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Paul Klee gehört zu den Künstlern, die sich nur schwerlich einer bestimmten kunstgeschichtlichen Bewegung zuordnen lassen. In engem Kontakt mit Wassily Kandinsky und Franz Marc gehörte er wie diese der expressionistischen Künstlergruppe Der Blaue Reiter an. Später knüpfte er Verbindungen zum Bauhaus und unterrichtete sogar Malerei an der Dessauer Schule. Seiner Ansicht nach ging es bei der Kunst keineswegs um die Produktion, sondern vielmehr darum, die Dinge äußerst sichtbar werden zu lassen. In seinen Gemälden vereinte Klee geschickt die zu Beginn des 20. Jahrhunderts vorherrschenden Tendenzen. Er führte kubistische und orphistische Elemente in den deutschen Expressionismus ein und verlieh seinen eigenen Werken eine surrealistische und melancholische Poesie. Der Autor führt uns hier die Wunder der Klee’schen Welt vor Augen, in der jeder Pinselstrich die Macht der Farben bestätigt.
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Seitenzahl: 58
Autor: Eric Shanes
Text: Donald Wigal
Überstzung: Karin Akler
Layout:
Baseline Co. Ltd
61A-63A Vo Van Tan Street
4. Etage
Distrikt 3, Ho Chi Minh City
Vietnam
© Confidential Concepts, worldwide, USA
© Parkstone Press International, New York, USA
© Paul Klee Estate/ Artists Rights Society, New York/ VG Bild-Kunst, Bonn
Weiltweit alle Rechte vorbehalten.
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Eric Shanes
INHALT
1. Warnung der Schiffe, 1917
2. Im Steinbruch, 1913
Feder, Aquarell auf rohweißem Papier
(18,5 x 14,2 cm) auf rosa eingefärbtes
Bütten aufgezogen (24,2 x 15,6 cm).
Graphische Sammlung, Staatsgalerie Stuttgart
In einer Sammlung seiner Schriften mit dem TitelDas denkende Augeforderte Paul Klee seine Leser einmal auf, mit ihm “...eine kleine Reise ins Land der besseren Erkenntnis” zu unternehmen. Er bezog sich dabei auf die technischen Aspekte der Kunst, doch könnte die gleiche Einladung auch am Anfang dieses Buches mit dem knappen Porträt des Künstlers stehen. Es nimmt den Leser mit auf eine kurze Reise zu den Höhepunkten in Klees faszinierendem Leben, betrachtet jedoch auch seine Kunst insgesamt und wirft einen Blick auf die fünfundsechzig hier wiedergegebenen repräsentativen Werke. (Eine vollständige Liste der 8926 Werke Klees findet sich imCatalogue raisonné Paul Klee.)
Der gebürtige Schweizer Paul Klee (1879 bis 1940) war zweifellos einer der geistreichsten, fantasievollsten und innovativsten Künstler überhaupt. Ein Meister der Fantasie, schuf er tausende eindrucksvolle, kleinformatige, immer von Feingeist und Scharfblick zeugende Werke. Sein Oeuvre wird kaum je mit dem eines anderen Künstlers verwechselt, und jedes seiner Bilder besitzt – ganz im Gegensatz zu vielen anderen, die ihre Nischen besetzen und dann immer darin hocken bleiben – eine eigene Identität. Er spielt geschickt mit den Sinnen des Betrachters und verleiht seiner Kunst damit etwas Zweideutiges, meistens auf eine leise, zurückhaltende Art. Obgleich er, selbst als sie in Deutschland offiziell missbilligt wurde, die Entwicklung der modernen Kunst maßgeblich beeinflusste, schloss sich Klee keiner der zahlreichen Bewegungen seiner Zeit rückhaltlos an.
Klee wurde am 18. Dezember 1879 in Münchenbuchsee in der Nähe von Bern (Schweiz) geboren. Sein Vater, Hans Klee, war Deutscher und Musikschullehrer an der pädagogischen Hochschule in Bern-Hofwyl. Pauls Mutter, Ida Marie Klee, hatte ihre musikalische Ausbildung in Stuttgart erhalten. Sein Urgroßvater väterlicherseits war Organist in Thüringen gewesen. Klees berühmteste Zeichnung aus seiner frühesten Kindheit ist die eines Hasen,entstanden im Alter von fünf Jahren. In jungen Jahren zeichnete er dann Teufel, die in seiner Vorstellung tatsächlich Gestalt annahmen. Zu Beginn seiner Aufzeichnungen erinnert er sich in seinen Tagebüchern daran, wie seine teuflischen Figuren ihn dann so sehr erschreckten, dass er Trost suchend zu seinen Eltern flüchtete. Die ersten Anzeichen seines künstlerischen Temperaments brachte der junge Paul Klee jedoch nicht mit der bildenden Kunst, sondern mit Musik zum Ausdruck. Seine Familie unterstützte die Bemühungen des siebenjährigen Jungen um das 1886 begonnene Geigenspiel; und erst 1935 zwang ihn seine angeschlagene Gesundheit zu dessen Aufgabe.
Aber immer, bevor er zu malen begann, spielte er eine Stunde lang auf seiner Geige – genau wie der große Jean-Auguste-Dominique Ingres (1780 bis 1867). Außerdem zeichnete er jeden Tag, so, wie Picasso und Matisse es ebenfalls taten. Und noch zu Schulzeiten spielte er auch in Kammermusikgruppen und im städtischen Orchester, dem es aber zugegebenermaßen an Virtuosität fehlte. Der große spanische Cellist Pablo Casals (1886 bis 1973) erlebte im Januar 1905 einen ihrer Auftritte und soll im Anschluss daran auf Französisch geäußert haben, die Vorstellung, mit diesem Orchester zu spielen, sei “schrecklich”. Trotz seines einschlägigen musikalischen Hintergrunds beschloss Klee aber dann als Zwanzigjähriger im Jahr 1898, an der Münchner Akademie nicht Musik, sondern Kunst zu studieren. Die Musik blieb dessen ungeachtet zeit seines Lebens für ihn von großer Bedeutung.
So betätigte er sich im Auftrag verschiedener Publikationen als Musikkritiker. In seinem Tagebuch notierte Klee häufig seine Eindrücke von Opern oder Konzerten, die er auf seinen Reisen nach Italien, Frankreich und Deutschland besuchte.
Aquarell und Papier auf Karton,
22,3 x 35,2 cm.
Zentrum Paul Klee, Bern
Aquarell auf Papier auf Karton,
20,7 x 31,5 cm.
Zentrum Paul Klee, Bern.
4. Ohne Titel, 1914.
Aquarell und Feder auf Karton,
17 x 15,8 cm.
Kunstmuseum, Basel.
5. Rote und weiße Kuppeln, 1914-1915.
Aquarell auf japanischem Velum,
14,6 x 13,7 cm.
Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf.
Um 1925, als er sich am Dessauer Bauhaus aufhielt, traf Klee den Komponisten Paul Hindemith (1895 bis 1963) und freundete sich offenbar mit dem jungen Komponisten an, dessen Kammermusik ihm gefiel. Zu diesem Zeitpunkt hatte Hindemith ein Klavierkonzert und zahlreiche Lieder sowie mehr als zwanzig größere Werke für Streicher geschrieben, darunter drei seiner sechs Stücke mit dem TitelKammermusik. In Klees vielschichtigem Werk macht sich der Einfluss der Musik immer wieder bemerkbar. Direkte Bezüge zur Musik finden sich in Zeichnungen wie derEidola-Reihe, beispielsweise mit der Zeichnung eines Pianisten oder den Darstellungen von Paukern. Viele seiner Titel nehmen Bezug auf die Musik, so etwaHeroische Bogenstriche(1938; Ill.); in zahlreichen Werken Klees tauchen Charaktere seiner Lieblingsopern und -dramen auf. Beispiele sind dieGenien-Figuren aus einem Ballett(1922; Ill.) und derSänger L. als Fiordiligi(1923). Kleemalte 1921 die 1881 posthum veröffentlichte OperetteHoffmanns Erzählungen(1921; Ill.), eine der acht von Jacques Offenbach (1819 bis 1880). In diesem und vielen anderen Werken schien Klee zu sehen, was er hörte, und zu hören, was er sah. Die typischen Elemente und Charakteristika der Musik (Vers, Tempo, Rhythmus, Harmonie) ebenso wie viele ihrer Formen (Fuge, Polyphonie und so weiter) ziehen sich durch sein gesamtes Werk. Bisweilen ist die Verbindung zur Musik selbst in den Titeln offensichtlich, so etwa inFuge in Rot(1921),Polyphongefasstes Weiß(1930) (1930; Ill.),Polyphonie(1932) oderNeue Harmonie(1936; Ill.).
Mindestens zwei der frühen Werke Klees zählen zu den bekannteren:Jungfrau im BaumundZwei Männer, einander in höherer Stellung vermutend, begegnen sich, beide aus dem Jahr 1903. Die in der Zeichnung verwendeten, seltsam in die Länge gezogenen, hageren Körper und getüpfelten Schatten zeigen die Suche des jungen Künstlers nach einer eigenen Ausdrucksform. Kleine zeichnerische Merkmale erweisen sich jedoch bereits als Vorboten seines reifen Stils. Schon zu diesem frühen Zeitpunkt setzte Klee ungewöhnliche Figuren ein, um zumeist mit leiser Ironie auf skurrile Art das menschliche Wesen zu kommentieren. So ging Klee den Surrealisten voraus, ohne explizit auf Sigmund Freud (1856 bis 1939) Bezug zu nehmen. Sein Werk ist von Unschuld und sanftem, manchmal ironischem Lachen beseelt. Das Konzept der Archetypen, das sein Zeitgenosse, der bekannte Psychologe Carl G. Jung (1875 bis 1961) entwickelt hatte, war Klee jedoch sehr wohl bewusst.