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Ayurveda meets Klosterkräuter
Kult-Koch Volker Mehl gelingt nicht nur die Fusion europäischer Klosterheilkunde mit der indischen Gesundheitslehre, er beschreibt auch die erstaunlichen Heilmöglichkeiten dieser glücklichen Verbindung. In rund 50 Rezepten und Herstellungsanleitungen für Heilmittel finden die Leserinnen und Leser außerdem gewohnt leckere und überraschende Gerichte aus der Mehlschen Cuisine. Unter anderem stellt der Koch seine persönliche Top Ten der heimischen Kräuter samt ihrer Heilwirkung, zehn ayurvedische Lebenstipps und das berühmte Lorscher Arzneibuch vor. Er verrät Küchengeheimnisse der legendären Heilerin Hildegard von Bingen und hält zu jedem seiner Rezepte informative und amüsante Anmerkungen parat.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 156
Vorwort
Teil I: Heilung
Heilung im Christentum: Seelenheil und Eigenverantwortung
•Heile Welt?
•Gott als liebender Arzt
•Brückenschlag zum Ayurveda
•Verbundenheit mit der Natur
Heilung im Ayurveda: Einheit von Körper, Seele und Geist
•Ayurveda - eine Einführung
•Prakriti – die individuelle Konstitution
•Agni – das Verdauungsfeuer
•Gesundheit und Krankheit im Ayurveda
Die Kraft der Synergie: Heilkräuter im Ayurveda
•Der Geist der Pflanzen
•Selbstheilung aktivieren
•Wichtige ayurvedische Heilkräuter
Heilende Heimat: Volker und das Lorscher Arzneibuch
•Nach Hause kommen
•Der heilige Benedikt und Ayurveda
•Zusammen-wirken
•Meine Top Ten der heimischen Kräuter
•10 Rezepte von Hildegard von Bingen
Teil II: Heilung aus dem Kochtopf
Rezepte für Leib und Seele
•Meine Fusion: Ayurveda und Klosterküche
•Meine Top Ten der heilsamsten Gewürze
Die Rezepte
Von Frankfurt bis Asien: Salate, Suppen und Saucen
•Asia-Style Weißkrautsalat
•Volkers Borschtsch-Variante
•Klare Entlastungssuppe mit gebratenem Salbei
•Kokos-Kürbiscremesuppe mit Birnen-Radieschen-Topping
•Frankfurter Grüne Sauce
•Warmer Bohnensalat mit Ochsenherztomate, Grillkäse und Kräuterpesto
•Lauwarmer Graupen-Sommersalat
•Radieschen-Rote Bete-Linsen-Salat mit Gartenkräuterdressing
•Rote-Bete-Salat mit Brokkoli, Blumenkohl und Orangen-Zimt-Dressing
Von Ofenkartoffeln bis Zitronenhummus: Hauptgerichte
•Radieschen-Walnuss-Arrabbiata
•Gebratener Blumenkohl mit Erdnüssen, Zitronenthymian und veganer Kurkuma-Mayo
•Blumenkohl mit Granatapfel, Minze, Haselnüssen und Joghurt
•Bohnenpüree mit Rote Bete, gebratenem Rosenkohl und Ziegenkäse
•Bratkartoffeln mit Muhammara
•Gebratener Brokkoli mit Zitronenhummus und Pfirsichchutney
•Süßkartoffel-Wirsing-Stampf mit gebratenen Kräuterseitlingen
•Einfach leckeres Gemüsecurry
•Gemüsepfannkuchen mit Feta-Paprika-Dip
•Kräuter-Chili-Omelette
•Vegane Apfelpuffer mit spicy Karottensalat
•Gebratener Kohlrabi mit Volkers Ajvar spezial
•Ofenkürbis mit Minzpesto
•Gartengemüse aus dem Ofen
•Ofenkartoffeln mit zweierlei Pesto
•Kräuter-Ofenkürbis mit Zwiebel-Frischkäse-Creme
•Kresse-Pastinaken-Erbsen-Omelett mit Zwiebelchutney
•Dinkel-Spirelli mit Rucolapesto und Ziegenkäse
•Gemüseknollenpfanne mit Kichererbsen-Senf-Dip
•Perlgraupen-Risi-Bisi
Von Dhal bis Blaubeeren: Süßes, Snacks und Stullen
•Couscous mit Apfel-Aprikosen-Kompott und gerösteten Erdnüssen
•Frühstücks-Dhal
•Vegane Apfelpuffer mit Kirsch-Basilikum Kompott
•Perlgraupen mit Aprikosen-Lavendel-Kompott
•Blaubeergelee mit Zitronen-Minz-Crème-fraîche
•Handgemachte Energieriegel
•Magenwohl-Crispies
•Stulle mit Bohnencreme und Gartengemüse
•Stulle mit Frischkäse, Rucola, Rote Bete, Birne und Walnüssen
•Herbststulle mit Kürbisstampf, gebratenem Rosenkohl und Granatapfelkernen
•Mediterrane Gemüse-Feta-Stulle
•Sachregister
•Rezeptregister
•Danksagung, Bezugsquellen
•Impressum
ine Gegenüberstellung von Ayurveda und der Klosterheilkunde – unterschiedliche Sprachen, eine Wahrheit. Das war mein erster Gedanke für dieses Buch. Das Projekt ließ ich jedoch sehr lange ruhen, da ich recht früh gemerkt habe, welche Tiefe in dieser Thematik steckt und dass es einer mehr als ausführlichen Recherche bedarf. Auf eine einfache Gegenüberstellung konnte und durfte dies keinesfalls hinauslaufen. Und außerdem: Wie verbinde ich 7000 Jahre Ayurveda mit über 2000 Jahren Christentum und mindestens 1500 Jahren Klosterheilkunde?
Je tiefer ich eintauchte, desto mehr kristallisierte sich im Laufe meiner Recherchen aber heraus, dass es um die Essenz geht, ganz gleich, aus welcher Richtung und mit welchem religiösen und kulturellen Hintergrund man sich dem Thema nähert. Die Natur hält ein zeitloses, umfassendes Wissen bereit, und zu allen Zeiten gab es Menschen mit einem tiefen Verständnis für diese Zusammenhänge. Heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, sind wir einerseits technisch weiter entwickelt denn je und andererseits auch weiter von unserer Quelle, unserer Spiritualität, entfernt denn je. In immer mehr Menschen entsteht deswegen wieder ein tiefes Bedürfnis nach spiritueller Anbindung – der Wunsch nach einem heilen Leben, einer heilen Familie und einer heilen Natur. Viele Fragen tauchen auf, und die Antworten darauf sind mehrere Tausend Jahre alt: Was erwartet uns? Wohin führt uns unser Weg? Wie können wir wirklich heil werden? Wir müssen nun den Mut finden, uns den Antworten zu öffnen und sie anzunehmen.
Wir können mittlerweile mithilfe von unglaublicher Technik tief in jede Zelle und weit ins All blicken. Aber finden wir so die Antworten auf all unser Suchen und unsere Fragen? Finden wir dort die erhoffte Heilung, können wir uns als vollständig erfahren? Ich glaube nicht. Um glücklich zu werden und unser Heil zu finden, müssen wir die Perspektive verändern, sozusagen vom Parkett auf die Empore wechseln und die Szene, also unser Leben, als Ganzes betrachten – nicht nur einzelne, kleine Ausschnitte davon.
Ich beschäftige mich schon seit vielen Jahren mit Ayurveda, und die Arbeit an diesem Buch hat mich noch einmal mehr darin bestärkt, dass Heilung in einem etwas anderen Sinn existiert als bisher angenommen. Ich bin tiefer als je zuvor in den Ayurveda eingetaucht, habe mich so intensiv wie nie mit den Texten der großen Ayurveda-Ärzte Charaka und Susruta beschäftigt. Durch diese konzentrierte Arbeit bin ich auch meinen eigenen, christlichen Wurzeln wieder nähergekommen, musste und durfte mich mit meinem Glauben beschäftigen. Die Texte von Benedikt und Ibn Butlan waren meine ständigen Begleiter, und mehr denn je bin ich überzeugt: Heilung ist möglich! Mit etwas Mut werden wir ein ganz neues Zeitalter im Zusammenspiel von Medizin und Spiritualität einläuten. Eine Zeit, in der Ärzte, Köche, Schamanen, Priester und Heiler wieder zusammenarbeiten. Eine Zeit, in der es um wahrhafte Heilung zum Wohle aller geht – denn die Sehnsucht nach einem heilen Leben wohnt in jedem von uns. Dieser Ort ruht tief in unseren Herzen, denn hier findet sich die Quelle für ein ganzheitliches, heiles Leben. In unserem Herzen liegt die göttliche Kraft für viel mehr Stärke und Mut, als wir es uns bis jetzt vorstellen konnten.
Ich möchte dich herzlich einladen, diesen Weg gemeinsam mit mir zu gehen. Vielleicht bekommst du auf dieser Reise eine Ahnung davon, wie diese Kraft auch in dir wirkt.
ast acht Milliarden Menschen leben auf dieser Erde, und die meisten todbringenden Seuchen sind größtenteils ausgerottet. Pest, Cholera und Pocken kosten nicht mehr Millionen Menschen das Leben, tödliche Viren sind zum größten Teil in Hochsicherheitslabors eingesperrt, das in den Medien mehrfach angekündigte Massensterben durch Vogelgrippe, Rinderwahnsinn und Schweinepest ist ausgeblieben.
Der Gesundheitsmarkt wird von sinnvollen bis überflüssigen Heilsbringern überflutet: Basensocken, Stützstrümpfe, Antibiotika, Penicillin, Schmerztabletten, Aufputschpillen, Beruhigungsmittel, Abführpräparate, Potenzpillen, Schlaftabletten und darüber hinaus noch allerhand weitere Mittelchen, um unseren offenbar völlig vergifteten Körper von diversen Toxinen zu befreien!
Unser Leben hält in vielen Momenten ganz wunderbare Erlebnisse parat, aber eben nicht ausschließlich. Es gibt auch Krankheit, Leid, Schmerz und Tod. Wir leben in einem der reichsten Länder der Welt, dennoch sind Millionen von Deutschen von Ängsten und Sorgen geplagt. Psychische Erkrankungen sind auf dem Vormarsch, und die Wartezeit für die Konsultation eines guten Psychologen beträgt im Allgemeinen mehrere Monate. 30 Prozent der Grundschulkinder leiden bereits an Burn-out-Symptomen wie Schlafstörungen, Magenkrämpfen, Panikattacken und Versagensängsten. Die Pharmaindustrie verzeichnet jedes Jahr neue Rekordumsätze. Die Zahl der Tablettenabhängigen nimmt drastisch zu, und der Umsatz von Medikamenten gegen Diabetes wird sich bis zum Jahr 2025 verdoppeln.
Unsere Illusion der immerwährenden Gesundheit platzt spätestens dann, wenn ein Mensch, der uns nahesteht, stirbt. Vielleicht sogar ohne Vorwarnung oder noch im jungen oder mittleren Lebensalter. Krankheit und Tod passen nicht in unser westliches, vom Wohlstand geprägtes Lebenskonzept.
Wenn ich nun von Heilung aus christlicher Sicht rede, ergibt es natürlich Sinn, sich zunächst mit den ursprünglichen christlichen Traditionen zu beschäftigen: Wir Christen glauben, dass Gott die Welt gut, friedlich und ohne Makel erschaffen hat. Krankheit und Tod sind hierbei ganz gravierende Mängel und nicht nur kleine Bagatellschäden im Schöpfungsplan. Gott ist voller Liebe; er hat die Welt als gute und heile Welt erschaffen, und dahin wird er sie auch wieder zurückbringen. So weit zur Ausgangslage, vor deren Hintergrund ich die Aspekte der christlichen Heilung betrachtet habe.
Wenn man von christlicher Heilung redet, hilft es, sich noch einmal klarzumachen, dass die Wurzeln der christlichen Religion im Judentum – mit seinen gut 1300 Jahren Vorlauf – zu finden sind. Daher ein kurzer Blick ins Alte Testament: Von Krankheit ist hier zum ersten Mal im Buch Exodus im Zusammenhang mit den Plagen gegen die Ägypter die Rede. Davor gab es maximal Hinweise auf Altersschwäche – Isaak war wohl am Ende seiner Tage etwas klapprig auf den Beinen und hat auch nicht mehr so gut gesehen. Auch sein Sohn Jakob hatte eine lädierte Hüfte, herrührend aus einem Ringkampf mit Gott, den er natürlich sang- und klanglos verlor. Sein Mut brachte ihm jedoch den Beinamen Gottesstreiter, auf Hebräisch »Israel« ein. Sonst findet man keine Hinweise auf Krankheiten, geschweige denn Krankenhäuser oder Ärzte. Davon wird erst mehrere Generationen später die Rede sein, nämlich beim Auszug des Volkes Israel aus Ägypten. Im 2. Buch Mose, Kapitel 15, teilt Gott seinem Volk mit: »Wirst du hören auf deinen Gott und halten seine Gesetze, so will ich dir keine der Krankheiten auferlegen, die ich den Ägyptern auferlegt habe. Denn ich bin der Herr, dein Arzt.«
Das ist eine starke Aussage – und genau dieses Bewusstsein hat den jüdischen Glauben und somit auch das Christentum jahrhundertelang geprägt. Aus diesen Worten geht zweifelsfrei hervor, dass nur Gott der Spezialist für Heil und Heilung ist und sein wird. Er kennt sich sowohl mit Leid als auch mit Heilung aus, und wenn einer heilt, dann er. Beim genauen Lesen wird man feststellen, dass er nicht nur Krankheiten heilen, sondern diese, wenn er will, auch den Menschen auferlegen kann.
Gott ist allmächtig und barmherzig, aber auch jähzornig und eifersüchtig, wenn es sein muss. So duldet er neben sich keine weiteren Götter, weshalb man auch keine anderen Götter (erst recht keine goldenen Kälber) anbeten soll. Im 5. Buch Mose sagt er von sich: »Ich kann schlagen und ich kann heilen.« Für uns heute ist das natürlich schwer nachvollziehbar, aber der Gott des Judentums und der Christen ist sehr souverän: Er behält sich vor zu heilen oder auch Krankheiten zu schicken. An vielen Stellen in der Bibel erkennen wir, dass Gott barmherzig und großzügig ist. Denn das liegt offenbar in seiner Natur, und wenn er bestraft, dann immer mit gutem Grund und nicht aus reiner Willkür. Das ist elementar wichtig für das Verständnis im Umgang mit Krankheiten, denn hiermit ist ausgeschlossen, dass Krankheiten eine willkürliche Strafe für angebliche Vergehen sind. Gott ist der Arzt, und das hatte im täglichen Leben nachhaltige Folgen für das jüdische Volk: Nach einer Krankheit bescheinigte nicht der Arzt, dass der Patient wieder gesund ist, sondern der Priester. Natürlich gab es auch damals schon Ärzte, aber die behandelten wohl eher pflanzenheilkundig oder physiotherapeutisch und kannten ihre Grenzen.
Die verschiedensten Zeugnisse im Alten Testament, unter anderem in den Psalmen, bestätigen den uns allen bekannten Satz: In diesem Fall hilft nur beten. Eine sehr lebendige Erfahrung und mehr als nur rituell auswendig gelernte Verse, denn wurde ein Mensch geheilt, dann gebührte Gott entsprechend Dank! Im Zusammenhang mit dieser gesellschaftlich verankerten Erfahrung ist auch das Auftreten von Jesus zu verstehen. Er hat ein bis heute reichendes Verständnis von Heil und Heilung geschaffen.
Schon immer kursierten die gegenläufigsten Meinungen über Jesus. Selbsternannte »Jesus-Experten« streiten sich darüber, ob und wie er Brot vermehrte oder ob es stimmt, dass er Wasser in Wein verwandeln konnte. Wenn man dann noch fragt, ob Jesus wirklich der vom Volk Israel erwartete Messias war, geht es richtig los mit den Kontroversen. In einem jedoch sind sich alle einig: Selbst Atheisten müssen anerkennen, dass Jesus die Fähigkeit hatte, Menschen zu heilen. Da stellt sich die spannende Frage: Wie hat er das gemacht? Benutzte er eine Technik oder ein Verfahren? Oder war er auf bestimmte Krankheiten spezialisiert?
Beschäftigt man sich näher mit den Heilungen von Jesus, dann wird man nichts von alledem feststellen. Denn offenbar war es völlig willkürlich, wann, wen und mit welcher Methode er heilte. So ist die Rede von Gelähmten, Besessenen, Taubstummen oder Blinden, von Leprakranken und sogar von Fernheilungen. Und war er mal ein bisschen spät dran, erweckte er auch gerne Tote wieder zum Leben. Aus vielen Aufzeichnungen kann man herauslesen, dass er sich gar nicht erst mit Kranken befasst hat. Durch das Bemühen um die Angehörigen wurde der Kranke »ganz nebenbei« geheilt. In den Evangelien heißt es auch, »er heilte alle Kranken«.
Einst kamen am Teich Bethesda in Jerusalem unzählige von Kranken zusammen, aber von diesen Unzähligen heilte er nur einen einzigen. Wenn Jesus wirklich den Plan gehabt hätte, als Heiler berühmt zu werden und aus seinen augenscheinlich vorhandenen Fähigkeiten Kapital zu schlagen, dann hätte er dies sicher anders angestellt. Denn er hat weder Badekuren im Toten Meer verschrieben noch Yoga-Retreats am See Genezareth verkauft noch Weihwasser aus dem Jordan angepriesen noch Ernährungstipps gegeben oder ein Imperium auf handgesegneten Jesus-Latschen aufgebaut. Jesus ging es um etwas ganz anderes: Er wollte nicht einfach nur Krankheiten verschwinden lassen oder die Körper-Seele-Balance wiederherstellen. Jesu Lebensthema war das Heil im allumfassenden Sinn. Was nutzt es uns Menschen, wenn wir körperlich gesund sind, Reichtümer und Immobilien anhäufen, aber dabei unsere Seele verlieren? In vielen Fällen hat er sich gar nicht direkt um die körperlichen Beschwerden gekümmert. Es gibt eine Geschichte in den Evangelien, in der vier Menschen ihren kranken Freund auf einer Bahre zu Jesu Haus in Kafarnaum schleppen. Das Haus wird jedoch von so vielen Menschen belagert, dass sie nicht bis zu ihm durchkommen. Da decken die vier das Dach ab und lassen ihren kranken Freund direkt zu Jesus hinunter. Als Jesus den festen Willen und Glauben an die Heilung in den Augen der vier Freunde sieht, spricht er zum Kranken: »Deine Sünden sind dir vergeben, mein Sohn.«
In diesem Fall waren wohl eher die Sünden des kranken Mannes und nicht sein körperliches Gebrechen das Thema. Erst im nächsten Schritt sorgte Jesus dafür, dass der Kranke wieder laufen konnte.
Das körperliche Wohlbefinden ist ein wichtiger Aspekt der Heilung, jedoch nicht der einzige. Viel entscheidender und umfassender ist, was unsere Seelen nährt und stärkt. Bleibt das Seelenheil auf der Strecke, nutzt auch ein vermeintlich gesunder Körper nichts - eine Erfahrung, die offenbar immer mehr Menschen in unserer modernen Welt machen.
Gesund sein um jeden Preis ist nicht die christliche Idee von Heilung. Es geht vielmehr um heile und liebevolle Seelen, heile und offene Herzen, heile und mitfühlende Augen und natürlich um den heilen Menschen in seiner Gesamtheit. Jesus heilte, aber längst nicht alle und auch nicht jede Krankheit. Die Botschaft war nicht: Trinkt keinen Alkohol, raucht nicht, ernährt euch vernünftig und geht regelmäßig joggen. Nein, er hat seine Jünger in erster Linie losgeschickt, um den Menschen seine Heilsbotschaft zu überbringen. Heilen – das taten sie eher nebenbei.
Er hat sich auch kein Team von top ausgebildeten Heilern und Ärzten zusammengestellt, um ein Gesundheitsimperium aufzubauen. Stattdessen scharte Jesus ziemlich schräge Vögel um sich – rauflustige Soldaten, Nörgler, Zweifler, Verräter und Angsthasen ohne den Mut, sich zu ihm zu bekennen, als es ernst wurde.
Offenbar hatte Jesus also bei seinen engsten Vertrauten eine Schwäche für die Schwachen. Schauen wir uns zum Beispiel mal den Apostel und ehemaligen Soldaten Paulus an: Er hatte anscheinend einige ernsthafte Krankheiten, die ihn bei seiner Arbeit ziemlich behinderten. Es wird von einem Pfahl in seinem Fleisch und von den Fäusten des Teufels, die ihn schlagen, berichtet, damit dieser nicht überheblich wird. Dreimal hat Paulus deswegen zu Gott gebetet, und dessen Antwort war, es solle ihm an seiner Gnade genügen, denn seine Kraft wirke in den Schwachen mächtig, heißt es im 2. Brief an die Korinther. Dies ist eine entscheidende Stelle zum Verständnis vom Umgang mit Krankheiten aus christlicher Sicht. Man kann dem Christentum ja verschiedene Dinge vorhalten, aber sicher nicht ein überhöhtes, idealisiertes Bild vom perfekten Menschen. Im Christentum ist man sich sehr wohl der allzu menschlichen Schwächen bewusst, und genau deshalb macht Jesus auch keine unrealistischen Versprechungen.
Unser Leben ist mal wunderschön und entspannt, dann aber auch stressig und ungerecht. Und es kann auch sehr leidvoll sein. Aussuchen können wir uns all dies meist nicht, jedoch können viele Menschen dank ihres Glaubens erstaunlich gut mit schicksalhaften negativen Situationen umgehen. An dieser Stelle muss ich sehr stark an meinen Vater denken: Die Hälfte seines Lebens litt er an heftigsten Rückenschmerzen, bis ein handballgroßer Tumor festgestellt wurde, den man schon 25 Jahre früher hätte entdecken müssen. Er lief sprichwörtlich von Pontius zu Pilatus, doch kein Arzt konnte ihm helfen. Als er 1990 dann nach der Tumordiagnose fast 14 Stunden operiert wurde und dabei zweimal wiederbelebt werden musste, folgten sechs Wochen Gipsbett, sechs Monate Krankenhaus und insgesamt 25 Kilo Gewichtsverlust. 1997 folgte dann eine weitere OP, nachdem er sich in der Badewanne liegend den Oberschenkel gebrochen hatte, weil ein weiterer Tumor seinen Knochen zerfressen hatte. Trotz der unzähligen Chemotherapien und Bestrahlungen samt deren Nebenwirkungen habe ich in all der Zeit meinen Vater nicht ein einziges Mal klagen oder jammern hören. Im Gegenteil, er machte es sich eher noch zur Aufgabe, uns, seine Familie, und sein gesamtes Umfeld aufzumuntern. Diese Kraft war sprichwörtlich übermenschlich, denn sie war direkt von Gott geschenkt: Mein Vater war ein zutiefst gläubiger Mensch, fest verwurzelt im christlichen Glauben, von unglaublicher Stärke und Aufrichtigkeit, selbst dann noch, als er nicht mehr stehen konnte. Er stand allerdings immer fest im Gebet und nahm damit auch bis zum Schluss Einfluss auf die Welt.
Ich bin sehr dankbar für die Erfahrung, dass ich bei ihm sein konnte, als er gestorben ist. Ich habe zwar noch versucht, ihn wiederzubeleben, als er morgens am Tisch zusammengebrach, aber am Ende hatte er einfach keine körperliche Kraft mehr. Es war für mich eine überaus wichtige und berührende Erfahrung, dass er seinen letzten Atemzug in meinen Armen getan hat. Dadurch hatte sein Tod, bei all dem Schmerz, den ich empfunden habe, etwas Persönliches und sehr Intimes. Er war da, als ich auf die Welt gekommen bin, und ich durfte dabei sein, als er von dieser Welt gegangen ist. Es wäre für mich viel schlimmer gewesen, einen Anruf aus dem Krankenhaus zu bekommen, mit dem Gefühl, dass er am Ende allein war.
Dieses intensive Erlebnis hat mich noch mehr in meinem Glauben bestärkt. Es ist schwer zu beschreiben, was in einem solchen Moment mit einem passiert. Man schöpft dabei Kraft aus einer viel größeren Quelle. Ich empfand weder Wut noch Ärger, sondern vielmehr Dankbarkeit für seine Stärke und dass wir auch den Mut hatten, ihn gehen zu lassen. Auch wenn es seltsam klingt: Ich fühle die Verbindung zu meinem Vater heute oft stärker und intensiver als zu seinen Lebzeiten. Gott sei Dank!
Genau das meint die oben zitierte Textstelle von Paulus: dass Gott seine Stärke in den Schwachen zeigt. Die Geschichte meines Vaters verdeutlicht aber auch die elementare Erfahrung, dass Glaube nicht grundsätzlich vor Krankheit schützt. Mein Vater war Messdiener, Küster und stark im Gebet verankert und trotzdem bekam er diesen seltenen Knochenkrebs. Der tiefe Glaube meines Vaters hat ihn vor dieser letztendlich tödlichen Krankheit nicht bewahren können.