Kindheit und Jugend vor Neunzehnhundert - Hermann Hesse - E-Book

Kindheit und Jugend vor Neunzehnhundert E-Book

Hermann Hesse

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Beschreibung

Im Nachlaß von Hermann Hesse fanden sich, in Bündel verschnürt, Korrespondenzen und Dokumente merkwürdigster Art: Jugendbriefe Hesses an seine Eltern, Großeltern, Schwestern und Freunde. Aber nicht nur die Briefe von Hesse, auch die an ihn selbst gerichteten fanden sie vor, und nicht allein diese Korrespondenz, sondern auch Berichte und Mitteilungen von Verwandten, Erziehern, Kostherren, Lehrern, Pfarrern und Ärzten, die ihn, seine Erziehung und Entwicklung betreffen.

Die Dokumente zeigen den Aufbruch, das Werden eines Dichters. Sie werfen ein neues Licht auf die ersten Jahre Hesses. Das »Ausbrechen aus der Gemeinschaft« ist ein zentrales Thema der Werke Hesses von Unterm Rad bis zum Glasperlenspiel. Die biographische Entsprechung bieten nun diese Briefe, welche die konkreten Fakten von Anpassung und Rebellion enthalten, Dokumente, die den schmerzhaften Weg der Individuation klarmachen, den Hesse als Mensch wie als Autor gehen mußte.

»Die Briefe, die ein geistig gesunder Bursche von fünfzehn Jahren im Sommer 1892 aus einer Anstalt für Geisteskranke nach Hause geschrieben hat, zählen zum Ungeheuerlichsten, was die Geschichte der Erziehung in Deutschland zu bieten hat.

Hesses Briefe, klar und kalt, überlegen und scharfsinnig, nehmen Abschied von der Kindheit, kündigen das traditionelle Kindschaftsverhältnis im deutschen Elternhaus auf und sagen den Formen routinierter Frömmigkeit im christlichen Heim ade. Diese Briefe sind unvergleichliche Zeugnisse der deutschen Geistesgeschichte am Ausgang des bürgerlichen Jahrhunderts.

Die bisher unveröffentlichten Anklagen eines zornigen jungen Mannes von gestern, die in ihrem unbeirrbaren Wahrheitsdrang ein Schmuck unserer Schullesebücher wären, haben Folgen aber auch für unser Verständnis vom Leben und Werk des Dichters.« Rolf Michaelis, Frankfurter Allgemeine Zeitung

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Seitenzahl: 748

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Kindheit und Jugend vor Neunzehnhundert

Hermann Hesse in Briefen und Lebenszeugnissen 1877-1895

Suhrkamp

Inhalt

Briefe und Lebenszeugnisse

Nachwort

Anhang

Anmerkungen

Chronik

Namenregister

Verzeichnis der Werke von Hermann Hesse

Hermann Hesse in Briefen und Lebenszeugnissen

1877–1889

1] Aus dem Tagebuch von Marie Hesse1

Donnerstag, 15. Februar 1877

Köstlich sprach Vaterle vom neuen Namen, den ER uns - jedem einzeln – geben wird, ein Meisterstück Gottes grammatikalisch und lexikalisch, ein Name, worin alles enthalten ist, was wir auf Erden waren, erlebten und durch Gottes Gnade geworden sind, ein Name, so alles-fassend, so erschütternd passend, daß beim bloßen Namenhören uns alles Vergangene und Vergessene, das ganze Rätsel unsres Lebens, all das uns Verborgne und Unverständliche unsres eigenen Wesens und Seins plötzlich - von Ewigkeitslicht beleuchtet - klar vor die Seele treten wird.

Als ich so Papa zuhörte, wurde mein Herz weit und selig, und Gottes Ratschluß kam mir so überwältigend und herrlich vor, daß ich meine Kindlein selig preisen mußte, weil auch sie schon von ihm erkannt und geliebt und zum wundervollen Erbteil berufen sind - ja schon im Mutterleibe.

[…]

Am Montag, 2. Juli 1877, nach schwerem Tag schenkt Gott in Seiner Gnade abends halb 7 Uhr das heißersehnte Kind, unsern Hermann, ein sehr großes, schweres, schönes Kind, das gleich Hunger hat, die hellen blauen Augen nach der Helle dreht und den Kopf selbständig dem Licht zu wendet, ein Prachtexemplar von einem gesunden, kräftigen Burschen. […]

Am 3. August war Taufe unsres Hermann. Tags zuvor war Dr. Mögling2 da und legte ihm segnend die Hand auf. Sein Großpapa taufte ihn, […] Der Kleine schrie zuerst, aber beim Singen guckte er ganz hell herum und blieb dann still. […]

Ende Dezember 1879

[…] Hermännle entwickelt sich sehr rasch, erkennt alle Bilder sofort, ob sie aus China, Afrika oder Indien, und ist sehr klug und unterhaltend, aber sein Eigensinn und Trotz ist oft geradezu großartig.

[Am 27. November 1880 wurde die Tochter Marulla geboren3.]

[1881]

[Im Frühjahr 1881 wurde Johannes Hesse als Herausgeber des Missionsmagazins nach Basel berufen, die Familie zieht am 6. April dorthin.]

2] Η. Η. an Hermann Gundert4

Bleistiftnotiz von Η. Η.: Dies Briefchen habe ich im April 1881 in Basel meiner Mutter diktiert, an Vetter Hermann.

Das Briefchen: handschriftlich von Marie Hesse. Oben Notiz von Marulla:

»Wohl 1881 (bei Ρfisterers) vor dem Einzug in den Müllerweg. Mutter bei Pfleiderers.«

Lieber indischer Hermann,

hier sind arg viele Buben im Haus und spielen und gautschen im Hof. Es ist recht nett hier. Wir gehen aber heute in unser neues Haus und suchen wieder unsre alten Spielsachen.

Ich huste ganz erschrecklich, aber darf doch ausgehen. Der Doktor wollte meine Zunge sehen, aber ich hab sie ihm durchaus nicht gezeigt, und den bitteren Tee [Notiz: isländisch Moos] habe ich auch nicht getrunken.

Der Paule Pfleiderer drüben hat ein ganz neues Bett verbrannt, er gesteht aber nichts wenn man ihn fragt. Komm einmal zu mir! Deine Cigarren haben mir sehr viel Freude gemacht, besonders auf der Reise.

Agnes und Dich küßt Dein Vetter Hermann

Adele grüßt Euch.

3] Aus dem Tagebuch von Marie Hesse

[1881]

[…] Die Kinder freuen sich sehr der netten Wohnung5, ländlichen Umgebung, des Gartens und Hofs, wo sie sich fleißig tummeln. Bei einem großen Baum am Missionshausgarten schreit Hermann: »Au, an dem bliebe der Absalom mit seinem Haar gewiß auch hängen!« […] Wir teilen nun Freude und Leid mit der Basler Mission und das macht uns reich und glücklich, man liebt mehr, man betet mehr, es ist ein wärmeres, bewegteres Leben als im engen Calw. Hermann geht in die Kinderschule; sein heftiges Temperament macht uns viel Not. […]

4] Johannes Hesse6an Hermann Gundert 7

Basel, 19. Oktober 1881

Lieber Papa,

hier ist endlich die Antwort auf mein Gesuch um Entlassung aus dem russischen Untertanenverband. […] Da Du Dich freundlich erboten hast, meine Aufnahme ins württembergische Staatsbürgertum zu betreiben, so sende ich das Dokument Dir mit der Bitte, Du möchtest die weiteren Schritte tun, indem ich das wo, wie und wann ganz Dir überlasse. […]

5] Marie Hesse an Adele Hesse8

Sie berichtet von Hermanns Geburtstag:

Basel, 2. Juli 1882

Mein teures Adelchen,

[…] Arnold und dessen Schwestern spielten viel mit ihm [Hermann] am Tisch, zuletzt gab’s Streit. Dann erklärte Memmerle, es sei recht dumm, daß man so einem bösen Knaben, wie Arnold sei, einen so arg schönen Namen gegeben habe, dazu einen biblischen. Als Emma und ich sagten, in der Bibel sei nirgends ein Arnold, sagte er, das wisse er halt besser, wir hätten’s wohl eben vergessen. Aber sein eigener Name sei nicht schön und nicht biblisch und wir hätten ihn »Seth« heißen sollen. Seth sei sehr schön, und Adam und Eva hätten ihr braves Büblein so geheißen, das ihnen Gott zum Trost geschenkt für den toten Abel und für den ganz bösen Kain. – […]

6] Hermann Gundert an seinen Sohn Hermann9

Calw, 7. August 1882

[…] Und am 6. (Sonntag), nachdem Memmerle Hesse von Frau Huber-Burckhard vom Hauenstein herabgebracht war - (er sagte, »wegen der lumpigen Tauf wär ich nicht herabgekommen, aber ich muß ja jetzt wieder in d’Schul«) - taufte ich Nachmittag in Gegenwart des Praetorius Huber und Theodors den lieben Johannes 10 und wir saßen fröhlich zusammen […]

7] Hermann Gundert an Johannes und Marie Hesse

Calw, 25. Juni 1883

[…] Mit Hermann werdet ihr freilich viel Geduld haben müssen. Es kommt auch von Gott, daß einem die Kinder Rätsel aufgeben, vor denen man ratlos stille steht. […]

8] Hermann Gundert an seinen Sohn Hermann

Calw, 9. Juli 1883

[…] Der Hansli ist ein fröhlicher Bursche, der Hermann ein verzwickter, leicht hochgesteigerter. […] Sie gehn jetzt auf den Rechtenberg irgendwo im Jura, nehmen dazu alles Eßbare mit. […]

9] Aus dem Tagebuch von Marie Hesse

[1883]

[…] Am 10. Juli im Omnibus mit Sack und Pack die ganze Familie auf den Rechtenberg (Ratsherr Sarasins Gut) gefahren und dort gelebt im Grünen bis zum 3. August.

Rechtenberg, 30. Juli 1883

[…] Abends waren wir noch etwas unten bei Wackernagels. [Drei eigene und drei Stiefsöhne seien dagewesen.] Man las Briefe von Stilling an jene Fluhbacher Wirtsfrau vor, die hier im Original sind. Eine wirklich nette, edle Familie ist diese Wackernagelsche, alles so reell und einfach. … Hermann sieht so gesund und sonnverbrannt aus, die Luft und das freie Leben hier tun ihm offenbar gut. Doch fragt er schon besorgt, ob man gewiß an den Schulanfang denke und bei Zeit in Basel zurück sei? […]

10] Marie Hesse an Hermann und Julie Gundert11

Basel, 5. November 1883

[…] Unser Hermann geht jetzt auf eigenen Wunsch zur Sonntagsschule (Frau Pfarrer Pfisterer) ins Knabenhaus. Im ganzen ist ergottlob recht ordentlich und viel lenksamer.

Aber am 14. November 1883 schreibt Johannes Hesse12:

Hermann, der im Knabenhaus fast für ein Tugendmuster gilt, ist zuweilen kaum zu haben. So demütigend es für uns wäre, ich besinne mich doch ernstlich, ob wir ihn nicht in eine Anstalt oder in ein fremdes Haus geben sollten. Wir sind zu nervös, zu schwach für ihn und das ganze Hauswesen nicht genug diszipliniert und regelmäßig. Gaben hat er scheint’s zu allem: er beobachtet den Mond und die Wolken, phantasiert lang auf dem Harmonium, malt mit Bleistift und Feder ganz wunderbare Zeichnungen, singt wenn er will ganz ordentlich, und an Reimen fehlt es ihm nie.

11] Hermann Gundert an Johannes und Marie Hesse

Calw, 1. September 1884

[…] Euren Hermann bemitleide ich herzlich, aber ich gestehe, eine Freude wäre mir’s nicht, wenn Ihr ihn weit abgäbet. Es ist schon falsch zu sagen, man könne ihn nicht beeinflussen. Gott, der ihn Euch gegeben hat, ließ Euch gewiß nicht und läßt Euch nicht ohne die Mittel, ihn zu beeinflussen. Soll denn die tägliche Fürbitte für ihn vornweg als kraftlos gedacht werden? Ich meine, Ihr solltet Euch rüsten, große Gnaden von Gott gerade in Betreff seiner zu erwarten und also auch herabzuziehen. Ihr könnt ihn doch niemand übergeben, dem mehr an dem Knaben läge als Euch. So ist mir’s zu Mute und ich kann nicht anders schreiben als mirs ums Herz ist. […]

12] Aus dem Tagebuch von Marie Hesse

[1884]

Mit Hermännle, dessen Erziehung uns so viel Not und Mühe machte, geht es nun entschieden besser. Vom 21. Januar bis 5. Juni war er ganz im Knabenhaus und brachte bloß die Sonntage bei uns zu. Er hielt sich dort brav, aber bleich und mager und gedrückt kam er heim. Die Nachwirkung war entschieden eine gute und heilsame. Er ist jetzt viel leichter zu behandeln. […]

Am 16. September kam die liebe Schwester Elisabeth13 mit ihren Kindern. Aber dieser sonst so freudige Tag wurde für uns ein Tag des Schreckens und tiefer Sorge, da von Schopfheim abends ein Telegramm kam, Theodor14 sei auf und davon! Umsonst erwartete ihn mein l[ieber] Mann hier am Bahnhof. Ach, das waren drei schwere Nächte, zwei dunkle Tage, da wir gar nicht wußten, wo unser Kind sei. Am 19. kam er plötzlich, mager, bleich, verstört daher und verlangte nur nach Schlaf. Er war nach München in einem Strich gefahren, hatte sich dort dem Musikdirektor gestellt, der ihn zur Kunst ermutigte und sein Talent anerkannte, und war dann sofort zurückgereist, hatte im Wartesaal des Bahnhofs bloß sich aufgehalten und war nun ausgehungert und todmüde vor Schlaflosigkeit. Er erklärte uns, er halte es nimmer aus, wir sollten ihm Erlaubnis geben die Musik ganz zu erwählen. Endlich versprach er, er wolle in seine Lehre zurück und sein Examen abmachen, mit der Bedingung, daß wir ihm dann erlauben, sich der Musik ganz zu widmen.

13] Hermann Gundert an Johannes und Marie Hesse

Calw, 23. November 1884

[…] Über Hermanns gute Entschlüsse freue ich mich mehr als über seine Poesie. Letztere kommt mir fast unnatürlich vor für seine Jahre. Man sieht, er ist schon voll Stoff’s, überallher aufgesogen. […]

[1885]

[Am 18. September starb Marie Hesses Mutter Julie Gundert, geb. Dubois.]

14] Aus dem Tagebuch von Marie Hesse

[1886]

Im Februar kam an das Basler Komitee die Bitte von Papa, ihm Johannes als Gehilfen und Nachfolger abzugeben. Basel mit seinem lebendigen, anregendem Treiben, den köstlichen Kreis unserer Missionsfreunde, unser sonniges heimeliges Logis, unsere liebe Nachbarschaft zu verlassen, fällt mir wohl schwer. Auf der andern Seite zieht Papa. Am 10. März kam die Entscheidung des Komitees für Calw. […]

[Im Juli 1886 übersiedelt die Familie Hesse nach Calw.]

In Calw: Ja es ist schön, bei Papa sein. Mir war in den ersten Monaten hier alles schön weil Papa da ist und er mir alles ersetzt. Doch kam im Winter ein Rückschlag, es gab Ärger und Erkältungen mit den schlechten Räumen, der Heizung, dem Lokus, der jeweiligen Bevormundung von Tantele15, schwere Zeit mit Hermann, die monotone Einförmigkeit des Lebens hier drückte mich. Für mich ist die Zucht und strenge Sitte im Haus, das Sich schicken müssen auch gut und heilsam. Denke ich an Basler Wohnung, Freiheit und Umgang, an unser ungeniertes Familienleben zurück, so will michs hier beengen. Aber für das innere Wachstum ists besser so. Und dann, wie tief fühle ich jetzt erst, was ich an Johannes habe, was wir einander sind, wie wir einander verstehen, wie wir Eins sind.

15] Aus dem Tagebuch von Marie Hesse

[1888]

Im Geschäft ist mein lieber Mann unbefriedigt, ihm und mir fehlt überall die Freiheit. Um der Liebe willen sie dran geben, ist recht und schön ob aber Papa und uns damit wirklich gedient, irgendjemand genützt wird? Auf mir liegts wie ein Alp, ich hatte in diesem Jahr gegen Schwermut anzukämpfen wie noch nie. –

[…] Die großen politischen Ereignisse haben uns auch tief bewegt: 7. Februar Kehlkopfschnitt am Kronprinzen. 9. März Kaiser Wilhelm entschlafen.

15. Juni Kaiser Friedrich nach unsäglich schwerem Leiden gestorben und nun der junge, hoffnungsvolle Kaiser Wilhelm II. auf dem Thron. Adele und Hermann begrüßten ihn mit Begeisterung bei seinem Besuch in Stuttgart, September 88 und Cousine Johanna bekam eine Brosche für den überreichten Strauß. […]

[Vom 6.-23. Juni Johannes in London bei der großen internationalen Missionskonferenz.]

[…] Unser Hermann freute sich sehr, in den Ferien mit seinem Freund Barth nach Schömberg zur Großmutter Dittus zu gehen; schon nach zehn Tagen aber trieb ihn plötzlich unwiderstehliches Heimweh nach Hause. Ganz zu Fuß, mit schwerem Reisesack kam er müde und kaput ganz unerwartet bei uns an 16. […]

16] H. H. an Marie Hesse

[Calw,] 11. Mai 1888

Liebs Mami,

danke vielmal für Deinen lieben Brief. Er hat mich recht gefreut. Morgen Nachmittag darf ich und Marulla mit Tante Elisabeth nach Thalmühle. Darauf freuen wir uns natürlich sehr. Hoffentlich ist dann die Nagold nicht groß. Wie geht es Dir und Adele. Ist es gut gegangen mit Adelens Zähnen? Wir sind alle munter außer Hansli, welcher sagt, alles habe keinen Wert und zuletzt herausfindet, daß er selbst auch keinen Wert habe.

Eben kam Dein Brief an. Wir schaffen viel im Garten. Ich gehe oft auf die Schmetterlingsjagd17.

Grüße alle Verwandte und Bekannte und sei selbst gegrüßt und geküßt von Deinem

Hermann

17] Aus Briefen von Hermann Gundert an seinen Sohn Hermann

Calw, 10. Dezember 1888

[…] Mit Hermann treibt Johannes etwas Griechisch und Latein, da fällt ihm auf, wie ungeheuer leicht er kapiert. Nur verwendet er noch nicht viel Ernst aufs Behalten. […]

18]

Calw, 21. Januar 1889

Liebe Kinder,

[…] [Er berichtet, daß Marie mit ihren Kindern Adele und Hermann in Stuttgart war], um beide dem orthopädischen Dr. Roth zu zeigen.

Hermann wurde mit zu schwachem Gliederwachstum behaftet gefunden, für ihn ist auch ein special treatment vorgeschrieben. Adieu Schlittschuhe, weg mit Turnen etc. Bloß ruhige, gleichmäßige Bewegung ohneexertion erlaubt. Marie ließ jenen Tag die Kinder in Stuttgart, die Tochter bei Herrn Nestle (Frau Marie Oehler geb.), den Hermann bei Adolf18, von wo sie erst am Sonnrag zurückkehrten.

Der Großvater schreibt noch von Adele, der das Streckbett bevorstehe, aber ihr wird aller Gehorsam leicht. Hermann dagegen war finster und gereizt, […]

19]

Calw, 4. Februar 1889

Liebe Kinder,

mit Mühe entziehe ich mich einer großen Versammlung die unten Kaffee trinkt, um den wöchentlichen Brief noch zu schreiben. Am 30. erschoß sich der Kronprinz von Österreich. […]

Am 2. kam David19, der Frau und Knaben nach Hirsau beförderte und hier über Mittag blieb. Den Nachmittag brachten die lieben Hesses in Nagold zu, bei der Missionskonferenz, hörten dort, daß in Südmahratta aufrührerische Christen sich wirksam an die SPG (= Society for Propagation of the Gospel) wandten, von der sie auch Katechisten bekommen haben. […]

Gerade als Hesses abends von Nagold zurückkehrten, ließ ihr Hermann die Lampe in Johannes’ Studierzimmer fallen, worauf sich das Petrol entzündete. Man mußte sehr dankbar sein, daß alles gelöscht werden konnte. Aber so gibts immer was mit diesen hastigen Kindern. […]

20] Hermann Gundert an seine Schwester Emma Ρlebst20

Calw, 25. Mai 1889

[Er berichtet, daß er am 19. in der Kirche über 1. Thess. 2 gepredigt habe. Dazu eine handschriflliche Notiz des Sohnes: Papas letzte Predigt.]

[…] Wir haben gestern eine Bewahrung erlebt, die noch fortwirkt. Marie hatte dem Hermann erlaubt, die beiden großen Mädchen im Kahn spazieren zu führen. Adele trat so ungeschickt in diesen, daß er umschlug und alle drei im Wasser lagen; freilich ganz nahe am Ufer, doch wurden sie patschnaß, hatten nach Kleidern zu schicken und in einem fremden Haus allerlei Beistand anzunehmen. Die Agnes (Hunnius) scheint den Schrecken noch nicht recht überwunden zu haben; Marie desgleichen, je weniger sie sich äußert. Es muß ihr soweit tagen, daß sie ein anvertrautes zartes Kind nicht dem raschen Hermann übergeben durfte. […]

In den kleinen Taschen-Notizbüchern von Marie Hesse steht am 22. Februar 1889 die Eintragung: Hermanns erste Geigstunde.

21] Marie Hesse an Johannes Hesse

Calw, 19. Juli 1889

[…] Heute habe ich in Reutlingen angefragt ob ich mit Hermann die erste Augustwoche dort zubringen könnte. Hermann kriegt lange Ferien vom 1. August an. Dieser Plan ist, daß ich mit den Buben fortgehe, Adele zu Fräulein von Reutern, Marulla nach Möttlingen bis Carl21 mit uns in die Vakanz heimkommt. […] Hermann Latein Erster, im Griechischen Siebenter. Er ist ordentlich. […]

22] Aus den kleinen Taschen-Notizbüchern von Marie Hesse

26. Juli 1889

Ich rede mit Papa und wir beschließen uns zu trennen. Was mich das gekostet ahnt niemand! Es hätte aber längst sein sollen für Johnnys Nerven.

23] Marie Hesse an Johannes Hesse

Calw, 30. Juli 1889

[…] Wir haben gestern eine Wohnung gemietet. Friedrich22 hat alles mit angesehen, beraten, besprochen, und er kann uns nur gratulieren, daß wir so etwas Freundliches gleich bekommen haben. Natürlich dachte er, es könne unmöglich was sein, weils heißt: »in der Ledergasse«. Mir hatte dies Wort auch immer etwas Abschreckendes. Aber das Haus steht weit zurück, hat ein Gärtchen vorn und hinten ganz erquickende Aussicht ins Grüne. Mit geschlossenem Korridor, fünf Zimmern, Küche und Speiskämmerchen, alles alt und einfach, auch nicht mit Winkelmaß gemessen, wie die meisten Calwerhäuser! aber wirklich sehr behaglich und gemütlich.

Es ist dasselbe Haus, in dem wir vor 27 Jahren kurz wohnten, aber damals war eine Gerberei drin und ringsum lauter Lohgruben und Gestank. Die Wohnung gar nicht hergerichtet. Es gehört jetzt Verwaltungsaktuar Staudenmeyer, der unten drin wohnt, mit seinem jungen Fraule und zwei kleinen Buben. Er baut und repariert seit er das Haus gekauft und macht alles nett und wohnlich. Adele war mit mir dort zum Ausmessen […]

24] Hermann Gundert an seinen Sohn Hermann

[Calw,] 29. Juli 1889

Johannes [Hesse] schrieb mir [am] 14. Juli – wie er Marie meldete nach langem Besinnen: »Es ist sehr demütigend für mich, dem, was nun einmal mein Beruf ist, so ungenügend nachkommen zu können. Dazu empfinde ich mit jedem Jahr mehr, daß ich nicht ›unter meinem Volke‹ wohne, sondern in einem fremden Lande, an das sich ›mein Geist nicht gewöhnt‹ trotz aller Übereinstimmung im Tiefsten. Bei einer flotten gesunden Tätigkeit würde ich das gar nicht merken. Aber so ist eine beständige Wechselwirkung da zwischen der physischen Schwäche und dem moralischen Druck und darin liegt eine Anfechtung, eine Wurzel der Bitterkeit, die an und für sich krank macht und die zu bekämpfen jedenfalls ermüdet. Der Geist ist willig aber das Fleisch ist schwach. Mein Hauptgesuch dabei ist - Vergebung. Und darin liegt auch wohl das Hauptstück der Heilung. Im übrigen weiß ich, daß ich leide, was meine Sünden mir eingebrockt haben und daß dies Leiden selbst eine gnädige Zucht ist. Habe Dank für alle Deine Liebe und Geduld, für Deine Fürsorge und Fürbitte.«

Das war alles so erwogen, so ehrlich und doch so künstlich gestellt, daß ich nicht wagte, eine Antwort zu schreiben, in seiner jetzigen Nervenaufregung. Wir beten viel für ihn. […]

25] Hermann Gundert an seine Schwester Emma Plebst

Calw, 1. August 1889

[…] Marie ist heute früh nach Bern abgereist, dem einsamen, umgetriebenen Johannes zur Hilfe. Er liegt in Dändlikers Spital in Bern, hat öfters Nervenstürme und Weinkrämpfe. Gott wolle sich sein erbarmen und ihn der Familie sowie dem Werk erhalten!

[…] Also Marie will mit den Ihrigen ausziehen, hat schon ein Logis in dem einst von uns anno 1862 bezogenem Hause in der Lederstraße und an der Nagold. […]

26] Aus Briefen von Hermann Gundert an seinen Sohn Hermann

Calw, 3. August 1889

[…] Also die Kinder um 7 Uhr 27 glücklich ab, Hermann sehr niedergeschlagen wegen seines Vaters Krankheit, was uns wohl tat. […]

27]

Calw, 5. August 1889

[…] Am 31. war Abschiedsfeier im Lyzeum, dort bekam Hermann Gundert als Primus ein Praemium, (brachte aber kein Compliment zustande), Hermann Hesse verschandelte solche Ehre. […] Ein paar Stunden nach Maries Abgang nahm Adele den Hermann und Hans unter ihre Fittige und brachte sie nach Tübingen, sah dort den Einzug des Königs durchs Spalier der Studenten, worauf abends [unleserlich] besucht wurde. Dort ließ sie die Knaben am 2. August und fuhr nach Eßlingen […]

28]

Calw, 12. August 1889

[Über Johannes Hesse, der morgen oder übermorgen mit Marie zurückerwartet werde.]

[…] Diese Balten haben fast alle einen Zug von Schwermut an sich und meine leichte Art hat für sie etwas Verletzliches. Gott wolle drein sehen und ihm heraushelfen. In 2-3 Tagen werden sie da sein. […]

29]

Calw, 19. August 1889

[Am 13. Nachmittag sind Marie und Johannes heimgekehrt.]

Johannes war doch besser als wir fürchteten, nur muß er geschont werden und unser Essen war ihm bald zu laut, er ißt für sich im Nebenzimmer. Etwas zu arbeiten hat er aber gleich angefangen, natürlich im gemäßigten Tempo. […] Johannes war in Calw zur Kirche gegangen, die ihm wohltat nach den Schweizerkirchen, die er sehr vernachlässigt gefunden hatte. Nach uns kehrte auch Hermann Hesse zurück, der heute nach Stuttgart fuhr und vielleicht den Schah noch zu sehen bekommt. […]

30] Η. Η. an Johannes und Marie Hesse

Stuttgart, 22. August 1889

Liebe Eltern,

ich bin glücklich hier angekommen, traf aber den 1. Onkel nicht zu Hause. Er war gerade nach Firnsal abgereist. Es ist da oben sehr nett. Auf dem Spielplatz haben wir ein Zelt errichtet. Ich habe jetzt ein Mundstück zu meiner Trompete, es kostete nur 70 Pf. Heute Nachmittag dürfen wir ins Naturalienkabinet, worauf wir uns sehr freuen. Ich war bei Tante Reiniger, welche mich alle grüßen läßt.

Wilhelm23 und ich, wir machen täglich eine Schönschrift. Wir schreiben irgend einen Spruch; wenn dies fertig ist, dürfen wir spielen. Dann gehts meistens auf den Spielplatz hinab ins Zelt24. Dort bleiben wir oft den ganzen Vormittag, den wir als Araber oder Zigeuner etc zubringen. Oft schaukeln und kegeln wir auch, wobei Paul oft Veranlassung zum Lachen gibt. Gestern waren die Vettern Egi u. Wilhelm da. (Der Weinberg ist jetzt sehr groß). Es sind viele junge Küchlein da, welche gar possierliche Sprünge machen. Dem kleinen Mariele gehts gut. Sie ist immer sehr lebhaft. Wir haben im Sinn, Onkel Adolf am Sonntag zu besuchen. Es stürmt immer arg. Ich lese ein sehr interessantes Buch »die jungen Seefahrer«, welches mir sehr gefällt. – Wie geht es Euch, besonders d. lieben Papa? Uns allen geht es gut. –

Viele Grüße an alle Verwandten, besonders dem 1. Onkel. Viele Grüße auch an Euch alle von der 1. Tante u. den Vettern. Es grüßt u. küßt Euch Euer Sohn

Herrmann

(Bitte bald Antwort!)

31] Hermann Gundert an seinen Sohn Hermann

Calw, 2. September 1889

[…] Heute ist David da […] den Hermann Hesse brachte er mit, der am 27., als ich in Stuttgart war, sagte, er wünschte die Vakanz dauerte bis anno 96, es sei ihm noch nicht langweilig. So blieb er vierzehn Tage in Stuttgart bei David, hält sich gut […].

Die zwei Hermelink waren von Eßlingen herübergelaufen zum Missionsfest und wurden gut bewirtet. Alle Schulspäße wurden mit Wilhelm und Hermann Hesse losgelassen, z.B. no bis per pontem, schwimme zweimal unter der Brücke durch; Vespa-si-anum pungit clamat, wenn eine Wespe ein altes Weib sticht, schreit sie, etc. Sie waren sehr heiter zusammen. […] Heute ist also Sedansfest, worauf Hermann Hesse zumeist spekulierte als er heimkehrte. […]

32] Aus dem Tagebuch von Marie Hesse

[…] Am 16. September 1889 zogen wir in die neue Wohnung, die sonnig und behaglich ist. Gott sei Dank, nun haben wir wieder ein Heim. […]

33] Hermann Gundert an seinen Sohn Hermann

Calw, 30. September 1889

[…] Gestern nun kam Johannes Claassen25 von Münster, der Theosoph, der über Böhme, Baader, Hamann etc geschrieben hat und gern bei uns mitarbeiten möchte26, wenn er es als den Willen Gottes erkennt. Wir hatten längere Verhandlung. Ich fürchte, der Mann ist zu hoch für uns, d. h. er ist willig zu dienen und hält auch gemeine Arbeit für annehmbar, aber er ist 54 Jahre alt und war mit seinem größeren Vermögen (das er anfangs dieses Jahres verlor) so gestellt, daß er immer nur auf die innere Stimme zu hören brauchte, um was zu arbeiten. Wie ihm nun unsere Fabrik zusagen würde? Es könnte ihm ja gut sein, aus der immensen Innerlichkeit herausgerüttelt zu werden, aber ob er sich wohl fühlen würde in diesem Getrieb der Räder, ist mir doch zweifelhaft. Er hat gerade etwas Englisches geholt, um sich daran zu versuchen. Ich glaube aber, das Ende wird sein, daß wir ihm einen bestimmten Auftrag geben, den er irgendwo wird ausführen können. […]

34] Johannes Hesse an Adele Hesse in Tübingen

[Calw, 10. Oktober 1889]

[…] Hermann läßt Dich grüßen und Dir gute Besserung wünschen. Er bemalt die Wand neben seinem Bett, formt Götzen aus Lehm, liest viel, treibt auch Unsinn mit Hans, erzählt zuweilen den Kleinen von Eulenspiegel und den Schildbürgern, wirft auch gelegentlich die Petroleumlampe um. […]

35] Hermann Gundert an seinen Sohn Hermann

Calw, 21. Oktober 1889

[…] Am 17. verließ uns Claassen, nach Münster heimkehrend in der Absicht, bis Ostern etwa dort zu bleiben und dann nach Calw zu ziehen, wo er sich schon nach Wohnung umgesehen hat. So leicht ist’s nicht, eine passende zu finden.

[…]

36] Marie Hesse notierte

13. Oktober 1889

Claassen manche Abende bei uns.

11. November 1889

Hermanns Feigendiebstahl27 entdeckt!

1. Dezember 1889

H. im Bett mit Fußschmerz (elektrisiert).

37] Marie Hesse an Johannes Hesse

Calw, 3. Dezember 1889

[…] Bellons sagten, Rektor Bauer28 rate selbst ab, wenn man Zöglinge schicken wolle, da er alt werde und letztes Mal von vierzehn Bewerbern bloß vier das Examen bestanden[…]

38] Η. Η. an Adele Hesse bei Frl. v. Reutern, Grabenstraße in Tübingen

Calw, 4. Dezember 1889

Liebe Schwester,

ich hoffe, es geht Dir und Carl gut. Mir geht es gut, habe aber wenig Zeit zu allem. Ich muß gehörig schaffen, bis ich alle auf den andern Tag fälligen Aufgaben fertig habe. Da ist alles durcheinander. Aufsätze, lateinisch, Geschichte, Geographie, Griechisch, Französisch, Arithmetik, Religion, Deklamation, etc. Du kannst Dir denken, was das für ein Geschäft ist. Dennoch hätte ich Dir gern einen ordentlichen Brief geschrieben, aber ich hatte nur 5 Pf., da reichte es nur zu einer Postkarte. Mit dem Geigen gehts gut. Den Kleinen macht besonders das Schlittenfahren Freude. Seit einiger Zeit stehe ich regelmäßig morgens 6 Uhr auf. In diesen Morgenstunden (täglich von 6-7) habe ich zwei Gedichte vollendet, »Der fremde Jäger« und »Der Schwanenritter«. Auch fahr ich manchmal Schlittschuh auf dem Schnee; dies ist jedoch eher ein Schlauch als ein Vergnügen. Auch zeichne ich manchmal, bringe aber selten etwas Brauchbares zu stande. Wirklich mache ich ein Bild des Parthenon. Im ganzen gehts in der Schule gut. Wenn Dich mein Lokus interessiert:

Lateinisch der dritte, Griechisch der dritte, Arithmetik 1, Französisch 2, Aufsatz 1., Geschichte und Geographie 4., Religion der 8., Deklamation 1-2.

Richte Karl meine Grüße aus.

Mit herzlichem Gruß und Kuß Dein Bruder Hermann.

VALE!

39] Marie Hesse an Adele Hesse

Calw, 17. Dezember 1889

Herzenskind!

Heute kam Dein Brief und Korb. Hermann dankte sehr für den Brief, der ihn recht freute. Er ist seit drei Tagen ganz lieb in seinem Bett und zärtlich froh, wenn man bei ihm sitzt, der Doktor elektrisierte ihn täglich und gab ihm Antipyrin, gestern besuchte ihn Herr Speidel, der Hansli sehr lobt. […]

Von Göppingen wird die Pension Pfeifle empfohlen, wo der Elsässer, Dettinger und Mörike auch sind und Rektor Bauer wäre bereit, Hermann in die Schule zu nehmen. Allein jetzt ist er krank und es ist mir etwas bange, wenn er fort soll.

Behüt Dich Gott, mein herzliebs Maus.

Mit Kuß Mama

40] Aus dem Tagebuch von Marie Hesse

[1889]

[…] Hermann hatte den halben Dezember Gliederschmerzen, mußte liegen, wurde elektrisiert. […]

1890

41] Marie Hesse an Adele Hesse

[Calw,] 20. Januar 1890

Liebe Adele,

heute kam Dein Brief […] Kathrine Buhl29 muß für Hermann Deckenziechen, Leintücher und Hemden machen, da er wohl in 14 Tagen nach Göppingen kommt. Wir haben zwar von der Pfeifferschen Pension noch keine Antwort. Ich war letzten Freitag in Kornthal, um jene Pension, die uns empfohlen war, anzusehen, aber Schule und Pensionen sind dort viel kostspieliger als in G. und es wehte mich eine solche Anstaltsluft an, daß ich keinen Mut hätte, H. hinzutun, obgleich ja viel Gutes und Rühmliches dort ist und Professor Warth sehr entgegenkommend war und mir einen durchaus guten Eindruck machte, so daß ich ihm persönlich H. gern übergeben hätte, aber bei 70-80 Buben kann ja ein Einzelner nicht genügend besorgt werden, wenigstens kein abnormer Bube wie unser Hermann. Herr Rektor hier hält auch Göppingen für ganz passend. Gott gebe, daß H. dort pariert und sich bessert in Fleiß und Sitten. Heinr. Hermelink sei dort brav geworden, doch ist er ja ganz anders als Hermann.

Jetzt geht bei den Kindern das Bohelen und Balatteln wieder an. Frau Marie Stälin ließ gestern Großpapa kommen, der noch zwei Jahre jünger ist als sie, sie auf den Tod vorzubereiten, doch lebt sie jetzt noch, [Nachschrift: Eben ist sie gestorben], ist aber sehr schwach. Schuhmacher Zahn erholt sich langsam trotz dem Schrecken, den er totkrank hatte, daß in seinem Schlafzimmer der Ofen einstürzte und die Flammen lichterloh herausschlugen. […]

42] Aus Briefen von Hermann Gundert an seinen Sohn Hermann

Calw, 27. Januar 1890

Liebe Kinder,

heute ist Kaisers Geburtstag und auch Sitzung des Missionsvereins. […] Der Hermann Hesse soll jetzt nach Göppingen kommen zum Rektor Bauer, der einst den Carl fürs Landexamen dressierte. Dem Bürschlein ists lieb, daß er fortkommt, und ich denke, die Lernluft, in die er versetzt wird, dürfte ihm gut tun. Marie wird in etwa acht Tagen ihn dort einliefern. […]

43]

Calw, 3. Februar 1890

[…] Am 1. Februar brach Marie mit ihrem Hermann auf, ihn in die Göppinger Lateinschule einzuliefern. Es ging alles gut, der originelle Rektor, die Witwe Kostgeberin, der Oberhelfer Hermann gefielen ihr völlig und der Knabe schien auch zufrieden mit dem Wechsel. Daß er mit Harmonika, Geige und Trompete einzog, belustigte namentlich seine Mitkostjugend. Ein Dettinger von Hohenstaufen gehört auch dazu, war aber über den Sonntag zu Hause beim kranken Vater […]

44] Η. Η. an Johannes und Marie Hesse

Göppingen, 5. Februar 1890

Liebe Eltern,

vielen Dank für Eure Sendung, die Bücher kann ich gerade brauchen. Bitte schickt mir noch »Ploetz Teil I Elementargrammatik«. Im Französischen bin ich noch sehr zurück, muß deshalb wohl Privatstunden nehmen. Im andern komme ich mit. Es geht mir gut zu Haus und in der Schule. Hans soll nur einstweilen in Calw fleißig lernen, so wird er wohl auch mal nach Göppingen kommen. Daß es Großpapa an seinem Geburtstag30 gut geht, freut mich sehr. Näheres will ich am Sonntag schreiben, weil[s] jetzt pressiert; ich muß um 2 Uhr in die Schule. Auch im Konfirmandenunterricht gehts gut. Herr Oberhelfer ist sehr freundlich, es gehen aber wenige Lateiner zu ihm in den Unterricht. Heinrich Hermelink31 ist wieder gesund seit Montag. Wir haben hier keinen locus nach dem man sitzt, auch machen wir keine Proloco. Viele Grüße an alle Verwandten.

Es grüßt Euch Euer dankbarer Sohn Herrman

Rektor Bauer an Johannes Hesse

[Göppingen,] 6. Februar 1890

Verehrter Herr Hesse!

Im Französischen kann Ihr Sohn vielleicht nicht mitmachen und es könnte daher notwendig werden, daß er etwas Privatstunden nimmt. Bitte mir jetzt mitzuteilen, ob Sie damit einverstanden sind.

Mit freundl. Grüßen Ihr erg. Rektor Bauer

45] Marie Hesse an Adele [oder Marulla] Hesse

Calw, 6. Februar 1890

Mein liebes Kind!

Schönen Dank für Deinen Brief. Es war ganz nett an Großvaters Geburtstag, Tante Emilie und Onkel David mit 3 Kindern kamen. […] Samstag 1. Februar reiste ich morgens mit Hermann nach Göppingen. Bei Frau Oberlehrer Schaible, Geißlingerstraße 3 ist Hermann ganz gut versorgt, glaube ich. Sie lebt ganz für die Buben und mit ihnen. Werktags sind sie von 8-12, dann von 2-4, dann von 5-7 in der Schule, dazwischen essen sie wacker und kriegen gut zu mampfen. Freie Nachmittage gibt es dort nie, doch sehen die Jungens vergnügt aus und können ihren originellen Rektor nie genug rühmen und erzählen endlose heitre Stückchen von ihm. Uns empfing Herr Rektor Bauer mit der langen Pfeife, war aber recht freundlich, empfahl Hermann, seinem Bruder Karl nachzuahmen, der habe »fein gezogen« und werde »etwas Rechtes« werden. Mir trug er für Carl32 einen schönen Gruß auf, […]

Hermann wurde sofort examiniert und blieb jenen Samstag noch bis abends 7 Uhr in der Schule. Bei Oberhelfer Hermann sagte ich ihn zum Konfirmations-Unterricht an und dort lud man uns auf Sonntag zum Mittagessen ein. […] Hermann war also mit mir dort zum Essen und spielte bis 2 mit den kleinen Buben, dann hörte ich Oberhelfers Predigt von 2-3, vesperte bei Frau Schaible und wurde von ihr und den Buben an den Bahnhof gebracht. Vor 4 Uhr fuhr ich ab und kam 5½ nach Stuttgart. Hermann zeigte keinen Abschiedsschmerz, die Kameraden waren ihm sehr wichtig. Die hatten an Brille und Zwicker und allen musikalischen Instrumenten Hermanns solche Freude und soviel Interesse gezeigt, daß Frau Schaible fast Angst kriegte, es könnten diese vortrefflichen Schüler von ihrem gewohnten Fleiß abgezogen werden durch den Einzug von Hermann und dessen Unterhaltungen. Ich hoffe, sie haben dagegen unsern Jungen in ihr Reich des Fleißes und der begeisterten Strebsamkeit hineingezogen. Herr Rektor hatte ja gesagt: »ein Fauler hälts bei uns gar nicht aus, bloß Fleißige bleiben in meiner Schule«. […]

46] H. H. an Johannes und Marie Hesse33

[Göppingen, 9. Februar 1890]

Liebe Eltern!

Heute morgen bekam ich einen Brief von Adele. In der Schule gehts immer lustig her. Ich bekam schon Hosenfitzer; natürlich aber nur im Spaß. Wenn Herr Rektor gut aufgelegt ist, kann er eine Regel hersagen. Sodann muß die ganze Klasse herauskommen und darf mit Hosenfitzern wieder hineinwalzen, damit sie stets diese Regel behalten soll. Oft bedaure ich, daß Ihr nicht einen solchen Schultag mit ansehen könnt. Dann sieht Herr Rektor irgend etwas auf der Straße, z. B. wie gestern eine kolossale Sau. Dann darf die ganze Schule auf die Straße, um es zu sehen. Um 10 Uhr hat man Interstitz. Wenn man da sitzen bleibend etwas schafft, muß man vor dem Haus herummarschieren mit einer roten Fahne, worauf in riesigen Buchstaben zu lesen ist »Stubenhocker«. Daß es einem da gefällt, könnt Ihr schon glauben. Herr Steidel reiste gestern ab. Seinen Nachfolger hab ich noch nicht gesehen. Zu schanzen habe ich allerdings gehörig. Aber das tut nichts. Ich bekomme zwar hie u. da ein wenig Kopfweh, aber was tut das? Aber Appetit habe ich!!! Du solltest sehen, wie da die Bröder verschwinden. Über wie manche Suppe, vor der mir zuhaus grauste, falle ich heißgierig her u. bitte sogar manchmal um einen zweiten Teller. Das solltet Ihr sehen!!! Aber wenn uns einmal ein bischen Zeit übrig bleibt, dann geht’s lustig her. Da wird Geige, Harmonika (Hand- und Mundharmonika) Trompete hervorgeholt, dazu unsre vier Stimmen. Das gibt ein nobles Konzert. Aber wir müssen immer zuerst sehen ob keine Hühner da sind, denn diese würden alle draufgehen. Übrigens bemerke ich, daß meine Stimme von Tag zu Tag tiefer wird. Schreibt mir bitte im nächsten Brief, ob ich einige von Herrn Rektors Späßen aufschreiben soll, um sie in der Vakanz vorzulesen. Ich fürchte nur, Ihr würdet Euch zu Tod lachen. Gebt bitte Frau Reichert meine Briefe zu lesen. Ich glaube, es freut sie.

Euer Sohn: Herrmann!

Bitte grüßt von mir herzlich:

1.) Alle Verwandten (nota bene alle) in Calw u. Hirsau.

2.) Frau Reichert.

3.) Herr Aktuars mit ihren Kleinen.

4.) Lina (beide).

5.) Katharina Holzapfel

Bitte schickt mir auch:

I. Ploetz, Gramm., beide Teile

Das sind einstweilen die notwendigsten Bücher. Bitte schickt sie möglichst bald.

II. Polack, Geschichte.

III. Rüge, Geographie

IV. Putzger, Geschichtsatlas (neu)

Bitte nehmt mir diese Forderung nicht übel. Ich kann ja nichts dafür. Es sind nur die notwendigsten.

Lieber Hans! Lerne nur recht fleißig, daß Du auch nach Göppingen darfst. Gewiß wird es Dir da auch gefallen. Einstweilen spiele mit den Balatten u. sei recht brav gegen Marulla.

Dein Bruder: Hermann

47] Hermann Gundert an seinen Sohn Hermann

Calw, 10. Februar 1890

[…] Hermann Hesse sandte eine Karte mit dem neuesten Witz seines Rektors Bauer: Quem puerorum Germanorum non iuvet vesci globulis (Knöpfle). Das ist der, welcher in den Arbeitsstunden zu einem seiner Schüler sagen kann: Du stopf mir meine Pfeife! Und zum andern: Bring du mir meinen Kaffee aber nimm dich in acht, daß du mir unterwegs nicht mehr wegtrinkst als zwei Schlücke. […]

48] Johannes und Marie Hesse an H. H.

Calw, 11. Februar 1890

Lieber Hermann,

wir haben uns recht gaudiert an Deinem Brief. Ich antworte per Karte weils pressiert der Schulbücher wegen. Kannst Du diese nicht antiquarisch kriegen? Das wäre das beste, im andern Fall kaufe sie eben in Göppingen, wir haben sie nicht hier und Onkel David müßte die Titel ganz genau wissen, wenn er sie kaufen sollte. Sieh Du selber einmal in Göppingen nach, antiquarisch wär am besten. Frau Schaible ist so gut und zahlt. Grüße sie schön und danke für ihren Brief. Ich schreibe Dir bald mehr. Mit herzlichem Kuß Deine

Mama

Gruß auch von mir. Gott segne Dich und Deine Studia!

Papa

49] H. H. an Johannes und Marie Hesse

[Göppingen, 16. Februar 1890]

Liebe Mutter!

Von den Büchern konnte ich leider nur eins brauchen. Ich werde nächster Tage alle unnöthigen Bücher schicken. Die neuen kosten 9 Μ. 30 Pf. Auch habe ich keine Briefmarken mehr. Gestern schrieb ich Adele, von der ich letzten Sonntag einen Brief erhielt. Frau Schaibles Bruder im Apostel geht es leider heute wieder recht schlecht. Heute nacht kam die ältere Tochter von Frau Schaible, Frl. Emmy, heim. Zu schaffen habe ich auf morgen nicht sehr viel. Da kann ich ein wenig lesen. Es ist herrlich, denk nur, Frau Schaibles Bücher stehen uns fast alle zur Verfügung. Da ist der ganze Goethe und viele schöne Bücher. Aber ich habe natürlich nicht oft Zeit zum lesen. Die französischen Privatstunden haben jetzt angefangen. Der an Stelle von Herr Steidel eingetretene Lehrer, bei dem ich sie habe, ist sehr gut, gerade auch für französisch. Bei ihm hoffe ich in etwa 12-15 Privatstunden es im Französischen mit jedem Fünftkläßler aufnehmen zu können. Ich bin kolossal froh darüber, daß ich zu den »Besseren« aufgenommen bin; da machen wir täglich ein schönes Stück im Cicero »De natura deorum« u. »über das Gewissen«, der aber ziemlich schwer ist. Besonders leide ich Mangel an Stahlfedern. Ich brauche wegen des vielen Schreibens sehr viele. Auch Hefte brauchen wir kolossal. Es sind so viele Fächer u. für jedes braucht man wenigstens 3 Hefte auf einmal. Da hier aber die Hefte sehr, sehr teuer sind, in Calw aber ziemlich billig, werdet Ihr wohl zugeben, daß ich mir in der Vakanz in Calw eine Anzahl Hefte kaufe u. sie mitnehme. Erstens wird dabei ziemlich gespart, dann sind aber auch die Calwer Hefte viel besser als die hiesigen. In der Schule gehts mir gut, ebenso auch zuhaus.

1. Lustig ist’s halt und schön

In Goppingias Hallen

Wo des Stadtbaches Wut

Schäumend am Ufer sich bricht.

2. Lustig ist’s auch und nett

in des Schulhauses Räumen

wo des Tatzenstocks Kraft

Klatschend am Knaben sich zeigt.

3. Durch der Lehrer Gebell

Durch des Stockes Geprügel

Muß der Knabe hindurch

Bis er erreichet das Ziel,

4. das er einst selbst sich gesteckt.

Träumend von Glück nur u. Ehre

Während er selbst noch als Kind

Spielend nichts Ernstes gedacht.

H. Hesse

Vielleicht ist Hans oder Marulla so gut, den beigelegten Brief Martin Roos zu bringen.

Dein dankbarer Sohn: H. Hesse

50] H. H. an Adele Hesse

Göppingen, [nach 16. Februar 1890]

Liebe Schwester!

Verzeih, daß ich Dir jetzt erst schreibe. Letzten Sonntag hatte ich durchaus keine Zeit. Ich mußte noch arbeiten und wir haben auch Sonntags 2 Stunden Schule, so daß der halbe Tag schon ausgefüllt ist. Mir geht’s ganz gut; auch in der Schule. Ich bin in ein Kollegium der »Besseren« aufgenommen. Da haben wir täglich 1 Stunde länger Schule, wobei wir viel lernen. Das ist ›nobel‹. Da übersetzen wir Cicero. Doch will ich Dich mit solchen Schulsachen nicht belästigen, die Dich doch nicht interessieren können. Ich erzähle Dir lieber einiges von Herrn Rektor.

Am 3. Schultag hier fragte Herr Rektor auf einmal nach einem guten Messer. Augenblicklich blitzten etwa 30 offene Messer in der Luft, worunter auch mein Froschgiegser. Da sagte Herr Rektor ganz heimlich etwas zu meinem Nebensitzer (H. Eisele); dann nahm er eins der Messer und schnitzte ein wenig an seinem Stecken. Dann kommt er zu mir und klopft mir auf die Schulter. Dann gibt er dem Eigentümer sein Messer wieder zurück. Plötzlich ruft Eisele, ihm fehle sein Messer. Herr Rektor sagte, ich sei so ein Tausendsasa, ich hätte es sicher gestohlen. Man sieht nach und richtig habe ich das Messer in der Tasche. Nun werde ich als Dieb angeklagt und, obschon ich meine Unschuld beteuerte, an den Pfahl verurteilt. Da muß man an den Marterpfahl stehen und ein Register seiner Schandtaten vorlesen. Also schon stehe ich am Pfahl, da sagt Herr Rektor, ich solle es ihm nicht übelnehmen, er habe es in meine Tasche befördert. Er sagte, solche Späße kommen öfter vor, was sich auch bestätigte. Am andern Tag sagte Herr Rektor, ich solle geschwind etwas holen. Als ich wieder kam, war alles mein Sach verschwunden. Meine Bücher etc. Lange mußte ich suchen, bis ich’s auf der Holzbeuge fand. Ein andermal hing mein Taschentuch plötzlich an der Decke oben.

In der Schule sind Knaben aus aller Herren Länder, Protestanten, Katholiken und Juden. Deutsche, Franzosen, Schweizer, 2 aus Jerusalem, und alle vereint derselbe Zweck.

Lustig ist es und nett

In Göppingias Hallen

wo des Stadtbaches Wut

Schäumend am Ufer sich bricht.

Da kommt man in einen rechten Eifer. Da schafft man recht gern. Besonders in der Religion ist Herr Rektor sehr nett. Über ein einziges Wort kann er stundenlang sprechen. Da lernt man viel.

Was ich, seit ich hier bin, neu’rs gelernt habe, geht ins Unendliche. Herr Rektor bringt es einem spielend bei. Ich hoffe, es geht Dir so gut wie mir. Tausend Grüße an den 1. Karl.

Dein Bruder Herrman

51] Marie Hesse an Adele Hesse

Calw, 20. Februar 1890

Liebes Adelchen,

es freut uns sehr, daß du immer so fröhlich schreibst, du hast’s doch arg gut in Tübingen und soviel liebe Leute erfreuen Dich. Auch Hermann schreibt glücklich und heiter. Friedrich von Hohenstaufen finde ich nirgends und Hermann habe ichs nicht eingepackt. Vielleicht ist es ausgeliehen. […]

52] H. H. an Johannes und Marie Hesse

[Göppingen, 23. Februar 1890]

Liebe Eltern!

Tausend Dank für das Paket. Es kommt mir sehr zu statten, vor allem das Schnitzbrot, für welches ich den lieben Verwandten in Hirsau tausendmal danke. Auch die Stahlfedern sind mir sehr nützlich. Daß Ihr mir 6 Hefte schicktet, freut mich sehr; wir brauchen nämlich sehr viele in der Schule. Im Französischen mache ich ziemliche Fortschritte. Was Frau Schaible über freie Tage sagte, ist ganz wahr. Ihr müßt ja nicht glauben, wir hätten morgen, am Feiertag, ganz frei. Wir haben ein paar Stunden Griechisch. Das ist mir auch viel lieber als ganz frei. Da kann ich wieder viel lernen. Mir geht’s ganz gut. Ich hoffe, Euch auch. Heute war ich zweimal in der Kirche, Mittags war G. Zingneln und ich fast ganz allein auf der Empore. Letzten Dienstag war Fastnacht, da bekamen wir Fastnachtsküchle. Das war ein Fest!!!!!! Dann waren diese Woche die Reichtagswahlen, woran wir Lateiner eifrig teilnehmen. Einige Demokraten der Klasse wurden durchgeprügelt. Sonst waren alle »Konservative« oder »Deutschreichsparteiler«. Gestern ließ ich mir das Haar stutzen.

Wie mich der Schnitzlaib freut, ist unbeschreiblich. Wie geht es auch der guten, lieben Frau Reichert u. Frau Oberförster? Bitte richtet auch einen Gruß aus an Herrn Speidel u. Herrn Pr. Schmidt. Mit diesem Brief schicke ich auch die unnötigen, überflüssigen Bücher. –

Heute morgen hatten wir in der Schule Religion über Simson. Es ist rührend, wie der gute Herr Rektor stundenlang über die Religion mit uns spricht. Am meisten macht er einen darauf aufmerksam, daß alles im Alten Testament auf Christum hinweist. Wie z. B. die Juden ihren eigenen Helfer, den Simson, den Philistern ausliefern. Oder wie Simson, ohne Furcht vor den Feinden, unter die Philister tritt, sogar sein Weib aus ihnen nimmt. Wie ihm dann gerade die ihm Zunächststehenden zum Verderben gereichen. Das alles erklärt Herr Rektor so schön, u. weist aber immer besonders darauf hin, daß alles nur ein Vorbild des höchsten Erlösers ist. Das ist sehr schön. Herrn Wurm, Tante Luisens Bräutigam, sah ich noch nicht. Ist der liebe Theodor gekommen? Viele Grüße an alle Verwandten, Frau Reichert, Frau Oberförster, Herr Speidel, Herr Pr. Schmidt, auch Martin Roos!

Es grüßt und küßt Euch Euer dankbarer Sohn: Hermann

53] Marie Hesse an Adele Hesse

Calw, 16. Februar 1890

Liebs Adelchen,

herzlichen Dank für Deinen letzten Brief, die lustigen Berichte aus Tübingen und Göppingen heitern mich allemal recht auf und ich kann Gott von Herzen danken, daß Ihr Beide so nette, passende Plätzchen bekommen habt. Da wir Hermann mit nötigen Heften und dergl. einen Hirsauer Schnitzlaib geschickt hatten, strömt er diesmal über von Dank und Freude. Sie hatten auch Fastnachtsküchlein gehabt, die Wahlen lebhaft mitgemacht und die paar Demokraten unter den Lateinern wacker durchgeprügelt(!) Aus freien Stücken ging Hermann letzten Sonntag zweimal zur Kirche und rühmt die Religionsstunden seines Rektors, der ihnen den Simson so schön erklärt. […]

Am Freitag ist Großpapa34 in Rußland 88 Jahre alt, er schreibt noch sehr lebhafte originelle Briefe. Aber die Bedrückung des Deutschtums und Verfolgung der evangelischen Kirche und Schule geht dem alten Mann schrecklich zu Herzen. […]

54] H. H. an Johannes und Marie Hesse

[Göppingen,] 3. März 1890

Liebe Eltern!

Erst heute komm ich zum Schreiben. Gestern vormittag hatte ich keine Zeit u. mittags konnten wir nicht Zuhause bleiben, weil mehrere Verwandte von Frau Schaible da waren, auch ein 3½ jähriges Söhnchen von Frau Schaibles Bruder im Irrenhaus. Da waren wir am Sauerbrunnen, wo wir tapfer tranken.

Heute herrscht schneidende Kälte, Stein und Bein ist zusammengefroren u. man kann wirklich immer Schlittschuh fahren, deshalb wäre es mir sehr lieb, wenn Ihr mir meine Schlittschuhe schicken würdet. Jetzt bin ich schon einen ganzen Monat hier. Noch mal einer, u. ich kann heim in die Vakanz. Diese Woche schrieb ich an Fritz Barth nach Wildbad. In der Schule gehts mir ganz gut. Ich nehme jede Woche zwei französische Privatstunden. Heute verzehrte ich die letzten Überreste meines Schnitzbrotes mit Wehmut. Es schmeckte famos und kommt mir hier sehr zu statten. Es ist heute der Geburtstag des Gotthilf Ehninger. Der kleine Hans wird das nächste mal einen Brief erhalten, heute reicht die Zeit nicht. Aus dem Geigen wird jedenfalls nichts. Karl Schaible u. ich wir dokterten an meiner kaputen Harmonika herum u. brachten sie wieder anständig instand. Viele Grüße an alle Verwandten u. Bekannten, es grüßt u. küßt Euch

Euer dankbarer Sohn Hermann

[Nachschrift] Recht Freundl. Grüße mit dem Bemerken, daß H. fleißig ist, sein Betragen u. Fortschritte ist jetzt lobenswert.

Rektor Bauer

55] Marie Hesse an Adele Hesse

Calw, 4. März 1890

Mein Herzadelchen,

leider muß ich eilen, da heute Carls Geld fort muß und Missions Verein ist und nachher Geburtstagskaffee bei Tante Jettle drüben. […]

Wir hatten rechten kalten Winter in diesen Tagen. Hermann schreibt auch um seine Schlittschuhe; es geht ihm gut, und Herr Rektor schrieb uns dazu, Fleiß, Betragen und Fortschritte bei Hermann seien bis jetzt lobenswert. Gottlob! - Theo sang recht schön am Sonntag, ich lege Programm bei. Seine Stimme ist sehr geschult, stark und angenehm. […]

56] Η. Η. an Johannes und Marie Hesse

[Göppingen,] 9. März 1890

Liebe Eltern!

Herzlichen Dank für das Paket, das Ihr mir geschickt habt. Es geht mir im ganzen gut. In der Schule geht’s auch ordentlich. In griechischer u. lateinischer Exposition darf ich mit der 6. Klasse mitmachen. Dies freut mich sehr. Es ist mir sehr leid, daß das Geigen ganz aus ist. Heute morgen erklärte uns Herr Rektor das Wort »Wunder« sehr schön. Wir haben Sonntags um 8½ Uhr Schule. Heute hatten wir von 1-2 Uhr bei Herrn Oberhelfer Hermann Kinderlehre. Gestern wurde meine Brille kaput. Ich muß sie deshalb wieder machen lassen. Meine Handharmonika machten wir ein paar mal auseinander. Besonders versuchte Karl seine ganze Kunst daran. Die Schlittschuhe konnte ich nimmer brauchen, denn es ist vollständiges Tauwetter eingetreten. Letzten Donnerstag hatte ich ganz frei. Grüße von Frau Schaible. Dies ist der letzte Briefbogen, den ich noch habe.

Es grüßt Euch Euer dankbarer Sohn Hermann

57] H. H. an Johannes und Marie Hesse

[Göppingen,] 19. März 1890

Liebste Eltern!

Wie freue ich mich, bis ich Euch wieder fröhlich u. gesund sehen darf. Mutters Traum ging gottlob nicht in Erfüllung. Indes hatte sie nicht so ganz unrecht, denn letzten Donnerstag lag ich im Bett, da es mir schändlich schlecht war. Übrigens dürft Ihr, liebe Eltern, ohne Sorgen sein. Es war nur der eine Tag, dann war’s ganz vorbei. Es geht mir überhaupt sehr gut, besonders in der Schule, wo ich auch in ein paar weiteren Lektionen mit der 6. Klasse machen darf. Ich gebe mir die größte Mühe u. Herr Rektor glaubt, daß ich das Landexamen bestehen werde. Auch ich mache mir einige Hoffnung. Noch nicht lange, rief mich Herr Rektor in sein Studierzimmer u. gab mir feierlich die Erlaubnis, in mehreren Lektionen mit der 6. Klasse, mit denen, die schon im Sommer das Landexamen machen, mitzumachen. Dann hielt er mir eine Lobrede, daß ich ganz beschämt dastand, Dann sagte er mir, ich werde voraussichtlich das Landexamen bestehen u. er wolle aus mir einen tüchtigen Mann machen. Hocherfreut ging ich von dannen, mit dem festen Vorsatz, das meinige dazu zu tun u. es Herrn Rektor möglichst leicht zu machen. Ich bin von Herrn Rektor zu einem der 3 Windbeutel ernannt worden, deren Geschäft es ist, Herrn Rektor allerlei kleine Dienste zu erweisen.

Heinr. Hermelink ist bei Herr Rektor nicht gut daran. Er kann nicht viel u. ist ziemlich faul. Der löbliche Entschluß Theodors freut mich sehr. Er war ja immer so gut u. ich freue mich so sehr, daß ich ihn bald wieder sehen soll. Hoffentlich seid Ihr alle so gesund, wie ich. Ich werde Samstag über 8 Tage, 29. M., hier abreisen u. zwar um 12 Uhr. Ich werde etwa um 4 Uhr in Calw sein. Genau weiß ich die Zeit nicht, da kein Fahrplan im Hause ist. Ich freue mich sehr, sehr, wieder nach Hause zu dürfen. Ich weiß jetzt, was es heißt, fern ohne die Eltern u. alle seine Lieben zu sein, die einem teuer u. wert sind. Aber ich weiß auch, wozu ich mich von Euch getrennt habe u. habe alles Heimweh überwunden, um desto eifriger mich dem Studium zu widmen, an dem ich täglich mehr Freude finde. Dennoch würde es mir niemand übel nehmen, wenn ich mich so sehr freue, die Heimat u. alle Lieben wieder begrüßen zu dürfen.

Erst einmal sah ich Herrn Ass. Wurm auf der Straße, kannte ihn aber nicht gleich. Wie geht es allen lieben Verwandten u. Bekannten, die ich herzlich grüße. Die gute Frau Schaible will dafür sorgen, daß das Gepäck sicher fortkommt. Sie läßt Euch auch grüßen.

Mit tausend Grüßen Euer dankbarer Sohn Hermann

58] Marie Hesse an Adele Hesse

Calw, 22. März 1890

[…] Hermanns reizenden Brief lege ich Dir bei, bringe ihn ganz unfehlbar wieder. Du wirst auch noch melden, mit welchem Zuge Ihr kommt. […] Am Palmsonntag will Großpapa bei uns zu Mittag essen, er war seit dem Pfarrkranz nicht mehr im Hause. Er arbeitet immer furchtbar fleißig, aber seine Füße werden sichtbar schwächer, er wird sehr müde vom Gehen und Stehen. […]

59] Hermann Gundert an seinen Sohn Hermann

Calw, 24. März 1890

Liebe Kinder,

Euer lieber Brief hat mich wieder in Eure Mitte versetzt. Hoffentlich kommt die Ausspannung am Palmsonntag dem lieben Schulmeister noch rechtzeitig. Wir sind alle unter dem tiefen Eindruck, den Bismarcks Rücktritt hervorgebracht hat. Ob der gute Kaiser sich nicht doch verrechnet in dem was er zu gewinnen glaubte? Wer kanns sagen? Ich hätte für recht gehalten, daß er sein Möglichstes täte den großen Mann, der als Ratgeber manchmal beengend sein mag, beizubehalten bis Gott selbst einen Wechsel anordnete. Irgendwie meine ich das »Niemals« des Großvaters hätte für ihn eine stärkere Macht sein sollen. Immerhin ist man froh daran, daß der liebe HERR im Himmel nicht auch geschwind abdankt sondern fortfährt zu herrschen mitten unter seinen Feinden. Er wird uns nichts Arges geschehen lassen. - […]

Friedrich bereitet auf Karfreitag eine Passionsmusik vor, da soll Theodor die Tenorpartien (also Bachs Rezitative) übernehmen und Carl Isenberg wahrscheinlich den Baß. Der übt sich drin in Tübingen, das er erst am Samstag mit Adele verlassen wird. Auch Hermann kommt dann aus Göppingen, hochbegeistert für seinen Rektor, der ihn gelobt und ihm versprochen hat, wenn er so fortfahre einen tüchtigen Mann aus ihm zu machen. Hermann sei auch zu einem von Rektors drei »Windbeuteln« ernannt worden, die für der Männer Privatbedürfnisse zu sorgen haben. Es ist wirklich nett, wie sich Hermann für diesen Rektor Strölin35 erwärmt. […]

60] Marie Hesse an Adele Hesse

Calw, 28. März 1890

Herzenskind!

Vielen Dank für Deinen Brief, ich kam nicht vorher ans Schreiben. […] Wir sind noch ganz ungewiß ob Carl oder Ilg den Baß in der Passion singt, C. hat nie geantwortet. Wenn Du Karl siehst, laß ihn Hermanns Brief auch gewiß lesen. […]

[Die Mutter berichtet dann ausführlich von Theo, der sich entschlossen habe »mit seiner Hände Arbeit sein Brot zu verdienen« d. h. als Apothekergehilfe noch drei Jahre zu arbeiten und dann nochmals eineinhalb Jahre zu studieren und sein Staatsexamen zu machen. Er sei auch durch ein Offert als Opernsänger nach Freiburg zu gehn, mit 300 Mark monatlich, nicht verlockt worden. Gestern nun habe er eine Stelle als Gehilfe erhalten, könne an seinen freien Nachmittagen noch Gesangstunden geben, zum Mittagessen immer heimkommen. Es sei den Eltern nun eine große Sorge genommen.]

Der liebe Gott hat uns in diesem kurzen Vierteljahr schon so viel erleben lassen und uns so viel Sorge abgenommen mit Theo und mit Hermann. Wir wollen Ihm danken. […]

61] Aus dem Tagebuch von Marie Hesse

[1890]

[…] Am Karfreitag, in der Matthaeuspassions Musik sang Theodor als Evangelist und Karl als Christus36. […]

62] Hermann Gundert an seinen Sohn Hermann

Calw, 7. April 1890

Liebe Kinder,

schon Ostern hinter uns und dreißig Jahre in Calw gelebt!

[…]

Wir hatten am Karfreitag Abend einen Auszug aus Bachs Matthaeus Passion, den der liebe Friedrich mit großem Glück zum Besten gab. Theodor und Carl sangen gut, hatten jeder eine ziemliche Partie. […]

In Hirsau steht die Hochzeit der jüngsten [Luise] Feldweg37 mit dem Forstassistent Wurm bevor; da diese in Göppingen zu wohnen haben, freut sich Hermann Hesse darauf, dort ein befreundetes Haus zu erhalten. […]

63] H. H. an Johannes und Marie Hesse

20. April 1890

Liebste Eltern!

Mittwoch kam ich hier an, wo ich alles wohl traf. Am Donnerstag fing die Schule wieder an. Gleich am ersten Nachmittag machten wir einen Schulspaziergang. Dann lernten wir von Herrn Rektor auf den Schulbänken den Zapfenstreich trommeln, wobei ich zum Kapellmeister ernannt. Da muß ich als taktieren, während die andern trommeln. Heute morgen hörte ich eine sehr schöne Predigt von Herrn Stadtpfarrer. Auch heute nachmittag war ich in der Kirche, wo Herr Oberhelfer predigte. In’s Schaffen bin ich jetzt wieder hineingekommen. Noch ½ Peitschenstecken38 existiert. Das übrige schmeckte mir herrlich. Ich danke der guten Frau Reichert noch dafür.

Gotthilf Ehninger u. Karl Schaible danken für die erhaltenen Büchlein. Frau Schaible dankt für das Geld u. läßt Euch grüßen.

Mit innigem Gruß u. Kuß: Euer dankbarer Sohn Hermann

Viele Grüße an alle Verwandten u. Bekannten.

64] Marie Hesse an Adele Hesse

Calw, 24. April 1890

Herzliebs Töchterlein!

Fröhliche Nachrichten von allen drei abgezogenen Kindern, Gottlob. Hermann scheint sich gleich wieder eingelebt zu haben, ist Kapellmeister geworden beim Trommeln des Zapfenstreichs auf den Schulbänken, den sie Herr Rektor gelehrt hat! […] Großvater sieht müde aus und ist schrecklich still; Tantele voll Missionsplanen. […] Nun segne Dich Gott, mein Kind! Bete auch für Deinen lieben Papa, daß der liebe Gott ihn stärke, heile, erfrische.

Innig küßt Dich und Karlmann Deine Mama

65] Marie Hesse an Adele Hesse

Calw, 28. April 1890

[…] Eben war Frau Reicherts Magd da mit einem Brief von Hermann direkt an Frau Reichert - schrecklich brav! Ich hoffe, es ist alles wahr u. ohne Absicht geschrieben. Es schmeckt ein wenig nach dem: »Danke für alles Genossene u. was Du mir noch mehr Guts tun wirst«. Jedenfalls wird er seine Wirkung nicht ganz verfehlen, da Frau R. seine Adr. erfragen ließ. Papa ist Frau Direktor dankbar, wenn sie ihn aufnimmt, […] sage Du es ihr u. schreibe wieder, obs wirklich ausgemacht ist. […]

Großvater war im Steinhaus39 gestern u. sieht heute munter drein. Oft sieht er so arg müde aus u. ist ganz ganz still. Er freut sich sehr auf Julchen40, die ja nächste Woche heimkommen soll. […]

66] Η. Η. an Johannes und Marie Hesse

29. April 1890

Liebe Eltern!

Sehr bedaure ich, daß ich am Missionsfest nicht da bin, Ihr aber werdet froh sein, einen Plaggeist weniger dabei zu haben. Ihr habt ja an diesem Tag sonst so viel zu thun. Tausendmal danke ich für erhaltenes Paket, besonders die Würste machen mich glückselig. Auch der guten Frau Postsekretär danke ich herzlich für die herrlichen Briefbögehen. Gestern schrieb ich an Frau Reichert.

Im Schaffen habe ich eine ziemlich geschickte Methode angefangen. Jeden Tag gebe ich mir ein Zeugnis, je nachdem ob ich viel oder wenig geschafft habe. So werde ich immer zum Fleiß ermuntert. Ich glaube, daß es für Theodor Supper entschieden das Beste wäre, hieher zu kommen. Das ist halt ganz was anderes als in Calw. Es ist nur schade, daß er das Griechische aufgesteckt hat. Für den wäre Herr Rektor gerade der rechte Mann.

Mit vielen Grüßen an alle Verwandte u. Bekannte. Es grüßt und küßt Euch Euer Sohn!

Hermann

Bitte schickt mir auch 2 Hefte à 20 Pf. unliniert. Bitte schreibt mir auch Adeles Adresse.

67] H. H. an Johannes und Marie Hesse

Göppingen, 5. Mai 1890

Liebe Eltern!

Ich bin froh, wieder Nachricht von Euch zu erhalten. Eben bekam ich Euern lieben Brief. Was hat denn Marulla für Einfälle, für nichts und wieder nichts so krank zu werden? Ich hoffe, sie ist wieder gesund, bis Ihr diesen Brief erhaltet. Am Missionsfest werdet Ihr froh gewesen sein, einen Schlingel weniger zu haben. Jedoch war’s auch hier am Donnerstag sehr nett. Es war Jahrmarkt u. ich kaufte mir vormittags für 20 Pf., die ich von Frau Schaible bekam, einige Kleinigkeiten. Nachmittags war ich spazieren u. sah abends ein Kasperlestheater. Also an Freude fehlte mir’s auch gar nicht. Die beiden Kleinen bekommen jetzt Ferien, nun, ich wünsche ihnen viel Glück u. Freude. Dem lieben Hansle wünsche ich recht gutes Wetter, aber wenn’s auch ein wenig stürmt, so soll er doch der guten Mama nicht so viel Mühe u. Not machen. An Pfingsten weiß ich nicht recht, was anfangen. Am gernsten ginge ich nach Stuttgart zu Onkel David. Gerhard Ziegele u. Gotthilf Ehninger gehen auch fort. Grüße an alle Verwandten u. Bekannten. Es grüßt Euch Euer Sohn!

Hermann!

[Nachschrift von Frau Schaible] Meine l. Frau Hesse! Da ich das letzte Mal als Hermann schrieb nicht ganz wohl war, bedanke ich mich heute für übersandtes Geld. Hermann ist wieder ganz munter hier. Indem ich Sie sowie Ihren werten Herrn Gemahl herzlich grüße, verbleibe ich Ihre ergebene

Marie Schaible mit Karl.

68] Hermann Gundert an seinen Sohn Hermann

Calw, 5. Mai 1890

[…] Der Hermann Hesse hat jemand geschrieben, in Göppingen habe er das Beten gelernt und das nütze. Möge er daran weiter machen! - […]

69] H. H. an Johannes und Marie Hesse

Göppingen, 13. Mai 1890

Liebe Eltern!

Euer Brief hat mich recht gefreut, nur daß es dem lieben