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Sie sind reich und erfolgreich, ihre Affären und Skandale beherrschen die Schlagzeilen und das Beste ist ihnen gerade gut genug: Das sind die drei Townsend-Brüder Vaughan, Garrett und Lloyd, auch als »Opal-Könige« bekannt. Sexy-Boss-Romance in Australien für alle LeserInnen von Piper Rayne und Vi Keeland Dawns Traum vom Studium an der renommierten Art Residency zerplatzt wie eine Seifenblase, als sie wegen eines angeblichen Betrugsversuchs vom College verwiesen wird. Doch sie weiß genau, wer der wahre Schuldige ist: der arrogante, wie attraktive Lloyd, jüngster Spross der milliardenschweren Townsend-Dynastie. Als Lloyd ihr Jahre später die Chance bietet, mit ihm gemeinsam an einem Schmuckdesign-Wettbewerb teilzunehmen, kann sie das Angebot nicht ablehnen. Nicht nur das, zu ihrem Ärger fühlt sie sich zusehends mehr zu dem charismatischen Milliardär hingezogen, dabei sollte sie ihn doch verfluchen. Aber ihr kommen auch Zweifel, ob er damals wirklich hinter der Intrige gegen sie steckte. Und als er sie dann auch noch feurig ansieht und leidenschaftlich in seine Arme zieht, spürt Dawn ihren Widerstand brechen. Dabei ahnt sie nichts von den dunklen Schatten aus seiner Vergangenheit, die ihn einzuholen drohen … »Das Buch ist spannend, knisternd und romantisch und hat mir schöne Lesestunden beschert. Ein Wohlfühlbuch zum Entspannen und Genießen.« ((Leserstimme auf Netgalley)) »Schöne entspannende Lesestunden garantiert.« ((Leserstimme auf Netgalley)) »Eine fantastische Lesereise. Habe geflucht, gehofft, gelacht und mein Herz quoll über vor Liebe.« ((Leserstimme auf Netgalley))
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Cover & Impressum
Prolog
Dawn
1. Kapitel
Dawn
2. Kapitel
Dawn
3. Kapitel
Dawn
4. Kapitel
Dawn
5. Kapitel
Dawn
6. Kapitel
Lloyd
7. Kapitel
Dawn
8. Kapitel
Dawn
9. Kapitel
Dawn
10. Kapitel
Lloyd
11. Kapitel
Dawn
12. Kapitel
Lloyd
13. Kapitel
Dawn
14. Kapitel
Dawn
15. Kapitel
Dawn
16. Kapitel
Lloyd
17. Kapitel
Dawn
18. Kapitel
Lloyd
19. Kapitel
Dawn
20. Kapitel
Lloyd
21. Kapitel
Dawn
22. Kapitel
Dawn
23. Kapitel
Dawn
24. Kapitel
Dawn
25. Kapitel
Dawn
26. Kapitel
Lloyd
27. Kapitel
Lloyd
28. Kapitel
Dawn
29. Kapitel
Lloyd
30. Kapitel
Lloyd
31. Kapitel
Dawn
32. Kapitel
Lloyd
33. Kapitel
Dawn
Inhaltsübersicht
Cover
Textanfang
Impressum
2013 – Campus des Art Colleges in Melbourne
»Sind wir hier auf der High School, oder was?«, fragte Vany genervt. Sie hatte recht. Wenn man das Verhalten einiger Studenten betrachtete, war die Frage alles andere als abwegig.
Das galt besonders für Wasserstoffblondchen Lolita, die gerade mit ihren Anhängerinnen an unserem Tisch vorbeistolzierte und die Nase rümpfte, als wären wir Verwandte der australischen Küchenschabe.
»Vergiss die Tussis«, sagte ich zu Vany und rührte meinen Drink energisch um, der zu gefühlt neunzig Prozent aus Eiswürfeln bestand. Jedem Außenstehendem musste klar sein, das Gehabe ging auch mir gehörig gegen den Strich. Lolita und Co machten nämlich keinen Hehl daraus, dass sie unsereins für fehl am Platz auf diesem ehrwürdigen College hielten, auch wenn sie es in erster Linie auf mich abgesehen hatten. Ich war nämlich weder mit außergewöhnlicher Schönheit, teurer Garderobe, noch dem nötigen Kleingeld ausgestattet, um die ersten beiden Punkte zu beheben. Nicht dass ich es gewollt hätte, wenn ich es mir hätte leisten können, war ich doch mit mir zufrieden, wie ich war. Aber so ging es offenbar nicht jedem. Augenrollend warf ich einen Blick zu dem Prinzessinnentrio, das es sich an der Bar unweit entfernt gemütlich machte. Neben diesen Ladys wirkten Nicole Richie und Paris Hilton wie lammfromme Musterschülerinnen.
»Hast recht, lass uns den Abend genießen«, sagte Vany, die zwar auch zur Riege der Reichen und Schönen zählte, aber total authentisch und eine echt gute Freundin geworden war.
Die Bar auf dem Campus des Art Colleges hatte sich in einen Club verwandelt. Es fehlten nur Discokugeln und Schwarzlicht, aber das wäre vielleicht zu sehr Neunziger. Wobei die ja wieder im Kommen waren. Zumindest was die Schuhe anging. Vany hatte sich selbstredend in Schale geworfen, ihre Plateauschuhe waren der Knaller. Und das Leopardenmuster ihres Kleids – auch sehr Neunziger. Aber heiß.
»O mein Gott, da ist Marc«, quiekte Vany plötzlich und drückte meine Hände, die vor mir auf dem runden Glastischchen lagen und mit denen ich gerade nach meinem Moscow Mule hatte greifen wollen.
»Er ist wirklich gekommen!« Sie strahlte mich an wie ein Honigkuchenpferd. Keine Ahnung, wie sie das machte, aber ihre Augen funkelten bei Marcs, zugegebenermaßen recht ansehnlichem, Anblick wie zwei dunkle Quarzkristalle.
Das Bangen und Hoffen, dass Marc Gellar keine Party ausließ, hatte nach nur zwei Stunden ein glückliches Ende gefunden. Endlich war der Sonnyboy hier – wurde ja auch Zeit. Collegepartys waren nicht meine Welt. Zu viel Küsschen hier, Küsschen da und Melbourner-Oberschicht-Geprotze. Hätte mich Vanessa vorhin am Handy, kurz nach meinem Yogakurs zum Ermäßigungstarif, nicht so hartnäckig bearbeitet, wäre ich gar nicht hier, sondern würde an meinem Entwurf feilen.
»Komm bitte mit zu der Feier. Falls Marc auftaucht, brauche ich dich!«, hatte Vany gesagt. »Das Semester ist doch fast vorbei, ein bisschen Spaß haben wir uns verdient!«
Und ihr liebstes Argument, das ich gefühlt zweimal täglich zu hören bekam, da wir uns ein Zimmer im Wohnheim teilten: »Du musst mehr unter die Leute kommen. Lernen und Arbeiten ist nicht alles auf der Welt!«
Doch, in meinem Fall schon. Und das wusste Vany eigentlich auch. Ich hatte keine wohlhabenden Eltern wie die meisten anderen hier. Aufs Art College in Melbourne, eine Elitehochschule, gingen die reichsten Studenten des Landes – und etwa fünf Prozent Normalsterbliche, denen ein internes Komitee Talent bescheinigt hatte. Ich gehörte zu Letzteren und hatte mich durch eine aufwendige Prüfung inklusive Probeentwürfen, schriftlichem Essay und Vorstellungsgespräch gequält, um überhaupt in dem altehrwürdigen Haus nahe des Yarra Rivers für den Studiengang Art Jewelry zugelassen und Schmuckdesignerin zu werden.
Das Semester kostete, neben einer immensen Aufnahmegebühr, die ich mir durch besagte Prüfung erspart hatte, im Jahr an die zehntausend Australische Dollar. Leute wie Vanessa oder Marc bezahlten das von ihrem Taschengeld, das ihre Familien auf dicke Konten überwiesen.
Ich musste es mir verdienen, arbeitete nebenbei als Kellnerin und im Supermarkt als Lagerarbeiterin. Aber ich wollte mich nicht beschweren, ich hatte die Möglichkeit, an einem der besten Art Colleges Australiens zu studieren. Hierhin hatte ich immer gewollt! Das ließ ich mir auch nicht von den Lolitas dieser Welt verderben.
Und vielleicht hatte Vany auch recht, dass ich, entgegen meinen sonstigen Gewohnheiten, mal fünfe gerade sein lassen und mich unter die Leute mischen sollte. Mit dem Mule war es ja auch halbwegs erträglich. Jetzt ließ Vany endlich meine Finger los, und ich konnte einen kräftigen Schluck zu mir nehmen. Himmel, ich konnte noch Sekunden später Vanys Handabdrücke auf meiner Haut sehen. Sie musste wirklich neben der Spur sein.
»Er hat mir zugenickt!«, rief sie, und es fehlte nur noch, dass sie wie ein Huhn gackernd im Kreis rannte.
Schmachtend sah sie zu Marc rüber, einem fleischgewordenem Everybody’s Darling im Armani-Anzug und mit Haaren, die er absichtlich unordentlich gestylt hatte. Ich wusste, Vany war völlig und bedingungslos verschossen in ihn. So sehr, dass sie mir leidtat, denn sie kannte kaum noch ein anderes Thema.
»Er sieht so was von süß aus«, raunte sie mir laut genug zu, dass ich sie trotz des hohen Geräuschpegels um uns herum noch verstand.
Aus den Boxen drang Get lucky von Daft Punk, Pharrell Williams und Nile Rodgers, und alle um uns herum schienen eine gute Zeit zu haben.
»Heute oder nie«, hatte Vany mir vorhin am Telefon verkündet. »Und sollte ich mich davor drücken, ihn auch nur anzusprechen, schleifst du mich bitte zu ihm hin. Ich werde heute mit Marc Gellar schlafen.«
Marc hatte eventuell noch ein Wörtchen mitzureden, aber Vany war absolut überzeugt, ihn um den Finger zu wickeln, sofern sie den Mut aufbrachte, den ersten Schritt zu wagen. Und nun war er hier und ich entschlossen und bereit, meiner Freundin beizustehen.
Aber ich merkte schnell: Sie brauchte mich gar nicht. Festen Schrittes ging sie zu ihm. Das Selbstbewusstsein in Person, worum ich sie – ich gab es zu – beneidete. Manchmal musste Vany nur einen Schalter umlegen, und plötzlich strahlte sie sowohl äußerlich als auch von innen. Man musste es ihr lassen, sie zog es wirklich durch. Ich beobachtete, wie sie Marc ansprach, einfach so, und schon vertieften sie sich in ein Gespräch. Lief wie Butter in der Wüstensonne.
Unauffällig beobachtete ich die beiden. Nicht, dass ich mir irgendeine Taktik abgucken wollte, mit zwei Jobs und Studium hatte ich keine Zeit für eine Beziehung. Aber wenn ich nachts in meinem Bett lag und Vany längst nebenan schlief, fühlte ich mich, auch wenn ich es ungern zugab, oft einsam. Melbourne war nicht Sydney. Und sowohl das bisherige Collegeleben als auch der Start ins erste Semester waren anders verlaufen, als ich es mir je vorgestellt hätte. Um es direkter zu sagen: Ich war nicht gerade mit offenen Armen empfangen worden. Mein Blick wanderte zu der Gruppe von Studentinnen rund um Lolita an der Bar, die mich ungeniert anstarrten, lachten und die Köpfe zusammensteckten, nur um erneut zu lachen. Ich sah an mir runter. War was mit meinem Outfit nicht okay? Klar, war kein Gucci. Schon traurig, wenn das das Wichtigste im Leben war.
Ich starrte auf meinen Cocktail und versuchte, die anderen zu ignorieren. Trotz der aufgedrehten Bässe, bildete ich mir ein, ihr Lachen immer noch zu hören.
Also schloss ich die Augen. Nein, mein Leben hier verlief wirklich nicht, wie ich es mir erträumt hatte. Und ohne Vany spürte ich wieder dieses unangenehme Gefühl, auf mich gestellt zu sein, und vermisste meine Familie in Sydney nur noch mehr. Dad, meine große Schwester Hope und ihre Kids …
»Du wirst das Art College rocken«, hatte Hope mir vor der Abreise gesagt. Wenn sie nur wüsste … Aber ich sprach nie drüber, wie ich hier geschnitten wurde, ich wollte nicht, dass meine Familie sich sorgte.
Ich nahm noch einen Schluck, um meine Kehle zu befeuchten. Vany und Marc waren verschwunden.
Sobald mein Kupferbecher leer war, würde ich mich auch aufmachen, um noch an meinem Entwurf meines Schmucksets zu feilen. Ja, schrecklich langweilig, ich war eine kleine Streberin. Aber mich hier unnötig dem Gespött der Reichen und Schönen aussetzen, wollte ich auch nicht.
»Ist hier noch frei?«, drang eine samtene Stimme an mein Ohr, die mir augenblicklich eine Gänsehaut bereitete und mich aus meinen Gedanken riss.
Ich hob verwundert den Blick und sah direkt in das markante Gesicht von Lloyd Townsend. Ja, genau, DEM Lloyd Townsend. Dunkelblondes Haar, Wangenknochen, für die man einen Waffenschein brauchte. Die Schultern eines Footballspielers. Er war der Reichste hier unter den Reichen. Zwei Semester über mir, aus komplexen verwaltungstechnischen Gründen hatten wir jedoch zwei Kurse gemeinsam, weswegen ich ihm in ebendiesen beiden Seminaren schön öfter begegnet war. Nicht dass ihm das bewusst wäre, verdrückte ich mich doch zumeist in die hinterste Reihe des Hörsaals. Und Typen wie er wollten doch eh keinen Kontakt zu uns Normalos.
Wer sich in der Industrie auskannte, wusste, wer die Townsends waren, leiteten sie doch eines der erfolgreichsten Schmuckunternehmen weltweit. Kings of Passion, so der Name der Firma, wurde in einem Atemzug mit Cartier oder Tiffany genannt. Die Townsends waren genauso Legenden wie ihr Schmuck.
Ehrlich gesagt musste ich zweimal hinsehen, weil ich einfach nicht glauben konnte, dass er echt war. Ich hatte schließlich tief ins Glas geschaut, um den Abend zu überstehen. Konnte also gut und gerne eine Halluzination sein.
Ich kniff die Augen zusammen, was sicher komisch auf ihn wirkte – falls er wirklich da war, das war schließlich die Frage. Nach einem kurzen Blinzeln offenbarte sich die Wahrheit, die zugleich angenehm als auch irritierend war, galt ich in meinem Semester doch nicht gerade als jemand, mit dem man gerne abhing.
Doch nun stand der attraktivste Typ des ganzen Colleges vor mir. Seine Augen waren wie Magneten, sah er einen an, konnte man nicht wegsehen. Ich jedenfalls versuchte es vergeblich.
»Also?«, kam es sinnlich aus seinem Mund. Vermutlich hätte er mit dieser Stimme das letzte Seminar zur Geschichte der Quarzgewinnung zitieren können, und es wäre mir ein prickelnder Schauer über den Rücken gelaufen. Der Typ war heiß! Und mir wurde auch wärmer.
»Mh?«, machte ich durcheinander. So kannte ich mich nämlich nicht. Ich war nicht der Typ Frau, der jemanden so anschmachtete. Ehrlich gesagt fand ich das bei anderen sogar peinlich, daher konnte ich noch weniger verstehen, wieso ich mich gerade in ein Lloyd-Groupie verwandelte. Und ein Teenie war ich mit Neunzehn ja nun auch nicht mehr.
»Ist hier noch frei?«, wiederholte er lachend. Erst jetzt sah ich, er hielt auch einen Moscow Mule in der Hand. Geschmack hatte er. Und eine Kieferlinie zum Dahinschmelzen.
Ich nickte wie ferngesteuert, fragte mich, warum sich Lloyd Townsend ausgerechnet zu mir, dem Underdog, setzen wollte, bis mir klar wurde, dass es in dieser übervollen Bar keine freien Plätze mehr gab. Außer am Tisch des besagten Underdogs. Er hatte also keine andere Wahl, wenn er nicht rumstehen wollte. Das setzte alles ein wenig in Relation.
»Cool«, sagte er lässig und nahm Platz.
Es erregte eine gewisse Aufmerksamkeit, dass nun so ein Promi den Tisch mit mir teilte. Mit einer gewissen Genugtuung beobachtete ich, wie den Tussis an der Bar die Gesichtszüge entglitten. Besonders Lolita. Sie stand auf Lloyd, war ein offenes Geheimnis. Aber wer tat es an diesem College nicht, außer natürlich Vany? Und meine Wenigkeit. Zumindest hatte ich bis gerade eben gedacht, nicht zur Kategorie der Lloyd-Anbeterinnen zu gehören. Tat ich auch nicht, rief ich mich zur Räson. Meine Aufregung kam einfach daher, dass man nicht alle Tage mit VIPs am selben Tisch saß, mit überschießenden Hormonen hatte das nichts zu tun. Ich beschloss, die absurde Situation ein wenig zu genießen, man gönnte sich ja sonst nichts.
Mir wirbelte sein sinnlicher Geruch entgegen, den ich automatisch tief aufsog. Klang schräg, aber der wirkte ein bisschen wie ein natürliches Aphrodisiakum. Meine Nackenhärchen stellten sich prickelnd auf. Okay, vielleicht spielten Hormone doch eine kleine Rolle …
»Lloyd Townsend«, stellte er sich vor, obwohl es wahrscheinlich keinen im ganzen College gab, der ihn nicht kannte. Ich nahm einen Schluck und spülte ein paar kleine Eisstückchen meines Cocktails mit runter, um einen kühlen Kopf zu bekommen. Ich sollte das jetzt besser nicht vermasseln, sonst würde ich mich hier endgültig ins Aus schießen.
»Ich weiß«, sagte ich also und schüttelte seine Hand, kräftiger Händedruck für einen Schmuckkünstler, alle Achtung.
»Dawn McIntyre. Ich bin dir sicher noch nie aufgefallen.« Gott, wieso sagte ich denn das? Hatte ich nicht eben für einen kühlen Kopf gesorgt? Konnte es einen blöderen Einstieg in ein Gespräch geben? Ich zog rasch einen weiteren kräftigen Schluck aus meinem Kupferbecher mit dem Moscow Mule, der vermutlich zugleich Rettung als auch Ursache meines wirren Verhaltens war.
»Doch, bist du«, sagte er grinsend und steckte sich genüsslich seinen Strohhalm in den Mund, während er mich mit seinen intensiven Augen fixierte. O ja, er hielt sich für unwiderstehlich, das merkte ich sofort.
Blöd nur, dass er wohl richtig lag. Zumindest war so ziemlich jede Singlefrau an diesem College überaus angetan von Mr Superbody. Das hatte ich schnell mitbekommen, denn in den Pausen zwischen zwei Kursen gab es häufig ein Gesprächsthema, das dominierte. Lloyd Townsend, der Milliardenerbe. Sexy, gut aussehend, reich. Er hatte alles und konnte jede haben. Auch mich, wenn er wollte. Himmel, noch so ein verirrter Gedanke. Das lag an den Mules! Und Lloyds Geruch. Wieso knöpfte der sein Seidenhemd nicht direkt bis zum Bauchnabel auf, wenn er schon unbedingt seinen Brustansatz präsentieren musste?
Ganz langsam und genüsslich nahm er einen Schluck, während ich noch verarbeitete, was er gerade gesagt hatte. Ich – war – ihm – aufgefallen!
»Du bist anders. Das gefällt mir. Aber nicht allen.« Ohne dass er den Kopf bewegte, deutete er mit dem Blick zu der Tussifraktion, die tatsächlich immer noch rüber glotzte. Inzwischen fielen ihnen fast die Augen aus dem Kopf. Lolitas sprühten Blitze. Es war wirklich noch wie auf der High School. Genau die gleichen Probleme. Aber sollte es auf einem College nicht um anderes gehen?
»Das sind Langweilerinnen«, meinte er. »Kümmere dich nicht um die. Du hast was drauf. Deine Entwürfe sind unkonventionell.«
»Du kennst meine Entwürfe?« Schon immer hatte mich die Schönheit von Edelsteinen interessiert, seit meine Mutter mit mir mein erstes Armband erstellt hatte. Es waren nur Glasedelsteine, ich liebte es dennoch, trug es heute noch, weil ich mir einredete, dass es Glück brachte. Außerdem war Mum so bei mir. Nervös spielte ich nun mit einer Hand an ebendiesem Armband.
Ein Lob ausgerechnet von einem der sogenannten Opalkönige zu hören, wie die Townsend-Männer gern in der Presse genannt wurden, war überaus überraschend und ja – schmeichelhaft.
Für einen winzigen Moment gelang es meinem kleinen Kritiker im Kopf, mal abzuschalten und einfach nur die Anerkennung zu genießen.
»Ich finde sie überaus kreativ und sehr filigran, sowohl die Skizzen als auch die Modelle.«
Das ging runter wie Öl. Und dazu dieser wahnsinnige Geruch, meine Nackenhärchen tanzten schon Tango …
»Danke.« Ich musste zugeben, ich war wirklich von ihm überrascht. Nicht nur ein hübsches Gesicht. Er war echt cool drauf. Ich sollte wohl selbst ein paar Vorurteile ablegen, hatte ich ihn doch schlicht für einen Snob gehalten.
»Auf den Bestenlisten ist mir dein Name schon einige Male aufgefallen.«
»Stalkeralarm«, meinte ich scherzhaft, doch er erwiderte völlig ernst: »Ich muss doch auf dem Laufenden sein, wer mir Konkurrenz macht. Du bist die Einzige, so wie ich das sehe.«
Jetzt hob er mich zu sich auf dieselbe Stufe. Jeder wusste, dass er echt was draufhatte, wenn es um Schmuckdesign ging, daher bedeutete seine Aussage etwas. Himmel, nun glühten meine Wangen vor Stolz und Verlegenheit.
Ich zog den letzten Rest meines Cocktails aus dem Strohhalm. Meine Wangen glühten immer stärker. Bestimmt sah mein Gesicht nun wie eine vollreife Tomate aus. Konnte mir aber gerade herzlich egal sein. Ein Opalkönig sah mich als ernst zu nehmende Konkurrenz an. Fielen heute Geburtstag, Weihnachten und Ostern auf einen Tag? Leider verschaffte mir der Mule keine Linderung, was vor allem Lloyds feurigem Blick zu verdanken war. Wie konnte jemand nur so intensive und zugleich samtene Augen haben?
»Noch einen Drink?«
Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte bereits zu viel getrunken und wollte es nicht übertreiben.
Er hob die Hand in Richtung eines Kellners und bestellte sich selbst noch was. Dabei sah ich genau, wie er sich nach einem anderen Tisch umsah. Zumindest war das mein Eindruck. Na ja, war doch klar gewesen, oder? Er saß ja nur notgedrungen hier bei mir. Wäre irgendwo anders ein Stuhl frei gewesen, hätte er mich gar nicht weiter beachtet.
Ich merkte jedoch etwas Komisches. Ich wollte nicht, dass er sich wegsetzte. Nein, ich genoss das hier. Albern, klar. Noch alberner, dass ich ihn allmählich richtig toll fand, langsam verstehen konnte, warum jedes Mädel in den Kerl verschossen war. Wäre vielleicht gut, wenn ich etwas sagte, um das Gespräch in Gang zu halten. Etwas Gescheites am besten.
»Ist dein Entwurf für die Semesterabschlussarbeit schon fertig?«, fragte ich spontan und hätte mir am liebsten im selben Moment auf die Zunge gebissen. Fiel mir denn kein anderes Thema als das Studium ein? Wann saß schon mal so ein heißer Typ bei mir? Na ja, wenigstens plapperte ich nicht übers Wetter.
Lloyd bekam eine Piña Colada und lächelte mich an, was unglaublich sexy aussah. Mir wurde noch etwas heißer. Okay, ich konnte es nicht länger leugnen, er hatte wirklich was an sich.
»Nicht ganz, ich arbeite dran«, erklärte er entspannt, als wäre er an allem interessiert, was ich sagte. Das gab mir ein wohltuendes Gefühl des Akzeptiertseins. Und ich merkte, wie sehr ich mich schon seit Semesterbeginn genau danach gesehnt hatte. Es sagte sich so leicht, dass es doch egal war, was andere dachten, aber wenn dich plötzlich fast alle schnitten, war das nicht mehr so easy.
»Ich wollte dich sowieso fragen, ob du dir mein Konzept für die Abschlussarbeit ansehen würdest.«
Was … ich? Echt jetzt?
»Deine Meinung interessiert mich.«
Wow, einfach nur wow. Dass er so viel von meiner Expertise hielt.
»Klar. Und … wann?«, stammelte ich.
Er presste nachdenklich die Lippen zusammen. Und was hatte dieser Kerl für Lippen … »Warum nicht gleich?«
»Gleich?«
»Hier ist ja nicht wirklich was los. High-Society-Partys sind ermüdend. Ich suche nur nach einem Grund abzuhauen.«
Ich lachte. Konnte ich verstehen.
»Also, warum nicht gleich?«
Ich nickte. Ja, warum nicht? »Okay …«
»Wir müssten zu mir. Meine Entwürfe trage ich nämlich nicht mit mir rum. Ich hoffe, das ist kein Problem«, sagte er warm.
In seinen Augen loderte ein fernes Feuer. Mir wurde heiß in der Brust und im Nacken. Mein Blick wanderte erneut zu seinen sinnlichen Lippen, die für die eines Mannes sehr voll waren. Seine Züge strotzten nur so vor Männlichkeit, besonders seine scharfen Wangenknochen und der markante Kiefer, den ein Dreitagebart zierte. Doch diese Lippen …
Der Mule hatte es wirklich in sich, wenn ich plötzlich auf solche Dinge achtete. Aber was sollte ich machen? Mein Herz flatterte wie verrückt!
»Okay«, hörte ich mich selbst sagen. Doch meine Stimme kam mir fremd und weit weg vor.
Lloyd zwinkerte mir zu. »Cool, wollen wir?«
Wenig später zeigte er mir auf seinem Zimmer seinen Entwurf in Form eines wunderschönen Amuletts. Ich hatte nicht erwartet, dass jemand wie er sich mit einem normalen Studentenzimmer zufriedengab. Doch das tat er, und das machte ihn nur noch sympathischer. Die Heizung war hochgedreht, es war kalt draußen. Hier schwitzte ich allerdings. Keine Ahnung, ob das nur an der Heizung lag. Mir war jedenfalls so heiß wie in den Tropen, und jeder weitere intensive Blick von ihm verstärkte die Hitze. Ich versuchte, mich auf seinen Entwurf zu konzentrieren.
Seine Zeichnung war detailreich und fein, ich konnte nichts daran aussetzen. Er war ein fantastischer Künstler, der sein Handwerk perfekt beherrschte. Um ehrlich zu sein, war er mir meilenweit überlegen. Ich hatte noch nie solch eine elegante und außergewöhnliche Schöpfung gesehen. Einfach schön. Jemand, der so zeichnete, musste eine sensible Seite haben, und wenn er sie nur versteckte. Sie war gewiss da.
Und seine Hände mussten sehr sanft sein, wenn sie etwas berührten – oder streichelten. Ich schluckte. Ich sollte besser aufhören, mich in etwas reinzusteigern, ich war ja schon wie Vany.
»Ich mache uns noch einen Drink«, schlug er vor.
Mein Blick wanderte zur Seite, ich sah wieder ihn an, seine leicht vorstehende Unterlippe. Als er merkte, dass ich ihn beobachtete, lächelte er.
Mir glühten die Wangen bis zu den Ohren. Eigentlich hatte ich heute nichts mehr trinken wollen, aber etwas Abkühlung wäre sicher gut.
Ich nickte, betrachtete erneut die Zeichnung, um klar im Kopf zu werden, während Let her go von Passenger leise aus den Boxen erklang. In der Mitte des Schmuckstücks prangte ein großer Feueropal, der kaum zu bezahlen war. Wenn Lloyd das Stück kreierte, würde er sicher einen echten verwenden. Immerhin saß er an der Quelle und musste sich nicht mit Kunstmaterialien begnügen, die das College für unsereins zur Verfügung stellte.
Lloyd kam zurück und reichte mir ein Glas. Ich nippte gierig daran. Es war Gin.
»Ich hoffe, die Musik stört dich nicht.«
»Mh?«
»Die Musik …?«
»O nein, nein, gar nicht! Guter Musikgeschmack«, sagte ich, denn der Song war mir einer der liebsten. Hätte nicht gedacht, dass Lloyd auf romantische Lieder abfuhr.
Er zwinkerte, dann deutete er auf den Entwurf.
»Was hältst du davon? Du hast ihn zwar schon minutenlang angestarrt, aber eine Meinung habe ich bisher nicht gehört. Also?«, fragte er warm und beugte sich von hinten über mich. Sein warmer Atem strich über meinen Nacken, wo es wie verrückt kribbelte. War das Absicht? Ein Versehen?
Mir wurde noch heißer. Ich nahm gleich noch einen Schluck, überlegte, ob ich ihn bat, die Heizung etwas runterzudrehen, denn mir schwirrte etwas der Kopf. Stattdessen drehte ich mich zu ihm um. Sein Blick fesselte mich sekundenlang, schien mich abzutasten. Doch auf eine Weise, die ganz sanft, ganz langsam war. Wie ein Streicheln.
»Es ist …«
»Ja?«, kam es kontrolliert und doch ein wenig zu schnell über seine Lippen.
»Perfekt«, sagte ich heiser. Wie alles an ihm perfekt war, sein Geruch, sein Lächeln. Dieses verruchte Hemd, das mir immer wieder einen Blick auf seine Brustmuskeln gewährte. Mein Mund war staubtrocken, ein weiterer Schluck half. Lloyd lachte leise, ich merkte aber, dass auch etwas Anspannung von ihm abfiel. Welcher Künstler mochte schon Kritik?
»Sei ruhig ehrlich.«
»Das bin ich, es ist ein herausragendes Stück.«
»Freut mich. Vor allem, dass du das sagst.«
Ich konnte nicht anders, auch wenn die Aussage erneut wie Öl runterging, musste ich lachen. »Klar, da meine Meinung zählt …«
»Für mich schon. Du bist in meinen Augen die Talentierteste von uns allen.«
Ich hielt den Atem an. Mein Herz klopfte. Er ahnte nicht, wie viel mir diese Worte bedeuteten. Wie verbissen hatte ich mit jeder Hausarbeit, jedem Referat um Anerkennung gekämpft. Aber alle hatten vor allem das bürgerliche Mädchen von nebenan gesehen, das versuchte, sich unter die oberen Zehntausend zu mischen, obwohl es nicht dorthin, nicht an dieses Elitecollege, gehörte. Seine Worte hoben die Barriere auf. Plötzlich fühlte ich mich gar nicht mehr allein oder ungesehen.
Er nahm mir den Entwurf sacht aus der Hand, trat dabei ganz dicht vor mich, sodass ich den Kopf leicht in den Nacken legen musste, um ihn ansehen zu können. Etwas war nun anders. Mit ihm – mit mir.
»Ich war nicht ganz zufrieden mit der Form des Opals«, erklärte er und fokussierte mich. Ich hatte nie zuvor solch blaue Iriden gesehen. Sie wirkten überirdisch, als wären sie aus Saphiren geschliffen.
»Er erschien mir zu aufgesetzt, zu wenig rund in der Form.« Kurz huschte sein Blick zu meinen Hüften, dann sah er mir jedoch wieder in die Augen.
Ich schluckte unwillkürlich, als sich seine Lippen langsam öffneten.
»Du hast da was«, meinte er, stellte sein Glas auf dem Tisch ab und strich mir sacht über die Wange. Es prickelte ohne Ende, meine Haut fühlte sich an wie unter Strom, nur fühlte es sich gut an. Sehr gut sogar. Ich schloss die Augen, genoss die Berührung und hörte zugleich Vany in meinem Kopf, die mir zurief, ich solle das jetzt nicht versauen und einfach loslassen …
Aber zu spät, mein Fluchtinstinkt war schon aktiviert.
»Nur ein Schatten«, raunte er. Ich blinzelte, spürte seinen Atem an meinen Lippen und wollte zugleich weglaufen, als auch ihm entgegenstreben.
»Ich … sollte … spät …«, stammelte ich unzusammenhängend.
Er lachte leise. »Ich will nicht, dass du gehst.« Seine Stimme war nur mehr ein Flüstern. Es jagte mir eine Gänsehaut den Rücken hoch und runter, mehrmals. Plötzlich war da auch ein dicker Kloß in meinem Hals. Ich versuchte, ihn runterzuschlucken, aber es ging nicht.
»Wie kommst du nur darauf, ich hätte dich nie bemerkt?«
Und dann griff er mit beiden Händen nach meinem Gesicht und zog es zu sich, dass sich unsere Lippen fast berührten. Meine zitterten vor Aufregung … Erregung. Und dann, als ich es kaum noch aushielt, küsste er mich. Ich spürte seinen Mund an meinem, seine Zunge, die meine Lippen öffnete und sich an meiner rieb, wobei sich sein sinnlich herber Geschmack in meinem Mund verteilte. Es schmeckte aufregend. Nicht von dieser Welt.
»Ich will dich, seit ich dich zum ersten Mal sah«, offenbarte er in einer Atempause, doch bevor ich reagieren konnte, verschloss er meinen Mund wieder. Es fühlte sich zu schön an, und ich konnte gar nicht glauben, was ich hier tat. Normalerweise ließ ich mich nie so schnell auf jemanden ein, aber Lloyd konnte ich nicht widerstehen.
Ich spürte, wie mein Körper nachgab, sich an seinen schmiegte, als hätte er ein Leben lang nur auf diesen Moment gewartet. Umwoben von Lloyds markantem animalischem Geruch vergaß ich alles – wo ich war, wer er war, vor allem aber, wer ich war.
»Diese Nacht wirst du nie vergessen«, versprach er, und ich wusste, es stimmte, denn alles fühlte sich gut an. Ich fühlte mich absolut gelöst und erregt.
Vielleicht hatten der Gin und meine Mules ein wenig nachgeholfen, aber die Sperre in meinem Kopf war weg. Und im nächsten Augenblick schob er mich zu seinem Bett, legte mich auf dieses und sich selbst auf mich, sodass ich die Hitze seines Körpers dicht an meinem spürte. Und das aufregende Pulsieren seines Herzen und etwas anderes, das in seiner Hose pulsierte.
Dabei ließen unsere Münder keine Sekunde voneinander ab. Seine Hände glitten unter meinen Pulli, ganz zärtlich, wie ein Windhauch, und ich glaubte, unter seinen Berührungen zu verglühen …
Fünf Jahre später in Sydney
Ich arrangierte die tropfenförmigen Ohrringe im Gatsbystil auf dem naturbelassenen Kristall, legte eine pfirsichfarbene Kunstblume dazu und leuchtete alles mit Tageslichtspots aus, um möglichst jeden Schatten im Umkreis zu verbannen. Es gab nichts Unschöneres als ein schlecht ausgeleuchtetes Produktfoto.
Als ich mit der Beleuchtung zufrieden war, und ich konnte überaus perfektionistisch sein, schnappte ich mir meine Profikamera und positionierte mich in circa einem Meter Abstand zum Ohrringset. Mit ausgeschaltetem Blitzlicht drückte ich den Auslöser und sah mir sodann die Vorschau an. Aber wie gesagt, ich war überaus perfektionistisch, und das, was ich auf dem kleinen Bildschirm meiner Kamera sah, war noch nicht das Niveau, das ich anpeilte. Der Kunde hatte Ansprüche. Und ich auch.
Ich versuchte mich an verschiedenen Perspektiven, von oben, schräg von der Seite, und hielt erst inne, als ich an die hundert Bilder dieses Arrangements geschossen hatte. Zufrieden blätterte ich abermals durch die Vorschau meiner Kamera, waren ein paar gute Aufnahmen für den neuen Brides-Katalog dabei. Die würde ich mir auf unseren Computer ziehen und nachbearbeiten.
Es war schon faszinierend, wie man mit doch recht einfachen Mitteln etwas ganz Zauberhaftes und Stimmungsvolles erschaffen konnte. Deswegen liebte ich meinen Job. Ich konnte kreativ sein, Dinge in Szene setzen und zum Glänzen bringen. Fast, als wäre Fotografin schon immer mein Traumjob gewesen. Doch so war es nicht …
Sorgsam verstaute ich die teuren Hochzeitsohrringe in dem Kästchen, das der Auftraggeber uns für die Werbeaufnahmen hatte zukommen lassen, als es an der Studiotür klopfte. Ich stellte das Kästchen auf den Tisch neben den Kristall und rief: »Ja?«
»Bist du fertig?«, fragte Hope ungeduldig. Meine große Schwester bestand auf einen regulären Feierabend, hatte sie nach ihrer Scheidung immerhin Zwillinge zu versorgen. Ein unschönes Thema, das meine sonst so fröhliche Schwester in eine Art Grinch verwandelt hatte, der jedoch nicht nur auf die Weihnachtszeit bezogen seine üble Laune an allem und jedem ausließ.
Ich konnte Hope verstehen. Es war nicht leicht, ein Geschäft zu leiten und allein zwei Kinder großzuziehen, nachdem der Ex nicht nur die Ersparnisse verspielt hatte, sondern es sich auch in einschlägigen Clubs hatte gut gehen lassen. Nach außen hatte Oliver den Saubermann gegeben. Dass er in Wahrheit ein verantwortungsloser Arsch war, der sich auch hin und wieder an der Geschäftskasse bedient hatte, war erst später aufgeflogen. Hope hatte es teilweise nicht sehen wollen, und als das nicht länger ging, aktiv versucht, es zu verbergen. Aus Scham, wie sie später erklärt hatte.
»Geh ruhig schon, ich schließe nachher ab!«, rief ich, mit der Absicht, heute zumindest noch die Ohrringfotos auszusortieren.
»Ich möchte was mit dir besprechen«, kam es zurück.
Seufzend verließ ich das kleine Zimmer, das für uns als Aufnahmeraum fungierte und trat in unseren Flur.
Draußen im Laden war bereits das Licht aus. Ich sah zu Hope, die sich ihren Mantel übergeworfen und die roten Haare unter ihrer Pudelmütze soweit versteckt hatte, dass nur noch zwei Strähnen rechts und links heraushingen. Meine große Schwester gehörte der Laden hier. Sie war ebenfalls professionelle Fotografin und hatte mich unter ihre Fittiche genommen, mich ausgebildet und mir den Job gegeben, als ich meine Felle hatte davonschwimmen sehen.
»Komm, ich lad dich auf ’nen heißen Kaffee ein.«
»Ich wollte eigentlich noch an den Computer und …«
»Das hat doch auch bis morgen Zeit.«
Ich nickte langsam. Okay – wenn sie meinte. Ich riss mich nicht um einen späten Feierabend.
»Was möchtest du denn mit mir besprechen?«
»Erzähl ich dir beim Kaffee. Zieh dich an.« Sie schnappte sich meine Jacke vom Garderobenständer und warf sie mir zu. Wenig geschickt fing ich sie auf.
»Was ist mit Billy und Janice, musst du die nicht von der Schule abholen?« Rasch schlüpfte ich in meine Jacke, griff nach meinem Schal und schlüpfte auch in Handschuhe und Wollmütze. Für die kurze Strecke vielleicht übertrieben, aber ich war eine Frostbeule.
»Das übernimmt heute Judys Mum.«
»Judy?«
»Eine Klassenkameradin der Zwillinge. Ihre Mum bringt sie heim, liegt auf dem Weg, das Essen muss nur aufgewärmt werden. Sie kriegen das hin, bin stolz auf die beiden.« Sie winkte ab und deutete zum Ausgang. »Kommst du?«
Winzige Schneeflocken tanzten durch die Luft, als wir das Fotostudio Fast Pix verließen und auf die Straße traten.
Es war ein kalter Juni in Down Under, der kälteste, seit ich denken konnte. Eine Eigenart der Südhalbkugel, dass bei uns der Sommer von Dezember bis Februar einkehrte. Normalerweise herrschten zu dieser Jahreszeit um die sieben Grad. Aber dieses Jahr war es kälter und windiger. Ich legte die Arme um den Körper, der Unterschied zwischen drinnen und draußen war recht stark. Das letzte Mal hatte es 1836 in Sydney geschneit, hatte ich vorhin im Radio aufgeschnappt. Tja, Zeiten änderten sich.
»Ist ja ganz schön praktisch. Das mit Judys Mum, meine ich.« Ich war neugierig, was Hope mit mir besprechen wollte.
»Ja, da sagst du was. Wir wechseln uns seit Neuestem ab, wenn Not am Mann ist. Sie ist auch alleinerziehend«, meinte Hope und ließ das Rollgitter runter. Mehr sagte sie dazu nicht, was mich irritierte. Wie schon damals bei Oliver machte sie gern ein Geheimnis um ihr Privatleben. Manchmal war unser Verhältnis daher auch etwas eigenartig, hin und wieder waren wir wie beste Freundinnen und dann wieder eher Kolleginnen. Ratternd und knatternd schob sich das Gitter wie ein europäisches Burgtor aus dem Mittelalter vor unseren Eingang.
»Jetzt gib mir schon einen Tipp, worum es geht«, hielt ich es nicht länger aus.
»Okay … Um einen Auftrag aus Melbourne.«
Das war nun doch etwas überraschend, schließlich lag Melbourne nicht um die Ecke. Außerdem kam bei mir immer ein ungutes Gefühl auf, wenn es um diese Stadt ging. Wie hieß es? Die Vergangenheit schlief nie?
Hope drehte sich zu mir um, nachdem sie kurz am Gitter gerüttelt hatte, und etwas Komisches trat in ihren Blick. Ich brauchte eine Sekunde, um zu erkennen, was es war: Schuld. Aber wieso sollte sie sich mir gegenüber schuldig fühlen?
»Für Kings of Passion.«
»Was?« Mit denen wollte Hope Geschäfte machen? Das sollte wohl ein Scherz sein! Ich spürte, wie mein Herz schneller und zugleich viel schwerfälliger schlug.
Jetzt war auch klar, warum Melbourne. Dort lag der Hauptsitz dieser milliardenschweren Schmuckdynastie, deren jüngster Spross mein Leben zerstört hatte, ohne mit der Wimper zu zucken. Wut sammelte sich in meinem Bauch.
»Lass uns rüber zu Luke’s und in Ruhe reden.« Hope nickte zur anderen Straßenseite, wo sich unser Stammdiner befand, in dem wir auch gern unsere Mittagspause verbrachten. Heute waren wir allerdings noch nicht dort gewesen, hatten zu viel zu tun gehabt. Auf Luke’s hatte ich allerdings gerade wenig Lust.
»Für Kings of Passion?«, wiederholte ich fassungslos, während mich Hope am Ärmel meiner Jacke griff und mich hinter sich über die Straße zog.
Meine Laune sank auf die Temperatur unserer Umgebung. Ich wollte unsere Arbeit gewiss nicht schlechtmachen, aber ein milliardenschweres Unternehmen wie dieses hatte doch ganz andere Möglichkeiten, als auf so ein kleines Studio zurückzugreifen. Warum also meldeten die sich bei uns?
Mir war echt nicht wohl. Hope wusste, dass ich auf dieses Unternehmen nicht gut zu sprechen war. Und noch viel weniger auf Lloyd Townsend, dem größten Mistkerl unter der Sonne.
»Hör dir bitte erst mal alles an«, sagte meine Schwester eindringlich und stieß die Tür des Diners auf, bugsierte mich auf eine der gepolsterten roten Lederbänkchen.
»Bitte …«
Also schön. Meine Schwester war die Chefin von Fast Pix, sie konnte Geschäfte machen, mit wem sie wollte. Das war ihr gutes Recht, nachdem sie den Laden gemeinsam mit ihrem Jetzt-Ex-Mann von Dad übernommen hatte. Vermutlich wollte sie sich meinen Segen holen, meinetwegen, den hatte sie, solange ich nichts mit den Townsends zu tun haben musste. Dennoch blieb da ein ungutes Gefühl in der Magengegend.
Gladys, unsere Lieblingskellnerin, stand schon mit der Kaffeekanne bereit und lächelte uns mit dem kleinen Spalt zwischen ihren Schneidezähnen an. »Wir haben ganz tollen Apple Pie da!«
Ich schälte mich aus meiner Jacke. Auf etwas Süßes hatte ich jetzt gar keine Lust. Hope bestellte dennoch zwei Stück Kuchen. Wie hieß es so schön? Der Appetit kam mit dem Essen.
Gladys goss uns Kaffee ein.
»Kommt sofort, ihr Süßen.«
Keine halbe Minute später standen zwei Tellerchen mit Pie vor uns. Er duftete köstlich, aber mein Magen war wie zugeschnürt.
»Also, was hat es mit diesem Kings-of-Passion-Auftrag auf sich?«
»Die wollen explizit dich als Produktfotografin, und zwar vor Ort. Der Schmuck verlässt die heiligen Hallen nicht, daher werden Fotos vor Ort gemacht. Ich möchte auch, dass du das übernimmst. Ich kann ja schlecht weg, wegen Billy und Janice.«
Bitte was? Wo? Wie?
Sie holte aber nicht nur einfach meinen Segen, sondern schubste mich ins Haifischbecken.
Ich hatte mich hoffentlich nur verhört. Dieses Geschäft zwischen Fast Pix und Kings of Passion sollte ausgerechnet mich stark involvieren? Na großartig!
»Die wollen mich?«, fragte ich spöttisch, und gedanklich tauchte ich ab, zu jenem Abend, als Lloyd Townsend in mein Ohr geflüstert hatte, dass er mich auch wollte. Ich schüttelte den Kopf über meine Naivität, weil ich ihm geglaubt hatte. Oder hatte glauben wollen.
Es hatte sich als übler Trick herausgestellt. Mit fatalen Folgen für meine Karriere und mich.
»Sie sind auf deine Fotos in einem der Brides-Kataloge aufmerksam geworden. Das spricht doch für dein Talent.«
Sie klang total begeistert und so, als müsste ich mich jetzt geehrt fühlen. Hatte Hope vergessen, was vor fünf Jahren passiert war? Das ganze Drama, das zu meinem Ausschluss am Art College und dem Ende meines Traums geführt hatte? Wenn sie das so locker-flockig sagte, musste ich leider schon an partielle Amnesie denken.
»Ich … habe ihnen zugesagt.« Sie wich meinem Blick aus, stocherte in ihrem Pie.
Jetzt klappte mir das Kinn runter. Sie hatte was? Sie wusste doch genau, dass ich mit dem Townsend-Clan nichts, aber auch gar nichts mehr, zu tun haben wollte. Nicht nach dieser miesen Intrige! Und dann sagte sie zu, ohne mich zu fragen?
»Nein!« Das kam nicht infrage. Ich wollte gehen. Hope sprang auf und krallte sich an mir fest, um nicht zu stürzen, weil sie fast über ihre eigenen Beine flog.
»Jetzt warte doch mal. Es geht nur um Produktfotografie für den neuen Schmuckkatalog von Kings of Passion. Du wirst ihn vermutlich nicht mal sehen.«
Mit ihn meinte sie den Mann, der mein Leben zerstört hatte. Und jetzt sollte ich seinen Schmuck fotografieren? Als wäre es ein ganz normaler Auftrag und nie etwas passiert.
»Nein!«, wiederholte ich.
»Dawn … setz dich bitte wieder.«
Ich ließ mich sinken, vor allem, weil mir ein wenig übel geworden war. Ich lehnte so einen Auftrag, der ganz sicher sehr lukrativ war, doch nicht ohne Grund ab.
»Er hat mich verführt, um mich abzulenken, damit seine zwei Kumpels in der Zeit meinen Entwurf für die Semesterabschlussarbeit aus meinem Zimmer stehlen konnten.« Vany war an diesem Abend mit Marc zusammen gewesen, niemand daheim – ein leichtes Spiel für diese Mistkerle.
Lloyd hatte mir schöne Augen gemacht, und ich dumme Gans war ihm auch noch verfallen. Er hatte mich um den Finger gewickelt, und ich hatte mich bereitwillig wickeln lassen. Dazu noch etwas Honig ums Maul. »Du bist so talentiert, sag mir doch deine Meinung zu meiner Skizze …« Naiv hatte ich daran geglaubt, dass es eine ganz besondere Nacht wäre. Und selbst jetzt noch tat es höllisch weh, das alles Revue passieren zu lassen.
Kein Wunder, ich war damals verletzlich gewesen, hatte keinen Anschluss gefunden. Und dann hatte ausgerechnet Lloyd den Prinzen in meiner persönlichen Aschenputtelgeschichte gemimt. Allerdings ohne Happy End, so gesehen passte der Vergleich wohl doch nicht so gut.
»Die zwei Kommilitonen haben meine Arbeit als ihre ausgegeben«, rief ich meiner Schwester in Erinnerung. »Und Townsend hat das gewusst, aber nichts gesagt oder getan, als ich das dem Direktorat meldete. Wem hat man am Ende geglaubt?«
Ich fixierte Hope, die aber meinem Blick auswich. Betreten pulte sie an einem Fingernagel. »Sie sagten, es stünde Aussage gegen Aussage«, rief ich ihr ins Gedächtnis. »Ich konnte nicht beweisen, dass der Entwurf von mir war, denn sie hatten das Original mit meinem Kürzel längst vernichtet. Und als ich der Collegeleitung unangenehm wurde, rechtliche Schritte einleiten wollte, haben die hohen Tiere aus der Direktion einfach behauptet, ich wäre nicht geeignet fürs Art College.«
Hope senkte den Arm, sah mich an und nickte langsam. »Ich weiß das alles.« Umso mehr verblüffte mich ihr Verhalten. Dass Hope so gar kein Verständnis für mich hatte, verletzte mich.