KÄMPFE FÜR DEIN ZIEL - Jürgen Recha - E-Book

KÄMPFE FÜR DEIN ZIEL E-Book

Jürgen Recha

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Beschreibung

Wie verändert man spontan sein strapaziöses Leben, dass den Körper zunehmend auslaugt? Und wie kommt man aus dem "kenn ich" und "kann ich" zum "tu ich"? Wenn er nicht mir 39 Jahren bereits sterben wollte, musste Jürgen Recha die Lösung zu dieser Frage schnell für sich beantworten. Er brachte durch den Mythos, das hinter dem alten hawaianischen Wort pa'a steckt, sein Leben nicht nur wieder ins Gleichgewicht, sondern veränderte es zu einer neuen, erfüllten Existenz. Er zeigte an seinem eigenen Leben, dass man es konsequent verändern und aktiv seine Geschichte schreiben kann. Wenn man wirklich will.

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KÄMPFE FÜR DEIN

ZIEL

,Danke, sage ich allen denen,

die daran geglaubt haben, dass ich das alles schaffe,

die skeptisch waren und damit

noch mehr Ehrgeiz bei mir erzeugt haben,

die mir den Rücken frei gehalten haben,

die mich dazu animiert haben,

KÄMPFE FÜR DEIN ZIEL

Vom BMI 34,7 zum IRONMAN

Jürgen Recha

© 2021 Jürgen Recha

2. Auflage, Vorgängerausgabe 2014

Buchsatz von tredition, erstellt mit dem tredition Designer

ISBN Softcover: 978-3-347-46112-3

ISBN E-Book: 978-3-347-46118-5

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

BMI von 34,7

Lauftreff

Der erste Wettkampf

Hamminkeln Zieleinlauf

Rotterdam Rücken

Strongmanlauf

Klamotten Strongman

Orient

Bocholt Mitteldistanz

Buch IRONMAN

Kraichgau

Zimmer

Radabgabe

Bad Vilbel

Erste Runde

Zweite Runde

Dritte Runde

Zieleinlauf

Schnitzel XXL

Ehrwald

Fischdose

die drei Ehrungen

Vorwort

Nein, dies ist nicht eins der Bücher, die als Moralapostel allen Normalos aufzeigen sollen, wie schlecht sie sind. Es ist auch kein Buch, das mal wieder eine neue Modeform von Ausdauersport in die deutschen Wohnzimmer bringen will.

Und dies aus zwei Gründen:

1. Es ist nicht irgendeine Geschichte, sondern es ist meine Geschichte. Diese hat noch nie jemand anderes erlebt. Die Geschichte ist wahr und hat sich genauso ergeben.

2. Die Geschichte soll unterhalten. Und dabei beweisen, dass man Unmögliches schafft. Von einem kranken Menschen zu einem Athleten in einem der härtesten Rennen der Welt.

„Kämpfe für dein Ziel“ ist nicht nur der Titel dieses Buches, sondern verkörpert unter dem uralten hawaiianischen Wort pa‘a die ganze Energie, die in diesem Spruch steckt. Diese drei Buchstaben werden seit einiger Zeit besonders in der Triathlonszene als Ansporn genutzt, um für sein eigenes Ziel zu kämpfen.

Die Bedeutung dieser Aussage begegnet uns das ganze Leben. Von klein an erfahren wir, dass man alles schaffen kann, wenn man oder frau nur will. So wurde uns in Kinderbüchern von der kleinen Pflanze vorgelesen, die ganz feste an ihr Ziel glaubt, um ein großer und starker Baum zu werden. Am Ende der Geschichte hatte sie es geschafft und entfaltete die komplette natürliche Kraft eines erhabenen Gewächses.

Danach trat Lassie in unser Leben. Der rannte damals wochenlang quer durch Amerika, nur mit dem einen Ziel, zurück zu seiner Familie zu finden. Der Collie Lassie hat auch gekämpft, bei Wind und Wetter, Gefahren gebannt und alle Unwägbarkeiten gemeistert. Oder Jahre später, da waren es die fünf Freunde. Die konnten auch alles schaffen. Und das nur, weil sie fest an ihre Gemeinschaft glaubten. Es gibt unzählige Erzählungen und Geschichten, die uns allen bekannt sind. Ob es Rocky ist, der eigentlich keine Chance hatte, Weltmeister zu werden. Immer wieder begegnen wir großen und kleinen Helden. Wir hören von ihren Geschichten und erzählen sie sogar weiter.

Aber auch ein jeder von uns hat Situationen in seinem Leben erlebt, deren Ausgang zeigt, dass man gewinnen kann. Wenn man dafür kämpft.

Wenn wir nun alle davon wissen und ein ganzes Leben dies schon präsent ist und bejaht wird, wieso leben die meisten nicht danach? Haben sie keine Ziele oder sind sie zu schwach? So wie in der folgenden wahren Geschichte. Bis zu dem Tag, an dem sich alles verändert hat. Wo nur noch ein klares Ja oder Nein über Leben oder Tod entscheidet. Und dann die Kehrtwende unaufhaltsam kommt.

Den süßen Duft von einem ausgeglichenen Leben wünsche ich allen, die dieses Buch lesen, und dass sie sich wohlfühlen in dem eigenen Körper. Endlich attraktiv zu sein und Erfolge im Sport, im Privaten und auch im Beruf ernten. Das ist die Frucht, die man erntet, wenn man sät und für das Wachstum das richtige Rezept hat. Dass das funktioniert, dass das in einem ganz normalen Leben umzusetzen ist und dass das der Typ von nebenan sein kann, zeigt Ihnen das folgende Buch. Ich wünsche viel Freude an der Geschichte. Noch mehr wünsche ich Ihnen, dass das erreichte Ziel für Sie ein Grund zum Nachdenken ist. Besonders geehrt fühle ich mich, wenn Sie anfangen, für Ihr Ziel zu kämpfen.

– pa‘a –

Der MorgenwirdallesbesserTyp

Ich war 2005 mit 39 Jahren in der Mitte angekommen. In der Mitte meines Lebens. Den Zenit erklommen, jetzt geht es nur noch angenehm bergab. Der Aufstieg war aber auch schwer genug gewesen. So fühlte ich mich. Verheiratet und Vater von zwei Söhnen. Ein eigenes Haus in einem Dorf am untersten Niederrhein. Nach meinem Studium der Betriebswirtschaftslehre fand ich eine Anstellung beim Revisionsverband in Münster. Dort prüfte ich als Revisor so einige öffentlichen Einrichtungen. Die Mandanten waren quer durch Deutschland verteilt. Ich reiste sieben Jahre quer durch die Republik. Immer von montags bis freitags war ich der Prüfer, der alles wusste. Schön im Geschäftsanzug. Dem Mandanten hier und da einen Fehler aufzeigen und dabei bei allem Tun den angemessenen Abstand zu ihm bewahren.

Am Wochenende kam ich in unser Dorf zurück und es machte sich eine andere Welt auf. Hier ging es um PS-starke Geräte für den Garten, um Dorf und Kirchengemeinschaft und ums gemeinsame Feiern. Es wurden über den Gartenzaun hinweg Ratschläge gegeben und beim Bäcker wurde freundlich die Tageszeit mit einem Hinweis aufs Wetter gegeben. Bastian und Kristoffer, meine beiden Söhne, traten ab der GJugend, damals nannte man sie Bambini oder Pampersbomber, im örtlichen Fußballverein gegen den Ball. Natürlich standen die Eltern als beste Trainer dieser Welt am Rand und animierten mehr recht als schlecht ihre eigene Brut.

Bei diesen ganzen gesellschaftlichen Verbindungen und teilweise Verpflichtungen war es ganz normal, dass Mann Bauch hatte. Es blieb auch gar nicht aus, dort ein schnelles Pilschen, hier eine Wurst vom Grill, zur Weihnachtszeit die Gans mit kräftig dicker Soße. Zum Abschluss dann immer ein feines Eis. Man gönnt sich ja sonst nichts. Und außerdem ist das Leben zu kurz, um nicht alles mitzunehmen. Hätte ich damals nur schon gewusst, dass man das Leben verlängern kann. Und dies dadurch, dass man eben nicht alles auf einmal mitnimmt. Ich hätte mir einige Qualen und die Gefahr, dass es zu spät sein könnte, erspart. Paradox ist es auch, dass durch das längere glückliche Leben ausreichend Zeit vorhanden ist, doch noch alles mitzunehmen, was man damals gierig heruntergeschlungen hat. Und noch viel mehr.

Aber da war ich noch nicht. Ich war nicht dünn und auch nie sportlich. Um es auf einen Satz zu reduzieren: Ich war derjenige, der, wenn es um das Wählen von Teams im Schulsport ging, immer übrig blieb. Aber das nahm ich einfach so hin. Da ich aber auch schon damals ein lauter, mitteilungsbedürftiger Mensch war, konnte mich das nicht schockieren. Wenigstens tat ich so, als ob es mich nie interessieren würde. Kaum hatte eine Mannschaft mich widerwillig nehmen müssen, schon übernahm ich die Mannschaftsführung und leitete das Spiel lautstark. Obwohl ich keine Ahnung von den Regeln, geschweige denn sportlich irgendetwas zu reißen hatte. Beim Fußball stand ich häufig zum Beispiel dermaßen schlecht, dass ein Schuss aufs Tor aus diesem Winkel unmöglich war. Trotzdem schrie ich meine Mitspieler an, sie sollten mir gefälligst den Ball zuspielen. Wenn ich aber gut stand und der Ball mir zugespielt wurde, ging der Schuss ohne nennenswerte Schäden für beide Mannschaften ins Leere.

Und so wurde ich ein MorgenwirdallesbesserTyp. Jeden Abend, wenn ich mich vor dem Spiegel angeschaute und vergeblich den so erwünschten Sixpack suchte, geschweige denn eine Spur von Athletik, nahm ich mir vor, „Morgen wird alles besser.“ Morgen mache ich Sport. Morgen ernähre ich mich gesünder. Morgen nehme ich ab. Morgen höre ich auf zu rauchen. Es kam sogar manchmal vor, dass ich mir sagte, „Morgen esse ich nur noch Salat und werde Vegetarier.“ Dabei entfernte ich mir mittels meiner Zahnbürste den Rest des Grillfleisches des Abendbrotes. Als Freund der Mathematik fing ich gleich auch immer an zu rechnen. Wenn ich jede Woche zwei Kilo abnehme, dann habe ich bis zum nächsten Urlaub eine Traumfigur. Geht doch, dachte ich mir. Und es hat sogar funktioniert. Denn jeden Abend konnte ich mit gutem Gewissen die gleichen Sätze wiederholen. Ich blieb dem MorgenwirdallesbesserTyp treu.

Ich ging sogar noch einen konsequenten Schritt weiter. Ich investierte in Laufsachen. In einem Sportladen in weiter Ferne vom Niederrhein betrat ich den Laden. Ich hatte bewusst eine weite Entfernung von der Heimat ausgewählt. Schließlich sollte keiner mich erkennen und wissen, dass ich super unsportlich war. Durch ein starkes Auftreten hoffte ich, meiner nicht gerade vorteilhaften Statur entgegenzuwirken. Ich dachte mir aus, wenn ich genug rede, dann lauschen die meinen Worten und scannen nicht meinen Körper ab. Heute weiß ich, die waren nur scharf auf mein Geld und hätten mir alles verkauft. Ob ich darin aussehe wie das Goodyear-Männchen oder der bekannte nasse Sack. Egal, rein in die teuren Klamotten und her das liebe Geld. Der Kunde ist schließlich König. Außerdem will der Kunde das Shirt nur in XL haben, dann soll er es auch bekommen.

Diese Laufsachen schleppte ich immer in meinem Koffer mit. Jeden Montag wurden sie eingepackt und jeden Freitag unberührt wieder ausgepackt. Die operative Umsetzung erfolgte nicht, da über Monate und Jahre es zu heiß, zu kalt, zu dunkel war, ich zu viel gegessen hatte oder, oder, oder. Mein erster Lauf war schließlich was ganz Besonders und sollte perfekt sein. Keine äußeren Einflüsse sollten den ersten Lauf trüben. Und so blieb ich meinem Motto getreu, „Morgen wird alles besser.“

Da ich fest daran glaubte, investierte ich auch jedes Jahr in neue Laufsachen. Denn irgendwie passten sie in Höhe des Bauchnabels nicht mehr. Aber ich musste schließlich bereit sein für den großen Tag. Wie schlimm wäre es gewesen, wenn der perfekte Tag gekommen wäre und ich hätte keine passenden Laufsachen parat gehabt.

Meine Geschichte beginnt 2005. Seit Anfang Januar war ich Geschäftsführer einer Berufskammer. Sie war vorher mein Mandat und als die Stelle eben dieses Geschäftsführers vakant war, habe ich mich darauf beworben. Und somit war ich dann täglich in Düsseldorf, nur so 80 km von zu Hause entfernt. Das machte in dem kleinen Dorf mächtig Eindruck.

Da ich neben meiner positiven Impulsivität auch den Charakterzug eines Machers habe, war ich sehr bestrebt, meine Vorstellung einer Verwaltung mit viel Energie und gutem Beispiel zu implementieren. Ganz nach dem Motto: Kennst du es, kannst du es und tust du es auch? Aber da hatte ich die Rechnung ohne den ehrenamtlichen Vorstand gemacht. Die Tage in Düsseldorf wurden länger. Die Wochenenden standen immer häufiger unter dem Motto, „ein Geschäftsführer ist 24 Stunden, 7 Tage die Woche im Dienst“. Und am Wochenende hat man wenigstens die Zeit, in Ruhe die Probleme und Aufgaben der Kammer zu bewältigen. Da ich, wie bereits beschrieben, ein Macher bin, hab ich das sogar befürwortet. Ich fand auch, das machte sich in dem Dorf, in dem ich wohnte, auch noch richtig gut. Ich war halt busy. Da ich aber von morgens 06:00 Uhr bis abends mindestens um 21:00 außer Haus war, bekam ich von meiner Familie nicht wirklich viel mit. Und dabei sollten der Wechsel des Arbeitgebers und damit der feste Dienstsitz in Düsseldorf genau dem entgegenwirken. Wir hatten uns ausgemalt, dass ich eben nicht mehr von montags bis freitags in Hotels lebe. Aber die vielen Stunden täglich fernab der Familie, zuzüglich der häufigen Wochenenden, schafften keine Entlastung. Hinzu kamen eben die unterschiedliche Auffassung, der permanent ansteigende psychische Druck aus dem Vorstand und mein innerster Wille, alles perfekt zu machen. Die innerliche Unzufriedenheit im Beruf und in der Familie brachte mich dazu, dass ich nur noch reagierte. Die Zeit des Agierens war lange vorbei. Immer auf der Suche nach dem dringendsten Fall, der jetzt ganz schnell abgearbeitet werden muss. Jahre später weiß ich, dass Führungspersonal so wenig wie irgend möglich dringende Sachen erledigen sollte. Sie beschäftigen sich mit den wichtigen Themen des Unternehmens. Und wenn sie dies richtig gut machen, dann entfallen die meisten dringenden Sachen, da sie im Vorfeld schon erledigt wurden bzw. die Führungskraft dies verantwortlich delegiert hat. Damals war ich ausschließlich darauf programmiert, mich um alles zu kümmern. Ich wollte eine perfekt funktionierende Kammer und nur ich bin dafür verantwortlich.

Da der Tag in Düsseldorf eben sehr voll war, blieb auch keine Zeit für eine ausgewogene und entspannende Mittagspause. Hastig irgendwas herunterschlingend mit einer Zigarette im Mund und schon musste weiter organisiert werden. Auf dem abendlichen Rückweg lag ein Fastfood-Restaurant einer bekannten amerikanischen Kette. Damit ich es niemals verfehle, haben die Besitzer freundlicherweise ein hell leuchtendes gelbes Emblem so hoch aufgebaut, dass sogar die landenden Flugzeuge des nahegelegenen Düsseldorfer Flughafens dies als Einladung zum Anflug hätten annehmen können. So fuhr ich jeden Abend wie selbstverständlich an den Schalter und bestellte mir etwas von der Traum-Menükarte. Und dann kam mein Abendsport. Ich war so akrobatisch, dass ich mit eingeschaltetem Tempomat, hochgezogenem Oberschenkel und drückendem Bauch freihändig fahren konnte. So hatte ich beide Hände frei, um genüsslich die Burger, Pommes und was mir der nette Amerikaner noch so in die Tüte eingepackt hatte, herunter schlingen konnte. An dieser Stelle ein klarer Appell an alle Leser: Niemals nachmachen, absolute Lebensgefahr. Immer beide Hände ans Lenkrad.

Die sich füllende Vorratskammer unterhalb meines Halses war für mich nicht wirklich was Schlimmes. Wer einen stressigen Job hat, der lebt eben ungesund. Erinnert euch doch an Franz-Josef Strauß oder an Helmut Kohl. Die waren richtig wichtig und extrem beschäftigt. Und auch die haben einen entsprechend ihrer Wichtigkeit angemessenen Bauch. So argumentierte ich jedenfalls. Außerdem wächst so eine Kammer auch nicht urplötzlich. Sondern nach und nach, Tag für Tag, Burger für Burger. Und da ich früher schon nicht sportlich war, veränderte sich nicht wirklich was bei mir, das ich als Alarmzeichen erkennen konnte. Da müsste mich schon einer mit dem Zaunpfahl prügeln, damit ich zugebe, dass es keine natürliche Verbindung zwischen Beruf und Übergewicht gibt. Wenn ich heute mein damaliges Gewicht nehme und dazu meine Körpergröße in Relation setze, die sich leider nicht mit dem Gewicht proportional auch erhöht kam, hatte ich 2005 ein BMI von 34,7. Das ist nicht übergewichtig, sondern Adipositas.

BMI von 34,7

Der Urknall

Und dieser Schlag mit dem Zaunpfahl kam dann auch. Schneller und heftiger ging es fast gar nicht. Aber wie schon erzählt, man musste mich richtig hart rannehmen, bevor ich meine Prinzipien und Überzeugungen verließ. Ich wollte es ja nicht anders. Ende Mai 2005 bekam ich so viele Schüsse vor den Bug, dass sicherlich einige davon untergegangen wären. Erst einen Tinnitus, der mich komplett lahmlegte. Ich hatte noch nie so was erlebt. Wie kann ein einziger, leiser, permanent anwesender Ton mich so aus der Bahn hauen. Ich konnte mich nicht mehr konzentrieren, war nur noch genervt. Wenn es richtig schlimm wurde, zerbrach ich fast daran. Egal was ich machte, es hörte nicht auf. Die ärztliche Unterstützung half anfangs, doch langfristig leider nicht. Diesen ersten Warnschuss nahm ich noch nicht ernst. Verwunderlich, da er mich so schlapp machte und ich manchmal verzweifelte. Im Tagesgeschäft hieß es: Weitermachen. Zumal ich die absurde Idee hatte, dass der Tinnitus ausschließlich von einer Fehlstellung meiner Zähne herrührte. Mein Zahnarzt fertigte mir eine Schablone aus Silikon an, die ich dann nachts zwischen meinen Zähnen trug. Tatsächlich bemerkte ich immer häufiger Pausen von diesem schrecklichen Ton. Damals dachte ich, dass durch das nicht besonders sexy besetzte Tragen des Mundinletts ich des Tinnitus‘ Herr wurde. Zumal ich damit eine chirurgische Begründung hatte und allen, die meinten, ich hätte zu viel um die Ohren, entgegentreten konnte. Heute weiß ich, dass das bei mir nicht der Fall ist. Den Tinnitus habe ich immer noch. Und das nach nunmehr neun Jahren. Aber mittlerweile ist er für mich eine kleine Nadel, die immer dann sticht, wenn ich negativen Stress habe und die Umwelt mich sehr belastet. Dann kommt der Ton und ich weiß, dass ich runterschalten muss.

Nach dem Tinnitus kam der restliche Körper dran, denn ich hatte durch das Ohrensausen nichts verändert. Ich war schwach, demotiviert. Meine Hautfarbe wurde immer bleicher und meine Augenränder glichen den Schutzwällen in der Normandie. Immer häufiger bekam ich nachts Atemaussetzer. Plötzlich wurde ich wach und merkte, dass ich nicht atmete. Voller Panik versuchte ich dann, zu atmen. Die Zeiträume, bis die Atmung wieder einsetzte, wurden immer länger. Durch diesen Stress waren die Ruhephasen nachts sehr gering. Aber auch dies bewirkte bei mir keine Veränderung. Das Leben war oberflächlich gesehen einfach zu schön. Dies meinte mein Körper aber anders. So musste ich eines Tages von der Autobahn direkt ins Krankenhaus fahren. Ich konnte nicht mehr. Mit letzter Konzentration schaffte ich es noch in Düsseldorf in die Notaufnahme. Ich wurde untersucht und nach der klaren und eindeutigen Diagnose eines Schwächeanfalls und einigen Stunden Erholung im Krankenbett fuhr ich auf eigenes Drängen wieder nach Hause. Da das Wochenende bevorstand, passte es. So plante ich, mich bis Montag wieder fit zu ruhen und dann mit vollem Elan wieder durchzustarten. Kaum hatte die Woche begonnen, machte der Kreislauf mir zu schaffen. Ein Kollaps am frühen Morgen im Büro. Ich hatte die ganze Nacht schlecht geschlafen, da am Morgen eine Vorstandssitzung anstand. Die Sitzung hätte es mal wieder in sich gehabt. Es schauderte mir schon seit Stunden vor diesen negativen Einflüssen. Als ich aus dem Büro gehen wollte, wurde mir schwindelig. Ich kam noch bis zur Tür und klappte zusammen. Hilflos aber wach lag ich da. Meine Assistentin kam sofort und zusammen mit noch zwei weiteren half sie mir auf und setzte mich auf einen Stuhl. Ab da hatte ich nur noch einzelne Bilder in meiner Erinnerung. Glas mit Wasser; Telefonat mit dem Notarzt; eine Präsidentin, die mich kurz anschaute und dann in den Besprechungsraum ging. Plötzlich atmete ich immer schneller. Ich hyperventilierte auf einmal. Schon häufiger hatte ich davon gehört und der Sache mit der Tüte vor dem Mund. Technisch war mir das klar, was da passiert. Aber am eigenen Körper dies mitzubekommen – man ist absolut hilflos und merkt, wie man immer schneller atmet, alle reden auf einen ein, man sollte sich beruhigen. Aber die Panik arbeitet dagegen und ist stärker als die gut gemeinten Zusprüche. Dann reduzierten die herbeigerufenen Sanitäter mir die Frischluft und ich kam langsam runter. Auf dem Weg ins Krankenhaus wiederholten sich die Anfälle der Hyperventilation noch zweimal. Im Krankenhaus angekommen, behandelte mich der Arzt, der sich bereits schon um meinen Tinnitus und meinen ersten Schwächeanfall gekümmert hatte. Er schüttelte erst einmal nur den Kopf, als er mich wiedererkannte, und dann begannen die Untersuchungen. Nach Messung der Vitalwerte und Abnahme von Blut und Urin ging es auf ein Zimmer, in dem absolute Ruhe war. Ich weiß nicht, ob es geplant war. Ich lag alleine in dem Zimmer am Ende des Ganges und konnte vom 3. Obergeschoss in den Park schauen. Die Sonne blinzelte durch das Fenster und ich hatte seit langer, langer Zeit keinen Druck mehr. Wollte nur noch genießen. Auch die Gedanken an das, was in den letzten Tagen alles passiert war, interessierten mich jetzt nicht. Ich bin mir heute nicht ganz im Klaren, aber ich glaube, dass ich ein wenig Tränenflüssigkeit verloren habe. Zusammen mit meiner Familie kam dann der Arzt. Ich schaute in die Augen meiner Frau und merkte, dass sie sich sehr viele Sorgen machte. Die Jungs konnten die ganze Situation nicht wirklich kapieren. Der Arzt dagegen hat es auf den Punkt gebracht: „Sehr geehrter Herr Recha, wir haben Ihr Blut analysiert. Mit diesem toten Element kann man nicht einmal eine Fliege zum Fliegen bringen. Ich behandle Sie nun zum dritten Mal und immer ist die Ursache die gleiche. Da Sie sich nicht ändern wollen, schlage ich Ihnen vor, schauen Sie sich Ihre Familie an, genießen Sie die Zeit mit ihnen. Denn sie wird nicht mehr lange andauern. Wir geben Ihnen leider nicht mehr lange.“ Daraufhin drehte er sich um. Ich habe ihn nie wiedergesehen. Und dies, obwohl er dafür verantwortlich ist, dass ich heute noch das Leben genieße. Diese wenigen Worte brannten sich so hart bei mir ein, dass ich mich vor einer Weggabelung stehen sah. Der eine Weg ins kalte Nichts. Weg von allen, die ich liebte, und raus aus dem Leben, das ich so toll fand. Der andere Wegweiser zeigte mir auf, dass ich die Wende schaffen kann. Ich muss es aber jetzt und sofort mit aller Konsequenz umsetzen. Es gab diesmal keinen Nebenweg, keine Abkürzung, keinen Trampelpfad, auf dem stand: „Es wird schon irgendwie gehen bzw. Morgenwirdallesanders“. Ich fühlte mich wie der viel beschriebene Alkoholiker, der in der Gosse liegt und nur noch eine letzte Chance hat, noch eine letzte Patrone im Revolver, um sein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Noch nie war ich so entschieden, diesen einen harten Weg zu gehen. Mir war klar, ich habe nur noch die eine Chance.

Vom Kopf in die Beine

An dem Wochenende nach dem Krankenhausaufenthalt waren wir auf einer Silberhochzeit im Freundeskreis eingeladen. Ich verzichtete wie selbstverständlich auf Alkohol und als ich dann an einem Tisch einige bekannte Läufer vom hiesigen Lauftreff entdeckte, fasste ich einen Entschluss, der eine unendlich große Tragweite für mein weiteres Leben bedeutete. Ich konnte aber dies zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen. Ich ging zu Herbert, dem Leiter des Lauftreffs, rüber und sprach ihn an. Ich schilderte ihm kurz meinen Status und beendete meine Ausführungen mit der Frage, ob die Läufer mir helfen würden. Mein Plan war es, dass ich anfange mit Laufen. Nicht so wie sonst, sondern diesmal mit reeller Bewegung. So richtig mit Schwitzen. Damit dies aber wirklich funktioniert, wollte ich das in der Gruppe machen. Mir war klar, dass ich Anregung, Unterstützung, Motivation und Tritte brauchte. Hinzu kam der Effekt von festen Trainingsterminen. Die ließen sich nicht einfach verschieben. Herbert und die anderen Läufer sagten mir spontan zu, dass sie sich um mich kümmern wollen. Gesagt, getan, direkt am nächsten Tag ging es los. Sonntagmorgen, 10:00 Uhr am Lindenstadion in Haldern. Neue Laufsachen hatte ich schließlich noch von meinen Dienstreisen und so fuhr ich mit dem Auto die 1,2 km lange Strecke bis zum Treffpunkt. Es war eines der wenigen Male, dass ich in den nächsten Jahren das Auto zum Lauftreff nutzte.

Da der Lauftreff erstmalig einheitliche Trikots hatte, sollte an diesem sonnigen Sonntag im Juni pressewirksam und als Startfoto für den Internetauftritt ein gemeinsames Gruppenfoto geschossen werden. Und ich war dabei. Aus ästhetischen Gründen noch in der hinteren Reihe, aber durch meine läuferuntypische Optik konnte man mich sehr gut erkennen.

Lauftreff

Es war auch eines der letzten Male, wo ich mich noch in der Gruppe versteckt habe. Erstens ist das nicht mein Charakter als bekennender Sanguiniker und zweitens wurde ich zunehmend vorzeigewürdig. Das dauerte aber noch einige Zeit. Mein erster Lauf war ganze 500 Meter lang, mehr ging nicht. Das hatte ich aber auch selber zu verantworten. Ich war viel zu schnell. Als die anderen mich dann eingefangen haben, gab es den ersten berechtigten Dämpfer meiner neuen Lauffreunde. Mir wurde Michaele als Instruktor beigestellt. Da Michaele bekannt ist als durchgreifende Lehrerin, wagte ich nicht, ihr zu widersprechen, geschweige, einmal schneller zu laufen, als sie vorgab. Und so liefen wir immer ein kleines Stückchen sehr langsam, dann gingen wir, dann wieder laufen und immer so weiter. Sonntags ging ich zum Lauftreff, um unter Anweisung zu laufen, und in der Woche wiederholte ich diese Übung noch zweimal. Die Technik der langsamen Steigerung funktioniert. Man gewöhnt langsam den Körper an die neue Situation, fühlt sich nicht zu angestrengt. Die Endorphine haben ausreichend Chance, sich darzustellen, und werden nicht durch Schmerzen, Unwohlsein oder ärztliches KO unterdrückt. Ich sehe das heute als optimale Grundtechnik, um aus einem Nichtsportler einen Läufer zu machen. Jahre später habe ich Kurse geleitet, die genau darauf abgestellt waren. Der 10WochenAnfängerkurs führt die Teilnehmer ihrer Konstitution entsprechend ganz langsam an das Ziel. Anfänglich im maximal 2MinutenTakt. Die begleitenden erfahrenen Läufer haben nur die Aufgabe, die Anfänger zu bremsen und an die richtige Geschwindigkeit zu halten. Am letzten Tag des 1OWochenKurses laufen dann alle Teilnehmer, die durchgehalten haben, 30 Minuten ohne Pause. Anfangs schafften die meisten gerade mal zwei Minuten. Das ist eine Konditionssteigerung von 1.500 Prozent. Nach dieser Phase können sie losgelassen werden. Der Körper hat sich umgestellt und die neuen Sportler lernen zunehmend, was sie sich zutrauen können.