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Die Kindheitsphilosophie ist noch eine junge Wissenschaftsdisziplin. Menschsein ist Kindheit und Erwachsensein und erfordert Kommunikation, einen Dialog. Die Dialogphilosophie bietet eine integrative Basis im interdisziplinären Kontext von Psychologie, Biologie, Pädagogik, Soziologie, Rechtswissenschaft und Religionswissenschaft: •Was ist Kindheit? •Welches Naturrecht hat ein Kind? •Wer hat Verantwortung für ein Kind? •Welche kindlichen Entwicklungsphasen sind dialogphilosophisch differenzierbar? •Welches Verständnis liefert das Generationenkonzept für Kindheit und Erwachsensein? •Was gilt als Grundthese zur Erziehung? •Welchem Mythos (Märchen) wurde der Weg geebnet bis in unsere Staatsverfassung? •Welcher Erziehungskonflikt bleibt unlösbar? •Welche Grundrechte fehlen in der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen? •Welche Rechte und Pflichten sind aus dem Selbstverständnis von Natur und Kosmos ableitbar? Kindsein bedeutet gegenüber dem Erwachsensein eine schwächere Position mit dem Risiko des Missbrauchs. Im kindheitsphilosophischen Sinne bedarf es einer Antwort zu den Risiken des Kindseins und dem bestmöglichem Schutz des Kindes. Juristisches Grundlagenwerk ist die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen. Doch mit Gesetzen erreichen wir die Kinder nicht. Es braucht mehr als nur den Dialog und die elterliche Fürsorge. Über das Mehr streiten Politik und Wissenschaft. Der Autor findet klare Antworten.
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©2019 Dipl.-Kfm. Werner Boesen
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Ich und Du sind Kinder der Natur und des Kosmos, für die Gläubigen Gottes Kinder (Joh 1,12; LUT).
Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen eines Projektstudiums an einer deutschen Universität zum Rahmenthema: Generationen, Zwischen Beständigkeit und Wandel. Mein Anliegen richtete sich auf die erste und zweite Generation des Menschseins, die Kinder und die Erwachsenen und bei den Erwachsenen auf die Elternschaft. Sodann suchte ich die wissenschaftliche Basisdisziplin und stellte fest, dass hier nicht nur eine Disziplin greift. Das Fundament meiner Analyse bot mir die Philosophie und die Integration menschlicher Basiserkenntnisse anderer Wissenschaftsdisziplinen wie die Psychologie, Soziologie, Pädagogik und Rechtswissenschaft. In der Philosophie bot sich mir eine Vielzahl von Teildisziplinen und ich wählte schließlich die Kindheitsphilosophie, eine junge Forschungsrichtung im amerikanischen Kulturraum. Im deutschen Sprachraum wird der Begriff der Kinderethik verwendet, der auf das sittliche Verhalten des Menschen abstellt und daher gegenüber dem allgemeinen Begriff der Philosophie eingrenzender Natur ist. Schon der Begriff Philosophie deutet in einer seiner möglichen Begriffsbestimmungen auf die „Liebe zur Weisheit“ und gab mir die Richtung für folgende Fragen: Was ist Liebe, was ist Weisheit und was verbindet beides im Hinblick auf die Kindheit im Menschsein? Das Rahmenthema im Projektstudium wies mich auf eine feste Beziehung hin, die Generationen, und ihre Agilität „zwischen Beständigkeit und Wandel“, die eines Dialoges bedarf, verbal und nonverbal. Den Anker dazu bot mir die Dialogphilosophie, eine vornehmlich religionsphilosophische Teildisziplin, die zwei Personen sowie mit Natur und Kosmos auch mehr differenziert beginnend mit einer Zweierbeziehung, die von Ich und Du. Schließlich war es auch von generellem Interesse die aktuelle Gesetzeslage zu Kinderrechten zu berücksichtigen. Als Basiswerk und –anliegen gelten hier die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen und deren Integration in nationale Staatsverfassungen, die einigen wenigen Staaten bisher gelungen ist. Es sei der Hinweis gestattet, dass auch die Kinderrechtskonvention, nicht nur im philosophischen Sinne, nicht allen kindlichen Erfordernissen gerecht wird. Dazu mehr in dieser Arbeit einschließlich einer religionsspezifischen Betrachtung am Beispiel des Christentums.
Die Arbeiten im Rahmen des Projektstudiums sollten einen gewissen Seitenumfang nicht überschreiten. Die Vorgabe orientierte sich an etwa 40 DIN A4 Seiten. Es war mir eine große Herausforderung, die Inhalte auf diese Seitenvorgabe zu begrenzen und es bleibt nicht aus, dass sich Fragen ergeben. Ich habe daher für die Verlagsveröffentlichung einen Fragenkatalog mit Antwortmöglichkeiten beigefügt. Außerdem war es mir ein Anliegen, diese Arbeit in einer deutsch-englischen Version herauszugeben, da die Kindheitsphilosophie im deutschen Sprachraum kaum präsent ist.
Ich danke insbesondere den Dozenten/Dozentinnen und Kommilitonen/innen des Projektstudiums für ihre Diskussionsbeiträge und Kritiken sowie Dr. phil. Laura Marwood für ihre Hilfe bei der Korrektur der englischen Übersetzung (separates ebook).
In liebevoller Erinnerung an meine jüngste Kindheit, widme ich diese Arbeit meiner geliebten Mutter und danke privaten, staatlichen und religiösen Gemeinschaften für loyale Bildungsexperten. („Loyal“ bedeutet der reinen Lehre verpflichtet. Dies schließt den Missbrauch aus. Das sollte auch schon im Begriff Bildungsexperte ausgedrückt sein, doch der Gebrauch einer Sache trägt das Risiko des Missbrauchs).Das Ich wächst am Du!
Die philosophische Betrachtung über Kinderrechte bezieht die gesamte Kindheit mit ein. Sie ist eingebettet in die Kindheitsphilosophie: „The philosophy of childhood has recently come to be recognized as an area of inquiry analogous to the philosophy of science, the philosophy of history, […]” (Matthews/Mullin). Es existieren verschiedene Theorien und kulturelle Verständnisse: „The modern conception of childhood is neither a simple nor a straightforwardly coherent one, since it is constituted by different theoretical understandings and cultural representations“(Archard 2015 S. 53).
Die Literatur behandelt das Thema Kindheit im modernen Verständnis seit 200 Jahren, die Wissenschaft seit 100 Jahren: “The conception is a very modern one inasmuch as literature has treated of childhood for only two hundred years, and science one hundred” (ebd.). Die Menschheit besteht im heutigen Verständnis seit rund 100.000 Jahren (Diamond S. 209) und es werden Kindheit und Erwachsensein unterschieden. Wissenschaftlich gilt Kindheit als eine Phase auf dem Weg zum Erwachsensein: “Developmental science views childhood as a stage on the road to adulthood, and the nature of the child as impelling her to the achievement of the adult capacities […]” (Archard 2015 ebd.). Kindheit bedeutet daher eine permanente Beziehung, eine Interaktion zu Erwachsenen und umgekehrt. Die Beziehung ist Kommunikation und Dialog zwischen Kind und Erwachsenem, ein Dialog zwischen Ich und Du. Eine theoretische Basis bietet die philosophische Anthropologie (allgemein die Lehre vom Menschen, siehe Lorenz 2014 in Brandt 2014 S. 470). Hauptmerkmal ist das dialogische Denken, auch als Dialogphilosophie bezeichnet (zur Begriffsdefinition siehe z.B. Hügli 2013 S. 189). Dabei übernimmt jeder Mensch stets beide Rollen, wobei Ich als aktive Rolle und Du als passive Rolle betrachtet werden (Lorenz 2014 in Brandt 2014 S. 487). Im „Ich-Du-Verhältnis“ begegnet sich das Ich im Anderen, das nicht nur Du als Mensch, sondern auch Ding oder Gott sein können (nach Martin Buber, siehe Gessmann 2009 S. 333). Das Wissen um die Erfahrung des Ich und Du „geschieht dabei empirisch beim Übergang vom Ich-Sagen in der frühen Kindheit zum Ich-Erleiden in der Pubertät“ (Lorenz 2014 S. 489). Für Ich und Du wird rationales Verhalten vorausgesetzt, es „dokumentiert sich in gegenseitiger Abgrenzung […] im besonderen durch Argumentieren-Können“ (ebd. S 478). Das Kind braucht daher im Erwachsenen einen verlässlichen Fürsprecher. Wo Verlässlichkeit und Verbindlichkeit Versagensrisiken beinhalten, ist dies auf Rechtspositionen abzusichern und durch die staatliche Gemeinschaft zu überwachen. Die folgende Ausarbeitung reflektiert zu differenzierende Kindheitsphasen im dialogphilosophischen Kontext und zeigt die wichtigsten dialogphilosophischen Rechtspositionen im Verhältnis Kindheit zu Elternschaft auf. Basis zum Abgleich von Rechtspositionen ist die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen (kurz UN-KRK). Eine eingehende Analyse dazu bietet Archard mit „Children: Rights and Childhood („[…] widely regarded as the first book to offer a detailed philosophical examination of children’s rights” (Archard 2015 erste Seite nach Titelblatt). Die deutsche Rechtslage wird kurz behandelt in Bezug auf philosophischer Anthropologie und Dialogphilosophie (Nach Hügli/Lübcke 2013: Bezeichnung für „dialogisches Denken“ S. 189). Ein Blick auf 100.000 Jahre Menschheitsgeschichte weist auf das archaische Verständnis des Kindseins hin. Abschließend erfolgt eine dynamische Sicht des Kindheitsverständnisses auf der Basis der Prioritätsthese von Immanuel Kant (dt. Philosoph, 1724-1804, bedeutendster neuzeitlicher Philosoph, siehe Gessmann S. 375).
Die Dialogphilosophie (auch Dialogismus und Ich-Du-Philosophie genannt) betont den Dialog zum Du (Gessmann 2009 S. 168, Hügli 2013 S. 189). Das Ich wird aus dem Du herausgebildet (Gessmann Ebd.). Diese Beziehung hat entscheidende Bedeutung und macht die Grunderfahrung menschlichen Lebens aus (Ebd.). Die Menschen werden „durch Integration von Ich-Rolle und Du-Rolle zu Personen […]“(Lorenz 2014 S. 476).
Das Wort Dialog und die Personalpronomen Ich und Du sind die Ausgangsbegriffe der dialogphilosophischen Analyse.
Das Wort Dialog ist griechischen Ursprungs und bedeutet „kommunikative Beziehung zwischen zweiPersonen[…] zum Erreichen vonWahrheit, […] Personen, die ihrer selbstbewusstsind […]“ (Hügli S. 189). Ursprünglich bezeichnet Dialog die „literarische Kunstform als Darstellung der sokratischen Gesprächskunst“ (Gessmann S. 167).
Eine kommunikative Beziehung ist mehr wie ein Gespräch. Der Begriff Kommunikation beinhaltet „gemeinsam machen, teilnehmen lassen, sich besprechen“ (Hügli S. 488). Unterschieden werden verbale und nonverbale Kommunikation. Die verbale Kommunikation bezieht sich auf das gesprochene Wort und die Schrift, die nonverbale umfasst die nichtsprachlichen Ausdrucksformen (Ebd.). Ein Dialog setzt mindestens zwei Personen voraus. Das Wort Person wird mehrdeutig verwendet („lat. persona, Maske, Charakter, Rolle“, Ebd. S. 681), ist „Bezeichnung für das Ich, […] insofern es außer dem Bewusstsein […] einen Körper besitzt […] sowie eine individuelle Geschichte hat, […] sich zu einer eigenen Persönlichkeit entwickelt […]“ (Ebd.). Neben dem Bewusstsein und der Körperlichkeit wird auch das Verhältnis von Leib und Seele und des Fremdpsychischen auf eine Person bezogen (Ebd. Ziffer 3). Mit dem Fremdpsychischen sind Bewusstseinszustände bezeichnet, die „anderen Personen und Tieren zukommen“ (Ebd. S. 303). Der Begriff Person wird auch auf kollektive Größen wie Gesellschaft und Staat bezogen, als juristische Person bezeichnet, „sofern sie Rechte und Pflichten haben“ (Ebd. Ziffer 2). Auch kann es abstrakter Begriff sein, bezeichnet als Personifikation wie z.B. Mutter Erde (Meyer/Regenbogen S. 490/491).
In engem Zusammenhang zum Begriff Person steht der Begriff der „persönlichen Identität“ (Hügli S. 682 Ziffer 4): „Personen ändern sich, […] was macht es aus, dass sie noch immer dieselbe Person sind? Was verbindet den Erwachsenen mit dem Kind, das er einmal war?“ (Ebd.). Im Dialog wirkt in der Person das Kind von einst? Es wird für die Person auf eine „immaterielle Substanz (die Seele z.B.)“ oder die Erinnerung abgestellt trotz Erinnerungslücken oder Sinnestäuschungen (Ebd.). Das Kind findet als Person keine Erwähnung, insbesondere für kleine Kinder scheint der Begriff Person nicht anwendbar zu sein „[…] weil die für den Status einer Person typischen Kriterien von manchen Menschen (z.B. kleinen Kindern […]) nicht erfüllt werden können“ (Gessmann S. 544). Die Einschränkung folgt auf Kleinkinder und nicht auf alle Kinder. Insofern sind Kinder nicht generell von dem Begriff Person ausgenommen. Der Begriff der Person ist nicht vollständig beschreibbar und gibt nur die Richtung vor, ist normativer Art (Ebd.). Das gleiche gilt für Begriffe wie Rationalität (Ebd. S. 545). Kraft fehlender typischer Merkmale zur Kennzeichnung von Menschen als Person ist es hilfreich, einen „geeigneten Repräsentanten, […], in den sie betreffenden Regelungsangelegenheiten“ beizustellen (Ebd. in Bezug auf J. Habermas 2005, dt. Philosoph und Sozialwissenschaftler, geb. 18.06.1929 Düsseldorf, siehe Gessmann S. 287). „Normen des Zusammenlebens, die auch noch unter Fremden Solidarität stiften können, sind auf allgemeine Zustimmung angewiesen. Wir müssen uns auf Diskurse einlassen, um solche Normen zu entwickeln“ (Habermas S. 21).
Der Dialog ist personaler Natur, „Im Gespräch rede ich zu einem anderen, der als ein Du angeredet wird und von dem ich umgekehrt selber als Du angeredet werde“ (Hügli S. 189). Das Gespräch ist auch Selbstgespräch, „[…]wenn das Individuum sich in die Haltung des anderen versetzt, besonders wenn es die Haltung einnimmt, die der ganzen Gruppe gemeinsam ist […]“ (Mead S. 79). Neben dem personalen Dialog ist ein transsubjektiver Dialog möglich. Transsubjektiv bedeutet „über das Subjekt (das Ich) hinausgehend, auch jenseits seines Bewusstseins liegend, nicht zu den Bewusstseinsvorgängen gehörend“ (Meyer/Regenbogen 2013 S. 671). Diese Sichtweise findet Beachtung im Personalismus, eine „philos. Lehre, die den Menschen […] primär als handelnde und wertende Person auffasst“ (Hügli S. 683) und den Menschen als „Person gegenüber der Art und Weise seiner möglichen Objektivationen wertschätzt […] wendet sich bes. gegen Formen der Verdinglichung des Menschen“ (Gessmann S. 545). Während der Personalismus auf die Person abstellt, greift die Dialogphilosophie das Verhältnis zwischen Personen auf und hebt „den unmittelbaren Charakter dieser Verhältnisse hervor“ (Hügli S. 684). Eine Erweiterung findet sich in der Theologie, die Personalismus als Lehre versteht, „nach der Gott zum Menschen als Person spricht und somit der Mensch Gott als einem Du gegenübersteht“ (Ebd.). Gott ist „allgemein Ausdruck für eine übermenschliche, die Menschen aber ansprechende oder herausfordernde Macht, die entweder begrenzt oder allumfassend und meist personal vorgestellt wird (Gessmann S. 278). Die personale Vorstellung eines Wesens Gott geht über die reelle personale Wirklichkeit hinaus und kann daher als transpersonal bezeichnet werden. Während in der Philosophie statt des Begriffs transpersonal der Begriff transsubjektiv verwendet wird, ist der Begriff transpersonal aus der Transpersonalen Psychologie bekannt (Walach 2014). Hier liegt ein Schwerpunkt „vor allem jene Dimensionen zu erforschen, die jenseits der Selbstentfaltung zu suchen und zu finden wären, also die Spiritualität, den Sinn und solche Erfahrungen, die Raum und Zeit transzendieren“ (Ebd.).