Kloster auf Zeit? - Joana Maria Otto - E-Book

Kloster auf Zeit? E-Book

Joana Maria Otto

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Beschreibung

Für immer hinter Klostermauern leben? Das war der Wunsch von Joanna Maria Otto, als sie in den Dominikanerinnenorden eintrat. Und dann wurde daraus doch ein "Kloster auf Zeit", denn sie verließ den Konvent nach wenigen Jahren wieder. In diesem Buch erzählt sie von den Stolpersteinen im Alltag, die ihr zeigten, was so ein Leben im Kloster wirklich bedeutete. Sie erlebte dort aber auch Wachstumsphasen und konnte viel Kraft für ihr "Leben danach" aus dieser Zeit ziehen. Zudem entwickelt die Autorin Vorschläge, wie eine neue Art des Klosterlebens heute aussehen könnte. Sie zeigt, was dabei wichtig ist und was erneuert oder verändert werden müsste, um den Reichtum der alten Tradition mit in die Moderne zu nehmen – Überlegungen, die gerade heute für viele Orden zu einer Überlebensfrage werden.

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Seitenzahl: 102

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Joana Maria Otto

Kloster auf Zeit?

Neue Ideen für eine alte Lebensform

Vier-Türme-Verlag

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie. Detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Printausgabe

© Vier-Türme GmbH, Verlag, Münsterschwarzach 2022

ISBN 978-3-7365-0455-4

E-Book-Ausgabe

© Vier-Türme GmbH, Verlag, Münsterschwarzach 2022

ISBN 978-3-7365-0481-3

Alle Rechte vorbehalten

E-Book-Erstellung: Dr. Matthias E. Gahr

Lektorat: Marlene Fritsch

Covergestaltung: wunderlichundweigand

Covermotiv: SJ-Bild, Kapelle des Exerzitienhauses HohenEichen, Dresden

www.vier-tuerme-verlag.de

Inhalt
Vorab
Scheitern
Sehnen
Loslassen
Ankommen
Still werden
Gehorchen
Ringen
Annehmen
Hingeben
Erfüllen
Und jetzt?
Konstitutionen
I. Aufnahme
II. Gemeinschaft
III. Gebetzeiten und Tagesstruktur
IV. Arbeit
V. Körperliches und seelisches Wohl
VI. Austritt
VII. Regel
Regel für eine spirituelle Lebensgemeinschaft in der Zeit
Danke …
Literatur

Vorab

Ich wurde gefragt, ob ich nicht etwas über »Kloster auf Zeit« schreiben könne. Denn schließlich war ich »auf Zeit« in einem Kloster, auch wenn das zunächst anders geplant war. Also schreibe ich hier über diese vier Jahre, die eigentlich ein Leben lang hätten werden sollen, blicke zurück auf meine Berufung und finde es genauso stimmig, dass ich damals in einen Orden eingetreten bin, wie es dann stimmig war, wieder auszutreten. Ich musste mich eine Weile sehr gegen die Gedanken wehren, ich wäre nicht berufen, ich genügte nicht und müsste deshalb den Orden verlassen. Heute glaube ich, dass »Berufung« nicht etwas Ewiges im Sinn von etwas Festem ist, sondern dass es etwas über das Leben selbst aussagt und im ständigen Fluss ist. Und ich bin davon überzeugt, dass ich in dieser Zeit gelernt habe, was ich lernen sollte.

Für mich ist »Gehorsam« in erster Linie der Gehorsam gegenüber Gott geworden, der sich zuallererst in mir selbst offenbart, was sich daran zeigt, ob mein Leben sich erfüllt, ob ich glücklich werde und ob etwas zur Blüte kommt und Frucht bringt. Das war in meinem Leben gar nicht so leicht auszumachen, da ich viel mit Krankheit und Schmerzen zu kämpfen hatte und noch immer habe. Und doch und gerade dadurch habe ich gelernt und erfahren, was es heißt, in die innere Weite zu kommen, mich nicht durch falsches Leistungsdenken versklaven zu lassen, sondern frei zu werden. Auch wenn ich es noch nicht bin. Aber ich greife vor …

Viele Menschen sehnen sich (oft ohne direkt von »Berufung« zu sprechen) nach einer Erfahrung der inneren Einkehr, des Rückzugs, der Stille, nach einer Gemeinschaft, nach einem einfachen Leben, weil sie spüren, dass sie ihr eigenes Leben nicht erfüllt und oft genug überfordert. Viele Klöster wiederum bieten solche Phasen der Einkehr an, ein »Kloster auf Zeit«, doch sind dies oft Angebote, die zeitlich eben sehr begrenzt sind.

Als ich damals diese Sehnsucht verspürte, wäre ein »Kloster auf Zeit« nicht das Richtige gewesen. Es hätte mir nicht gereicht. Ich nahm die Berufung zur Hingabe ernst und dachte: ganz oder gar nicht. Diese Radikalität hat mir auch geholfen, mich aus dem bisherigen Leben zu lösen und alles loszulassen, was mich am Weiterkommen hinderte. Ganz biblisch sozusagen: »Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes« (Lukas 9,62). Ich brauchte den radikalen Entschluss, um mein bisheriges Leben mit Beruf und Wohnung, ja sogar meiner geliebten Katze aufzugeben.

Zudem muss man dabei auch die andere Seite mit betrachten: die Gemeinschaft. Auch sie muss sich ja auf den Neuankömmling einstellen. Es ist etwas völlig anderes, jemanden »auf Zeit« zu beherbergen und als Gast am Leben teilhaben zu lassen, in dem Wissen, dass diese Zeit endet und der- oder diejenige wieder geht, als sich auf ein gemeinsames Leben bis zum Tod einzustellen. Eine Berufung zum Ordensleben muss sich natürlich immer erst über Jahre entwickeln und daher ist es nie von Anfang an eine »feste« Entscheidung, sondern eine lange Zeit der beiderseitigen Prüfung, in der sich eben erst zeigen kann, ob hier etwas in Erfüllung geht, was anfangs noch gar nicht klar erkennbar sein kann. Und trotzdem legt natürlich auch die Gemeinschaft ihre Hoffnung in die Neuankömmlinge, dass das Leben im Kloster weitergeht, dass die Gemeinschaft weiterbestehen wird, so wie Kinder die nächste Generation darstellen. Diese »Kinder« können zwar wieder gehen, werden aber trotzdem nach und nach in das Leben der Gemeinschaft eingebettet.

Das ist auch ein entscheidender Aspekt. Es gab einmal einen Werbespot für eine Versicherung, in dem ein Mann einem Freund stolz Bilder von seinem Leben zeigt: »Mein Haus, mein Auto, meine Frau, mein Hund.« Am Schluss zeigt er ihm das Bild eines Kindes mit den Worten »meine Altersvorsorge« – und das Kind im Spot zeigt ihm einen Vogel. Kinder sind nicht dazu da, das Leben der Eltern abzusichern und Erwartungen zu erfüllen. Sie müssen ihr eigenes Leben leben. Und doch werden sie oft genug »verzweckt« und durch den Leistungsdruck förmlich erdrückt. Da sind leider auch viele Gemeinschaften nicht vor gefeit. Dabei brauchen Kinder, biologische wie geistige, vor allem einen behüteten Ort, um zu reifen. Und einen festen Rahmen durch die Erfahrung der Älteren.

So ein »Kloster auf Zeit« könnte das sein, solange sich die »alten Hasen« dazu bereiterklären, diesen Rahmen zu bieten, um die Kinder dann wieder loszulassen. Das klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Und auch wenn sich sicher jeder so einen Ort wünscht, an dem man einfach sein und wachsen kann, stellt sich die Frage, ob es dann das Richtige wäre. Denn selbst Knochen wachsen nur am Widerstand, und Pflanzen wachsen gegen die Schwerkraft. Vieles, was man im Kloster und im geistigen Leben lernt, lernt man nicht durch die Erfüllung dieser Idealvorstellung, sondern gerade in dem, was man eben so vorfindet. Menschlich gesehen lässt sich das nicht perfekter planen: Man bekommt genau das, was man braucht, ob man das so sehen kann oder nicht – und ich gebe zu, diese Einsicht ist mit viel Ärger und auch Schmerz verbunden, denn ich hätte es natürlich auch lieber kuschlig gehabt.

Also ist doch jede Gemeinschaft, in die man geht, weil man zu ihr eine Resonanz spürt, die richtige für genau den Lebensabschnitt, der nun vor einem liegt, und der dauert eben so lange, wie er soll. Ob sich das planen lässt? Vermutlich nicht. Vermutlich braucht es das Einlassen, als wäre es für immer, und die Wachsamkeit für den Augenblick, um zu erkennen, wann es Zeit ist, wieder zu gehen. Ein »festes« Angebot eines »Klosters auf Zeit« würde dem aber nicht gerecht. So werden wir im Folgenden auch den Faktor »Zeit« und auch den Begriff des »Klosters« genauer betrachten müssen.

Ansonsten möchte ich einfach etwas zu den einzelnen Phasen schreiben, in die sich rückblickend mein »Kloster auf Zeit« gliedern lässt, und die – meiner Ansicht nach – die Etappen eines solchen Weges darstellen. Nicht unbedingt linear als zeitliche Abfolge, mehr wie ein inneres Werden, in dem die Etappen in Schleifen wiederholt werden und es dabei immer tiefer geht, wie in einer Spirale.

Ich greife dazu auch auf kurze Texte zurück, die ich damals geschrieben habe, und hebe sie durch eine handschriftliche Schriftart vom restlichen Text ab. Ich schreibe ganz bewusst einen sehr persönlichen Text, der einfach meine Erfahrung und Meinung zu diesem Thema darstellt. Antworten wird die oder der interessierte Leserin oder Leser nur in sich selbst finden können, aber vielleicht dienen meine Erfahrungen als eine Art Polarisationsfilter, der die eigenen Gedanken und Empfindungen dazu klarer hervorbringen kann.

Als Wegweiser kann ich ansonsten nur sagen: Immer der Sehnsucht nach!

Scheitern

Sehr gutes Abitur, im Hauptstudium den Studieninhalt von zwei Jahren in einem Jahr absolviert, sehr gute Diplomprüfung ein Jahr vor den anderen Kommilitonen, mit Ende zwanzig fertig promoviert, danach eine Forschungsstelle.

Wie würde man wohl so einen Lebenslauf benennen?Vermutlich erfolgreich.

Und wie das Leben eines Menschen, der nach zahlreichen gesundheitlichen Problemen mit Anfang dreißig schließlich einen Burnout erleidet?

Vermutlich gescheitert.

Tatsächlich beschreiben beide Skizzen dieselbe Person.

Wie geht das zusammen? Das geht eigentlich nur, wenn beide Aspekte innerhalb der Person getrennt voneinander existieren, ohne direkte Kommunikation und in einer verzerrten Wahrnehmung dessen, was da gerade passiert.

Wenn es innerlich eine Art Peitsche gibt, die nur immer weiter vorwärtsdrängt, sei es, um über Leistung Anerkennung zu erreichen oder um vor dem eigenen Sein und Unvermögen davonzulaufen, ohne Rücksicht auf den geschundenen Körper.

Aber in diesem Leben gibt es noch einen dritten Aspekt:

Gott.

Er macht sich bemerkbar, und zwar so, dass Er nicht mehr überhört werden kann. Zunächst als Antwort auf eine bis dahin nicht verstandene Sehnsucht, beglückend, drängend und fordernd. Dann heilsam.

Und auf diesem Heilsweg, diesem Weg, ganz zu werden, die getrennten Bereiche wieder zusammenzubringen, auch ganz schön drastisch.

Burnout.

Knüppel zwischen die Beine und ins Getriebe. Der Versuch, wieder aufzustehen, weiterzumachen, einmal, zweimal, dreimal, viermal. Und schließlich: Gescheitert. Doch wirklich gescheitert? Nicht etwa befreit? Befreit aus einer jahrelangen Unrast und dem Zwang, es immer besser machen zu müssen, besser dazustehen, etwas geleistet zu haben, um geliebt zu werden.

Und doch fühlt es sich wie Scheitern an. Was denken die Kollegen, die Familie? Und das eigene Selbstbild beginnt zu bröckeln und stürzt in sich zusammen wie ein Kartenhaus.

»Er stürzt die Mächtigen vom Thron« (Lukas 1,52a) – oh ja, und der Fall kann sehr hart sein. Und dann plötzlich ein neuer Blick auf den lang vertrauten Text: »Auf die Niedrigkeit seiner Magd hat Er geschaut« (Lukas 1,48). Niedrigkeit! Was für ein hässliches Wort! Wie hart zuzugeben, dass man es nicht besser hingekriegt hat. Und doch irgendwie Erleichterung.

Endlich nicht mehr größer sein zu müssen, als man ist. Endlich nichts mehr aus eigener Kraft tun und können müssen. Sondern Ihn machen lassen. Und begreifen und zulassen, dass Er einen so bestimmt hat, wie man ist. Und auch so liebt. Und somit wahrhaftig: »Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt über Gott meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat Er geschaut« (Lukas 1,46–48).

Es ist vielleicht etwas seltsam, ein Buch über »Kloster auf Zeit« mit dem Scheitern zu beginnen, und doch ist es genau das, womit meine Reise begann. Vermutlich bin ich da auch kein Einzelfall. Viele Menschen erleben vielleicht kein drastisches Scheitern, aber zumindest einen Störfaktor in ihrem Leben, der sie fragen und suchen lässt, weil er ihnen aufzeigt, dass hier etwas nicht stimmt. Es fehlen die Freude und die Leichtigkeit. Trotz allem Tun ist da eine Leere, die sich nicht mit noch mehr Aktivitäten und Ablenkung füllen lässt.

Oder man strampelt sich ab und müht und müht sich umsonst, aber nichts gelingt wirklich, und die innere Zufriedenheit bleibt aus. Es fehlen die Erfüllung und das Glück. Aber es gibt die Sehnsucht, eine Ahnung, dass etwas anders sein könnte. Man weiß nur nicht, was und wie.

Manchmal scheitert man auch tatsächlich, verliert den Job oder wird krank. Oft versucht man wieder und wieder, auf die Füße zu kommen und weiterzumachen, und will sich nicht eingestehen, dass es erstens nicht mehr geht und zweitens sowieso nicht zielführend ist. Aber sich das einzugestehen, ist schwer.

Es muss aber so ein Scheitern kein Scheitern bleiben, wenn man es annimmt und nicht im Hadern stecken bleibt. Es ist eine Kurskorrektur, wenn man sich aufmacht und bereit ist zuzugeben, dass man hier nicht mehr weiterkommt und Hilfe braucht und sich nach Heilung, nach einem heilen, ganzen Leben sehnt. Sich beides einzugestehen, tut wie gesagt weh: Der erste Teil, weil keiner gern zugibt, dass er etwas nicht kann und scheinbar »versagt« hat. Der zweite Teil, weil das Eingeständnis der inneren Sehnsucht einem vor Augen führt, wie viel schon so lange gefehlt hat. Nach außen hin möchten wir aber gern so scheinen, dass wir alles im Griff haben und auf der richtigen Spur sind, Herr der Lage und selbst unseres Glückes Schmied. Diese Haltung kommt nur zu oft daher, dass wir uns auf niemanden sonst verlassen konnten, zu oft enttäuscht wurden und anderen beweisen müssen, dass wir glücklich sind. Wir denken allzu oft, dass alle anderen das schließlich auch sind und dass wir nicht aus dem Raster fallen möchten als Einzige, die es nicht hinkriegen.

Doch haben wir uns niemals überlegt, wie vielen Menschen es heimlich in ihrem Inneren genauso geht. Hier also zuzugeben, wo wir selbst stehen, ist der erste Schritt zur Heilung. Schließlich heißt es: »Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken« (Matthäus 9,12). So ein Arzt macht erst einmal eine Anamnese, um dann eine Diagnose zu stellen. Ihm etwas vorzumachen, ist nicht hilfreich. Wir müssen ehrlich sagen, wo es wehtut und was nicht stimmt.