm der rote Traubensaft hier“, war Jans frecher Kommentar nach dem Anstoßen. „Hast du mal einen Eiswürfel für mich?“

Martin entgegnete empört, dass dieses genau die richtige Temperatur für diesen Wein wäre und das Gespräch am Tisch wandte jetzt sich den Vor- und Nachteilen eines etwas zu kalten oder zu warmen Weins zu. Dazu langten alle ordentlich beim Essen zu. Der Sauerbraten schmeckte durchaus ganz ordentlich, wenn er auch nicht herausragend war. Martin berichtete, dass er diesen fertig vorbereitet bei seinem Schlachter des Vertrauens bestellt hatte und dass dieser nur noch im Ofen erwärmt werden musste. 

„Denkst du noch an den Eiswürfel?“ fragte Jan nochmal frech in seine Richtung. 

Martin strafte ihn nur mit einem bösen Blick und entgegnete nix darauf. Jochen lachte und schlug ihm auf die Schulter.

„Macht doch nix, mein Lieber. Hol ihm doch einen Eiswürfel. Ich würde durchaus auch einen nehmen. Du weißt, ich mag Rotweine auch lieber einen Tick kühler.“

„Aber du kannst doch keinen Eiswürfel dazu geben!! Das zerstört den ganzen Geschmack und verwässert den Wein“, intervenierte Martin.

„Bleib sitzen. Ist schon ok. War nur, um dich ein bisschen zu ärgern. Du bist immer viel zu ernst und angespannt“, lachte Jan vergnügt. 

Der nickte versöhnlich und entspannte sich wieder ein wenig. 

„Du bist auch ein echter Banause“, raunte Kathi Jan leise zu.

Er nickte und grinste sie breit an. Den weiteren Gesprächsverlauf bestimmte zum größten Teil Jochen. Kathi hörte mit halbem Ohr zu und unterhielt sich über den Tisch hinweg mit Tanni. Gerade wurde die dritte Rotweinflasche geöffnet und verteilt. Kathi hatte es schon lange aufgegeben mit den anderen mitzuhalten. Bei den Gästen aus der hinteren Ecke des Tisches waren schon erste Ausfallerscheinungen deutlich sicht- und hörbar. Wie sie mitbekommen hatte, ging es an dem Teil des Tisches mittlerweile um Weinkühlschränke und welcher wohl das beste Modell wäre. Und so standen insgesamt fünf Gäste nach dem Essen auf und gingen mit leicht schwankenden Schritten mit Martin in dessen Keller, um dort in die heiligen Weinhallen zu schauen und sich seine neuste Weinkühlschrank-Eroberung anzuschauen. 

„Kommst du mit raus?“ fragte Jan.

Kathi schloss die Terrassentür hinter sich und atmete tief durch, während er sich eine Zigarette ansteckte. 

„Boah, ich glaube, ich ertrage das da nicht mehr länger. Eigentlich war bis letzte Woche geplant, dass Tanni und ich zusammen essen gehen und danach zum Tanzen durch die Clubs ziehen wollten. Alternativ gab es heute Nachmittag auch noch eine Einladung von einem richtig guten Freund, der auch mit mir essen gehen wollte. Da hätte ich mich rundum verwöhnen lassen können.“

„Rundum?“ fragte er und grinste sie süffisant an. 

„Wenn ich ihm den kleinen Finger reichen würde, dann auch rundum“, schmunzelte sie. Sie guckte auf ihre Uhr. „Mist, das ist ja erst kurz nach acht! Da kann ich mich ja keinesfalls aus‘m Staub machen. Tanni killt mich, wenn ich jetzt schon gehe.“

Er lachte sie offen an. „Ich würde durchaus mit dir mitkommen. Wie hast du vorhin so schön gesagt? Wir beide sind heute Abend füreinander vorgesehen. Wollen wir das nutzen? Wir lassen uns einfach ein Taxi kommen und hauen ab.“ 

Kathi raufte sich mit beiden Händen die Haare und nickte lachend. „Am liebsten würde ich das wirklich machen. Aber sorry, Jan, ich will nix von dir. Ich habe gerade die Nase voll von Männern.“

„Schade eigentlich. Aber wer hat denn gesagt, dass wir gleich zusammen in die Kiste springen müssen? Reicht doch, wenn die anderen glauben, dass wir das machen. Wir verschwinden einfach und entweder trinken wir noch irgendwo was Ordentliches zusammen oder wir verabschieden uns an der nächsten Straßenecke voneinander. Hauptsache weg, oder?“ Er nahm wieder einen Zug von seiner Zigarette und wartete interessiert auf ihre Antwort.

Kathi dachte über seinen Vorschlag nach und schüttelte dann aber den Kopf. „Das geht echt nicht. Ich kann Tanni hier nicht einfach sitzen lassen.“ 

„Dann nehmen wir sie mit. Wo ist denn das Problem?“

Sie schaute ihn nachdenklich an. „Hmm, meinst du? Soll ich sie mal rausholen?“

„Klar.“

Kathi öffnete die Terrassentür. „Tanni? Kannst du mal kurz rauskommen, bitte?“ 

Tanni hatte sich gerade mit Bine unterhalten, aber nickte jetzt natürlich und kam nach draußen. 

„Wir beide wollen uns jetzt vom Acker machen. Willst du mit?“

„Das könnt ihr nicht machen! Martin wird sich tierisch auf den Schlips getreten fühlen.“

„Nee, kein Problem. Ich leg gleich drinnen den Arm um Kathi und guck sie mit meinem charmantesten Lächeln an, wenn ich Martin sage, dass wir beide jetzt mal verschwinden. Dann denkt er, er hat uns beiden noch was richtig Gutes getan“, sagte Jan und nahm einen weiteren Zug von seiner Zigarette. „Also, kommst du mit? Als unser Anstandshündchen vielleicht“, fragte er sie dann belustigt.

Tanni überlegte und schaute zwischen ihnen hin und her. „Nein, das kann ich nicht. Ich bleibe heute über Nacht hier und werde das morgen früh mit ihm klären.“

„Schieß ihn ab, Tanni. Das ist eindeutig nicht deine Welt. Und mit dem wirst du keinesfalls froh.“ Kathi schaute sie ernst an.

Sie nickte. „Das werde ich auch machen. Dann wünsche ich euch noch viel Spaß. Genießt den restlichen Abend. Und ich melde mich morgen bei dir, Kathi.“ 

Die beiden Mädels nahmen sich in den Arm und drückten sich gegenseitig. 

Kathi drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Mach‘s gut, Süße. Und sorry nochmal, dass ich dich jetzt alleine lasse.“

„Ist schon gut. Ich werde es überleben. Ich erzähle drinnen schon mal, dass es gerade richtig gut bei euch abgeht, ok?“

Kathi und Jan grinsten und nickten begeistert. 

„Perfekte Idee. Danke schon mal vorab. Wir schäkern hier draußen noch zehn Minuten und rufen uns dann ein Taxi.“

Absacker

Kathi und Jan saßen auf dem Rücksitz eines Taxis und unterhielten sich ausgelassen. Sie waren wirklich ein paar Minuten nach Tanni reingegangen und hatten Martin kurz zur Seite genommen. Dann hatte Jan ihm grinsend und zwinkernd erklärt, dass sie beide jetzt mal verschwinden würden und gefragt, ob das für ihn auch ok wäre. Martin hatte natürlich gönnerhaft erklärt, dass das überhaupt kein Problem wäre und ihnen ebenfalls zwinkernd einen ganz tollen Abend gewünscht. Dann hatten sie sich beide Arm in Arm von den anderen am Tisch verabschiedet und die Veranstaltung verlassen. Als das Taxi losgefahren war, hatten sie beide lauthals losgelacht, bis ihnen die Tränen gekommen waren und sich minutenlang nicht wieder einkriegen können. 

„Echt geile Idee, Jan. Diesen Geburtstag werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Herrlich!“

„Martin ist bei sowas total gutgläubig. Der merkt das absolut nicht, wenn er verarscht wird. Von daher war das kein Problem.“

„Aber macht man sowas mit einem guten Freund?“ fragte Kathi jetzt und schaute ihn interessiert an.

„Ach, weißt du, wir sehen uns nur noch zwei-, dreimal pro Jahr. Früher haben wir uns deutlich häufiger getroffen und sind oft zusammen losgewesen oder waren regelmäßig im Kino und sowas. Aber seit ein paar Jahren ist das deutlich eingeschlafen. Klar, wir kennen uns echt seit Ewigkeiten, aber es ist nicht mehr das Gleiche wie früher. Es macht mir auch nur noch wenig Spaß ihn zu treffen. Von daher muss ich echt sagen, zu meinen guten Freunden zähle ich ihn mittlerweile nicht mehr.“ Jan schaute sie versonnen an und nickte leicht bei seinen Gedanken, die ihm durch den Kopf gingen.

„Das ist wirklich schade, aber ist wohl manchmal so. Tanni und ich hatten uns auch schon mal fast drei Jahre komplett aus den Augen verloren. Wir wohnten irgendwann ziemlich weit auseinander, sie hatte einen neuen Freund, dann andere Prioritäten... wie das halt so ist. Aber wir haben uns durch Zufall im Sommer wiedergetroffen und sind seitdem wieder unzertrennlich.“

„Das ist schön. Bei Martin ist es echt das Problem, dass er sich so heftig verändert hat und das auf Teufel komm raus als seinen neuen Stil ansieht. Na ja, nicht so schlimm. Ich bin ihm trotzdem dankbar, dass ich dich heute Abend kennengelernt habe. Du bist echt cool drauf.“

Kathi lächelte. „Dito.“

Das Taxi hielt vor ihrer gewählten Bar und Jan bezahlte.

„Willst du erst noch eine rauchen?“

„Nee, wir können gleich reingehen. Ich rauche eigentlich gar nicht so viel“, antwortete er grinsend.

„Das habe ich aber den Abend über anders beobachtet.“ Kathi runzelte die Stirn.

Er lachte. „Normalerweise komme ich auf bestens zehn Zigaretten pro Tag. Eine Schachtel reicht bei mir fast immer für zwei Tage. Aber bei Martin rauche ich so viel, damit ich dem Elend entkommen kann.“

„Echt jetzt? Du bist ja wirklich unglaublich.“ Sie schüttelte lachend den Kopf und sie betraten gemeinsam die Bar.

Dort bekamen sie einen Tisch in einer Ecke und bestellten sich aus einer riesigen Cocktailkarte ihre Getränke. 

„Was machst du eigentlich beruflich?“

„Ich bin Projektleiter bei einer großen Hamburger Unternehmensberaterfirma. Denk einfach an die Größte, die dir einfällt, dann liegst du richtig“, lachte er.

„Ah ok, spannend. Hast du bei deinen Projekten auch so einen lockeren Führungsstil, wie ich dich heute Abend so kennengelernt habe?“

„Keinesfalls. Meine Projekte sind alle in time, in budget und in quality. Das bekommt man nicht mit gutschigutschi hin. Und was machst du?“ fragte er jetzt interessiert.

„Ich arbeite momentan gar nicht“, erklärte sie mit einem Grinsen.

„Aha, bist du eine stay-at-home-mum?“

Kathi lachte über den Ausdruck. „Wie kommst du denn darauf?“

„Du hast vorhin erzählt, dass du zu spät gekommen bist, weil dein Sohn angerufen hat.“

„Ach so. Stimmt ja.“ Sie überlegte kurz. „Ja, das ist eine gute Idee. Dann bin ich wohl eine stay-at-home-mum. Auch wenn mein Sohn schon einundzwanzig ist und in Frankfurt studiert. Zählt das dann trotzdem noch?“