Kant und das Leben nach dem Tod - Marcel Häußler - E-Book
SONDERANGEBOT

Kant und das Leben nach dem Tod E-Book

Marcel Häußler

0,0
9,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die Einsamkeit und der Tod

Im Hofoldinger Forst nahe der A8 wird der abgetrennte Arm eines alten Mannes gefunden. Der Befund der Rechtsmedizin macht die Sache nur noch rätselhafter: Offenbar war der Arm über einen längeren Zeitraum tiefgekühlt, ehe er in dem Waldstück deponiert wurde. Die Spuren führen Hauptkommissar Kant und sein Team in eine Hochhaussiedlung im Münchner Stadtviertel Hasenbergl. Doch niemand in der Nachbarschaft scheint das Opfer zu kennen. Und der einsame alte Mann ist nicht der Einzige aus der Siedlung, der verschwindet. Welche finstere Wahrheit versteckt sich hinter den Wohnungstüren?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 350

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Das Buch

Antonia ist in einer Kommune in Portugal aufgewachsen. Nach dem Tod ihrer Mutter muss sie sich allein durchs Leben schlagen und beschließt, nach Deutschland zurückzukehren. Als Zuhause dient ihr ein heruntergekommener Campingbus. Doch kaum ist sie in München angekommen, wird das Fahrzeug von der Polizei aus dem Verkehr gezogen. Antonia steht auf der Straße. Notgedrungen wendet sie sich an ihren letzten verbliebenen Verwandten: Opa Franz wohnt in einem anonymen Hochhausblock im Norden der Stadt. Als Antonia ihn zuletzt gesehen hat, war sie noch ein Kleinkind, ihre Erinnerungen an diese Zeit sind bestenfalls vage. Dennoch nehmen Opa Franz und seine Lebensgefährtin Evi sie ohne zu zögern bei sich auf. Sie sind freundlich, doch irgendetwas stimmt nicht. Als auch noch die Polizei in einem Mordfall in der Siedlung ermittelt, bekommt Antonia ein mulmiges Gefühl. Welche Gefahren lauern hier?

Der Autor

Marcel Häußler wurde 1970 in Essen geboren. Um die Jahrtausendwende arbeitete er in Köln als Kameraassistent und Cutter, als ihn die Liebe aus der Großstadt in ein bayerisches Dorf verschlug. Zwei Jahre später zog es ihn aus der Provinz nach München. Heute lebt er halb in Deutschland, halb in Portugal. Er veröffentlichte mehrere Kurzgeschichten, schrieb an Drehbüchern mit und übersetzte über dreißig Romane aus dem Englischen. 2021 erschien der erste Band seiner Kommissar-Kant-Reihe, der für den Friedrich-Glauser-Preis nominiert war.

Lieferbare Titel

Kant und der sechste Winter

Kant und der Schachspieler

Marcel Häußler

KANT

und das Leben nach demTod

Kriminalroman

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 bUrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Originalausgabe 11/2023

Copyright © 2023 by Marcel Häußler

Copyright © 2023 dieser Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Lars Zwickies

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München,unter Verwendung von Motiven von © Shutterstock.com(Malivan_Iulia, U-Design, STILLFX)

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN: 978-3-641-30785-1V001

www.heyne.de

1

Das Klopfen riss Antonia aus dem Schlaf.

Sie hatte das Geräusch schon tausendmal gehört und wusste, was es bedeutete. Lästige Fragen. Demütigende Blicke. Hektisches Anziehen und Zusammenpacken. Wenn man Pech hatte, Papierkram und Geldstrafen. Früher hatte sich ihre Mutter darum gekümmert, aber jetzt war Toni auf sich gestellt.

Das graue Licht, das durch die Vorhänge sickerte, ließ keinen Rückschluss auf die Uhrzeit zu. Normalerweise legte sie ihr Handy für alle Fälle auf die Holzkiste neben dem Bett, wenn sie schlafen ging, aber gestern war sie so müde gewesen, dass sie es vergessen hatte. Sie schlug die Wolldecke zur Seite und schlüpfte im Liegen in ihre Jeans. Das T-Shirt hatte sie am Abend gar nicht erst ausgezogen.

Wieder das Klopfen. So scharf und ungeduldig. Es war überall dasselbe. Von der Algarve bis zum Nordkap. Nicht, dass sie schon einmal in Skandinavien gewesen wäre, aber warum sollten sie da anders sein, die Cops, flics, bófias, Bullen oder was auch immer.

Barfuß ging sie über den Holzboden zur Seitentür. Ein Mützengesicht drückte sich an die Scheibe. Unverschämt. Übergriffig. Dies war ihr Zuhause. Gab es nicht so etwas wie die Unverletzlichkeit der Wohnung?

Sand knirschte in der Führungsschiene, als sie die Tür aufzog. Der Polizist wich einen Schritt zurück und trat mit seinen Stiefeln in eine Pfütze. Sein Gesicht war genauso grau wie der Himmel und der Parkplatz. In dem Streifenwagen hinter ihm knisterte das Funkgerät.

»Guten Morgen, junge Frau.« Er musterte sie mit einer Spur Belustigung in den Augen.

Instinktiv strich sich Toni über das kurze schwarze Haar, das nach dem Aufstehen aussah, als hätte sie in eine Steckdose gefasst. Besonders nach einer Woche ohne Dusche. Sie sah zum anderen Ende des Parkplatzes, wo das Dach des Olympiastadions aufragte. Obwohl dort drei Wohnmobile in Reisebusgröße standen, musste die Polizei natürlich Toni belästigen.

»Wie lange campieren Sie schon hier?«, fragte der Polizist. Der Nieselregen hatte seine Lederjacke mit einer glänzenden Schicht überzogen, und in seinem Backenbart blieben feine Tröpfchen hängen. Eigentlich sah der Mann ganz umgänglich aus, fand Toni. Er hätte Kinder in ihrem Alter haben können.

»Ich bin gestern Nacht erst angekommen«, sagte sie. »Gibt es irgendein Problem?«

Eine Polizistin, die offenbar eine Runde um Tonis schwarzen Sprinter gedreht hatte, tauchte hinter der Motorhaube auf und stellte sich neben ihren Kollegen.

»So was habe ich ja noch nie gesehen«, sagte sie. »Die TÜV-Plakette ist 2013 abgelaufen.« Sie legte den Kopf in den Nacken und sah zu Toni auf, die in der Tür des Wagens stand. »Das sind … neun Jahre.«

»Ja«, sagte Toni. »Ich war in Portugal. Wie soll ich da zum TÜV gehen?«

In Wirklichkeit hatte sie sich über das Thema keine Gedanken gemacht. Nachdem Ralf sie von seinem Grundstück vertrieben hatte, war sie einfach losgefahren. Ein halbes Jahr hatte er sie aus alter Freundschaft zu ihrer Mutter noch dort stehen lassen, aber vor einer Woche hatte er ihr schließlich mitgeteilt, dass er jetzt eine Baugenehmigung für ein weiteres Ferienhaus bekommen habe und sie leider woanders unterkommen müsse. Auf dem Grundstück hatte es Strom, einen Wasseranschluss und sogar ein Plumpsklo im Pinienwald gegeben. Sie wollte nicht mehr von einem staubigen Parkplatz zum nächsten ziehen, und eine Wohnung konnte sie sich von den paar Euro, die sie mit Putzen oder Kellnern verdiente, nicht leisten. Einen Abend lang war sie wütend und verzweifelt gewesen, aber dann, am nächsten Morgen, als sie mit einer Tasse Kaffee vor ihrem Bus saß und sich von den ersten Sonnenstrahlen wärmen ließ, wurde ihr schlagartig klar, dass es Zeit für einen Neuanfang war.

Sie war neunzehn und hatte keinerlei Verpflichtungen. Von den Freunden ihrer Mutter hatte sie gehört, dass man in Deutschland leicht Geld verdienen konnte. Irgendjemand hatte ihr sogar die Adresse einer Reinigungsfirma gegeben, die immer wieder Arbeitskräfte suchte. Und wenn sie dort nicht genommen wurde, konnte sie sich etwas anderes suchen. Irgendetwas würde sich schon finden. Dann könnte sie sich eine kleine Wohnung mieten. Vielleicht sogar an der Abendschule das Abitur nachholen. Studieren. Ärztin oder Architektin werden oder Anwältin wie Amal Clooney. Das ganze Leben lag vor ihr. Wer dachte da über solche Kleinigkeiten wie TÜV-Plaketten nach?

»Führerschein und Fahrzeugpapiere, bitte«, sagte der Polizist.

Toni kletterte zwischen den Vordersitzen durch und wühlte im Handschuhfach. Auf der ganzen Reise hatte niemand die Unterlagen sehen wollen, aber kaum stand sie eine Nacht auf einem Parkplatz in München, gingen die Schikanen los. Zwischen einer zerknitterten Europakarte, die noch von ihrer Mutter stammte, und einer Schachtel mit Reservesicherungen fand sie das Ledermäppchen.

Der Polizist klappte den zerknitterten Fahrzeugschein mit spitzen Fingern auf, als befürchtete er, sich die Krätze zu holen. »Barbara Scheffler«, sagte er. »Sind Sie das?«

»Nein, meine Mutter.«

Er betrachtete den portugiesischen Führerschein. »Dann sind Sie also Antonia Scheffler.«

Toni nickte und setzte sich auf die Bettkante. Erst jetzt merkte sie, wie müde sie von der langen Fahrt war. Am liebsten wäre sie wieder unter die Decke gekrochen und hätte noch ein paar Stunden geschlafen.

»Weiß Ihre Mutter, dass Sie mit ihrem Fahrzeug unterwegs sind?«

»Meine Mutter ist tot«, sagte Toni.

»Machst du mal eine Abfrage?« Der Polizist gab die Papiere an seine Kollegin weiter. »Das tut mir leid«, sagte er zu Toni. »Aber wissen Sie denn nicht, dass Sie das Fahrzeug auf Ihren Namen ummelden lassen müssen?«

Es war ein halbes Jahr her, dass ein Beamter der portugiesischen Polizei ihr die Nachricht überbracht hatte. Ein Angler hatte ihre Mutter zwischen den Felsen am Fuß der Steilküste gefunden. Da bei der Obduktion ein Blutalkoholgehalt von eineinhalb Promille festgestellt, aber keine Spuren von Fremdeinwirkung gefunden worden waren, stufte man ihren Tod als tragischen Unfall ein. Die Ermittlungsbehörden gingen davon aus, dass sie betrunken an der Steilküste entlangspaziert war und das Gleichgewicht verloren hatte. Vielleicht hatten auch die Sturmböen, die im Frühling oft über die Küste fegten, ihren Teil dazu beigetragen. Jedes Jahr stürzten betrunkene Angler oder leichtsinnige Touristen in den Tod, und so wurden die Ermittlungen schnell eingestellt.

Toni hegte Zweifel an der offiziellen Version. Ihre Mutter hatte schon seit Jahren unter so heftigen Depressionen gelitten, dass sie manchmal wochenlang wie gelähmt in ihrem Bus lag. Mehr als einmal hatte sie davon gesprochen, sich das Leben zu nehmen. So oder so hatte Toni nach Barbaras Tod anderes im Kopf gehabt, als den Sprinter umzumelden.

Sie war zu müde und erschöpft, um es dem Polizisten zu erklären. Außerdem würde er es sowieso nicht verstehen. »Wie gesagt, ich komme gerade erst aus Portugal. Morgen wollte ich zum TÜV und zur Zulassungsstelle«, log sie.

Die Polizistin kam zurück. »Diesbezüglich alles in Ordnung«, sagte sie mit ironischem Tonfall zu ihrem Kollegen.

Toni bemerkte, wie die Polizistin den Blick durch den Bus schweifen ließ, während sie ihr die Papiere zurückgab. Über das klapprige Schränkchen mit dem Gaskocher, die Schüssel mit dem ungespülten Geschirr, den Korb voller Schmutzwäsche, die Vorhänge, die so vergilbt waren, dass man das Blumenmuster kaum noch erkennen konnte. Die Frau schüttelte kaum merklich den Kopf, bevor sie sich zurückzog, um eine weitere Runde um den Wagen zu drehen.

Toni stützte den Kopf in die Hände und schloss die Augen. Sie hörte das leise Rascheln des Regens in den Bäumen, das Zischen des Verkehrs auf dem Mittleren Ring und die gedämpften Stimmen der Polizisten. Hatten die nichts Besseres zu tun, als sie zu schikanieren? Es gab doch bestimmt jede Menge Vergewaltiger, kriminelle Banker und Waffenhändler, die in der Stadt herumliefen.

»Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll«, sagte der Polizist, als er zurück zur Seitentür kam. Er warf seiner Kollegin, die mit einem Klemmbrett in der Hand neben ihm stand, einen Blick zu. »An den hinteren Reifen ist kein Profil mehr erkennbar, links ist das Rücklicht beschädigt, der Auspuff hängt halb auf der Straße, und das Fahrzeug verliert Öl.«

Toni hob den Kopf. »Oh«, sagte sie. »Dann muss ich wohl schnellstens in eine Werkstatt. Kennen Sie vielleicht eine in der Nähe?«

Der Polizist sah sie an, als hätte sie einen geschmacklosen Witz gerissen. »Packen Sie Ihre Sachen.«

»Was?«, sagte Toni.

»Haben Sie Verwandte oder Freunde, bei denen Sie unterkommen können?«, fragte die Polizistin. »Oder sollen wir Ihnen einen Platz in einem Obdachlosenheim vermitteln?«

Toni war seit fünfzehn Jahren nicht mehr in München gewesen. Sie hatte geplant, in ihrem Bus zu schlafen, bis sie eine Arbeit gefunden und das nötige Geld für eine Wohnung zusammen hatte. »Ich verstehe nicht, was Sie meinen«, sagte sie, um Zeit zu gewinnen.

»Wir müssen den Schlüssel einziehen«, erklärte der Polizist. »Wenn die Besitzverhältnisse geklärt sind, können Sie den Schlüssel auf der Wache abholen, das Fahrzeug zu einer Werkstatt schleppen und die Mängel beseitigen lassen.«

Er sagte das, als wüsste er nicht, was es für Toni bedeutete. Es klang einfach und logisch, aber sie hatte nicht genug Geld, um den Bus zurückzubekommen.

Nach dem Tod ihrer Mutter hatte sie gründlich aufgeräumt. In Barbaras Schrankfach hatte sie unter den Blusen ein loses Brett entdeckt, das einen kleinen Hohlraum verbarg. Darin lagen die Tagebücher ihrer Mutter, ein Bergkristall, den sie vor vielen Jahren zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte, und ein Umschlag mit sechshundert Euro in kleinen Scheinen. Die Tagebücher hatte Toni nicht angerührt, aber den Kristall hatte sie auf dem Flohmarkt für dreißig Euro verkauft. Als sie in Portugal losfuhr, besaß sie zusammen mit ihren eigenen Ersparnissen knapp neunhundert Euro. Nach den Kosten für Benzin und Autobahngebühr waren davon noch vierhundert übrig. Wahrscheinlich würde das gerade für den Abschleppwagen reichen.

»Kann ich nicht wenigstens noch bis zur nächsten Werkstatt fahren?«, fragte Toni und schämte sich sofort für ihren flehenden Tonfall.

»Keinen Meter mehr«, sagte der Polizist. »Zu Ihrer eigenen Sicherheit. Packen Sie jetzt Ihre Sachen.«

Toni stand auf und holte ihren Rucksack aus dem Schrank. Die beiden Polizisten blieben vor der Tür stehen und sahen zu, wie sie Unterwäsche, T-Shirts, einen Kapuzenpullover, eine Jogginghose, ihren Waschbeutel und ihren Schlafsack einpackte. Toni achtete darauf, ihnen den Rücken zuzuwenden, damit sie die Tränen in ihren Augen nicht sahen.

Der Bus war nicht nur ein Auto. Er war ihr Kinderzimmer gewesen und nun ihr Erbe. An dem wackeligen Tisch hatte sie unzählige Abende mit ihrer Mutter im schwachen Licht der Petroleumlampe Karten gespielt. Auf dem Bett hatte sie zum ersten Mal mit einem Jungen geschlafen, als ihre Mutter zum Muschelsammeln am Strand war. Jeder Zentimeter war ihr so vertraut wie ihr eigener Körper.

Während sie die Regenjacke von dem Haken neben der Tür nahm und ihre Turnschuhe anzog, wurde ihr bewusst, dass sie den Bus vielleicht nie wiedersehen würde. Es fühlte sich so ungerecht an. Da tauchten zwei Gestalten in Uniformen auf und konnten ihr das halbe Leben wegnehmen. Weil die TÜV-Plakette fehlte.

Sie fand ihr Handy auf dem Beifahrersitz und steckte es ein. Aus dem Handschuhfach nahm sie das Schweizer Offiziersmesser, das einer der gelegentlichen Liebhaber ihrer Mutter ihr geschenkt hatte. Kurz überlegte sie, ob sie noch etwas brauchte. Ihr fiel nichts ein. Sie war gewohnt, mit wenig auszukommen. Besitz ist nur eine Belastung, hatte ihre Mutter immer gesagt.

Es wurde Zeit, Abschied zu nehmen. Sie wischte sich über die Augen und nahm sich drei Sekunden, um noch einmal alles auf sich einwirken zu lassen. Den moschusartigen Geruch, den sie auf immer mit ihrer Mutter verbinden würde. Die bunten, aber ausgeblichenen Farben der Decken, Polster, Kissen. Das leichte Vibrieren der Karosserie im Wind, als wäre das Auto ein lebendiger Organismus. Bye-bye, Baby.

»Kommen Sie«, sagte der Polizist draußen im Regen. Sie hörte die Ungeduld in seiner Stimme. Er wollte diese unangenehme, aber letztlich bedeutungslose Angelegenheit schnell hinter sich bringen und sich wichtigeren Dingen widmen.

Toni ging zum Schrank, klappte das Bodenbrett im ehemaligen Fach ihrer Mutter hoch und packte die Tagebücher in den Rucksack. Sie wusste nicht, was sie damit anfangen sollte, aber es kam ihr falsch vor, das Einzige, was von ihrer Mutter übrig war, zurückzulassen.

Als sie die Schiebetür zuknallte, waren ihre Augen wieder trocken. Vielleicht musste es so kommen, dachte sie. Vielleicht war der Bus das Letzte, was sie noch an ihr altes Leben gekettet hatte.

Sie schloss die Tür ab. Dann drückte sie dem Polizisten den Schlüssel in die Hand, schwang sich den Rucksack auf den Rücken und ging in irgendeine Richtung davon.

2

Kant konnte nicht fassen, wie schnell die Zeit verging.

Er hatte das Gefühl, Frida wäre gerade erst bei ihm eingezogen, und jetzt schleppte er die Kartons mit ihrem Kram in den fünften Stock des Hauses, in dem sie mit ihrem neuen Freund Tom eine Wohnung gefunden hatte. In Wirklichkeit hatte seine Tochter fünf Jahre lang bei ihm gewohnt, nachdem sie es bei ihrer Mutter nicht mehr ausgehalten hatte. Er hatte miterleben dürfen, wie sie erwachsen wurde. Viel zu schnell für seinen Geschmack.

Nach dem Abitur hatte sie eine Weile in einem Programmkino als Vorführerin gearbeitet, in verschiedenen Kneipen gekellnert und als Fahrradkurierin gejobbt. Sie konnte sich nicht entscheiden, was sie studieren wollte, und er hielt es für klug, sie nicht zu drängen. Dann brach sie zu einer dreimonatigen Indienreise auf. Nach ihrer Rückkehr schrieb sie sich voller Begeisterung an der LMU für das Fach Buddhistische und Südasiatische Studien ein. Er befürchtete zwar, dass die Berufsaussichten nicht gerade vielversprechend waren, aber wenn es sie glücklich machte, wäre er der Letzte, der Einwände erhob. Nicht, dass sie ihn um Rat gefragt hätte.

Sie sahen sich immer seltener, aber wenn sie sich in der Wohnung über den Weg liefen, machte sie einen zufriedenen Eindruck. Manchmal brachte sie einen Freund mit nach Hause, der in ihrem Zimmer übernachtete. Er fragte sie nicht nach ihren Beziehungen, und sie selbst schien ihnen keinen großen Wert beizumessen, denn die meisten jungen Männer tauchten nur ein paarmal auf und wurden danach nie mehr erwähnt.

Bis die Sache mit Tom geschah. Eines Sonntagmorgens erzählte sie ihm beim Frühstück zerknirscht, dass sie auf einer Party von Kommilitonen gewesen sei und zu viel getrunken habe. Ein paar Jungs hätten versucht, ihre Hilflosigkeit auszunutzen, aber zum Glück sei Tom aufgetaucht und habe sie mit zu sich nach Hause genommen, wo sie ihren Rausch ausgeschlafen habe. Er habe sich wie ein Gentleman benommen. Das war das erste Mal, dass Kant den Namen hörte.

Ein paar Wochen später schlug Frida plötzlich vor, dass sie doch einmal wieder gemeinsam zu Abend essen könnten, sie werde auch kochen. Ach so, und vielleicht werde Tom auch kommen. Kant freute sich, hatte aber zugleich ein ungutes Gefühl. Als er an dem Abend aus dem Präsidium nach Hause kam, hatte Frida die Küche aufgeräumt, den Tisch gedeckt und Kerzen angezündet. Tom war auch schon da. Er sprang auf, gab Kant die Hand und stellte sich selbstbewusst und höflich vor.

Während sie die Spinatlasagne aßen, erzählte Tom von sich, als wäre er bei einem Vorstellungsgespräch. Er war ein paar Jahre älter als Frida und hatte gerade seine Ausbildung als Triebwerksmechaniker abgeschlossen. Die Firma hatte ihn übernommen, und er bekam schon ein richtiges Gehalt.

Kant beobachtete ihn still. Im Gegensatz zu Fridas anderen Freunden und Bekannten wirkte er ernsthaft und zuverlässig. Mit seinem blonden Stoppelbart, dem frischen Kurzhaarschnitt und seinen immer erstaunt blickenden Augen sah er beneidenswert gut aus. Und er schien Frida wirklich zu mögen. Ständig griff er nach ihrer Hand, sah sie lächelnd von der Seite an und überschüttete sie mit Komplimenten.

Es dauerte nicht lange, bis die beiden mit der Sprache herausrückten. Sie hatten beschlossen zusammenzuziehen.

Kant war überrascht, denn vor Kurzem hatte Frida noch von irgendwelchen Wohngemeinschaften und kommunenartigen Projekten geschwärmt, aber in diesem Alter änderten sich die Dinge eben schnell. Er versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr er sie vermissen würde. Auch wenn er es manchmal vergaß, war Frida schließlich erwachsen und musste ihren eigenen Weg gehen.

Trotz der angespannten Mietsituation in der Stadt fand Tom nur zwei Wochen später eine hübsche kleine Wohnung in einem renovierten Altbau in Neuhausen, und Kant erklärte sich bereit, Fridas Anteil der Miete zu übernehmen. Tom organisierte den Umzug, als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan. Vor dem Haus hatte er eine Parkverbotszone einrichten lassen, und seine Freunde – alle fitnessstudiogestählt wie er – rannten gut gelaunt mit Kartons in den Händen an Kant vorbei die Treppe hinauf.

Bald kam sich Kant überflüssig vor. Er suchte Frida und fand sie im Schlafzimmer. Sie saß mit einer Anleitung in der Hand im Schneidersitz zwischen den Brettern und Schrauben, die ihr neues Bett ergeben sollten. Tom hatte es so bestellt, dass es am Morgen des Umzugs geliefert worden war.

Frida hatte ihn noch nicht bemerkt, und er beobachtete sie ein paar Sekunden lang von der Tür aus. Sie trug eine Latzhose und hatte sich das Haar zu einem Zopf gebunden. Auf Kant machte sie einen betrübten Eindruck, aber vielleicht lag das auch nur daran, dass sie in praktischen Dingen nicht besonders begabt war. Sobald sie Kant sah, ließ sie die Anleitung sinken und lächelte.

»Brauchst du Hilfe?«, fragte Kant.

»Nein, danke«, sagte Frida. »Ist so schon schwierig genug.«

Kant lehnte sich an die Fensterbank und betrachtete die frisch gestrichenen Wände, den polierten Parkettboden und die ringförmige Lampe, die schon an der Decke montiert war. »Das wird bestimmt schön hier. Ich meine, Tom scheint ein Händchen für so was zu haben.«

»Komisch, wenn du das sagst, klingt es nicht gerade wie ein Kompliment.«

»Ich wundere mich nur«, sagte Kant. »Schließlich kenne ich keine größere Chaotin als dich.«

Obwohl Kant einen scherzhaften Ton angeschlagen hatte, wurde Fridas Miene ernst. »Bist du schon mal auf die Idee gekommen, dass ich kein Kind mehr bin?«

In diesem Moment klingelte Kants Handy, und er war froh darüber. Als er die Nummer sah, wusste er, dass der Umzug für ihn beendet war. Es war der Kriminaldauerdienst. Er ging in den Flur, bevor er das Gespräch annahm.

»Frisch oder alt?«, fragte er, nachdem der Beamte die Situation geschildert hatte. »Okay, bin schon unterwegs.«

Er nahm seinen Mantel von dem Haken neben der Tür, schlüpfte hinein und ging wieder ins Schlafzimmer.

»Ich muss los«, sagte er. »Ihr braucht mich sowieso nicht so dringend, oder?«

Frida warf die Anleitung in die Ecke und stand auf. »Komm her«, sagte sie.

Kant wollte ihr zum Abschied den üblichen Kuss auf die Stirn geben, aber sie zog ihn an sich und hielt ihn fest. »Natürlich brauche ich dich«, sagte sie. »Aber ich habe gelernt zu teilen.«

»Gut«, sagte Kant. Er löste sich von ihr.

»Kommst du alleine klar?«, fragte sie, als wäre er es, um den man sich Sorgen machen müsste.

Kant lachte etwas gezwungen. »Natürlich. Und du?«

»Ich bin nicht allein.«

Kant hob einen Stapel leerer Kartons auf und drehte sich ein letztes Mal zu seiner Tochter um, bevor er die Wohnung verließ. Sie war schon wieder damit beschäftigt, ihr neues Bett und ihr neues Leben aufzubauen.

Tom stand auf der Laderampe des Transporters und gab seinen gut gelaunten Freunden Anweisungen, was in welches Zimmer gehörte. Kant warf ihm die Kartons vor die Füße.

»Ich muss los«, sagte er. »Die Arbeit.«

Tom verabschiedete ihn mit einem Handschlag, als hätten sie sich auf dem Basketballplatz kennengelernt. »Kein Problem«, sagte er. »Läuft ja alles hier.«

Kant stieg in seinen Wagen und fuhr zum Hofoldinger Forst. An diesem trüben Sonntagvormittag hielt sich der Verkehr auf der A8 Richtung Salzburg ausnahmsweise in Grenzen. Er nahm die Abfahrt und ließ sich von seinem Handy zu den GPS-Koordinaten leiten, die der Kriminaldauerdienst ihm geschickt hatte.

Eine Weile folgte er einer Forststraße parallel zur Autobahn. Zwischen den Stämmen der Fichten konnte er die bunten Planen der Lastwagen vorbeiflattern sehen. Der Weg verengte sich, und Äste kratzten über den Lack seines Wagens. Nachdem er einen Stapel gefällter Bäume passiert hatte, blockierten zwei Streifenwagen die Weiterfahrt. Ein Kleinbus der Spurensicherung stand auch schon da. Kaum hatte Kant geparkt, stapfte ein uniformierter Kollege durch den Schlamm auf ihn zu. Es war ein stämmiger Mann mit dunklen Locken, dem Kant noch nie begegnet war.

»Hoffmann«, sagte er und reichte Kant flüchtig die Hand. »Ich leite die Polizeiinspektion Miesbach. Und dieser Teil des Forsts gehört nun mal zu Miesbach. Leider.« Er lachte nervös.

»Dann zeigen Sie mir doch mal den Fundort«, bat Kant.

Hoffmann führte ihn auf einem mit Absperrband angelegten Pfad durch den Wald. Alle paar Schritte drehte er sich nach ihm um, als befürchtete er, dass Kant sich aus dem Staub machte. Nach etwa hundert Metern erreichten sie den Waldrand, und vor ihnen lag ein schmaler Streifen Gras, auf dem die Spurensicherer eines ihrer weißen Zelte aufgebaut hatten. Dahinter führte eine steile Böschung zur Autobahn hinauf.

Hoffmann reichte Kant einen Schutzanzug. »Ich bin hier draußen, falls Sie mich brauchen. Das muss ich mir nicht noch mal ansehen.«

Kant zog den Anzug über. Als er die Zeltklappe zur Seite schlug, wehte ihm die von den Scheinwerfern aufgeheizte Luft entgegen. Zwei Spurensicherer drehten sich zu ihm um. Zwischen ihnen lag im grellen Licht ein aufgerissener schwarzer Müllsack auf dem Boden.

Der Arm war blass und dünn und vom Handgelenk bis zum Ellbogen mit feinem weißem Haar bedeckt. Am oberen Ende ragte ein Stück Knochen aus dem gräulich verfärbten Fleisch. Nirgendwo waren Spuren von Blut zu sehen.

Einer der Spurensicherer ging in die Hocke, um weitere Fotos zu machen. Der andere nickte Kant zu. »Ein männlicher Arm«, sagte er laut, um das Zischen der Reifen auf der nassen Autobahn zu übertönen. »Relativ sauber abgetrennt.«

Kant erkannte seine Stimme. Es war Manuel Stöger, der seit vielen Jahren die Spurensicherung leitete. »Wer hat ihn gefunden?«, fragte Kant.

Stöger nickte. »Ein neunjähriges Mädchen. Jünger als meine eigenen. Zum Kotzen, so was. Aber lass dir das lieber von den Miesbacher Kollegen erzählen.«

»Habt ihr sonst noch was gefunden?«

»Bis jetzt nicht. Ist aber wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis weitere Leichenteile auftauchen. Ich glaube kaum, dass der Besitzer noch lebt.«

Kant machte auf den Bodenplatten, die die Spurensicherer gelegt hatten, einen Schritt nach vorn. Jetzt war er froh, dass er noch nicht gefrühstückt hatte. »Was glaubst du, wann der Arm abgetrennt wurde?«

»Auf den ersten Blick würde ich sagen, das kann höchstens zwei Tage her sein. Es gibt noch keine Verwesungsspuren.«

Kant beugte sich vor. »Ist das ein Ehering?«

»Sieht ganz so aus. Wenn der Kollege mit seinen Fotos fertig ist, ziehe ich ihn ab.«

Der Fotograf machte noch ein paar Detailaufnahmen, dann nickte er Stöger zu und verließ das Zelt. Stöger bückte sich und zog vorsichtig an dem Ring. Er löste sich leicht vom Finger. Entweder war er von vornherein zu groß gewesen, oder der Besitzer hatte in letzter Zeit an Gewicht verloren.

Stöger hielt den Ring dichter an einen der Scheinwerfer. »Da ist eine Gravur auf der Innenseite. Eine Jahreszahl. 1969. Und Initialen. H&S.«

Wenn es das Hochzeitsdatum war, musste der Mann, dem der Arm gehörte, also mindestens siebzig Jahre alt sein, dachte Kant. »Und was ist das da?« Er zeigte auf einen Schnipsel Papier, der kurz unterhalb des Ellbogens an der Haut klebte.

»Das habe ich mich auch schon gefragt.« Stöger nahm eine Lupe aus seinem Koffer und beugte sich über den Arm. »Könnte ein Stück Zeitungspapier sein. Um Genaueres zu sagen, müsste man es ablösen. Aber da soll sich die Rechtsmedizin drum kümmern.«

»Gut«, sagte Kant. »Sonst irgendwelche Spuren?«

»Wir sind noch dabei, das Unterholz bis zur Forststraße abzusuchen. Bisher haben wir nichts Auffälliges gefunden. Wenn du mich fragst, würde ich sagen, dass jemand den Sack einfach von der Autobahn aus über die Leitplanke geworfen hat.«

Kant bedankte sich und trat hinaus in den Nieselregen. Er entdeckte Hoffmann unter einem Schirm, den die Spurensicherer für ihr Material aufgebaut hatten, wo er auf seinem Handy herumtippte. Als Kant zu ihm kam, steckte er das Telefon in die Tasche. »Der Arm wurde also von einem Mädchen gefunden?«, fragte Kant.

»Um acht Uhr vierzig hat der Vater auf der Wache angerufen«, sagte Hoffmann. »Erst dachten wir, das ist ein schlechter Scherz, aber wir sind natürlich trotzdem sofort losgefahren. Die Kleine hat uns dann hergeführt. Sie scheint sich im Wald gut auszukennen.«

»Was hat sie denn so früh hier gemacht?«, fragte Kant.

Hoffmann verzog das Gesicht. »Die wohnt auf der anderen Seite.« Er zeigte zur Autobahn. »Sie hat bei ihrer Freundin übernachtet, die auf dieser Seite wohnt. Heute Morgen hat sie die Abkürzung über die Autobahn genommen. Anscheinend macht sie das öfter. Der Vater war stocksauer. Die beiden sind noch auf dem Revier. Wollen Sie mit dem Mädchen reden?«

»Vielleicht später«, erwiderte Kant. »Da es sich offenbar um ein Tötungsdelikt handelt, würde ich vorschlagen, dass wir die Ermittlungen übernehmen.«

»Klar. Natürlich.« Hoffmann wirkte erleichtert.

»Rufen Sie alle verfügbaren Leute her. Wir müssen das Gebiet weiträumig absuchen. Ich fordere eine Einsatzhundertschaft zur Unterstützung an. Und eine Hundestaffel.«

Kant rief Hanna Weiß im Präsidium an, damit sie die Verstärkung schicken und den Staatsanwalt informieren konnte. Dann stieg er über den Weg, den die Spurensicherer angelegt hatten, die Böschung hinauf. Falls in den letzten Stunden jemand dort hinuntergegangen wäre, hätte er im weichen Boden Fußabdrücke hinterlassen müssen, aber bisher hatten die Spurensicherer nichts gefunden. Das sprach für Stögers Theorie, dass der Müllsack mit dem Arm von der Autobahn herabgeworfen worden war.

Kant kletterte über die Leitplanke und sah sich um. Auf dem Randstreifen lagen leere Coladosen, Hamburgerschachteln, Zigarettenkippen und was die Leute sonst alles so aus dem Fenster warfen. Dichter Wald säumte die andere Seite der Autobahn. Etwa dreihundert Meter entfernt, spannte sich eine Brücke über die Fahrbahn. Hätte das Mädchen auf seinen Vater gehört und dort die Autobahn überquert, wäre der Arm vermutlich lange Zeit unentdeckt geblieben.

Kant fragte sich, ob der Täter angehalten hatte, um den Arm zu entsorgen. Es schien riskant. Wenn man auf den Seitenstreifen fuhr, musste man damit rechnen, dass eine Streife der Autobahnpolizei auftauchte. Oder ein anderer Fahrer etwas beobachtete.

Die zweite Möglichkeit war, dass jemand den Arm aus dem fahrenden Auto geschleudert hatte. Aber vom Fahrbahnrand bis zur Böschung waren es immerhin fünf Meter. Kant bezweifelte, dass man, wenn man am Steuer saß, den Müllsack so weit durch das Beifahrerfenster werfen konnte. Wenn der Arm auf diese Weise dort gelandet war, musste also noch ein Zweiter daran beteiligt gewesen sein.

3

Auf dem Weg zum Besprechungszimmer wurde Kant von Anton Rademacher abgefangen. »Ich wollte kurz mit dir reden«, sagte sein Kollege.

Sofort war Kant beunruhigt. Vier Jahre vorher hatte sich Rademacher einer Darmkrebsoperation unterziehen müssen. Er hatte sich schnell erholt und achtete seitdem deutlich mehr auf seine Gesundheit. Keine Leberkässemmeln mehr in der Mittagspause. Alkoholfreies Bier. Demonstratives Stirnrunzeln, wenn Kant sich eine seiner wenigen Zigaretten gönnte. Neulich hatte er sogar erzählt, er habe sich mit seiner Frau Mareike zu einem Yogakurs angemeldet. Er hatte sicher fünfzehn Kilo abgenommen und sah jünger aus, als er war. Trotzdem brauchte er nur die Mundwinkel herunterzuziehen, damit Kant befürchtete, dass die Ärzte Metastasen entdeckt hatten.

Kant folgte Rademacher in sein Büro. Auf dem Regal hinter dem Schreibtisch empfing ihn das gerahmte Lächeln von Mareike und Rademachers fünf Kindern.

»Setz dich«, sagte Rademacher.

Das klang nicht gut. Kant konnte sich nicht erinnern, wann er zum letzten Mal auf dem Besucherstuhl vor Rademachers Schreibtisch Platz genommen hatte. Wenn sie etwas zu besprechen hatten, das die anderen nichts anging, erledigten sie es normalerweise auf ihren gemeinsamen Fahrten durch die Stadt.

»Was ist los?«, fragte er.

»Weißt du«, sagte Rademacher, »seit meiner Krebsoperation hat sich einiges verändert.«

Normalerweise sprach er nie über die Operation. Es passte nicht zu ihm, Schwäche zu zeigen. Bevor es ihn selbst erwischte, hatte er Krankheiten eher als Disziplinlosigkeit betrachtet. Und der ernste Tonfall trug auch nicht gerade zu Kants Beruhigung bei.

»Mir ist klar geworden, dass das Leben endlich ist«, fuhr Rademacher fort. »Man sollte jeden einzelnen Augenblick genießen, statt die Jahre einfach vorbeiziehen zu lassen. Ich meine, du hast ja keine richtige Familie, deshalb verstehst du vielleicht nicht, worauf ich hinauswill.«

Kant ignorierte den Seitenhieb. Er verstand tatsächlich nicht, was Rademacher ihm sagen wollte.

»Warst du bei der Nachsorgeuntersuchung?«, fragte er.

»Ja«, sagte Rademacher. »Alles bestens.«

Kant war erleichtert.

»Man darf seine Träume nicht aufschieben, weil man Angst vor der Zukunft hat.«

Rademacher sah ihn mit seinen runden dunklen Augen ernst an. Wollte er ein philosophisches Gespräch mit ihm führen, oder sollte das Ganze ein Scherz auf seine Kosten werden? Wie auch immer, sie hatten einen frisch abgetrennten Arm, und die anderen warteten im Besprechungszimmer. Er hatte keine Zeit zu vergeuden.

»Vielleicht sollten wir das auf den Feierabend verschieben«, schlug er vor. »Wir können heute Abend irgendwo ein Bier trinken gehen.«

»Du weißt doch, dass ich keinen Alkohol mehr trinke«, sagte Rademacher. »Solltest du übrigens auch mal drüber nachdenken.«

Kant reichte es. Offenbar war die Angelegenheit nicht so wichtig. Er stand auf und ging zur Tür.

»Ich habe gekündigt«, sagte Rademacher hinter seinem Rücken.

»Was?«

»Ich wollte es dir nur sagen, bevor du es von anderer Seite erfährst. Das ist mein letzter Fall.«

Kant ließ die Türklinke los und setzte sich wieder auf den Besucherstuhl. Einen schwindelerregenden Moment lang hatte er das Gefühl, nicht den echten Anton Rademacher vor sich zu haben. Jemand musste ihn durch einen Schauspieler ersetzt haben.

»Warum?«

Es war unvorstellbar. Als Kant sich etwa zwanzig Jahre vorher zur Münchener Kriminalpolizei hatte versetzen lassen, weil die Geburt seiner Tochter bevorstand, war Rademacher schon da gewesen. Er hatte ihm die Stadt gezeigt, die Abläufe im Präsidium erklärt und ihm beigebracht, wie man seine Fahrtkosten korrekt abrechnete. Ohne Rademacher hätte Kant die Begegnung mit dem Schachmörder wahrscheinlich nicht überlebt. Ohne Rademacher würde sich das Büro anfühlen wie ein Wohnzimmer ohne Teppich.

»Mareike und ich«, sagte Rademacher, »wollen einfach noch mal was Neues anfangen. Ich habe dir doch erzählt, dass wir immer davon geträumt haben, einen Campingplatz an der Nordsee aufzumachen. Jetzt hat der Hank, also Mareikes Bruder, ein geeignetes Grundstück für uns gefunden. Ganz in der Nähe von Middelburg.«

Kant wusste von diesem Traum, aber er hatte immer gedacht, dass es auch ein Traum bliebe. Oder dass Rademacher zumindest bis zu seiner Pensionierung wartete. »Was ist mit dem Geld?«, fragte er. »Hast du dir das gut überlegt?«

»Wir haben ein bisschen was gespart. Das reicht für das Grundstück. Ansonsten spielt Geld für mich keine Rolle mehr.« Rademacher schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Gehen wir. Die anderen warten.«

Petra Lammers saß am Besprechungstisch und sah Kant erwartungsvoll an, als er mit Rademacher eintrat. Hanna Weiß blätterte in ihren Unterlagen, ohne den Kopf zu heben. Ben Dörfner stand an der Fensterbank und dehnte seine Oberschenkelmuskulatur. Wahrscheinlich war er wieder die halbe Nacht mit dem Fahrrad unterwegs, dachte Kant.

Rademacher setzte sich und packte als Erstes sein Mittagessen aus. Statt Presssack oder Wurstsalat lagen in letzter Zeit Karottenstifte und Paprikastreifen in seiner Brotdose. Kant hatte sich immer darüber geärgert, dass er sich ständig etwas in den Mund stopfen musste, aber er wusste jetzt schon, wie sehr er es vermissen würde.

»Also«, sagte Dörfner ungeduldig. »Jemand hat an der A8 seinen Arm verloren.«

Lammers zog die Mundwinkel hoch und ließ sie wieder fallen, um zu zeigen, wie unglaublich witzig sie das fand. Rademacher und Weiß reagierten überhaupt nicht.

»Ich fasse die Lage mal kurz zusammen«, sagte Kant. »Der Arm wurde vermutlich aus einem Auto geworfen, das Richtung Salzburg unterwegs war. Der Zustand lässt darauf schließen, dass er innerhalb der letzten achtundvierzig Stunden abgetrennt wurde, meint zumindest Stöger. An der Hand befand sich ein Ehering mit der Jahreszahl 1969. Wir gehen also von einem Tötungsdelikt an einem alten Mann aus.«

Hanna Weiß schob jedem von ihnen ein Blatt Papier zu. »Ich bin die Vermisstenmeldungen der letzten Woche in Bayern durchgegangen. Insgesamt 278 Fälle. Knapp die Hälfte ist schon wieder aufgetaucht. Die verbliebenen 146 Fälle sind überwiegend Kinder und Jugendliche und junge Erwachsene. Nur drei Personen sind über siebzig. Eine davon ist weiblich.«

Sie hatte die irritierende Angewohnheit, knapp an demjenigen vorbeizusehen, mit dem sie sprach. Obwohl sie mittlerweile schon seit vier Jahren bei ihnen war, hatte Kant immer noch den Impuls, nachzusehen, ob jemand hinter ihm stand. Außerdem fragte er sich zum wiederholten Mal, wie sie es schaffte, sich die ganzen Zahlen zu merken. Jetzt senkte sie den Blick zum ersten Mal auf ihre Unterlagen.

»Bleiben also zwei. Hermann Saitlinger wurde gestern von einem Altenheim in Oberstdorf als vermisst gemeldet. Und Hans-Peter Winter am Mittwoch von seiner Frau in Nürnberg.«

»Gut«, sagte Kant. »Überprüfe die beiden Fälle. Vielleicht erkennt jemand den Ring wieder.«

»Klingt ziemlich unwahrscheinlich«, meldete sich Lammers zu Wort. Sie hatte den Sonntag trotz des trüben Wetters in den Bergen verbracht und trug noch Wanderschuhe und Fleecepullover. Offenbar hatte sie sich den Abstecher nach Hause gespart. »Warum sollte jemand Leichenteile von Oberstdorf oder Nürnberg bis zum Hofoldinger Forst transportieren? Ich würde eher vermuten, dass unser Mann noch nicht vermisst gemeldet wurde. Vielleicht hat er ja alleine gelebt.«

»Genau«, sagte Dörfner, der meistens mit Lammers einer Meinung war. »Das wollte ich auch gerade sagen.«

»Der Arm ist schon in der Rechtsmedizin«, sagte Kant. »Grumann sieht ihn sich nachher an. Vielleicht helfen uns die Fingerabdrücke bei der Identifizierung. Oder er hat noch eine andere Idee. Anton und ich fahren gleich rüber.«

»Wenn jemand die Leichenteile aus dem fahrenden Auto geworfen hat«, meinte Dörfner, »kann die Hundestaffel den Wald lange absuchen. Vielleicht liegt der Rest irgendwo zwischen hier und Salzburg verstreut.«

Rademacher ließ eine Karotte zwischen den Zähnen knacken. »Dann müssen sie sich halt langsam an der Autobahn vorarbeiten. Die haben doch sowieso nichts Besseres zu tun.«

»Wir könnten die Presse einschalten«, schlug Weiß vor. »Vielleicht hat jemand etwas beobachtet. Auf der A8 sind zu jeder Tages- und Nachtzeit Autos unterwegs.«

»Ja«, sagte Kant. »Mach das. Aber gib so wenig Informationen wie nötig raus. Nur dass ein Leichenteil gefunden wurde.« Er sah zu Lammers. »Du und Ben, ihr kümmert euch um die eingehenden Anrufe. Ich könnte mir vorstellen, dass da einiges zusammenkommt.«

»Na toll«, entgegnete Dörfner.

»Hat sonst noch jemand einen konstruktiven Vorschlag?« Kant sah in die Runde.

»Ein paar Kilometer östlich der Fundstelle gibt es einen Blitzer«, sagte Rademacher. »Am Irschenberg. Falls der Täter es eilig hatte, wovon ich mal ausgehe, ist er vielleicht fotografiert worden.«

Rademacher hatte recht. Es war immerhin eine Möglichkeit. »Hanna, besorg uns doch die Aufnahmen der letzten achtundvierzig Stunden vor dem Fundzeitpunkt.«

Hanna nahm ihren Laptop vom Tisch und verschwand kommentarlos im Flur. Kant wusste mittlerweile, dass man ihr manchmal etwas seltsames Verhalten nicht auf sich selbst beziehen durfte. Sie war hochsensibel und in ständigem innerem Aufruhr. Was bei anderen ein leichtes Kräuseln in der Gefühlswelt bewirkte, konnte bei ihr zu einem Tsunami führen. Am besten ließ man sie in Ruhe.

»Bis die ersten Hinweise aus der Bevölkerung kommen«, sagte Kant zu Lammers und Dörfner, »könnt ihr schon mal mit den Fotos von dem Ring die Juweliere abklappern. Vielleicht kann sich ja jemand erinnern, ihn verkauft zu haben.«

»Nach fünfzig Jahren?«, sagte Dörfner.

»Sei froh, so braucht ihr euch bloß um die alteingesessenen Geschäfte zu kümmern.« 

Natürlich war es extrem unwahrscheinlich, dass sie auf diese Weise etwas herausfanden, aber im Moment gab es keine anderen Anhaltspunkte, und bevor sie das Opfer identifizierten, würde sich das vermutlich auch nicht ändern.

Dörfner zuckte mit den Schultern, und Lammers begann, ihre Unterlagen einzupacken. Kant überlegte, ob er die beiden über Rademachers bevorstehenden Abgang informieren sollte, entschied sich aber dagegen. Wenn Rademacher es verkünden wollte, sollte er es selbst tun. Kant versuchte, seinen Blick aufzufangen, aber sein Kollege war damit beschäftigt, die restlichen Gemüsestifte in seiner Dose zu inspizieren.

»Also gut«, sagte Kant. »Dann hören wir uns mal an, was der Kollege Grumann zu sagen hat.«

4

Wenn man sich im Untergeschoss des Rechtsmedizinischen Instituts befand, konnte man nicht feststellen, ob es Tag oder Nacht, Winter oder Sommer war. Es gab hier kein natürliches Licht, und die Klimaanlage hielt die Temperatur konstant. Rademacher fragte sich, wie man sein halbes Leben in einer solchen Umgebung verbringen konnte, als sie durch die Schleuse den Obduktionsraum betraten. Grumann, dem Rechtsmediziner, schien es nichts auszumachen. Er hatte Rademacher einmal erzählt, dass er gern zur Arbeit ging. Vielleicht war es einfacher, wenn man nicht die Geschichten kannte, die hinter den Toten standen. Er musste nur die Körper sezieren, während Rademacher und seine Kollegen in die Psychen vorzudringen versuchten. Was sie dort vorfanden, konnte erschreckender sein als die Verletzungen der Toten.

Grumann stand schon mit aufgesetztem Mundschutz an dem Sektionstisch und begrüßte sie mit einem Augenzwinkern. Staatsanwalt Oldenburg hingegen hielt wie immer größtmöglichen Abstand zu den Untersuchungsobjekten. Mit verschränkten Armen lehnte er fast an der gekachelten Wand.

Der Arm lag mitten auf dem Stahltisch. Rademacher hatte in seinem Berufsleben schon an vielen Obduktionen teilgenommen, bisher allerdings hatte es sich um mehr oder weniger komplette Leichen gehandelt. Manchmal hatte eine Gliedmaße gefehlt, oder der Tote war durch Verwesung oder Verbrennungen entstellt gewesen, aber immer konnte man ihn als Mensch erkennen. Der Arm hingegen war einfach nur ein Stück Fleisch. Auf gewisse Weise machte es das schlimmer. Ein Leben, das als Schlachtabfall geendet hatte.

Es erinnerte ihn daran, dass er das Richtige getan hatte. Die Kündigung. Nach seiner Darmkrebsoperation hatte er monatelang unter Depressionen gelitten. Obwohl er sich körperlich schnell erholt hatte, konnten weder Mareike noch die Kinder ihm ein Lächeln entlocken. Er schleppte sich zur Arbeit und wieder nach Hause, konnte aber einfach keinen Sinn mehr darin erkennen. Die Krankheit hatte ihn eindrücklich an seine eigene Sterblichkeit erinnert, und jeder Todesfall, zu dem sie gerufen wurden, sorgte dafür, dass die Erinnerung nicht verblasste. Irgendwann stellte er sich die Frage, warum er die Zeit, die ihm noch blieb, nicht den schönen Dingen widmete. Man hätte glauben können, dass man sich an das ganze Elend und die Gewalt gewöhnte, aber er wurde in letzter Zeit immer dünnhäutiger. Als er anfing, die Tage bis zu seiner Pensionierung zu zählen – 2638, nach seiner Rechnung – wusste er, dass er etwas ändern musste. Und Mareike hatte ihn in seinem Entschluss bestärkt.

Grumann und seine Assistentin begannen, den Arm zu vermessen. Mit sonorer Stimme sprach der Rechtsmediziner in sein Aufnahmegerät. Länge des Oberarms, des Unterarms, der Finger. Umfang des Handgelenks. Rademacher sah, wie Kant die Prozedur verfolgte und aufmerksam zuhörte. Vielleicht verbarg sich ja irgendwo in dieser Algebra des Todes ein Hinweis auf die Identität des Opfers.

»Offensichtlich männlicher, linker Arm. Muskulatur an Ober- und Unterarm nur schwach ausgeprägt«, sagte Grumann. »Keine Schwielen oder Hornhaut an den Händen. Gepflegte Fingernägel.«

»Also vermutlich niemand, der sein Leben mit schwerer körperlicher Arbeit verbracht hat«, sagte Kant.

»Keinerlei Verletzung oder Individualmerkmale«, fuhr Grumann unbeirrt fort. »Die Weichteile und Knochen wurden im Amputationsbereich scharf durchtrennt.«

»Was heißt das?«, fragte Kant. »Ein Messer? Oder eine Säge?«

Grumann sah Kant durch seine eckigen Brillengläser an. »Ich würde auf ein Elektrowerkzeug mit feiner Zahnung tippen. Vielleicht eine Kreissäge oder eine Flex. So gerade, wie der Schnitt ist, hat sich das Opfer währenddessen nicht bewegt. Vermutlich war der Mann also schon tot oder zumindest bewusstlos.«

Wo auch immer die Zerstückelung stattgefunden hatte, mussten reichlich Blut und Gewebefetzen durch die Luft geflogen sein, dachte Rademacher. Spuren, die man nicht so leicht beseitigen konnte.

Grumanns Assistentin, die so jung aussah, als müsste sie eigentlich noch zur Schule gehen, knipste routiniert die Fingernägel ab und fing sie mit einer Tüte auf. »Keine Verwesungsspuren«, sagte Grumann, »aber die Haut weist eine veränderte Konsistenz auf. Gummiartig. Sehr merkwürdig.«

Rademacher beobachtete, wie Grumann ein paar weiße Haare vom Unterarm abrasierte und sie verpackte. »Was ist mit dem Papierschnipsel an der Unterseite?«, fragte er.

Grumann drehte den Arm um hundertachtzig Grad. Mit einem Skalpell und einer Pinzette löste er das Stück Millimeter für Millimeter von der Haut und legte es auf einen Objektträger. Es war ungefähr so groß wie eine Euromünze. Grumann ging zu einem Tisch in der Ecke, zog eine starke Lampe heran und betrachtete es unter der Lupe. »Ein Schnipsel Zeitungspapier. Offenbar mit Blut an der Haut festgeklebt. Vielleicht hat der Täter den Arm nach der Abtrennung eingepackt. Oder er hat den Boden mit Zeitung ausgelegt, bevor er sich ans Werk gemacht hat.«

»Kannst du was lesen?«, fragte Kant.

»Mh. Die Buchstaben sind ziemlich verschwommen. …annten auf die Gleise. Die – neue Zeile – …arzfahrer flüchteten – neue Zeile – …lizeihubschrauber – Rest unleserlich.«