Karma Drama 1. Dämonische Prüfung - Viktoria Etzel - E-Book

Karma Drama 1. Dämonische Prüfung E-Book

Viktoria Etzel

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Beschreibung

Die geheimnisvolle Prüfung Livia scheint vom Pech verfolgt zu sein. Ihre Eltern haben sich scheiden lassen und ihre Schulnoten sind schlecht. Dann meldet sie ihre verhasste Mathelehrerin auch noch bei der Schulolympiade an, wo sie sich mit den anderen messen muss, um bessere Noten zu bekommen. Außerdem fühlt sie sich beobachtet und sieht an jeder Ecke einen kleinen schwarzen Frosch mit gelben Punkten. Als sie versucht, ihren mysteriösen Verfolger zu stellen, verwandelt sich der kleine Frosch vor ihren Augen in einen blonden Jungen. Er stellt sich als waschechter Dämon namens Kasimir vor. Kasimir treibt viel Unsinn, um Karma-Punkte für seine Dämonenprüfung zu sammeln. Die beiden schmieden einen Plan: Kasimir wird Livias Schulwettbewerb so manipulieren, dass sie gewinnt und er dafür jede Menge Karma-Punkte bekommt. Da merken sie, dass ein finsterer Dämon nicht nur hinter Kasimirs Karma-Punkten her ist, sondern einen bösen Plan ausheckt, der die gesamte Stadt gefährdet. Wird es Livia und Kasimir gelingen, den finsteren Plan des Oberdämons zu vereiteln? Band 1 der Fantasy-Reihe entführt Kinder ab 10 Jahren in eine magische Dämonenwelt. Die kämpferische Livia und der gestaltwandlerische Kasimir decken eine finstere Verschwörung auf und gewinnen dabei ungeahnte Erkenntnisse über sich selbst. Eine fantastische Geschichte über Standhaftigkeit und den Glauben an das Gute, perfekt für junge Fantasy-Fans ab 10 Jahren! Karma Drama 1. Dämonische Prüfung: Ein magisches Fantasy-Abenteuer - Eine Welt voller teuflischer Herausforderungen: Spannendes Abenteuer für Kinder ab 10 Jahren. - Starke Hauptfiguren: Livia und Kasimir zeigen, dass Mut, Freundschaft und Selbstvertrauen die mächtigsten Waffen gegen das Böse sind. - Magisch und spannend: Der packende Kampf gegen dunkle Mächte und die Suche nach der eigenen Stärke fesseln junge Fantasy-Fans bis zur letzten Seite. - Dämonisches Lesefutter: Band 2 der faszinierenden Gestaltwandler-Serie von Viktoria Etzel erscheint im Frühjahr 2025."Karma Drama" entführt Kinder ab 10 Jahren in eine Welt voller Dämonen, die beliebig zwischen ihren beiden Gestalten wechseln und sogar einen Menschen vorübergehend in ihr Tier verwandeln können. Ein teuflischer Lesespaß für Fans von "Animox" und "Luzifer Junior".  

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Über dieses Buch

Der dämonische Frosch beobachtete genau, wie bei mir der Groschen fiel. »Du«, zischte ich und kniff die Augen zusammen. Dieser Frosch hatte etwas mit meinem Unglück zu tun, auf einmal war ich mir ganz sicher.

 

Livia steht vor einer scheinbar unüberwindbaren Aufgabe: Sie muss unter allen Umständen die Olympiade an ihrer Schule gewinnen. Ihre einzige Chance sieht Livia in einem Deal mit dem mysteriösen Dämon Kasimir. Er soll ihr zum Sieg verhelfen und bekommt dafür im Austausch genug Karma-Punkte, um seine eigene Prüfung an der Dämonen-Academy zu meistern. Schnell bemerken die beiden, dass viel gefährlichere Dämonen als Kasimir ihr Unwesen treiben. Wird es Livia und Kasimir gelingen, den teuflischen Plan zu vereiteln, der die gesamte Stadt gefährdet?

 

 

 

 

 

 

Für Lukas, meinen dämonischen großen Bruder ;)

Kapitel 1Aller Anfang ist chaotisch

31. Oktober

13351

Der grünlich wabernde Nebel lichtete sich allmählich, und da stand er: der Boss mit dem Evil-Master-Plan, der Dämon mit dem höchsten Rang A+. Ich staunte nicht schlecht, denn so hatte ich mir das, was dem Teufel am nächsten kam, nicht vorgestellt. Kein roter Umhang, keine Hörner und auch von einem Dreizack zum Leutepiksen war weit und breit nichts zu sehen. Der Oberdämon war ein großer Mann. Er trug einen schlichten dunkelgrauen Anzug und schicke glänzende Schuhe. Von Weitem hätte man ihn mit einem der Makler-Kollegen meines Vaters verwechseln können, aber je näher er kam, desto unmenschlicher erschien mir sein Auftreten. Zunächst waren da die schneeweißen kurz geschnittenen Haare und sein schmales scharfkantiges Gesicht, aber was mir wirklich einen eisigen Schauer den Rücken hinunterjagte, war der eiskalte Blick aus seinen kristallblauen Augen. Und den richtete er direkt auf mich.

»Nun, ich warte auf eine Erklärung für dieses …«, er machte eine Pause und deutete auf das Szenario um uns herum: die alberne Halloween-Deko, die Stände mit den Glücksspielen und den Los- und Pommesbuden, die eingefrorenen Körper und Gesichter meiner verkleideten Mitschüler und Lehrer, die alle in einer Abwehrhaltung erstarrt waren, und die regungslose Meute an Hunden, die sich noch vor wenigen Sekunden schwanzwedelnd und hechelnd ihren Weg durchs Getümmel gebahnt hatte, »… Debakel«, schloss er schließlich.

Die Stimme des Oberdämons war dunkel, aber gleichzeitig betörend. Ein erneutes Schaudern kribbelte meinen Rücken empor und kam als Gänsehaut in meinem Nacken an. Der berechnende Blick des Oberdämons ruhte zwar auf mir, aber ich wusste, dass seine Worte jemand anderem galten. Jemandem, der versuchte, sich so klein wie möglich zu machen, und hinter einer Flasche Ketchup Deckung gesucht hatte. Seine schwarze Haut mit den türkisfarbenen und gelben Punkten leuchtete auf dem orangefarbenen Tischtuch. Unmöglich, dass der Oberdämon ihn nicht längst erspäht hatte.

»Na, komm heraus. Es wird Zeit für deine Bewertung. Und danach schreiben wir Geschichte«, sagte er mit einem samtweichen Schnurren und breitete seine Arme in einer schwungvollen Geste aus.

Unwillkürlich hielt ich den Atem an.

Kapitel 2Wie die Welt sich gegen mich verschwor

1. Oktober

100

Wie kam es also dazu, dass ich, Livia Hayes, zwölf Jahre alt, dem Oberdämon mit dem Rang A+ gegenüberstand? Das ist eine lange Geschichte, und sie begann an einem regnerischen Tag im Herbst, genauer gesagt am 1. Oktober. An jedem anderen Tag im Jahr wäre mir das drohende Unheil erspart geblieben, in das ich kopfüber hineinschlitterte. Wenn ich so darüber nachdenke, war eigentlich das Wetter an allem schuld.

Ich stand im Hausflur des Mehrparteienhauses, in dem ich mit meiner Mutter lebte, und starrte durch das geriffelte Glas der Haustür hinaus in den strömenden Regen. Der Himmel war pechschwarz und die Wolkendecke so dicht, dass man meinen könnte, es sei noch mitten in der Nacht. Der Regen prasselte mit einer Unnachgiebigkeit auf den gepflasterten Weg, der von der Haustür zur Straße führte, dass ich mich am liebsten zurück ins Bett verkrochen hätte.

Ein Blick auf mein Smartphone verriet mir, dass ich noch genau drei Minuten hatte. Ich trat so dicht an die kalte Scheibe heran, dass ich fast mit der Nasenspitze dagegenstieß.

Es sollte regenfrei geben. Kein Mensch konnte erwarten, dass man sich bei diesem Mistwetter an einem Montagmorgen in die Schule quälte. Leider hatte ich eine verdammt gute Motivation, trotzdem zu gehen, und daran hatte mich meine Mutter heute Morgen allzu deutlich erinnert.

Meine Mutter, Kim Hayes, war eine kleine Frau, aber so stark und unnachgiebig wie ein Berg. Ohne auf mein Murren zu achten, hatte sie mir kaltherzig die warme Decke weggezogen und mich gezwungen aufzustehen.

»Du wartest seit Wochen auf diesen Tag. Du willst doch nicht zu spät kommen, oder?«, hatte sie mich mit dieser liebevollen Strenge gefragt, die nur Eltern draufhaben. Ich hatte ihr knurrend zugestimmt. Was hätte ich sonst tun sollen? Dieser Chance fieberte ich wirklich schon seit einer ganzen Weile entgegen, also musste ich sie jetzt auch ergreifen.

Noch zwei Minuten. Ich verstärkte den Griff um den kleinen Regenschirm in meiner Hand und zog den Reißverschluss meines Regenmantels nach oben. Na ja, Mantel war nicht ganz richtig. Nach meinem letzten Wachstumsschub waren all meine Mäntel zu Jacken zusammengeschrumpft. Mit meiner Größe überragte ich inzwischen fast alle anderen in meiner Klasse. Ich fand das ziemlich super, denn bei all meinen Lieblingssportarten war das von Vorteil für mich. Außerdem war meine Größe das Einzige, was ich von meinem Dad geerbt hatte, ansonsten ähnelte ich ihm äußerlich nämlich überhaupt nicht. Ich hatte die gleichen glänzenden dunklen Haare und Augen wie Mum.

Noch eine Minute. Jetzt aber los! Ich griff nach der Türklinke und zog die Tür nach innen auf. Sofort blies mir ein nasskalter Wind entgegen. Ich presste meine Lippen aufeinander und spähte in die Dunkelheit. Der Gehweg, der vom Haus zur Straße führte, war von tiefen Pfützen bedeckt, in denen sich das Herbstlaub sammelte. Das Licht der Straßenlaterne war durch den dichten Regen kaum zu erkennen, dafür aber die dicken Scheinwerfer des Busses, der die nahe gelegene Bushaltestelle ansteuerte. Eilig zog ich mir die Kapuze über den Kopf und schlüpfte hinaus. Blindlings rannte ich los, damit ich die Bushaltestelle erreichte, bevor der Bus es tat.

Normalerweise fuhr ich mit dem Fahrrad zur Schule. Selbst ein bisschen Regen konnte mich für gewöhnlich nicht davon abhalten, aber bei dem Unwetter, das heute Morgen tobte, schien mir der Bus die bessere Wahl zu sein … obwohl ich das Gedrängel im Schulbus hasste. Man konnte sich nirgendwo festhalten, aber das war eigentlich auch egal, weil man wegen der vielen Schüler sowieso nicht umfallen konnte. In jeder Kurve wurde man an einen Fremden gedrückt und landete entweder mit der Nase in der schwitzigen Achsel eines Zehntklässlers oder bekam den gigantischen Kastenrucksack eines Drittklässlers in den Magen gerammt.

Bevor ich mich in die Wärme des Busses flüchten konnte, musste ich mich der Herausforderung stellen, die Berge von matschigen Blättern vor mir zu überwinden. Was im vollen Sprint übrigens keine gute Idee war.

Ich spürte, wie die glatten Sohlen meiner Stiefel auf dem nassen Laub wegrutschten.

Ich schaffte es zwar, mich mit einem großen Ausfallschritt vor der schmerzhaften Blamage, den Boden zu knutschen, zu retten, aber das Glück hatte mich trotzdem verlassen. Mit einem unüberhörbaren Ratsch gab meine Lieblingsjeans nach. Panisch betastete ich den Riss an meinem Hintern. Der Busfahrer wartete natürlich nicht, bis ich mich wieder gesammelt hatte. Genervt sah ich den rot blinkenden Rücklichtern hinterher, als der Bus davonzockelte.

Da stand ich nun: nass und mit kaputter Hose. Jemand Klügeres als ich hätte an dieser Stelle wohl aufgegeben. Den Kampf gegen den Montag konnte man einfach nicht immer gewinnen. Aber heute war alles anders. Heute musste ich es pünktlich in die Schule schaffen, denn um Punkt 8:30 Uhr würde meine Klassenlehrerin Amelia Hastings die Login-Daten für das Anmeldeportal der erstmalig an unserer Schule stattfindenden Olympiade rausrücken. Die Slots waren begrenzt und wer nicht schnell zuschlug, hatte keine Chance teilzunehmen.

Die Olympiade, die den reißerischen Namen Mastermind Rumble trug, würde den ganzen Oktober über dauern und neben dem regulären Unterricht stattfinden. Innerhalb jeder Klassenstufe gab es für fast jedes Unterrichtsfach einen Wettbewerb, bei dem sich zwischen fünf und zehn Schüler messen konnten. Wer einen Wettbewerb gewann, bekam in diesem Unterrichtsfach automatisch eine bessere Note im ersten Halbjahr. Am Ende des Wettbewerbs sollte es sogar eine große Halloween-Party inklusive Preisverleihung geben. Die Aussicht, ein paar meiner Noten auf einen Schlag zu verbessern, war mehr als verlockend. Denn abgesehen von Sport tat ich mich wirklich schwer in der Schule. Mein Aufstieg in die siebte Klasse wäre um Haaresbreite schiefgegangen. Ich glaube ja, mein Gehirn ist so damit beschäftigt, mich zwei Meter groß werden zu lassen, dass es einfach zwischendrin vergisst, sich den Schulstoff zu merken. Von dieser Tatsache konnte ich bisher aber weder meine Lehrer noch meine Eltern überzeugen.

Damit ich die Chance, die Olympiade für mich zu nutzen, ergreifen konnte, musste ich es aber erst mal rechtzeitig in die Schule schaffen, um mich anzumelden. Das Anmeldeportal funktionierte nur auf dem Schulgelände, also würde es nicht mal etwas bringen, wenn meine Freunde mir den Zugang schicken würden.

Mich von Mum fahren lassen, kam nicht infrage. Sie ging montags immer besonders früh zur Arbeit und war schon längst weg. Der nächste Bus würde erst in einer halben Stunde kommen. Mir blieb nur eine Wahl.

Ich hastete die paar Meter zurück nach Hause und schnappte mir mein Fahrrad. Der Sattel war nass, aber das waren meine Hose und mein geschrumpfter Mantel inzwischen auch, also machte es keinen Unterschied mehr. Kräftig trat ich in die Pedale und radelte den mir vertrauten Weg in die Schule. Doch erneut machte mir das Wetter einen Strich durch die Rechnung, denn durch den vielen Regen stand die Unterführung, die in die Innenstadt führte, unter Wasser.

Schlitternd legte ich eine Vollbremsung hin und beobachtete, wie die armen Autofahrer versuchten, auf der Straße zu wenden, und sich dabei gegenseitig anhupten. Hier gab es kein Durchkommen, also blieb nur der Umweg über das Embergate-Viertel. Das war der gehobenere Teil der Stadt mit den schicken Villen und den dicken Autos vor der Tür. Ich verirrte mich selten hierher, nur mein Vater erzählte mir manchmal stolz, dass er es geschafft hatte, in dieser noblen Gegend ein Haus zu verkaufen. Die Leute, die hier lebten, blieben normalerweise unter sich. Es gab sogar eine Privatschule.

Ich bog in die lange Hauptstraße ein, die einmal quer durch das gesamte Embergate-Viertel führte. Eine Gänsehaut, die nichts mit dem kalten Regen zu tun hatte, saß mir im Nacken. Diese Gegend war mir nicht geheuer. Die seelenlosen großen grauen Häuser sahen alle gleich aus, genauso wie die lieblos angelegten Gärten. In kaum einem der Fenster brannte Licht. Ich legte an Tempo zu und sauste durch die menschenleeren Straßen. Niemand führte seinen Hund spazieren. Ich begegnete keinem anderen Fahrradfahrer, nicht mal ein Auto war unterwegs.

Ich hätte auf mein Bauchgefühl hören sollen, dass hier etwas nicht stimmte. In dem Moment, als ich das Haus mit der Nummer 666 in der Wicked-Lane passierte, rutschte mein Vorderrad auf dem nassen Gehweg aus.

346

Zum zweiten Mal an diesem Tag sah ich einen Livia-förmigen Abdruck auf dem Asphalt auf mich zukommen, doch wieder retteten mich meine guten Reflexe. Ich riss den Lenker herum, rollte mich vom Fahrrad und landete einigermaßen sanft auf meinem Hinterteil. Natürlich mitten in einer Pfütze. Angeekelt spürte ich, wie das Regenwasser durch den Riss in meiner Jeans sickerte und meine Unterhose durchtränkte.

»Uhhhäää!«, fluchte ich und rappelte mich auf die Beine. Ich atmete tief durch und versuchte, meinen Ärger beiseitezuschieben. Immerhin war mein Fahrrad nicht kaputtgegangen. Ich stellte es wieder auf und stieß mit einem der Pedale gegen mein Schienbein.

»Verdammt noch mal!«, brüllte ich erbost. »Was ist denn heute los, zum Teufel? Erst dieser fiese Mistregen mit dem ganzen Matschzeug!« Ich trat nach einigen nassen Blättern auf dem Boden. »Und dann auch noch der miese Busfahrer, der mich einfach stehen gelassen hat, und jetzt auch noch das!« Schimpfend und fluchend rieb ich mir mein Schienbein. »Ich will doch einfach nur in die Schule und mich für diesen doofen Mastermind Rumble anmelden!«

Es war mir egal, dass meine Stimme so laut war, dass mein Zetern vermutlich in der ganzen Straße zu hören war. Sollten die Schnösel mich doch für verrückt halten!

Zornig wischte ich mir mit dem Arm eine widerspenstige nasse Haarsträhne aus dem Gesicht und wollte gerade wieder loslegen, als ein lautes Quaken meinen wehleidigen Monolog unterbrach. Wie in Zeitlupe drehte ich mich um, und da saß er, genau vor dem dunklen mit Moos bewachsenen Eisentor der Hausnummer 666: ein pechschwarzer faustgroßer Frosch mit türkisfarbenen und orange-gelben Punkten und ebenso leuchtend gelben Augen. Ich starrte den Frosch an, und er starrte zurück. Keiner von uns blinzelte.

»Nein, nein und nochmals nein, das kann ich jetzt nicht auch noch gebrauchen«, erklärte ich dem Frosch mit ruhiger Stimme. »Bei meinem Glück heute bist du mit Sicherheit hochgiftig oder springst mir gleich ins Gesicht und beißt mir in die Nase. Ich gehe jetzt, okay?« Der Frosch blähte seine Kehle auf und ließ ein hohes Quaken ertönen, das verdächtig nach einem Lachen klang. Verwirrt schüttelte ich den Kopf, schwang mein Bein über den Fahrradsattel und fuhr weiter. Das war der Moment, ab dem mein Unglück seinen Lauf nahm.

Kapitel 3Auf die Plätze, fertig, los!

Wie durch ein Wunder schaffte ich es in einem Stück und ohne weitere Zwischenfälle zur Schule, sogar pünktlich. Der regennasse Schulhof war zwar schon wie ausgestorben, aber es hatte noch nicht zur ersten Stunde geklingelt.

Hektisch rammte ich mein Fahrrad in den Fahrradständer und kettete es mit dem Schloss fest, was gar nicht so einfach war, denn durch den Regen waren meine Finger schon ganz taub vor Kälte. Ich hastete, so schnell ich konnte, ins warme Schulgebäude. Ein paar empörte Zweitklässler gingen in Deckung, als ich meine langen dunklen Haare wie ein nasser Hund in ihre Richtung schüttelte. Nur eines der Mädchen lachte hinter vorgehaltener Hand, und mit einem Mal erinnerte ich mich an den Riss in meiner Hose. Mit hochrotem Kopf schälte ich mich aus meinem tropfenden Mantel und band ihn mir um die Hüften. Lieber einen nassen als einen entblößten Hintern. Ich verzog mich in Richtung meines Klassenzimmers und huschte in der Sekunde, in der es klingelte, durch die Tür. Ich rutschte auf den freien Platz neben Cora, meiner besten Freundin.

»Hey, da bist du ja! Hab mir Sorgen gemacht, ich dachte schon, du hast vergessen, was heute für ein Tag ist, und kommst vielleicht gar nicht!«, begrüßte sie mich überschwänglich.

»Wie könnte ich denn DEINEN besonderen Tag vergessen«, erwiderte ich grinsend. Cora war vermutlich die Einzige, die an diesem Tag etwas anderes im Kopf hatte als den Mastermind Rumble. Der 1. Oktober wurde von ihr jedes Jahr sehnlichst erwartet, denn sie war absolut besessen von Halloween. Der gesamte Monat war ihr persönliches Spektakel, und Cora nahm es als kosmisches Zeichen, dass sie auch noch ausgerechnet am 13. Oktober Geburtstag hatte. Die Halloween-Deko in ihrem Zimmer hing bestimmt schon seit letzter Nacht, und zur Feier des Tages hatte sie sich eine Strähne ihrer kurzen hellbraunen Haare giftgrün gefärbt. Letzte Woche war die Strähne noch blau gewesen. Mit dem tiefschwarzen Kajal, den schwarzen Klamotten und den Netzstrumpfhosen konnte Cora schon einschüchternd wirken. Aber ich kannte sie bereits seit dem Kindergarten und wusste, dass Cora in etwa so gefährlich war wie ein kleines Kätzchen.

»Ich dachte, dieser Mastermind Rumble stiehlt mir dieses Jahr vielleicht die Show«, murmelte Cora. »Du bist ja ziemlich versessen darauf mitzumachen.«

»Niemals! Vor allem, wenn du mit so einem coolen neuen Look auftauchst«, meinte ich und zupfte an ihrer grünen Strähne. »Sieht super aus!«

»Findest du nicht, dass es aussieht, als würden ihr langsam die Haare abfaulen? Uhhhaa!«

Cora und ich drehten uns um. Unser Freund Justin hatte sich hinter uns über den Tisch gebeugt und machte ungruselige Wackelbewegungen mit seinen Fingern zu Coras Haaren.

»Haha.« Sie grinste. »Du hast eh keine Ahnung von so was.«

»Was? Ich bin doch immer top gestylt«, sagte er grinsend.

Ich betrachtete das Shirt irgendeiner No-Name-Band, das er heute trug, und seine Brille, die er schon seit der ersten Klasse hatte. Cora und ich hatten ihm etliche Male angeboten, mit ihm zusammen eine neue auszusuchen, aber er hatte nichts davon hören wollen.

»Ja, top gestylt für ein Nerd-Treffen«, witzelte Cora.

»Hey, sag nichts gegen Nerds. Wir werden eines Tages die Weltherrschaft an uns reißen!«, brummte Justin.

»Was für ein bescheidener Plan«, neckte ich ihn.

»Du könntest bei der neuen Weltordnung mitmischen, wenn du endlich deinen Hintern hochbekommen und auch mal ein bisschen lernen würdest«, meinte Justin. Er lachte, aber ich biss mir auf die Unterlippe.

Justin glaubte, dass ich mehr konnte, als mein Zeugnis vermuten ließ, aber ich war mir da nicht so sicher. Egal, wie viel Justin mit mir lernte, ich gehörte nie zu den Besten. Cora warf mir einen besorgten Blick zu. Sie wusste nur zu gut, wie empfindlich ich bei dem Thema war. Vor allem seit …

»Livia hat gelernt«, verteidigte Cora mich. »Oder? Der Plan steht doch noch, dass du den Mastermind Rumble rockst?«

»Natürlich steht der Plan noch«, antwortete Justin für mich. Er hatte die Stirn gerunzelt und die Arme vor der Brust verschränkt. »Ich weiß, dass du gelernt hast, Livia. Du wirst das hinbekommen, und dann müssen wir uns keine Sorgen mehr machen.«

Ich blinzelte Justin dankbar zu. Seine Zuversicht bestärkte mich, obwohl ich das mit dem Lernen noch nicht so richtig in Angriff genommen hatte.

Dabei stand so viel auf dem Spiel für mich. Ich brauchte den Notenbonus wirklich dringend, und das am besten in mehreren Fächern. Früher hatte ich mir nie besonders viele Gedanken um die Schule gemacht, und auch meine Eltern hatten nie Druck auf mich ausgeübt … aber nun sah die Sache anders aus. Genau genommen seit einem halben Jahr, seit mein Vater bei seiner neuen Freundin eingezogen war.

Eigentlich fand ich Antonia wirklich nett, aber ich hatte manchmal das Gefühl, nicht in ihre Welt zu passen, in die sie Dad Stück für Stück mit hineinzog. Antonia wohnte im Embergate-Viertel, und sie hatte Dad auf die schwachsinnige Idee gebracht, dass ich auf der dortigen Privatschule bestimmt besser gefördert werden würde. Sie taten so, als wäre ein Schulwechsel kein großes Ding, dabei müsste ich meine Freunde zurücklassen. Ja, klar, Schule war wichtig, aber ich wollte mein Leben nicht für ein paar Zahlen auf einem Blatt Papier umkrempeln.

»Wir müssen uns so oder so keine Sorgen machen«, meinte Cora auf einmal mit fester Stimme und holte mich damit aus meinen trübseligen Gedanken. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass dein Dad seine Drohung wahr macht, dich auf diese schnöselige Privatschule abzuschieben. Deine Mum hat doch auch noch ein Wörtchen mitzureden, oder?«

»Ich bin mir gar nicht so sicher, ob sie was dagegen hat«, meinte ich bekümmert.

»Was?« Cora und Justin starrten mich entsetzt an.

»Sie meinte, ich würde mich wirklich nicht genug in der Schule anstrengen«, seufzte ich. »Und diese Privatschule im Embergate-Viertel sei wohl ziemlich gut.«

»Egal, wie gut diese Schule ist, er kann uns dich nicht einfach wegnehmen. Das dürfen wir nicht zulassen«, schnaubte Justin. »Ist das nicht sogar ein Internat?«

Ich nickte niedergeschlagen. Ein Schulwechsel klang schon maximal ätzend, aber dann auch noch ein Internat? Ohne mich!

Es juckte mich in den Fingern, einen Kaugummi aus der Tasche zu holen. Wenn ich nervös war, brauchte ich einfach meine Dosis Minze. Je schärfer, desto besser. Aber hier in der Schule würde ich nur Ärger kassieren, wenn Frau Hastings mich beim Kaugummikauen erwischen würde.

»Wir müssen einfach unter allen Umständen dafür sorgen, dass du diese Wettbewerbe gewinnst«, meinte Cora mit grimmiger Miene.

Denn genau das war der Plan, um Dads und Antonias Schnapsidee zu verhindern: Ich würde den Mastermind Rumble dazu nutzen, mich in genug Fächern zu verbessern, um meinen Eltern keinen Grund mehr für einen Schulwechsel zu bieten.

»Dafür muss ich aber erst mal teilnehmen dürfen«, erinnerte ich Cora.

»Es müsste jeden Moment so weit sein«, sagte Justin mit einem Blick auf sein Handy. »Frau Hastings ist ganz schön spät dran.«

Als hätte sie an der Tür gelauscht und nur auf ihr Stichwort gewartet, stieß unsere Lehrerin die Klassentür auf und rauschte gut gelaunt herein. Der Montagmorgen-Blues hatte sie wohl nicht erwischt. Frau Hastings legte ihre Umhängetasche überschwänglich auf dem Pult ab und drapierte ihren tropfenden dunkelgrün und rot karierten Regenschirm direkt daneben.

»Guten Morgen«, flötete sie. Ein paar wenige antworteten ihr gelangweilt, während sie aus ihrer Tasche einen Stapel Papier hervorholte. »Entschuldigt bitte die Verspätung, aber am Kopierer war ein ganz schönes Gedränge.« Frau Hastings lachte vergnügt. »Seid ihr denn schon aufgeregt?«, fragte sie in die Runde.

Die ehrliche Antwort war: Ja. Mein Magen schlug Purzelbäume, als ich einen Blick auf die Blätter in ihrer Hand erhaschte. Das waren die Login-Daten für das Anmeldeportal. Ich setzte mich etwas aufrechter hin und schielte unauffällig zu meinem Handy: 8:22 Uhr. In acht Minuten schaltete sich das Portal frei, und dann musste man schnell sein. Meine Hände begannen, vor Aufregung zu schwitzen.

Ungeduldig beobachtete ich den Stapel Papier, der quälend langsam durch die Reihen gegeben wurde. Cora riss Leo die Blätter so hastig aus der Hand, dass sie fast auf dem Boden gelandet wären.

»Chill doch mal«, fuhr er sie an, aber Cora streckte ihm die Zunge heraus. Eilig händigte sie Justin und mir jeweils einen Zettel aus, bevor sie sie weitergab. Ich studierte das Blatt in meiner Hand. In verschnörkelten goldenen Buchstaben stand Mastermind Rumble darauf. Darunter befanden sich ein QR-Code, ein generierter Username und ein Passwort.

»Schaut mal, es gibt sogar eine App. Das ist ja cool!«, sagte Justin, nachdem er den kleinen Infotext unter dem QR-Code studiert hatte.

»Ja, und eine Website«, ergänzte Cora. »Da können Videos von den Wettbewerben hochgeladen werden.«

Ich fand das nicht so aufregend wie Justin und Cora. Wenn man sich in einem der Wettbewerbe blamierte, würde es die gesamte Schule mitbekommen. Ich überflog ebenfalls den Text, ob es noch mehr unangenehme Überraschungen geben würde.

»Man kann auf den Ausgang der Wettbewerbe wetten«, murmelte ich mit trockenem Mund.

»Und dafür bekommt man Rumble Coins«, meinte Justin nachdenklich. »Soll das so was wie eine digitale Währung sein? Was soll man denn damit anfangen?«

»Vielleicht gibt’s was zu gewinnen«, schlug Cora vor. »So wie bei Losen.«

»Aber …«, setzte ich an, wurde aber von Frau Hastings unterbrochen.

»Ihr dürft jetzt alle eure Smartphones herausholen«, wies sie uns mit lauter Stimme an.

Es raschelte, als alle in ihren Rucksäcken und Hosentaschen wühlten. Die Spannung im Klassenzimmer war fast mit Händen greifbar.

Zitternd entsperrte ich mein Handy und scannte den QR-Code ab. Eine quietschbunte Seite baute sich auf, auf der mich der Schriftzug Mastermind Rumble empfing.

8:29

»Denkt daran, dass ihr euch für höchstens drei Wettbewerbe anmelden dürft!«, fügte unsere Lehrerin hinzu, aber niemand achtete mehr auf sie. Jeder gab seinen Usernamen und das Passwort ein.

8:30

Siebenundzwanzig Finger tippten auf den Anmeldebutton. Gebannt beobachtete ich das kleine Ladesymbol, und sobald sich die Seite aufgebaut hatte, wählte ich eilig drei Wettbewerbe aus. Ich achtete nicht mal darauf, welche Fächer es waren. Mit angehaltenem Atem schickte ich das Formular ab.

»Das war spannend«, nuschelte Cora. »Welche Fächer hast du genommen?«

»Keine Ahnung«, meinte ich achselzuckend.

»Hä?«

»Ich hab nicht drauf geachtet«, gab ich zu. »Ich könnte überall eine Verbesserung vertragen, und ich wollte möglichst schnell sein, also hab ich nicht drüber nachgedacht.«

»O Mann, Livia! Wenn das mal nicht nach hinten losgeht!«

Bevor ich etwas erwidern konnte, summten siebenundzwanzig Smartphones auf. Die Anmeldefrist war vorbei, und die Plätze waren ausgelost worden. Stumm öffnete ich die E-Mail, um zu erfahren, ob ich an einem der Wettbewerbe teilnehmen durfte. Ich überflog die Zeilen und jubelte innerlich. Ich hatte es geschafft, drei Slots zu belegen! Ich bekam also die Chance, mich in drei Fächern zu verbessern. Ich scrollte nach unten, um die Details zu den Wettbewerben sehen zu können. Ich würde in Mathe, Chemie und Deutsch antreten.

Nur in Deutsch war ich einigermaßen gut, in den anderen beiden Fächern war ich eine Niete. War es nun Glück oder Unglück, dass ich dort mitmachen durfte?

Kapitel 4Ein Unglück kommt selten allein

4. Oktober

»Ich werde das niemals kapieren! Nicht in eintausend Jahren«, motzte ich und warf mein Mathebuch einmal quer durchs Zimmer. Mit einem unglücklichen Pflumpf klatschte es gegen meinen Schrank und landete verknickt auf dem Teppich. Es sah fast schon traurig aus, wie es da lag, als wollte es auch noch Mitleid in mir wecken. Entschuldige, dass ich Mathe einfach nicht kann. Und jetzt schau mich nicht so an!

»Du gibst dir auch nicht wirklich Mühe.«

Nein, mein Mathebuch hatte keine spontanen Superkräfte entwickelt und mir geantwortet. Cora saß auf dem Fußboden neben meinem Bett und sah mich vorwurfsvoll an. »Komm schon, so schwer ist das echt nicht«, fügte sie hinzu. »Schau mal, du kannst hier den Satz des Thales anwenden und dann …«

»Vergiss es, Cora«, seufzte ich schwermütig. »Dieser blöde Wettbewerb ist schon nächste Woche.«

Ich warf mich theatralisch auf mein Bett und vergrub das Gesicht in den Kissen. Es lag nicht nur an dem Mathewettbewerb, dass ich so mies gelaunt war. Seit ein paar Tagen schien einfach alles schiefzugehen, was nur schiefgehen konnte.

2027

Jede Lebensmittelpackung, die ich öffnete, war verdorben. Inzwischen war ich vorsichtig, aber gestern zum Frühstück war ein fieser saurer Klumpen von etwas, das mal Milch gewesen war, auf meinen Cornflakes gelandet. Meine Fahrradreifen (ja, beide!) hatten auf einmal unzählige Löcher, als wäre ich durch einen Haufen Nägel gefahren. Mein Smartphone ließ sich nicht laden. Heute Morgen hatte es sich mit einem traurigen Piepsen verabschiedet. Noch mehr meiner Klamotten waren kaputtgegangen. Von meinem Regenmantel hatte ich sogar einen ganzen Ärmel abgerissen. Also wuchs ich nicht nur auf Giraffenhöhe an, nein, ich entwickelte auch noch Kräfte wie der unglaubliche Hulk. Das wäre eigentlich eine coole Sache, wenn ich nicht dauernd etwas kaputtmachen würde.

Und das Merkwürdigste an der ganzen Sache war: Jedes Mal, wenn etwas schieflief, hörte ich ein eigenartiges Geräusch. Eine Mischung aus Quaken und Lachen. Gestern, als ich mein Fahrrad untersucht hatte, war ich mir sicher gewesen, dass ich aus den Augenwinkeln etwas gesehen hatte. Irgendwas war durch das Gebüsch gehüpft, aber als ich näher hingesehen hatte, war das einzige Lebewesen weit und breit ein Typ mit knallgelbem Hoodie an der Bushaltestelle gewesen. Wie sollte ich mich bei diesem ganzen Blödsinn denn aufs Lernen konzentrieren?

»Hallo? Ich rede mit dir!« Cora pikste mich mit dem Bleistift in den nackten Fuß.

Unwillig grummelnd setzte ich mich wieder auf und warf ein Kissen nach ihr. »Was denn?«, brummte ich.

»Ich hab gesagt, dass du dich nicht so anstellen sollst. Wo ist denn deine Motivation geblieben? Du hast dich doch so gefreut, dass du an drei Wettbewerben teilnehmen kannst.«

»Da hatte ich noch nicht dran gedacht, dass ich auch für alle drei Wettbewerbe lernen muss«, gab ich kleinlaut zu.

Cora verdrehte die Augen. »Das ist mal wieder typisch. Du hättest echt aufpassen sollen, wofür du dich anmeldest.«

Ich kniff die Lippen zusammen. Cora hatte recht, aber zugeben wollte ich das nicht. In Mathe und Chemie stand ich auf einer Vier. Es würde an ein Wunder grenzen, sollte ich auch nur eine Frage richtig beantworten. Ich musste mich wirklich gut vorbereiten, wenn ich diese Chance nicht in den Sand setzen wollte. Ich musste Dad und Antonia beweisen, dass ich auch ohne einen Schulwechsel meine Noten verbessern konnte. Jammern würde mich nicht weiterbringen.

»Okay, okay«, seufzte ich. »Zeig mir noch mal diesen Satz des Was-auch-immer.«

Mit neuer Motivation schob ich mir einen Minze-Zimt-Kaugummi in den Mund und kaute auf der klebrigen Masse herum. Während sich der gewöhnungsbedürftige Geschmack in meinem Mund ausbreitete, rutschte ich neben Cora auf den Boden. Ich nahm meinen Schreibblock und meinen Füller in die Hand und setzte ihn auf das Papier auf. Flatsch! Die Federspitze des Füllers explodierte in meiner Hand und spritzte Cora, mich und mein Zimmer mit dunkelblauer Tinte voll.

2144

»Was zur Hölle!?«, quietschte Cora. »Mensch, Livia, was sollte das denn?« Ihr Gesicht war blau gesprenkelt, aber auf ihrem schwarzen T-Shirt konnte man wenigstens die Flecken nicht erkennen Bei mir sah das anders aus, mein hellblauer Pulli hatte ein tolles Muster erhalten.

»Ich … ich weiß nicht«, stammelte ich.

Wir starrten uns einen langen Moment an und brachen dann in brüllendes Gelächter aus.

»Du siehst aus wie das Sams«, prustete Cora. Vor Lachen bekam sie einen kleinen Schluckauf.

»Du auch!«, gab ich zurück. Es dauerte eine Weile, bis wir uns beruhigt hatten. Nachdenklich drehte ich den kaputten Füller in meiner Hand und musterte die aufgeplatzte Spitze.

»Das darf dir in einem der Wettbewerbe aber nicht passieren«, gluckste Cora.

»Ich war das nicht«, meinte ich. »Guck dir das Ding doch mal an. Die Spitze ist regelrecht explodiert. So viel Kraft hab ich gar nicht.« Ich wedelte mit dem Füller vor Coras Nase herum.

»Und wie ist es dann passiert?«

Aus den Augenwinkeln nahm ich eine Bewegung am Fenster wahr. Mein Blick huschte hinüber, und ich konnte gerade noch einen kleinen Schatten ausmachen, der über die Fensterbank davonhüpfte. Eilig sprang ich auf die Füße und lief hinüber zum Fenster. Ich starrte hinaus in die aufziehende Dämmerung. Nichts zu sehen. Natürlich nicht, wir waren im vierten Stock!

»Was machst du denn da?«, fragte Cora verwundert. Sie reckte sich ein wenig und gähnte herzhaft. »Wir sollten weitermachen, meinst du nicht?«

»Hm«, stimmte ich widerwillig zu. Da war ganz sicher etwas gewesen. Nur was?

Nachdenklich kehrte ich zu Cora zurück und setzte mich wieder neben sie auf den Boden. Cora hatte sich inzwischen mit einem Taschentuch die gröbsten Tintenflecken aus dem Gesicht gewischt. Wortlos reichte sie mir ebenfalls eines. Ich rubbelte mir über die Haut, aber meine Flecken waren schon größtenteils getrocknet.

»Vielleicht sollten wir Mathe für heute sein lassen«, murmelte ich. »Wir könnten ein bisschen Deutsch machen, oder was meinst du?« Ich sah Cora fragend an. In Deutsch stand ich immerhin auf einer Zwei minus, mit ein bisschen Glück würde ich es vielleicht auf eine Eins schaffen.

»Ich weiß gar nicht, was wir da lernen sollten«, sagte Cora. Sie zupfte am Saum ihrer schwarzen Jeans und vermied es, mir in die Augen zu schauen.

»Ja, Deutsch ist so ne Sache«, brummte ich. »Was meinst du, wie da der Wettbewerb aussehen könnte?«

»Vielleicht ein Lektürequiz?«, schlug Cora vor.

»Dafür kann man nicht wirklich lernen«, murmelte ich nachdenklich. »Ich könnte höchstens ein paar Lektüreklassiker lesen. Du hast doch einige zu Hause, oder? Kannst du sie mir leihen?«

»Na klar«, meinte Cora. »Wir müssen uns nur abwechseln.«

Überrascht starrte ich sie an. »Wir müssen uns abwechseln?«, wiederholte ich dümmlich.

»Hast du schon vergessen, dass ich auch am Deutschwettbewerb teilnehme?« Cora strich sich ihre grüne Haarsträhne hinters Ohr und wich weiterhin meinem Blick aus.

Um ehrlich zu sein, hatte ich es wirklich vergessen. Schuldbewusst drehte ich den kaputten Füller zwischen den Fingern hin und her, bis meine Hände schon ganz blau von der Tinte waren.

»Ich stehe schon seit hundert Jahren auf der Zwei plus. Das ist meine Chance, endlich auf die Eins zu kommen. Wir müssen doch im Frühling ein Praktikum machen, und ich hatte gehofft, dass ich meins vielleicht bei der Zeitung machen kann«, fuhr Cora fort.

»Das hast du mir noch gar nicht erzählt!« Verblüfft sah ich von meinen verschmierten Fingern auf.

»Ich hab Angst, dass sie mich nicht nehmen.« Coras Wangen färbten sich vor Verlegenheit rot. »Ich … ich hab gehört, dass das echt viele machen wollen, und je besser meine Deutschnote ist, desto wahrscheinlicher entscheiden sie sich für mich. Ich glaub, das ist genau mein Ding«, sprudelte es jetzt aus Cora heraus. »Ich will Storys schreiben und mich mit interessanten Menschen unterhalten. Stell dir mal vor, ich könnte irgendwann bei einem Musikmagazin arbeiten.«

»Das hört sich total spitze an!«, rief ich und strahlte meine Freundin an.

»Du bist gar nicht sauer?«, fragte Cora.

»Warum sollte ich?«

»Weil ich gewinnen will und … du auch.«

Oh, daran hatte ich nicht gedacht. Nachdenklich kaute ich auf dem inzwischen geschmacklosen Kaugummi herum. Ich brauchte den Sieg in Deutsch zwar, aber Cora genauso. Da gab es eigentlich nur eine Lösung.

»Ich würde niemals von dir verlangen, dass du absichtlich für mich verlierst«, sagte ich schließlich. »Wir sind beste Freundinnen! Hauptsache, eine von uns beiden schafft es. Oder nicht?«

»Meinst du das ernst?« Cora sah mich verunsichert an.

»Auf jeden Fall«, antwortete ich und nickte dabei bekräftigend.

»Okay, dann auf einen fairen Wettbewerb. Möge die Bessere gewinnen.« Cora streckte mir grinsend ihre Hand entgegen, und ich schlug ein.

»Ich mach dich fertig«, lachte ich.

»Das will ich sehen!«, gab sie zurück. »Ich bring dir dann morgen …« Das Summen von Coras Handy unterbrach sie. Nach einem schnellen Blick auf das Display runzelte Cora die Stirn und setzte sich auf.

»Gehst du etwa schon?«, wollte ich wissen, als sie nach ihrem tintenbefleckten Mäppchen griff und es zusammen mit dem Mathebuch in ihren Rucksack packte.

»Ja, ich hab eine Nachricht von meinem Dad. Meine Eltern warten schon auf mich.« Coras Worte klangen plausibel, aber sie wirkte auf einmal ziemlich gehetzt.

»Sicher, dass alles okay ist?«, hakte ich nach, als sie schon an der Tür stand.

Cora hielt mit der Hand auf der Klinke inne.

»Jaja … bestimmt nerven meine Brüder, wann es endlich Essen gibt«, wehrte Cora ab. »Außerdem hab ich genug vom Lernen. Du nicht?«

»Ja, eigentlich schon«, murmelte ich und klappte seufzend mein Heft zu. Weit gekommen waren wir heute nicht. Wenn ich weiter in dem Schneckentempo lernte, würde ich mich ganz schön blamieren. Ganz zu schweigen davon, dass ich dann auf keinen Fall auch nur eine einzige bessere Note bekommen würde.

»Das wird schon«, versuchte Cora, mich aufzumuntern, als sie meine trübsinnige Miene bemerkte. »Wir gehen morgen zusammen die Lektüren durch, okay?« Im Sprechen zog sie die Tür auf und stieß prompt mit Mum zusammen, die gerade anklopfen wollte.

Kapitel 5Schwarze Aura

»Huch«, entfuhr es Mum. »Cora, willst du schon gehen? Ich wollte euch eigentlich fragen, ob wir uns eine Pizza bestellen wollen, wenn ihr mit Lernen fertig seid. Ihr braucht doch Nervennahrung.« Sie zwinkerte uns zu.

»Danke, Kim, aber heute nicht«, lehnte Cora hastig ab. »Mein Dad macht heute Abend Lasagne.«

»Oh, na dagegen komme ich natürlich nicht an«, erwiderte Mum zwinkernd.

»Ja … Bis morgen, Livia.« Cora hob noch einmal die Hand zum Abschied und war im nächsten Moment schon zur Wohnungstür hinaus.

Verdattert sah ich ihr hinterher. Was war das denn gewesen? Seufzend lehnte ich mich nach hinten ans Bett.

»Und wie sieht’s bei dir aus, Spätzchen?«, fragte Mum. »Und was ist hier eigentlich passiert?« Ihr Blick wanderte über den blau gefleckten Boden zu meinem dreckigen Pulli und weiter zu meinem verschmierten Gesicht.

»Nichts«, murrte ich und warf den kaputten Füller in den Papierkorb.

»Mensch, bist du heute muffig drauf«, meinte Mum. »Meinst du, eine leckere Pepperonipizza mit extra Käse könnte deine Laune bessern?« Fröhlich winkte sie mit der Speisekarte unserer Lieblingspizzeria. Ich hatte wirklich einen Bärenhunger, aber wozu das Ganze? Bei meinem Glück der letzten Tage würde ich mir eh nur den Mund verbrennen, mich mit Tomatensoße einsauen und wahrscheinlich eine spontane Laktoseintoleranz entwickeln.

»Komm schon«, motivierte Mum mich. »Ich hab noch einen kleinen Anschlag auf dich vor, und wenn es danach keine Pizza gibt, komme ich mir schlecht vor.« Aha, da war also der Haken.

»Welchen Anschlag?«, fragte ich misstrauisch. Mum verarbeitete die Trennung von Dad, indem sie fast jede Woche ein neues Projekt startete. Von Backen über Basteln oder dem Erlernen eines Instruments war alles dabei. Momentan war sie ziemlich häufig in einer ›Hol den Vorschlaghammer, wir renovieren das Wohnzimmer‹-Laune. Kein Wunder also, dass ich bei einer ihrer neuen fixen Ideen nicht sofort Feuer und Flamme war. Meine Skepsis musste mir deutlich im Gesicht gestanden haben, denn Mum schüttelte lachend den Kopf.

»Nein, Spätzchen, nichts Wildes, wirklich! Ich wollte dich bitten, bei Großtante Pearl vorbeizuschauen. Sie hat ein Kochbuch, das ich mir unbedingt ausleihen möchte, und ich dachte, du könntest es für mich bei ihr abholen.«

Oh, nein! Großtante Pearl konnte ich im Moment wirklich nicht gebrauchen.

»Schau nicht so«, schalt Mum mich. »Du hast Großtante Pearl ewig nicht besucht.«

»Ich weiß«, knurrte ich und konnte nicht verhindern, dass die Schuldgefühle an mir nagten. Großtante Pearl war nicht wirklich mit uns verwandt. Sie war eine alte Freundin meiner Großmutter, und als Großmutter starb, nahm Großtante Pearl ihren Platz ein.

»Ich geh ja, aber warum kommst du nicht mit?«, fragte ich, obwohl ich die Antwort bereits kannte. Großtante Pearl war manchmal etwas wunderlich. Sie glaubte an jede Menge mystischen und magischen Kram. Deswegen trug sie, seit ich mich erinnern konnte, etliche Perlenketten und Armreife. Sie hatten Großtante Pearl nicht nur ihren Kosenamen eingebracht, sondern hatten angeblich eine reinigende Wirkung auf ihren Geist. Deshalb bestand sie darauf, jedem Besucher mit den Perlen die Zukunft weiszusagen. Mum mochte ihren Aberglauben nicht besonders, deswegen wollte sie wohl heute nicht mitkommen.