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Mehr Spaß beim Schwitzen! Volker Surmann ist leidenschaftlicher Saunagänger und eingefleischter Satiriker. Dieses Buch ist das Ergebnis dieser heißen Allianz. Denn wie könnte man genau dort wegschauen, wo es so viele seltsame Rituale, ungeschriebene Gesetze und bizarre Verhaltensweisen gibt? Die Geschichten, Glossen und Cartoons in diesem Band enthüllen, wieso man in der Sauna nie über Geschäftsgeheimnisse sprechen sollte, welches die angesagtesten Trendaufgüsse sind und wieso Männer dabei immer so röhren müssen. Gastbeiträge von Ella Carina Werner, Christian Ritter, Dagmar Schönleber und Bernd Gieseking sowie Cartoons von ©TOM, Hauck & Bauer, Miriam Wurster, Piero Masztalerz und Karsten Lampe machen dieses Buch mindestens so anregend wie einen Cranberry-Koks-Aufguss in Berlin-Mitte.
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Seitenzahl: 94
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Volker Surmann
Saunageschichten
Für Tuure
E-Book-Ausgabe Oktober 2022
© Satyr Verlag Volker Surmann, Berlin 2022
www.satyr-verlag.de
Cover: Jussi Jääskeläinen, www.kobaia-design.com
Korrektorat: Jan Freunscht
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar über: http://dnb.d-nb.de
Die Marke »Satyr Verlag« ist eingetragen auf den Verlagsgründer Peter Maassen.
E-Book-ISBN: 978-3-947106-90-5
Vorwort
Finnische Sauna
©TOM
Es gibt Eis, Baby!
Heiß wie die Wüste Dascht-e LutGastbeitrag von Ella Carina Werner
Piero Masztalerz
Saunamänner
Hauck & Bauer
Aufgusstrends fürs 21. Jahrhundert
©TOM
Saunabrunfzer
Relax – Don’t Do It. Oder: Wellness in EuskirchenGastbeitrag von Dagmar Schönleber
Miriam Wurster
Kleine Typologie des Aufgusspersonals
Piero Masztalerz
Birkenteer
Die Oberste Direktive
Karsten Lampe
Saunieren bei SeegangGastbeitrag von Christian Ritter
Hauck & Bauer
Wie ich mal eine Sauna baute
Saunaglück in SuomiGastbeitrag von Bernd Gieseking
Miriam Wurster
Sommersauna
©TOM
Über den Autor und seine Saunagäste
»In der Sauna hat man weniger ein Problem mit fremden Nackten als mit nackten Bekannten. Die einen Körper vergisst man und die anderen nie mehr.«
– Frank Sorge
Liebe Leserin, lieber Leser!
Es sind ja unerwartete Rätsel, auf die man stößt, wenn man ein Buch mit Saunageschichten schreibt. Zwei dieser Fragen gebe ich gerne an Sie weiter:
Saunieren Sie eigentlich, oder saunen Sie lieber?
Und wo gehen Sie dieser Tätigkeit nach: in Saunas oder Saunen? Sprich: Wie halten Sie’s mit dem Plural? – Das ist eine Frage, über die ich mich schon erbitterter gestritten habe als über den korrekten Artikel von Nutella.
Aber keine Sorge, hier bleibt es friedlich. Denn befragen wir den Duden, so werden wir feststellen: Die Saunakultur ist auch sprachlich völlig entspannt, es ist alles erlaubt.
Saunieren oder saunen Sie in Saunas oder Saunen, ganz wie Sie wollen; Sie können auch saunabaden in der Schwitzhütte; aber bewahren Sie bitte Ruhe – oder auch nicht. Denn das Ruhegebot in der Sauna ist nicht so universell, wie man denken könnte, und einen Sauna-Duden gibt es zum Glück (noch) nicht.
Mit diesem Buch erfülle ich mir einen kleinen Traum. Denn mir fiel irgendwann auf, dass sich mit den Jahren durch meine Tätigkeit bei der Lesebühne »Brauseboys«, für die ich fast wöchentlich neue Beiträge verfasse, durch Satiren für die Tageszeitung taz und Kolumnen für Neues Deutschland eine Reihe von Texten über Saunabesuche angesammelt hatte. Was auch kein Zufall ist, denn ich gehe sehr regelmäßig in die Sauna. Schreibtischtätern wie mir rettet das den Rücken, und ich kriege den Kopf angenehm frei. Und wenn das Hirn bei 90 Grad Lufttemperatur richtig schön rebootet, leistet es oft Erstaunliches. In der Sauna kamen mir schon einige meiner besten Ideen, manchmal reizt der Saunabesuch aber auch einfach zum Mitschreiben.
Das ist eine Berufskrankheit von Schreibenden. Man muss das tun. Glauben Sie keinem Autor, keiner Schriftstellerin, der oder die von sich behauptet: »Ich beobachte gerne Menschen.« Das ist meistens gelogen. In 90 Prozent der Fälle fallen einem diese Menschen einfach auf, und man kann bloß nicht wegschauen. Sehr oft drängeln sich diese Personen auch mutwillig in die eigene Wahrnehmung hinein, und die war vom letzten Saunagang doch gerade so schön leergepustet. Prompt steht man an seinem Spind und füllt Notizzettel oder -app mit Stichworten, aus denen dann wieder eine neue Saunageschichte wird.
Dieses Büchlein versammelt die so entstandenen Texte. Beim Zusammenstellen war mir aber klar, dass ich es nicht allein vollschreiben wollte, denn man ist in der Sauna ja selten allein, und es gibt ja noch weitere Perspektiven als nur die meinige. Ich freue mich, dass ich ein paar befreundete Kolleginnen und Kollegen gewinnen konnte, Gastgeschichten zu diesem Buch beizusteuern, und dass einige Cartoonistinnen und Cartoonisten mir ihre heißesten Saunacartoons zur Verfügung gestellt haben. Ihnen allen danke ich von Herzen!
Tatsächlich scheint es nämlich so zu sein: Wer als kreativer Kopf in die Sauna geht, schreibt oder zeichnet früher oder später darüber. Wieso ist das so?
Ich denke, nach der Lektüre dieses Büchleins könnten Sie ein Gespür dafür haben. Nur so viel: In Deutschland ist die Sauna ein sehr durchritualisierter Mikrokosmos – wer als Humorfachkraft in diesen hineintritt, findet sein Fressen.
26 Millionen Deutsche gehen regelmäßig oder zumindest ab und zu in die Sauna. Das ist eine stattliche Zahl. Sie und ich gehören dazu. Wenn ich also Glück habe, halten Sie gerade eins von 26 Millionen Exemplaren dieses Buches in der Hand. Nimm das, Dirk Rossmann, Salz-Aufguss schlägt Oktopus! – Na ja, man wird ja noch träumen dürfen.
Das ist ja das Schöne am Saunieren, man kann einfach mal die Gedanken schweifen lassen. Sie dürfen nur nicht aufs Holz tropfen.
Okay, in letzter Konsequenz ist auch dieses Buch aus Holz, aber der Buchtitel gilt nur für unbezahlte Neuware. Nehmen Sie Ihr persönliches Exemplar ruhig mit in die Sauna, es ist ja schon bezahlt, aber wundern Sie sich nicht, wenn Ihnen jemand während der Lektüre »Pssst!« zuzischt.
Viel Spaß beim Lesen!
Volker SurmannBerlin, August 2022
Seit ein paar Jahren verbringe ich, wenn keine größere Party ansteht, meinen Geburtstag gern in Wellnesseinrichtungen und lass es mir mit einem Freund ein paar Stunden lang gut gehen. Statt ins Brandenburgische rauszufahren, besuchen wir diesmal in Berlin-Moabit ein sogenanntes »Spa«. Das kommt mir verdächtig vor. Ich war noch nie in einem Spa. Spa, dachte ich immer, das ist was, wo reiche Oligarchengattinnen in Botox baden und sich gegenseitig ihre Silikonimplantate vorführen. Sonst waren wir immer in Thermen. Warmes Wasser und warme Luft. Gibt’s hier auch, nur zum doppelten Preis. Ich googele, was »Spa« eigentlich heißt. Aha, es kommt vom belgischen Heilbad Spa, das seit dem 16. Jahrhundert gern von britischen Adeligen besucht wurde. Auf die Weise wurde das Wort erst zum Ausdruck für Heilquellen und dann, vor ein paar Jahrzehnten, für Wellnesseinrichtungen generell. Wenn in Großbritannien einem Ortsnamen »Spa« nachgestellt wird, ist es ein Kurort. Ich bin beruhigt: Ich verbringe meinen Geburtstag also nicht in einem versnobten Wellness Venue, sondern in Bad Moabit. Das klingt doch viel bodenständiger und, seien wir ehrlich, auch altersgemäßer.
Mitgekommen ist noch Tuure, mein innerer Finne. Er begleitet mich, weil ich kurz zuvor aus einem Kurzurlaub in Finnland zurückgekommen bin. Im September. Das ist der finnische November. Ich habe sehr viel Zeit in Saunen verbracht.
An der Kasse werden wir gefragt, ob wir Garderobenschränke mit Videoüberwachung wünschen.
»Wie bitte?« – Na, es gebe Gäste, die halt Wertgegenstände dabeihätten.
»Nehmt ihr Deutschen etwa Omas Familienschmuck mit in die Sauna?«, fragt Tuure.
»Mein Fahrradhelm war jetzt nicht so teuer«, sage ich der Frau am Counter.
Dass ich hier mit einer Anfahrt per Rad zur Minderheit gehöre, war mir schon klar, als ich auf dem Parkplatz an all den schwarzen SUV vorbeiradelte. Deren Schlüssel sollte man tatsächlich gut wegschließen. Allein, damit nicht Linksgrünversiffte wie ich den Schrank aufbrechen und die Karossen versehentlich in die Spree lenken. Aber die Rolex und das Samsung Galaxy Flip 4 Fold in Sterlingsilber müssen ja auch gut verstaut werden.
»Wenn ich mir manche Frauen hier angucke, sollten die eher ihre Lippen wegschließen. Die waren auch teuer«, sagt Tuure, und wir fragen, ob die Wertgegenstände, wenn wir sie hier einschlössen, auch verzinst werden.
Verdammt, ich bin doch in einem versnobten Wellness Venue gelandet. Schon bald stellen wir uns eine Bundestagswahl vor. Die FDP siegt vor CDU und Grünen, der Rest der etablierten Parteien scheitert an der Fünfprozenthürde, sechs Prozent würden Patchouli wählen. Bundeskanzler Christian Lindner könnte also mit CDU und Patchouli eine stabile Koalition bilden, die stark nach Siebzigerjahre riecht.
Tatsächlich riecht es überall so penetrant nach Räucherstäbchen wie in einer WG von Yoga-Studierenden, denn das Bad ist voll auf Südostasiatisch getrimmt, da haben Batterien von Holzfräsmaschinen ganze Arbeit geleistet. Die gesamte Anlage: a nightmare for wokeness. People of PC würden es sofort wegen cultural appropriation sprengen.
»Wieso Bali?«, fragt Tuure fassungslos. »Das ist in den Tropen! Niemand braucht auf Bali eine Sauna! Wer hat’s erfunden?!« Tuure wäre bei der Sprengung wohl dabei.
Die erste halbe Stunde nach dem Umziehen verlaufen wir uns nur auf dem Gelände zwischen Pools, Saunen und hektargroßen Liegeflächen und Ruheräumen. Wenn man sich dran gewöhnt hat, ist es eigentlich doch ganz hübsch hier, finde ich, nur Tuure ist überfordert. Letzte Woche noch waren wir in Helsinki gemeinsam in einer Sauna. »Das Löyly ist die neuste, größte und angesagteste Sauna der Hauptstadt. Total fancy!«, hatte er geschwärmt.
Wir waren drin, und ich lief dauernd gegen Wände, weil der Laden so klein war.
»Wo ist der Ruheraum?«, fragte ich.
»Was willst du mit Ruheraum?«, fragte Tuure. »Es ist eine Sauna!«
»Na ja, ausruhen zwischen den Saunagängen, in einem Liegestuhl unter einer kuscheligen Decke sitzen, ein gutes Buch lesen und an einer Fruchtschorle nippen«, erklärte ich dem Finnen, wie man sauniert.
»Gibt hier keine Fruchtschorle«, erklärte Tuure. »In der Sauna trinkt man Bier.«
Und wenn Tuure »in der Sauna« sagt, dann meint er auch in der Sauna.
»Aber nett, dass man zum Handtuch noch einen Waschlappen dazukriegt«, sagte ich.
»Das ist kein Waschlappen«, sagte Tuure. »Das ist das Unterlegtuch.«
Ich schaute auf den gerade mal popogroßen Lappen. Ein Aufnehmer war größer.
»Aber dafür hab ich doch das Handtuch.«
»Was willst du mit einem Handtuch in der Sauna, das wird doch nass!«, entgegnete Tuure.
Er fand die Lappen cool, sonst gäbe es nämlich nur Papiertücher, die man sich wie Küchenkrepp von einer Rolle und später beim Aufstehen vom Po zieht.
»Und wenn man sich hinlegen will?«
»Wieso willst du dich hinlegen in der Sauna? Willst du schlafen?« Tuure kicherte. »In der Sauna sitzt man, sonst kann man ja kein Bier trinken.«
Ich gab auf. Finnen – waren die nicht im Zuge der Völkerwanderung aus Werweißwo gekommen? Das waren ja im Grunde immer noch Barbaren, halt eine völlig andere Kultur.
Bald stehen wir vor einer großen Tafel, die darüber informiert, wann in welcher der zig Saunen was aufgegossen wird. Wir denken, man sollte das besser wie am BER darstellen, auf Monitoren und mit Pfeilen, wie viele Minuten man in welche Richtung laufen muss. Tuure lacht sich tot. Ich erkläre ihm, dass man in deutschen Saunen zu bestimmten Uhrzeiten Aufgüsse durch Fachpersonal erhält.
»Aber woher weiß das Fachpersonal, wie viel Dampf ich will?«
»Das weiß es natürlich nicht. Wenn du weniger Dampf willst, musst du dich nach unten setzen oder rausgehen.«
Tuure schüttelt den Kopf: »In Finnland bist du selbst das Fachpersonal! Du gießt selber auf.«
»Und wenn es jemandem zu viel wird?«
»Dann sagst du das.«
»Aber ihr Finnen redet doch nicht.«
»Außer in der Sauna. Da reden wir viel.«
Ja, ich erinnere mich. Der lauteste Ort mit dem meisten Geschnatter und Geplapper, den ich in Finnland besucht habe, war die besagte Sauna Löyly in Helsinki.
»In deutschen Saunen redet man nicht.«
»Aber wie soll man dann anderen sagen, dass sie mehr oder weniger aufgießen sollen?«, fragt Tuure.
»Gar nicht. Deshalb macht das ja der Saunameister.«
»Das ist so deutsch«, japst Tuure. »Selbst in der Sauna braucht ihr einen Führer!«
Ich gucke pikiert, was Tuure nur noch weiter anstachelt.
»Muss man eine Nummer ziehen?«, fragt Tuure. »Gibt es Platzanweiser?«, fragt Tuure. »Gibt es Stechuhren und Passierscheine?«
»Nein!«, rufe ich. »Nix von alldem! Es gibt lediglich Sanduhren, die einem anzeigen, wann 15 Minuten rum sind.«
»Weil ihr ohne Sanduhr …« Tuures Augen weiten sich entgeistert: »Weil ihr Deutschen ohne eine Sanduhr nicht wisst, wann ihr schwitzt?« Er kichert hysterisch.