Mönchsgeschichte - Theodoret von Kyrrhos - E-Book

Mönchsgeschichte E-Book

Theodoret von Kyrrhos

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Beschreibung

Theodorets "Mönchsgeschichte" mit einem Anhang über die göttliche und heilige Liebe enthält die Biographien von dreißig Asketen, die als religiöse Vorbilder dargestellt werden. Es ist ein Dokument von bemerkenswerter Bedeutung für das Verständnis der komplexen Rolle der frühen Mönche sowohl in der Gesellschaft als auch in der Kirche; darüber hinaus ist es auch deshalb bemerkenswert, weil es ein Modell asketischer Autorität vorstellt, das in starkem Gegensatz zu Athanasius' "Leben des Antonius" steht. Dieser Band beinhaltet zusätzlich Abhandlungen zu Theodorets Leben, Schriften und Christologie-

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Mönchsgeschichte

 

THEODORET VON KYRRHOS

 

DIE SCHRIFTEN DER KIRCHENVÄTER

 

 

 

 

 

 

Mönchsgeschichte, Theodoret von Kyrrhos

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849660918

 

Cover Design: Basierend auf einem Werk von Andreas F. Borchert, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=35892522

 

Der Text dieses Werkes wurde der "Bibliothek der Kirchenväter" entnommen, einem Projekt der Universität Fribourg/CH, die diese gemeinfreien Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Die Bibliothek ist zu finden unter http://www.unifr.ch/bkv/index.htm.

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Allgemeine Einleitung zu Theodoret2

I. Theodorets Leben. 2

II. Theodorets Schriften. 9

A. Exegetische Schriften. 9

B. Apologetische Schriften. 11

C. Dogmatische Schriften. 12

D. Historische Schriften. 14

E. Predigten. 17

F. Briefe. 17

III. Theodorets Christologie. 18

§ 1. Der Nestorianismus im Gegensatze zum Arianismus und Apollinarismus.18

§ 2. Die Christologie des Theodor von Mopsuestia.22

§ 3. A. Die Christologie des Theodoret: In den ersten Jahren des nestorianischen Streites.29

§ 3. B. Die Christologie des Theodoret. Die Christologie des Theodoret im weiteren Verlaufe des nestorianischen Streites.44

IV. Die Verurteilung der Schriften Theodorets. 56

V. Druckausgaben, Übersetzungen, Literatur.60

Fußnoten. 62

Mönchsgeschichte (Historia Religiosa)81

Prolog. 81

1. Jakobus. 86

2. Julianus. 91

3. Markianus. 100

4. Eusebius. 109

5. Publius. 115

6. Symeon der Ältere. 118

7. Palladius. 122

8. Aphraates. 123

9. Petrus. 129

10. Theodosius. 135

11. Romanus. 137

12. Zeno. 138

13. Makedonius. 141

14. Maisymas. 147

15. Akepsimas. 149

16. Maron. 151

17. Abraames. 152

18. Eusebius. 155

19. Salamanes. 156

20. Maris. 157

21. Jakobus. 158

22. Thalassius und Limnäus170

23. Johannes. 172

24. Zebinas und Polychronius. 173

25. Asklepius. 176

26. Symeon. 177

27. Baradatus. 187

28. Thaleläus. 188

29. Marana und Kyra. 190

30. Domnina. 191

Rede über die göttliche und heilige Liebe. 194

Fußnoten. 206

 

 

Bibliographische Angaben:

 

Titel Version: Allgemeine Einleitung zu Theodoret (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Allgemeine Einleitung zu Theodoret In: Theodoret von Cyrus, Mönchsgeschichte. Aus dem Griechischen übersetzt von Dr. Konstantin Gutberlet. (Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 50) München 1926. Unter der Mitarbeit von: Rudolf Heumann.

 

Titel Version: Mönchsgeschichte (BKV) Sprache: deutsch Bibliographie: Mönchsgeschichte In: Theodoret von Cyrus, Mönchsgeschichte. Aus dem Griechischen übersetzt von Dr. Konstantin Gutberlet. (Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 50) München 1926. Unter der Mitarbeit von: Rudolf Heumann

 

 

 

 

II. Theodorets Schriften

 

A. Exegetische Schriften

 Theodoret war ein ungemein fruchtbarer Schriftsteller. Außer Chrysostomus und Cyrill von Alexandrien hat kein griechischer Kirchenvater und Kirchenschriftsteller so viele Werke hinterlassen wie Theodoret. Dieselben können eingeteilt werden in exegetische, apologetische, dogmatische und historische Schriften, wozu dann noch Homilien und Briefe kommen.

Als Glied der antiochenischen Schule pflegte Theodoret vor allem die Exegese. Ja der größte Teil seiner Schriften ist exegetischer Natur. Daher nehmen auch die exegetischen Werke in den besten Ausgaben die erste Stelle ein. Dieselben sind zumeist fortlaufende Kommentare, nur wenige beschäftigen sich mit der Erklärung einzelner schwieriger Stellen der heiligen Schrift und verlaufen deshalb in Fragen und Antworten. Zu diesen letzteren gehören:

1.       die Quaestiones in Octateuchum (die fünf Bücher Mosis und anhangsweise Josue, Richter und Ruth24) und

2.       die Quaestiones in libros Regnorum et Paralipomenon25. Beide Werke sind auf Bitten des Priesters und Weihbischofs Hypatius26 erst nach der Ketzergeschichte, also erst nach 453 verfaßt.

Fortlaufende Kommentare sind:

3.       Die Interpretatio in psalmos27, zunächst für Mönche und Kleriker zum besseren Verständnis des kirchlichen Offiziums bestimmt. Nach der Absicht des Verfassers sollte dieser Psalmenkommentar sein erstes exegetisches Werk werden, aber durch Freunde gedrängt, stellte er diese Arbeit zurück und kommentierte nacheinander das Hohelied, die Bücher Daniel und Ezechiel und die zwölf kleinen Propheten, und erst nach Vollendung dieser Kommentare griff er wieder auf die Erklärung der Psalmen zurück. Eine neue Psalmenerklärung aber hielt er für notwendig, weil ihm die bisherigen nicht genügten. Die einen ergaben sich, wie er selbst in der Vorrede sagt, bis zum Überdruß der Allegorie, die anderen bezogen die prophetischen Stellen nicht auf Christus und seine Kirche, sondern auf gewisse Ereignisse im Alten Testament, so daß ihre Auslegung mehr für die Juden paßte als für die Christen. Theodoret will beide Fehler meiden; er will eine Erklärung liefern, die einerseits an der buchstäblichen Auslegung festhält, andrerseits aber die Beziehung auf Christus und seine Kirche nicht übersieht28. — Die Zeit der Abfassung des Psalmenkommentars ist unsicher; wahrscheinlich fällt sie in die Zeit nach 436; Theodoret erwähnt ihn erst seit 44929.

4.       Die Interpretatio in Canticum canticorum30 ist, wie schon erwähnt, die exegetische Erstlingsschrift Theodorets und verdankt ihre Entstehung der Anregung des Bischofs Johannes von Germanicia31. Sie wurde jedenfalls nicht vor 430 verfaßt. Nach Theodoret ist das Hohelied nicht, wie Theodor von Mopsuestia meinte, ein von Salomon anläßlich seiner Vermählung mit der ägyptischen Prinzessin verfaßtes Hochzeitslied oder etwas Ähnliches, sondern eine Schilderung der innigen Liebe Christi zu seiner Braut, der Kirche32.

5.       Die Kommentare zu den größeren und kleineren Propheten33. Von diesen ist der Kommentar zu Isaias verloren gegangen. Was unter diesem Namen in den Werken Theodorets sich findet34, ist eine von Sirmond veranstaltete Sammlung von Katenenscholien, die auf Theodoret lauten35. Die Kommentare zu den Büchern Daniel36, Ezechiel37 und zu den kleinen Propheten38 werden wahrscheinlich vor 436, der Jeremiaskommentar, der auch Baruch und die Klagelieder umfaßt39, wird erst später, aber jedenfalls vor 448 geschrieben sein.

6.       Die Interpretatio in 14 epistolas S. Pauli40 ist eine gedrängte Erklärung im Literalsinn, vielleicht das vortrefflichste exegetische Werk des großen Gelehrten, der einzige Kommentar zum Neuen Testamente, wahrscheinlich erst nach den alttestamentlichen Kommentaren, aber jedenfalls noch vor 448 verfaßt41.

Die Kommentare Theodorets sind sämtlich kurz und bündig, reich an Gedanken, nach Form und Inhalt mustergültig. Seine Exegese ist die grammatisch-historische. Dabei vermeidet er aber jede Einseitigkeit in der buchstäblichen Erklärungsweise. Nach Theodoret redet die Heilige Schrift oft τροπικῶς [tropikōs] und αἰνιγματωδῶς[ainigmatōdōs], und namentlich im Alten Testamente hat alles typische Bedeutung. Theodoret übernimmt die Erklärung der heiligen Schriften zumeist auf Ersuchen seiner Freunde und aus Pflichtgefühl, in der Erwägung, daß jeder Mensch verpflichtet sei, von den ihm verliehenen Talenten einen ausgiebigen Gebrauch zu machen42. Demütigen Sinnes fleht er um den Beistand des Heiligen Geistes zum richtigen Verständnis des Textes und stützt seine Erklärungen auf die Auslegungen der früheren Kirchenväter, was er ganz offen zugibt43. Doch wahrt er sich seine Selbständigkeit auch gegenüber dem hochverehrten „Lehrer der gesamten Kirche” Theodor von Mopsuestia.

Nicht mit Unrecht hat man Theodoret den größten Exegeten genannt, den Antiochien und das christliche Altertum hervorgebracht hat. Er hat jedenfalls das Verdienst, die Schrifterklärung der antiochenischen Schule in seinen Kommentaren zusammengefaßt, der Nachwelt überliefert und zum Gemeingut der Kirche gemacht zu haben44.

 Der den Kommentaren Theodorets zugrunde liegende griechische Text ist die Septuaginta, und zwar die in Antiochien gebräuchliche Septuaginta-Rezension Lucians45.

 

B. Apologetische Schriften

Von den apologetischen Werken soll an erster Stelle genannt werden

1.       Die Graecarum affectionum curatio seu evangelicae veritatis ex gentilium philosophia cognitio (ἑλληνικῶνθεραπευτικὴπατημάτωνἢεὐαγγελικῆςἀληθείαςἐξἑλληνικῆςφιλοσοφίαςἐπίγνωσις) [hellēnikōn therapeutikē patēmatōn ē euangelikēs alētheias ex hellēnikēs philosophias epignōsis], Heilung der heidnischen Krankheiten oder Erkenntnis der evangelischen Wahrheit aus der heidnischen Philosophie46, eine gewandte und sehr gelehrte Verteidigung der christlichen Religion, „die letzte und schönste der antiheidnischen Apologien des Altertums47”. Das Werk wurde veranlaßt durch die Spottreden der Heiden, daß die Apostel ungebildete Leute gewesen, daß die Katechumenen immer nur gemahnt würden zu glauben, daß es lächerlich sei, die Martyrer zu verehren und dergleichen. Theodoret will nun die Vorwürfe der Heiden widerlegen, zugleich aber auch einfältige und schwache Christen vor Erschütterung ihrer Glaubensfestigkeit bewahren48. Er handelt darum in zwölf Büchern von den verschiedenen Grundfragen der Religion, von Gott und der Welt, den Engeln, dem Menschen, von der göttlichen Vorsehung, vom Opfer, von der Heiligen- und Martyrer-Verehrung usw. und stellt dabei immer die christliche Wahrheit dem heidnischen Wahn, die christliche Sitte den heidnischen Gebräuchen gegenüber, um durch diesen Gegensatz die Vorzüge des Christentums in desto hellerem Lichte erscheinen zu lassen und die von den Heiden vorgebrachten Einwendungen desto schlagender zu entkräften49. Die Schrift zeichnet sich durch eine außergewöhnliche Gelehrsamkeit aus. Die zahlreichen Zitate sind jedoch nicht den Originalien entnommen, sondern hauptsächlich aus der „Evangelischen Beweisführung” des Eusebius von Cäsarea und den „Stromata” des Klemens Alexandrinus geschöpft50. Die Curatio wird von Theodoret seit 449 erwähnt51, ist also jedenfalls vor diesem Jahre entstanden, wahrscheinlich aber schon viel früher verfaßt worden52.

2.       Ausgezeichnet durch glänzende Beredsamkeit wie durch kraftvolle Beweisführung sind die zehn Reden über die Vorsehung, „De providentia orationes decem” (περὶπρονοίαςλόγοιδέκα) [peri pronoias logoi deka]53, die wahrscheinlich noch vor dem Konzil von Ephesus (431) gehalten wurden. Sie handeln von der Vorsehung in der physischen (or. 1—5) wie in der moralischen und sozialen Weltordnung (or. 6—9). Der größte Beweis für die Vorsehung Gottes aber ist die Tatsache der Menschwerdung des Sohnes Gottes (or. 10) Verloren gegangen ist

3.       Die Schrift „Ad quaesita magorum”(πρὸςτὰςπεύσειςτῶνμάγων) [pros tas peuseis tōn magōn], die sich gegen die persischen Magier wendet, welche die Hauptschuld trugen an der Heftigkeit und langen Dauer der Christenverfolgung unter den Perserkönigen Bahram V. und Jezdegerd II. Theodoret beantwortet und widerlegt in diesem Werke die Fragen und Einwürfe der Magier gegen das Christentum, wie er andrerseits deren religiöse Anschauungen darlegt und bekämpft54.

4.       Eine andere ebenfalls verloren gegangene Schrift* „Contra Judaeos”* (πρὸςἸουδαίους) [pros Ioudaious]55 diente dem Nachweise, „daß die Propheten von Christus geweissagt haben56”. Von ihr scheint sich nur ein kurzes Fragment erhalten zu haben in einer Handschrift der Mediceer-Bibliothek in Florenz57.

 

C. Dogmatische Schriften

Zu den dogmatischen, genauer dogmatisch-polemischen Schriften gehören:

1.       Die Widerlegung der zwölf Anathematismen des Patriarchen Cyrill von Alexandrien, Reprehensio duodecim capitum seu anathematismorum Cyrilli (ἀνατροπὴτῶνδώδεκακεφαλαίων) [anatropē tōn dōdeka kephalaiōn]. Sie enthält eine scharfe und vielfach zu weitgehende Kritik der genannten Anathematismen. Sie wurde auf Anregung des Patriarchen Johannes von Antiochien zu Anfang des Jahres 430 verfaßt. Der Bischof Euoptius von Ptolemais (in Libyen) übermittelte sie dem Cyrill, der sofort in Form eines Briefes an Euoptius darauf erwiderte. Die Schrift des Theodoret selbst ist verloren gegangen, sie ist uns aber erhalten in der Form, wie sie Cyrill in seine Erwiderung aufgenommen hat. Allem Anschein nach hat sie Cyrill unverkürzt wiedergegeben58. Die Schrift findet sich daher auch in den Werken des Cyrill mit den Anathematismen zusammengestellt59.

2.       Das Pentalogium, richtiger Pentalogos (πεντάλογος) [pentalogos], ein größeres Werk in fünf Büchern gegen Cyrill und das Ephesinum, hat sich nur in einigen Bruchstücken erhalten60.

3.       Die beiden zusammengehörigen Traktate „De sancta et vivifica Trinitate” (περὶτῆςἁγίαςκαὶζωοποιοῦτριάδος) [peri tēs hagias kai zōopoiou triados] und „De incarnatione Domini”(περὶτῆςτοῦκυρίουἐνανθρωπήσεωσ) [peri tēs tou kyriou enanthrōpēseōs] wurden erst von Kardinal Angelo Mai aus einem vatikanischen Kodex ans Licht gezogen und in seiner Nova Bibliotheca Patrum61 herausgegeben und dem Patriarchen Cyrill von Alexandrien zugeschrieben; und nach dem Vorgang Mais hat auch Migne die beiden Abhandlungen unter die Werke des Cyrill aufgenommen62; 1888 hat jedoch Ehrhard mit guten Gründen nachgewiesen, daß sie nicht Cyrill zum Verfasser haben, sondern geistiges Eigentum des Theodoret sind63. Beide Schriften, namentlich die zweite, greifen Cyrill nicht direkt an, wollen überhaupt nicht polemisieren64, bekämpfen aber gleichwohl leidenschaftlich die Erben des Apollinarismus, unter denen zweifelsohne Cyrill und seine Freunde gemeint sind. Verfaßt sind beide Abhandlungen wohl kurze Zeit nach dem Ephesinum65, vielleicht alsbald nach dem Frieden vom Jahre 433.

4.       Das dogmatische, näherhin christologische Hauptwerk Theodorets ist sein Eranistes seu Polymorphus (ἐρανιστὴςἤτοιπολύμορφοσ) [eranistēs ētoi polymorphos], der Bettler oder Vielgestaltige66, in vier Büchern, 447 geschrieben67. Die ersten drei Bücher verlaufen in Form eines Dialoges zwischen einem Orthodoxen und einem Bettler (= Monophysiten). Sie führen die Titel: Ἄτρεπτοσ [Atreptos] (immutabilis), ἀσύγχυτος [asynchytos] (inconfusus) und ἀπαθὴς [apathēs] (impassibilis). Sie wollen nämlich die drei Hauptsätze beweisen: 1. daß die göttliche Natur in Christus unveränderlich ist, 2. daß die göttliche und menschliche Natur in Christus unvermischt und unversehrt nebeneinander bestehen, und 3. daß die göttliche Natur in Christus leidensunfähig ist. Das vierte Buch faßt den Inhalt der drei Dialoge nochmals in Form von (40) Syllogismen zusammen. Die Schrift ist nicht gegen Cyrill und die Katholiken gerichtet, da Cyrill im zweiten Dialog als Zeuge für die katholische Wahrheit angeführt und unter „die großen Lichter des Erdkreises” gezählt wird68, sondern wendet sich gegen den Monophysitismus, der ein von verschiedenen früheren Häretikern (Simon Magus, Cerdo, Marcion, Valentin, Bardesanes, Apollinaris, Arius und Eunomius) zusammengebettelter, vielgestaltiger Irrtum sei69. Dem Zweck der Schrift entsprechend, die Monophysiten nicht nur zu bekämpfen, sondern auch zu gewinnen, sind unter den Väterzeugnissen nestorianische Autoritäten (Diodor von Tarsus und Theodor von Mopsuestia) nicht aufgeführt worden, da deren Aussprüche für die Monophysiten von vornherein keinen Wert hatten70. Sehr schön ist gleich im Anfang des ersten Dialogs der Unterschied zwischen οὐσία [ousia] und ὑπόστασις [hypostasis] auseinandergesetzt, freilich nur in seiner Anwendung auf die Trinitätslehre71. Erhalten ist das Werk in einer zweiten, vermehrten Ausgabe. Es sind nämlich zwanzig Väterstellen, die Papst Leo seiner dogmatischen Epistel an den Patriarchen Flavian folgen ließ, später, nach dem Konzil von Chalcedon, den Väterzitaten am Schluß des zweiten Dialoges angefügt worden72.

5.       Eine Reihe von dogmatischen Werken Theodorets ist verloren gegangen: so eine Verteidigungsschrift für Diodor von Tarsus und Theodor von Mopsuestia, wahrscheinlich gegen die Angriffe des Cyrill (um 438)73, eine Schrift gegen die Arianer und Eunomianer in zwölf Büchern74, eine Schrift gegen die Macedonianer in drei Büchern75, eine weitere Schrift gegen die Apollinaristen76, eine andere gegen die Marcioniten77 und endlich der Liber mysticus78, der in zwölf Büchern die Mysterien des Glaubens gegen häretische Angriffe in Schutz nahm79.

 

D. Historische Schriften

Auf dem Gebiete der Geschichte hat Theodoret nur einige wenige Versuche unternommen. Sein erstes diesbezügliches Werk ist

1.       seine Mönchsgeschichte, „Historia religiosa seu ascetica vivendi ratio” (φιλόθεος ἱστορία ἢἀσκητικὴ πολιτεία) [philotheos historia ē askētikē politeia]80. Theodoret will nicht das Leben aller Heiligen allerorten beschreiben, denn das würde seine Kenntnisse und die Kraft eines einzelnen übersteigen, sondern nur derjenigen, welche im Orient gleich Lichtern geglänzt und ihre Strahlen bis an die Grenzen der Erde gesendet haben, und selbst diese nicht alle, weil auch hierzu die Zeit nicht reichen und überdies die zu große Zahl der beschriebenen Tugendbeispiele die Leser ermüden würde. So will er denn in dreißig Kapiteln nur das Leben jener Aszeten schildern, welche im Morgenlande, zumeist in der Nähe von Antiochien, nach Tugend rangen und deren geistliche Kämpfe er entweder selbst kennen gelernt oder von glaubwürdigen Augenzeugen erfahren hatte81. Die ersten zwanzig Kapitel handeln von Athleten, die bereits als Sieger ausgerufen worden sind, die letzten zehn Kapitel von Helden der Tugend, die noch im Leben und im Kampfe stehen, darunter Simeon Stylites (c. 2682). In den letzten zwei Kapiteln (29 u. 30) werden drei fromme Frauen vorgeführt, die um so mehr zu bewundern sind, weil sie trotz ihrer schwächeren Natur den gleichen Heldenmut zeigen wie die Männer83. Die Kapitel 14 bis 25 reden von Einsiedlern, die Blumen gleich auf den heimatlichen Gefilden von Cyrus erblühten84.

Die der Mönchsgeschichte in den Ausgaben und auch in manchen Handschriften beigegebene „Oratio de divina et sancta caritate” (λόγοσπερὶτῆςθείασκαὶἁγίασἀγάπης85) [logos peri tēs theias kai hagias agapēs] will die innere Triebfeder und Kraftquelle der äußeren Strengheiten aufzeigen oder darlegen, daß es die heilige Liebe Gottes war, welche die Mönche zu dieser Lebensweise antrieb und zu den übermenschlichen Kämpfen befähigte.

Die Mönchsgeschichte wird von Theodoret wiederholt in seiner Kirchengeschichte erwähnt86, ist also jedenfalls vor dieser, demnach vor 450 verfaßt worden. Sie wird auch bereits in dem 449 geschriebenen Brief Theodorets an den Bischof Eusebius von Ancyra aufgeführt als ein Werk, aus dem man die Rechtgläubigkeit des Verfassers ersehen könne87. Sie wird damals schon in weiteren Kreisen bekannt gewesen, also jedenfalls einige Jahre zuvor, vermutlich um 444, entstanden sein88.

2.       Nicht allzu lange nach der Abfassung der Mönchsgeschichte ging Theodoret daran, eine Kirchengeschichte zu schreiben, „Historia ecclesiastica” (ἐκκλησιαστικήἱστορία89) [ekklēsiastikē historia]. Dieselbe will eine Fortsetzung der Kirchengeschichte des Eusebius sein90 und wird gerne trotz der Mängel, die ihr anhaften, nicht nur als die kürzeste, sondern auch als die beste der drei Fortsetzungen bezeichnet. Sie umfaßt einen Zeitraum von 105 Jahren, nämlich die Zeit von 323—42891, kümmert sich hauptsächlich um die Schicksale der arianischen Häresie und berücksichtigt vorzugsweise das Patriarchat Antiochien. Die Entstehung der Kirchengeschichte wird in die Zeit des Exils (449—450) zu setzen sein, wo der Verfasser, von der sogen. Räubersynode (449) abgesetzt und vom Kaiser verbannt, in seinem früheren Kloster Nicertä bei Apamea sich aufhielt92.

3.       Die letzte der drei historischen Schriften Theodorets ist seine Ketzergeschichte, „Haereticarum fabularum compendium” (αἱρετικῆςκακομυθίαςἐπιτομὴ) [hαiretikēs kakomythias epitomē] in fünf Büchern93. In den ersten vier Büchern werden alle Häresien von den Zeiten der Apostel an in Kürze beschrieben, und zwar im ersten Buch die gnostischen Häresien von Simon Magus an bis zu Manes, im zweiten Buch die antitrinitarischen Sekten von Ebion (!) bis zu Photinus, im dritten Buch einige (6) Irrlehren, die zwischen den gnostischen und antitrinitarischen „in der Mitte liegen94” (Montanisten, Quartodecimaner, Novatianer, Chiliasten, auch die Nikolaiten und Noëtus aus Smyrna werden hier behandelt), und endlich im vierten Buch die neueren Häresien des vierten und fünften Jahrhunderts von Arius bis zu Nestorius und Eutyches. Die falschen Lehren der Häretiker werden nicht widerlegt, sondern nur dargelegt. Dafür wird im fünften Buch ein Abriß der katholischen Glaubenslehre (θείωνδογμάτωνἐπιτομὴ95) [theiōn dogmatōn epitomē] gegeben; denn nach der Darstellung der Häßlichkeit der Lüge wird die Wahrheit um so glänzender und göttlicher erscheinen96. Dieses fünfte Buch ist auch dogmengeschichtlich von Wert, insofern als es einer der wenigen patristischen Versuche ist, die christliche Lehre in systematischer Ordnung zur Darstellung zu bringen97. Als Quellen für seine Ketzergeschichte nennt Theodoret selbst eine Reihe früherer Häreseologen und berühmter Kirchenlehrer: Justinus Martyr, Irenäus, Klemens Alexandrinus, Origenes, Eusebius von Cäsarea, Eusebius von Emesa u. a.98. Vor allem aber hat er benützt das erste Buch des Irenäus „adversus haereses”, das zehnte Buch der Philosophumena, das er aber nicht Hippolyt, sondern dem Origenes zuschreibt, und die Kirchengeschichte des Eusebius von Cäsarea99. Das Panarion des Epiphanius kennt er auffallenderweise nicht. Geschrieben ist die Ketzergeschichte etwa im Jahre 453100.

 

E. Predigten

Von den zahlreichen Predigten Theodorets haben sich außer den bereits oben erwähnten zehn Reden auf die Vorsehung und einer Rede über die Gottesliebe am Schluß seiner Mönchsgeschichte nur Bruchstücke erhalten101. Was aber auf uns gekommen ist, zeigt uns, was wir bereits in der Lebensgeschichte des großen Mannes erwähnt haben, daß er ein gottbegnadigter Redner war, der gerne predigte, aber auch ebenso gerne und oft unter lauten Beifallskundgebungen gehört wurde.

 

F. Briefe

Nicephorus Kallistus kannte im vierzehnten Jahrhundert noch mehr als fünfhundert Briefe Theodorets102. Davon ist gegenwärtig der größere Teil verschollen. In der Briefsammlung bei Migne finden sich noch 181 Nummern103, wobei aber Briefe mitgezählt sind, die nicht von Theodoret oder doch nicht ausschließlich von ihm stammen. Das „Synodicon” enthält dann in lateinischer Übersetzung noch eine Anzahl Briefe, die in der Sammlung bei Migne entweder ganz fehlen oder nur bruchstückweise enthalten sind104. Dazu hat 1885 Sakkelion in einer Handschrift auf Patmos 48 weitere Briefe Theodorets aufgefunden105, so daß die Gesamtzahl der gegenwärtig bekannten Briefe Theodorets sich auf rund 230 beläuft.

Die Briefe sind teils Privatbriefe, Freundschafts-, Trost- und Glückwunschschreiben, Festbriefe, die über den Verlauf von Festlichkeiten berichten, teils sind sie veranlaßt durch die damaligen theologischen Streitigkeiten; einzelne sind gegen Cyrill gerichtet, andere sind Rechtfertigungsschreiben gegen die verleumderischen Anklagen der Monophysiten; verschiedene Briefe enthalten gelegentliche Notizen über die Lebensverhältnisse des Verfassers, über seine bischöfliche Tätigkeit, über Zahl, Titel und Abfassungszeit seiner Schriften. Viele von diesen Briefen bieten daher bedeutsames Quellenmaterial für die Kirchengeschichte, namentlich für die Vorgeschichte der Räubersynode106.

Allgemein gelten die Briefe Theodorets als stilistische Meisterwerke. Garnier faßt sein Urteil über dieselben in die Worte zusammen: „Es gibt in dieser Schreibart nichts Vollkommeneres. Denn die Vorzüge, die ein Brief haben soll, Kürze, Klarheit, Schönheit des Ausdrucks, Höflichkeit, Bescheidenheit, Takt und Anspruchslosigkeit, gepaart mit Geist, Klugheit und Gelehrsamkeit, das alles erstrahlt in den Briefen Theodorets in so wunderbarem Glanze, daß sie allen Briefschreibern zum Vorbild dienen können107.”

 

III. Theodorets Christologie

 

§ 1. Der Nestorianismus im Gegensatze zum Arianismus und Apollinarismus.

 

1.

 Es ist schon früher erwähnt worden108, daß Theodoret längere Zeit dem Nestorianismus ergeben war und erst allmählich sich zur Orthodoxie durchgerungen hat.

Wenn man diese Haltung Theodorets recht verstehen und gerecht beurteilen will, muß man sie historisch im Rahmen der antiochenischen Schule und diese letztere in ihrem Gegensatze zum Arianismus und Apollinarismus betrachten und würdigen.

1. Der Arianismus war nicht bloß eine theologische (trinitarische), sondern auch eine christologische Häresie. Arius leugnete nicht nur die wahre Gottheit des Logos, sondern auch die volle Menschheit Christi. Nach ihm hat unser Erlöser keine menschliche Seele besessen; deren Stelle hat der Logos eingenommen. Durch diese Verkürzung der menschlichen Natur Christi glaubte Arius die Verbindung des Göttlichen und Menschlichen in Christus leichter begreifen zu können, aber auch und noch mehr wollte er damit seine Theologie stützen, daß der Logos ein leidensfähiges Mittelwesen und nicht wahrhaft göttlicher Natur gewesen sei. Denn wenn Christus keine menschliche Seele besaß, dann müssen alle Äußerungen des Seelenlebens und im besonderen alle Stellen der Heiligen Schrift, welche von der menschlichen Seele des Erlösers handeln, vom Nichtwissen einer Sache, von Angst und Furcht, von Leiden und Schmerzen, auf den Logos selbst unmittelbar zurückgeführt werden. Ein Logos aber, der als solcher den Affekten und Leiden unterworfen ist, kann nicht Gott sein im wahren Sinne des Wortes, sondern muß ein Geschöpf sein.

Längere Zeit haben jedoch die Vertreter des nizänischen Glaubens diesen christologischen Irrtum des Arius weniger beachtet, da ihnen vor allem die Verteidigung der wahren Gottheit des Logos am Herzen lag; und als sie demselben größere Aufmerksamkeit zuwendeten, namentlich von der Synode von Alexandrien (362) an,da richtete sich der Kampf nicht so fast gegen die Arianer, als vielmehr gegen Apollinaris109.

 

2.

Apollinaris der Jüngere, seit 362 Bischof von Laodicea, war einer der entschiedensten und eifrigsten Gegner des Arianismus, vermochte denselben aber doch nicht ganz zu überwinden. Er überwand ihn zwar nach seiner theologischen (trinitarischen), nicht aber nach seiner christologischen Seite hin. Er trat zwar entschieden für die wahre und eigentliche Gottheit des Logos ein, aber die menschliche Natur Christi ist auch nach ihm nicht vollständig. Er ging allerdings nicht so weit, wie die Arianer, daß er dem Erlöser die menschliche Seele überhaupt absprach, wohl aber leugnete er den νοῦς [nous] oder die vernünftige Seele. Er unterschied nämlich im menschlichen Wesen mit den späteren Platonikern drei Bestandteile: den Leib (σάρξ) [sarx], die niedere, sinnliche Seele (ψυχὴἄλογος [psychē alogos] oder schlechthin ψυχὴ [psychē]) und die höhere, vernünftige Seele (ψυχὴλογική, νοῦς , πνεῦμα) [psychē logikē, nous, pneuma]. Nach der Meinung des Apollinaris hat nun der Logos zwar den menschlichen Leib und die niedere sinnliche Seele angenommen, an die Stelle der vernünftigen Seele oder des denkenden und wollenden Geistes aber ist er selbst getreten.

 

3.

Die antiochenischen Theologen wollen nun den Arianern gegenüber die wahre Gottheit und den Arianern und Apollinaristen gegenüber die volle Menschheit des Erlösers verteidigen. Im Gegensatz zum Arianismus, der alle menschliche Tätigkeit, und im Gegensatz zum Apollinarismus, der wenigstens alle vernünftige menschliche Tätigkeit, alles vernünftige Denken, Wollen und Handeln in Christus unmittelbar dem Logos zuschrieb, wollen die Antiochener vor allem der menschlichen Natur Christi ihr volles Recht wahren und unterscheiden deshalb in den Aussprüchen der Heiligen Schrift genau zwischen dem, was sich auf die Gottheit, und dem, was sich auf die Menschheit des Erlösers bezieht. Diese scharfe Unterscheidung führte aber zur Leugnung der Idiomengemeinschaft (communicatio idiomatum) und damit von selbst zur Leugnung der Einpersönlichkeit Christi110. Wegen dieser schroffen Scheidung wollte und konnte Nestorius nicht sagen, daß Gott Menschliches getan, daß er gelitten habe und gestorben sei, und auch nicht, daß Gott aus Maria geboren worden sei, konnte also Maria auch nicht Gottesgebärerin nennen.

 

4.

Wohl hat auch die antiochenische Schule eine Einigung der beiden Naturen in Christus festgehalten. Dazu zwang sie ja das Glaubensbewußtsein der ganzen Kirche. Aber was sie annahm, war nicht eine wahre, dem Glaubensbewußtsein der Kirche entsprechende hypostatische Vereinigung (mit der communicatio idiomatum in concreto, dem Prüfstein der wahren Lehre) , sondern nur eine moralische Einheit, bei der die Selbständigkeit und Eigenpersönlichkeit der menschlichen Natur erhalten blieb.

Apollinaris hatte die vernünftige menschliche Seele in Christus geleugnet, weil er der Ansicht war, daß zwei vollständige Wesen nicht eines werden könnten (δύοτέλειαἕνγενέσθαιοὐδύναται) [dyo teleia hen genesthai ou dynatai]. Wenn der vollkommene Gott sich mit einem vollkommenen Menschen verbände, so wären es zwei Söhne Gottes, ein natürlicher und ein angenommener. Eine wirkliche Vereinigung zu einem Wesen könne nur dadurch zustande kommen, daß die menschliche Natur unvollkommen bleibe und daß an die Stelle des der menschlichen Natur fehlenden Teiles der Logos trete. Wie beim Menschen Leib, Seele und Geist ein Wesen bilden, so seien auch in Christus Leib, Seele und der göttliche Logos zu einem gottmenschlichen Wesen verbunden.

Diesem apollinaristischen Irrtum gegenüber wollen nun die Antiochener und vor allem Theodor von Mopsuestia, der eigentliche Urheber der nestorianischen Häresie, die Vollkommenheit und Unversehrtheit der beiden Naturen in Christus und doch eine wahre Vereinigung derselben festhalten. Allein so gut ihre Absicht war, das Ziel, das sie sich setzten, erreichten sie nicht. Denn die Vereinigung, die sie lehrten, war nicht eine persönliche, sondern nur eine moralische, nicht eine Vereinigung, wie sie durch den Glauben und den Sprachgebrauch der Kirche gefordert war, sondern nur eine lose Einheit, wie sie zwischen zwei Personen besteht, die in einem freundschaftlichen Verhältnis (σχέσις) [s-chesis] zu einander stehen (ἕνωσιςἐνσχέσει, κατὰσχέσιν, σχετική) [henōsis en s-chesei, kata s-chesin, s-chetikē]. Das Band der Einheit ist das Wohlgefallen, das der Logos an dem Menschen Jesus findet (ἕνωσιςκατ’ εὐδοκίαν) [henōsis kat’ eudokian]. Dieses Wohlgefallen aber hat seinen Grund in der vorausgesehenen freien und völligen Willensübereinstimmung des Menschen Jesus mit dem Logos (ἕνωσιςκατὰγνώμην oder γνωμική) [henōsis kata gnōmēn oder gnōmikē].

Apollinaris glaubte ferner, daß mit der Annahme einer vernünftigen menschlichen Seele in Christus die Unsündlichkeit (Impeccabilität) und Sündlosigkeit des Erlösers und damit auch unsere Erlösung gefährdet würde. Denn mit der menschlichen Vernunft (νοῦς) [nous] sei auch der freie menschliche Wille und mit dem freien Willen die Möglichkeit und in natürlicher Folge auch die Wirklichkeit der Sünde gegeben, und damit wäre die Erlösung des Menschengeschlechtes zum wenigsten in Frage gestellt.

Auch diese Furcht teilte Theodor von Mopsuestia und mit ihm die antiochenische Schule nicht. Im Gegenteil, gerade mit seinem freien Willen überwand nach ihrer Ansicht der Mensch Jesus alle Versuchungen und gab sich an den Logos mit größerer Entschiedenheit hin als alle anderen Heiligen und Gerechten. Darum hatte der Logos, der diese vollständige, unveränderliche und beharrliche Hingabe des menschlichen Willens Jesu voraussah, von Anfang an ein größeres Wohlgefallen an ihm als an allen anderen Menschen, und darum war auch die Vereinigung des Logos mit dem Menschen Jesus von Anfang an eine viel innigere und gnadenvollere als bei allen anderen Menschen, und zwar bis zu dem Grade, daß der Logos und der Mensch Jesus miteinander einen Namen haben, ein Sohn,* ein* Herr, ein Christus heißen und daß der Mensch Jesus teilnimmt an der Ehre und Würde, an der Majestät und Anbetungswürdigkeit111, an der Macht und Wirksamkeit des Logos, daß er mit ihm die Wunder wirkt und so zum Mitarbeiter der unumschränkten göttlichen Macht wird112.

 

 

§ 2. Die Christologie des Theodor von Mopsuestia.

 

1.

Haben wir bisher die nestorianische Lehre im allgemeinen und in ihrem Gegensatz zum Arianismus und Apollinarismus in großen Umrissen gekennzeichnet, so müssen wir nunmehr die Christologie des Theodor von Mopsuestia im einzelnen kennen lernen. Theodor ist, wie schon erwähnt, der eigentliche Urheber der nestorianischen Häresie, mit ihm stimmen mehr oder minder alle antiochenischen Theologen überein. Eine eingehende Kenntnis seines christologischen Systems erscheint deshalb notwendig, wenn wir die Gedanken Theodorets, die Bedeutung und Tragweite einzelner Ausdrücke und Redewendungen richtig erfassen und beurteilen wollen.

Nach Theodor von Mopsuestia ist die Vereinigung des Logos mit dem Menschen Jesus nur eine moralische, eine auf Grund des göttlichen Wohlgefallens erfolgte freundschaftliche Vereinigung zweier Naturen, die in ihrer Selbständigkeit verbleiben. Theodor nennt diese Vereinigung gerne συνάφεια [synapheia], Zusammenheftung, Verbindung, Verknüpfung, mit Vorliebe aber bezeichnet er sie als ἐνοίκησις [enoikēsis], Einwohnung, nämlich des Logos im Menschen Jesus, während ihm die Menschwerdung (ἐνανθρώπησις) [enanthrōpēsis] gleichbedeutend erschien mit einer Verwandlung des Logos in einen Menschen und darum entschieden abgelehnt wurde. Ähnlich erklärt er auch die klassische Schriftstelle Joh. 1, 14: „Das Wort ist Fleisch geworden” so, daß das Wort oder der Logos nur dem Scheine nach (κατὰτὸδοκεῖν) [kata to dokein] Fleisch wurde. Der Ausdruck „dem Scheine nach” will aber nicht besagen, daß der Logos kein wahres Fleisch annahm, wie die Doketen meinten, sondern daß er nicht in Fleisch verwandelt wurde113. Die Annahme des Fleisches, d. h. der menschlichen Natur, bedeutet vielmehr, daß der Logos in einem Menschen Wohnung genommen habe.

 

2.

Diese Einwohnung ist nach Theodor nicht eine wesentliche (οὐσίᾳ, κατ’ οὐσίαν) [ousia, kat’ ousian]; denn Gott ist allgegenwärtig und kann in seiner Wesenheit nicht auf Menschen beschränkt, nicht durch einen Menschen umschrieben werden114. Eine wesentliche Vereinigung kann nur bei wesensgleichen Dingen zustande kommen, nicht aber bei Dingen von verschiedener Wesenheit115. Ebensowenig kann die Einwohnung des Logos eine solche der Wirksamkeit nach (ἐνεργείᾳ, κατ’ ἐνέργειαν) [energeia, kat’ energeian] sein; denn Gott gibt allen Dingen ihr Sein und ihr Wirken116. So bleibt nur eine Einwohnung dem Wohlgefallen nach (εὐδοκίᾳ, κατ’ εὐδοκιαν117) [eudokia kat’ eudokian], welche die Naturen ohne Vermischung und ohne Trennung erhält und ein Prosopon der beiden Naturen aufweist und einen Willen, eine Tätigkeit und konsequent auch eine Autorität und Herrschaft118.

 

3.

Die Einwohnung des Logos im Menschen Jesus ist im allgemeinen die gleiche wie bei anderen Heiligen und Gerechten. Der Logos wohnt gerne in solchen Seelen, in denen er eine sittliche Ähnlichkeit und Verwandtschaft mit seinem eigenen göttlichen Geist und Willen erblickt und an denen er darum sein Wohlgefallen hat. Doch weist die Einwohnung des Logos im Menschen Jesus eine Reihe von wichtigen und wesentlichen Unterschieden auf gegenüber der Einwohnung in anderen Menschen119. Erstens begann diese Einwohnung im Menschen Jesus sofort bei seiner Empfängnis im Schoß der seligsten Jungfrau120, während sie bei anderen Heiligen erst später eintritt. Zweitens ist diese Einwohnung oder Verbindung mit dem Menschen Jesus eine unauflösliche121. Drittens ist sie eine geheimnisvolle; der Gott Logos hat den Menschen Jesus auf unaussprechliche Weise mit sich vereinigt, um uns alle der Gotteskindschaft teilhaftig zu machen und von der Knechtschaft des Gesetzes zu befreien122. Viertens ist diese Vereinigung von Anfang an eine innigere und gnadenreichere als bei anderen Menschen. Nachdem Jesus einmal der Vereinigung gewürdigt worden war, erlangte er damit auch alles, was sich für einen Menschen geziemte, der mit dem eingeborenen Sohn Gottes, dem Herrn der Welt, verbunden war, und wurde im Vergleich zu anderen Menschen um so größerer Gnaden teilhaftig, je ausgezeichneter die Vereinigung war, die ihm zuteil wurde123. Auch der Einwohnung des Heiligen Geistes wurde der Mensch Jesus in vorzüglicher Weise gewürdigt. Ihm wurde die Fülle der Geistesgnade zuteil, während andere Menschen nur bis zu einem gewissen Grade an dem Heiligen Geiste teilnehmen124.

 

4.

Infolge seiner übernatürlichen Erzeugung und seiner Vereinigung mit dem Logos ging bei Jesus die Entwicklung rascher vor sich als bei anderen Menschen. Er gelangte früher zur Unterscheidung zwischen gut und bös und wandte sich sofort mit einer unaufhaltsamen Hingebung dem Guten zu und verabscheute das Böse, und da er hierin von dem in ihm wohnenden Logos wirksam unterstützt wurde, blieb er im Hasse gegen das Böse unveränderlich. So schritt er mit größter Leichtigkeit vorwärts auf der Bahn der Tugend, beobachtete das Gesetz vor der Taufe, führte ein Leben in der Gnade nach der Taufe und ward uns so Muster und Vorbild125. Jesus übte die Tugend genauer und leichter als andere Menschen, weil der Gott Logos ihm eine kräftige Mitwirkung zur vollkommenen Erfüllung aller Pflichten gewährte, indem er zum Heile aller Menschen dessen ganzes Tun unter seine Leitung nahm, ihn zu größerer Vollkommenheit anspornte, ihm bei seinen geistigen und leiblichen Anstrengungen den größeren Teil abnahm und auf solche Weise seine Tugendübung wertvoller und leichter machte126. Obschon nämlich der Logos von Anfang im Menschen Jesus wohnte, lag es doch in der Anordnung Gottes, daß der Mensch erst allmählich zur Vollkommenheit geführt wurde127.

 

5.

Ebenso unterstützte der Logos den Menschen Jesus, in dem er wohnte, in seinen Kämpfen gegen äußere und innere Versuchungen. Da Christus eine vollkommene menschliche Natur besaß, so war ihm auch das freie Wahlvermögen (τὸαὐτεξούσιον) [to autexousion] eigen, das Vermögen zwischen gut und bös zu wählen, wenn er tatsächlich auch immer für das Gute sich entschied. Und weil er die menschliche Natur nach allen Seiten hin heilen wollte, so hatte er nicht bloß innere, seelische Kämpfe zu bestehen, sondern auch der Streit zwischen Geist und Fleisch war ihm nicht fremd. Doch belästigten ihn mehr die seelischen als die fleischlichen Affekte und Leidenschaften. Aber mit seiner besseren Einsicht und mit Hilfe der Gottheit überwand er die einen wie die anderen. Insbesondere unterdrückte er alle Regungen der Sinnlichkeit, ertötete im Fleisch die Sünde und milderte seine Gelüste. Die einwohnende Gottheit unterwies und übte die menschliche Seele, die Leidenschaften zu besiegen und die Gelüste des Fleisches zu zügeln128.

 

6.

Die einzigartige, innige und unauflösliche Vereinigung des Logos mit dem Menschen Jesus, die Einheit und Harmonie des geistigen Lebens und der Gesinnung, des Wollens und Wirkens hatte zur Folge, daß der Mensch Jesus und der in ihm wohnende Logos nach außen hin als ein Wesen, als eine einzige Person (πρόσωπον) [prosōpon] erschienen. Deshalb muß an der Einheit der Person ebenso notwendig festgehalten werden wie an dem Unterschied der Naturen129. Trotzdem aber bleibt nach der Meinung des Theodor die Verbindung der beiden Naturen nur eine lose und moralische. Es kommt eigentlich nur darauf an, wie wir die Sache betrachten. „Wenn wir die Naturen auseinanderhalten (διακρίνωμεν) [diakrinōmen], sprechen wir von einer vollkommenen Natur und Person (πρόσωπον) [prosōpon] des Gottes Logos — denn man kann nicht von einer Hypostase (= Natur) reden, die ohne Persönlichkeit wäre130 — und ebenso von einer vollkommenen Natur und Person des Menschen; wenn wir aber auf die Verbindung (συνάφεια) [synapheia] blicken, sprechen wir von einer Person (ἓνπρόσωπον) [hen prosōpon]131”. Als Gleichnis für die moralische Vereinigung der beiden Naturen führt Theodor das Verhältnis von Mann und Weib in der Ehe an und verweist auf die Heilige Schrift, welche sagt: „Sie werden zwei in einem Fleische sein. So sind sie also nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch132.” Selbst mit der Verbindung von Seele und Leib vergleicht Theodor die Vereinigung des Logos mit dem Menschen Jesus: Wie Seele und Leib zwei verschiedene Wesenheiten sind und doch zu einem Menschen sich vereinigen, ohne etwas von ihrer Wesenheit zu verlieren oder einzubüßen, so verbinden sich auch der Logos und das Fleisch (= die menschliche Natur) Christi zu einem Prosopon, ohne die Vollkommenheit und Selbständigkeit der beiden Naturen dadurch irgendwie zu beeinträchtigen133.

 

7.

Das Wohlgefallen, das der Logos an dem Menschen Jesus hatte und das sich in einer innigen und unauflöslichen Vereinigung mit demselben auswirkte, äußerte sich auch darin, daß der Logos den Menschen teilnehmen ließ an seiner Gottessohnschaft. Es gibt nur eine Gottessohnschaft, die der Logos auf Grund seiner Natur besitzt und an der der Mensch infolge der Vereinigung teilnimmt. Es darf darum in Christus wie nur eine Person so auch nur ein Sohn und Herr bekannt werden134. Theodor verwahrt sich nachdrücklich gegen den Vorwurf der Apollinaristen, daß er zwei Söhne lehre135. Er entgegnet ihnen folgendermassen: Wenn jede Person ihrer Substanz nach Gottes Sohn und Herr wäre, dann könnte man in gewissem Sinne von zwei Söhnen reden nach der Zahl der Personen; da aber nur der Logos seiner Wesenheit nach Gottes Sohn und Herr ist, nicht aber der Mensch, dieser vielmehr infolge der Vereinigung an der Sohnschaft und Herrschaft des natürlichen Sohnes Gottes teilnimmt, so sprechen wir von einem Sohn und Herrn136. Wenn wir Christus Sohn Gottes nennen, denken wir zunächst an den Logos, der wahrhaft und wesentlich und von Natur aus Sohn Gottes ist, aber wir schließen in unserem Denken auch den Menschen Jesus von Nazareth ein, den Gott mit Geist und Kraft gesalbt hat und der in seiner Verbindung mit dem Logos teilhat an der Sohnschaft und Herrschaft desselben137. Diese Teilnahme an der Sohnschaft des Logos wird ausdrücklich bestätigt durch die Stimme des himmlischen Vaters, die bei der Taufe Jesu im Jordan vom Himmel erscholl: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe138.” Diese Worte können nach Theodor nicht auf den Logos bezogen werden, sondern sind vom Menschen Jesus zu verstehen139. Es gibt also nach Theodor nur eine einzige, wahre und eigentliche, natürliche Sohnschaft in Christus, die des Logos. Weil aber der Mensch infolge der Vereinigung an dieser Sohnschaft teilnimmt, ist auch er Gottes Sohn, aber nicht von Natur aus, sondern aus Gnade und durch Adoption. Und weil es nur eine einzige natürliche und eigentliche Gottessohnschaft gibt, darf auch nur von einem Sohne Gottes und nicht von zwei Söhnen gesprochen werden140.

 

8.

Da Jesus mit dem in ihm wohnenden göttlichen Logos ein Prosopon bildet, mit ihm ein Herr und Sohn Gottes ist, so gebührt ihm auch die gleiche Ehre und Herrlichkeit. Gott wohnt in Christus nicht wie in den Propheten, Aposteln und Gerechten, sondern wie in einem Sohne (ὡςἐνυἱῷ) [hōs en hyiō], das heißt: Der Logos ließ den Menschen, den er annahm und mit dem er sich vereinigte, teilnehmen (συμμετασχεῖν) [symmetas-chein] an der ganzen Ehre, die er selber von Natur aus besitzt (μετέχει141) [metechei], so daß er infolge der Vereinigung zu einer Person mit ihm gehört, und ließ ihn teilnehmen an der ganzen Herrschaft und will in ihm alles wirken und Gericht halten über die ganze Welt142