Kirchengeschichte - Theodoret von Kyrrhos - E-Book

Kirchengeschichte E-Book

Theodoret von Kyrrhos

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Beschreibung

Die Kirchengeschichte Theodorets, die mit dem Aufkommen des Arianismus beginnt und mit dem Tod Theodorets im Jahr 429 endet (obwohl sie 449-450 fertiggestellt wurde), unterscheidet sich in ihrem Stil stark von denen des Sokrates Scholasticus und des Sozomen. Sie enthält viele Quellen, die sonst verloren gegangen wären, insbesondere Briefe über die arianische Kontroverse; das Buch ist jedoch extrem parteiisch, die Häretiker werden durchweg angeschwärzt und als von der "arianischen Pest" befallen beschrieben. Die Erzählung ist komprimierter als bei den anderen Historikern, und Theodoret reiht oft Dokumente aneinander, mit nur kurzen Kommentaren dazwischen. Ursprüngliches Material mit Informationen über Antiochia wird vor allem in den letzteren Büchern beschrieben.

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Seitenzahl: 477

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Kirchengeschichte

 

THEODORET VON KYRRHOS

 

DIE SCHRIFTEN DER KIRCHENVÄTER

 

 

 

 

 

 

Kirchengeschichte, Theodoret von Kyrrhos

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849660901

 

Cover Design: Basierend auf einem Werk von Andreas F. Borchert, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=35892522

 

Der Text dieses Werkes wurde der "Bibliothek der Kirchenväter" entnommen, einem Projekt der Universität Fribourg/CH, die diese gemeinfreien Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Die Bibliothek ist zu finden unter http://www.unifr.ch/bkv/index.htm.

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Erstes Buch [323—337]2

Zweites Buch [337—361]61

Drittes Buch [361—363]112

Viertes Buch [363—378]134

Fünftes Buch [378—428]176

Fußnoten. 223

 

 

Bibliographische Angaben:

 

Titel Version: Kirchengeschichte (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Kirchengeschichte (Historia ecclesiastica) In: Des Bischofs Theodoret von Cyrus Kirchengeschichte / aus dem Griechischen übers. und mit Einl. und Anmerkungen versehen von Andreas Seider. (Des heiligen Bischofs Theodoret von Cyrus ausgewählte Schriften Bd. 2; Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 51) Kempten; München : J. Kösel : F. Pustet, 1926. Unter der Mitarbeit von: Wolfgang Burtscher und Rudolf Heumann.

 

 

 

 

 

Erstes Buch [323—337]

 

1. Einleitung. Zweck der Geschichtsschreibung

 Der Maler, der die Begebenheiten der Geschichte auf Holz oder Stein darstellt, bereitet dadurch nicht nur den Augen einen Genuß, sondern er erhält auch die betreffenden Ereignisse für lange Zeit in lebendiger Erinnerung. Der Geschichtschreiber dagegen, der sich statt der hölzernen Tafeln nur des Papiers und statt der Farben nur des Schmuckes der Rede bedient, sichert den Ereignissen gleichwohl ein dauerhafteres und bleibenderes Andenken, da die Zeit zuletzt das Kunstwerk des Malers ja doch zerstört. Von dieser Erwägung geleitet, will auch ich den Versuch wagen, dasjenige aufzuzeichnen, was bisher eine kirchengeschichtliche Darstellung noch nicht gefunden hat. Ich halte es nämlich für unrecht, sich um das Andenken von so manchen glänzenden Taten und nützlichen Verhandlungen nicht zu kümmern, sondern sie der Vergessenheit anheimfallen zu lassen. Gerade deshalb haben auch einige meiner Freunde mich schon oft zu dieser Arbeit aufgemuntert. Wenn ich allerdings die Schwierigkeit der Aufgabe mit meiner geringen Kraft vergleiche, so möchte ich vor dem Unternehmen zurückschrecken; aber im Vertrauen auf den freigebigen Spender aller guten Gaben will ich mich der Arbeit unterziehen, die meine eigene Kraft für sich allein übersteigen würde. —

Eusebius aus Palästina hat, mit der Geschichte der heiligen Apostel beginnend, bis zur gottgesegneten Regierung Konstantins die auf die einzelnen Kirchen bezüglichen Ereignisse aufgezeichnet1. Ich will daher den  Schluß seines Werkes zum Ausgangspunkt meiner Darstellung machen.

 

2. Die Entstehung der arianischen Häresie

Nach dem Tode jener frevelhaften und gottlosen Tyrannen, ich meine des Maxentius, Maximinus und Licinius2, legte sich der Sturm, den jene Unholde gleich plötzlich sich erhebenden Orkanen gegen die Kirche erregt hatten, und diese erfreute sich nach dem Aufhören der stürmischen Winde fürderhin einer dauernden Ruhe. Der Urheber dieses Friedens war Konstantin, jener ruhmreiche Kaiser, der ähnlich wie der heilige Apostel (Paulus) nicht von Menschen noch durch eines Menschen Vermittlung3, sondern vom Himmel hierzu berufen ward. Er erließ Gesetze, welche die Götzenopfer untersagten und zum Aufbau der Kirchen ermunterten, gab den Provinzen Statthalter, die mit dem christlichen Glauben geschmückt waren, befahl, die Priester zu ehren, und drohte den Verächtern derselben mit dem Tode. Daraufhin stellten die einen ihre zerstörten Kirchen wieder her, andere bauten neue Gotteshäuser, die geräumiger und glänzender waren als die früheren. Währenddessen  herrschte bei uns allenthalben Jubel und Freude, bei den Gegnern aber Niedergeschlagenheit und Entmutigung. Denn die Götzentempel standen verschlossen da, in den Kirchen dagegen wurden Feierlichkeiten und Festversammlungen gehalten, eine nach der anderen4.

Doch der boshafte und neidische Teufel, der stets auf das Verderben der Menschen sinnt, konnte es nicht ansehen, wie das Schiff der Kirche von einem günstigen Winde ruhig dahingetrieben wurde, sondern er schmiedete heimtückische Pläne und gab sich alle Mühe, die Kirche zum Sinken zu bringen, sie, die doch vom Schöpfer und Herrn aller Dinge geleitet wird. Er sah nämlich, daß der heidnische Irrwahn offenkundig geworden, daß die mannigfachen Kunstgriffe der Dämonen aufgedeckt seien und daß von den meisten Menschen nicht mehr die geschaffenen Dinge angebetet, sondern an deren Stelle deren Schöpfer gepriesen werde. Deshalb wagte er nicht mehr den offenen Kampf gegen unseren Gott und Heiland; aber da sich Männer fanden, die, obschon des christlichen Namens gewürdigt, dennoch Sklaven des Ehrgeizes und eitler Ruhmsucht waren, so gebrauchte er diese als Werkzeuge zur Ausführung seiner arglistigen Pläne und verführte durch sie wieder viele andere zu dem früheren Irrtum, indem er sie zwar nicht wieder zur Anbetung der Geschöpfe verleitete, wohl aber dazu, den Schöpfer und Herrn der Welt auf gleiche Stufe zu stellen mit den Geschöpfen. Wo zuerst und wie er dieses Unkraut säte, das will ich jetzt berichten.

Alexandrien ist eine sehr große und volkreiche Stadt, welche als Hauptstadt nicht nur über Ägypten, sondern auch über die angrenzenden Teile der Thebais und Libyens regiert. Hier war dem Petrus, jenem siegreichen Kämpfer, der unter der Herrschaft der gottlosen Tyrannen die Krone des Martyriums erlangt hatte5, Achillas für eine kurze Zeit in der Regierung der Kirche  gefolgt. Nach diesem aber kam Alexander, ein entschlossener Verteidiger der evangelischen Lehre6.

Um jene Zeit nun lebte Arius, der in den Stand der Priester aufgenommen und mit der Erklärung der heiligen Schriften betraut worden war. Als dieser sah, wie Alexander zu der höchsten Stufe des Priestertums erhoben wurde, konnte er den Einflüsterungen des Neides nicht widerstehen, sondern suchte, von demselben getrieben, Gelegenheit zu Zank und Streit. In Anbetracht des löblichen Wandels, den Alexander führte, konnte er allerdings keine verleumderischen Anklagen gegen ihn aushecken; dennoch ließ ihn der Neid nicht ruhen.

Diesen nun fand und benützte der Feind der Wahrheit, um Verwirrung und Unordnung in der Kirche zu erregen. Er brachte ihn nämlich dahin, daß er der apostolischen Lehre Alexanders offen widersprach. Dieser lehrte im Anschluß an die heiligen Schriften, der Sohn sei gleicher Ehre würdig wie der Vater, und er habe dieselbe Wesenheit wie der ihn zeugende Gott. Arius dagegen nannte in direktem Widerspruch mit der Wahrheit den Sohn ein Geschöpf und ein Gebilde, und fügte hinzu: „Es gab eine Zeit, wo er nicht war“, und so noch anderes, was wir alles noch genauer aus seinen eigenen Schriften kennen lernen werden. Und solches behauptete er fortwährend nicht nur in der Kirche, sondern auch außerhalb derselben in Gesellschaften und Versammlungen. Ja er ging sogar von Haus zu Haus und machte so viele, als er konnte, zu Sklaven seines Irrtums. Alexander nun, der berufene Verteidiger der apostolischen Lehre, versuchte ihn zuerst durch Ermahnung und Zuspruch auf bessere Wege zu bringen; als er aber sah, daß jener ganz wie von Sinnen war und seine gottlose Lehre öffentlich ausposaunte, schloß er ihn vom priesterlichen Amte aus. Er folgte damit nur der göttlichen Vorschrift, die da lautet: „Wenn dich dein rechtes Auge ärgert, so reiß es aus und wirf es von dir7!“

 

3. Verzeichnis der vornehmsten Bischöfe jener Zeit

 In jener Zeit wurde die römische Kirche von Silvester geleitet, dem Nachfolger des Miltiades. Dieser letztere aber war nach Marcellinus, der in der Verfolgung sich ausgezeichnet hatte, zum Bischof bestellt worden8. In Antiochien war auf Tyrannus nach dem Eintritt des kirchlichen Friedens der Bischof Vitalius gefolgt, derselbe, welcher den Aufbau der von den Tyrannen zerstörten Kirche in der Altstadt in Angriff nahm. Sein Nachfolger Philogonius vollendete den Bau und bewies auch zur Zeit des Licinius einen großen Eifer für den christlichen Glauben. Die Kirche zu Jerusalem wurde nach des Hermonas Tode dem Makarius anvertraut, einem Manne, würdig dieses Namens9 und geschmückt mit vielen herrlichen Tugenden. In Konstantinopel wurde zur selben Zeit Alexander mit dem bischöflichen Amte betraut, ein Mann, der gleichfalls durch apostolische Geistesgaben sich auszeichnete.

Damals nun faßte der alexandrinische Bischof Alexander, da er sah, wie Arius, vom Stachel der Herrschsucht getrieben, die Anhänger seiner gotteslästerlichen Lehre um sich vereinigte und getrennte Versammlungen mit ihnen hielt, den Entschluß, von diesem gottlosen Vorgehen den anderen Bischöfen schriftliche Mitteilung zu machen. Ich will das Schreiben, das er an den gleichnamigen Bischof von Konstantinopel richtete und das über den ganzen Lehrbegriff des Arius klar und deutlich  unterrichtet, meiner Geschichte einverleiben, damit nicht etwa jemand auf den Gedanken komme, ich würde das alles frei erfinden. Im Anschluß daran soll dann ein Schreiben von Arius selbst folgen und der Reihe nach die anderen Schriftstücke, deren Anführung durch die geschichtliche Erzählung nahegelegt wird, damit sie für die Wahrheit vorliegender Darstellung Zeugnis ablegen und zugleich eine tiefere Einsicht in den Zusammenhang der Ereignisse vermitteln.

Das Schreiben des alexandrinischen Bischofs Alexander an den gleichnamigen Bischof von Konstantinopel lautet, wie folgt.

 

4. Schreiben des Bischofs Alexander von Alexandrien an den Bischof Alexander von Konstantinopel

„Dem hochverehrten und gleichgesinnten Bruder Alexander entbietet Alexander Gruß im Herrn.

Das herrschsüchtige und geldgierige Streben böser Menschen hat es naturgemäß immer auf diejenigen Diözesen10 abgesehen, die ihnen größer erscheinen, wenn nämlich solche Leute mit mancherlei Scheingründen gegen die kirchliche Rechtgläubigkeit ankämpfen. Von dem in ihnen wirkenden Teufel getrieben, legen sie nämlich alle Scheu ab, ergreifen mit Freuden die sich bietende Gelegenheit zum Genusse und treten die Furcht vor dem Gerichte Gottes mit Füßen. Von solchen Menschen nun ist es mir, da ich selbst von ihnen zu leiden habe, ein Bedürfnis, Eurer Hochwürden Mitteilung zu machen, damit Ihr Euch vor denselben in acht nehmet, auf daß nicht irgendeiner von ihnen verwegen auch in  Euere Diözesen eindringe, sei es persönlich — denn die Gaukler verstehen sich auf Verstellung und Betrug —, sei es durch Briefe, die mit verlogener Schönfärberei leicht für sich einnehmen können, wenn man sie mit einfältiger und argloser Vertrauensseligkeit entgegen nimmt.

Arius nämlich und Achillas haben sich jüngst miteinander verschworen, die Herrschsucht des Kolluthus11 nachzuahmen, nur trieben sie es noch viel schlimmer wie jener. Denn jener gab gerade ihnen die Schuld und fand in ihrem Treiben eine Entschuldigung für seine eigene schlechte Handlungsweise. Diese aber vermochten, als sie dessen Handel mit Christus sahen, der Kirche nicht mehr länger untertan zu bleiben, sondern bauten sich Räuberhöhlen12, in denen sie ununterbrochen Versammlungen halten und Tag und Nacht in Schmähungen gegen Christus und gegen uns sich üben. Und indem sie gegen die ganze rechtgläubige apostolische Lehre Klage erheben, haben sie nach dem Vorbild der Juden eine Christus bekämpfende Rotte um sich gesammelt, leugnen die Gottheit unseres Erlösers und verkünden laut, daß er den übrigen Geschöpfen gleich sei; und indem sie alle diejenigen Schriftstellen auswählen, welche sich auf sein Erlösungswerk und auf seine unsertwegen übernommene Erniedrigung beziehen, versuchen sie aus diesen Stellen die Predigt ihrer Gottlosigkeit zusammenzustellen, während sie dagegen die Zeugnisse für seine uranfängliche Gottheit und seine unaussprechliche Herrlichkeit beim Vater zurückweisen. Gleichwie sie nun so den gottlosen Vorstellungen der Heiden und Juden von Christus Vorschub leisten, so jagen sie auch so viel wie möglich nach dem Lobe dieser Menschen, indem sie alles das treiben, was an uns bei jenen verlacht wird, und indem sie täglich Unruhen und Verfolgungen gegen uns erregen. Bald  setzen sie nämlich die Gerichte in Bewegung durch die Anklagen zügelloser Weibspersonen, welche sie in ihre Irrtümer verstrickt haben, bald bringen sie das Christentum in schlechten Ruf durch die ihnen anhängenden jüngeren Frauenzimmer, welche ohne Zucht und Sitte in allen Straßen herumschwärmen. Ja selbst das ungenähte Gewand Christi, das die Henkersknechte nicht trennen wollten, haben sie kein Bedenken getragen zu zerreißen. Wir sind wegen der Heimlichkeit ihres Treibens erst spät auf sie aufmerksam geworden, haben sie aber nunmehr, wie es in Hinsicht auf ihr Leben und frevelhaftes Unternehmen geboten schien, unter allgemeiner Zustimmung aus der Kirche, welche die Gottheit Christi anbetet, ausgeschlossen.

Nun verlegten sie sich auf listige Umtriebe gegen uns, wandten sich an unsere gleichgesinnten Mitbischöfe und baten heuchlerisch und dem äußeren Scheine nach um Friede und Gemeinschaft; in Wirklichkeit aber gaben sie sich Mühe, einige von ihnen durch gleißnerische Reden in ihre eigene Krankheit hineinzuziehen; sie erbaten sich von ihnen ausführlichere und wohlwollend gehaltene Briefe, um sie den von ihnen Verführten vorzulesen, gleich als ob sie selbst Bischöfe zu Freunden und Gesinnungsgenossen hätten, und dadurch ihre Anhänger immer mehr in die Gottlosigkeit hineinzutreiben und unabänderlich im Irrtum festzuhalten. Natürlich gestehen sie ihnen nicht, was sie bei uns Böses gelehrt und getan haben, um dessentwillen sie auch ausgeschlossen wurden; dieses übergehen sie vielmehr mit Stillschweigen oder suchen es durch trügerische Reden und Schriften zu verschleiern und so zu täuschen. Indem sie also ihre verderbliche Lehre hinter gefälligen und schmeichlerischen Reden verbergen, verstehen sie es, jeden, der dem Betruge zugänglich ist, mit sich fortzureißen, wobei sie sich auch nicht enthalten können, unsere Rechtgläubigkeit allenthalben zu verdächtigen. So kommt es denn auch, daß einige ihre Briefe unterschreiben und sie in die Kirche aufnehmen, was meines Erachtens die Mitbischöfe, die solches wagen, in schlimmsten Ruf bringen muß, nicht nur weil die apostolische Vorschrift solches nicht gestattet, sondern auch weil sie durch ihr  Verhalten den teuflischen Kampf, den jene gegen Christus führen, noch mehr entfachen.

Unter diesen Umständen habe ich mich denn ohne Zögern entschlossen, Euch, Geliebte, mit dem Unglauben dieser Menschen bekannt zu machen, die da sagen, es habe eine Zeit gegeben, wo der Sohn Gottes nicht gewesen, er sei später geworden, nachdem er früher nicht gewesen, und zwar sei er damals, als er geworden, wann immer dies gewesen sein möge, gerade ein solcher geworden, wie auch jeder (andere) Mensch ist. „Denn alles“, sagen sie, „hat Gott aus nichts gemacht“, wobei sie in die Erschaffung aller vernünftigen und unvernünftigen Wesen auch den Sohn Gottes miteinbeziehen. Demzufolge lehren sie auch, er sei veränderlicher Natur, der Tugend sowohl wie des Lasters fähig; und als Folge der Behauptung, daß er aus nichts sei, verwerfen sie auch die für sein ewiges Sein sprechenden Stellen der Heiligen Schrift, welche die Unveränderlichkeit des Logos und die göttliche Natur der Weisheit des Logos, worunter Christus zu verstehen ist, klar beweisen. Können doch auch wir, so sagen diese Bösewichter, Söhne Gottes werden, geradeso wie jener. Denn es steht geschrieben: „Söhne habe ich gezeugt und erhöht13.“ Wenn ihnen dann allerdings entgegengehalten wird, was unmittelbar darauf gesagt wird: „sie aber haben sich gegen mich empört“, was doch der Natur des Erlösers widerspricht, da er eine unveränderliche Natur besitzt, so entäußern sie sich aller Scheu und sagen, Gott habe gerade dieses durch sein Vorauswissen und seine Voraussicht in bezug auf ihn erkannt, daß er sich gegen ihn nicht auflehnen werde, und habe ihn deshalb vor allen anderen auserwählt. Gott hat ihn nämlich, so sagen sie, auserwählt, nicht weil er von Natur aus und im Unterschied von den anderen Söhnen Gottes etwas besonderes hatte — denn von Natur aus, sagen sie, ist weder irgend jemand Sohn Gottes, noch hat jemand irgendeine besondere eigentümliche Beziehung zu Gott —, sondern weil er, obschon auch er eine an sich veränderliche Natur besaß, dennoch in Kraft seines sittlichen Ringens  und Strebens sich nicht zum Schlechteren gewendet hat; so daß, wenn auch Paulus und Petrus dieselbe sittliche Höhe errungen hätten, sich seine Sohnschaft von der jener Apostel in nichts unterscheiden würde. Zum Beweis für diese unsinnige Lehre mißbrauchen sie frech selbst die Heilige Schrift und führen das Wort des Psalmisten über Christus an, das da lautet: „Du hast die Gerechtigkeit geliebt und das Unrecht gehaßt; deshalb hat dich Gott, dein Gott, gesalbt mit dem Öl der Freude vor deinen Genossen14.“

Was nun die Wahrheit15 betrifft, daß weder der Sohn Gottes aus nichts geworden ist, noch daß es jemals eine Zeit gab, wo er nicht war, so belehrt uns hierüber hinreichend der Evangelist Johannes, indem er so über ihn schreibt: „Der eingeborne Sohn, der im Schoße des Vaters ist16.“ Weil nämlich der heilige Lehrer zwei voneinander nicht zu trennende Dinge zeigen wollte, den Vater und den Sohn, so bezeichnete er diesen als im Schoße des Vaters seiend. Weil aber weiterhin das Wort Gottes den aus nichts gewordenen Dingen nicht beizuzählen ist, darum sagt eben derselbe Johannes, daß alles durch ihn geworden ist. Die einzigartige Seinsweise desselben hat er nämlich mit den Worten beschrieben: „Im Anfange war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Alles ist durch dasselbe geworden, und ohne dasselbe ist nichts geworden17.“ Wenn also alles durch ihn geworden ist, wie sollte derjenige, der den gewordenen Dingen das Sein geschenkt hat, selbst einmal nicht gewesen sein? Es wird doch in  keiner Weise erklärt, daß das Wort, das schaffende Wesen, dieselbe Natur hat wie die geschaffenen Dinge, zumal wenn er im Anfang war und alles durch ihn geworden ist und er alles aus nichts gemacht hat. Denn das Seiende scheint doch das Gegenteil zu sein von dem, was aus nichts geworden ist, und weit von ihm abstehend. Die erste Stelle zeigt also, daß zwischen Vater und Sohn durchaus kein Abstand ist, so daß die Seele sich einen solchen nicht einmal in Gedanken vorstellen kann, die zweite Stelle aber, daß die Welt aus nichts geschaffen worden sei, schließt schon ihren jüngeren und späteren Eintritt in das Sein in sich, wobei alles dieses sein Wesen und Dasein vom Vater durch den Sohn empfangen hat. Da nun der heilige Johannes jenes vom göttlichen Wort ausgesagte „Es war“ betrachtete und erhaben fand und alle geschöpfliche Fassungskraft übersteigend, da getraute er sich nicht, sein Werden und seine Hervorbringung näher zu besprechen; er wagte auch nicht, das Schaffende mit gleichbedeutenden Worten zu bezeichnen wie das Gewordene, nicht als ob der Sohn ungezeugt wäre — denn nur ein Ungezeugtes gibt es, den Vater —, sondern weil die unbeschreibliche Daseinsweise des eingebornen Gottes über die geschärfte Erkenntniskraft der Evangelisten, ja vielleicht sogar über die der Engel weit hinaus liegt. Zu den Frommgläubigen sind daher nach meinem Dafürhalten diejenigen nicht zu zählen, welche sich soweit versteigen, daß sie derartige Untersuchungen anstellen, weil sie die Mahnung nicht beachten: „Was zu schwierig für dich ist, das untersuche nicht, und was dir zu hoch ist, das erforsche nicht18.“ Denn wenn die Erkenntnis vieler anderer Dinge, und zwar solcher, die ungleich niedriger sind als dieses, der Fassungskraft der Menschen entzogen ist — wie zum Beispiel bei Paulus geschrieben steht: „Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben19.“ Ja sogar von den Sternen sagt Gott zu Abraham, daß er (Abraham) sie nicht zählen könne20, und wiederum: „Den  Sand des Meeres und die Tropfen des Regens, spricht der Herr, wer wird sie zählen21?” — wie sollte sich da jemand die nutzlose Mühe machen wollen, die Daseinsweise des göttlichen Wortes zu ergründen — außer er wäre etwa mit einer Neigung zum Tiefsinn behaftet —, jene Daseinsweise, von welcher der Heilige Geist durch den Propheten spricht: „Seine Erzeugung, wer wird sie ergründen22?“ Mit Bezug hierauf hat ja auch unser Erlöser in seiner Fürsorge für die Säulen der Welt (= Apostel) die tiefere Erkenntnis dieses Geheimnisses sorgfältig von ihnen fernhalten wollen, indem er sagte, daß für sie alle eine derartige Erkenntnis nicht naturgemäß sei, daß es vielmehr dem Vater allein zukomme, dieses göttlichste Geheimnis zu durchdringen. „Denn niemand“, so sagt er, „weiß, wer der Sohn ist, als der Vater, und den Vater kennt niemand als der Sohn23.“ Hierauf bezieht sich auch, wie ich glaube, jenes Wort des Vaters: „Mein Geheimnis gehöre mir24.“

Daß es aber ganz unvernünftig ist25, zu denken, daß der Sohn aus nichts geworden sei, ergibt sich daraus, daß  der Ausdruck: „aus nichts“ einen zeitlichen Ursprung in sich schließt, wenn auch jene unvernünftigen Menschen das Unsinnige ihrer Behauptung nicht einsehen. Denn dieses „er (der Logos) war nicht“ muß doch irgendeiner Zeit oder einem Zeitraume angehören. Wenn es aber wahr ist, daß alles durch ihn geworden ist, so liegt es doch auf der Hand, daß auch jeder Zeitraum und jede Zeit und jeder Zeitabschnitt und jenes „einmal“, wo das „er war nicht“ gefunden werden könnte, durch ihn geworden ist. Wie sollte man da Glauben finden für die Behauptung, daß der Urheber der Zeiten, Zeiträume und Zeitabschnitte, in welche das „er war nicht“ hineingestellt werden könnte, selbst einmal nicht gewesen ist? Es ist ja doch unfaßbar und der Gipfel aller Torheit, von dem Urheber eines Dinges zu behaupten, er selbst sei erst nach der Entstehung jenes Dinges geworden. Es geht nämlich nach ihrer Ansicht der alles schaffenden Weisheit Gottes jener Zeitabschnitt voraus, in welchem, wie sie sagen, der Sohn noch nicht durch den Vater geworden war. Damit zeihen sie aber selbst die Heilige Schrift der Unwahrheit, da diese ihn darstellt als „den Erstgebornen aller Schöpfung26“. In Einklang damit steht die Sprache des redegewaltigen Apostels Paulus, wenn er also von ihm sagt: „Welchen er zum Erben gesetzt hat über alles, durch den er auch die Zeiten gemacht hat27“; ferner auch folgendes: „Durch ihn ist alles geschaffen worden, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und Unsichtbare, seien es Fürstentümer oder Mächte oder Herrschaften oder Throne; alles ist durch ihn und für ihn geschaffen worden, und er selbst ist vor allem28.“

Da nun die Gottlosigkeit der Behauptung, der Sohn sei „aus nichts“ geworden, offen am Tage liegt, so folgt mit Notwendigkeit, daß der Vater immer Vater ist29. Er  ist aber immer Vater durch das Dasein des Sohnes, um dessentwillen er Vater genannt wird. Weil aber der Sohn immer bei ihm ist, ist er auch immer im vollen Sinne Vater und ermangelt niemals seiner Vollkommenheit, da er seinen eingebornen Sohn weder in der Zeit noch in irgendeinem Zeitabschnitt noch endlich aus nichts hervorgebracht hat. Wie sollte es da nicht frevelhaft sein, zu behaupten, die Weisheit Gottes sei irgendeinmal nicht gewesen, während sie doch selbst spricht: „Ich war bei ihm leitend und ordnend; ich war seine Freude30“, oder die Macht Gottes habe je einmal nicht existiert oder sein Wort (Logos) sei je unvollkommen gewesen? Und das gleiche gilt hinsichtlich aller anderen Bestimmungen, durch welche der Sohn als solcher erkannt und der Vater als solcher gekennzeichnet wird. Denn wenn man sagt, „der Abglanz der Herrlichkeit31” existiere nicht, so leugnet man damit auch das ursprüngliche Licht, von dem er (der Sohn) der Abglanz ist. Und ebenso, wenn „das Bild Gottes32“ nicht immer war, so ist offenbar auch derjenige nicht immer, von dem jener das Bild ist. Und wenn ferner „der Abdruck der Wesenheit“ Gottes33 nicht ist, so verschwindet damit notwendig auch derjenige, der in ihm vollständig ausgeprägt ist.

Hieraus kann man ersehen, daß die Gottessohnschaft unseres Erlösers mit der Gotteskindschaft der übrigen Wesen nichts gemeinsam hat34. Wie nämlich nach unserer bisherigen Entwicklung sein unaussprechliches Wesen unvergleichlich erhaben ist über alle Wesen, denen er das Sein geschenkt hat, so ist auch seine  Sohnschaft, die gegenüber der Gottheit des Vaters eine natürliche (καταφὺσιν) [kata physin] ist, in unaussprechlichem Abstand erhaben und verschieden von der Sohnschaft derjenigen, die durch ihn mittels Adoption (θέσει) [thesei] zu Kindern Gottes gemacht worden sind. Er ist nämlich unwandelbarer Natur, vollkommen und in keiner Beziehung bedürftig, während die anderen der Veränderlichkeit nach der einen oder anderen Seite hin unterworfen und darum auf seine Gnadenhilfe angewiesen sind. Denn wie könnte die Weisheit Gottes35 noch Fortschritte machen, oder wie könnte die Wahrheit selbst (αὑτοαλὴθεια) [autoalētheia] einen Zuwachs erhalten, oder wie könnte der Gott Logos oder das Leben oder das wahre Licht36 an Güte zunehmen? Wenn aber dieses unmöglich ist, um wieviel mehr widerspricht es der Natur, daß die Weisheit Gottes jemals einer Torheit fähig gewesen oder die Macht Gottes mit der Schwäche zu kämpfen gehabt habe, oder daß die Vernunft durch Unvernunft verdunkelt worden sei, oder daß Finsternis mit dem wahren Licht sich vermischt habe, da doch der Apostel deutlich sagt: „Welche Gemeinschaft hat denn das Licht mit der Finsternis, oder welche Übereinstimmung hat Christus mit Belial37?“ Und Salomon erklärt, es sei unmöglich, auch nur zu denken, daß die Wege einer Schlange auf einem Felsen gefunden werden38. Dieser Fels aber ist Christus nach der Lehre des Apostels39. Die Menschen und Engel dagegen, die seine Geschöpfe sind, haben Gnadengaben empfangen, um durch Übung der Tugenden und Beobachtung der Vorschriften des Gesetzes fortzuschreiten, damit sie nicht sündigen. Deshalb wird auch unser Herr, der von Natur aus Sohn des Vaters ist, von allen angebetet; diejenigen aber, welche den Geist der Knechtschaft abgelegt haben und infolge ihres männlich starken Ringens und Fortschreitens den Geist der Gotteskindschaft angenommen haben, werden durch die Gnade des natürlichen Sohnes Gottes auch ihrerseits Kinder Gottes, aber durch Adoption (θέσει) [thesei]40.

 Diese wahre, einzigartige, natürliche und unvergleichliche Sohnschaft Christi hat Paulus in der Weise dargetan, daß er von Gott sagt: „Der seines eigenen Sohnes nicht geschont, sondern ihn für uns hingegeben hat41“, die wir also offenbar nicht natürliche Söhne sind; denn im Gegensatz zu den nicht eigenen Söhnen nannte er ihn seinen eigenen Sohn. Und im Evangelium heißt es: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe42.“ Und im Buche der Psalmen spricht der Erlöser: „Der Herr sprach zu mir: Mein Sohn bist du43.“ Indem der Herr in diesen Worten die Vollbürtigkeit seines Sohnes zum Ausdruck bringt, gibt er damit zugleich zu erkennen, daß er neben diesem andere vollbürtige Söhne nicht mehr besitzt. Was soll ferner jene Stelle: „Aus meinem Schoße habe ich dich gezeugt vor dem Morgenstern44“? Ist sie nicht ein klarer Beweis für die auf väterlicher Zeugung beruhende natürliche Sohnschaft, welche er, der Sohn, nicht durch sittliches Ringen und ständiges Streben nach Fortschritt, sondern als Natureigentümlichkeit empfangen hat? Daher ist auch die Sohnschaft, welche der eingeborne Sohn des Vaters besitzt, unverlierbar. Die Annahme der vernünftigen Wesen an Kindes Statt ist dagegen, weil sie ihnen nicht von Natur aus zukommt, sondern wegen ihrer sittlichen Tüchtigkeit und durch Gottes Gnade ihnen zuteil wird, verlierbar, wie die Schrift zu berichten weiß: denn „als die Söhne Gottes die Töchter der Menschen sahen, nahmen sie sich davon zu Weibern usw.45“. Und: „Söhne habe ich gezeugt und erhöht, sie aber haben sich gegen mich empört46“, so spricht Gott durch Isaias, wie wir belehrt worden sind.

Ich könnte, Geliebte, noch vieles anführen, aber ich will es übergehen, weil ich es für unschicklich halte, solche, die selbst Lehrer und zudem Gesinnungsgenossen sind, mit allzu viel Worten zu ermahnen. Ihr seid ja selbst von Gott belehrt47 und wisset wohl, daß die vor  kurzem gegen den wahren und frommen Glauben der Kirche aufgetretene Lehre die des Ebion und des Artemas ist und eine Nachahmung der Lehre des Paul von Samosata zu Antiochia, der durch eine Synode und durch den Richterspruch von Bischöfen, die von allen Seiten her zusammengekommen waren, aus der Kirche ausgeschlossen wurde, und dessen Nachfolger Lucian während der langen Regierungszeit dreier Bischöfe in der Trennung von der Kirche verharrte48. Von der Gottlosigkeit dieser Menschen haben nun jene, welche jetzt mit ihrem Schlagwort „aus nichts“ gegen uns aufgetreten sind, die Hefe geschlürft; sie sind nur deren verborgene Schößlinge, Arius nämlich und Achillas und die ganze Gesellschaft derer, die mit ihnen in der Bosheit übereinstimmen. Und ich weiß in der Tat nicht, wie in Syrien drei rechtmäßig geweihte Bischöfe sich dazu verstehen konnten, diese Menschen durch ihre Zustimmung zu noch schlimmerem Vorgehen zu ermutigen. Indessen möge das Urteil über sie Eurem eigenen Ermessen anheimgestellt sein!

Diese Leute haben ein gutes Gedächtnis für diejenigen Ausdrücke, welche sich auf das erlösende Leiden,  die Herablassung, Erniedrigung, sogenannte Armut des Herrn und auf diejenigen Verhältnisse beziehen, rücksichtlich deren der Erlöser unsertwegen neue Bezeichnungen angenommen hat, und sie heben diese Bezeichnungen besonders hervor zur Beseitigung seiner höchsten und ewigen Gottheit. Dagegen sind sie auffallend vergeßlich bezüglich jener Schriftstellen, die seine natürliche Herrlichkeit, seine hohe Abkunft und sein Wohnen beim Vater bezeugen, wie zum Beispiel bezüglich der Stelle: „Ich und der Vater sind eins49.“ So spricht der Herr, nicht um sich für den Vater auszugeben, auch nicht um die Naturen, welche rücksichtlich ihrer Daseinsweise (Hypostase) zwei sind, für eine zu erklären50, sondern weil der Sohn des Vaters die väterlichen Züge getreu wiedergibt, weil er die allseitige Ähnlichkeit mit ihm von Natur aus in sich zum Ausdruck bringt, weil er das unveränderte Bildnis des Vaters und des Urbildes vollkommen ausgeprägtes Abbild ist. Daher offenbarte dieses der Herr auch unverhohlen dem Philippus, als es denselben einst zu schauen gelüstete, indem er auf dessen Bitte; „Zeige uns den Vater“, erwiderte: „Wer mich gesehen hat, hat auch den Vater gesehen51“, so daß also der Vater in seinem göttlichen Abbild wie in einem fleckenlosen und lebendigen Spiegel geschaut wird. Etwas Ähnliches sagen auch die Heiligen im Buche der Psalmen:  „In deinem Lichte werden wir das Licht schauen52.“ Deshalb ehrt derjenige, der den Sohn ehrt, auch den Vater, und mit Recht; denn auch jede Lästerung, die man gegen den Sohn auszusprechen wagt, geht zurück auf den Vater.

Wie sollte daher noch auffallend erscheinen, was ich Euch, Geliebte, jetzt noch zu schreiben habe, indem ich Euch die verleumderischen Anklagen auseinandersetze, die sie gegen mich und gegen unser ganzes rechtgläubiges Volk erheben? Denn diejenigen, die gegen die Gottheit des Sohnes Gottes ankämpfen, scheuen sich natürlich auch nicht, die gehässigsten Schmähungen gegen uns zu verbreiten; sie, die weder von den Alten irgend jemand mit sich vergleichen lassen, noch auch es ertragen können, wenn sie mit den Lehrern, deren Umgang wir von Jugend auf genossen haben, auf eine Stufe gestellt werden, noch auch endlich glauben wollen, daß von allen unseren gegenwärtigen Mitbischöfen auch nur einer es bis zu einer mittelmäßigen Wissenschaft gebracht hat, indem sie sich allein für weise und abgetötet und für die Entdecker der wahren Lehre ausgeben, denen einzig und allein geoffenbart worden sei, was sonst keinem anderen unter der Sonne in den Sinn kommen konnte. O diese unselige Verblendung, dieser maßlose Wahnsinn und in Verbindung damit diese schwarzgallige eitle Ruhmsucht und satanische Gesinnung, die in ihren unheiligen Seelen wie eine verhärtete Geschwulst sich festgesetzt hat! Es beschämte sie nicht die göttliche Klarheit der alten Schriften, noch hat der einstimmige Glaube der gegenwärtigen Bischöfe in bezug auf Christus ihr verwegenes Vorgehen gegen denselben zu hemmen vermocht. Ja ihre Ruchlosigkeit werden nicht einmal die Teufel aushalten können, da sich diese wohl hüten, ein Wort der Lästerung gegen den Sohn Gottes auszusprechen.

Dieses möge nun von uns nach unseren schwachen Kräften zur Widerlegung derjenigen angeführt sein, welche mit ungeschickten Waffen den Kampf gegen Christus begonnen und unseren frommen Glauben an ihn anzuschwärzen unternommen haben! Diese Urheber  geschwätziger Fabeleien behaupten nämlich, dadurch, daß wir die gottlose und unbiblische Lästerung gegen Christus, nämlich den Ausdruck „aus nichts“, verwerfen, lehrten wir zwei ungezeugte Prinzipien; in ihrer Unwissenheit erklären sie, man müsse notwendig eine von den zwei Möglichkeiten annehmen: entweder müsse man sich den Sohn aus nichts entstanden denken, oder man müsse unweigerlich zwei ungezeugte Prinzipien zugeben. Sie vermögen also in ihrer Kurzsichtigkeit nicht einzusehen, ein wie großer Abstand ist zwischen dem ungezeugten Vater und den von ihm aus nichts geschaffenen vernünftigen wie vernunftlosen Wesen. Zwischen beiden in der Mitte steht die eingeborne Natur, durch welche der Vater des Gottes Logos alles aus nichts geschaffen hat; sie selbst aber ist unmittelbar aus dem durch sich seienden Vater gezeugt, wie der Herr selbst an einer Stelle Zeugnis ablegt: „Wer den Vater liebt, liebt auch den Sohn, der aus ihm gezeugt ist53.“

Bezüglich der genannten Punkte glauben wir nun so, wie es die apostolische Kirche für recht hält, nämlich: An einen allein ungezeugten Vater, der in keinem anderen den Grund seines Seins hat, der unwandelbar und unveränderlich ist, der sich selbst immer vollständig gleich bleibt, der weder einer Zunahme noch Abnahme seiner Vollkommenheit fähig ist, der der Urheber des Gesetzes, der Propheten und der Evangelien, sowie der Herr der Patriarchen, Apostel und aller Heiligen ist54 und an einen Herrn Jesus Christus, den eingebornen Sohn Gottes, der nicht aus dem Nichtseienden (= nichts), sondern aus dem seienden Vater gezeugt ist, nicht in ähnlicher Weise wie die Körper durch Trennung oder  Emanation infolge von Teilung, wie Sabellius und Valentinus meinen55, sondern auf unaussprechliche und unbeschreibliche Weise, gemäß den bereits oben angeführten Worten: „Seine Erzeugung, wer wird sie ergründen56?“ Seine Daseinsweise ist nämlich für jede geschaffene Natur unergründlich, wie auch der Vater selbst unergründlich ist, weil die Natur der vernünftigen Wesen die väterliche Gotteszeugung nicht zu begreifen vermag. Übrigens brauchen Männer, die vom Geiste der Wahrheit geleitet werden, dieses nicht erst von mir zu erfahren, da uns hierüber bereits das Wort Christi belehrt und unterrichtet hat: „Niemand weiß, wer der Vater ist, als der Sohn, und niemand weiß, wer der Sohn ist, als der Vater57.“ Ferner haben wir gelernt, daß dieser Sohn unwandelbar und unveränderlich ist wie der Vater, sich selbst genügend und vollkommen, dem Vater ganz gleich und nur darin ihm nachstehend, daß er nicht ungezeugt ist. Denn er ist das genaueste und in nichts verschiedene Ebenbild des Vaters. Es ist ja klar, daß das Ebenbild alles enthält, wodurch das größere Urbild dargestellt wird, wie der Herr selbst gelehrt hat mit den Worten: „Mein Vater ist größer als ich58.“ Demgemäß glauben wir auch, daß der Sohn immer aus dem Vater ist, denn er ist „der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild des väterlichen Wesens59“. Doch möge niemand dieses „immer“ so auffassen, als ob darunter das „Ungezeugtsein“ zu verstehen wäre, wie das jene meinen,  deren geistiges Auge geblendet ist. Denn weder der Ausdruck „er war“ noch das Wort „immer“ noch die Bestimmung „vor allen Zeiten“ ist gleichbedeutend mit „ungezeugt“. Ja, welche Worte nur immer der menschliche Verstand zu bilden sich bemühen wird, sie entsprechen nicht dem Begriff des Ungezeugten — und ich glaube, daß auch Ihr geradeso denken werdet, und vertraue ich in dieser Beziehung auf Euer sonstiges richtiges Urteil in allen Dingen —, da ja derartige Bezeichnungen in keiner Weise den Begriff des Ungezeugten wiedergeben. Diese Namen erscheinen vielmehr wie eine Art Ausdehnung der Zeit über die Zeit hinaus, welche die Gottheit und, wenn man so sagen darf, das Alter des Eingebornen nicht gebührend bezeichnen können; sie wurden aber von den heiligen Männern gebraucht, welche, ein jeder nach seinen Kräften, das Geheimnis zu erklären suchten, wobei sie indessen gleichzeitig ihre Zuhörer um Nachsicht baten mit einer wohlbegründeten Entschuldigung, indem sie sagten: „soweit wir es zu begreifen vermögen“. Wenn aber diese Männer behaupten, das, was sie bisher nur stückweise erkannt hätten, habe keine Geltung mehr, und wenn sie deshalb etwas Größeres erwarten, als was ein von Menschenlippen kommendes Wort enthalten kann, so ist klar, daß auch die Ausdrücke „er war“ und „immer“ und „vor allen Zeiten“ weit hinter ihrer Erwartung zurückbleiben. Aber wie immer es sich damit verhalten möge, jedenfalls sind diese Ausdrücke nicht gleichbedeutend mit dem Begriffe „ungezeugt“. Demgemäß muß also dem ungezeugten Vater die ihm gebührende Ehre gewahrt werden, indem man keinen anderen als Urheber seines Seins annimmt; aber auch dem Sohn muß die entsprechende Ehre dadurch zuerkannt werden, daß man seine anfangslose Zeugung aus dem Vater festhält und ihm, wie oben gezeigt wurde, in der Weise Ehrfurcht entgegenbringt, daß man die Ausdrücke „er war“, „immer“ und „vor allen Zeiten“ nur mit frommgläubigem Sinn und mit heiliger Scheu auf ihn anwendet, so daß man dabei seine Gottheit nicht leugnet, sondern dem Bilde und Abdruck des Vaters die genaueste Ähnlichkeit in jeder Beziehung zuschreibt und nur das „Ungezeugtsein“ als eine dem Vater allein zukommende  Eigentümlichkeit betrachtet und festhält, wie ja auch der Erlöser selbst sagt: „Mein Vater ist größer als ich60.“

Außer diesem ehrfurchtsvollen Glauben in Betreff des Vaters und Sohnes, wie ihn uns die heiligen Schriften lehren, bekennen wir einen Heiligen Geist, der sowohl die heiligen Menschen des Alten Bundes wie auch die göttlichen Lehrer des sogenannten Neuen Bundes geweiht und geheiligt hat; ferner bekennen wir die apostolische Kirche, die eine einzige, alleinige und allgemeine ist, die stets unüberwindlich bleibt, auch wenn die ganze Welt den Kampf gegen sie aufnehmen wollte, die siegreich ist gegenüber jeder noch so gottlosen Empörung der Irrgläubigen, eine Siegeszuversicht, die uns der Herr selbst einflößt mit den Worten: „Seid getrost, ich habe die Welt überwunden61!“ Nach dieser Welt kennen wir eine Auferstehung von den Toten, deren Erstling unser Herr Jesus Christus ist62, der in Wahrheit und nicht nur dem Scheine nach einen Leib angenommen hat aus Maria der Gottesgebärerin, der am Ende der Zeiten zur Tilgung der Sünde inmitten des Menschengeschlechtes erschienen63, gekreuzigt worden und gestorben ist, ohne jedoch hierdurch an seiner Gottheit eine Einbuße zu erleiden, der, auferstanden von den Toten und aufgenommen in den Himmel, sitzet zur Rechten der Majestät64.

Dieses alles habe ich im vorliegenden Briefe nur unvollständig, nur in Umrissen dargestellt, weil ich es, wie gesagt, für unschicklich halte, das einzelne noch eingehender zu behandeln, da ja diese Dinge Euerem heiligen Eifer nicht unbekannt sind. Dieses also lehren wir, dieses predigen wir, dies sind die apostolischen Dogmen der Kirche, für welche wir selbst zu sterben bereit sind, und wir kümmern uns wenig um jene, welche uns drängen, sie abzuschwören; und selbst wenn sie uns durch die Folter dazu zwingen wollten, lassen wir nicht von  der auf diese Lehren gegründeten Hoffnung. Gerade wegen ihres Widerspruches gegen diese Lehren sind die Anhänger des Arius und Achillas und die mit ihnen verbundenen Feinde der Wahrheit aus der Kirche ausgestoßen worden, nachdem sie sich selbst von unserer frommen und rechtgläubigen Lehre getrennt hatten, gemäß der Mahnung des heiligen Paulus: „Wenn euch jemand ein anderes Evangelium verkündet als das, welches ihr empfangen habt, so sei er verflucht65“, selbst wenn er sich für einen Engel vom Himmel ausgeben sollte66, und wiederum: „Wenn jemand anders lehrt und nicht an den heilsamen Worten unseres Herrn Jesu Christi und der rechtgläubigen Lehre festhält, so ist er dünkelhaft, obschon er nichts versteht67“ usw.

Diese also, welche von den Brüdern mit dem Banne belegt worden sind, möge niemand von Euch aufnehmen, niemand auch ihre Reden und Schriften geduldig hinnehmen! Denn diese Gaukler lügen in allem und werden niemals die Wahrheit reden. Sie durchwandern die Städte in keiner anderen Absicht, als unter dem Schein der Freundschaft und im Namen des Friedens mit Heuchelei und Schmeichelei Gemeinschaftsbriefe zu geben und zu empfangen und dadurch einige von ihnen irregeführte Weiblein zu täuschen, die mit Sünden beladen sind68 usw.

Diese also, die so große Frevel gegen Christus zu verüben wagten, die das Christentum bald vor dem Volke herabwürdigen, bald vor den Gerichten bloßzustellen bestrebt sind, die, soviel in ihren Kräften liegt, mitten im Frieden eine Verfolgung gegen uns anzetteln, die das unaussprechliche Geheimnis der Zeugung Christi verflüchtigen, diese weist von Euch, geliebte und gleichgesinnte Brüder, schließt Euch vielmehr unserer Verurteilung ihrer wahnwitzigen Verwegenheit an nach dem Beispiel unserer Mitbischöfe, die über sie entrüstet waren und Briefe gegen sie an mich richteten, die auch die  Akten mitunterzeichneten, die ich Euch zugesandt habe durch meinen Sohn, den Diakon Api, nach dem Beispiel der Bischöfe aus ganz Ägypten und der Thebais, aus Libyen und der Pentapolis, aus Syrien und dazu noch aus Lycien und Pamphylien, aus Asia (proconsularis), Kappadozien und den anderen angrenzenden Ländern. Wie von diesen, so hoffe ich zuversichtlich auch von Euch zustimmende Schreiben zu erhalten. Zwar stehen mir viele Mittel zu Gebote, um denjenigen zu helfen, die Schaden gelitten haben; aber auch dies hat sich als ein kräftiges Heilmittel für das von jenen irregeleitete Volk erwiesen, weil man dem übereinstimmenden Urteil unserer Mitbischöfe leichter Glauben schenken und infolgedessen eilig zur Umkehr sich wenden wird.

Grüßet einander, zugleich mit Euern Brüdern! Lebet wohl im Herrn! Das wünsche ich Euch, Geliebte; gönnet mir doch einige Frucht von Euerer Christus liebenden Gesinnung!

Die mit dem Banne belegten Häretiker sind folgende: von den Priestern Arius, von den Diakonen Achillas, Euzoius, Aeithales, Lucius, Sarmates, Julius, Menas, ein anderer Arius und Helladius.“

Gleichlautende Schreiben richtete Alexander auch an Philogonius, den Vorsteher der Kirche von Antiochien, und an Eustathius, der damals die Kirche von Beröa zu leiten hatte, und an alle übrigen Verteidiger der apostolischen Lehre. Aber auch Arius konnte sich nicht ruhig verhalten. Er schrieb seinerseits an diejenigen, welche er für seine Gesinnungsgenossen hielt. Daß aber der göttliche Alexander nichts Unwahres gegen ihn geschrieben hat, das bezeugt Arius selbst in seinem Briefe an Eusebius von Nikomedien. Ich will auch dieses Schreiben in mein Werk aufnehmen, um die Teilnehmer an der gottlosen Ketzerei denen, die sie nicht kennen, bekannt zu machen.

 

5. Schreiben des Arius an den Bischof Eusebius von Nikomedien

„Dem geliebtesten Herrn, dem Manne Gottes, dem gläubigen und rechtgläubigen Eusebius entbietet Gruß im Herrn  Arius, der von dem Vater Alexander wegen der über alles siegreichen Wahrheit, deren Beschützer auch Du bist, ungerecht Verfolgte.

Da mein Vater Ammonius nach Nikomedien reist, so schien es passend und geziemend, Dich durch ihn zu grüßen und zugleich Deine angeborene Liebe und Gewohnheit, welche Du um Gottes und seines Christus willen gegen die Brüder hegst, daran zu erinnern, wie gewaltig uns der Bischof bedrängt und verfolgt und wie er alle Mittel gegen uns in Bewegung setzt, so daß er uns sogar wie Gottesleugner aus der Stadt vertrieben hat, und dieses darum, weil wir ihm nicht zustimmen, wenn er öffentlich lehrt: „Immer ist Gott, immer der Sohn, zugleich der Vater und zugleich der Sohn; der Sohn existiert mit Gott nach Art des Ungezeugten; er ist immer gezeugt, gezeugt von dem Ungezeugten; weder dem Gedanken noch der geringsten Zeit nach ist Gott früher als der Sohn; immer ist Gott, immer der Sohn, aus Gott selbst ist der Sohn.“ — Da nun Eusebius von Cäsarea, Dein Bruder, und Theodotus, Paulinus, Athanasius, Gregorius, Aëtius und alle aus dem Morgenlande sagen, daß Gott ein anfangsloses Dasein vor dem Sohne besitzt, so wurden sie mit dem Banne belegt, ausgenommen allein Philogonius und Hellanikus und Makarius, irrgläubige und ungebildete Menschen, von denen die einen den Sohn als etwas (aus Gott) Hervorgesprudeltes69, andere als etwas Hervorgewachsenes70, andere als mitungezeugt71 bezeichnen. Derartige Gottlosigkeiten können wir nicht einmal anhören, und wenn uns diese Ketzer auch tausendmal mit dem Tode drohen. Was aber sagen und denken denn wir, was haben wir immer gelehrt und lehren wir noch jetzt? Daß der Sohn nicht ungezeugt ist noch auch in irgendeiner Weise ein Teil eines Ungezeugten, noch aus irgendeiner vorliegenden Substanz geworden, sondern daß er nach Gottes Willen und Ratschluß vor der Zeit und vor allen Zeiträumen entstand als vollkommener Gott, als  der Eingeborne und Unveränderliche, und daß er nicht war, bevor er gezeugt oder geschaffen oder bestimmt oder gegründet wurde; denn er war nicht ungezeugt. Wir werden also verfolgt, weil wir sagen, der Sohn habe einen Anfang, Gott dagegen sei anfangslos; darum werden wir verfolgt und dann, weil wir sagen, er sei aus nicht Seiendem. So aber drücken wir uns deshalb aus, weil er ja weder ein Teil Gottes noch aus irgendeiner vorliegenden Substanz geworden ist. Darum werden wir verfolgt; das übrige weißt Du. — Lebe wohl im Herrn und gedenke unserer Trübsal, Du getreuer Genosse aus der Schule Luzians, in Wahrheit ein Eusebius!“

Von den oben Angeführten war Eusebius Bischof von Cäsarea, Theodotus von Laodicea, Paulinus von Tyrus, Athanasius von Anazarbus, Gregorius von Berytus, Aëtius von Lydda; dieses Lydda heißt jetzt Diospolis. Diese nun rühmte sich Arius als Gesinnungsgenossen zu besitzen. Als seine Gegner aber nannte er den Bischof Philogonius von Antiochien, den Hellanikus von Tripolis und Makarius von Jerusalem. Gegen diese erhebt er falsche Anklagen, weil sie den Sohn ewig und vorzeitlich, dem Vater gleichwürdig und gleichwesentlich nannten. — Nachdem nun Eusebius diesen Brief erhalten hatte, ließ auch er seine eigene gottlose Gesinnung zu Tage treten. Er richtete nämlich an den Bischof Paulinus von Tyrus folgendes Schreiben.

 

6. Schreiben des Bischofs Eusebius von Nikomedien an den Bischof Paulinus von Tyrus

„Meinem Gebieter Paulinus entbiete ich, Eusebius, Gruß im Herrn.

Gleichwie der Eifer meines Herrn Eusebius72 für die wahre Lehre nicht verschwiegen und verborgen geblieben, sondern die Kunde hiervon rasch auch bis zu uns gedrungen ist, so gilt das gleiche auch von Deinem diesbezüglichen Schweigen, o Herr; und wie es nicht anders sein konnte, sind wir durch das Verhalten meines  Herrn Eusebius mit Freude, durch Deine Zurückhaltung aber mit Betrübnis erfüllt worden, da wir nämlich schon das Schweigen eines solchen Mannes als einen Nachteil für unsere Sache betrachten. Daher ersuche ich Dich, der Du ja weißt, wie wenig es einem verständigen Manne geziemt, bei abweichender Überzeugung mit der Wahrheit zurückzuhalten, Dich aufzuraffen und zur schriftstellerischen Tätigkeit über diesen Gegenstand zu entschließen, die Dir selbst nützen wird und denen, die auf Dich hören, besonders wenn Du Dich bei Deinen Ausführungen an die Heilige Schrift anschließen und den Spuren ihrer Worte und Gedanken folgen willst. Haben wir ja doch, mein Herr, niemals von zwei ungezeugten Wesen gehört, und auch niemals gelernt und geglaubt, daß ein ungezeugtes Wesen in zwei Wesen geteilt worden sei oder nach Art der Körper eine Entwicklung erfahren habe; sondern eines ist das Ungezeugte,* eines* das von ihm in Wahrheit, aber nicht aus seiner Substanz Gewordene, das in keiner Weise an der ungezeugten Natur teil hat, noch aus der Substanz des Ungezeugten ist, das vielmehr, seiner Natur und Macht nach ganz und gar ein Anderes, nur nach Anlage und Kraft seinem Urheber vollkommen ähnlich gestaltet ist. Was aber den Ursprung desselben betrifft, so glauben wir, daß derselbe weder mit Worten erklärt noch auch mit dem Verstande nicht nur der Menschen, sondern selbst der über den Menschen stehenden höheren Wesen erfaßt werden kann.

Indem wir dieses behaupten, stellen wir keineswegs unsere eigenen Gedanken auf, sondern nur das, was wir von der Heiligen Schrift gelernt haben. Wir haben nämlich gelernt, daß der Sohn seiner Wesenheit und unveränderlichen und unaussprechlichen Natur nach und in seiner Ähnlichkeit mit seinem Urheber geschaffen und gegründet und gezeugt ist, wie der Herr selbst sagt: „Gott schuf mich als Erstling seiner Wege, und vor der Zeit gründete er mich, vor allen Hügeln zeugte er mich73.“ Wenn er (der Sohn) dagegen aus ihm (Gott),  das ist von ihm wäre, etwa wie ein Teil von ihm oder aus einem Erguß seines Wesens, so würde er nicht mehr als geschaffen oder gegründet bezeichnet werden. Dieses kannst Du, o Herr, fürwahr auch selbst nicht verkennen. Denn was aus dem Ungezeugten sein Dasein hätte, das könnte nicht mehr von einem anderen oder von dem Ungezeugten geschaffen oder gegründet sein, da es seinem Ursprunge nach ein Ungezeugtes wäre. Will man aber in dem Umstande, daß der Sohn als gezeugt bezeichnet wird, eine Andeutung finden, als wenn er aus dem väterlichen Wesen entstanden wäre und daher auch dieselbe Natur wie der Vater hätte, so wissen wir, daß die Schrift das Gezeugtsein nicht nur von ihm allein aussagt, sondern auch von den Wesen, die ihm von Natur aus in allem unähnlich sind. So sagt sie auch von Menschen: „Söhne habe ich erzeugt und erhöht; sie aber haben mich verachtet74.“ Und wiederum: „Gott, der dich gezeugt, hast du verlassen75.“ Und mit Bezug auf andere Dinge sagt sie: „Wer zeugte des Taues Tropfen76?“ Mit solchen Ausdrücken will sie nicht eine Natur aus einer anderen herleiten, sondern nur für jegliches der geschaffenen Dinge den Ursprung aus dem Willen Gottes bezeichnen. Denn nichts ist aus seinem Wesen, sondern alles ist durch seinen Willen geworden, und jedes ist so, wie es geworden ist. Denn jener ist Gott; die Dinge aber sollten, um Gott ähnlich zu werden, dem Worte (Logos) ähnlich sein; diese sind nach seinem freien Willen geworden. Diese sind alle von Gott durch das Wort gemacht worden, alles aber ist aus Gott.

Diese Gedanken mögest Du aufnehmen und gemäß der von Gott Dir verliehenen Geistesgabe in eine entsprechende Form bringen und alsbald meinem Herrn  Alexander übermitteln. Ich hege nämlich die zuversichtliche Hoffnung, Du werdest ihn durch Dein Schreiben zu anderen Ansichten bringen. Grüße alle Brüder im Herrn! Die göttliche Gnade erhalte Dich, o Herr, gesund und betend für uns!“

Derartige Schreiben sandten sich nun auch diese (die Gesinnungsgenossen des Arius) einander zu und rüsteten sich so zum Kampf gegen die Wahrheit.

Als nun infolgedessen die gotteslästerliche Neuerung in den ägyptischen und morgenländischen Kirchen sich ausbreitete, entstanden in jeder Stadt und in jedem Dorfe Zerwürfnisse und Streitigkeiten über die göttlichen Lehren. Das übrige Volk aber spielte den Zuschauer gegenüber den Ereignissen und den Richter bei den Wortkämpfen, und die einen gaben dieser Partei recht, die anderen der Gegenpartei; und die Vorgänge hätten einen trefflichen Stoff gegeben zu einem Trauerspiel und zu Klageliedern. Denn es waren jetzt nicht, wie in früheren Zeiten, Fremde und Feinde, welche die Kirche bedrängten, sondern die eigenen Stammes- und Haus- und Tischgenossen setzten jetzt statt der Speere ihre Zungen gegeneinander in Bewegung; ja noch mehr, diejenigen, welche als Glieder zusammen und zu einem Leibe gehörten, führten gegeneinander die Waffen.

 

7. Die Verhandlungen auf der großen Synode zu Nizäa (325)

Sobald der Kaiser, dieser weise Fürst, von den geschilderten Vorgängen Kunde erhielt, trachtete er zuerst die Quelle der Übel selbst zu verstopfen und sandte zu diesem Zwecke einen durch seine Geschäftsgewandtheit berühmten Mann77 mit einem Schreiben nach Alexandrien, indem er so den Streit zu schlichten versuchte und die aufgeregten Gemüter zur Ruhe und Eintracht zurückzuführen hoffte. Als er sich jedoch in seiner Hoffnung getäuscht sah, berief er jene hochberühmte Synode nach  Nizäa und ermächtigte die Bischöfe und ihre Begleiter, sich zur Reise dahin der dem Staate gehörigen Esel, Maulesel, Maultiere und Pferde zu bedienen. Nachdem dann alle sich eingefunden, so viele ihrer die Beschwerden der Reise ertragen konnten, kam er auch selbst nach Nizäa, teils getrieben von dem Verlangen, eine solch große Versammlung von Hohenpriestern zu sehen, teils in der Absicht, die Einigkeit unter ihnen wieder herzustellen. Sofort gab er auch Auftrag, sie mit allem reichlich zu versehen.

Es hatten sich dreihundertachtzehn Bischöfe eingefunden. Der von Rom fehlte wegen seines hohen Alters; indessen hatte er zwei Priester gesandt und sie bevollmächtigt, den Verhandlungen zuzustimmen.

Es gab aber in jener Zeit viele Bischöfe, welche durch apostolische Gnadengaben hervorleuchteten, und viele, die, um mit dem heiligen Apostel zu sprechen, die Wundmale unseres Herrn Jesu an ihrem Leibe trugen. Jakobus zum Beispiel, der Bischof von Antiochia Mygdonia, einer Stadt, die von den Syrern und Assyriern Nisibis genannt wird, hatte sogar Tote erweckt und dem Leben zurückgegeben und andere zahllose Wunder gewirkt, die ich nach meinem Dafürhalten hier in diesem Werke nicht neuerdings anzuführen brauche, da ich sie in meiner Mönchsgeschichte78 bereits erzählt habe. Paulus von Neocäsarea, einer kleinen Festung am Ufer des Euphrat, hatte in der Verfolgung des Licinius gelitten; er war nämlich an beiden Händen gelähmt, da man ihm glühendes Eisen darangehalten und damit die der Bewegung dienenden Sehnen zusammengezogen und getötet hatte. Anderen war das rechte Auge ausgestochen worden; wieder anderen war die rechte Kniekehle durchschnitten; einer von diesen war Paphnutius aus Ägypten; mit einem Worte, man konnte dort an einem Orte versammelt eine ganze Schar von Martyrern sehen.

 Doch fehlte es in dieser heiligen und ehrwürdigen Versammlung auch nicht an Widersachern; es gab auch einige, die zwar leicht zu zählen waren, aber voll heimlicher Tücke gleich Untiefen im Wasser ihre böse Gesinnung verbargen und die Lästerungen des Arius nur insgeheim verteidigten.

Nachdem alle zusammengekommen waren, ließ der Kaiser einen sehr großen Saal in seinem Palaste herrichten und befahl, möglichst viele Bänke und Stühle in demselben aufzustellen, so daß sie für die Zahl der Bischöfe hinreichten. Als er so die ihrer Würde entsprechenden Vorbereitungen getroffen, hieß er sie eintreten und über die vorliegenden Gegenstände verhandeln. Er ging auch selbst hinein, jedoch als der letzte und mit geringem Gefolge, hervorragend durch körperliche Größe, ausgezeichnet durch männliche Schönheit, noch bewunderungswürdiger aber durch den Ausdruck der Ehrfurcht, der auf seinem Antlitz ruhte. Er ließ sich auf einem kleinen Sessel nieder, der in der Mitte für ihn aufgestellt worden war, nachdem er vorher die Bischöfe ersucht hatte, ihm solches zu gestatten. Zugleich mit ihm setzte sich die ganze heilige Versammlung.

Sofort begann nun als erster Redner der große Eustathius, der vor kurzem den Bischofsstuhl der Antiochenischen Kirche eingenommen hatte — der oben79 erwähnte Philogonius war nämlich zu einem besseren Leben hinübergegangen, worauf Eustathius gegen seinen Willen von Bischöfen, Priestern und dem gesamten Christus liebenden Volke einstimmig genötigt wurde, die Leitung jener Kirche als Nachfolger des Philogonius zu übernehmen —, dieser Eusthatius flocht also einen Kranz von Lobsprüchen wie von Blumen um das Haupt des Kaisers und vergalt dessen Eifer für die religiösen Angelegenheiten mit Lobeserhebungen. Als er geendet, hielt der gepriesene Kaiser selbst eine Rede über die Eintracht und die Einmütigkeit der Gesinnungen, wobei er der Grausamkeit der früheren tyrannischen Kaiser und des unter seiner Regierung von Gott verliehenen  hochschätzbaren Friedens gedachte und hervorhob, wie schrecklich, ja nur zu schrecklich es wäre, wenn sie jetzt nach Vernichtung der Feinde, da niemand mehr zu widerstehen wage, einander selbst bekämpften und den Böswilligen Anlaß zur Freude und zum Lachen böten, zumal da sie über heilige Dinge stritten und doch die Lehre des Heiligen Geistes in der Schrift besäßen. „Denn“, sagte er, „die Bücher der Evangelien, die Schriften der Apostel und die göttlichen Aussprüche der alten Propheten lehren uns deutlich, wie man in Betreff des göttlichen Wesens zu denken hat. Laßt uns daher die Streit erzeugende Zwietracht beiseite setzen und aus der göttlichen Offenbarung die Lösung der fraglichen Schwierigkeiten entnehmen!“

Dieses und Ähnliches gab er wie ein Sohn, der seinen Vater liebt, den Bischöfen als Vätern zu erwägen, emsig bemüht, die Einheit der apostolischen Lehre zu erhalten. Die Mehrzahl der versammelten Väter leistete denn auch seinen Worten Folge und ließ sich die Erhaltung der Eintracht untereinander und die Bewahrung der gesunden Lehre angelegen sein. Einige wenige aber, die ich schon vorhin erwähnte, und außer diesen Menophantus von Ephesus, Patrophilus von Scythopolis, Theogonius, der Bischof von Nizäa selbst, und Narcissus von Neronias, einer Stadt im östlichen Zilizien, die jetzt Irenopolis heißt, ferner Theonas von Marmarika und Sekundus von Ptolemais in Ägypten: diese widersprachen der apostolischen Lehre und erklärten sich für Arius. Ja sie entwarfen sogar eine Glaubensformel und legten sie der Versammlung vor. Als sie aber zur Verlesung kam, wurde sie sofort von allen verworfen und als unecht und gefälscht bezeichnet. Es entstand ein sehr großer Lärm und Unwille gegen jene, und alle bezichtigten sie des Verrats am Glauben. Da gerieten sie in Furcht, erhoben sich und sagten sich als die ersten von Arius los, ausgenommen Sekundus und Theonas. Nachdem so dieser Gottlose preisgegeben war, entwarfen alle einmütig das noch bis heute in den Kirchen anerkannte und gebrauchte Glaubensbekenntnis, bestätigten es durch ihre Unterschrift und hoben alsdann die Versammlung auf.

 

8. Widerlegung der Anhänger des Arius aus den Schriften des großen Eustathius und des Athanasius

 Indessen hatten die vorhin genannten Bischöfe diesem Glaubensbekenntnisse nur äußerlich, nicht mit innerer Überzeugung zugestimmt. Das beweisen sowohl ihre späteren Umtriebe gegen die Verteidiger des wahren Glaubens wie auch die von diesen gegen sie gerichteten Schriften.

Der berühmte Bischof Eustathius von Antiochien, den ich schon oben80 erwähnte, schreibt da, wo er diese Geschichte erzählt, ihre gotteslästerliche Lehre widerlegt und die Stelle aus den Sprichwörtern erklärt, die da lautet: „Der Herr schuf mich als Erstling seiner Wege zu seinen Werken81, folgendes über sie:

„Ich komme nach diesem Punkt nunmehr auch auf die Konzilsverhandlungen. Was geschah nun? Nachdem aus diesem Anlaß eine sehr große Synode in Nizäa sich versammelte und wenigstens zweihundertsiebzig an der Zahl sich dort zusammenfanden — die genaue Zahl vermag ich nämlich bei der großen Menge der Männer nicht anzugeben, zumal ich auch keineswegs mit besonderem Eifer darnach geforscht habe —, da wurde, als man nach dem richtigen Ausdruck des Glaubens suchte, als klare und bündige Bezeugung desselben das von Eusebius verfaßte gotteslästerliche Bekenntnis vorgelegt. Als dieses aber öffentlich verlesen wurde, bereitete es sofort durch seine Verkehrtheit den Zuhörern unermeßlichen Schmerz, seinem Urheber aber unauslöschliche Schande. Da also das Treiben der Partei des Eusebius vollständig aufgedeckt und das glaubensfeindliche Bekenntnis vor aller Augen zerrissen war, bestimmten einige auf Verabredung hin, angeblich um des Friedens willen, alle, die sonst sehr gut zu reden gewohnt waren, zum Schweigen. Die arianisch Gesinnten aber traten aus Furcht, von einer so großen Versammlung und Synode ausgeschlossen zu werden, eilends vor, verwarfen und verdammten die verurteilte Lehre und  unterzeichneten eigenhändig die gemeinsamen Beschlüsse. Nachdem sie aber auf den bischöflichen Stühlen durch alle möglichen Umtriebe sich behauptet haben, während sie doch eigentlich hätten Buße tun sollen, so predigen sie jetzt wieder bald im geheimen, bald auch offen die verworfenen Lehren, wobei sie verschiedene hinterlistige Kniffe gebrauchen. Weil sie das von ihnen gepflanzte Unkraut dauernd erhalten möchten, hegen sie Furcht vor den Einsichtigen, meiden die Aufseher und bekämpfen so die Verkündiger der wahren Lehre. Indessen glauben wir nicht, daß gottlose Menschen auf solche Weise die Gottheit je besiegen werden. Denn wenn sie auch wieder zu Kräften kommen, so werden sie doch wieder bezwungen werden, nach den Worten des erhabenen Propheten Isaias82.“

Soweit der große Eustathius. Sein Kampfgenosse, der Verteidiger der Wahrheit, Athanasius, der dem berühmten Alexander auf dem bischöflichen Stuhle gefolgt war, berichtet in seinem Briefe an die Afrikaner83 unter anderem auch folgendes:

„Da die Bischöfe, die zusammengekommen waren, beabsichtigten, die von den Arianern neu erfundenen gottlosen Formeln zu beseitigen, nämlich jenes „aus nicht Seiendem“, und die Behauptung, der Sohn sei ein Geschöpf und Werk, und „es gab eine Zeit, wo er nicht war“, sowie daß er wandelbarer Natur sei, dafür aber die allgemein anerkannten Ausdrücke der Heiligen Schrift aufzustellen, nämlich daß der Sohn seiner Natur nach der Eingeborne aus Gott sei, das Wort, die Macht und die einzige Weisheit des Vaters84, daß er wahrer Gott sei, wie Johannes sagt85, und wie Paulus schreibt, der Abglanz der Herrlichkeit und das Ebenbild des Wesens des Vaters86: da sagten die Eusebianer, ganz beherrscht von ihrem falschen Glauben: „Laßt uns dem zustimmen; denn auch wir sind ja aus Gott; denn es ist  nur ein Gott, aus dem Alles ist87”, und „das Alte ist vergangen, sieh, alles ist neu geworden, alles aber ist aus Gott88“. Sie erwogen ferner auch, was im Hirten geschrieben steht: „Vor allem glaube, daß ein Gott ist, der alles geschaffen und geordnet und aus dem Nichtsein in das Dasein gesetzt hat89.“ Allein die Bischöfe durchschauten ihre Arglist und ihr gottloses Ränkespiel und erklärten den Ausdruck „aus Gott“ noch genauer und schrieben dafür, daß der Sohn aus dem Wesen Gottes sei, damit so von den Geschöpfen, weil sie nicht aus sich selbst und nicht ohne äußere Ursache sind, sondern einen Anfang des Seins haben, gesagt werde, sie seien „aus Gott“, dagegen einzig und allein vom Sohne als besondere Eigentümlichkeit gelehrt werde, er sei „aus dem Wesen des Vaters“. Hierin besteht nämlich der ausschließliche Vorzug des eingebornen und wahrhaften Wortes des Vaters. Dieses war also der Grund, weshalb man schrieb „aus dem Wesen“.

Als dann die Bischöfe jene, die anscheinend nur wenige waren, neuerdings fragten, ob sie den Sohn nicht als ein Geschöpf, sondern als die Kraft und einzige Weisheit des Vaters90, als sein ewiges, in allem getreues Abbild91 und als wahren Gott92 anerkennten, da bemerkte man, wie die Eusebianer einander zuwinkten und zu verstehen gaben: „Auch dieses paßt noch auf uns; denn auch wir werden Gottes Bild und Abglanz genannt93, auch von uns heißt es: „Immerdar werden wir, die wir leben . . .94”, und es gibt gar viele Kräfte. „Es zog aus“, so steht geschrieben, „die ganze Kraft Gottes aus dem Lande Ägypten95.“ Die Raupe und die  Heuschrecke werden eine große Kraft genannt96, und wieder heißt es: „Der Herr der Kräfte ist mit uns, unser Retter ist der Gott Jakobs97.“ Aber auch das können wir sagen, daß wir Gottes Angehörige sind, zwar nicht schlechthin, sondern insofern als er uns sogar Brüder genannt hat98. Wenn man ferner den Sohn als wahren Gott bezeichnet, so bringt uns auch das nicht in Verlegenheit; denn er ist ein wahrer gewordener Gott.“

So dachten die Arianer in ihrem verkehrten Sinn. Aber auch hier durchschauten die Bischöfe ihre List und sammelten aus der Schrift Ausdrücke und Stellen wie „Abglanz“, „Quelle und Fluß“ und „Ebenbild seines Wesens99”, ferner: „In deinem Lichte werden wir das Licht schauen100” und: „Ich und der Vater sind eins101”, und schrieben endlich noch deutlicher und kurz, der Sohn sei dem Vater gleichwesentlich; denn alle die eben genannten Ausdrücke haben diese Bedeutung.

Auch ihr Murren darüber, daß die Bezeichnungen (der Bischöfe) nicht in der Hl. Schrift enthalten seien, wird durch sie selbst als grundlos erwiesen. Denn nachdem sie selbst von nicht schriftgemäßen Ausdrücken einen schlechten Gebrauch gemacht haben — die Formeln: „aus Nichtseiendem“ und „es war eine Zeit, wo er nicht war“, finden sich ja auch nicht in der Schrift —, klagen sie jetzt darüber, daß sie durch nicht der Schrift entnommene, aber gut erdachte Ausdrücke verurteilt worden sind. Sie selbst haben nämlich ihre Ausdrücke sozusagen auf dem Misthaufen gefunden und jedenfalls von der Erde genommen; die Bischöfe aber haben ihre Bezeichnungen nicht für sich selbst erfunden, sondern was sie bei den Vätern bezeugt fanden, das haben sie niedergeschrieben. Denn schon in alter Zeit, vor ungefähr hundertdreißig Jahren, haben Bischöfe sowohl in dem großen Rom als auch in unserer Stadt diejenigen  des Irrtums beschuldigt, welche behaupteten, daß der Sohn ein Geschöpf und dem Vater nicht gleichwesentlich sei102. Das wußte auch Eusebius, der Bischof von Cäsarea, der zuerst der arianischen Häresie zugetan war, später aber die Beschlüsse der nizänischen Synode unterzeichnete. Er richtete auch an die Seinigen ein Schreiben, worin er versichert, daß er auch unter den Alten einige gelehrte und berühmte Bischöfe und Schriftsteller kenne, die von der Gottheit des Vaters und Sohnes den Ausdruck „gleichwesentlich“ gebraucht hätten.“

Die arianisch Gesinnten verheimlichten also ihre geistige Krankheit aus Furcht vor der großen Zahl der Bischöfe und stimmten den Beschlüssen bei, zogen sich aber dadurch jenen Tadel zu, den der Gott des Weltalls durch den Propheten auch über sie ausspricht: „Dieses Volk ehrt mich nur mit den Lippen, sein Herz aber ist weit von mir103.“ Theonas jedoch und Sekundus wollten dieses nicht tun und wurden daher von allen einstimmig ausgeschlossen, weil sie die Gotteslästerungen des Arius der evangelischen Lehre vorgezogen hätten. Darauf traten die Bischöfe nochmals zu einer Sitzung zusammen und erließen noch zwanzig Dekrete über die kirchliche Verwaltung.

 

9. Verhandlungen über Melitius aus Ägypten, von dem die schismatischen Melitianer stammen, die sich bis heute erhalten haben. Synodalschreiben über ihn

Nicht lange vor Ausbruch der arianischen Wirren war Melitius zur bischöflichen Würde erhoben, dann  aber, auf mehreren Gesetzwidrigkeiten104 betroffen, durch den heiligmäßigen Bischof Petrus von Alexandrien, der später die Krone des Martertums erlangte, wieder abgesetzt worden. Indessen gab er sich mit dem Absetzungsurteil nicht zufrieden, sondern brachte die Thebais und die angrenzenden Teile von Ägypten vollständig in Aufruhr und Verwirrung, indem er dem Vorrang des Bischofs Alexander von Alexandrien seine eigene angemaßte Herrschaft entgegenstellte. Daher schrieben die Bischöfe an die Kirche von Alexandrien, was sie in bezug auf diese Neuerung beschlossen hatten, nämlich folgendes :

 

Synodalschreiben