Kohärentes Atmen - Wilfried Ehrmann - E-Book

Kohärentes Atmen E-Book

Wilfried Ehrmann

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  • Herausgeber: tredition
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Das kohärente Atmen wurde aus dem Bestreben entwickelt, über die Atmung zu einem optimalen Zusammenspiel des Nervensystems mit den wichtigsten Körperfunktionen zu gelangen. Mit der richtigen Atemfrequenz im regelmäßigen Rhythmus und entspannter Ausatmung verbessert sich nachhaltig und messbar die Herzschlagvariabilität. Diese gibt Auskunft über die Verfasstheit unseres autonomen Nervensystems. Eine gute Variabilität beruht auf einem starken Parasympathikus. Mit Hilfe der Polyvagaltheorie werden in dem Buch die Zusammenhänge zwischen dem Nervensystem und der psychischen und sozialen Gestimmtheit hergestellt. Es wird deutlich, dass die Achtsamkeit auf die entspannte Atmung eine große Rolle für unsere Lebensqualität und für die Lösung von inneren Problemen in der Psychotherapie und im Coaching spielt. In dem Buch werden verschiedene andere Atemtechniken und -methoden mit dem kohärenten Atmen verglichen. Es wird dargestellt, dass das letztere einen übergeordneten Rang beanspruchen kann, weil es mit allen anderen Atemübungen gut kombiniert werden kann und zugleich als Vorbild für die optimale Alltagsatmung dienen kann. Wenn wir fragen, wie wir zu mehr Gelassenheit, Lebensfreude und Motivation finden können, kann das kohärente Atmen eine kompetente Antwort liefern. Seine Theorie ruht auf Forschungen zur Physiologie der Atmung, des Herzkreislaufs und des Nervensystems und Gehirns und seine Praxis ist leicht und einfach zu erlernen. Die Methode hat sich als unterstützende Übungsform für alle möglichen Arten von psychischen Störungen sowie in der Traumaheilung bewährt. Sie hilft weiters effektiv bei Schlafstörungen, Panikanfällen und Angstzuständen. Sportler nutzen das kohärente Atmen, um ihre Ausdauerleistungen zu verbessern, und Meditierer kommen mit der Methode schneller in den Zustand des inneren Friedens und Gewahrseins.

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Wilfried Ehrmann

Kohärentes Atmen

Atmung und Herz

im Gleichklang

Wie wir unsere Herzschlagvariabilität

mit unserer Atmung verbessern können

Impressum

2. Auflage

© 2023 Dr. Wilfried Ehrmann

ISBN

Softcover: 978-3-347-95296-6

E-Book: 978-3-347-95297-3

Druck und Distribution im Auftrag :

tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag , zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Zum Geleit

Persönliches Vorwort

Zum Lesen des Buches

Kapitel 1 – Unsere Gesundheit in die Hand nehmen

1. Die salutogenetische Sichtweise der Gesundheit

2. Zwei Säulen der Gesundheit

3. Kohärentes Atmen als Methode der Eigenvorsorge

4. Das autonome (vegetative) Nervensystem

5. Die Stärkung der Para-Power und der Total-Power

6. Übung macht die Gesundheitskompetenz

Kapitel 2 – Die Polyvagaltheorie

1. Das autonome Nervensystem

2. Die Polyvagaltheorie

3. Die Entwicklungsgeschichte des Nervensystems

4. Die vagale Bremse

Der Sinn der Erstarrungsreaktion

5. Der Vagus und die Atmung

6. Traumatisierung und polyvagales System

7. Die Sinnesorgane und die vagale Steuerung

8. Zusammenfassung

9. Ein erweitertes Modell des vegetativen Nervensystems

Kapitel 3 – Was ist Kohärenz?

1. Was verstehen wir unter Kohärenz?

2. Die Quantenkohärenz nach Mae-Wan Ho

3. Das Kohärenzgefühl in der Salutogenese

4. Complete Coherence nach Alan Watkins

5. Die Herzkohärenz

6. Die Herzschlagvariabilität

7. Die Messung der Herzschlagvariabilität

8. Die Berechnungsmethoden

9. Herzkohärenz und Herzintelligenz

Kapitel 4 – Die Atem-Herzkohärenz

1. Lungen und Herz im Zusammenwirken

2. Die respiratorische Sinusarrhythmie (RSA)

3. Die Valsalva-Welle

4. Das Zwerchfell und der Blutdruck

5. Valsalva-Welle und Gehirn

Kapitel 5 – Das kohärente Atmen

1. Zur Geschichte

2. Die Methode des kohärenten Atmens

3. Die Elemente des kohärenten Atmens

Kapitel 6 – Das Üben des kohärenten Atmens

1. Zur natürlichen Form zurückfinden

2. Das Üben und die Widerstände

3. Externe Unterstützung

4. Üben als Meditation

5. Die sechs Brücken

6. Varianten des kohärenten Atmens

7. Fragen, die beim Üben auftauchen können

8. Biofeedback und kohärentes Atmen

Kapitel 7 – Andere Atemschulen im Überblick

1. Atemschulen des forcierten Atmens

2. Dynamische Atem-Meditationen

3. Innengerichtete Atem-Meditationen

4. Pädagogische Atemschulen

5. Pranayama

6. Zusammenfassung

Kapitel 8 – Weniger Atmen: Die Erkenntnisse der Buteyko-Atemmethode

1. Die Atmung und der pH-Wert des Blutes

2. Teufelskreise beim Überatmen

3. Buteyko-Atemübungen

4. Buteyko-Atmung und kohärentes Atmen

Kapitel 9 – Die Adrenalin-Atmung nach Wim Hof

1. Das Adrenalin-Atmen

2. Atmung und Stressreaktion

3. Hormesis und Stresserfahrungen

4. Die innere Atmung

5. Eustress und Distress

6. Dynamisches und kohärentes Atmen

Kapitel 10 – Integratives Atmen und integrative Atemtherapie

1. Was bedeutet integrativ?

2. Das Setting der integrativen Atemarbeit

3. Das kohärente und das integrative Atmen

4. Integratives Atmen und Achtsamkeit

Kapitel 11 – Atemkohärenz und Psychotherapie

1. Psychische Probleme und Stress

2. Die Bedeutung der HRV in der Psychotherapie

3. Bindungstypen

4. Beispiel Traumabehandlung

5. Beispiel Depressionen

6. Psychotherapie: Begleitung und Eigenarbeit

7. Neues Paradigma für psychische Gesundheit

8. Zusammenspiel von Therapie und Atemübungen

9. Kohärentes Atmen während der Therapie

10. Kohärentes Atmen für den Therapeuten

Kapitel 12 – Anwendungsbereiche

1. Coaching

2. Kohärentes Atmen im Sport

3. Kohärentes Atmen mit Kindern

Zum Schluss und zum Anfang

Glossar

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Endnote

Kohärentes Atmen

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Urheberrechte

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Abbildungsverzeichnis

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Zum Geleit

Dieses Buch handelt vom „kohärenten“ Atmen, einer Atemmethode, die heuer, 2016, ihren zwölften Geburtstag feiert. Grundsätzlich führt das kohärente Atmen den Atmenden zum synchronen Ein- und Ausatmen, verbunden mit bewusster Entspannung, um eine Wellenbewegung im Körper zu erlauben. Diese resonante kohärente Wellenbewegung hängt sowohl von der Atmung als auch von der Entspannung ab.

Wenn wir mit Resonanz vertraut sind, weil sie sich auf den menschlichen Körper bezieht, denken wir vielleicht an die „HerzLungenresonanz“. Denn wir haben in den letzten Jahrzehnten entdeckt, wie die Resonanz des Herzschlags durch die Plethysmographie leicht und nichtinvasiv beobachtet werden kann. Dabei wird der Herzschlag im Zeitlauf aufgezeichnet, was den Zyklus der Herzschlagvariabilität ergibt. Mit der Entwicklung von Kohärenzinstrumenten (2009) können wir die Blutbewegungen in Verbindung sowohl mit der Atmung als auch mit dem Herzschlag beobachten, wobei die Erstere die Triebkraft für die Variabilität des Letzteren darstellt. Die aktuelle, state of art-Definition von Resonanz besteht in einer Phasenkorrelation der beiden Phänomene von annähernd 180 Grad, d.h. wenn die Atmung ansteigt, sinkt der Herzschlag und umgekehrt.

Ein vollständigeres Verständnis, wie dieser resonante physikalische Zustand hervorgerufen wird, erinnert uns daran, dass das zentrale Nervensystem ganz intim beteiligt ist, sowohl in seiner autonomen wie in seiner somatischen Funktion. Deshalb können wir in einem umfassenderen Blick die Resonanz als Zustand denken, in dem Körper und Geist im Zweck verbunden sind, den Zustand einer GeistKörper-Kohärenz zu verwirklichen und aufrecht zu erhalten. Vielleicht ist Mae-Wan Hos Definition von Kohärenz die profundeste: Kohärenz ist ein Ausdruck der Ganzheit eines lebendigen Systems, wobei das Gegenteil, die Inkohärenz, ein Maß für dessen Entropie darstellt. Leben erfordert Organisation und Integration; Krankheit und Tod erwachsen aus deren Gegenteil, Desorganisation und Desintegration.

Unsere aktuelle Auffassung geht dahin, dass „richtiges“ Atmen die ganzheitliche Gesundheit fördert, während mangelhaftes Atmen das Gegenteil bewirkt. Ein Hauptmechanismus, durch welchen die Atmung mit unserer Gesundheit zu tun hat, ist die Förderung einer ausgeglichenen Blutzirkulation und deren Ergebnis, ein balanciertes autonomes Nervensystem. Dieses Gleichgewicht kann über vielfältige biometrische Messmethoden beobachtet werden, z.B. EEG, EMG, Herzschlag, Blutdruck, Hautleitungswiderstand und Handtemperatur. Wir sehen, dass sich diese Maße schnell zur Balance hinbewegen, weg von der Dominanz durch den Sympathikus, sobald das kohärente Atmen einsetzt. Dabei schwingt die autonome Balance wie ein Pendel in jedem Zyklus von Ein- und Ausatmung zwischen entsprechender sympathischer und parasympathischer Betonung. Die Frage ist, ob das autonome Gleichgewicht das Ergebnis der Welle oder die Welle das Ergebnis der autonomen Balance ist. Was wir wissen ist, dass die Welle ein Ergebnis der synchronen kohärenten Bewegung des Zwerchfells ist, verbunden mit bewusster Entspannung.

Wir vertreten die Theorie, dass das kohärente Atmen das zentrale Nervensystem beeinflusst, indem der Körper und das Gehirn in einer wellengleichen Zirkulation schwimmen: In der „Valsalva-Welle“, die in der Brust während der Ausatmung über die linke Herzkammer und den arteriellen Stamm einsetzt und während der Einatmung über den venösen Stamm und die rechte Herzkammer zur Brust zurückkehrt. Dieser Wellenvorgang ist beinahe überall dort beobachtbar, wo ein Plethysmograph angeschlossen werden kann, darunter in den Arterien, Venen und in der kapillaren Zirkulation. Die Aktivität der Welle kann auch nichtinvasiv über EEG und HEG (Hämoenzephalographie) gemessen werden.

Die durch die Atmung herbeigeführte Herzschlagvariabilität, bei der der Herzschlag gleichzeitig mit der Einatmung schneller und mit der Ausatmung langsamer wird, ist die autonome Reaktion auf das Bestehen der Atemwelle über die Barorezeptoren. Ich mache diesen Unterschied, weil unzählige autonome Einflüsse auf den Herzschlag einwirken. Wenn jedoch die Atmung synchron und kohärent fließt, dominiert der Einfluss der Atmung, und der Phasenzyklus der Herzschlagvariabilität koppelt sich an die Atmung. Ebenso werden Volumen und Kraft der Herzkontraktionen mit der Atmung synchronisiert, um sich an die wechselnde zirkulatorische Betonung anzugleichen, d.h. das Blutvolumen steigt während der Ausatmung im arteriellen Stamm und bei der Einatmung im venösen Stamm, wobei deren Gleichheit im Gesamten für das autonome Nervensystem von vordringlicher Bedeutung ist.

Das kohärente Atmen, als System, bietet eine Methode für das Atmen und eine Methode für die Entspannung an, um auf diese Weise eine Geist-Körper-Resonanz hervorzurufen, wobei als spezielle Entspannungsmethode die Übung dir „sechs Brücken“ vorgeschlagen wird. Die sechs Brücken sind anatomische Bereiche, die über eine sowohl bewusste wie auch unbewusste Regelung verfügen. Sie zeigen alle auch einen „offenen“ und einen „geschlossenen“ Zustand. Die Brücken sind mit Körperteilen verbunden, mit denen wir uns mit der Welt um uns herum austauschen, sendend oder empfangend, wahrnehmend oder spürend, Input oder Output. Die deutlichsten Beispiele sind die Augen und das Zwerchfell. Wir können diese Bereiche bewusst kontrollieren, aber wenn wir das nicht tun, kontrolliert sie das autonome Nervensystem für uns – automatisch.

Deshalb schlägt das kohärente Atmen als System vor, dass wir lernen oder wieder lernen zu atmen und bewusst zu entspannen, um die Welle im Geist-Körper zu erzeugen. Wenn wir beides richtig trainiert haben, wird es zu einem unwillkürlichen Ablauf – nicht unähnlich dem Radfahren. Es wird zu einer Wahlmöglichkeit, es mit Achtsamkeit zu tun.

Ich bin Dr. Wilfried Ehrmann dankbar, dass er mit diesem Buch die Theorie und die Praxis des kohärenten Atmens den deutschsprechenden Menschen auf der ganzen Welt zugänglich macht.

Stephen Elliott, Lebenswissenschaftler, Autor

Persönliches Vorwort

Seit langem begleitet mich das bewusste Atmen. Erstmals lernte ich die Kraft des Atems kennen, als ich mit 11 Jahren begann, ein Blasinstrument zu spielen. Mein Atem konnte plötzlich Töne hervorbringen, mit Hilfe des Instruments, und von der Länge und Stärke des Atems hing es ab, was aus diesen Tönen wurde, ob sie stark und klar oder verkümmert und schwach klangen. Auch die Schönheit des Tones, sein Vibrieren und Schwingen war ein Ergebnis des fließenden Atems.

Viele Jahre später setzte das Interesse an meiner Innenwelt ein. Ich begann eine mehrjährige Therapie und besuchte Selbsterfahrungsgruppen. Ich fühlte mich zur Körpertherapie hingezogen, als ich merkte, dass mich therapeutische Gespräche nicht weit genug in mein Inneres führten. In dieser Zeit machte ich die erste Erfahrung mit bewusstem verbundenem Atmen in einer längeren Sitzung, die mich mit tiefliegenden Schichten meiner Seele in Verbindung brachte. Seither hat mich die Leidenschaft für die Atembewusstheit nicht mehr verlassen. Ich begann als Psychotherapeut zu arbeiten und verband die Bewusstheit und Achtsamkeit auf das Atmen mit anderen Methoden, in denen ich Ausbildungen durchlaufen hatte, und merkte immer wieder, welch wichtige Rolle der Atem beim Aufspüren und Auflösen innerer Themen spielt, bei mir selber und bei Klienten.

Zusammen mit Kolleginnen und Kollegen gründete ich zu Beginn der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts in Wien einen Verein, der der Pflege und Verbreitung der Atemarbeit in ihren verschiedenen Formen gewidmet ist und seither zu einer ansehnlichen Organisation mit vielfältigen Aktivitäten herangewachsen ist. Ich bin dabei federführend mit der Herausgabe einer Fachzeitschrift für Atemarbeit und Atemtherapie tätig und leite seit 1993 ein Ausbildungsprogramm für Atemlehrer und Atemlehrerinnen. 1995 knüpfte ich Kontakte auf internationaler Ebene und arbeite seither bei der International Breathwork Foundation mit.

Nachdem ich mehrere Dutzend Artikel zum Thema „Atem“ und „Atmung“ verfasst hatte, begann ich mit dem Schreiben eines Grundlagenbuches zur Atemarbeit, das 2004 als „Handbuch der Atemtherapie“ erschienen ist. Seither ist wieder ein Jahrzehnt vergangen, und neue Strömungen in der Welt des Atems sind aufgetaucht, mit neuen Einsichten und Methoden.

2011 habe ich mein zweites Buch „Vom Mut zu wachsen“ fertiggestellt. Es beschreibt aus integraler Sichtweise die Entwicklungsgeschichte der Menschheit und ihre Spuren in den Seelen der Menschen. Dadurch kam ich in Kontakt mit einigen integralen Foren, die sich vor allem mit der Auswertung, Auslegung und Weiterentwicklung des umfangreichen Werkes des US-amerikanischen Philosophen Ken Wilber beschäftigen. Dabei lernte ich Günter Enzi kennen, der mir eines Tages vom kohärenten Atmen erzählte, das ihn in Zusammenhang mit der Herzschlagvariabilität interessiere. Ich hatte vorher noch nichts von der Methode gehört, war aber gleich motiviert, mich näher damit zu befassen.

Mit seiner tatkräftigen Unterstützung begann ich mich eingehend mit den Zusammenhängen zwischen Herzrhythmik und Atmung zu beschäftigen. Ich merkte bald bei meinen Eigenerforschungen, wie rasch mich das kohärente Atmen beruhigte und entspannte und konnte seine physiologische Wirksamkeit durch die Verbesserungen in den Werten der Herzschlagvariabilität sichtbar machen.

Aus der Zusammenarbeit mit Günter entstand die Idee zu diesem Buch. Auch beim Schreiben hat er mir viele wertvolle Hinweise gegeben. Deshalb gebührt ihm ein großes Dankeschön. Ich nahm Kontakt auf mit Stephen Elliott, dem Begründer des kohärenten Atmens, der mein Projekt spontan begrüßte und mich bei verschiedenen Fragen, die während des Schreibens auftauchte, fachkundig unterstützte. Ich danke ihm auch für das Vorwort, das dieses Buch einleitet.

Meine Erfahrungen und die vieler Klienten und Schülerinnen haben in mir die Überzeugung gefestigt, dass das kohärente Atmen bei vielen, wenn nicht bei allen Problemen und Leiden unseres Körpers und unserer Seele eine wertvolle Hilfe zur Linderung und Heilung anbietet.

Deshalb hoffe ich, dass das Buch vielen Ateminteressierten auf ihrem Weg weiterhilft und viele andere dazu bringt, zu Ateminteressierten zu werden und damit zu Interessenten an sich selbst, ihrem Körper und Geist und ihrer Gesundheit und Ausgeglichenheit.

Zum Lesen des Buches

Die Methode des kohärenten Atmens, die in diesem Buch vorgestellt und erläutert wird, ist einfach zu verstehen und zu üben. Mancher Leser/manche Leserin wird sich fragen, wozu dann die viele Theorie, die hier präsentiert wird, notwendig ist, und wird vielleicht gleich zum entsprechenden Kapitel blättern und mit dem Üben beginnen.

Das ist schon gut so, schließlich müssen nicht alle an theoretischen Zusammenhängen Gefallen und Begeisterung finden. Ich habe mich bemüht, die Ausflüge in die Physik, Biologie und Chemie möglichst einfach und leicht verständlich darzustellen. Fachbegriffe sind im Glossar am Schluss des Buches erklärt. Wer sich genauer über einzelne Aspekte der vielfältigen Zusammenhänge informieren will, die beim kohärenten Atmen eine Rolle spielen, kann sich in die entsprechende weiterführende Literatur vertiefen.

Denn um zu verstehen, warum das kohärente Atmen gerade so und nicht anders geübt werden soll, wie es hier beschrieben wird, ist es wichtig, die Hintergründe zu verstehen. Sonst könnte jemand auf die Idee kommen, die Übungen „intuitiv“ anders zu machen, was nicht grundsätzlich falsch ist, aber die tiefere Wirkung des kohärenten Atmens verfehlt.

Außerdem kann das Verständnis dessen, was im Körper abläuft, wenn die Atmung auf den kohärenten Rhythmus eingestimmt wird, die innere Wirkung verstärken, weil wir in uns über eine intime Verbindung von Kognition und organischen Prozessen verfügen. Wir brauchen die Einsicht in die Sinnhaftigkeit, wenn wir uns auf neue Übungen einlassen, sonst schwindet die Motivation rasch.

Viele Menschen haben einen visuellen Zugang zum Inneren ihres Körpers. Das Wissen von den Abläufen und Zusammenhängen kann helfen, die Atemübungen mit Vorstellungen und Bildern zu verbinden und damit leichter in den erwünschten Rhythmus einzutauchen.

Schließlich dient es der Verbreitung der Methode, wenn wir ihre Wirkung auf die körperlichen Zusammenhänge und damit ihre Bedeutung für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden verstehen. Viele Menschen unserer Kultur brauchen eine theoretische Ab- Sicherung, um sich auf eine neue Sichtweisen und Erfahrungen oder auf einen ungewohnten Übungsweg einzulassen. Schnell wird etwas in das Eck der Spekulation oder der Esoterik abgeschoben, was scheinbar dem strengen Blick der Wissenschaft nicht standhält. In diesem Buch hingegen gibt es Nahrung für beide: Diejenigen, die Neues ausprobieren wollen und an der eigenen Wirkung beurteilen, was ihnen guttut, und diejenigen, die erst ihren inneren Skeptiker beruhigen müssen, bevor sie in die Praxis gehen.

Im Einleitungskapitel ist die Rede von einem neuen Paradigma, das vermutlich im gesamten Gesundheitsbereich notwendig ist und in naher Zukunft noch dringlicher werden wird. Es hat damit zu tun, dass wir uns nicht nur als Konsumenten öffentlicher Gesundheitsdienstleistungen sehen, sondern als Erstverantwortliche für unsere eigene Gesundheit. Wenn mit der hier vorgestellten Methode der Anspruch verbunden wird, für diese Neuorientierung einen wichtigen Beitrag zu leisten, den alle Menschen nutzen können, soweit sie in der Lage sind, bewusst atmen, dann braucht dieser Anspruch eine gesellschaftlich akzeptable Grundlage in Form einer wissenschaftlich abgesicherten und zugleich für alle gut verstehbaren Theorie.

Die allgemeinen Ausführungen des ersten Kapitels werden im zweiten detaillierter dargestellt. Durch das Modell der Polyvagaltheorie wird verständlich, welche zentrale Rolle unser autonomes Nervensystem für unser Wohlbefinden und unsere soziale Kompetenz spielt und wie wir es günstig beeinflussen können.

Im dritten Abschnitt wird der Begriff der Kohärenz erklärt, den es schon im Bereich lebloser Objekte gibt, die zu einer interaktiven Harmonie streben. Umso mehr können wir den Begriff der Kohärenz in Hinblick auf die Vorgänge in unserem Körper verwenden, weil Gesundheit und Kohärenz eng miteinander zusammenzuhängen scheinen. Wir beschäftigen uns dabei mit der Herzschlagvariabilität, die uns Maßstäbe für diesen Zusammenhang zur Verfügung stellt.

Der vierte Abschnitt führt uns in die Verbindung von Herzschlag und Atemrhythmus und damit zur unmittelbaren Vorbereitung für das kohärente Atmen. Hier finden wir die Neuentdeckung von Steven Elliott und seinem Team: Wir können unsere Atmung so gestalten, dass sie die Tätigkeit des Herzens und den Blutkreislauf optimal unterstützt und entlastet. Dadurch wird eine Kohärenzwelle ausgelöst, die viele andere Körpersysteme harmonisiert.

Mit diesem Rüstzeug ausgestattet, können wir uns im fünften Kapitel mit dem kohärenten Atmen in seiner praktischen Form beschäftigen und dessen Grundsätze kennenlernen und verstehen. Damit steht dem Übungsbeginn nichts mehr im Wege, und dafür liefert der nächste Abschnitt ausführliche praktische Hinweise, Empfehlungen und Hilfestellungen. Im siebten Kapitel werden weitere kohärente Atemübungen, darunter die „sechs Brücken“ beschrieben, die eine Erweiterung des kohärenten Atmens darstellen.

Der siebte Abschnitt gibt einen Überblick über die Vielzahl an Atemmethoden und Atemschulen, die sich im Lauf der Zeit entwickelt haben, damit wir den Stellenwert des kohärenten Atmens besser einschätzen können und damit wir verstehen können, welche Atemübungen für welche Zwecke sinnvoll sind. Viele Menschen nutzen Atemübungen und sind mit bestimmten Methoden vertraut. Für sie ist es wichtig zu verstehen, wie sich diese Übungen zum kohärenten Atmen verhalten.

Der achte Abschnitt wird sich genauer mit der Atemchemie auseinandersetzen. Denn es ist für das Thema von großer Bedeutung, wie die physikalischen Druckverhältnisse im Körper, die wir beim kohärenten Atmen nutzen, mit den chemischen Prozessen des Sauerstoff-Kohlendioxid-Stoffwechsels beim Atmen zusammenhängen.

Im neunten Kapitel kommt dann der Zusammenhang von Atmung und Hormonregulation im Körper zur Sprache im Zusammenhang mit der Frage, ob und wie schnelles und tiefes Atmen positiv auf die Gesundheit wirken kann.

Das zehnten Kapitel stellt das integrative Atmen als umfassende Methode der Atemtherapie vor und legt damit die Grundlage für den nächsten Abschnitt, der sich mit der Frage beschäftigt, wie insbesondere das kohärente Atmen in der Psychotherapie angewendet werden kann. Abschließend wird noch die Anwendung des kohärenten Atmens im Coaching, im Sport und mit Kindern behandelt.

In diesem Buch sind mit allen männlichen Zuschreibungen Frauen und mit allen weiblichen Zuschreibungen Männer mitgemeint.

Kapitel 1 – Unsere Gesundheit in die Hand nehmen

Wir stehen an der Schwelle einer grundlegenden Änderung unseres Gesundheitswesens. Viele Prognosen deuten darauf hin, dass wir an Grenzen der Finanzierbarkeit stoßen. Die unbestreitbaren Erfolge der medizinischen Forschung und Praxis haben kranken Menschen viele Erleichterungen gebracht und ihre Leben verlängert. Dem gegenüber stehen die steigenden Zahlen an Erkrankungen und neue Formen von Krankheit, die uns belasten. Es gibt auch eine zunehmende Unzufriedenheit über die medizinische Versorgung bei vielen Menschen, selbst in Ländern mit enormen Ausgaben für das Gesundheitssystem. Die nach der klassischen Wissenschaft ausgerichtete sogenannte Schulmedizin kann vielen Menschen helfen, aber nicht allen. Sie wirkt am besten beim „Normalpatienten“, der durchschnittliche Belastungswerte und Sensibilitäten aufweist. Andere reagieren allergisch auf Medikamente oder vertragen die Standarddosierungen nicht. Viele leiden an Störungen, zu denen es keine Diagnose gibt. Sie laufen von Untersuchung zu Untersuchung, und es wird nichts gefunden. Sie haben „Schmerzen ohne Befund“. Andere leiden unter den Nebenwirkungen der Behandlungen mehr als an den ursprünglichen Symptomen.

Die medizinischen Behandlungen müssen individueller werden: Jeder Patient braucht eine eigene, auf ihn zugeschnittene Therapie. Zugleich steigt der Kostendruck, sodass die Zeit immer geringer wird, die Ärzte ihren Patienten widmen können. Die Wartezeiten werden länger, die Unzufriedenheit wächst. Obwohl mehr und mehr Geld in das System gepumpt wird, hat es den Anschein, als würden die Menschen nicht gesünder und glücklicher.

Die grundlegendste Änderung, an deren Anfang wir möglicherweise stehen, heißt: Selbstverantwortung übernehmen. Wir sind gewohnt, dass sich andere um unsere Gesundheit kümmern: die Ärzte, die Spitäler und das ganze Sozial- und Gesundheitssystem. Es geht jetzt darum, die Verantwortung wieder zu uns selbst zurückzuholen, ohne dass wir auf die Vorzüge einer Unterstützung durch Experten verzichten müssen. Wir sollten aber für uns selber die ersten Experten werden und die spezialisierten Experten des Gesundheitssystems als Partner sehen.

Die Medizin der Dritten-Person-Perspektive (sie diagnostiziert und behandelt die Symptome von außen) braucht die Ergänzung durch die Erste-Person-Perspektive (sie erforscht die Symptome von innen). Also geht es darum, dass wir unsere eigenen Gesundheitskompetenzen aufbauen und verbessern, und dazu wachsen die Angebote an erfolgversprechenden Ansätzen.

Wir finden immer mehr Wege zur inneren Beeinflussung unseres Organismus. Denn unser Organismus ist ein riesiges sich selbst steuerndes System. Wir wissen und erfahren, dass sich tausende Untersysteme in unserem Körper dauernd selbst regulieren. Solange alles gut läuft, kümmern wir uns nicht um unseren Blutdruck, um den Kreislauf der Lymphe oder die Sekretion von Verdauungsenzymen. Der Körper leistet in jedem Moment Gigantisches in Eigenregie. Unser Gehirn ist in diese Vorgänge eingebunden. Wollen wir die ersten Ärzte für uns selbst werden, so sollten wir lernen, die bewusstseinsfähigen Teile unseres Gehirns derart zu nutzen, dass sie als oberste Instanz der inneren Selbststeuerung fungieren. Wie können wir also uns selbst so programmieren, dass unser Körper einerseits leistungsfähig und andererseits regenerationsfähig bleibt?

Die Methode des kohärenten Atmens, die in diesem Buch vorgestellt wird, bietet dazu einen wichtigen Beitrag. Denn mit der Atemfunktion hat uns die Natur einen Stoffwechselvorgang gegeben, der mit oder ohne Mitwirkung des Bewusstseins ablaufen kann. Mit unserem Bewusstsein können wir die Atmung so beeinflussen, dass sie auf die anderen Körpersysteme modulierend, anregend oder mäßigend einwirkt. Wir müssen nur wissen, in welcher Weise wir „richtig“ atmen, damit die entsprechenden Wirkungen auftreten, und wie wir unseren Körper dazu bringen, mehr und mehr von selber, also ohne unsere aktive Steuerung so zu atmen, wie es für ihn, und das heißt für uns und unsere Gesundheit am besten ist.

1. Die salutogenetische Sichtweise der Gesundheit

Vielerorts ist die Rede von der Krise der Gesundheitsversorgung. Um die Probleme im Gesundheitswesen in den Griff zu bekommen, brauchen wir vermutlich ein neues Gesundheitsparadigma, das salutogenetische Gesichtspunkte mit einschließt. Mit Salutogenese ist gemeint:

„Der Mensch ist auf dem Weg, der als Gesundheits-KrankheitsKontinuum mit vielen verschiedenen Betrachtungsdimensionen zu sehen ist und der sich von der dichotomen Sicht Gesundheit vs. Krankheit abwendet. Dabei konzentrieren wir uns auf die Frage, welche Faktoren, welche Coping-Ressourcen das Leben bewältigen helfen, und wenden uns zugleich ab von der negativ besetzten Sicht über Stressoren, die sehr wohl als hilfreiche Signale im Leben eines Menschen aufgefasst werden können. Es geht bei der Auseinandersetzung mit Stressoren, um deren Charakter und wie dem Individuum im Umgang mit ihnen die Auflösung der Anspannung gelingt.“ (Lorenz, S. 26)

Maßgeblich ist die Frage, wie es ein Organismus schafft, auf gesunde Weise zu wachsen und sich zu entwickeln – also eine dynamische Ordnung herzustellen, die der Begründer der Salutogenese, Aaron Antonovsky, als Kohärenz bezeichnet. Das Leben bringt die unterschiedlichsten Herausforderungen mit sich, die der menschliche Organismus bewältigen muss. Dazu braucht er die Fähigkeit, vom Ungleichgewicht, das durch die verschiedensten Stressoren erzeugt wird, wieder in ein Gleichgewicht zu gelangen und dabei mehr an Bewältigungskompetenz zu erwerben.

2. Zwei Säulen der Gesundheit

Ausgehend von diesen Überlegungen möchte ich das Modell der Gesundheit auf zwei Säulen vorstellen. Die Gesundheit der Menschen beruht auf zwei aufeinander angewiesenen Perspektiven:

• Eigenvorsorge (Erste-Person-Perspektive)

• Professionelle Unterstützung (Dritte-Person-Perspektive)

An erster Stelle sollte immer die gesundheitliche Eigenvorsorge und Selbstkompetenz stehen: Das eigene individuelle Körper- und Gesundheitsbewusstsein, die Achtsamkeit auf die eigene Lebensqualität und die Fähigkeit, mit Beeinträchtigungen dieser Qualität umgehen zu können, sodass das Gleichgewicht rasch wieder hergestellt werden kann.

Im Bedarfsfall, wenn also die Eigenkompetenz nicht mehr ausreicht, kommt die Vorsorge durch das Gesundheitssystem mit den Experten: Therapeuten, Ärzte, Spitäler, Apotheken usw. dazu.

Wenn wir beide Säulen ernst nehmen und in ihrer Wichtigkeit schätzen, wird die eigene Gesundheit nicht zur Gänze dem Gesundheitssystem überantwortet, wie das in weiten Bereichen heute der Fall ist und was hohe Kosten und menschliche Belastungen verursacht. Vielmehr bleibt die Erst- und Letztverantwortung bei den betroffenen Personen, und das sollte auch vom professionellen Gesundheitsmanagement und von der Gesundheitspolitik so gesehen und anerkannt werden. Diese Erst- und Letztverantwortung können die Individuen übernehmen, indem sie ihre eigene Körper- und Gesundheitskompetenz stärken.