Juwelenwald 2.2 - Verena Binder - E-Book

Juwelenwald 2.2 E-Book

Verena Binder

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Beschreibung

Du, der du diese Zeilen liest, was würdest du tun, wenn es in deiner Hand läge, das Übel der Welt zu beseitigen? Diese Frage stellen sich die immer neu erwählten Hüter und Jäger der Macht. Ein Kampf entfacht alle hundert Jahre neu zwischen den Chahd'Rian - die die Welt durch Verstand und Geduld zum Guten bringen sollen - und den Chahd'Gair - die gnadenlos das Übel der Welt vernichten sollen. Die Mächte der Götter sollen ihnen dabei helfen. Doch nicht jeder, der die Macht erhält, will kämpfen oder kann hinter der Moral stehen, die ihm von den Göttern in die Wiege gelegt wurde. Aleshanees Vater lehrt seiner Fünfjährigen Tochter alles, was sie für den Kampf der Hanyesha wissen muss, zu dem sie beide durch das Schicksal verpflichtet sind. Sie trifft einen neuen, wichtigen Freund. Der neunjährige Kaeto in einem anderen Land versteht nur langsam, welche Verantwortung die Halter der Elemente mit sich tragen.

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de/ abrufbar.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte sind dem Autor vorbehalten, einschließlich der Vervielfältigung, Übersetzung, Mikrovorführung, Verfilmung, sowie Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme.

Alle Charaktere und Handlungen sind frei erfunden.

Impressum

Juwelenwald 2.2 | Wachsen, 2. Schrift, 2. Teil

1. Auflage

Copyright © deutsche Originalausgabe 2023 by Verena Binder

Johann-Sebastian-Bach-Straße 10, 82538 Geretsried

Umschlaggestaltung: BinDer Buchsatz

Unmschlagillustration: Verena Binder

Charakterillustrationen: Renée Geburzky ( Ray__nee)

Lektorat: Phantastismus

Korrektorat: Phantastismus

Buchsatz: BinDer Buchsatz

veröffenlicht über tolino media: www.tolinomedia.de

Inhaltswarnung

Diese Geschichte enthält Gewaltbeschreibungen und behandelt emotionale Themen. Wenn du sensibel auf unterschiedliche Themen reagieren könntest, findest du eine nähere Ausführung in der „Inhaltswarnung“ auf Seite 79.

Was bisher geschah

Tesjan trifft auf einen Chahghee, um die Strafe für einen Mord zu erfahren. Doch die Chahghee warnen davor, einen erwachten Chahd‘Rian zu töten, ohne klare Antworten zu geben.

Im Juwelenwald von Shang Iyuha trifft Helaku auf Kahzuna, eine alte Bekannte. Er berichtet ihr von der Attacke des Chahd‘Gairs Yazhi auf sein Rudel, bei der fast alle ums Leben gekommen sind. Seine Töchter Aleshanee und Huyana sind Chahd‘Rian, was Kahzuna verärgert. Ein hitziger Streit entbrennt zwischen den beiden, und es kommt zu einem kurzen Kampf.

Helaku erzählt seiner Tochter von den Kräften der Chahd‘Rian, seiner eigenen Mentorin Kajika und seinen alten Feinden. Aleshanee lernt Vaughan kennen - einen kleinen Luchsjarg, der ein Freund von Helaku ist. Als Kahzuna auftaucht, provoziert diese Aleshanee aufgrund ihrer gemischten Abstammung und enthüllt, was sie ist. Aleshanee weigert sich, zu kämpfen, und zeigt ihre Unsicherheit angesichts der neuen Situation.

Um zu testen, ob Aleshanee tatsächlich ein Chahd‘Rian ist und mit den elementaren Kräften der Götter ausgestattet ist, führt Helaku seine Tochter in das Herz des Juwelenwaldes, zu den Ingyang. Die mit Edelsteinen besetzten Felsen bestätigen, dass in Aleshanee das Element des Windes beherbergt ist. Dabei machen sie Bekanntschaft mit Kosejin, dem Sohn der Awi Kahzuna, welcher ihre harten Ansichten über Tod und Kampf nicht zu teilen scheint.

In seinen Träumen durchlebt Helakus den Angriff des Riesenwandlers Yazhi, welcher das Rudel des Faols bis auf ihn und seine Tochter ausgelöscht hat.

Zwei Besucher aus dem nördlichen Gidma entpuppen sich als Verbündete: Atohi, einer von Helakus besten Freunden, und dessen Sohn Kaeto, die beide ebenfalls Chahd‘Rian sind. Kaeto freundet sich mit Aleshanee an und Atohi erfährt vom Tod seiner Schwester Yoki, die bei der gemeinsamen Flucht von einer Schlucht gestürzt ist.

Aleshanee erinnert sich daran, Tesjan am Tag des Angriffs gesehen zu haben und erfährt mehr über ihren künftigen Feind.

Als Kaeto und sein Vater abreisen, machen sie eine Rast bei einem befreundeten Rudel, dem Frostwindrudel, wo es Nachwuchs gibt. Kaeto freut sich, neue Freundschaften zu schließen.

Während Helaku verstehen muss, dass seine Tochter Zeit braucht, um die Geschehnisse zu verarbeiten, geraten Kaeto und Atohi in einen Kampf, der Ihnen Verbündete wider Willen verschafft.

Charaktere

Ahanu

Jarg Faol Ain

Ä786chd, Sonnenwelt An13

Aus Onawas Rudel

Aleshanee

Jarg Faol Kipa / Mealleth

Ä785chd, Himmelsauge An20

Tochter von Helaku

Atohi

Jarg Faol Sinak

Ä628chd, Sonnenwelt An43

Alter Freund von Helaku, Großalpha Gidmhas, Vater von Kaeto

Helaku

Jarg Faol Kipa

Ä624chd, Farbähre An41

Vater von Aleshanee und Huyana

Kaeto

Jarg Faol Sinak

Ä781chd, Sonnenwelt An27

Sohn von Atohi

Kahzuna

Jarg Awi

Ä618chd, Himmelsauge An13

Kampfgefährtin von Helaku und Atohi

Kosejin

Jarg Awi

Ä771chd, Farbähre An25

Sohn von Kahzuna

Tesjan

Jarg Amrog

Ä486chd, Sternentanz An12

Alter Feind von Helaku und Atohi

Vaughan

Jarg Scolin

Ä681chd, Blumenfeuer An7

Alter Freund von Helaku

Yahzi

Jarg Moar Atharra

Ä488chd, Blumenfeuer An45

Alter Feind von Helaku und Atohi

Onawa

Jarg Faol Ain

Helakus Gefährtin

Paco

Jarg Faol Ain

Aus Onawas Rudel

Staffel 1 – Schrift 2 – Teil 1

Roman

Du, der du durch fremde Welten reist,

sie betrachtest und mit deinem Herzen antwortest.

Für dich sei diese Schrift.

Jarg Scolin

Halbhumanoide Luchs-Jarg, die auf zwei Beinen und mit leicht gekrümmtem Körper gehen. Ihre schmalen Arme und Beine dienen schnellen, agilen Bewegungen. Sie sind meist feige Einzelgänger, die ihren Nutzen aus stärkeren Jarg ziehen, indem sie diplomatische und freundschaftliche Beziehungen aufbauen.

Kapitel 13

Du bist unerwartet stark

Ä790chd, Nebelwind An11

Die sanfte Stille des Waldes wurde nur von dem seichten Rauschen der Bäume und dem Zwitschern der Vögel unterbrochen. Auf den großen Wurzeln des mächtigen Baumes saß Jin und beobachtete die kleinen Tiere, die in dem Geäst ihre Nester erneuerten, um für den nahenden Winter ein warmes Heim zu haben. Eine ganze Weile saß er bereits dort, genoss die friedliche Ruhe, die den Bereich der Sgoilear umgab, und besänftigte sein Blut, das von den Kampfübungen noch kochte. Selbst wenn er als Awi nicht jeden Kampf förderte, so forderte er seinen Körper; besaß den Drang, stärker zu werden. Auch wenn Aleshanee es noch nicht sah, so hatte Helaku schon früh erkannt, wie viel Potential und Kraft in ihm steckte. Wenngleich er erst drei oder vier Ake-Lial1 alt war – was ein Mensch ihm nicht ansehen würde – hatte er gute Chancen, schnell an die Kraft seiner Mutter oder des Faols heranzukommen. 

1 10 Jahre | 1 Jahrzehnt

Jin wandte seinen Kopf gen Osten, als er spürte, dass sich zwei Fremde näherten. Schon seit einigen Tagen hatte er dieses merkwürdige Gefühl, einen Kampf austragen zu werden. Etwas versuchte ihn in eine Richtung zu ziehen, doch er hatte dem Drang widerstanden. Es war der Instinkt eines Awi, nein, zweier Awi, die sich anzogen, um sich zu bekämpfen. Der Rausch zog an ihm. Nun konnte er sich diesem nicht mehr entziehen.

Es war Zeit, dem Instinkt seiner Rasse nachzukommen. Jin stand auf und folgte der Richtung seiner Blicke. Bewegte sich immer schneller, bis er in einen Sprint verfiel, der ihn durch den Wald führte. Er sprang mit leichtfüßigen Sätzen über dicke Äste von einem Baum zum anderen und erreichte damit eine atemberaubende Geschwindigkeit, die er abrupt drosselte, als er sich einem Awi gegenübersah, der ebenfalls stehen blieb. Er war älter als Jin und seine Ausstrahlung ließ erahnen, dass er einiges an Kampferfahrung besaß. Trotz seines ernsten Gesichts prangte ein mildes Lächeln auf seinen Lippen. Seine dunklen Haare besaßen einen tristen blauen Schimmer und waren im Vergleich zu Jins kürzer, dafür wilder.

»Du glaubst gar nicht, wie sehr ich mich freue, diesen Kampf zu sehen.« Der Awi grinste überheblich und wirkte Kahzuna dabei wie aus dem Gesicht geschnitten.

Kosejin antwortete nicht und linste zu seiner Mutter, die mit verschränkten Armen neben dem anderen Awi stand. Sie kannten sich lange, und doch hatte ihr Rausch sie noch nicht aneinander geführt. Sicher, sie hatten gekämpft, doch nie im Blutrausch der Awi, der einen von zweien in den sicheren Tod führte. Jin spürte das Blut durch seine Venen pumpen, fühlte sich stärker und mächtiger. Er fixierte mit seinen roten Augen sein Gegenüber.

»Du bist nicht der, zu dem mich mein Rausch führt, Tenrai.«

»Nein.« Der Blauhaarige linste hinter sich. »Manaba ist gleich hier. Sie hat sich nur noch einen kleinen Happen gegönnt.«

»Deine Tochter also.« Tenrai nickte und blickte zu Kahzuna, der ein gehässiges Grinsen im Gesicht stand. 

»Kaum zu glauben, dass nicht wir, sondern unsere Nachkommen ihren Rausch auskämpfen«, kommentierte er amüsiert.

»Stimmt.« Jins Mutter nickte. »Er wird sie in den Boden rammen.«

»Unterschätze sie nicht. Hab‘ gehört, Kosejin drückt sich vor Kämpfen.«

»Ja, er ist feige, aber kein Schwächling.«

»Es bringt nichts.«

Die beiden älteren Awi musterten Jin erst mit einem Ausdruck der Verwunderung, ehe dieser zu einer merkwürdigen Mischung aus Abscheu und Belustigung wurde. 

»Was?« Tenrai zog argwöhnisch eine Braue hoch.

»Der Rausch. Das Töten. Es bringt nichts.«

Es dauerte nur ein paar wenige Augenblicke, bis Tenrai in lautes Gelächter ausbrach. »Was für eine Schande!«

Kahzuna verdrehte genervt die Augen, und das Lachen des Besuchers endete auch dann nicht, als eine vierte Awi sich aus den Baumkronen zu ihm hinab begab.

»Manaba«, schätzte Jin gedanklich, der sie noch nie zuvor gesehen und doch von ihr gehört hatte. Sie besaß große, klare Augen, die das typische Rot der Jarg besaßen; einen ansehnlichen weiblichen Körper, der jedoch ohne die meist großen Brüste auskam, die andere Rassen auszeichneten. Die Oberweite der weiblichen Awi war gering, andernfalls störte sie beim Kampf. Geschweige denn, dass die Evolution ihnen zwar die Fähigkeit, ihre Kinder zu stillen, gegeben hatte, doch sie bevorzugten es nicht. Daher waren die Brüste nur noch als Geschlechtsmerkmal angedeutet.

»Was ist so lustig, Vater?« Ihre Stimme war hoch, aber nicht schrill, sondern stark. Ebenso wie ihr Blick und ihre Haltung. Manaba versprach, eine mächtige Gegnerin zu sein, die Jin nicht unterschätzen durfte. Sie war ein wenig älter als er, wenn auch nicht viel.

»Er sagt, der Rausch bringt nichts.« Belustigt wiederholte Tenrai die Worte, ehe er in einem Reflex zurücksprang, als Kahzuna kommentarlos ihre Faust in Richtung seines Gesichtes preschte.

»Schnauze und lass sie kämpfen.«

Mit einem selbstbewussten Lächeln stolzierte Manaba auf ihren Kontrahenten zu, der sie ruhig, wenn auch aufmerksam betrachtete. »Ich würde ja lieber gegen deine Mutter kämpfen, die ist stark«, ihre Tonlage würden andere Jarg oder Menschen als Schmachten erkennen, »aber das kann ich noch immer, wenn ich dich getötet habe.«

Höhnisch grinste Kahzuna in sich hinein, während Jin sich von diesem Ausspruch nicht beeindrucken ließ. Er stand Manaba gegenüber und begab sich in eine leichtfüßige Kampfposition. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, begann er den Kampf. 

◊◊◊

Aleshanee und Helaku waren satt, gestärkt und ausgeruht, als sie am Morgen, nach ihrem Besuch bei Taima, zurück in den Nordwesten reisten, wo im Norden Illiasta Iyuhas ihre Höhle auf sie wartete. Je näher sie dem inneren Land Shang Iyuhas kamen, desto mehr freute sich die junge Halbjarg auf ihr Zuhause. Sie hatte sich in den Kopf gesetzt, sich ein eigenes Klack-Set aus Steinen und Holz zu bauen und dafür bereits einige Materialien gesammelt. Die Sonne begann langsam unterzugehen, als Helaku stehen blieb und angewidert die Nase rümpfte. Auch seine Tochter konnte einen fremden, aber sehr präsenten Geruch wahrnehmen, der sie an Kahzuna und Kosejin erinnerte, ihr aber dennoch unbekannt war.

»Na wunderbar«, murmelte ihr Vater schnaubend und blickte nachdenklich gen Westen, wo in doch noch einiger Entfernung die Sgoilear standen. 

Die Ohren Aleshanees zuckten, als sie Helaku mit leicht schief gelegtem Kopf fragend musterte. »Was ist, Pa? Wer ist da?«

»Tenrai«, gab er grummelnd zurück. »Hatte gehofft, er ist …«, kurz pausierte er, »... nicht mehr hier.«

»Warum? Wer ist das?«

Der Faol setzte seinen Weg Richtung Norden fort. »Kahzunas Bruder. Dass die beiden sich in über hundert Lial2 noch nicht getötet haben, ist mir bei deren Clan ein Rätsel.«

2 Jahr(e)

»Vielleicht mögen sie sich.«

Aleshanee fand den Gedanken deutlich weniger abwegig und amüsant als ihr Vater, der in schallendes Gelächter ausbrach.

»Lach mich nich’ aus, Pa!«

»Tut mir leid, San, aber das ist definitiv nicht der Grund.«

Mit aufgeblasenen Wangen und zusammengezogenen Augenbrauen verschränkte sie die Arme. Unzufrieden über diese Auskunft folgte sie Helaku, bis sie endlich ihre Höhle erreichten. Vor ihr glomm die Glut eines erloschenen Lagerfeuers an der mit Steinen umkreisten Stelle. Vaughans Geruch lag in der Luft. Der kleine Jarg Scolin hatte sich wohl um die Höhle und die Vorräte gekümmert – vorsorglich darum, sie aufzubrauchen. Helaku seufzte schwer, als er den Stein von einem Loch in der Höhle hob und darin nur noch die großen, leeren Blätter sah, in denen einige Scheiben getrocknetes und geräuchertes Fleisch eingewickelt gewesen waren.

»Wer hat das alles aufgegessen?« Mit hängenden Ohren und knurrendem Magen hockte Aleshanee sich neben das Loch und beäugte die leeren Vorräte.

Kaum, dass sie das ausgesprochen hatte, zuckten die kleinen Öhrchen zwischen den dicken, beigen Haarsträhnen, ebenso wie die ihres Vaters. Ein Rascheln kam auf sie zu, begleitet von dem Geruch, der am stärksten hier hing.

»Ich kann das alles erklären!«

Vaughans Stimme tönte schrill und panisch aus dem Wald zu ihnen. Wobei das letzte seiner langgezogenen Worte bereits an den Wänden der Höhle echote. Völlig außer Atem kam der kleine Jarg zum Stehen und schnaufte schwer durch, die kleinen Pfötchen auf die Luchsknie gestützt.

»ER war wieder da.«

»Er?«, fragten Vater und Tochter zeitgleich.

»Tenrai.« Der kleine Luchsjarg wimmerte den Namen und fasste mit seinen Pfoten in den Stoff von Helakus Hose.

»Ja, das hab’ ich mitbekommen. Sein Geruch klebt am Wald.«

»Er hat deine Höhle genutzt, ich konnte nichts tun!«

Mit erhobener Braue musterte der Faol seinen alten, feigen Freund skeptisch. »Na ja. Immerhin hast du überlebt.« Er blickte zu seiner Tochter. »San, wir gehen jagen.«

»Aber ich bin müde, Pa …«

»Ich weiß, trotzdem. Mit Tenrai im Wald kann ich dich nicht allein lassen. Im Gegensatz zu Kahzuna würde er dich, ohne zu zögern, töten.«

»Aber Vaughan lebt doch auch noch.«

Ein harsches Zucken durchfuhr den Jarg Scolin, ehe er empört zu dem Kind aufsah, seine Pfoten in die Hüften gestemmt. »Ich hör‘ wohl nicht richtig! Was soll das heißen?«

Aleshanees Ohren legten sich eng an. »D-du bist ja auch nicht so stark …«

Noch ehe der Luchsjarg etwas erwidern konnte, brach Helaku in Lachen aus. Da hatte seine Tochter Recht. Vaughan verschränkte die Arme und linste seinen alten Freund mürrisch an.

»Die andere Awi will gegen Kosejin kämpfen!”So abrupt das Lachen über den Faol gekommen war, so jäh blieb es ihm im Halse stecken, als er die neue Information vernahm.

»Was? Wer? Tenrai?«

»Ne, er hat ‘ne andere Awi mitgebracht.«

»Warum kämpfen sie?«

»Weil das bei Awi so ist«, beantwortete der Faol die unsichere Frage seiner Tochter.

»Wir müssen sie aufhalten! Jin darf nicht sterben!«

Die Panik, mit der Aleshanee ihren Vater anflehte, ihn wie aus dem Nichts an seiner Kleidung packte und daran zog, ließ ihn für einen Moment erstarren.

»Aleshanee«, er ging in die Hocke und legte seine Hände auf ihre Schultern, »wir können ihn nicht aufhalten. Wir dürfen nicht. Das ist ein Kampf zwischen Awi.«

»Bitte! Jin darf nicht sterben!« Tränen sammelten sich in ihren großen, halb roten und halb braunen Augen.

»San, ich –«

»Wir müssen zu ihm!«

Er konnte diesem flehenden Blick nicht widerstehen. Helaku hielt die Luft an, schloss seinen Mund und atmete lange aus. »Also gut.«

Unsicher, ob er es nicht bereuen würde, Aleshanee solch einen Kampf zu zeigen, nahm er sie hoch und sprintete los. Schließlich wusste er, wie Awi kämpften.

◊◊◊

Mit seinen Rabenklauen stieß sich Kosejin vom Boden ab. Der erste frontale Angriff erfolgte schnell, wurde jedoch reflexartig geblockt. Die Awi bewies, dass sie kämpfen konnte. Ihr eigener Tritt in Richtung Jins Rippen wurde ebenso gekontert. Der Awi griff das Bein, und gerade, als er es in die Höhe reißen wollte, löste seine Gegnerin den zweiten Fuß mit einem kraftvollen Sprung vom Waldboden, um ihre Klaue in Kosejins Magen zu rammen.

Die Blicketrafen sich für einen Wimpernschlag, und beiden war klar, dass sie ihren Gegner nicht unterschätzen durften. 

Der Kampf gewann schnell an einer Geschwindigkeit, die von den beiden älteren Awi stumm, aber ohne große Mühe verfolgt wurde. Für andere Beobachter wäre es mühsam, anstrengend, dem Tempo zu folgen, in dem sich die Kämpfenden bewegten. Das ein ums andere Mal wichen Kahzuna und Tenrai zur Seite, als Jins Angriffe Manaba zu ihnen trieb. Tenrais Tochter tat sich schwer damit, auszuweichen; ein paar Mal hatte sie versucht, Jins Schläge zu parieren, doch sie konnte sich gegen die lähmende Wirkung seiner Awi-Energie nicht ausreichend wehren. Oft genug war sie für einen Sekundenbruchteil bewegungsunfähig, was von ihrem Kontrahenten gnadenlos ausgenutzt wurde. Obgleich auch Manaba durch viel Geschick Treffer landete, war es nur eine Frage der Zeit, bis sie mit einem entscheidenden Tritt auf dem Boden aufschlug. Sie hatte Jin eine blutige Lippe geschlagen, ihn kraftvoll in einen Baumstamm getreten und ihre Umgebung selbst für waghalsige Luftangriffe auszunutzen gewusst – doch nun regte sie sich nicht mehr.Jin landete vor ihr, befleckt von Blut, das vorrangig nicht sein eigenes  war. Seine ausdruckslosen Augen waren auf die Jarg gerichtet, die neben einigen Platz- und Schürfwunden auch tiefe Kratzer an ihrem Körper trug. Die spärliche und schlichte Awi-Kleidung war zerrissen und noch kaputter, als sie vor Beginn des Kampfes gewesen war. Wie ein jeder ihrer Rasse kannte sie keine Angst. Tapfer blickte sie dem Tod entgegen, vor dem sie so große Töne gespuckt hatte.

»Du bist … unerwartet stark.« Sie grinste und versuchte, sich auf ihren Arm zu stützen. Er war gebrochen und hielt sie nicht mehr.

Statt Jin antwortete Tenrai: »Bring es zu Ende, Schwächling.«

Es klang verächtlich.

Doch der junge Awi schwieg. Dann trat er ein paar Schritte zurück. 

»Kannst du noch kämpfen?«

Manaba lächelte. Nach einem Moment schaffte sie es, ihren Körper zittrig zu erheben. »Das war ein Fehler.« Ihr selbstbewusstes Grinsen endete in einem Durchatmen. Ein tiefer Kratzer unter ihren Rippen entließ unnachgiebig Blut, das ihr über Hüfte und Bein floss, den Stoff ihrer Kleidung tränkte und sich in den kurzen Federn ihrer Füße festsetzte.

Stille legte sich um sie. 

Kein Wind rauschte durch die Bäume. 

Kein Vogel störte diesen Kampf. Kein anderes Tier oder Jarg wagte es, an die Awi heranzutreten. 

Mabanas Fuß rutschte in ihrem Blut leicht. Als wäre es gewollt, nutzte sie die Bewegung und stieß sich ab. Was Kosejin für einen frontalen Angriff gehalten hatte, erwies sich als geschickte Finte, in der sie ihre Klauen seitlich gegen sein Knie stieß. Zwar konnte er den Treffer mit seinem Unterarm abwehren, doch der heftige Energiepuls kam unerwartet. Der Sekundenbruchteil, in dem er seinen Arm nicht bewegen konnte, wurde zum Verhängnis. Ein Tritt in seinen Lendenbereich ließ ihn stolpern und japsen. Er konnte sich wieder bewegen, duckte sich unter dem unmittelbar nächsten Fausthieb weg und rammte seinen eigenen Haken hinauf. Ihre linke Hand wehrte ihn reflexartig ab, und während Mabana selbst stolperte, fing sich Jin, holte aus, sprang ab und schlug seine Klauen quer über die Brust der Awi. Das Oberteil riss endgültig auf und enthüllte den dunkelgrauen Torso, durch dessen harte Haut sich bis jetzt nur ein paar oberflächliche Schürfungen gezogen hatten. Doch nun drangen die ersten Kratzer bis in die Blutgefäße und Muskeln durch, die unter der grauen Schicht verborgen waren.

Keuchend schlug Manaba auf dem harten Waldboden auf, und ehe sie sich versah, kniete ihr Gegner auf ihr, fixierte mit einer Hand ihre Schulter am Boden, die andere war erhoben, die Krallen zu einer Spitze verengt, bereit zum letzten Stich.

Sekunden verrannen. Mabana atmete schwer, doch zeigte keine Angst. Ihre schwachen Augen trugen den Ernst des Kampfes und ihre Würde mit sich, musterten den Awi über ihr, der so lange zögerte, sie zu töten.

»Kh.« Ein verächtliches Schnauben entwich ihr.

Ihr Arm zuckte, Jins Klaue stieß auf ihren Hals hinab. Um eine Haaresbreite verfehlte er das Ziel. Ein einzelner, kräftiger Ruck hatte ihren Kopf zur Seite bewegt, während sie ihre linke Handfläche gegen Jins Achsel preschte. Selbst wenn sie nicht gewinnen konnte, würde sie nicht einfach abwarten, bis dieser Awi sie tötete. Sein Zögern konnte ihr Sieg sein. Wenn er es nicht schaffte, zu töten, war er schwach.

Ihrem Schlag folgte ein abruptes Anziehen ihres Knies und ein anschließender Tritt in Jins Seite. Einen Moment später stand sie. Der gebrochene rechte Arm hing kraftlos hinab, den linken Fuß konnte sie kaum belasten.

»Töte mich würdig, Feigling«, schnaufte sie, den Awi musternd, der sich von dem unerwarteten Befreiungsversuch erst wieder aufrichtete. 

Ihr Gegner glaubte nicht, dass sie noch zu einem weiteren Angriff fähig war.

---ENDE DER LESEPROBE---