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Maler, Designer, Hersteller von seltsamen Gegenständen, Autor und Filmemacher: Dali wurde der Berühmteste der Surrealisten. Bunuel, Lorca, Picasso und Breton hatten einen großen Einfluss auf seine Karriere. Dalis und Bunuels Film "Ein andalusischer Hund" markierte seinen offiziellen Einstieg in die festgefügte Gruppe der Pariser Surrealisten, wo er Gala kennen lernte, seine lebenslange Gefährtin und die Quelle seiner Inspiration. Aber seine Beziehung verfiel bald bis zu ihrem endgültigen Ende mit André Breton im Jahr 1939. Trotz allem blieb Dalis Kunst in ihrer Philosophie und Ausdrucksweise surrealistisch, und ein Schulbeispiel für Humor, Reinheit und Erforschung des Unbewussten. Während seines ganzen Lebens war Dali ein Genie der Selbstvermarktung, indem er seinem Ruf eine mystische Note zufügte und immer beibehielt.
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Seitenzahl: 181
Autor: Eric Shanes
Redaktion der deutschen Ausgabe: Klaus H. Carl
Layout:
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Eric Shanes
INHALT
Einleitung
Die Meisterwerke
Ausgewahlte Bibliographie
Chronologie
A
Afrikanische Impressionen, 1938
Angelus, um 1932.
Das Angelus-Läuten (Angelus), 1857-1859,Jean-François Millet.
Das anthropomorphische Kabinett, 1936
Der Apotheker von Ampurdàn,der absolut nichts sucht, 1936
Die Apotheose des Homer, 1944-1945
Apparat und Hand,1927
Der architektonische Angelus von Millet, 1933
Atavistische Spuren nach dem Regen, 1934
Die Auflösung der Beständigkeitder Erinnerung, 1952-1954
Das Auge (Entwurf für den Film Spellbound), 1945.
B
Badende, 1928
Der Bahnhof von Perpignan, 1965
Die Beständigkeit der Erinnerung, 1931
Bildnis Galas mit zwei Lammkoteletts imGleichgewicht auf der Schulter, 1933.
Bildnis von Paul Éluard, 1929
Die brennende Giraffe, 1936-1937
C
Christus des Heiligen Johannes vom Kreuz, 1951
D
Dali von hinten, Gala von hinten malend,die von sechs virtuellen, sich vorübergehend insechs echten Spiegeln widerspiegelnden Hornhäutenverewigt wird (unvollendetes Werk), 1972-1973.
Drei junge surrealistische Frauen, die Haut einesOrchesters in ihren Armen haltend, 1936.
E
Der Engel von Port Lligat, 1952.
Die Entdeckung Amerikasdurch Christoph Kolumbus, 1954
Entmaterialisierung der Nase Neros, 1947.
Die Entwöhnung von der Möbel-Ernährung, 1934
Entwurf für die Inneneinrichtung einer Stall-Bibliothek, 1942
Der erhabene Augenblick, 1938
Erscheinung von Gesicht und Obstschale am Strand, 1938
Die ersten Tage des Frühlings, 1929
F
Frau vor den Felsen Penya-Segats, 1926.
Fünfzig abstrakte Gemälde, die aus einer Entfernungvon zwei Yards zu dreimal Lenin, als Chinese verkleidet,werden und aus einer Entfernung von sechsYards wie der Kopf eines Königstigers aussehen, 1963
G
Gala und der Angelus von Millet vor der unmittelbarenAnkunft der konischen Anamorphosen, 1933
Galas Schloss in Púbol, 1973.
Die Geburt der flüssigen Begierden, 1931-1932
Geological Destiny (Das geologische Werden), 1933.
Gesicht der Mae West, das als Wohnungbenutzt werden kann, 1934-1935
Das Gesicht des Krieges, 1940
Gradiva, 1933.
Der Große Masturbator, 1929
Der große Paranoide, 1936
H
Der Hafen von Cadaqués am Abend, um 1918
Der halluzinogene Torero, 1969-1970
Helena Rubinsteins Kopf an eineFelsklippe gekettet, 1942-1943
Herkules, der die Haut des Meeres lüftet,bittet Venus, einen Augenblick zu warten,bevor sie Amor aufweckt, 1963
Honig ist süßer als Blut, 1941.
Hummer-Telefon, 1938
Hüte, entworfen für Elsa Schiaparelli, 1936.
J/K
Junges Mädchen am Fenster,1925
Der Koloss von Rhodos, 1954
Kubistisches Selbstporträt, 1923
L
Landschaft in der Nähe von Cadaqués, 1920-1921
Lebendes Stillleben, 1956
Leda Atomica, 1949
Das letzte Abendmahl, 1955
M
Mad Mad Mad Minerva(Verrückte, verrückte, verrückte Minerva), 1968.
Die Madonna von Port Lligat, 1950
Das Mädchen aus Figueres,1926.
Das Mae-West-Lippensofa, 1938
Manchmal speie ich mit Vergnügen auf dasBild meiner Mutter (Das Heilige Herz), 1929
Maximale Geschwindigkeit der Madonna von Raffael, 1954.
Meine nackte Frau beim Betrachten ihres eigenen Körpers,der sich in Treppen, drei Wirbel einer Säule,Himmel und Architektur verwandelt, 1945.
Die Metamorphose des Narziss, 1937
Morphologisches Echo, 1936
N
Nacht- und Tagkleidung, 1936.
Napoleons Nase, verwandelt in eine Schwangere, die melancholisch seinen Schatten zwischen Originalruinen spazieren führt, 1945.
P
Ein Paar, die Köpfe voller Wolken, 1936
Partielle Sinnestäuschung: SechsErscheinungen Lenins auf einem Flügel, 1931
Die Poesie Amerikas – Die kosmischen Athleten, 1943.
Porträt der María Carbona, 1925.
Porträt der Vicomtesse Marie-Laure de Noailles, 1932
Porträt meines toten Bruders, 1963
Porträt von Gala, 1935
Porträt von Isabel Styler-Tas, 1945
Porträt von Luis Buñuel, 1924
Porträt von Picasso, 1947
Porträt von Sir Laurence Olivierin der Rolle Richards III., 1955
R
Das Rätsel der Begierde:Meine Mutter, meine Mutter, meine Mutter, 1929
Das Rätsel Hitlers, 1939
Das Rätsel Wilhelm Tells, 1933
Raphaelesque Head Exploding(Raffaelitischer Kopf, explodiert), 1951
Reiterbildnis von Carmen Bordiu-Franco, 1974.
S
Santiago El Grande, 1957
Satirische Komposition(‘Der Tanz’von Henri Matisse), 1923
Die Schafe, 1942
Schlaf, 1937
Schlafende unsichtbare Frau, Pferd und Löwe, 1930
Schwäne, die Elefanten spiegeln, 1937
Der Schwalbenschwanz (aus der Serie der Katastrophen), 1983
Selbstbildnis mit Raffaels Hals, 1921.
Shades of Night Descending(Schatten der hereinbrechenden Nacht), 1931
Singularities (Singularitäten), 1937.
Sklavenmarkt mit derverschwindenden Büste Voltaires, 1940
Spanien, 1938
Die Spektralkuh, 1928.
Spiegeleier auf dem Teller ohne den Teller, 1932.
Studie zur Titelseite der Zeitschrift Minotaurus No. 8, 1936.
Surrealist Horse – Woman-Horse(Surrealistisches Pferd – Pferdefrau), 1933.
Surrealistische Architektur, um 1932
T
Der Thunfischfang, 1967.
Der Traum, 1931
Traum, verursacht durch den Flugeiner Biene um einen Granatapfel eineSekunde vor dem Aufwachen, 1944
Tristan und Isolde (Bühnenbildentwurf für das Ballett Mad Tristan), 1944.
U
Unbefriedigte Wünsche,1928
V
Venus von Milo mit Schubladen, 1936
Verletzte weiche Uhr, 1974.
Die Versuchung des Heiligen Antonius, 1946
Der verwundete Vogel, 1928
Von den Hörnern ihrer eigenen Keuschheitautosodomisierte jugendliche Jungfrau, 1954
Vorzeitige Verknöcherung eines Bahnhofs, 1930
W
Weiche Konstruktion mit gekochten Bohnen:Vorahnung des Bürgerkriegs, 1936
Weiche Schädel mit Spiegeleiern ohne Teller,Engeln und weichen Uhren in Engelslandschaft, 1977.
Weiches Selbstbildnis mit gebratenem Speck, 1941
Wilhelm Tell, 1930
Der Windpalast, 1972.
Wrack eines Autos, blindes Pferd gebärend,das ein Telefon zerbeißt, 1938.
Öl auf Leinwand, 41,5x53cm.
Der am 11. Mai 1904 als Sohn des Salvador Dalí Cusi und seiner Frau Felipa Domenech in Figueres geborene Salvador Felipe Jacinto Dalí i Doménech war einer der berühmtesten Künstler und, gemeinsam mit seiner Frau Gala, der narzisstischste Selbstdarsteller des 20. Jahrhunderts. Doch auch Igor Strawinsky (1882-1971) hatte 1970 festgestellt, dass Publizität „… alles ist, was von den Künsten übrig bleibt.“ In seinen besten Arbeiten erforschte Dalí aufgrund seiner umfassenden Ausbildung und einer heute nicht mehr selbstverständlichen vollendeten Beherrschung traditioneller, gegenständlicher Maltechniken vielseitige und beständige Bewusstseinszustände. Viele Menschen fühlen sich bei der Betrachtung seiner Bilder allein aufgrund der kontrollierten Gegenständlichkeit, die in seinen späteren Jahren sicherlich half, eine nachlassende Qualität zu überspielen, zutiefst berührt.
Dalís weltweiter Popularität haftete zumindest in seinen besten, die kulturellen, sexuellen und sozialen Werte eben dieser ihn lobenden Gesellschaft attackierenden Arbeiten häufig etwas unübersehbar Spöttisches, Scharfzüngiges an. Nicht nur für den Surrealismus, der ja angetreten war, die rationale Basis der Gesellschaft zu untergraben, sondern für die moderne Kunst insgesamt gilt ja nach wie vor die Ansicht, dass sich ein Künstler rebellisch zur Gesellschaft verhalten muss. Aber Dalís Rebellion wurde im Lauf der Jahre und mit wachsendem Erfolg immer dünnblütiger.
Der führende Kopf der Surrealisten war der Dichter und Theoretiker des Surrealismus André Breton (1896-1966), der sich später veranlasst sah, Dalí als bloßen Schauspieler und Verräter an den surrealistischen Ideen anzuprangern und ihn in den 1940er Jahren aus der Bewegung auszuschließen. Dies ist insofern nachvollziehbar, als Dalís Kunst sich in diesen Jahren grundlegend von seinen früheren Arbeiten mit der Behandlung der Realität sowie ihrem erschreckenden und irritierenden Aussehen abgewandt hatte. Seine nachlassende, verblassende Rebellion dieser Jahre wirft aber auch ein Licht auf sein Verhalten als Künstler und auf die ihn aushaltende Kultur. Ein Thema, das es durchaus wert ist, untersucht zu werden – auch wenn man nur erfahren möchte, welcher Mensch hinter dem Mythos Dalí steckt.
Sein Vater, Don Salvador Dalí y Cusí (1872-1952) war ein angesehener und recht energischer Notar im katalonischen Figueres und zählte dank dieser bedeutenden und respektablen Position zum Establishment der Stadt. Dalí erhielt den Namen seines neun Monate zuvor gestorbenen älteren Bruders, für dessen Tod, einem Gerücht zufolge, der Vater verantwortlich gewesen sein soll. Als Todesursache wurde zwar ein Magen- / Darmkatarrh angegeben, nach Dalí aber soll er tatsächlich an einer auf einen Schlag seines Vaters auf den Kopf des etwa zweijährigen Knaben zurückzuführenden Gehirnhautentzündung gestorben sein. Was auch immer die tatsächliche Todesursache gewesen sein mag, der Tod des Kindes hinterließ bei den Eltern tiefe Schuldgefühle, die dafür sorgten, dass Salvador bei allem, was er tat oder sagte, mit seinem älteren Bruder verglichen und, viel schlimmer noch, als dessen Wiedergeburt und nicht als neuer, selbstständiger Mensch behandelt wurde.
Öl auf Leinwand, 55,5x66cm. Musée d’Orsay, Paris.
Dalí wurde in Figueres in eine staatliche Schule eingeschult und ging im Anschluss an den Unterricht noch auf das Instituto de Figueres. Ab 1916 besuchte er ein von katholischen Maristen geleitetes privates Gymnasium. Hier lernte er zwar auch nicht viel mehr als auf der staatlichen Schule, empfing aber doch bleibende, in seinen späteren Arbeiten wiederzuentdeckende Eindrücke, so etwa vor allem von Jean-François Millets (1814-1875) Angelus-Läuten (1857-1859) und von den von seinem Klassenzimmer aus sichtbaren Zypressen. Aber auch von den Eltern kamen wichtige Einflüsse, schließlich war sein Vater als Jurist ein gebildeter Mann, der sich als Ausgleich für seinen oft recht trockenen Beruf für Musik und Literatur interessierte. Er hatte eine recht umfangreiche Bibliothek, die Salvador ebenfalls zur Verfügung stand. Politisch lag er auf der von Salvador später übernommenen Linie der Republikaner, als Atheist vertrat er in einem sonst streng katholischen Land recht liberale Ansichten. Salvador vertrat in jungen Jahren recht anarchistische Ansichten und hielt überhaupt während seines ganzen Lebens nichts von gutbürgerlichen Werten. Wichtiger als die Bibliothek war für den jungen Salvador aber die Entdeckung der Kunst, die nicht nur von seinem Vater, sondern auch von einem befreundeten Maler ausging, dem Salvador stundenlang bei seiner Arbeit zuschauen konnte. Der Vater schenkte Salvador einige Kunstbildbände aus seiner Sammlung beliebter Monografien und führte ihn damit zur akademischen Malerei des 19. Jahrhunderts und ihrem strengen Realismus. Zu den Malern, die den jungen Salvador am meisten beeindruckten und begeisterten, gehörten auch Modesto Urgell (1839-1919), Mariano Fortuny – der eigentlich Marià Josep Maria Bernat Fortuny i Carbó hieß und dessen Werk Die Schlacht von Tetuan (1862/1872) Salvador Dalí 1962 zu einem eigenen Bild inspirierte - Eugène Carrière (1849-1906) und Manuel Benedito y Vives (1875-1963).
Öl auf Holz, 16x21,7cm.
Privatsammlung, freundlicherweise
zur Verfügung gestellt von der
Galerie Natalie Seroussi, Paris.
Pepito Pichot, ein Freund des Vaters und verkrachter Jurastudent, der Salvadors Talent erkannt hatte, dessen Bruder Ramón als impressionistischer Maler in Paris lebte und den auch Pablo Picasso (1881-1973) kannte, bestärkte Salvador in seinen Malversuchen, und so ist es nur logisch, dass Salvador seine ersten Malversuche in der Sommerresidenz der Pichots, einer alten Turmmühle, unternahm. Als etwa 9-Jähriger malte er auf einer alten, wurmstichigen Holztür ein Stillleben mit Kirschen, für deren farbliche Darstellung verwendete er zinnober- und karminrot, für den Lichtglanz setzte er Weiß ein. Um die Grenzlinien zwischen den Realitätsebenen aufzubrechen, so erzählte er später einmal, klebte er Stiele der echten an die gemalten Kirschen, holte einige Holzwürmer aus der bemalten Tür - zog sie somit aus den gemalten Kirschen – und drückte sie in die verlassenen Wurmlöcher der echten Kirschen.
Es ist leicht verständlich, dass Salvador von den an den Turmwänden hängenden impressionistischen und pointillistischen Arbeiten Ramón Pichots, die er ja oft betrachten konnte, beeinflusst wurde. Pichot war es auch, der den Vater davon überzeugen konnte, Salvador ab 1917 an der lokalen Zeichenschule in Figueres von Professor Juan Nuñez Fernández Malunterricht unterrichten zu lassen. Salvador lernte zwei Jahre, und, wie er selbst sagte, recht erfolgreich. In dieser Zeit, er war gerade 14 Jahre alt, wurden seine ersten Bilder gemeinsam mit denen zweier anderer Maler ausgestellt. Eine weitere Ausstellung, die „… dem, der Ruhm erlangen wird“, gewidmet war, folgte ein Jahr später im Stadttheater von Figueres, dem Gebäude, das später zu einem nur für seine Arbeiten umgebauten Museum wurde.
Ein örtlicher Kritiker bemerkte zu dieser Ausstellung:
Derjenige, der verinnerlicht hat, was die bei der Konzertgesellschaft gezeigten Bilder offenbaren, ist im künstlerischen Sinn bereits ein Großer. [...] Wir haben kein Recht über Dalí als den Jungen zu reden, denn tatsächlich ist er bereits ein Mann. [...] Wir haben kein Recht zu sagen, dass er vielversprechend sei, denn eher sollten wir sagen: er gibt bereits. [...] Wir grüßen den neuartigen Künstler und sind ganz sicher, dass in der Zukunft unsere Worte... den Wert einer Prophezeiung haben werden: Salvador Dalí wird ein großer Maler werden.
Das war ein berauschendes Lob für einen 14-jährigen Jungen, und es war absolut wahr: Er war schon ein großer Maler.
Im Laufe der nächsten beiden Jahre erweiterte das junge Genie seine Horizonte. Er half, eine lokale Studentenzeitschrift herauszubringen, die, um einen breiteren Leserkreis zu erreichen, größtenteils auf Spanisch und nicht auf Katalanisch erschien und zu der Dalí Illustrationen und eine Reihe von Artikeln über große Maler beitrug. Seine Themen bezogen sich auf Michelangelo Buonarroti (1475-1564), Leonardo da Vinci (1452-1519), El Greco (um 1541-1614), Albrecht Dürer (1471-1528), Diego Velásquez (1599-1660) und Francisco Goya (1746-1828).
Damit nicht genug, kümmerte er sich auch um Politik, Kultur und Gesellschaft und behauptete 1921 sogar, ein Kommunist zu sein. Natürlich rebellierte er gegen die väterliche Autorität, aber wer tut dies nicht? Und er entdeckte die Freuden der Masturbation sowie die sie gewöhnlich in diesem Alter der Sorge über alle sexuellen Dinge begleitende Selbstverachtung. Das war in Spanien ganz besonders der Fall, wo sexuelle Unerfahrenheit endemisch war und sexuelle Schuld allgemein veröffentlicht wurde. Um zu begreifen, fantasierte die Jugend nicht notwendigerweise von Frauen: Türme und Glockentürme (die vielleicht die Ursache dafür sind, warum es so viele solcher Türme und Glockentürme in seiner Kunst gibt) konnten ihm leicht zur Erektion verhelfen. Er sorgte sich höchstens über die geringe Größe seines Sexualorgans, und seine Sorge darüber machte ihn zum „… Opfer eines unvermeidlichen Gespötts“.
Er begriff auch, dass er „… eine sehr starke Erektion haben müsse, um im Stande zu sein, einzudringen. Und mein Problem bestand darin, dass ich immer eine vorzeitige Ejakulation hatte. So früh, dass manchmal schon ein Blick ausreichte, um einen Orgasmus zu haben.“ Es ist durchaus wahrscheinlich, dass es in der Geschichte der Kunst kaum jemals einen solch fleißigen Masturbator gegeben hat und dass ein Voyeur ein so großer Maler wurde, und sicher hat kein Künstler jemals diese Vorlieben ebenso offen zugegeben wie Dalí 1929 und danach.
Im Februar 1921 starb Dalís Mutter im Alter von 47 Jahren an Gebärmutterhalskrebs, ein Geschehen, das Dalí ungemein verstörte. Später erzählte er:
Ich schwor mir mit meinen vom Weinen verkrampften Zähnen, dass ich meine Mutter von Tod und Schicksal mit den eines Tages um meinen berühmten Namen hell glänzenden Schwertern des Lichts retten würde
Im November 1922 heiratete Dalís Vater erneut, wobei er, um dies durchsetzen zu können, ein päpstliches Dispens beachten musste, weil seine zweite Frau, Catalina Domènech, die Schwester seiner verstorbenen Frau war.
Obwohl sein Vater kaum mit Salvadors Vorstellungen übereinstimmte und ihm die unsichere Laufbahn immer wieder deutlich machte (nur insgeheim war er froh, dass Salvador ein festes Ziel vor Augen hatte) – schließlich zeigte Salvador für nichts anderes Interesse als für die Kunst – begleiteten er und Salvadors Schwester den angehenden Maler im Frühherbst 1921 nach Madrid, wo er sich an der dortigen Kunstschule, der San Fernando Akademie der Schönen Künste, um die Aufnahme bewerben wollte. Der Aufnahme ging eine Aufnahmeprüfung voraus, in der innerhalb von sechs Tagen eine Zeichnung von Jacopo Sansovinos (1486-1570) Skulptur Bacchus
Öl auf Karton, 53x40cm.
Öl auf Holz, 26x40cm
Öl auf laminiertem Holz, 50x64,5cm.
Musée national d’art moderne,
Centre Georges-Pompidou, Paris.
Öl auf Leinwand, 60,3x42cm.
Salvador Dalí Museum, St. Petersburg, Florida.
Zu dieser Zeit war der Impressionismus, eine Malweise, die er für sich bereits erforscht und erschöpft hatte und die ihm nichts Neues bot, an den Akademien der immer noch alles beherrschende Stil, so dass sich Salvador bald langweilte. Deswegen wandte er sich dem vom Spätimpressionismus und der analytischen Malerei Paul Cézannes (1839-1906) kommenden Kubismus zu und begann, die an der Akademie kaum mehr unterrichteten traditionellen Techniken zu untersuchen. Eines aber faszinierte ihn an dieser Akademie ganz besonders und hinterließ dauerhafte Spuren in ihm: der Umgang mit einigen Kommilitonen wie dem Philosophiestudenten Luis Buñuel (1900-1983), der zum großartigen Regisseur wurde und mit dem Dalí später Filme nach eigenem Drehbuch drehte, und dem später bedeutendsten Dichter im spanisch-sprachigen Gebiet Federico García Lorca (1898-1936), mit dem er eine Zeit lang im Studentenwohnheim ein Zimmer teilte und der trotz seiner internationalen Berühmtheit während eines Aufenthalts in Granada in den Wirren des ausbrechenden Spanischen Bürgerkrieges festgenommen und ohne Urteil erschossen wurde. Salvador Dalí kleidete sich extravagant mit schwarzem Hut und langem Umhang, galt nicht zuletzt deswegen als arrogant und wurde erst akzeptiert, als er sich offen zur Moderne bekannte.
Offenbar war nicht nur Dalí mit der Akademie, sondern diese auch mit ihm unzufrieden, denn im Herbst 1923 wurde er wegen aufrührerischen Verhaltens für ein Jahr von der Akademie verwiesen. Als Begründung wurde angegeben, dass er die Ernennung eines modernere Auffassungen vertretenden Malers zum Lehrer an der Akademie unterstützt habe. Als er bei der Bekanntgabe der negativen Entscheidung aus Protest die Versammlung verließ, begannen massive Dalí angelastete Studentenunruhen. Er ging für die Dauer eines Jahres wieder nach Hause, befand sich dort zusammen mit anderen Familienmitgliedern und deren politischen Überzeugungen im Streit mit Behörden und kam ohne Gerichtsurteil vom 21. Mai bis 11. Juni zunächst in Figueres in das Gefängnis, bevor er von Gerona aus freigelassen wurde.
Aber auch diese ‘Auszeit’ konnte seine künstlerische Entwicklung nicht bremsen. Er experimentierte mit einigen Stilen, die auf Pablo Picasso und den französischen Maler André Derain (1880-1954) zurückgingen. Seine bereits 1923 im Freien gemalten Bilder von Nackten sind von Henri Matisses (1869-1954) fließendem, linearen Stil und vom Pointillismus beeinflusst. Dalí durfte im Herbst 1924 an die Akademie zurückkehren und beschäftigte sich neben den üblichen Studien zunächst mit dem Kubismus und dem Purismus. Aber parallel dazu übernahm er, ebenfalls unter Picassos Einfluss, aus dessen neoklassischer Periode der 1920er Jahre eine detaillierte gegenständliche Maltechnik, ließ aber auch die romantischen Maler wie etwa Caspar David Friedrich (1774-1840) nicht außer Acht. Dieses Probieren unterschiedlicher Stile lässt den Schluss zu, dass er seine ureigenste Malweise noch nicht gefunden hatte.
Zurück an der Akademie, erneuerte er seine Freundschaften, wobei sich die mit Lorca wegen ihrer beiderseitigen Favorisierung des Surrealismus als besonders zukunftsträchtig erweisen sollte. Allerdings verweigerte Dalí eine von Lorca möglicherweise angestrebte sexuelle Beziehung. Bei zwei Gelegenheiten jedoch, wahrscheinlich 1926, und sicher im Geist des sexuellen Experimentierens, erlaubte Dalí tatsächlich passiv, Lorca könne versuchen, ihn zu lieben. Das Experiment war erfolglos.
Später kommentierte Dalí die verschiedenen Versuche Lorcas mit „… Ich fühlte mich schrecklich geschmeichelt angesichts der Ehre. Tief im Innern fühlte ich, dass er ein großer Dichter war und ich ihm ein wenig vom Arschloch des Göttlichen Dalí schuldete.“
Salvador Dalís erste Einzelausstellung fand in Barcelonas Galerie Delmau im November 1925 statt. Er zeigte von der Kritik überwiegend recht freundlich aufgenommene Arbeiten, die das visuelle Spektrum von der kubistischen Halbabstraktion der Venus und Matrose bis zu dem sanften Realismus in dem seine Schwester Ana Maria zeigenden Junges Mädchenam Fenster umfassten. Pablo Picasso, der diese Ausstellung besucht hatte, fand gerade an diesem Bild besonderen Gefallen – und so wurde Dalí indirekt auch schon in Paris bekannt.
Lorca bescheinigte trotz der misslungenen Liebschaft im April 1926 Dalí mit einer in der Zeitschrift Revista publizierten, berühmt gewordenen Ode, die als der „… vielleicht schönste jemals in Spanisch geschriebene Lobgesang auf die Freundschaft“ bezeichnet wurde, sein immenses Talent. Darin hieß es:
O Salvador Dalí, olivenfarbenstimmig! / Nicht rühm ich deinen unvollkommnen jugendlichen Pinsel, nicht deine Farbe, die um die Farbe deiner Zeit herumkreist, doch lob’
Bleistift und Schreibfeder auf Papier, 52,6x25cm.
Salvador Dalí Museum, St. Petersburg, Florida.
Schreibfeder und Tusche auf Sandpapier.
Staatliche Graphische Sammlung, München.
Dalís Vater, der sich mit dem Erfolg der Ausstellung mit Salvadors beruflichen Absichten abgefunden hatte, finanzierte eine schon länger geplante Reise nach Brüssel und Paris, die Salvador gemeinsam mit seiner Schwester und der Schwiegermutter im April 1926 antrat. In Brüssel begeisterte Dalí die flämische Malerei mit ihrer präzisen Darstellung auch kleinster Details. Die Reise ging weiter nach Paris, wo er Buñuel wiedersah. Familienausflüge nach Versailles, ein Besuch in Millets Atelier in Barbizon und im bereits damals berühmten, 1882 gegründeten Musée Grevin, dem Wachsfigurenkabinett, rundeten das Programm ab. Die Krönung der Reise war aber ein Treffen mit Pablo Picasso, das Dalí folgendermaßen beschrieb: