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Karl Philipp Moritzs Werk 'Reisen eines Deutschen in Italien in den Jahren 1786 bis 1788' bietet einen faszinierenden Einblick in die Gedanken und Erfahrungen eines deutschen Reisenden im späten 18. Jahrhundert. Das Buch präsentiert nicht nur eine detaillierte Darstellung der italienischen Landschaft und Kultur, sondern auch tiefe philosophische Betrachtungen des Autors. Moritz kombiniert Reisebericht mit Reflexionen über Kunst, Literatur und Religion, was sein Werk zu einem einzigartigen literarischen Schatz macht. Sein einfühlsamer und detailreicher Schreibstil fängt die Schönheit und Komplexität Italiens auf unvergleichliche Weise ein, die Lesern eine umfassende Erfahrung bietet.
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Seitenzahl: 583
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Der gnädige Beifall, welchen Ew. Königl. Hoheit mir über meine Reisen eines Deutschen in England zu bezeigen geruhten, hat mir den Muth eingeflößt, auch diese Reisen eines Deutschen in Italien Höchstdenenselben unterthänigst und ehrerbietigst zu widmen. Ich ersterbe in tiefer Ehrfurcht
Ia. Ruinen vom Tempel der Konkordia auf dem alten römischen Forum; beim Aufgange auf dem Kapitolinischen Berg. — Hinter den Bäumen ragt die Rückseite von der Wohnung des Senators und das Thürmchen von dem jetzigen Kapitolium hervor.
Ib. Der Tempel der Vesta in Tivoli, in dem Hofe des Gastwirths Francesco, dicht neben dem Wasserfall des alten Anio, am Abhange eines steilen Felsen. Hinter dem Tempel zeigt sich der alte Mons Katilus, oder Monte Croce.
Romam quaero!
Verona, den 2. Oktober 1786.
Das dort, ist nun hier geworden, mein lieber! Die zackigten Tyroleralpen, durch welche wir uns in manchen Krümmungen gewunden haben, sind hinter uns, und ich betrete nun den Boden des Landes, wohin ich so oft mich sehnte, das mir mit seinen Monumenten der Vergangenheit zwischen immer grünen Gefilden so oft in reizenden Bildern vorschwebte, und den Wunsch des Pilgrims in mir weckte, die heiligen Plätze zu besuchen, wo die Menschheit einst in der höchsten Anstrengung ihrer Kräfte sich entwickelte, wo jede Anlage in Blüthen und Frucht emporschoß, und wo beinahe ein jeder Fleck durch irgend eine große Begebenheit, ober durch eine schöne und rühmliche That, welche die Geschichte uns aufbewahrt, bezeichnet ist.
Aber dorthin eil' ich, wo auf den sieben Hügeln, das Größte und Glänzendste, was einst der Erdkreis sahe, sich gründete und bildete, und wo noch itzt die Kunst bei den erhabensten Ueberresten der Vorzeit ihren festen Wohnsitz findet; von jenem höhern Standpunkte aus, will ich meine Blicke auf diesen großen Schauplatz heften, und von dort aus meine Wanderungen anheben.
Deswegen erwarten Sie, mein theuerster Freund, ja nicht eher irgend etwas Ganzes oder Ausführliches, als aus Rom, von mir. Denn bis dahin reise ich nicht eigentlich, sondern eile dem Ziele der Wallfahrt zu, das mein Verlangen stillen, und meine Wünsche befriedigen soll, und welches ich eine Zeitlang wie meine Heimath betrachten will.
Jetzt ist mir meine Ankunft in diesem schönen Lande noch wie im Traume. — Als wir gestern Nacht nur wenige Meilen von Verona waren, brach uns ein Rad am Wagen. — In der Nähe war kein Dorf, und es dauerte einige Stunden, bis unser Fuhrwerk wieder im Stande war.
Ich setzte mich auf einen Stein am Wege, — es wehte eine angenehme Luft, und nach, und nach wurden die Gegenstände sichtbar. — Dicht vor mir lag ein Feld mit Bäumen bepflanzt, an welchen Reben hingen. —
Nun kam schon ein Winzer mit der Leiter in der Hand, und setzte sie an einen Baum, um sein frühes Tagewerk anzufangen. — Weinbeladne Wagen, von bekränzten Ochsen gezogen, fuhren vorbei, und jauchzende Knaben saßen reitend auf den Fässern.
Die umschattende Dämmerung, welche noch rund umher verstreut war, brachte dies alles so nahe, wie reizende Bilder eines Traumes, vor die Seele; und die laue Luft ließ es einen ganz vergessen, daß man sich in der Nacht auf dem Felde unter freien Himmel befand.
Dieß war also nun wirklich das milde italiänische Klima, welches sich in unsrer Vorstellung immer an das Bild von diesem reizenden Lande knüpft. — Am östlichen Himmel zeigten sich die ersten Streifen der Morgenröthe, worauf der eine von den Leuten, die aus dem nächsten italiänischen Dorfe zur Hülfe herbeigehohlt war, aufmerksam machte.
So wie es heller wurde, ragten in der Ferne die Spitzen der hohen Cypressen und weinbekränzten Hügel empor, und rund umher entfalteten sich die mannichfachen Schönheiten der Natur. —
Da dachte ich an Sie und S... und die Ferne zwischen uns wurde mir auf einmal lebhaft, als ich auf den Feldern von Verona am Wege sitzend, an dem schönen mit sanftern Blau sich wölbenden italiänischen Himmel den ersten Morgen anbrechen sah.
Es versteckt sich auf einem großen und weitläuftigen Platze hinter unansehnlichem Gemäuer. — Freilich verliert die Einbildungskraft bei dem wirklichen Anblick ihren schönen Spielraum, wo sie nach Gefallen zusetzen und abnehmen konnte. —
Allein die Wirklichkeit tritt bald wieder in ihre Rechte. — Der Anblick der simplen Majestät erhält die Oberhand über jede übertriebene Vorstellung, welche hier wie Nebel verschwindet, da das Auge seinen sichern Maaßstaab hat.
Ich blickte von der Arena, oder dem mit Sand bedeckten Kampfplatz in die Höhe, bis dahin, wo die obersten Stufen rund umher den Horizont beschränken und die Ruinen, welche sich in der Luft abschneiden, einen wählerischen Anblick machen. — Dann stieg ich hinauf, und hatte nun die Aussicht von jenen obersten Stufen, bis auf die Arena hinunter, wie in einen tiefen Trichter. —
Ein kleines modernes Theater mit Vorhang und Kulissen, das unten auf der Arena erbaut ist, und worauf man von oben herab sieht, verursacht mit seiner großen Umgebung einen seltsamen Kontrast. Wie sonst die Sitze zum Theater, so hat man hier ein Theater zu den Sitzen erbaut.
Heute Nachmittag streifte ich noch ein wenig in der Gegend vor Verona umher, um die Fluren zu sehen, wo der zärtliche Katull als Knabe spielte, und die erste Nahrung seines Geistes aus der umgebenden Natur einsog.
Von den Anhöhen bei Verona macht die alte Stadt mit ihren Brücken über die Etsch, von welcher sie durchströmt wird, einen sehr schönen Prospekt; kömmt man aber hinein, so findet man größtentheils enge und krumme Straßen, in welchen dennoch eine ziemliche Lebhaftigkeit herrscht, die freilich vorzüglich mit dadurch bewirkt wird, daß die Werkstätten der Handswerksleute nicht in verschlossenen Zimmern, sondern in offenen Boutiquen, im Freien sind, und einige sogar ihren Arbeitstisch auf die Straße hinausgerückt haben.
Mantua, den.4. Oktober.
Hier, sagt Daphnis in Virgils Ekloge, ruhe dich im Schatten aus, wenn du ein Weilchen Zeit hast, Meliböus! die Stiere werden von selbst schon hier auf die Weide kommen um ihren Durst zu löschen. Hier deckt der Mincius mit zartem Schilf das grünende Ufer, und um die heilige Eiche summt der Bienenschwarm!
Meliböus läßt sich willig finden; setzt die Arbeit noch ein wenig hindan, und legt sich in den Schatten, um dem Wettgesange der beiden Hirtenknaben, die seinen Richterspruch verlangen, zuzuhören.
Auch ich verweile hier, mit meinem Dichter in der Hand, eine kurze Zeit auf meinem Wege am schönen Ufer des Mincius, der in seinem schlängelnden Laufe, schmale Inseln bildet, auf welchen Heerden zwischen dunkeln Gebüschen im Grünen weiden, indeß den Wiesenrand das zarte Schilf umkränzt.
Vor mir liegt die Stadt mit ihren Thürmen, zur Linken der hohe Damm, und um mich her die grüne Ebene, welche der sanfte Fluß durchirrt.
Alles wird Leben und Gegenwart um mich her, das Bild der Vorzeit spiegelt sich in diesem reizenden Umfange, der noch dieselbe Flur um, schließt, welche der Dichter sang.
Mantua, den 4. Oktober.
Ich machte dann auch einen Spaziergang nach dem Geburtsorte Virgils, dem Dorfe Pietola, welches ehemals Andes hieß, und nur zwei italiänische Meilen von der Stadt entfernt ist.
Wir gingen aus der Porta Virgiliana, über einen Damm, welcher durch den Sumpf führt, der die Stadt umgibt und den der schöne, von dem Dichter des Altertums besungene Mincius hier verursacht.
Unterweges sprach mein Wegweiser von nichts als von der Grotte Virgils (la Grotta di Virgilio), die er mir zeigen würde, — wir langten denn zuerst in dem Dörfchen Pietola an, wo wir uns Brot, Kastanien und Weintrauben geben ließen.
Hier setzten wir uns vor dem Hause nieder, wo mehrere Leute aus dem Dorfe versammlet waren, welche sogleich schlossen, daß der Fremde aus keiner andern Ursache hiehergekommen sei, als um die Grotte Virgils zu sehen, die nicht weit von diesem Dorfe in der herzoglichen Menagerie, welche auch Virgiliana heißt, befindlich ist.
Die Besuche der Fremden haben das Andenken des Dichters selbst unter den Bewohnern dieses Dorfes wieder aufgefrischt, welche in Ansehung ihres berühmten Landsmannes nicht so unwissend waren, daß sie nicht von seinem großen poetischen Genie hätten reden sollen; auch wußten sie von seinen Lebensumständen zu erzählen.
Wir gingen nun von hier nach der herzoglichen Menagerie, wo alles ein trauriges und wüstes Ansehen hatte. Hier gingen wir einen langen Hof oder verfallenen Garten hinunter und kamen endlich an die Grotte Virgils, welche diesmal das Ziel unserer Reise war.
Hier sahen wir nun den Platz, wo ehemals eine Grotte gewesen sein soll, welche Virgil bei seinen früheren Versuchen in der Dichtkunst zu seinem einsamen Aufenthalte wählte. jetzt standen alte Waschfässer und hohes Unkraut hier umher; alles war zerstört und öde, und von dem Heiligtum des Dichters war keine Spur mehr da.
Der Vetturin muß dem Fremden, welcher mit ihm wegen einer Reise akkordirt, ein Stück Geld zur Sicherheit geben, statt daß es sonst umgekehrt ist. Das Geld heißt Kappara, und mit dieser Kappara in der Hand steht ein solcher Vetturin vor einem, wie der Teufel, der im Begriff ist, eine Seele zu fangen. Er braucht alle mögliche Überredungskunst, und nimmt man das Geld, so ist man sein, oder man muß ihm den doppelten Werth ersetzen.
Mein Vetturin in Mantua ließ denn auch nicht ab, bis er mich gefangen hatte, ob ich gleich erst gesonnen war, zu Wasser nach Bologna zu gehen. Zwischen ihm und mir wurde von einem Kaufmann, an den ich empfohlen war, ein schriftlicher Kontrakt aufgesetzt, der auf alle mögliche Chikanen eingerichtet war, die sich Leute in unserm Verhältniß einander nur zufügen konnten, und auf deren Ausübung man nun von beiden Seiten Verzicht that.
Mit diesem Kontrakte in der Hand faßte ich eine Art von Zutrauen zu meinem Vetturin, der am andern Morgen früh mit einem ganz neuen sehr eleganten Wagen, der gar keinem Reisewagen ähnlich sahe, vorfuhr, und mich einzusteigen nöthigte, indem er mich meinem Reisegefährten, einem jungen Kaufmann aus Bologna vorstellte. Hierauf verschwand mein Vetturin, und ein Unbekannter trieb mit dem Wagen fort.
Nachdem ich mich eine Weile mit dem Kaufmann unterhalten hatte, bezeigte ich meine Verwunderung über unser schönes Fuhrwerk, und vernahm denn von ihm, daß dieser Wagen gar nicht zur Reise bestimmt sey, sondern daß er ihn erst neu habe machen lassen, und ihn jetzt, für jemanden nach Bologna bringe, der ihm die Besorgung davon aufgetragen habe; daß sein Vetturin aus Verona sey, und ihn gebeten habe, gegen eine Kleinigkeit, die er am Fuhrlohn nachgelassen, mich mitzunehmen.
Ich fuhr also mit einem fremden Fuhrmann, in einem fremden Wagen, und hing gewissermaßen von der Diskretion meines Gefährten ab, der bei dem Akkord, den sein Vetturin mit ihm gemacht hatte, noch dazu auf meine Unterhaltung angewiesen war, und mich dafür auch um ein Paar Paol weniger hatte mitnehmen müssen.
Als wir uns auf die Weise verständigt hatten, schilderte mir mein Reisegefährte die italiänischen Vetturine, als eine ganz eigne Menschenklasse, eben nicht zum besten, machte aber doch eine Ausnahme von dem, der uns jetzt fuhr, und rühmte ihn als einen der besten mit dem er noch zu thun gehabt habe.
Wir kamen nun über den Po, durch Reggio und Modena über die große Ebene bis Bologna, und noch dicht vor der Stadt, wo wir in dem Gasthofe einkehrten, hörte das freundschaftliche Vernehmen zwischen dem Vetturin und meinem Reisegefährten plötzlich auf, indem er nun erst noch eine Forderung machte, die im Akkord nicht gegründet war. Der Streit wurde immer heftiger. — Vetturini son' Vetturrini! (Vetturine sind doch Vetturine) sagte mein Reisegefährte im größten Affekt, nahm seine erste Ausnahme gänzlich wieder zurück und warnte mich, da wir Abschied nahmen, vor allen Vetturinen in der Welt.
Da ich nun hier in Bologna anlangte, sahe ich auch meinen Vetturin aus Mantua, merkte aber wohl, daß er mich hier schon wieder an einen andern verhandelt hatte, der mich nun weiter mitnehmen soll. Er hat mir diesen Herrn, der mich fahren soll, schon vorgestellt; es ist ein Kerl mit einer abscheulichen Physiognomie. Ich fragte ihn, ob es sein Knecht wäre? per servirla! war seine Antwort.
Rimini, den 10. Oktober.
Von Bologna kein Wort! weil ich nach einem Aufenthalte von zwei Tagen, nicht sagen kann, daß ich es gesehen habe, und die auswendig gelernten Sprüche eines Cicerone nicht niederschreiben will.
Der Vetturin mit der bösen Physiognomie, an welchen mich mein Mantuaner verhandelt hatte, machte mir ein grimmiges Gesicht, als ich bei dem ersten Schlagbaum vor Bologna mich weigerte das Wegegeld zu bezahlen, und mich auf meinen schriftlichen Kontrakt berief. — Er fuhr langsam weiter, und sahe sich von Zeit zu Zeit sehr unfreundlich nach mir um.
Dieß machte mir kein Vergnügen, da ich allein im Wagen saß, und es war zu meinem großen Troste, als wir einen alten Franziskaner-Mönch am Wege sitzend antrafen, welchen mein Vetturin mitzufahren einlud; aber nicht umsonst: denn dieser Franziskaner, welcher nach seinem Kloster zu Assisi reiste, trug Geld bei sich, und mein Vetturin akkordirte erst lange mit ihm, ehe sie über das Fuhrlohn für eine kleine Strecke einig werden konnten; auch warnte er ihn vor den Mördern und Spitzbuben in den Gebirgen, vor denen er sicher seyn würde, wenn er sich ihm anvertraute, und nicht allein und zu Fuße ginge.
Der alte Mönch stieg endlich auf, und setzte sich neben mich, ich wünschte mir Glück zu seiner Gesellschaft, weil ich nun mit meinem Vetturin nicht mehr allein war. Allein verdrießlicher habe ich in meinem Leben kein Gesicht gesehen, als dieses alten Mönchs. Es ließ sich mit mir zwar ins Gespräch ein; aber jedes Wort, das er sprach, erschien ihm zu verdrießen; und als er endlich gar von mir hörte, daß ich ein Preußischer Unterthan, und also ein Protestant sey, so sprach er kein Wort mehr, sondern fing nun einmal über das andre an zu jähnen, und machte sich, so oft er jähnte, ein Kreuz über den offnen Mund. —
Diese traurige Gesellschaft hatte mir schon ziemlich Langeweile gemacht, als wir vor ein Kloster kamen, wo er abstieg um einzukehren, und nicht weiter mitfuhr.
Dieß Kloster hatte auf einer Anhöhe eine reizende und gesunde Lage, und die Leute eine blühende Gesichtsfarbe.
Ein junger Mönch aus diesem Kloster meldete sich nun zum Reisegefährten, und ein anderer, der ihn begleitete, akkordirte für ihn mit dem Vetturin. Als der junge Mönch mich anredete, und ich mich nicht geläufig genug im Italiänischen ausdrückte, so nahm der andre sogleich hievon Gelegenheit, noch etwas am Fuhrlohn abzudingen, weil nehmlich auf meine Unterhaltung nun weniger zu rechnen wäre, und der Vetturin, der sich dieß gefallen lassen mußte, warf mir abermals einen sehr unfreundlichen Blick zu.
Zwischen dem jungen Mnch und meinem vorigen Reisegefährten war nun der auffallendste Kontrafs, den man sich denken kann. Der junge Mönch, welcher jetzt mit mir fuhr, war vom Augustinerorden, kaum zwanzig Jahr alt, von blühender Gesichtsfarbe, und unter seinem Ordenshabit, den er unterweges ablegte, in einem leichten Sommerrock, wie ein Stutzer gekleidet.
Er machte schon den Freidenker; sagte Doktor Luther sey ein großer Kopf gewesen; und wenn ein Bettler uns ansprach, so ertheilte er ihm die Benediktion, worauf er mich ansahe und lachte.
Von seinen Bekannten, die uns hier noch begegneten, nahm er mit den Worten Abschied:
in Paradiso ci revedremo! (im Paradiese werden wir uns wiedersehn!) welches die gewöhnliche Form des Abschiednehmens ist, und so viel heissen soll, als: Lebt wohl auf immer!
Er war immer aufgeweckt und munter, erzählte mir, daß er jetzt in ein ander Kloster ginge, und freute sich auf diese bevorstehende Veränderung des Ortes seines Aufenthaltes. Die Augustiner, meinte er, machten von den Mönchsorden doch so die Mittelgattung aus, sie hätten nicht zu viel und nicht zu wenig, wären auch nicht sehr genirt, und könnten das angenehmste und zufriedenste Leben von der Welt führen.
Wir fuhren hier in einem immerwährenden Lustgarten, wo Wein, Getreide und Obst, auf einem und demselben Boden gedeihen, und wo man sagen kann, daß die Saaten zwischen den Wäldern, und die Wälder zwischen den Saaten wachsen, weil wirklich ein Wald von dicht aneinander gepflanzten Obstbäumen, die Getreidefelder deckt, wo das hohe Korn im Schatten der Bäume steht, und die Weinranken, welche wie Guirlanden von einem Baum zum andern voll schwerer Trauben hängen, von oben eine immerfortgehende Laube bilden.
Dieser Anblick ist immer derselbe und ist doch immer neu und schön; das Auge ersättigt sich nicht, in diese Schatten zu blicken, wo aus einer immer dunklern Ferne, dennoch die reizende Frucht hervorblinkt, und des Reichthums und der Fülle sich gar kein Ende zeigt.
Die Einbildungskraft kann sich dieß so schön nicht mahlen, als es wirklich ist. Denn mit der Schönheit ist hier die Fülle verknüpft, welche kein Bild fassen kann, seine Umrisse mögen auch noch so reizend seyn.
Was soll ich Ihnen neues von den kleinen Städten Forli, Faenza, u.s.w. sagen, durch welche wir gekommen sind? — In Cesena, der Geburtsstadt des jetzigen Pabstes und dem eigentlichen Wohnorte meines Vetturins, haben wir übernachtet, und auch einen Tag hier zugebracht, der ein Festtag war, welchen mein Vetturin hier feierte. Hier habe ich auf einem großen Platze vor dem Rathhause dem Ballonspiel zugesehen, wobei sich eine Menge Zuschauer aus allen Ständen befanden, die sich ganz ausserordentlich für dieß Schauspiel interessirten, und durch lautes Beifallzurufen von Zeit zu Zeit die Spieler aufmunterten, die ebenfalls die Sache sehr ernsthaft zu nehmen schienen. — Das Spiel dauerte mehrere Stunden nacheinander, ohne daß Spieler oder Zuschauer müde wurden.
Als wir uns Rimini näherten, stieg ich aus, und ging, weil der Wagen langsam fuhr, eine Strecke zu Fuße. In dem nächsten Flecken vor Rimini war Markt gewesen, von welchem die Leute zu Hause kehrten. Die Tracht der jungen Mädchen welche mit bloßen Köpfen gingen und natürliche Blumen in ihr Haar geflochten hatten, war fähig die Einbildungskraft nach Griechenland zu versetzen — und bald erschien nun zur linken Hand, hinter den allmälig zurücktretenden Bäumen, das adriatische Meer, welches, wenn man aus diesem waldigten Garten, auf einmal ins Freie tritt, einen Anblick macht, der über alle Beschreibung geht. — Bei heiterm Wetter entdeckt man hier schon die gegenüberliegenden Küsten.
Wir kamen nun über die große von Augustus erbaute Brücke, nach Rimini, wo wir in dem wohlgebauten Gasthof zum Löwen des Evangelisten Markus einkehrten, und ich den festen Entschluß faßte, mich von meinem Vetturin zu trennen, der mir unterwegens schon manchen Verdruß gemacht, und mit dem ich die Reise bis Rom zu machen auf keine Weise gesonnen war.
Ich traf hier einen deutschen Handschuhmacher, der meinen Vetturin kannte, und durch dessen Vermittelung ich noch ziemlich ohne Schaden von ihm los kam. Auffallend war es mir, indem diese beiden wegen meiner Sache miteinander disputirten, daß sie sich immer einander erst das Kompliment, parlate bene! oder dite bene! (ihr redet wohl! ihr redet gut!) machten, ehe sie zu der Widerlegung ihrer Meinungen schritten, und also der Gegner, ob er gleich mit den Gedanken des andern nicht zufrieden war, doch immer seinem Ausdruck Gerechtigkeit wiederfahren ließ.
Nun bin ich also frei, und denke mich ein paar Tage hier aufzuhalten, wo ich denn auch die kleine Republik St. Marino, die man hier so nahe vor sich liegen sieht, besuchen werde; von dieser kleinen Wanderung sollen Sie denn in meinem nächsten Briefe hören!
Rimini, den 12. Oktober.
Die Aussicht von Rimini nach St. Marino hat schon an sich etwas Romantisches, und je beschwerlicher der ganze Weg dahin ist, desto reizendere Aussichten gewährt er.
Die Ebenen um Rimini sind noch schön und fruchtbar, die nächsten Hügel sind mit Obst- und Weingärten umkränzt oder mit Olivenbäumen bepflanzt, so daß die ganze Natur hier noch ein lachendes und fröhliches Ansehen hat; je mehr man sich aber den republikanischen Bergen nähert, desto rauher, steinichter und unfruchtbarer wird die ganze Gegend.
Die kleine Republik wird sehr selten von Fremden besucht; es gehet daher auch keine ordentliche gebahnte Straße dahin, und wegen der Rauhigkeit des Weges kann man nicht wohl anders als zu Pferde oder zu Fuß hinkommen.
Ich wählte das letztere und nahm mir zu dem Ende aus Rimini einen Wegweiser mit.
Es war noch früh am Tage, da wir unsere Reise antraten, und so wie wir von Rimini bergan stiegen, erweiterte sich die Aussicht über das Adriatische Meer, und nur der blendende Glanz der Sonne verhinderte, daß wir die jenseitigen Küsten nicht entdecken konnten, die sich sonst wie dunkle Nebelstreifen zeigen.
Mein Wegweiser war sehr aufgeräumt, und wenn ich nicht mit ihm sprach, so sang er, und zwar recht zärtlich und schmachtend: "Una bella contadina inamorar mi fa" (Eine schöne Bäuerin hat mein Herz gefesselt usw.). Er sang dies viel langsamer als wir unsere Choräle und in lauter dicht aneinandergrenzenden, unreinen Tönen, so wie von dem gemeinen Volk in Italien alles, was ihnen einfällt, gesungen wird.
Eine gute Strecke von Rimini hatten wir noch wie in einem immerwährenden Lustgarten gewandelt, nun aber fing der Weg schon an, rauh und steinicht zu werden, und bald befanden wir uns auch auf der Grenzscheidung zwischen der Republik und dem päpstlichen Gebiet.
Diese Grenzscheidung ist auf einer kleinen Brücke, die über ein fließendes Wasser geht; und die Grenzlinie ist so äußerst genau bestimmt, daß sogar die Jahrzahl 1779 davon durchschnitten wird.
Wir kehrten nun in dem republikanischen Dorfe Ceravallo ein, wo wir mit Wein und Brot und sehr wohlschmeckenden Feigen bewirtet wurden,
Mein Wegweiser erzählte der Frau vom Hause, daß ich von Rimini hergereist sei, bloß um die Republik zu sehen, und daß ich in Rimini meinen Fuhrmann zurückgelassen hätte; "per vedere la nostra republica!" (unsre Republik zu sehen!), rief die Frau voller Freuden aus und ließ sich von meinem Wegweiser erzählen, wie weit ich schon hergekommen sei, um alle diese Gegenden zu sehen. Dann beklagte sie uns wegen des schlimmen Weges, wobei mir ihre Aussprache des Italienischen merkwürdig war, weil man hier das a völlig wie im Englischen und z. B. Strada wie strädä ausspricht.
Nach einem sehr ermüdenden Wege langten wir endlich kurz nach Mittag erst am Fuß des steilen Berges an, auf welchem die Stadt gebauet ist.
Hier unten am Berge ist eine Art von Vorstadt oder Flecken, den man im Italienischen Borgo nennt. Dieser Borgo ist lebhafter und bewohnter als die Stadt selber, und weil nun in der ganzen Republik St. Marino kein Gasthof ist, so führte mich mein Wegweiser in das Haus eines Schusters von seiner Bekanntschaft, wo ich die Nacht mit ihm herbergen sollte und der uns erst nach einigen Bitten von seiten meines Wegweisers aufnahm, weil diese Leute nicht darauf eingerichtet waren, Fremde zu bewirten.
Auf dem Herde war Feuer gemacht, woran wir uns wärmten, weil wir auf einmal aus dem Sommer von Rimini in den kältesten Herbst gekommen waren, so sehr abstechend ist das Klima auf diesen Bergen von dem auf der Ebene. Während der Zeit kleidete unser Wirt sich an, um mit mir in die Stadt hinaufzugehen und mir die Merkwürdigkeiten zu zeigen.
Der Weg zu der Stadt ist nur ein einziger, welcher sich an dem steilen Berge hinaufwindet. Unterwegens begegneten uns einige Leute, von welchen mein Begleiter mir mit einer Pantomime zu verstehen gab, daß sie schon manchem den Dolch in die Brust gestoßen hätten. Nachher erzählte er mir, daß dies Mörder wären, die sich hierher geflüchtet hätten, aber auch das Gebiet der Republik nicht überschreiten dürften, wenn sie nicht wollten gefangen werden; in der Republik aber dürfte ihnen niemand etwas tun.
Wir stiegen so hoch, daß der Borgo oder Flecken, aus dem wir gekommen waren, wie eine Pygmäenstadt zu unsern Füßen lag und daß Rimini mit seinem Hafen, welches doch drei deutsche Meilen entfernt ist, ganz nahe am Fuße des Berges zu liegen schien. Das Adriatische Meer lag vor uns in seiner ganzen Breite, und hie und da entdeckte man die weißen Segel von kleinen Fischerböten. — Der Berg von St. Marino selbst wirft seinen Schatten weit ins Meer.
Auf dieser Höhe lag nun die Stadt, in welche wir hineingingen und wo die meisten Häuser mehr in den Felsen eingehauen als darauf gebauet zu sein schienen; denn oft macht die Felsenwand zugleich die Wand des Hauses, und die menschlichen Wohnungen sind wie Nester in Ritzen und Spaltungen hingebaut, denn die Stadt liegt gerade auf dem schmalen Rücken des Berges, der vorn ganz schroff in die Höhe steigt und hinter sich auf einmal wieder abhängig wird, so daß er sich selbst beschützt.
Hinter der scharfen Ecke des Berges zieht sich die Stadt hin und verbirgt sich dahinter. Auf der scharfen Ecke aber sind in einiger Entfernung voneinander drei Kastelle mit Türmen gebaut, welche sehr weit hin können gesehen werden. Diese drei Türme sind auch in dem Wappen der Republik, welche drei Kastelle, drei Klöster und fünf Kirchen in ihrem Gebiete zählt.
Den sonderbarsten Anblick machen die kleinen Gärten, welche auf dem ganz nackten Felsen zwischen den Häusern stehen und zu denen man die Erde notwendig von unten muß heraufgebracht haben.
Die Stadt überhaupt hat etwas Totes und Stilles, wodurch man ganz natürlich auf ihren Ursprung aus einer Eremitage zurückgeführt wird, welcher Ursprung schon an sich etwas Auszeichnendes hat und daher mit ein paar Worten hier berührt werden muß.
Der heilige Marino, welcher diese Republik stiftete, war nämlich seines Handwerks ein Maurer und half vor mehr als dreizehnhundert Jahren die Stadt Rimini wieder aufbauen, welche damals ganz zerstört lag.
Als er auf die Weise der Welt nützlich gewesen war, begab er sich, um nun ganz dem Himmel zu leben, auf diesen einsamen Berg, der recht dazu gemacht zu sein schien, um das Gemüt von dem Erdboden abzulenken, welcher hier in öder Unfruchtbarkeit durch keinen Reiz die Sinne fesselt. Ganz dem Irdischen abgestorben und schon sich selbst entnommen, tat dieser heilige Mann ein Wunder oder glaubte doch, es zu tun, und der Ruf von seiner Heiligkeit erscholl nun in der ganzen Gegend, so daß selbst die Landesfürstin, davon gerührt, ihm ein Geschenk mit dem Berge machte, den er bewohnte.
Von allen Seiten strömte nun das Volk dem Berge und dem Manne zu; und der heilige Marino wurde bei seiner unausgesetzten strengen Lebensart noch einmal wieder der Welt nützlich, indem er auf diesem Berge eine Stadt zu bauen anfing und die Republik stiftete, welche sich noch itzt nach seinem Namen nennt und ihn als ihren ersten Schutzheiligen verehrt. Er wird abgebildet, wie er einen Berg mit drei Türmen auf seinen Händen trägt.
Wir gingen nun in die Hauptkirche der Republik, welche dem Schutzheiligen gewidmet ist und die gegen die sonst übliche Pracht in den katholischen Kirchen sehr auffallend absticht; so arm und ungeschmückt sieht dieser kleine Tempel aus. Hinter dem Altare sieht man die bloße Felsenwand, an welche die Kirche gebaut ist; und in diesem Felsen sind gegen einander über zwei Öffnungen gehauen, in deren jeder ein Mensch ausgestreckt liegen kann. Dies war die Schlafstätte des heiligen Marino und seines Gehülfen, der auch ein Maurer war und mit ihm zugleich diesen Aufenthalt bezogen hatte. Sie hatten sich mit ihren eigenen Händen diese harten Betten in dem Felsen ausgehauen, der von ihrer Aufopferung und Selbstverleugnung ein immerwährendes Denkmal ist.
Die übrigen Kirchen und Paläste zeichnen sich ebenfalls durch Simplizität aus, die an Armut grenzt, und machen daher kein Mißverhältnis mit dem Ganzen der Republik, welche auf Resignation gebauet ist.
Wir besahen den Palast eines gewissen Cavallieri Magi d'Urbino, wo uns denn doch eine Gemäldegalerie von sehr mittelmäßigen Kupferstichen, ein Porzellanservice von Fayence und ein Prunksaal, mit ganz gemeinen Stühlen und Tischen möbliert, gezeigt wurde. Der Bediente, welcher den Cicerone machte, nahm, wie es in Italien Gebrauch ist, ein Trinkgeld dafür, daß er uns die schönen Sachen gezeigt hatte. Er war auch gar nicht geheimnisvoll damit, daß sein Heroismus, den er durch einen Dolchstoß bewiesen, ihn auch zu diesem Zufluchtsorte gebracht habe.
Wir stiegen darauf zu dem ersten von den dreien Türmen hinauf, wo die Staatsgefängnisse sind und wo uns die Gefangenwärterin jedes Zimmer bezeichnete, in welchem eine merkwürdige Person in Verhaft saß. Sie redete dabei ganz leise, mit einem geheimnisvollen Wesen. Die vielen Staatsgefangenen sind ein Beweis, wie strenge die kleine Republik in der Verwaltung ihrer eigenen Justiz verfährt.
Der Senat der Republik besteht aus vierzig Personen, wovon die eine Hälfte aus dem Adel und die andere aus dem Volke genommen ist. Es dürfen in diesem Senat nicht zwei von einer Familie seyn; kein Sohn kann bei Lebzeiten seines Vaters und niemand ohne vorhergegangene Wahl eintreten. Die höchsten Staatsbedienten sind zwei Kapitäne, welche alle sechs Monate gewählt werden und einen Justitiarius zur Seite haben, der ein Fremder sein muß und nur auf drei Jahre zu dieser Stelle gewählt wird, damit man unter einer schlechten Wahl nicht zu lange leiden möge. In Staatsgeschäften von außerordentlicher Wichtigkeit wird der Große Rat zusammenberufen, in welchem jedes Haus seinen Repräsentanten hat.
Da wir gegen Abend wieder nach unserm Borgo herunterstiegen, begegnete uns ein Mann, in einen Roquelaur gehüllet, den mein Begleiter ehrerbietigst grüßte; und als er vorbei war, sagte er, das sei der Capitano regente (der regierende Befehlshaber), aber incognito gewesen; denn sonst gehe er immer mit Begleitung und trage eine Allongenperücke. Mein republikanischer Schuster schien doch eine Art von Stolz darin zu finden, mir seinen Capitano so glänzend wie möglich zu schildern; ihm wäre sonst eine Wache von sechzehn Mann bestimmt, wovon sein Sohn einer sei, den ich den Abend würde kennenlernen.
Als wir zu Hause kamen, war es strenge kalt; wir setzten uns ums Feuer; der Sohn meines Wirts, ein junger, wohlgewachsener Bursche, kam auch zu Hause und setzte sich zu uns, und nun wurde über Staatseinrichtungen gesprochen, und mein Wirt erzählte mir, daß außer ihm noch fünf Schuster in der Republik wären, daß die Zahl von sechsen nicht dürfe überschritten werden und daß ein jeder sein Leben daran wagen würde, die Republik bei einem feindlichen Angriffe zu verteidigen.
Einmal hatte sich ein päpstlicher Legat mit Gewalt und List der Republik schon so weit bemächtiget, daß er im Namen des Papstes feierlich Besitz davon genommen hatte und in der Hauptkirche das Tedeum anstimmen ließ, als ihm während dem Lobgesang auf einmal eine Flintenkugel dicht vor dem Ohre vorbeisummte, die den siegreichen Kardinal so in Schrecken setzte, daß er plötzlich und still mit seinen Truppen wieder abzog und seit der Zeit die Republik beständig in Ruhe ließ.
Freilich ist es dem päpstlichen Despotismus höchst zuwider, mitten im Schoße des Kirchenstaats ein freies Völkchen zu dulden, da überdem verschiedene Große aus dem Kirchenstaate sich das Bürgerrecht von St. Marino für eine Ehre schätzen.
Man sucht daher im Kirchenstaat, und besonders in dem benachbarten Rimini, die Republik auf alle Weise lächerlich zu machen, um sich gleichsam dafür zu rächen, daß dieses Volk seit Jahrhunderten edler und größer als seine Nachbaren denkt.
Über diese und ähnliche Gegenstände brachten wir den Abend mit Gesprächen hin und verzehrten dabei unser Abendessen dicht neben dem Herde, auf dem es zubereitet war.
Den andern Morgen früh machte ich allein wieder eine Wanderung auf den Berg, um eine vollständige Idee von dem ganzen Umfange der Republik zu haben, die ich dann auch bekam, weil sich ein paar junge Leute zu mir gesellten, die mir nach allen Seiten die Grenzen des Gebiets von St. Marino bezeichneten, so daß man dasselbe von der einen Spitze des Berges ganz übersehen konnte.
Diese beiden jungen Leute waren wohlgekleidet und schienen sehr wohlerzogen zu sein. Sie befriedigten noch über Verschiedenes meine Wißbegierde, zeigten mir die großen Zisternen, worin das Regenwasser aufgefangen wird, weil es gänzlich an anderm Wasser fehlt, und führten mich in die Kapuzinerkirche, wo über dem Altar ein schönes Gemälde hängt, das eine Abnehmung Christi vom Kreuze darstellt. Die Kapuziner haben aus ihrem Kloster die schönste Aussicht und auf dem Felsen hinter dem Kloster einen Garten, der für St. Marino so schön ist, als er nur sein kann.
Meine beiden höflichen Begleiter sagten mir, es sei sehr ungewöhnlich, daß Fremde hierherkämen, darum sei auch kein Gasthof in ihrem Gebiet. Vor mehreren Jahren wären einmal Engländer dagewesen. Sie fragten mich, ob man in unserm Lande den Namen ihrer Republik wisse und was man mir in Rimini für eine Beschreibung davon gemacht habe usw. Nach dem, was sie sagten, zu schließen, war ihr republikanischer Stolz sehr bescheiden.
Sie begleiteten mich bis zu dem Borgo hinunter; und die Frau des Schusters, die uns hatte kommen sehen, sagte mir mit einer sehr bedeutenden Miene, ob ich wohl wisse, wer der eine von meinen Begleitern gewesen sei. Es sei der Sohn des Capitano regente gewesen.
In dem Borgo war es lebhaft, weil gerade Markt war; und in einem Kaffeehause war eine Anzahl Priester versammlet, denen man es an der armseligen Kleidung und hagern Gestalt wohl ansahe, daß sie keine päpstliche, sondern republikanische Geistliche waren.
Wir nahmen nun Abschied von unserm Wirt, dessen Sohn uns noch eine Strecke begleitete; dann eilte ich mit meinem Wegweiser schnell den Berg hinunter. In Ceravallo hielten wir uns nicht auf, und kurz nach Mittag erreichten wir schon die Grenzscheidung. Der Berg von St. Marino hatte sich in Wolken gehüllt, und wir befanden uns wieder auf päpstlichem Gebiet.
Rimini, den 14. Oktober.
Rimini selbst ist ein lebhafter Ort; alles hat hier bei der schönen Jahreszeit ein lachendes Ansehen, und die Weinlese bietet dem Auge manche malerische Scene dar. — Auf den weinbeladnen Waagen stehen die Winzerinnen, das Haar mit Blumen durchflochten, und Jauchzen und Gesang ertönt von allen Seiten.
Rechter Hand von der großen Brücke ist ein angenehmer Spaziergang längst dem Flusse hin, wo man vor sich die Aussicht auf das Meer hat; nach der Landseite, auf den Anfang der Appenninen, die hier erst allmälig mit kleinen Hügeln und Anhöhen sich erheben.
In dem Hafen sieht man nur Fischerkähne, deren weiße Seegel auch in der Ferne auf dem Meere schimmern. Die Wohnungen der Fischer nach dem Meere zu, sind eine Reihe kleiner und niedriger Häuser, deren Einwohner, als ich hier am Sonntage spazieren ging, in ihrem festlichen Schmuck vor der Thüre saßen, und heiter und vergnügt aussahen.
Hier sah ich denn auch an der Mündung des Flusses eine Kirche des heil. Antonius, mit der Inschrift: daß auf den Ruf dieses Heiligen die Fische sich versammelten, um aus seinem Munds das göttliche Wort zu hören, und daß, durch dieses Wunder bewogen, viele thörichte Ketzer zur Vernunft gebracht wären (desipientes resipuere). — Da nun die Fische eine solche Ehrfurcht gegen den heiligen Antonius hegten, was Wunder denn, wenn die Fischer ihn mit der größten Andacht in seinem Tempel verehrten.
Es war schönes und stilles Wetter, und ich machte den Abend noch einen Spaziergang bis dicht ans Meer, wo sich die Wellen sanft zu meinen Füßen brachen. —
Als ich zurückkehrte, saßen die glücklichen Fischer noch vor den Thüren ihrer niedrigen Häuser, in welchen der enge Kreis ihres Daseyns sich beschränkt, das in dem festen Glauben an den heiligen Antonius, und an die Andacht der Fische, die seiner Predigt zuhörten, still und sanft verfließt.
Auf dem Wege nach Pesaro, am Ende der Strada Romana, steht der Triumphbogen, welcher dem Augustus hier zu Ehren errichtet ist, und einen ehrwürdigen Anblick macht. — Die lange Straße, welche dahin führt, erstreckt sich von dem einen Ende der Stadt zum andern, und in der Mitte derselben ist eine Art von antiken Altar befindlich, wo Julius Cäsar, wie die Inschrift sagt, nachdem er in dem Bürgerkriege über den Fluß Rubikon gegangen war, seine Soldaten soll angeredet haben.
Dicht neben diesem Monumente ist nun eine kleine Kapelle, mit der Inschrift: daß hier die Säule aufbewahrt sey, an welcher der heilige Antonius zu dem Volke geprediget habe.
Hier gegenüber zeigt man ein altes Haus, wo nach der Volkssage ein arger heidnischer Ketzer wohnte, der nicht eher glauben wollte, bis er sahe, daß ein Esel vor der Monstranz seine Knie beugte, dessen Beispiele er denn mit großer Andacht folgte.
Sonderbar nimmt sich die Inschrift an einer alten Festung der Stadt aus, welche von einem Kardinal erbaut, oder wieder hergestellt ist: damit der Rubikon nicht ungestraft überschritten werde (ne Rubico transeatur impune!). — Wenn man sich nun die vormaligen und jetzigen Zeiten denkt, so kann es wohl nicht leicht einen komischern Kontrast geben.
Ueber den Rubikon selbst aber streiten sich bis jetzt die Antiquaren, welcher von den kleinen Flüssen in dieser Gegend es gewesen sey. Man trägt sich mit der drolligten Anekdote, daß der jetzige Pabst zu Gunsten seiner Vaterstadt, und vermöge seiner Infallibilität für einen Fluß bei Cesena entschieden habe, daß es der wahre Rubikon sey.
In das hiesige Kapuzinerkloster sind die Ueberreste von einem Amphitheater verbaut, welches der Konsul Publius Sempronius hier errichten ließ; und ich fand auf dem Walle sogar einen Handweiser, mit der Inschrift: daß derselbe auf die Ruinen des vom Konsul Sempronius errichteten Amphitheaters hindeute — woraus man also sieht, daß die Aufmerksamkeit auf die Ueberreste des heidnischen Alterthums doch auf keine Weise durch das Religiöse verdrängt wird.
In einem Kaffeehause las ich hier in der fiorentinischen Zeitung ein Stück aus Zöllners Predigt, womit derselbe in der Marienkirche in Berlin, den jetztregierenden König bei seinem Eintritt soll angeredet haben. Der Artikel von Berlin mit den Anekdoten von den letzten Lebenstagen Friedrich des Großen nahm fast die ganze Zeitung ein, deren Lesung mich im Geiste nach Berlin versetzte.
Auf dem Markte fand ich einen Buchladen, der eben nicht viel zu bedeuten schien. Ich kaufte mir eine Beschreibung von Italien, die sechzehn Bogen stark, und schön auf Schreibpapier gedruckt war, für zwei Paol, welches noch nicht acht Groschen ausmacht, und also nach unsern Bücherpreisen zu rechnen, sehr wohlfeil war.
Das prachtvollste Ansehen in Rimini hat der Fischmarkt, welcher mit seinem neugebauten Portikus einen schönen Platz einschließt, und vielleicht allen übrigen Fischmärkten den Rang streitig macht; wobei man sich denn natürlicher Weise an den heiligen Antonius, und an den Umstand erinnert, wodurch die Fische hier ein so merkwürdiger Gegenstand geworden sind, und alles, was auf sie Bezug hat, auch ein glänzendes Ansehen erhält.
Eine sehr zahlreiche Procession habe ich auch hier mit angesehen, wo die Madonna, gleich einer Juno oder Cybele, in einem Kleide mit Sternen besät, vorangetragen wurde, und die Matronen der Stadt dem wunderthätigen Bilde folgten, wozu sich junge Mädchen und Knaben gesellten, welche dieser Göttergestalt zu Ehren Lobgesänge anstimmten. — Die Dominikanermönche, welche ich bei diesem Aufzuge folgen sahe, waren viel feiner und zierlicher gekleidet, wie diejenigen, die ich in Deutschland gesehen habe; auch schienen sie überhaupt gebildeter zu seyn.
Die Kirche des heiligen Franziskus, welche ganz von Marmor im Jahr 1450 erbaut ist, hat ein sehr ehrwürdiges Ansehen. Auf der rechten Seite der Kirche stehen sieben Marmorsärge unter eben so viel Bogen, auf dem marmornen Fuß der Kirche.
Auch der Erbauer der Kirche, Sigismund Pandulfus Malatesta, welcher im Jahr 146; starb, hat sein Grabmal hier, und seine Grabschrift steht an dem Marmorsarge nahe bei der Thüre. Diese Reihe von Grabmälern auswendig an der Kirche, macht einen ganz besondern melancholischen Eindruck. Das Grab hat gleichsam seine Innenseite herausgekehrt, und die Monumente der Zerstörung zeigen sich in ihrer furchtbaren Pracht dem Auge.
Auf dem großen Platze vor dem Rathhause steht, neben einem Springbrunnen, die bronzene Statue des Pabstes Paulus des 5ten mit den Schlüsseln in der Hand. — Die eherne Rechte ertheilt dem Volke den Seegen.
Die Geschichte von zwei Spitzbuben, Tomasini und Tremond, welche jetzt gefangen sitzen, nachdem sie eine lange Zeit allen Schlingen, die man ihnen legte, glücklich entkommen sind, wurde mir hier mit der größten Theilnehmung an dem Schicksale dieser Spitzbuben erzählt.
Sie hatten sich sogar eine Art von Vestung gebaut, und aus derselben lange Zeit den Häschern Widerstand gethan, wären auch den Galgen wohl entkommen, wenn nicht ihre Religiosität sie mit Gewalt zu demselben gebracht hätte; denn sie konnten sich nicht enthalten, sonntäglich eine Messe in einer Kapelle zu hören, wozu sie durch einen unterirrdischen Gang gelangten; dies war denn die Veranlassung, daß durch Verrätherei die Vestung überging, und diese devoten Räuber in die Hände der Sbirren fielen.
Den Heldenmuth des Tomasini und Tremond konnte man nicht genug bewundern und erheben, so daß man, indem man sie beklagte, dennoch gewissermaßen ihr Schiksal zu beneiden schien.
Rimini, den 14. Oktober.
Gestern Nachmittag ging ich noch aus dem Tore von Rimini nach Westen zu spazieren, wo hinter der Stadt, dem Meere gegenüber, einige reizende Hügel emporstiegen, auf denen drei Klöster, eines über dem andern, gebauet sind, die mit ihren fruchtbaren Gärten und Weinbergen den angenehmsten Prospekt machen. Ich übersahe von hier aus die umliegende Gegend, die Stadt und das Meer und sahe die Sonne über der Küste von Dalmatien untergehen, die sich wie ein dünner Nebelstreif schon von hier aus zeigt.
Man kann sich keine angenehmere Lage denken, als die die drei Klöster auf diesen Bergen haben, zu welchen sich der Weg beständig zwischen grünen Hecken, Obstbäumen und Weingärten hinaufwindet und wo sich, so wie man in die Höhe steigt, der Horizont mit jedem Schritte erweitert.
Die klösterliche Stille und Einsamkeit, die hier oben herrscht, macht die Szene noch feierlicher, und diese Hügel bilden gewiß die angenehmste Eremitage, die man sich denken kann.
Hier, über die niedrigen Sorgen des Lebens hinweggesetzt und über allen Tand der Erde erhaben, in Einsamkeit und Stille und in Betrachtung göttlicher Dinge seine Tage zuzubringen, des Morgens den ersten Strahl der Sonne, wenn sie emporsteigt, zu begrüßen und mit seinen Empfindungen in das große Loblied der ganzen Natur harmonisch einzugreifen oder im Sturm und Ungewitter von fern das tobende Meer zu betrachten und hier unter seinem ruhigen Obdach gesichert und in Frieden zu sein — das sind Gedanken und Empfindungen, die dem Menschen so natürlich sind, daß es einen gar nicht befremden kann, an einem solchen Orte einsame Wohnungen der Stille und Andacht zu finden.
Wie schade also, daß gerade hier die Imagination mit einer so grotesken Zusammenstellung von unzähligen Bildern und Bilderchen aus einer selbstgemachten Ideenwelt angefüllt und vollgepfropft ist, daß für ein einziges großes, erhabenes Bild aus der Natur kein Platz mehr übrigbleibt und die lebhafteste Einbildungskraft am Ende unter sich selbst erliegen muß!
Ankona, den 18. Oktober.
Da ich nun in Rimini von meinem Vetturin befreiet war, und dasbWetter immer schöner wurde, so konnte ich mich nicht enthalten, eine Strecke meiner Reise zu Fuße zu machen. Zu dem Ende nahm ich mir meinen alten Wegweiser aus Rimini mit, der mich schon nach St. Marino begleitet hatte; dieser führte denn einen Esel bei sich, welcher mein Felleisen trug, und den sein Besitzer mit einer besondern Zärtlichkeit il cavallino, (sein Pferdchen) nannte, indem er den eigentlichen Nahmen desselben sorgfältig vermied.
Wir wanderten am frühen Morgen bei etwas trüben Himmel, und einer angenehmen Kühle aus Rimini, durch den Triumphbogen des Augustus, auf der strada Romana nach Pesaro zu, hatten das Meer zur Linken, den hohen Berg von St. Marino zur Rechten, und vor uns allmälig sich erhebende Hügel.
Die Straße war nicht so reizend wie die von Bologna bis Rimini, aber doch nicht unangenehm. Die Hügel waren zum Theil bebauet, und boten eine abwechselnde Aussicht dar, ob wir gleich zur Linken bald die Aussicht auf das Meer verlohren.
In den Gasthöfen, wo wir einkehrten, war das Gewöhnliche, was wir immer sogleich erhalten konnten, Trauben, Käse, Wein und Brodt. — Die Straße war ziemlich einsam — mein Wegweiser sang von Zeit zu Zeit seine langsame Arie: una bella contadina inamorar mi fà, in lauter halben Tönen, die gar keine angenehme Melodie machten. Dann drehete sich sein Gespräch immer um den Punkt, daß er zwar arm, aber ein vorzüglicher Galant' uomo, (ehrlicher Mann) sey. — Siamo poveri, ma — (wir sind arm, aber — —) bei dem aber fügte er denn eine Pantomime hinzu, die den ganzen Werth seiner Ehrlichkeit bezeichnen sollte.
Diese Bemerkungen hatten Bezug auf den Umstand, daß mein deutscher Landsmann in Rimini, welcher mir Geld umwechselte, es mir im Beiseyn des Wegweisers heimlich gab, mit dem Bedeuten, es ihn nicht sehen zu lassen. Das hatte diesen Galant' uomo, verdrossen, daher schrieb sich die öftere Wiederholung des Ausdruckes: siamo poveri, ma — —.
Seine Aussicht auf die Zukunft bestand darin daß, wenn er nun alt wäre, und nichts mehr verdienen könnte, ihm doch das noch übrig bliebe mit dem Hute in der Hand zu sagen: date qualche cosa! (gebt mir ein Allmosen) welches er mit einer so vergnügten und hoffnungsvollen Miene vorbrachte, als ob er es wie eine Art von Versorgung oder Pension betrachtete, die ihm auf sein Alter gewiß sey.
Um desto mehr aber schalt er denn auch schon im Voraus auf die Vornehmen und Reichen, welche diese Versorgung auf alle Weise zu schmälern suchen, und statt einem Bajocko (ein 3½ Pfennigstück) dem Armen einen Quattrino (einen Heller) hinwerfen; hierüber gerieth er denn in eine Erbitterung gegen die Reichen, und seine Deklamationen wurden immer heftiger.
Auf die Weise unterhielt mich mein Wegweiser aus Rimini, und versicherte mir, daß er nichts mehr wünsche, als immer so mit mir zu reisen, in qua, in la (hierhin und dorthin), ohne ein bestimmtes Ziel, weil er nehmlich auch schon in St. Marino mit mir gewesen war. Wenigstens wünschte er bis nach St. Loretto mit zu gehen, um auf die Weise einen doppelten Endzweck zu erreichen: dieWallfahrt nach Loretto zu thun, und dazu noch Geld zu erwerben.
Wir kamen gegen Mittag in dem merkwürdigen Orte, Catolica an, der seinen Nahmen von der Orthodoxie hat. Denn die katholischen Bischöfe, welche im Jahr 359 bei der Kirchenversammlung zu Rimini von den Arianern über, stimmt waren, begaben sich hieher, und vertheidigten von hieraus ihre angefochtenen und erschütterten Glaubensartikel.
Eine ausführliche Inschrift an der Kirchenmauer erzählt diese Begebenheit, wodurch der Ort gleichsam zu einer Vestung des katholischen Glaubens wurde, aus welcher sich die geschlagenen Truppen gegen die siegenden vertheidigten.
Der Ort an sich selber ist lang und schmal; die Häuser sind niedrig, aber von Stein, und mit dicken!Mauern versehen, einige scheinen sehr alt, und an Ruinen gebauet zu seyn.
Vor dem Thore des Gasthofes hörte ich, wie mein Wegweiser erzählte, daß er mit einem Signore forastiere (fremden Herrn) zu Fuße gienge. Die Leute wunderten sich hierüber, und meinten, es werde denn wohl immer piano, piano gehen. — Piano? rief mein Wegweiser aus, und machte eine Beschreibung von der Geschwindigkeit unseres zu Fuße Gehens, daß die Leute noch mehr in Erstaunen geriethen.
Denn, wie ich bemerkt habe, ist es auch hier etwas seltenes, daß man wohlgekleidete Leute zu Fuße reisen sieht. Wer nicht zu Wagen oder zu Pferde ist, reitet wenigstens auf einem Esel, welche letztere Art zu reisen hier gar nichts Auffallendes hat; denn unterweges sind uns schon zum öftern Geistliche und andre wohlgekleidete Personen, die auf Eseln ritten, begegnet.
Indeß wurde das Wetter immer schöner — der Himmel wurde heiter, und die Luft blieb kühle, so daß ich nicht leicht in meinem Leben einen angenehmern Spaziergang gemacht habe, als den von Rimini nach Pesaro. Mein Wegweiser wurde auch immer aufgeräumter, und feuerte mit Allegro! und Corraggio! seinen Muth zum Gehen an.
Allein ihm stand noch ein großer Verdruß bevor: in einem Dorfe hinter Catolica nehmlich, wo wir anhielten, war einem Herrn ein Schnupftuch aus der Tasche genommen, und dieser warf seinen Verdacht auf keinen andern als auf meinen Wegweiser, der ihm am nächsten gestanden hatte. — Dies brachte denn natürlicherweise meinen Begleiter, der mir so oft wiederholt hatte: siamo poveri, ma — — in eine solche Wuth, daß jener sich bald zurück zog, und kein Wort mehr sagte.
Nun war auf unserm ganzen übrigen Wege nach Pesaro von nichts, als dieser Beleidigung die Rede. Und jede Periode schloß sich immer mit einer Pantomime, als wenn man einem den Dolch ins Herz stößt; das, meint' er nämlich, hätte jener signore für seine Beschuldigung verdient, und auf die Weise hätte er sich rächen sollen.
Wir kamen nun vor dem Schlosse der ehemaligen Herzoge von Urbino, Poggio Imperiale, vorbei, welches nur noch eine Meile von Pesaro entfernt ist, und auf einer Anhöhe eine sehr reizende Lage hat.
Es war schon gegen Abend, da wir uns Pesaro näherten, wohin uns der Weg durch eine anmuthige Gegend führte. In Pesaro waren die Straßen noch sehr lebhaft, und die Stadt schien volkreicher wie Rimini zu seyn.
Da wir nun hier in einem Gasthofe mitten in der Stadt eingekehrt waren, und von unserer Wanderung ausruhten, wußte mein Wegweiser nicht genug zu rühmen, was ihm diese Tagereise für Vergnügen gemacht habe; wie traurig und schläfrig die Leute in den Reisekutschen gesessen hätten, die uns begegneten, und wie munter und vergnügt wir den ganzen Weg über gewesen wären.
Sonderbar war es, daß dieser Wegweiser, so wie seinen Esel, il Cavallino (das Pferdchen), sich selber auch il Vetturino (den Fuhrmann )nannte, ob wir gleich zu Fuße giengen; und also seinen Esel sowohl als sich um eine Note höher zu tituliren suchte.
Am andern Morgen früh ging ich auf dem Walle von Pesaro spazieren. Hier sah ich auf der einen Seite das adriatische Meer, und auf der andern die Stadt vor mir, welche ein nettes Ansehen hat, nur daß die meisten Straßen sehr enge, und gemeiniglich die schönsten Palläste in den engsten Straßen sind.
Die Hauptstraße und besonders der Markt, war sehr lebhaft; hier fand ich auch einen Buchladen, dessen Besitzer sich auf dem Schilde, eben so wie der in Rimini, libraro di Venetia (Buchhändler von Venedig) nannte. Die Buchhändler von Venedig müssen also hier wohl in vorzüglicher Renommé stehen, wie aus diesem Zusatze zu schließen ist.
Die Feigen von Pesaro sind schon von Alters her berühmt, und werden für die besten in Italien gehalten. — Als ich einer Verkäuferin auf dem Markte zwei Bajock (ohngefähr sechs Pfennige) hingab, daß sie mir Feigen dafür geben sollte; so sahe sie mich verwundernd an, weil ich keinen Korb oder Sack bey mir hatte, worin ich die Feigen fortbringen wollte; alsdann stopfte sie mir beide Taschen voll, und dankte noch dazu für die zwei Bajock, die ich ihr gegeben hatte; in solchem Ueberfluß waren die Feigen.
Auf dem Markte steht auch eine Marmorne Statue des Pabstes Urbanus des Achten, der auf dem päbstlichen Stuhle sitzend, den Seegen ertheilet. An den Basteien, welche um die Stadt sind, befindet sich das päbstliche Wappen, worin sich hier die beiden Schlüssel, wie ein ordentlich bedeutendes Symbol ausnehmen, in so fern sich die lösende und bindende Macht, in dem Gebiete des Pabstes, auch auf die irrdischen Vestungen erstrecket.
Von Pesaro bis Fano, welches nur sieben italiänische (kaum anderthalb deutsche) Meilen sind, machten wir einen Spaziergang dicht am adriatischen Meer, auf dem feuchten und kühlen Sande, wo sich die Wellen zu unsern Füßen brachen.
Zur rechten Seite sind kleine Anhöhen, und Fano, welches sich mit seinem kleinen Hafen ins Meer erstreckt, sieht man gleich von Pesaro aus deutlich vor sich liegen, so daß dieser Weg einem vorkommt, als ob man gar nicht auf der Reise begriffen wäre, sondern nur von einem benachbarten Orte zum andern einen Besuch machte.
Wir langten noch Vormittags in Fano an, welches ebenfalls ein kleiner lebhafter Ort ist, der in seinem äußern Ansehen viel Aehnlichkeit mit Pesaro hat.
Der Nahme dieser Stadt schreibt sich aus dem Alterthume her, weil der Glücksgöttin hier ein Tempel (Fanum) von den Römern erbauet war; und es ist merkwürdig, daß diese Stadt noch jetzt eine Fortuna im Wappen führt, deren Statue von Bronze auch einen Springbrunnen auf dem Marktplatze ziert. Auf den Ruinen von dem Tempel der Glücksgöttin ist die Augustinerkirche erbauet.
Der Fluß Metauro, bei welchem das Heer des Asdrubal von den Römern geschlagen wurde, bildet dicht vor der Stadt einen kleinen Wasserfall. Auch siehet man hier einen marmornen Triumphbogen, der bei einer Belagerung der Stadt im Jahr 1458 zwar beschädigt, aber nicht zerstört wurde.
Das mittelste Thor ist nur davon noch übrig; denn die eine Seitenöffnung ist durch ein Haus verbauet, und die andere zum Behuf eines Kirchenbaues abgetragen. Das Ganze macht demohngeachtet einen sehr schönen Effekt, und man sieht noch die Spuren der alten Inschriften, die zum Theil verloschen, zum Theil mit Moose bewachsen sind.
Das Theater von Fano ist von solcher Pracht und Größe, daß man beinahe sagen könnte, diese kleine Stadt sey zu dem Theater, nicht das Theater für die Stadt erbauet.
Die Gemälde, welche ich in den Kirchen gesehen habe, stellen schwebende Heilige, voll Andacht knieende Mönche, u.s.w. dar; mich hat nichts davon vorzüglich angezogen; auch werfe ich auf dieß alles nur einen flüchtigen Blick, weil ich dafür noch keinen Maaßstab und Gesichtspunkt habe, woraus ich es betrachten kann, so lange ich von demjenigen noch keinen anschaulichen Begriff habe, was die zerstreueten, einzelnen Schönheiten auf einmal in sich faßt, die sich in den mittelmäßigen Werken der Kunst unter dem Mangelhaften verlieren, und sich dem ungeübten Blick entziehen.
Von Fano bis Senigaglia waren noch ohngefähr drei deutsche Meilen, und wir machten uns also gleich nach Mittage auf den Weg, um vor Abend dort zu seyn. Ankona, das wie ein Vorgebirge oder Fels ins Meer hervortritt, konnten wir schon am Morgen liegen sehen.
Der Weg bis Senigaglia war nicht so angenehm, wie der von Pesaro bis Fano. Wir bekamen einen Gefährten, der in Senigaglia zu Hause war und meinen Wegweiser kannte, mit dem er sich in Unterredung einließ, und ihm, ohne daß ich befragt wurde, den Antrag that, daß wir die Nacht in seinem Hause herbergen sollten, wozu, ich denn auf keine Weise geneigt war.
Als wir nun gegen Abend in Senlgaglia in der Vorstadt anlangten, nöthigte unser Gefährte mich und meinen Wegweiser in sein Haus, das allein und ziemlich abgelegen stand; und als ich dieß verbat, ward mir der Einwurf gemacht, ich könnte doch nicht mehr in die Stadt kommen, weil das Thor schon zugeschlossen sey. — Ein unbekannter Mensch aber, der nicht weit davon stand, versicherte mir geradezu, ich könne noch sehr gut in die Stadt kommen, und nannte mir zugleich ein Thor, durch welches wir hinein müßten.
Mein Wegweiser sowohl als unser Gefährte schienen auf den Unbekannten, wegen der freundschaftlichen Auskunft, die er mir gab, sehr unwillig zu seyn, und ich wurde noch dringender eingeladen, da zu bleiben, weil man mich ganz vorzüglich gut bewirthen würde; worauf ich denn erklärte, daß ich schlechterdings in der Stadt im Posthause logiren müsse, und auf die Weise mit einigem Nachdruck die so sehr zudringliche, und mir eben deswegen einigermaßen verdächtige Einladung ablehnte, und nun auch den Entschluß faßte, meinen Wegweiser abzudanken.
Wir gingen nun in die Stadt, wo gleich beim Eintritt ins Thor einige schöne neugebaute Palläste prangten. Im Posthause, wo wir einkehrten schien man meinen Wegweiser sehr verächtlich an zusehen, und von unsrer Ankunft zu Fuße sich keinen hohen Begriff zu machen. Indeß wurde ich doch noch ziemlich gut bewirthet, und verabschiedete am andern Morgen meinen Wegweiser, zu dem sich schon ganz in der Frühe unser Gefährte eingefunden hatte, um sich vermuthlich nach meinem Befinden zu erkundigen.
Nun machte ich denn am Vormittage einen Spaziergang nach der Stadt, die größtentheils aus neugebauten Häusern und regulären Straßen besteht, und wo noch itzt an vielen Orten gebaut wurde. Auch machte ich einen Spatziergang nach dem kleinen Hafen, dessen Damm oder Molo mit dem schwarzen Gitterthurme, der am Ende steht, einen schönen Prospekt macht. Auf den Straßen der Stadt hat man an vielen Orten die Durchsicht nach dem Meere. Längs dem Hafen hin sind einige prächtige Häuser und die Straßen schön und breit.
Im Hafen lagen aber nur kleine Schiffe oder vielmehr Fischerkähne, obgleich in der großen Messe, welche im Julius hier gehalten wird, Schiffe aus Norden und der Levante in diesem Hafen landen.
Als ich nun hier nach einem Kaffeehause auf dem öffentlichen Platze oder dem Markte ging, versammelte sich gleich eine Anzahl Vetturine um mich her, welche schon wußten, daß ich zu Fuße gekommen war, und mich zu bereden suchten, mit einem unter ihnen zu fahren, indem sie mir die Gefahr des Fußreisens so fürchterlich wie möglich zu schildern suchten.