Kinder coachen: die bessere Pädagogik - Anne Ruppert - E-Book

Kinder coachen: die bessere Pädagogik E-Book

Anne Ruppert

4,3

Beschreibung

Bei dem Modell »Kids-Coaching« stehen die Fähigkeiten eines jeden Kindes im Zentrum und werden von pädagogischen Fachkräften für die tägliche Arbeit sowie im Gruppenprozess erfolgreich eingesetzt. Die Fachkraft begleitet das Kind dabei, seine Ressourcen zu ergründen und seine Stärken zu stärken. Die dabei angewandten Tools (Methoden) des Kids-Coachings werden anhand sehr praxisnaher Beispiele vorgestellt und erklärt. Die Tools bestechen durch einfache Handhabung und eine durchweg stärkenorientierte Ausrichtung, sodass sie leicht im pädagogischen Alltag eingebunden werden können. Ziel des Kids-Coachings ist es, die Individualität der Kinder im gesellschaftlichen Miteinander zu stärken. Der vorschulische wie der schulische Bildungsauftrag zielt auf kompetente Kinder, die gelernt haben, selbstbewusst am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Kids-Coaching schafft genau das: Das Bewusstsein fürdie eigenen Fähigkeiten wird gestärkt und in Einklang mit den gesellschaftlichen Anforderungen gebracht.

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Anne Thiel

Kinder coachen:die bessere Pädagogik

Professionelle Erziehung und Betreuung

Vandenhoeck & Ruprecht

Aus Gedanken werden Taten – danke dir!

 

 

 

 

 

 

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-647-99610-3 (EPUB)Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter www.v-r.de

Umschlagabbildung: shutterstock.com

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A.www.v-r.deAlle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.Printed in Germany.

Satz: SchwabScantechnik, GöttingenUmschlag: SchwabScantechnik, GöttingenDruck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen

Inhalt

Einleitung

Teil I: Das Konzept KIDS-COACHING

1 Herleitung

2 Was es ist

3 Menschenbild

4 Grundlagen

5 Ziele

6 Bildung und Emotionen

7 Was es nicht ist … – Grenzen des KIDS-COACHINGs

8 Warum KIDS-COACHING heute in jede Betreuungseinrichtung gehört

9 Gewinn für Kinder und Fachkräfte

Teil II: Coaching-Tools im KIDS-COACHING

1 Landkarte

2 Fragen

3 Der systemische Blick

4 Ressourcen aktivieren – Schatzsuche

5 Moment of excellence

6 Die Wunderfrage von de Shazer

7 Imagination

8 Lerncoaching

9 SMARTe Ziele

Teil III: Die Rolle der Fachkraft

1 KIDS-COACHING basiert auf Beziehung

2 Auf die Kommunikation kommt es an!

3 »Schwierige Kinder« gibt es nicht – Schaffen Sie ein ressourcenreiches Umfeld!

4 Tief durchatmen und Gelassenheit bewahren

5 Fachkräfte als Schatzsucher

6 Fachkräfte als Vorbild – zu jeder Zeit!

7 Entwicklung von Autonomie

8 Was Fachkräfte mitbringen sollten

9 Zu guter Letzt

Teil IV: Besondere Situationen

1 KIDS-COACHING in der Eingewöhnung

2 Gezielte Vorbereitung auf die Grundschule

3 KIDS-COACHING im Team nutzen

4 Mit Coaching demokratisch führen

5 Zusammengefasst

Fazit

Einleitung

Das Bewusstsein für unsere Stärken und Fähigkeiten befähigt uns Probleme zu lösen und Veränderungen anzutreiben!

Die pädagogische Arbeit in der Betreuungseinrichtung ist geprägt von der optimalen Vorbereitung auf die Schule und der parallelen Betreuung während der Schulzeit, von gesellschaftlicher Teilhabe und vorschulischer wie außerschulischer Bildungsarbeit. Dabei findet die Individualität der Kinder und Fachkräfte nur wenig Platz in den allgemein gültigen Vorgaben für den Elementarbereich. So geben Bildungspläne das Rahmenprogramm für pädagogische Ziele vor, Entwicklungsbögen beurteilen die Kinder und Individualität wird im vorgegebenen Rahmen wenig sichtbar.

In diesem Buch präsentiere ich ein Konzept, das Fachkräfte dabei unterstützt, Kinder in ihrer Individualität zu stärken und gleichzeitig den gesellschaftlichen Ansprüchen gerecht zu werden. Die Rede ist von KIDS-COACHING. In Anlehnung an den Coachings-Prozess für Erwachsene nutze ich Coaching bereits seit Jahren für die pädagogische Arbeit mit Kindern. Coaching heißt dabei nichts anderes als Begleitung auf dem Weg zur individuellen Problemlösung. Dies gelingt, indem so genannte Tools (Werkzeuge) gezielt zum Erkennen der eigenen Problemlösung und dem Benennen eines Ziels eingesetzt werden. Ich arbeitete mit den Kindern bereits vor meiner Ausbildung zum Systemischen Coach in dieser Form und vertiefte den Ansatz dann anhand des theoretischen Gerüsts, das für die Arbeit mit Erwachsenen ausgelegt ist.

Diese Art zu arbeiten habe ich als sehr gewinnbringend sowohl für meine eigene pädagogische Arbeit als auch für die Entwicklung der Kinder erfahren. Gleichzeitig schenkt KIDS-COACHING im pädagogischen Alltag Entlastung und Freude, es orientiert sich zu jeder Zeit an Stärken, Potenzialen und Zielen. Es erachtet jedes Verhalten als positiv und zielführend. Es betrachtet Verhalten stets im System, in dem es auftritt, und als etwas Veränderbares.

KIDS-COACHING eröffnet neue Sichtweisen und steht für einen Perspektivenwechsel! Dabei ist es zu keiner Zeit grenzenlos – ganz im Gegenteil. KIDS-COACHING betrachtet Grenzen als wichtige Wegweiser, die für einen Richtungswechsel stehen. Grenzen sind notwendig, schenken Orientierung und Sicherheit. Wichtig ist es, sie nicht als einengend zu empfinden, sondern sich trotz des Achtens von Grenzen eigener Handlungsmöglichkeiten bewusst zu sein.

KIDS-COACHING als ein ganzheitliches Konzept hat somit nicht ausschließlich die individuelle Entwicklung des Kindes im Blick, sondern betrachtet Entwicklung stets als einen Balanceakt von persönlichen Bedürfnissen und gesellschaftlichen Strukturen. Die Individualität des Kindes kann nur soweit gestärkt werden, wie das die gesellschaftlichen Regeln des Zusammenlebens ermöglichen. Auf diese Weise wird KIDS-COACHING den Ansprüchen an pädagogische Arbeit zu jeder Zeit gerecht, ohne sie starr zu verfolgen.

Betreuungseinrichtungen als gesellschaftliche Institutionen eignen sich hervorragend als Übungsräume, um individuelle Entwicklung im gesellschaftlichen System zu stärken. Regeln, Anforderungen, Veränderungen, gruppendynamische Prozesse, Konflikte, Freundschaften … all das bietet die Betreuungseinrichtung. So erleben bereits Kinder jede Herausforderung, der sie sich später als Erwachsene stellen müssen, und können lernen, damit umzugehen. Gleichzeitig haben Kinder die vertraute Begleitung ihrer Fachkraft, die ihnen Rückhalt und Sicherheit schenkt und mit ihnen auf die Suche nach den eigenen Fähigkeiten beim Meistern von Herausforderungen geht.

Autonome Lebensführung, aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, das Bewusstsein der eigenen Bedürfnisse und die sichere Balance zwischen persönlichen und gesellschaftlichen Ansprüchen – all das sind Kompetenzen, die Kinder bereits in der Betreuungseinrichtung aufbauen können. Anhand vieler praktischer Beispiele zeige ich Ihnen, wie es gelingt die genannten Kompetenzen in der täglichen Arbeit zu stärken. Ziel ist es nicht, neue pädagogische Leitlinien zu entwickeln, sondern vielmehr Ihre tägliche Arbeit zu erleichtern und einen neuen Blick zu gewinnen.

Auch wenn eine neue Betrachtungsweise und neue Reaktionen auf Verhalten zunächst eine geistige Investition fordern, werden Sie schnell Erleichterung in Ihrem Gruppenalltag spüren und KIDS-COACHING als Gewinn betrachten.

Nutzen Sie KIDS-COACHING und bereichern Sie Ihre pädagogische Arbeit mit den Kindern. Entdecken Sie dabei, welche neuen Perspektiven und Blickwinkel sich für Sie und die Arbeit mit Ihren Kollegen und den Eltern ergeben. Profitieren Sie von den Coaching-Tools und entdecken Sie die Schätze in Kindern, Erwachsenen und nicht zuletzt bei Ihnen selbst!

Warum Coaching Erziehung ablöst!

Erziehung ist ein uns allen bekannter Begriff. Erziehung wird mit Bildung und Entwicklung in direkten Zusammenhang gebracht und stellt einen grundlegenden Prozess beim Aufwachsen der Kinder dar.

Über Erziehung wird im Zuge von Bildungsdebatten, Kinderarmut, Elternbildung aber nur noch sekundär gesprochen, obwohl sie grundlegend für die Bildung und Entwicklung der Kinder ist. Was jedoch damit gemeint ist, wird selten reflektiert.

Der Erziehungsbegriff bedarf einer grundlegenden Überarbeitung und Anpassung an heutige Ansprüche und Notwendigkeiten.

Aus den starren Erziehungskonzepten vom Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte sich in den 60er-/70er-Jahren eine Konzeptvielfalt, welche die Starrheit flexibilisierte. Die individuelle Entwicklung der Kinder rückte in den Fokus des Erziehungsprozesses, Grenzen wurden gelockert1 und das Kind erhielt einen autonomen Anteil am Erziehungsgeschehen.

War Erziehung bis dahin ein von Erwachsenen gelenkter Prozess, galten fortan die Kinder selbst als lenkende Instanz und gaben anhand ihres Entwicklungsstandes, ihres Temperaments und ihres freien Willens die Erziehungsrichtung vor.

Heute wissen wir, dass keine der beiden extremen Richtungen die einzig richtige2 ist. Zusammengenommen ergänzen sich beide Erziehungsmodelle und bilden den Erziehungsstil, der unsere heutige Zeit prägt. Erziehung pendelt sich heute zwischen Anleitung und Autonomie, Fürsorge und Freiheit, Zielorientierung und Flexibilität3 ein und schafft damit die bestmögliche Vorbereitung auf das Leben in unserer Gesellschaft.

Worauf zielt Erziehung – Welche Kompetenzen brauchen Menschen in unserer Gesellschaft?

Unverändert bleibt die Notwendigkeit von Erziehung für jedes Individuum. Anders jedoch als noch vor 100 Jahren sollte Erziehung individueller, am Entwicklungsstand und Temperament des Kindes orientiert verlaufen, ohne dabei das gemeinschaftliche Ziel aus den Augen zu verlieren.

Unsere Gesellschaft fordert eine Individualität in der Konformität – das fordert ein Individuum, welches sich der gesellschaftlichen Regeln des Zusammenlebens und -arbeitens bewusst ist und zum Bestehenden beiträgt. Gleichzeitig wird Individualität gefordert, welche die gesellschaftliche Entwicklung vorantreibt, ohne das System aus den Angeln zu hebeln.

Vom Individuum wird gefordert: Bringe deine Individualität ein im Rahmen deiner Grenzen, die dir vom gesellschaftlichen System gegeben sind!

Mit dem Streben nach Entfaltung und Autonomie stößt das Kind im Laufe seines Entwicklungsprozesses an gesellschaftliche Grenzen, erfährt Rückschläge und muss lernen, mit diesen umzugehen. Dafür ist es vonnöten, dass das Kind Niederlagen nicht als persönlichen Tiefschlag wertet, sondern seine Wünsche und Emotionen im gesellschaftlichen Rahmen einzubringen weiß.

Beispiel

Mittagsruhe: Steffi, drei Jahre, liegt in ihrem Bett und möchte noch nicht schlafen. Sie redet vor sich hin, sie singt, sie schreit. Nach mehrmaligem Ermahnen bringt die Fachkraft sie zurück in den Gruppenraum mit der Erklärung, dass ihre Geräusche die anderen Kinder am Schlafen hindern und sie deshalb nicht im Schlafraum sein kann. Steffi fängt an zu weinen und wirft sich wütend auf den Boden, als die Fachkraft keine Anstalten macht, sie wieder mit zurückzunehmen.

Mittagsruhe: Lennart, neun Jahre, soll sich in der Nachmittagsbetreuung still beschäftigen, bevor die Theatergruppe beginnt. Er wartet ungeduldig auf deren Beginn und findet kein Buch, das er lesen mag, und kein Spiel, das er spielen möchte. Stattdessen kaspert er lautstark durch den Raum und stört die anderen.

Steffi fällt der Umgang mit Grenzen und die Konsequenz, die sich aus deren Nichtbeachtung ergeben, noch schwer. Lennart kennt die Grenzen sehr genau, ist aber nicht bereit, sie einzuhalten.

 

Kinder müssen bereits im Laufe ihrer Entwicklung erfahren, dass Grenzen vorhanden sind und ihr Wille zwar gefördert, jedoch nicht stets nach ihm gehandelt wird. Durch dieses Wechselspiel von Autonomie und Grenzerfahrung entwickeln Kinder ein Bewusstsein für das Miteinander in der Gesellschaft. Durch das Zusammenspiel zwischen eigenen Bedürfnissen und den gesellschaftlichen Ansprüchen bildet sich die Identität des Individuums heraus, die sich bestmöglich in Balance zwischen persönlichen und gesellschaftlichen Anteilen befindet. Eine sichere Identität beinhaltet das Bewusstsein der eigenen Wünsche, Fähigkeiten und Möglichkeiten und die Verwirklichung im gesellschaftlich angemessenen Rahmen.

In einer Zeit des demografischen Wandels wird die Bedeutung der eigenen Identität fortlaufend größer. Die Ansprüche an Fachkräfte, an Familien und an Kinder wachsen stetig und verlangen den Umgang mit Unsicherheiten und Niederlagen. Dem Standhalten der Ansprüche geht ein erfolgreiches Selbstmanagement voraus, welches gespeist sein sollte von Selbstbewusstsein, Selbstwahrnehmung und emotionaler Kompetenz unter Wahrung der in der Gesellschaft gegebenen Möglichkeiten.

_______________

1   Anti-autoritäre Erziehung.

2   Wenn man überhaupt von einer richtigen Richtung sprechen kann,

3   Die Begriffe werden fortlaufend in Kapitel 1.4 erklärt.

Teil I: Das Konzept KIDS-COACHING

Jedes Verhalten folgt einer positiven Absicht!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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