Kings of Passion - Sinnliches Begehren - Michelle Summers - E-Book

Kings of Passion - Sinnliches Begehren E-Book

Michelle Summers

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Beschreibung

Sie sind reich und erfolgreich, ihre Affären und Skandale beherrschen die Schlagzeilen und das Beste ist ihnen gerade gut genug: Das sind die drei Townsend-Brüder Vaughan, Garrett und Lloyd, auch als »Opal-Könige« bekannt. Sexy-Boss-Romance in Australien für alle LeserInnen von Piper Rayne und Vi Keeland »Er drehte sich wieder zu mir um, ein kleiner Schauer jagte mir den Rücken runter bei dem intensiven Blick, den er mir zuwarf.« Studentin Brie will sich als Kellnerin etwas auf einer Megajacht dazu verdienen, dass sie dabei ausgerechnet in den Armen des mittleren Townsend-Bruders Garrett landet, ist entgegen all ihrer Pläne. Aber sein sinnlicher Charme bricht ihren Widerstand, denn der attraktive Milliardär ist ganz anders als sie erwartet hat. Kein eingebildeter High Society Schönling, sondern ein zärtlicher Liebhaber, an den sie ihr Herz verlieren könnte. Ihre Nacht bleibt nicht ohne Folgen, denn Brie stellt fest, dass sie trotz Verhütung schwanger geworden ist. Wird sich der Playboy zu ihr bekennen? »Das eindrucksvolle australische Setting ist immer wieder ein Highlight in dieser Wohlfühlreihe, die für entspannte Leseunterhaltung sorgt. Die Second Chance Story bekommt von mir sehr gern eine Leseempfehlung!« ((Leserstimme auf Netgalley)) 

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© Piper Verlag GmbH, München 2022

Redaktion: Diana Steigerwald

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: © Traumstoff Buchdesign traumstoff.at

Covermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

38. Kapitel

39. Kapitel

40. Kapitel

41. Kapitel

42. Kapitel

43. Kapitel

44. Kapitel

45. Kapitel

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

1. Kapitel

Garrett

Die Zeit im Outback verging anders. Das merkte ich immer wieder. Es mochte an der Abgeschiedenheit liegen, daran, dass die nächstgelegene größere Stadt eine Autostunde entfernt lag, oder daran, dass meine Hütte irgendwo im Nirgendwo stand, umgeben von wild wachsenden Steppensträuchern. Um einen Nachbarn zu sehen, musste ich ein Stück weit die Straße runterfahren, einen Supermarkt gab es gar nicht erst.

Blickte ich aus dem Fenster, dominierten vor allem Steppenlandschaft und rote Sandhügel vor einem saphirblauen Himmel das Bild. Die größte Attraktion unseres Kaffs war die örtliche Tankstelle, die Durchreisende oder Fernfahrer mehrmals täglich aufsuchten. Manchmal ließen sie sich für ein paar Stunden an der Bar des Motels direkt daneben nieder, um ihre Geschichten in die Welt hinauszutragen. Mehr Aufregung gab es bei uns nicht.

Ja, das war Little Topar. Und ich liebte es. Wenn es einen Ort gab, an dem man wirklich abschalten konnte, sich von allem loslösen konnte, war es dieser hier.

Seit sechs Jahren lebte ich inzwischen auf meiner kleinen Einmannfarm, knapp hundert Meilen von White Cliffs entfernt, dem Quell unseres familiären Aufstiegs. White Cliffs war eine noch trockenere, felsigere Gegend als Little Topar und erschien auf den ersten Blick nicht verheißungsvoll. Aber unter der Oberfläche lagen die verzweigten Opalminen von Kings of Passion, dem größten Schmuckhersteller Australiens. Gegründet hatte das Erfolgsunternehmen mein Großvater Hubert Townsend, ehe es mein Vater James bis zu seinem Ableben übernommen hatte. Und nun leitete mein älterer Bruder Vaughan die Geschicke des Konzerns, der über die Jahrzehnte immer größer geworden war.

Mit Kings of Passion verband man exquisite Kreationen feingeschliffenen Schmucks, designt von meinem jüngeren Bruder Lloyd. Und natürlich spielten Opale eine wesentliche Rolle bei jedem einzelnen Stück, das er entwarf.

Ich, als der mittlere Bruder, hatte die Aufgabe übernommen, ebendiesen unermesslich wertvollen Quell inmitten des Outbacks zu beaufsichtigen und die Zulieferung der Opale an unsere Produktionsstätten zu überwachen.

Zugegeben, als ich hierhergekommen war, war ich zunächst alles andere als begeistert gewesen. Weder Little Topar noch White Cliffs hatten es mit Melbourne aufnehmen können, wo unser Hauptsitz lag. Aber ich hatte mich schnell an die Hitze, den Staub und die raue Landschaft gewöhnt. Es war ein Neuanfang gewesen, den ich willkommen geheißen hatte, um meinem alten Leben den Rücken zu kehren, weil man mir … tja, das Herz gebrochen hatte. So etwas konnte selbst einem Townsend passieren. Dabei hätte man doch meinen sollen, dass ein Mann wie ich vor Herzschmerz gefeit wäre. Ich hatte schließlich alles, was man sich nur wünschen konnte. Reichtum, eine einflussreiche Familie, gutes Aussehen – ich bin nur ehrlich.

Viele Leute glaubten, dass wir Brüder das große Los waren, eine gute Partie. Welche Frau käme also auf die Idee, einen von uns zu verschmähen?

Eine gab es. Und deswegen war ich jetzt hier, in Little Topar.

Nachdem ich zunächst in einem Dugout-Hotel in White Cliffs gewohnt hatte, war ich mit meiner Hündin Mandy in ein altes Farmhaus am Ortsrand gezogen und lebte seitdem als Selbstversorger. Verrückt, wenn man bedachte, dass ich ursprünglich gar nicht hatte herkommen wollen und es letztlich nur eine Flucht gewesen war.

Ein lautes Gackern riss mich aus den Gedanken.

Meine Emus machten lauthals auf sich aufmerksam, wie sie es immer taten, wenn die Sonne aufging. Ich hielt sie in einem artgerechten Gehege vor dem Haus, jeden Morgen spendeten sie mir ein paar Eier, aus denen ich verschiedene Frühstücksgerichte zauberte. Das Leben hier war einfach. So mochte ich es. Keine Sorgen.

Mandy sprang in mein Bett und leckte mir übers Gesicht, um mich zum Aufstehen zu bewegen. Ihrer Meinung nach war ein Frühstück längst überfällig.

Ich lachte, streichelte sie mit beiden Händen. Sie war groß geworden, eine richtig stolze Schäferhündin. Ich war mir sicher, dass sie jedes Wort von mir verstand. Zumindest, wenn sie gerade Lust darauf hatte, es zu verstehen.

»Na schön, ich stehe ja schon auf«, sagte ich amüsiert und gab ihr als erstes Futter, ehe ich unter die Dusche verschwand.

Während ich mich einseifte, sinnierte ich darüber, wie sehr sich mein Leben verändert hatte. Ich hatte nicht nur gelernt, die Abgeschiedenheit zu schätzen, ich hatte es auch geschafft, den Opalabbau zu steigern, indem ich Vaughan davon überzeugt hatte, bessere und modernere Maschinen anzuschaffen als die uralten Dinger, mit denen wir bisher gearbeitet hatten.

Ich stieg aus der Duschkabine, schnappte mir ein Handtuch und trocknete mir die Haare. Als ich in meine Shorts geschlüpft war, ging ich raus, um ein paar Eier aus dem Gehege einzusammeln und mir ein ordentliches Frühstück zu machen. Mandy stand schon parat, als ich das Gatter aufschob. Ihr Futter hatte sie ratzfatz verputzt, und nun hoffte sie auf einen Nachschlag.

»Für dich fällt bestimmt was ab«, versprach ich ihr und bewegte mich vorsichtig an den Laufvögeln vorbei, die mich, obwohl sie mich inzwischen ja kennen sollten, misstrauisch musterten.

»Ihr Ladys wart ja produktiv«, lobte ich die Vögel.

Ich griff nach den größten Eiern, um sie ins Haus zu bringen und in der Küche in die Pfanne zu hauen. Mandy wich nicht von meiner Seite, ihre Zunge hing fast bis zum Boden, als ich ein weiteres Ei aufschlug und es brutzelnd in die Pfanne glitt. Ich strich ihr über den Kopf. »Geduld, Süße.«

Fünf Minuten später war das Essen fertig. Aber ein Blick auf die Uhr verriet auch, dass ich langsam losmusste, wenn ich rechtzeitig im Büro sein wollte. Also aß ich auf, stellte Mandy den Teller hin, damit sie die Krümel ablecken konnte, und strich ihr über den Rücken.

»Du passt auf das Haus auf, während ich weg bin, einverstanden?«

Sie gab ein zustimmendes Bellen von sich, und ich drückte ihr einen Kuss auf die Stirn, ehe ich mich noch anzog und dann in meinen Pick-up setzte, um nach White Cliffs zu fahren.

Ich erwartete einen entspannten Tag. Doch ich hatte kaum das unterirdische Büro betreten, das wie alle Gebäude in White Cliffs in Felsen gehauen worden war, als mir meine schon etwas ältere Vorzimmerdame Aileen mit ein paar Ausdrucken hektisch entgegenkam. Bei ihr war Jack, unser Mann fürs Grobe. Er beaufsichtigte die Bohrungen.

»Garrett, das werden Sie nicht glauben!«, rief Aileen und drückte mir die Dokumente in die Hände, darunter auch Fotos. Ich sah darauf ein paar Felsgänge und glitzernde Sprenkel zwischen den Steinen.

»Ist das nicht fantastisch?«, fragte sie.

»Neue Adern nehme ich an?«

Sie nickte.

»In der Tat, Mr Townsend, wir haben eine neue Opalader in einem Seitengang gefunden«, verkündete der Bohrleiter mir.

»Das klingt großartig, Jack«, freute ich mich. Mehr Opale, mehr Gewinn.

»Wenn Sie sich das mal ansehen möchten?«

Ich nickte. Klar, gab doch nichts Schöneres, als neue fast jungfräuliche Opale. Die Steinchen wuchsen leider nicht nach. Umso erfreulicher, dass sich eine neue Ader aufgetan hatte.

Jack und ich verließen das Büro, fuhren gemeinsam zu den Minen außerhalb der Ortschaft. Dort stiegen wir aus und begaben uns, mit Helmen ausgestattet, direkt in eines der Tunnelsysteme, die bereits weitestgehend opalfrei waren.

Ich setzte mir einen Helm mit Lampe auf. Jack ging ein Stück weit in den neu geformten Seitengang hinein. Nahe einer Bohranlage erkannte ich ein paar glitzernde Verzweigungen im Gestein.

Offensichtlich musste hier noch einiges freigelegt werden, doch unbestreitbar verbarg sich hier ein kleiner Schatz. Und das auch noch recht nah an der Oberfläche, was das Abbauen und den Transport erleichtern würde.

Ich betrachtete die Ader genauer, fuhr mit der Hand drüber. Opale fühlten sich stets besonders an, fast sinnlich, selbst dann, wenn sie noch im Gestein steckten.

»Ausgezeichnet, gute Arbeit, Jack.«

»Wir legen die Stelle also weiter frei?«, fragte Jack.

Ich nickte.

»Aber vorsichtig, wir wollen nichts zerstören.«

»Alles klar, Mr Townsend.«

Erfreut kehrte ich ins Büro zurück. Ich würde Vaughan über unseren Fund informieren müssen. Sicher lösten die guten Nachrichten auch bei ihm Freude aus.

»Wie war es in der Mine?«, fragte Aileen.

»Vielversprechend.«

»Wunderbar. Ich mache Ihnen einen Kaffee, ja?«

»Das wäre großartig.«

Sie verschwand in der Büroküche, und ich studierte die Mails an meinem Schreibtisch. Darunter befand sich eine von meinem Bruder Lloyd. Er hatte mir ein paar Fotos von der Voka-Verleihung angehängt, die vor zwei Wochen im berühmten Opernhaus von Sydney stattgefunden hatte.

Mein kleiner Bruder hatte dort gemeinsam mit seiner Freundin Dawn den begehrten Schmuckaward für die gemeinsame Kreation Queen of Passion gewonnen. Die Crème de la Crème der Modewelt war anwesend gewesen, und natürlich auch die Townsend-Familie, die bei solchen Galas nicht wegzudenken war. Man musste sich schließlich zeigen. Gerade wenn man zu den oberen Zehntausend Australiens gehörte. Nicht nur Adel verpflichtete, auch Opale taten es.

Zudem war das Event für mich nicht ganz rund gelaufen, ich hatte einen gewissen Zwischenfall zu verdrängen versucht. Nun, da mich mein Bruder daran erinnerte, spürte ich etwas Anspannung, der ich mich nicht entziehen konnte. Ich hatte mich bisher ganz auf meine Arbeit hier in White Cliffs konzentriert. Doch nun kehrte die Erinnerung mit Macht zurück.

Ich sah noch einmal das festlich geschmückte Opernhaus von Sydney vor mir, die vollen Säle, die belebten Gänge, überall Presse, Promis, und ich mittendrin.

Früher hatte ich Partys dieser Art gemocht, jetzt waren sie nicht mehr so ganz mein Ding. Das Outback hatte mich wohl verändert. Hier herrschte nie Aufregung, nie Stress. Besonders deutlich war mir das bewusst geworden, als Lloyd und Dawn als Sieger der Verleihung ausgerufen worden waren. Da brach nämlich der Jubel um uns herum aus. Es wurde laut und stickig. Aber ich hatte mich unglaublich für die beiden gefreut. Sie hatten es verdient.

Doch dann hatte plötzlich diese aufdringliche Reporterin vor mir gestanden. Deutlich sah ich ihre wachen Augen vor mir, als wäre ich noch auf dem Event.

»Und nun zu Ihnen, Garrett.«

»Zu mir?«, hörte ich meine Stimme einem Echo gleich.

»Sie stehen ja immer etwas weniger als die anderen beiden Brüder im Rampenlicht«, erklärte die Dame fachmännisch.

»Wollen Sie das nun ändern, Mrs …«

»Miss Johansen. Und, na ja, ich fragte mich, ob es vielleicht daran liegt, dass Sie etwas vor der Öffentlichkeit verbergen?«

Das Lachen hatte ich nicht unterdrücken können. »Und was sollte das bitte sein?«

»Dass Sie eine Tochter haben?«

Ich hatte zwar die Worte gehört, sie aber nicht greifen können. Wie kam diese Frau darauf, dass ich eine Tochter haben könnte? Gut, ich lebte nicht gerade im Zölibat, selbst in White Cliffs nicht. Ich hatte auch noch meinen Jet, um mal rauszukommen. Aber ich verhütete immer. Ich war doch kein Idiot!

Was also sollte diese Behauptung? Das war ja nun wirklich kein alltägliches Thema.

Diese Frage hatte mich dementsprechend etwas aus der Bahn geworfen. Und zwar so heftig, dass ich mich nur vage an den Rest des Abends erinnerte. Mum und Vaughan hatten die Sache in die Hand genommen, der Reporterin erklärt, dass ich ganz sicher nicht Vater einer Tochter sei und sie uns bitte in Ruhe lassen sollte. Die Townsends hatten öfter mit Falschbehauptungen von und durch die Presse zu tun. Aber nie war ich im Fokus gewesen.

Ich war danach zeitig ins Hotel zurückgekehrt, hatte es als das abgetan, was es wahrscheinlich gewesen war. Eine erfundene Story, um die eigene Karriere zu pushen. Dennoch wurden die Zweifel in meinem Hinterkopf immer lauter. Auch jetzt nagten sie an mir, während ich Lloyds Mail schloss.

Und wenn es doch stimmte? Wenn ich doch eine Tochter hatte, die irgendwo dort draußen lebte? Ohne zu wissen, wer ich war? Wie alt war sie? Es waren so viele offene Fragen, die mich umtrieben. Vor allem: Wer war ihre Mutter?

Es gab nur einen Weg, es herauszufinden, entschied ich. Ich musste den Opalminen für eine Weile den Rücken kehren, sonst würde ich keine Ruhe finden.

2. Kapitel

Garrett

Sydney war eine aufregende Stadt, auch über mein Hotel konnte ich mich nicht beklagen. Die Ariana Luxushotels waren eben Spitzenklasse. Die Skyline, die ich von meinem Fenster aus sehen konnte, war atemberaubend. Ich war inzwischen viel zu selten hier. Manchmal kam ich mir deswegen wie ein Einsiedler aus der Wildnis vor.

Es war nicht allzu schwer gewesen, ein Treffen mit der Reporterin zu vereinbaren, die mein Leben durcheinandergebracht hatte. Genau genommen war es sogar eine Leichtigkeit gewesen. Ich wusste, dass sie beim Australian Daily angestellt war, dessen Hauptsitz hier in Sydney lag. Ein Anruf in der Redaktion hatte genügt. Sie war einverstanden, sich in einer Stunde mit mir in einem von Sydneys berühmten Patisserien zu treffen. George, unser Aufseher der Besuchermine in White Cliffs, kümmerte sich zum Glück um Mandy und meine Emus. So konnte ich mich ganz auf den bevorstehenden Termin konzentrieren.

Ich nahm noch eine Dusche, zog mich an und verzichtete auf das Frühstück, um mich gleich auf den Weg zu machen. Das Ariana Hotel lag recht zentral, mit einem Taxi fuhr ich in die Hafengegend und stieg nahe des First Fleet Park aus. Ich bezahlte den Fahrer und unternahm noch einen kleinen Spaziergang, weil ich gut in der Zeit lag.

Gegen zwölf schlug ich im Sebastien auf, das wohl seinen Namen mit seinem Besitzer teilte. Ich war keine fünf Minuten dort, schon stolperte eine Frau mit rotem Wuschelschopf in den Laden. Sie erkannte mich sofort, trotz meiner herausragenden Tarnung, die aus Sonnenbrille und Basecap bestand.

»Garrett«, sagte sie etwas atemlos und zog den freien Stuhl an meinem Tisch zurück.

Aus irgendeinem Grund kam sie mir bekannt vor. Das war schon bei der Verleihung so gewesen. Ich war mir fast sicher, dass Miss Johansen und ich uns schon mal begegnet waren.

Sie reichte mir die Hand. »Scarlett Johansen«, stellte sie sich vor. Ich musste unwillkürlich grinsen. Ehrlich? Ich meine, ich hatte gewusst, dass ich eine Miss Johansen traf. Aber dass ihr Vorname auch noch Scarlett war …

»Ich weiß, wie die Schauspielerin«, sagte sie und rollte mit den Augen. Sicher hatte sie das schon zigmal gehört.

»Aber mein Name wird anders geschrieben«, betonte sie und erklärte mir ausführlich die Unterschiede.

Ich unterbrach sie, indem ich ihre Hand schüttelte.

»Sehr freundlich, dass Sie mich noch mal treffen wollten. Und danke für die Einladung. Die machen hier echt guten Kaffee.«

Ich nickte. War ja nicht ganz uneigennützig. Ich hoffte, Antworten zu bekommen.

Ein Kellner brachte uns die Speisekarten. Schnell hatten wir unsere Wahl getroffen. Während wir auf Kaffee und Kuchen warteten, warf ich einen Blick aus dem Fenster, das mir einen Blick auf die beeindruckende Sydney Harbour Bridge erlaubte, die Sydneys Nord- und Südküste über den Hafen miteinander verband.

»Schon ziemlich beeindruckend, was?«, meinte Miss Johansen.

»Sie sind nicht von hier?«, mutmaßte ich.

Sie lachte. »Ich komme aus Melbourne, so wie Sie. Aber inzwischen lebe ich schon eine Weile hier.«

»Ah ja …« Kannte ich sie aus meinen Zeiten in Melbourne? Ich hatte ganz sicher keine Beziehung mit ihr gehabt, das hätte ich sofort gemerkt.

»Hätte nie gedacht, dass es mich mal hierher und dann auch noch zum Australian Daily verschlagen würde«, sinnierte sie.

»Vielleicht können wir allmählich zum Punkt kommen, ich bin nicht zum Plaudern hier, Miss Johansen. Ich möchte wissen, woher diese Information stammt, dass ich eine Tochter hätte. Wie sind Sie darauf gekommen?«

Johansen lehnte sich zurück und spielte mit einer Kringellocke.

»Sie kommen ja wirklich schnell zur Sache.«

»Sie haben dieses Fass aufgemacht, nun müssen Sie sich auch erklären. Behauptungen aufstellen kann jeder.« Sie musste sich denken, dass mich das beschäftigte.

»In meinem Geschäft heißt es: Informationen gegen Informationen. Ich persönlich würde mich über eine aufregende Geschichte aus Ihrer Familie freuen. Ich stehe noch am Anfang meiner Karriere, und eine gute Story würde mir ein paar Wege ebnen.«

Ich seufzte. Typisch Reporter, wollten immer einen Vorteil für sich rausschlagen.

»Und was stellen Sie sich da vor?«

»Etwas, das Sie nur mit mir teilen. Vielleicht erhalte ich Exklusivrechte für die Hochzeit von Vaughan und Robin, die ja bald stattfinden soll, wie man hört.«

Da wusste jemand aber sehr gut Bescheid. Immer wieder faszinierend, was Reporter für Quellen zu haben schienen. Trotzdem verrannte die Dame sich hier.

»Das liegt wohl kaum in meiner Entscheidungsgewalt.«

Als könnte ich Vaughan und Robin Vorschriften machen. Oder als wollte ich das.

»Ich bitte Sie, es handelt sich um Ihren Bruder. Reden Sie mit ihm, überzeugen Sie ihn, dass der Australian Daily unbedingt die Exklusivrechte bekommen sollte, dann bekommen Sie wiederum die Infos, die Sie benötigen.«

Ich seufzte.

»Eine Hand wäscht die andere, Mr Townsend. Also, stimmen Sie dem Deal zu?«

Was blieb mir anderes übrig? Ich musste wissen, was es mit dieser angeblichen Tochter auf sich hatte. Auf Townsend-Events war es zudem sogar üblich, Exklusivrechte zu vergeben. Vielleicht hatten das Vaughan und Robin ohnehin vor? So hielt man auch die Presser im Zaum. Einen Versuch war es wert.

»Na schön, ich kümmere mich darum. Ich warne Sie jedoch, ich habe einflussreiche Freunde. Wenn Sie mir hier einen Bären aufbinden, wird das Konsequenzen für Sie haben.«

»Ich sage die Wahrheit, Mr Townsend, das kann ich Ihnen versichern.«

Sie hielt meinem Blick stand. Etwas sagte mir, dass es diese Tochter gab. Nur ob es wirklich mein Kind war, würde sich noch zeigen.

»Sie erinnern sich gewiss an die Schmuckpräsentation vor sechs Jahren auf der Jacht Ihrer Familie? Ich glaube, das Event nannte sich Shine for you.« Genau wie die Kollektion, um die es bei dieser exklusiven Werbeaktion für die Reichen und Schönen gegangen war.

Ich merkte selbst, wie mir die Kinnlade herunterfiel.

»Ich sehe, Sie tun es.«

Mit einem Mal wusste ich, wer Johansen war. Mehr noch, ich ahnte, worum es hier genau ging.

»Sie sind damals sehr … intim, wenn ich das so nennen darf, mit einer jungen Frau geworden.«

Ich konnte es nicht verhindern, ich musste unwillkürlich an sie denken. An Brie Thomas. Mein Herz schlug mit einem Mal schneller. Obwohl sie mir ebendieses gebrochen hatte.

»Sie verstehen, worauf ich hinauswill?«

Ich hörte Scarletts Stimme wie aus der Ferne, sah stattdessen Brie vor mir. Ihre honigfarbenen Haare, ihr zartes Lächeln. Selbst jetzt ließ mich diese Erinnerung nicht kalt. Doch es war alles nur gespielt gewesen, ihre Gefühle für mich eine Farce. Warum also sollte ich ihrer guten Freundin Scarlett, die nun vor mir saß, auch nur ein Wort glauben?

Was sollte das alles?

Unwillkürlich sah ich alles noch einmal vor mir. Eine lange Geschichte, die völlig anders geendet war, als ich es je erwartet hätte. Wie es Brie wohl damals ergangen war?

3. Kapitel

Brie, Januar 2012

»Also, was hältst du davon?«, fragte Scarlett Johansen.

Nein, nicht DIE Scarlett Johansson, sondern meine Kommilitonin hier an der renommierten University of Melbourne.

Scarlett, das musste ich zugeben, sah ein wenig wie die gleichnamige Schauspielerin aus, wenn man von ihren kinnlangen verwuschelten Haaren absah, die in der Sonne des heißesten australischen Monats, dem Januar, knallrot leuchteten. Ein bisschen im Black-Widow-Stil, nur mit noch mehr Kringeln, die ihr vorwitzig in die Stirn hingen. Und sie hatte jene Art von Wangenknochen, für die andere morden würden. Kurzum, Scarlett fiel auf, immer und überall. Ganz im Gegensatz zu mir. Ich war in jeder Hinsicht durchschnittlich, kein Model, kein graues Mäuschen, ganz normal halt und damit zufrieden. Vielleicht fehlte mir auch ein bisschen der Mut, mich wie Scarlett aufzubrezeln. Aber das knallige Haar und die ebenso knalligen Klamotten standen ihr.

»Das ist doch die Gelegenheit, mal rauszukommen aus dem Alltag, dem Studium, und stattdessen einfach Spaß zu haben, und das mit heißen Promis. Glaube mir, die Townsends wissen zu feiern! Da kannst du dich auf Luxus nonstop einstellen«, versuchte sie, mir die Sache auf ihre unnachahmliche Art und mit einem gewinnenden Lächeln schmackhaft zu machen. Dabei beugte sie sich über den kleinen Tisch vor, der draußen vor der Campus-Mensa stand, damit niemand sonst mitbekam, worüber wir sprachen. Wahrscheinlich hatte sie Angst, dass uns jemand zuvorkam und uns diese heiß begehrten Jobs, um die es ging, wegschnappte.

»Außerdem findet noch eine Präsentation der neuesten Schmuckkollektion von Kings of Passion statt«, warf sie ein, als wäre das nicht der Hauptgrund der Veranstaltung. Daran merkte man, wo Scarletts Augenmerk lag: auf der Party.

»Es werden noch genau zwei Servicekräfte gesucht«, meinte sie verschwörerisch. Weil wir auch zu zweit waren? Ja, wenn das nicht Schicksal ist, dachte ich amüsiert …

»Wie hast du überhaupt davon erfahren?«, hakte ich nach. Sicher hatte keine Anzeige in der Tageszeitung gestanden.

Australiens reiche Opalkönige suchen Serviererinnen für Jachtausflug, bitte melden.

»Ich kenne jemanden, die selbst dort an Bord sein und kellnern wird. Sie hat an mich und ich habe an dich gedacht. Weißt schon, wie so was läuft, oder? Vitamin B.« Sie zwinkerte.

»Trina, also meine Bekannte, die uns die Jobs verschaffen würde, hat das schon oft gemacht, und ich war auch schon einige Male auf anderen High-Society-Partys dabei. Das war immer toll. Ich kann dir sagen, nirgends triffst du aufregendere Männer. Wenn du ihnen gefällst und sie dir, kann da echt was total Aufregendes entstehen.«

»Mh«, machte ich nur, spießte ein paar der Erbsen meines Gerichts vor mir auf und steckte sie in den Mund.

»Was ist denn los, Süße?«, wunderte sich Scarlett.

»Ich weiß nicht recht, es ist ja nett, dass du an mich gedacht hast. Aber das ist nicht so meine Welt. Außerdem dachte ich, wir würden uns jetzt Gedanken über unser Referat machen, das wir bald halten sollen.« Noten waren ja nicht ganz unwichtig. Und ich wollte dieses Studium rocken, mit besten Noten abschließen. Doch womöglich war ich einfach nur eine Streberin?

»Ach, Brie …«

Ich wollte den Ordner neben meinem Teller schon aufklappen, aber Scarlett drückte ihn wieder zu.

»Der Job ist doch quasi auch eine Art Vorbereitung«, erklärte Scarlett. »Wenn wir später als Journalistinnen arbeiten, werden wir ständig mit VIPs und mächtigen Leuten wie den Opalkönigen zu tun haben. Da schadet es dir nicht, jetzt schon mal auf Tuchfühlung zu gehen.«

Kam auf die Art der Tuchfühlung an.

»Was könnte uns Besseres passieren, als Promis auf einer Luxusjacht vor Tasmanien kennenzulernen? Wir sind doch beide jung und hübsch, wieso sollten wir das nicht zu unserem Vorteil nutzen? Die nehmen schließlich nicht jede für den Job.«

Ja, High-Society-Partys und die schwerreichen Opalkönige hatten es Scarlett wohl angetan. Sie redete in letzter Zeit ständig von den VIPs des Kontinents. Ich wusste nicht viel über die Townsends, nur eben das, was jeder wusste. Sie stellten sehr teuren Schmuck her, besaßen Opalminen und beherrschten den Weltmarkt mit ihren exquisiten Kreationen, die sich kein Normalsterblicher leisten konnte. Die drei Brüder standen zudem dauernd wegen irgendwelcher Affären in den Schlagzeilen. Sie waren ebenjene mächtigen Männer, die gut aussehend waren, sich aber nicht binden wollten, und die natürlich den lieben langen Tag lang feierten. Gut, vielleicht hatte ich auch das eine oder andere kleine Vorurteil. Für mich persönlich war diese Welt der Reichen und Schönen recht uninteressant. Zudem lag Scarlett mit ihrer Einschätzung meiner beruflichen Pläne weit daneben.

»Ich will ja gar nicht in Richtung Journalismus gehen«, meinte ich und probierte etwas vom Pie, den ich mir vorhin an der Essensausgabe als Nachtisch organisiert hatte. »Mit unserem Studiengang Media and Communications kann man später in vielen Branchen arbeiten.« Ich hatte vor, mich im Bereich Eventmanagement zu versuchen. »Davon abgesehen klingt das alles so, als wäre das so eine Art große Sexparty.« Ja, gut, mit Schmuckpräsentation am Rande. Wogegen ja nichts sprach, nur war das nicht mein Ding.

»Nee, das heißt, natürlich werden einige auf ihre Kosten kommen. Aber es ist eigentlich eine große Werbeveranstaltung. Die wollen halt zeigen, was sie haben. Eingeladen sind auch nur die ganz besonders Reichen und Schönen.«

Also eine exklusive Werbeaktion, bevor die normale Welt den Schmuck auch zu Gesicht bekam? Das passte doch perfekt zu den Townsends. Elitewahn pur.

»Models kommen an Bord, präsentieren den Schmuck, es gibt gutes Essen, viel Sonne und eben auch Party, nicht mehr, nicht weniger. Natürlich findest du dort nicht unbedingt die große Liebe, aber es ist auch nicht jeder so ein liebenswerter Gefühlsmensch wie du, Brie. Man muss nur vorher wissen, worauf man sich einlässt.«

Ich nickte langsam, während Scarlett sich eine kringelige Strähne aus dem Gesicht pustete.

»Ich machs ja auch nicht nur wegen der schönen Männer an Bord. In anderthalb Wochen verdienen wir dreimal so viel wie du sonst in einem Monat.«

Ich war für den Schriftverkehr in einer kleinen Anwaltskanzlei zuständig. Das machte Spaß, aber eine goldene Nase verdiente man sich nicht. Derzeit schob ich trotz Studium Überstunden, weil ich mit meiner Miete leicht im Rückstand war. Melbourne war ein teures Pflaster. Ursprünglich kam ich aus einem Kaff in Queensland. Dort zahlte ich die Hälfte für eine doppelt so große Bude.

Es wäre schon nett, sich etwas dazuzuverdienen, mit wenig Aufwand und großem Gehalt. Das stimmte natürlich. Und der Mietrückstand wäre damit ad acta gelegt. Ich zögerte trotzdem.

»Ich dachte, du würdest dich über die Sache freuen. Denk zumindest noch mal drüber nach. Es passt zeitlich ja auch perfekt. Kurz nach dem Beginn der Semesterferien gehen wir an Bord. Wir bekommen Verpflegung und Logis kostenlos und dazu ein richtig gutes Gehalt. Wir müssen nichts weiter tun, als mit einem Tablett rumzulaufen, attraktiven, einflussreichen Menschen Champagner anzubieten, und schon haben wir für die nächsten Wochen ausgesorgt, was unsere Finanzen angeht. In den Pausen dürfen wir sogar den Pool und alle anderen Freizeitangebote an Bord nutzen. Ist wie Teilzeiturlaub. Klingt gut? Oder?«

Ich musste lachen.

Inzwischen konnte ich mir den Job immer besser vorstellen. Gegen ein bisschen Sonnenbaden und leckere Cocktails hatte ich nichts einzuwenden. Nein, es klang sogar richtig toll. Außerdem würde es mir sicher guttun, etwas rauszukommen. Ich war seit zwei Monaten wieder Single. Mein Ex, Phillip, hatte entschieden, dass monogame Beziehungen doch nicht ganz sein Ding waren. Weshalb er, ohne mir das zu sagen, von einem Tag auf den nächsten eine offene Beziehung geführt hatte.

Es war ein ziemlicher Schock gewesen, ihn mit seiner Kollegin in unserem Bett zu erwischen. Und dass er darin nicht den Hauch eines Problems gesehen hatte, hatte mich noch etwas mehr schockiert.

»Die Natur hat uns zu polygamen Wesen gemacht, das sollten wir nicht verleugnen«, hallten seine Worte in meinen Ohren nach, und es schüttelte mich selbst jetzt noch. Ich hatte beileibe nichts gegen Menschen, die in offenen Beziehungen lebten, ich hatte allerdings etwas dagegen, dass Phil mir das einfach hatte überstülpen wollen, obwohl das nicht meinem Lebensentwurf entsprach.

Ich hatte mich noch immer nicht ganz von der Entwicklung erholt. Denn ich hatte Phillip geliebt. Etwas Abstand wäre da nicht verkehrt, um auf andere Gedanken zu kommen.

»Ich denke drüber nach, aber das ist noch kein Ja«, gab ich nach. Immerhin konnte ich den Job derzeit wirklich gebrauchen. Und die »Teilzeiturlaub«–Aspekte klangen ja durchaus angenehm. Ich hatte mir schon lange keinen richtigen Urlaub mehr leisten können.

Scarlett quiekte freudig auf und schlug die Hände zusammen. »Danke! Und wenn du Ja sagst, wirst du es nicht bereuen. Das verspreche ich.«

4. Kapitel

Brie

Schon am nächsten Tag schwärmte Scarlett weiter von dem Jachtausflug.

»Ich habe erfahren, wer alles an Bord kommt, halt dich fest!« Sie ratterte mit strahlenden Augen eine Liste australischer Promis aus Musik, Film und Fernsehen runter und war danach ganz außer Atem. Die meisten Namen kannte selbst ich, was bedeutete, dass die Typen wirklich bekannt waren.

»Das wäre doch was, all diese Stars hautnah zu erleben«, meinte Scarlett vergnügt, während wir durch den Gang zum nächsten Hörsaal schlenderten. »Also, wenn du mitkommst, was du ja sicher wirst, oder?«

»Ich habe mich noch nicht entschieden.«

»Da denkst du noch drüber nach? Ich mache mir langsam etwas Sorgen um dich, ehrlich.«

»Um mich?«

»Na ja, ich finde, du bist eine kleine Spaßbremse geworden. Nicht für mich!« Sie hielt die Arme von sich. »Aber für dich selbst. Ich denke, man ist nur einmal jung. Wird Zeit, dass du nach Phillip wieder lebst und liebst.«

Hatte sie damit recht?

Es war ja nicht so, als wollte ich wie eine Nonne leben. Aber ich war eben auch nicht hinter jedem netten Hintern her, der meinen Weg kreuzte. Wenn, dann sollte es echt sein. Echte Gefühle, echtes Verlangen. Das würde ich an Bord sicher nicht finden, aber darum ging es ja eigentlich auch gar nicht, sondern um einen Job.

»Ich will nicht, dass du eines Tages als alte Oma auf dein Leben zurückblickst und bereust, dass du Nein gesagt hast. Aber deswegen hast du mich. Ich werde dir helfen, die richtige Entscheidung zu treffen.«

Sie zog ihren Laptop hervor und hielt ihn mir begeistert entgegen, während wir noch vor dem Hörsaal standen.

»Was hast du vor?«, wunderte ich mich.

»Na ja, wir haben jetzt ein echt dröges Seminar bei unserer Professorin Valium, ich meine Valeria, da muss man eh nicht aufpassen. Es gibt WLAN, und ich habe meinen Allzwecklaptop dabei. Ich google dir jeden heißen Kandidaten, und du sagst mir dann, wer dir gefällt.«

»Was soll denn das bringen?«

»Dass du verstehst, warum du unbedingt mitkommen musst.«

Nachdem wir den Hörsaal betreten hatten, suchte Scarlett extra hintere Plätze für uns aus, um mir gleich darauf begeistert eine Reihe von Bildern zu präsentieren.

»Das sind nur einige der Gäste an Bord!«, verkündete sie im Flüsterton.

Zugegeben, ein Typ sah heißer aus als der nächste. Und doch schienen sie sich alle recht ähnlich. Glatt rasiert, dickes dunkles Haar, eine Kieferlinie zum Niederknien. Als wären sie gerade direkt der Armee der Klonkrieger entstiegen.

Inzwischen hielt Professorin Valium ihren Vortrag. Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass sie den Raum betreten hatte. Geschweige denn, wann die Vorlesung begonnen hatte. Sie war eine überaus unauffällige Person.

»Jetzt erzähl mir nicht, dir gefällt keiner dieser Schnuckel.«

Sie ging noch mal alle Tabs durch. Ich seufzte. Scarlett kannte manchmal einfach kein Ende.

Wenn wenigstens einer der Typen ein Alleinstellungsmerkmal gehabt hätte …

Sie blätterte durch die Reihe der Schönlinge, als plötzlich, doch nur ganz kurz, ein Bild aufploppte, das doch ein wenig anders war. Es zeigte einen Kerl mit Dreitagebart, schulterlangen braunen Haaren und einem warmen Blick. Er trug keine erkennbaren Designerklamotten, war aber dennoch lässig gekleidet, mit hochgekrempelten Ärmeln. Und da, wenn auch nur für einen winzigen Augenblick, schlug mein Herz ein klein wenig schneller. Aber schon war sein Bild wieder verschwunden.

»Aha!«, rief Scarlett etwas zu laut auf. Jedenfalls sahen sofort alle zu uns. Nur Professorin Valium redete weiter und weiter, als bekäme sie nicht mit, was um sie herum geschah.

»Sorry!«, warf Scarlett die Hörsaalreihen runter.

Einen Moment lang schauten uns immer noch alle an, dann drehten sie sich endlich um und kümmerten sich wieder um ihre Angelegenheiten.

»Der eine hat dir gefallen!«, zischte Scarlett vergnügt. »Ich habe es genau gesehen. Ein Argument fürs Mitkommen habe ich also gefunden.«

»Wollen wir jetzt nicht lieber zuhören, was die Dozentin erzählt? Wir haben genug gestört.«

Scarlett klickte sich unbekümmert erneut durch die Tabs und ignorierte meinen Einwand.

»Garrett Townsend«, sagte sie plötzlich triumphierend. »Der gefällt dir.«

Die Studentinnen, die direkt vor uns saßen, drehten sich ärgerlich zu uns um.

»Wir sind schon leise«, versprach ich, während Scarlett unsere Kommilitoninnen gänzlich ignorierte.

Sie drehte ihren Bildschirm in meine Richtung, und ich blickte auf das Bild von Garrett Townsend, den ich beim ersten Durchgang nicht mal als Townsend erkannt hatte, so gut kannte ich mich nämlich nicht aus. Er sah zudem viel zu normal aus. Zwar attraktiv, eigentlich sogar sehr attraktiv, aber ohne Schickimicki drumherum.

»Ich muss sagen, du hast Geschmack«, meinte Scarlett. Doch aus dem Alter, in dem man für unerreichbare Stars schwärmte, war ich raus. Und allmählich nervte mich ihre obsessive Art.

»Also wenn du Garrett live sehen willst, hast du keine andere Wahl, als mitzukommen. Case closed!«

Ich seufzte.

»Trina will übrigens bald wissen, ob wir dabei sind, soll ich ihr nun zusagen?«, fragte Scarlett und lenkte erneut die Aufmerksamkeit der anderen Studierenden auf uns, was mir unangenehm war. An Bord würde es wohl nicht viel besser sein, überlegte ich. Eher schlimmer. Ich sah schon vor mir, wie sie mich von einem Traummann zum nächsten schleppte, um mich zu verkuppeln.

Ich atmete tief ein, in dem Wissen, dass ich Scarlett nun enttäuschen würde. »Sorry, ich denke, das ist wirklich nichts für mich …« Da verzichtete ich auch auf das üppige Honorar.

»Was? Wieso?«

Scarlett zog enttäuscht eine Schnute, aber was sollte ich machen?

5. Kapitel

Brie

Am selben Tag verschlug es mich nach der Uni in meine Lieblingsbar am Ende der Straße, in der ich wohnte. Ich war froh, Scarletts Schwärmen für Promis entronnen zu sein. Wenn, das war wohl anzunehmen, auch nur für kurze Zeit.

Es war spät, und ich wollte den Abend in Ruhe mit einem Glas Wein oder einem leckeren Cocktail ausklingen lassen und setzte mich an meinen Lieblingstisch zu meinen Freunden aus der Nachbarschaft, die schon warteten.

»’N Abend«, grüßte ich diese und streifte meine Strickjacke ab. Ich band sie um meine Hüfte und nahm Platz, um den Cocktail des Tages, der auf dem Aufsteller auf unserem Tisch angeboten wurde, zu studieren.

»Hey Brie!«, meinten meine Freunde fast gleichzeitig.

»Du musst unbedingt den Blue Ocean probieren, der ist perfekt!«, fügte meine Freundin Hailey hinzu.

Der war auch der Cocktail des Tages.

Ehe ich mich entschieden hatte, schlug mir ein besonders lautes Lachen vom anderen Ende des Raums entgegen, das recht gewöhnungsbedürftig klang.

Ich reckte den Kopf, konnte aber niemanden sehen, dem ich das Lachen zuordnen konnte. Allerdings hatte wohl jemand Geburtstag, denn ich entdeckte auf einem der Tische eine riesige Torte mit Hunderten Kerzen. Und die Leute ringsherum trugen diese albernen Partyhütchen. Schien, als würde es doch kein entspannender Abend werden …

Hailey, die offenbar schon ein paar Bier intus hatte, kicherte direkt mit bei diesem lauten Gelächter aus der Partyecke.

»Ich glaube langsam, du hast genug für heute«, meinte Matt, ihr langjähriger Freund. Die beiden waren das Traumpärchen unserer Gruppe.

»Schon gut, die Lache war einfach nur ansteckend«, erwiderte Hailey selbstbewusst und küsste Matt.

»Das war sie allerdings«, stimmte Ron ihr zu. Er war der Barney Stinson unter uns, immer ein neues Objekt der Begierde im Auge. Einige Male hatte er es bei mir versucht. Aber da biss er auf Granit – wie irgendwie jeder Mann in letzter Zeit.

Insgeheim ahnte aber jeder von uns, dass Ron nur nach außen so tat, als wäre er ein Verführer und besonders tough. Hailey hatte mal durchklingen lassen, dass ihm irgendwann das Herz gebrochen worden war und er noch heute daran zu knabbern hatte. Zudem war er ein loyaler Freund, der sich für diejenigen einsetzte, die ihm etwas bedeuteten.

Ich selbst war das Küken der Truppe. Erst kürzlich hergezogen, hatten sie mich unter ihre Fittiche genommen, wofür ich dankbar war. Ich hatte nie schneller Anschluss gefunden. Und erstaunlicherweise waren mir diese Leute in der kurzen Zeit sehr ans Herz gewachsen. Ich hatte das Gefühl, jeder Einzelne von ihnen hätte immer ein offenes Ohr für mich.

»Du hast das Jobangebot hoffentlich angenommen. Ich will damit angeben können, dass ich jemanden kenne, der auf einer Townsend-Party abgefeiert hat«, meinte Ron, dem gegenüber mir gestern das Angebot von Scarlett rausgerutscht war. Was ich noch immer zutiefst bereute, denn dadurch war das Thema Jachtausflug überaus dominant und Ron selbst sofort Feuer und Flamme.

»Was gibt’s denn da zu überlegen, ergreif die Chance«, hatte er gestern gesagt, als ich meine Zweifel angemeldet hatte, und dabei frappierend nach Scarlett geklungen, obwohl die beiden sich nicht kannten.

»Es ging um eine Schmuckpräsentation, nicht ums Abfeiern«, verbesserte ich ihn nun. »Und ich habe abgesagt.«

»Was? Ach, Brie, das war wirklich – sorry – dämlich«, schimpfte Ron. »Kannst du mir mal erklären, wieso du das getan hast?«

»Ich fühlte mich unwohl bei dem Gedanken.« Nicht nur, weil Scarlett manchmal etwas anstrengend sein konnte. Ihre Schilderungen hatten in mir auch die Befürchtung hervorgerufen, dass von den Kellnerinnen möglicherweise noch andere Dienstleistungen erwartet würden.

»Wäre einfach nicht mein Ding.«

»Was völlig okay ist«, meinte Hailey.

Meine Freunde waren ziemlich begeistert von dieser Sache gewesen. Tat mir leid, sie zu enttäuschen. Immerhin Hailey verstand mich.

Wieder erklang das schrille Lachen aus der Geburtstagsecke. Eigentlich war das Cherish ein ruhiges Lokal, aber heute erkannte ich es nicht wieder. So voll war es sonst nie hier, erst recht nicht so laut …

Ron beugte sich zu Matt vor und erzählte ihm von einer neuen Eroberung.

Ich wandte erneut den Blick, und mir fielen fast die Augen aus dem Kopf, als ich Phillip mit einer neuen Freundin inmitten der Partygesellschaft entdeckte. Zumindest nahm ich an, dass sie seine Freundin war, immerhin steckte er ihr die Zunge tief in den Mund. Er hatte also schon wieder eine andere?

Die neue Freundin, die, die so laut lachte, kam mir vage bekannt vor. Sie stammte aus dem Bezirk, was wohl erklärte, warum sie hier war, und dementsprechend auch, warum er es war. Bisher hatte ich ihn hier noch nie gesehen, und dass es nun anders war, ärgerte mich. Das war meine Bar, ich hatte mir hier nach der Trennung etwas Neues aufgebaut. Und an der verdammten Trennung hatte ich ganz schön zu knabbern gehabt, war sie doch wie aus dem Nichts erfolgt, meine Welt komplett zusammengebrochen. Es war unfair, dass er jetzt einfach hier hereinspazierte und erneut alles durcheinanderbrachte.

»Happy Birthday«, riefen alle, und die Frau mit der schrillen Lache pustete ein paar Kerzen aus, küsste Phillip so innig, als wollte sie ihn vor aller Augen auffressen. Oder er sie.

»Ist nicht wahr?«, meinte Matt kopfschüttelnd zu Ron, beide schienen völlig in ihr Gespräch vertieft.

»Doch, doch, wenn ich es dir doch sage.«

Ich hatte keine Ahnung, worum es dabei ging. Mir dröhnte der Kopf wegen ganz anderer Dinge.

»Scheiße«, murmelte ich. Wieso tat das immer noch weh? Das sollte es doch nicht, nicht mehr! Ich wollte so schnell wie möglich weg, bevor Phil mich noch sah … das wäre nun wirklich der Super-GAU für mich.

Ich wollte schon aufstehen. Doch leider blockierte mir der Kellner den Weg. »Das Gleiche wie immer?«, fragte er, während ich hektisch meine Sachen zusammenkramte.

»Ich muss gehen«, meinte ich wirsch und schaute immer wieder rüber zu Phil und seiner Neuen. Der Kellner schien von der langsameren Sorte, wie festgewachsen blieb er vor unserem Tisch stehen, sodass ich nicht vorbeikam.

»Dürfte ich mal?«, bat ich. Erst da trat er zur Seite.

»Was ist denn los?«, fragte Hailey. Sie war auch schon im Begriff aufzustehen. Aber das war nicht nötig. Die anderen konnten den Abend ruhig weiter genießen.

»Ach, ist er das, dein Ex?«, schlussfolgerte Ron aus meinen Blicken und krempelte sich die Ärmel hoch. »Der hat ja Nerven, hier aufzutauchen.«

Ich drehte mich wieder zu Ron um, der doch hoffentlich keinen Ärger machen wollte. Das konnte ich nicht zulassen.

»Lass mal, der ist nur zufällig hier«, beruhigte ich ihn.

»Und wenn schon, der verdient dennoch eins auf die Nase!« Ron wurde richtig wütend.

»Bitte, mach jetzt keinen Stress.« Das konnte ich wirklich nicht gebrauchen. Mein flehender Blick bewirkte, dass Ron sich etwas entspannte. War ja irgendwie süß, dass er sich für mich einsetzen wollte. Aber ich konnte mich selbst verteidigen. Ich brauchte keinen Ritter in strahlender Rüstung.

»Willst du dann nicht noch etwas bleiben?«, fragte Hailey enttäuscht. »Ist doch egal, ob der Typ da ist oder nicht, wen juckt der denn?«, fügte sie hinzu und hatte ja eigentlich auch recht. Warum wollte ich fliehen und Phil meine Bar überlassen? Ich hatte schließlich die älteren Rechte auf unser Cherish. Also pflanzte ich mich wieder hin. Ich sollte Spaß hier haben, meine Freunde saßen schließlich um mich herum, und es gab leckere Cocktails. Also bestellte ich gleich mal einen davon und genoss den netten Abend.

Trotzdem blickte ich immer wieder zur Partygesellschaft. Gerade setzte sich Vera, ja, ich glaube, so hieß die Blondine, auf Phillips Schoß. Sie knutschten rum, als gäbe es kein Morgen mehr.