Kann Kirche Demokratie? - Arnd Henze - E-Book

Kann Kirche Demokratie? E-Book

Arnd Henze

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Beschreibung

"Wehret den Anfängen" war gestern. Längst geht es darum, der Normalisierung rechtsextremer Positionen in Politik und Gesellschaft zu wehren. In diesem Stresstest der Demokratie stehen auch die Kirchen unter Druck. Die Angriffe von Seiten der AfD nehmen an Schärfe zu und zielen ganz offen auf eine Spaltung der Protestanten. Will die Evangelische Kirche dem widerstehen, muss sie ihre Anfälligkeiten für autoritäres, nationalistisches und ausgrenzendes Denken ebenso kennen wie ihre Resourcen, die sie zur Verteidigung der Demokratie mobilisieren kann. Der Fernsehjournalist und Theologe Arnd Henze benennt die Schwachstellen und Angriffsflächen und zeigt an vielen Beispielen, wie ausgeprägt das toxische Erbe protestantischer Demokratieverachtung und die Verknüpfung von Christ- und Deutschsein bis heute wirksam sind. Zugleich macht er Mut, die Gemeinden als Lernorte für den sozialen und kulturellen Wandel der Gesellschaft zu öffnen. Denn die Demokratie wird sich nur behaupten, wenn sie es schafft, dem verächtlichen Narrativ des Scheiterns eine neue Erzählung des Gelingens entgegen zu setzen. Arnd Henze ist überzeugt: Dazu können die Protestanten eine Menge beitragen - wenn sie sich den Herausforderungen mutig stellen, statt sich verzagt hinter Kirchenmauern zu verschanzen. "In einer Zeit, in der die Demokratieverächter eine "180-Grad-Wende in der Erinnerungspolitik" fordern, sollten sich die Kirchen dringend ehrlich machen und ihre eigenen blinden Flecken in der Geschichtsschreibung neu in den Blick nehmen. Gerade deshalb bin ich aber überzeugt, dass die gegenwärtige Bewährungskrise für die Demokratie auch eine zweite Chance für den Protestantismus bedeutet. Die Chance nämlich, zum ersten Mal auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen – oder genauer: zu kämpfen." (Arnd Heinze) "Die Lektüre von Arnd Henzes Wahrnehmungen fordert heraus: zum Nachdenken, zum Widerspruch, zur Zustimmung. Vor allem ermutigt sie, notwendige Veränderungen anzupacken." (Nikolaus Schneider) "Die Lektüre von Arnd Henzes Wahrnehmungen fordert heraus: zum Nachdenken, zum Widerspruch, zur Zustimmung. Vor allem ermutigt sie, notwendige Veränderungen anzupacken." (Nikolaus Schneider)

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Arnd Henze

Kann Kirche Demokratie?

Wir Protestanten im Stresstest

Für Lia Sirin

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2019

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlagmotiv: © Jörg Carstensen – dpa Picture-Alliance

Umschlaggestaltung: wunderlichundweigand

E-Book-Konvertierung: Daniel Förster, Belgern

ISBN E-Book 978-3-451-81826-4

ISBN Print 978-3-451-37979-6

Inhalt

Einleitung

I. Der Angriff auf die Demokratie

II. Unheilige Allianzen – Christen und Populisten

III. Im Glashaus – Die blinden Flecken des Protestantismus

IV. Das toxische Erbe – Fehlstart in die Demokratie

V. Aufbrüche – Lernfeld Demokratie

VI. Glanz und Elend der politischen Predigt

VII. Mut zur Weltlichkeit

Dank

Literatur

Über den Autor

Einleitung

Mit Glockenläuten und Dankgottesdiensten haben die beiden großen Kirchen die Verkündigung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland gewürdigt. In einer gemeinsamen Kanzelabkündigung riefen der Rat der EKD und die Katholische Bischofskonferenz die Gläubigen dazu auf, für »die freiheitliche Demokratie des Grundgesetzes einzutreten, weil diese in besonderer Weise dem christlichen Menschenbild entspricht.« Die Demokratie stelle die Menschenwürde an die erste Stelle und eröffne »Freiheits- und Handlungsspielorte, die gewahrt und genutzt werden müssen.« Auch für die Kirchen ergebe sich daraus eine große Verantwortung: »Christinnen und Christen sind dazu von ihrem Glauben her besonders aufgerufen und befähigt.«

Evangelischer Pressedienst, 23. Mai 1949

Stopp! Natürlich ist diese »Agenturmeldung« ein Fake. Als das Grundgesetz 1949 verkündet wurde, läuteten keine Glocken und statt Dankgottesdiensten gab es wütende Proteste der katholischen Kirche und verächtliche Reaktionen von evangelischen Kirchenführern. Die Proteste richteten sich gegen die religionsneutrale Ausrichtung der Verfassung, die Verachtung traf das Wagnis der Demokratie als Ganzes. Führende Protestanten fremdelten noch viele Jahre mit einer Staatsform, die auf den mündigen Bürger und nicht mehr auf eine gottgegebene Obrigkeit setzte. Der Ratsvorsitzende der EKD, Otto Dibelius, trauerte noch 1959 der Monarchie nach und machte aus seiner Distanz zur Demokratie keinen Hehl.

Trotzdem stimmen auch die Zitate in der Fake-Meldung. Sie stammen allerdings nicht aus dem Gründungsjahr der Bundesrepublik, sondern aus dem Jahre 2006: Man findet sie im gemeinsamen Wort »Demokratie braucht Tugenden«, das die EKD und die Deutsche Bischofskonferenz veröffentlicht haben. Solange hat es gedauert, bis die Kirchen auch offiziell ihre Zurückhaltung gegenüber der freiheitlichen Demokratie aufgegeben haben. Selbst die zwanzig Jahre jüngere Denkschrift der EKD ist mit Rücksicht auf die Kirchen in der DDR noch so professoral-distanziert formuliert, dass sie nur mit gutem Willen als Aufruf zur demokratischen Teilhabe gelesen werden kann.

Immerhin: Schon bevor der Protestantismus in der Demokratie offiziell ankam, waren Protestanten als zivilgesellschaftliche Akteure nicht mehr wegzudenken. Das gilt für Debatten bei Kirchentagen und in den Akademien, für die Mitwirkung in Umwelt- und Friedensbewegung sowie für das ehrenamtliche Engagement in vielen Gemeinden. Und wo immer es heute Proteste gegen rechtsextreme Aufmärsche gibt, sind meist auch Pfarrer, Gemeindemitglieder und mitunter Kirchenführer dabei.

In einer Zeit, in der die freiheitliche Demokratie von innen und außen unter Beschuss steht, ist das die gute Nachricht: Die evangelische Kirche hat in erstaunlich kurzer Zeit das jahrhundertealte autoritäre Erbe einer obrigkeitsfixierten Staatstheologie hinter sich gelassen. Die schlechte Nachricht: Zu viele in den 14.000 protestantischen Kirchengemeinden nehmen diese rasante historische Lernkurve inzwischen schon wieder für selbstverständlich. Der Protestantismus hat sich eingerichtet in der Komfortzone der Demokratie.

Genau hier setzt dieses Buch an. Die Demokratie erlebt einen beispiellosen Stresstest. Weltweit leben nur noch 350 Millionen Menschen in Ländern, die der Demokratieindex des Economist im Jahr 2018 als »vollständige Demokratien« einstuft. Das sind gerade einmal 5 Prozent der Weltbevölkerung. Die Runde der G20-Führer wird längst von Autokraten und Nationalisten dominiert. Zu den üblichen Verdächtigen aus Moskau, Peking, New-Delhi und Ankara ist mit Donald Trump ein nihilistischer Zerstörer getreten und zuletzt mit Jair Bolsonaro auch in Brasilien ein Hassprediger und Verächter von Menschenrechten. In der EU attackiert die Ideologie von der »illiberalen Demokratie« das Wertefundament der Europäischen Union. Dieser Angriff hat bereits das humanitäre Profil der EU in der Flüchtlingspolitik zerstört.

Und im eigenen Land? Da ist man inzwischen fast schon erleichtert, wenn sich die schlimmsten Prognosen nicht bestätigen und die AfD bei der Landtagswahl in Hessen »nur« 13,1 Prozent bekommt. So schnell funktioniert die Gewöhnung an die Tatsache, dass eine völkisch-nationalistische Partei im Jahr 2019 im Bundestag und allen 16 Landtagen vertreten ist. Der Raum des politisch Hingenommenen hat sich dramatisch nach rechts verschoben und umfasst eine gefährliche Akzeptanz für autoritäres, illiberales und menschenfeindliches Denken.

Neu ist ein solches Denken allerdings nicht. Empirische Untersuchungen belegen, dass Ausländerfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus, die Sehnsucht nach dem Autoritären und der Wunsch, einen Schlussstrich unter die dunklen Seiten der Geschichte zu ziehen, schon seit vielen Jahren bis weit in die Mitte der Gesellschaft verbreitet sind. Mit Bewegungen wie Pegida, dem Einzug der AfD in die Parlamente und den Möglichkeiten der digitalen Medien haben sie aber heute einen qualitativ neuen öffentlichen Resonanzraum gefunden. In einigen Regionen Deutschlands haben diese Kräfte längst die kulturelle Hegemonie übernommen. Politiker, die das Gespräch mit »besorgten Bürgern« suchen, geben sich dort bereits mit dem Minimalkonsens zufrieden, dass das Zeigen des Hitlergrußes bei Demonstrationen nicht o.k. sei.

Die Annahme, Christen seien immun gegen Nationalismus und Menschenfeindlichkeit, erweist sich dabei als gefährliche Selbsttäuschung. Es stimmt zwar, dass der Anteil der AfD-Wähler unter aktiven Gemeindemitgliedern unter dem Durchschnitt der Bevölkerung liegt. Es stimmt aber auch, dass Donald Trump seine Wahl nahezu ausschließlich weißen Protestanten in den USA verdankt – und das nicht nur unter den Evangelikalen, sondern auch unter den »Mainline Protestants«, deren Kirchenleitungen die Politik des Präsidenten entschieden ablehnen. Auch zu Europa gibt es Zahlen, die beunruhigen: Im Sommer 2018 veröffentlichte das US-amerikanische Pew Research Center die Studie »Being Christian in Western Europe«, die auch die Religiosität in Deutschland untersucht. Die Studie kommt zu dem alarmierenden Ergebnis, dass aktive Kirchgänger in fast allen der 15 untersuchten Länder eine überdurchschnittliche Affinität zu autoritären Einstellungen, Nationalismus und Ressentiments gegenüber Minderheiten und Migranten zeigen.

Wer den öffentlichen Raum für die freiheitliche Demokratie zurückerobern will, wird das nicht geschenkt bekommen. In den großen Städten mag es leichter sein, die Zivilgesellschaft zu mobilisieren. Die große Demonstration »#unteilbar« hat das im Oktober 2017 eindrucksvoll in Berlin gezeigt. Aber der Slogan »Wir sind mehr« gilt längst nicht für alle Regionen des Landes.

Und hier kommen die großen Kirchen ins Spiel. An klaren Worten von Bischöfen und Kirchenleitungen fehlt es heute nicht. Und auch nicht an vielen Beispielen engagierter Basisarbeit in Gemeinden und Kirchenkreisen. Die Kirchentage der letzten Jahre waren allesamt »Festivals des Ehrenamtes« und haben demonstriert, welche Potenziale in den evangelischen Gemeinden lebendig sind. All diese Beispiele zeigen, was möglich ist. Aber sie verstellen auch den Blick darauf, dass diese Potenziale bei weitem nicht abgerufen werden und es immer noch eine Minderheit ist, die sich gesellschaftlich und politisch engagiert. Mehr noch: Die Klarheit mancher Kirchenführer und die vielen guten Beispiele an der Basis scheinen anderen Gemeinden das beruhigende Gefühl zu geben, auf der richtigen Seite zu stehen, ohne selbst aktiv werden zu müssen. Auf eine paradoxe Weise entfaltet das stellvertretende Engagement an der Spitze der Kirche geradezu eine sedierende Wirkung – als sei bereits alles gesagt, wenn’s der Herr Bischof gesagt hat.

So bleibt das Bild widersprüchlich: Es war großartig, wie sich die evangelische Kirche Ende 2017 in Görlitz an die Seite der Beschäftigten stellte, als der Siemenskonzern dort das Turbinenwerk dicht machen wollte. Fast gleichzeitig bekamen Kirchengemeinden im südniedersächsischen Uslar und im bayerischen Deggendorf es gar nicht mit, dass auch dort viele Familien um ihre Existenz kämpften, als die größten Arbeitgeber am Ort hunderte Jobs abbauen wollten.

Die stärkste Ressource der Kirchen ist ihre Verwurzelung in der Fläche und ihre Präsenz in jedem Ort und jedem Stadtteil. Das Beispiel der USA zeigt, dass die Demokratie eben nicht nur in den Metropolen, sondern vor allem auch in den vielen kleinen Städten und Gemeinden verteidigt und gestärkt werden muss. Denn Donald Trump wurde nicht in New York, Chicago oder San Francisco gewählt, sondern in abgelegenen Orten in Wisconsin, Pennsylvania oder New Mexico.

Für die Verteidigung der Demokratie braucht es heute deshalb jede einzelne der 14.000 evangelischen und 11.000 katholischen Gemeinden in Deutschland – und das gerade in den abgehängten Regionen und Stadtteilen. Wenn ich mich in diesem Buch vor allem auf den Protestantismus konzentriere, dann aus zwei Gründen: Zum einen kenne ich das Innenleben der katholischen Kirche nicht gut genug, um ihr mit der nötigen Meinungsfreudigkeit begegnen zu können. Vor allem aber möchte ich keine Kritik von außen üben. Ich ärgere mich über die blinden Flecken und Versäumnisse der evangelischen Kirche, weil es meine Kirche ist – weil ich in ihr groß geworden bin und ich mich in ihr zuhause fühle. Ich fühle mich mitverantwortlich für ihr Gelingen, ebenso wie ich mich in Mithaftung sehe für eine Jahrhunderte währende Geschichte des Versagens im Eintreten für Demokratie und Menschenrechte.

Ein Versagen, das die unselige Verbindung von Thron und Altar im landesherrlichen Kirchenregiment und die Demokratieverachtung in der Weimarer Republik ebenso betrifft wie die Komplizenschaft mit dem NS-Regime, die sehr viel weiter ging, als es die einseitige Fokussierung auf mutige Einzelpersonen des Kirchenkampfes lange versucht hat, darzustellen. Vor allem aber auch ein Versagen in den ersten beiden Jahrzehnten nach der NS-Herrschaft, als die Distanz zur jungen Demokratie mit einer nahezu obsessiven Fürsorge für die NS-Täter korrespondierte. Und das betrifft nicht nur die Millionen vermeintlicher Mitläufer, sondern auch die Haupttäter der Massenmorde und Kriegsverbrechen, von denen nicht wenige sogar eine Anstellung in kirchlichen Einrichtungen fanden. Erst heute beginnen einzelne Landeskirchen, diese Komplizenschaft kritisch aufzuarbeiten. In der Breite basiert die viel beschworene Erinnerungskultur aber noch immer auf einem Fundament aus Verdrängungen und Verleugnungen. Wie toxisch dieses verdrängte Erbe ist, hat sich zuletzt beispielsweise im Streit um sogenannte »Hitlerglocken« gezeigt. Vor allem in der Pfalz und in Niedersachsen stellten sich Kirchengemeinden und Ortsgemeinden in einer trotzigen Wagenburg um »ihre« Glocken, obwohl sie mit Widmungen für Adolf Hitler oder mit Hakenkreuzen gegossen waren. In dieser Auseinandersetzung wurden offen antisemitische und nationalistische Töne laut, die man längst überwunden glaubte. In einer Zeit, in der die Demokratieverächter eine »180-Grad-Wende in der Erinnerungspolitik« fordern, sollten sich die Kirchen dringend ehrlich machen und ihre eigenen blinden Flecken in der Geschichtsschreibung neu in den Blick nehmen.

Gerade deshalb bin ich aber überzeugt, dass die gegenwärtige Bewährungskrise für die Demokratie auch eine zweite Chance für den Protestantismus bedeutet. Die Chance nämlich, zum ersten Mal auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen, oder genauer: zu kämpfen. Bundespräsident Steinmeier hat das auf die Formel gebracht, aus guten Demokraten müssten heute kämpferische Demokraten werden.

Das ist kein akademischer Diskurs mit dem Ziel einer neuen Denkschrift. Nötig ist ein lebendiger Lernprozess, der in der niedersächsischen Landgemeinde genauso angepackt wird wie im sozialen Brennpunkt einer Großstadt. Und wo dieser Lernprozess längst im Gange ist, braucht es neue Formen des Austauschs und der Vernetzung, damit Erfolgsgeschichten Kreise ziehen und andere ermutigen.

Die Herausforderungen für die Demokratie lassen sich nicht auf einfache Formeln, Begriffe und Lösungen bringen. Kirchengemeinden könnten deshalb Räume schaffen, sich auf die Komplexität der Krise einzulassen und einen Austausch jenseits vertrauter Echokammern zu ermöglichen. Und dieses Gespräch beginnt damit, sich darüber zu verständigen, woher die Fliehkräfte der Demokratie kommen und worin sie ihre Ursachen haben. Ein Donald Trump ist nicht vom Himmel gefallen und auch die selbst ernannte »Alternative für Deutschland« entstand nicht durch die Flüchtlingskrise, sondern als Reaktion auf die vermeintliche »Alternativlosigkeit« im Umgang mit der globalen Finanzkrise.

An jedem Ort gibt es konkrete Probleme, an denen sich die Frage nach dem Gelingen der Demokratie für die betroffenen Menschen exemplarisch stellt. Die Demokratie muss ihre Problemlösungskompetenz neu unter Beweis stellen, um dem populistischen Narrativ des Versagens eine neue Erzählung des Gelingens entgegenzustellen. Will die Kirche hier einen Beitrag leisten, braucht sie ein Gespür für die Themen, an denen sich schon im Lokalen Frust und Ressentiments über »DIE Politik« und »DIE Politiker« entzünden. Das kann nicht nur der Wegfall wichtiger Arbeitsplätze sein, sondern auch die Streckenführung einer Buslinie. Das kann in der Großstadt der Mangel an bezahlbarem Wohnraum samt dem Fehlen von Kitaplätzen sein – und ein paar Kilometer weiter der Leerstand in der Dorfstraße und die drohende Schließung der Grundschule. Die wenigsten dieser Themen haben übrigens mit Flüchtlingen oder »Ausländern« zu tun.

Um nicht missverstanden zu werden: Die Kirchen sind keine politische Kraft. Sie können und sollen der Politik die Arbeit nicht abnehmen. Sie haben auch keine besseren Antworten als die Politiker. Aber sie sind Teil einer Zivilgesellschaft, die sich immer stärker polarisiert und fragmentiert. Der unverwechselbare Beitrag jeder Kirchengemeinde könnte darin bestehen, an der Überwindung dieser Sprachlosigkeit mitzuwirken und mit vielen anderen an einer neuen Kultur der Wertschätzung in der politischen Debatte zu arbeiten. Auf diese Wertschätzung sind die ungezählten Feierabendpolitiker in Ortsräten und Kreistagen ebenso angewiesen wie die vielen Ehrenamtlichen in Vereinen und Bürgerinitiativen.

Eine Kultur der Wertschätzung und eine Kultur des Streites gehören dabei untrennbar zusammen. Demokratie bedeutet Streit – und Wertschätzung drückt sich gerade darin aus, den anderen eines Streites würdig zu finden. Zu diesem Streit gehören nicht nur kühl überlegte Argumente, sondern auch Vorurteile, Sorgen, Ängste und Ärger. Was nicht dazugehört, sind Beleidigungen, Hass und Menschenverachtung. Deshalb bedeutet das Plädoyer für eine Streitkultur gerade nicht, rechten Rattenfängern und Demokratieverächtern ein Podium zu bieten.

Eine solche Doppelkultur aus Wertschätzung und Streit lässt sich nicht abstrakt definieren oder fordern. Sie muss mit dem Risiko von »Trial and Error« erprobt und gelebt werden. Trotzdem überwiegt in den Kirchen immer noch die Angst vor Konflikten und viele zucken schon beim Wort »Streiten« zusammen. Dabei gibt es zahllose Beispiele, dass dieses Wagnis des wertschätzenden Streits gerade im geschützten Raum der Kirche aufging.

Auch dieses Buch ist aus einer Wertschätzung für die evangelische Kirche heraus entstanden. Und es ist genau aus diesem Grunde nicht als distanziert abwägende Erörterung, sondern als Streitschrift entstanden. Ich möchte, dass wir uns streiten über das antidemokratische Erbe und die vielen Selbstlügen in der protestantischen Erinnerungskultur – denn sie machen uns wehrlos gegenüber den Geschichtsrevisionisten von rechts. Wir sollten uns streiten über den Zustand der politischen Predigt, die so oft kaum mehr als ein paar oberflächliche Plattitüden über das Elend der Welt bietet, nicht selten sogar eine Fundgrube für populistische Ressentiments und antijüdische oder antimuslimische Stereotypen bildet. Wir müssen streiten über das ängstliche Festhalten an einem protestantischen Stallgeruch, der sich jeder kulturellen Öffnung verschließt und in dem die Gemeinden früher oder später zu einem identitären Rückzugsraum verkümmern werden – in dem man noch mal so richtig deutsch sein darf.

Und wir müssen streiten über die Prioritäten in vielen Gemeinden: über den resignativen Rückzug in die religiöse Nische, der als Besinnung auf ein angebliches »kirchliches Kerngeschäft« ideologisch verbrämt wird und doch oft nur die Antwort auf Stellenkürzungen und Sparzwang ist. Kein Wunder, dass sich viele Pfarrerinnen und Pfarrer überlastet fühlen und es als Zumutung empfinden, sich nun auch noch um die Demokratie kümmern zu sollen.

Doch der resignative Rückzug ist nicht nur theologisch fragwürdig, er wird auch mit einem enormen Verlust an Relevanz erkauft. Warum sollen sich die Menschen außerhalb des »Inner Circle« für die Kirche interessieren, wenn sich die Kirche nicht für die gesellschaftlichen Anliegen und Nöte der Menschen interessiert?

Wenn eine Gemeinde im Alltag eines Ortes oder eines Stadtviertels relevant ist, setzt das zusätzliche Kräfte frei. Für die Hauptamtlichen bedeutet das eben nicht nur Mehrarbeit, sondern an vielen Stellen auch Entlastung. Mehr Demokratie wagen – das richtet sich eben nicht nur an Pfarrerinnen und Pfarrer, sondern auch an Presbyterien und Kirchenvorstände, an die Jugendarbeit und sogar an die Kirchenmusik.

Es muss gestritten werden und dazu möchte ich mit meinem Buch einen Beitrag leisten. Würde ich dafür nur Beifall bekommen, hätte ich alles falsch gemacht. Ich erwarte nicht nur, ich hoffe auf viel Widerspruch. Wenn das dazu führt, dass Gemeinden und Gruppen ihr Eintreten für die Demokratie umso selbstbewusster vertreten, umso besser. Denn ich bin sicher, dass viele ihr Licht bisher zu Unrecht unter den Scheffel stellen. Dabei kann die neue große Erzählung gelingender Demokratie nur aus vielen kleinen Geschichten entstehen. Diese Erfolgsgeschichten in einer lebendigen Zivilgesellschaft zu schreiben, zu erzählen und dem Narrativ ihrer Verächter entgegenzuhalten, ist die große Herausforderung für eine verunsicherte Demokratie.

Kann Kirche Demokratie? Mit Blick auf ihre Vergangenheit sollte die Antwort nicht zu schnell kommen. Aber im globalen Stresstest der Demokratie bekommen auch wir Protestanten eine zweite Chance.

I. Der Angriff auf die Demokratie

Benutzt man Google Earth, kann man mit wenigen Klicks von der Weltkarte auf einzelne Häuser oder Nachbarschaften zoomen. Das Bild öffnet sich und gibt immer genauere Details frei. In der umgekehrten Bewegung hilft es dann, sich wieder im großen Gesamtbild zu verorten.

Diese ständige Dynamik von der globalen Sicht über Europa bis in die regionalen Besonderheiten des eigenen Landes und wieder zurück braucht es auch, um die Herausforderungen für die Demokratie in ihrer Wechselwirkung erfassen zu können – vor allem aber, um zu erkennen, welche Kräfte aufeinander einwirken und wo man selber Einwirkungsmöglichkeiten hat.

Beim Blick auf die Weltkarte muss man inzwischen schon genau hinsehen, um die Staaten zu erkennen, die im jährlichen Demokratieindex des Economist noch als »intakte Demokratien« eingestuft sind. Eine Ausnahme bildet das riesige, aber in weiten Teilen kaum besiedelte Kanada. Skandinavien bildet immerhin noch einen zusammenhängenden Block mit Deutschland und Holland. Frankreich und Großbritannien gelten bereits als fragil. Dagegen aber stehen die großen autoritär geführten Staaten: China, Indien, Russland, Türkei, Saudi-Arabien – und nun auch Brasilien. In deren Schatten liegen die vielen mittelgroßen und kleinen Länder, die nie eine Demokratie erlebt haben oder deren Versuche von Militärs, Kleptokraten oder religiösen Führern brutal zerstört wurden.

Und dann sind da noch die USA – eine starke Demokratie, aus der heraus ein Verächter dieser Demokratie ins Präsidentenamt gewählt wurde. Es ist eine Verachtung, die sich gegen alles richtet, was sich dem Größenwahn eines »Trump First« entgegenstellt: Rechtsstaat und Parlament, eine funktionierende Verwaltung, Wissenschaft, freie Presse und eine offene Zivilgesellschaft. Mit jedem Monat im Amt verfestigt sich die Spaltung der Gesellschaft und wird die Resilienz der demokratischen Institutionen weiter zermürbt. Mit Donald Trump ist ein nihilistischer Zerstörer der Demokratie ins Weiße Haus eingezogen. Wo ihm im eigenen Land (noch) verfassungsmäßige Fesseln angelegt sind, entwickelt er international seine ungebremste Zerstörungskraft. Niemand kann ihn aufhalten, wenn er internationale Abkommen in Serie aufkündigt. Demokratische Verbündete werden zu Feinden erklärt, Diktatoren und Verbrecher wie Rodrigo Duterte auf den Philippinen und Kim Jong-un in Nordkorea zu Freunden.

Auch Lateinamerika steht nach der Präsidentschaftswahl in Brasilien auf der Kippe: Jair Bolsonaro ist ein glühender Verteidiger der früheren Militärdiktatur, der wie Duterte die Kriminalität mit Folter und Säuberungen »ausrotten« will. Mit Bolsonaro hat Trump nun im bevölkerungsreichsten Land des Subkontinents einen mächtigen Verbündeten und einen entfesselten Wiedergänger seiner selbst. Für die fragilen Demokratien in den Nachbarländern ist das eine höchst beunruhigende Nachricht.

In einem solchen globalen Umfeld richten nicht nur die verbleibenden demokratischen Staaten, sondern auch die bedrängten Demokraten in aller Welt ihre Hoffnung auf die Europäische Union. Doch auch in Europa sind längst in nahezu allen Parlamenten nationalistische und rechtsextreme Parteien vertreten. In Ungarn, Polen, Österreich und Italien sitzen sie in der Regierung und treiben die EU vor sich her. Längst verfügen sie über eine Sperrminorität gegen Sanktionen, die Brüssel wegen der massiven Eingriffe in Pressefreiheit und Unabhängigkeit der Justiz eigentlich verhängen müsste.

Anders als in der Vergangenheit treten die Populisten heute mit einem ausformulierten ideologischen Gegenmodell zur liberalen Demokratie an: dem Konzept der »illiberalen Demokratie«, das vor allem der ungarische Präsident Orbán propagiert und mit seiner Zweidrittelmehrheit im eigenen Land bereits exemplarisch umgesetzt hat. In Orbáns Weltbild befindet sich Europa in einem Machtkampf zwischen den Verteidigern des christlichen Abendlandes und einer »liberalen Elite«. Europa sei im Niedergang, weil es seine christlichen Wurzeln verleugnet habe und stattdessen die »offene Gesellschaft« geschaffen habe. Es ist eine Verschwörungstheorie mit deutlich antisemitischen Zügen. Vor allem die ständigen Angriffe auf den jüdischen Philanthropen George Soros und seine »Open Society Foundation« wirken dabei als Code.

Herzstück der antiliberalen Front in Europa sind die Visegrád-Staaten, also neben Ungarn die Slowakei, Tschechien und Polen. Vor allem die polnische Regierung verfolgt einen rigiden nationalreligiösen Kurs und hat schon tiefe Eingriffe in die Unabhängigkeit von Justiz, Medien und anderer demokratischer Institutionen durchgesetzt. Mit Österreich und Italien hat der antiliberale Block neue starke Verbündete bekommen.

Während die Verächter der Demokratie überall in der EU vor Kraft kaum laufen können, wirken die Demokraten zerstritten und ratlos. Wie wollen zum Beispiel CSU und CDU in Deutschland für ein weltoffenes Europa streiten, wenn Teile der Union Viktor Orbán zu Füßen liegen und in der österreichischen Rechtskoalition ein Modell für die eigene Zukunft sehen?

Hinzu kommt, dass die illiberalen Kräfte die Politik der EU schon in der Vergangenheit blockiert oder zu schmerzhaften Zugeständnissen gezwungen haben. Mit jedem Flüchtling, der im Mittelmeer ertrinkt, versinkt auch das Bild von der humanitären Wertegemeinschaft und Friedensmacht. »Europa verliert seine Seele«, hat der Ratsvorsitzende der EKD, Heinrich Bedford-Strohm, zu Recht gewarnt, als auch noch die privaten Rettungsschiffe an der Bergung von Schiffbrüchigen gehindert wurden.

Doch so beklagenswert der Zustand der Europäischen Union ist: Jede und jeder, der bei der Europawahl nicht zur Wahl geht, überlässt den Zerstörern der liberalen Demokratie damit die Zukunft des Kontinents. Der Ausgang des Brexit-Referendums in Großbritannien und die Wahl von Donald Trump sollten Warnung genug sein, wohin es führt, wenn man solche Zukunftsentscheidungen anderen überlässt.

Das Ende einer Selbsttäuschung

In einem solchen globalen und europäischen Umfeld brauchte es in der Vergangenheit schon eine große Portion Selbsttäuschung, um sich einreden zu können, ausgerechnet Deutschland sei gegen die autoritäre Versuchung immun. Die Flüchtlingskrise 2015 mag ein Auslöser und Brandbeschleuniger für das Erstarken demokratiefeindlicher Kräfte in unserem Land gewesen sein, die Ursache war sie nicht. Wissenschaftliche Studien zeigen: Verachtung für die offene Gesellschaft, Ressentiments gegenüber Minderheiten und Faszination für das Autoritäre gärten schon lange unter dem Deckel der deutschen Konsensgesellschaft. Das drückte sich allerdings über viele Jahre hinweg nur punktuell in Wählerstimmen für rechtsextreme Parteien aus. Wahlerfolge für Republikaner, DVU und NPD blieben – anders als in Holland, Österreich oder Frankreich – Momentaufnahmen oder auf einzelne Bundesländer beschränkt. Das hat zu einem trügerischen Gefühl demokratischer Stabilität geführt.

Denn das antidemokratische Potenzial war längst da: nur nicht am äußersten rechten Rand, sondern in der Mitte der Gesellschaft. Thilo Sarrazins Pamphlet »Deutschland schafft sich ab« lag im Dezember 2010 unter hunderttausenden von Weihnachtsbäumen und erreichte eine verkaufte Auflage von über 1,5 Millionen Exemplaren.

Man hätte es wissen können! Die Universität Leipzig untersucht seit 2002 in einer Langzeitstudie antidemokratische Einstellungen in Deutschland. Die Ergebnisse der als Leipziger »Mitte«-Studien bekannt gewordenen und inzwischen unter dem Namen »Autoritarismus-Studie« geführten Untersuchung aus dem Jahr 2018 sind alarmierend: In der Mitte der Gesellschaft sei das Fenster für extrem rechte Themen »schon lange sehr weit geöffnet«. Die Mitte sei kein Garant von Stabilität und »kein Ort des Maßes und der Mäßigung, so wünschenswert dies wäre.«

Mehr als ein Viertel der Befragten stimmt zum Beispiel ganz oder teilweise der Aussage zu: »Im nationalen Interesse ist unter bestimmten Umständen eine Diktatur die bessere Staatsform.« Einen »Führer, der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert«, finden ebenso viele zumindest teilweise gut. Und sogar mehr als 43 Prozent unterstützen die These: »Was Deutschland jetzt braucht, ist eine einzige starke Partei, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert.« Dieselbe Frage hat die sächsische Staatsregierung übrigens in ihrem Sachsen-Monitor ebenfalls gestellt und kommt zu einem fast identischen Ergebnis.

Die Sehnsucht nach dem Autoritären verbindet sich mit ausgeprägten Ressentiments gegen Minderheiten und Andersdenkende. Zwei Drittel der Befragten unterstützen die Aussage »Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen« und immer noch mehr als die Hälfte zeigt Sympathie für die Forderung: »Wenn Arbeitskräfte knapp werden, sollte man die Ausländer wieder in ihre Heimat schicken.« Wohlgemerkt: »DIE Ausländer«.

Noch drastischer werden die Ressentiments, wenn sie sich auf bestimmte Gruppen beziehen. Pauschale Forderungen nach einem Einreiseverbot für Muslime und ein Innenstadtverbot für Sinti und Roma wären in der Bevölkerung nahezu mehrheitsfähig. Auch der Antisemitismus findet in der Mitte der Gesellschaft immer noch einen breiten Resonanzraum – wenn auch eher in seiner verdrucksten Form: So sagen zwar »nur« zehn Prozent offen, dass sie den »Einfluss der Juden auch heute noch« für zu groß halten, aber weitere zwanzig Prozent finden die Behauptung zumindest »teilweise« richtig. Das Gleiche gilt für die Aussage, die Juden arbeiteten »mehr als andere mit üblen Tricks, um das zu erreichen, was sie wollen«.

Das sind wenige Beispiele, die sich beliebig ergänzen ließen. Die Leipziger Studie hält im Ergebnis gerade einmal 28 Prozent der Deutschen für so gefestigt in ihren demokratische Überzeugungen, dass sie immun sind gegen die autoritäre Versuchung – wobei sie diese überzeugten Demokraten je zur Hälfte in einem traditionell wertkonservativen und in einem besonders weltoffenen Milieu identifiziert. Einer deutlich größeren Gruppe, nämlich mehr als 42 Prozent der Deutschen, bescheinigen die Autoren dagegen ein ausgeprägt autoritäres Denken – eine Größenordnung, die durch andere Studien wie das »Populismusbarometer« der Bertelsmann Stiftung bestätigt wird. Dass der autoritäre Typus in der AfD besonders stark vertreten ist, wird nicht überraschen. Viel entscheidender ist aber, dass sich keine politische Partei, keine gesellschaftliche Gruppe und auch keine Kirche der Illusion hingeben darf, ihre Anhängerschaft stehe verlässlich oder gar kämpferisch auf der Seite der liberalen Demokratie.

It’s the economy, stupid!

Ressentiments gegen Minderheiten, nationalistische und antidemokratische Einstellungen nahmen vor allem in den Jahren 2010 und 2012 drastisch zu. Dabei kamen in dieser Zeit fast keine Flüchtlinge nach Deutschland. Der entscheidende Faktor war damals die globale Finanzkrise, die im August 2008 mit der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers in den USA begann. Die Ohnmacht gegenüber der Macht von Banken, die mit gigantischen Summen gerettet werden mussten, weil sie »too big to fail« waren, hat das Vertrauen in die liberalen Demokratien im Kern erschüttert.

In dieser Zeit rückte auch das Unwort des Jahres 2010 in den Mittelpunkt: »alternativlos«. Bundestag und Bundesrat mussten oft innerhalb von Tagen oder gar Stunden über hochkomplexe Rettungsmaßnahmen entscheiden – und das für Banken, die sich zum Teil mit hoher krimineller Energie auf dem Immobilienmarkt verzockt hatten. Deren Verantwortliche wurden nicht zur Rechenschaft gezogen, sondern kassierten oft noch hohe Abfindungen. Für die Demokratie war das eine Katastrophe: Der Primat der Politik kapitulierte vor den Systemzwängen einer entfesselten Globalisierung. In ihren Wahlkreisen mussten die Bundestagsabgeordneten an den Wochenenden Entscheidungen vertreten, die sie selbst weder verstanden hatten noch aus Überzeugung mittragen konnten.