Kölner Kreuzigung - Stefan Keller - E-Book

Kölner Kreuzigung E-Book

Stefan Keller

4,6

Beschreibung

Hoch über der Stadt, auf einem alten Schutthügel des 2. Weltkriegs, steht ein roh gezimmertes Holzkreuz. Langsam steigt die Sonne über den Türmen des Kölner Doms empor. Doch der Mann am Kreuz sieht die Sonne nicht mehr. Er ist tot.

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Titel
Stefan Keller
Kölner Kreuzigung
Kriminalroman
Impressum
Personen und Handlung sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen
sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Besuchen Sie uns im Internet:
www.gmeiner-verlag.de
© 2010 – Gmeiner-Verlag GmbH
Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch
Telefon 07575/2095-0
Alle Rechte vorbehalten
1. Auflage 2010
Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt
Herstellung/Korrekturen: Julia Franze / Sven Lang
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Fotos von: Photo-Beagle / photocase.com
ISBN 978-3-8392-3518-8
Einleitung
Bedenke, dass du sterblich bist …
PROLOG
Andächtig kniete der Maler Stephan Lochner vor der noch leeren kleinen Holztafel, in deren Mitte sich leicht rötlich schimmernd ein Holzkreuz abhob, das offenbar nachträglich in eine andere Holzplatte eingearbeitet worden war. Eine ungewöhnliche Prozedur für ein Gemälde, aber sein Auftraggeber hatte darauf bestanden. Vor allem hatte er darauf bestanden, genau dieses Holz zu verwenden. Holz, das er, ein reicher Kaufmann, von einer geschäftlichen Reise nach Mailand mitgebracht hatte.
Lochner hatte vorsichtig eine Aussparung in seinen Maluntergrund gearbeitet, seinen Einwand, dass die Gefahr drohe, das Kreuz falle aus dem Bild heraus, hatte der Auftraggeber beiseitegewischt. ›Sie sind der Meister, Sie machen das schon‹, hatte er erwidert und Lochner ein weiteres Goldstück in die Hand gedrückt. Dann hatte er vorsichtig die beiden Holzstücke, die der Kaufmann ihm anvertraut hatte, in die Aussparung gelegt. Nie zuvor hatte er Wertvolleres in Händen gehalten. Nie zuvor hatte er auf einem kostbareren Grund gemalt als auf einem Stück des Kreuzes Jesu Christi. Die Idee des Kaufmanns war es gewesen, das Kreuz im Bild aus dem Kreuz des Herrn zu gestalten. Leise sprach Lochner ein Gebet, ließ sich von dem Geplapper der Lehrlinge draußen nicht in seiner Konzentration stören. Noch bevor er mit dem Bespannen begonnen hatte, hatte er sie vor die Tür geschickt. Dies war eine Arbeit für den Meister und ausschließlich für den Meister.
Er hatte lange überlegt, ob er den Auftrag wirklich annehmen sollte. War dieser wirklich im Sinne des Herrn? Doch letztlich hatte er ihn aktzeptiert. Pries denn nicht die Kostbarkeit des Materials die Größe der Botschaft, und war nicht der Herr an diesem Kreuz gestorben, beerdigt worden und wieder auferstanden? Konnte es einen geeigneteren Untergrund für ein Gemälde über die Kreuzigung geben? Außerdem konnte er das Geld gut gebrauchen. Nach seinem Umzug in das neue Haus in unmittelbarer Nachbarschaft zu Rathaus und Gürzenich, zu Macht und Repräsentation der freien Reichsstadt Köln, standen noch einige Anschaffungen an.
Also erhob er sich aus seiner knienden Stellung, der Blick des Christen wandelte sich zum Blick des Künstlers. Er betrachtete das kleine Rechteck aus Holz vor ihm und zeichnete mit Kohle sanft die Konturen seines Werkes vor. Nur am Anfang, als er das Kohlestück aufsetzte, zitterte seine Hand leicht. Doch mit jedem Strich wurde er sicherer, der Respekt vor dem Stoff wich mehr und mehr dem Anspruch, mit seinem Werk diesem Stoff gerecht zu werden. Unsicherheit wich Sorgfalt. Er begutachtete die Proportionen, das alles beherrschende Kreuz in der Mitte, die zwei knienden Figuren rechts und links davon, ihre Körper etwas kleiner als die Darstellung Christi. Lochner überlegte, ob er einen Hintergrund im Stile der Niederländer auftragen sollte. Schon seit geraumer Zeit gingen ihm einige Gedanken durch den Kopf, Bilder und sogar kleine Geschichten, die sich im Hintergrund eines Gemäldes erzählen ließen. Wäre es nicht auch etwas Besonderes, das Kreuz des Bildes an seinem Ursprungsort zu zeigen und hinter ihm den Blick von Golgotha auf die heilige Stadt? Aber seinem Auftraggeber wäre das mit Sicherheit zu modern. Manchmal verzweifelte Lochner schier an der Biederkeit seiner Kunden. Auf seinen Reisen als Geselle hatte er Werke gesehen von solcher Ausdruckskraft und Schönheit, dass es ihm schier den Atem raubte. So viel konnte Malerei ausdrücken, wenn einer sein Handwerk beherrschte und aufgeschlossen war. Doch der Kunde bezahlte und er erfüllte seinen Auftrag. So war das und so würde es immer sein. Die Herrschaften wünschten den traditionellen Glanz des Goldgrundes. Nichts sollte vom zentralen Motiv des Gemäldes ablenken. Lochner tröstete sich mit dem Gedanken, dass kaum etwas dem Kreuz des Herrn würdiger sein könnte als Gold.
TEIL 1
KRIEGSBEUTE
1
Reglos lagen die beiden Körper Seite an Seite in ihrem großzügigen Bett. Kurz war er versucht, ihren Kopf auf seine Brust zu legen, aber er widerstand. Stattdessen betrachtete er eine Weile, wie sich das Blut auf den weißen Laken langsam verfärbte. Die Flecken wirkten viel dunkler, als er es sich in seiner Fantasie vorgestellt hatte. Überhaupt war alles anders, als er es erwartet hatte. Besser. Viel besser. Er saß auf einem Hocker am Fuß des Bettes und betrachtete mit einem fast schon künstlerischen Interesse die beiden Leichen im Doppelbett. Sie lagen einander zugewandt da, als wollten sie sich noch einmal voneinander verabschieden. Das aber war ihnen nicht mehr vergönnt gewesen. Er hatte es ihnen nicht mehr vergönnt. Mit zwei kurzen und konsequenten Bewegungen seines Fingers hatte er über ihr Leben und ihren Tod entschieden. Nun beugte er sich vor und blickte in das, was einmal ihre Gesichter waren. Von ihrer Schönheit war nichts mehr zu erkennen. Die Waffe, die Gewalt und der Tod hatten sie buchstäblich zerfetzt. Er fühlte sich gut. Leicht und mächtig, euphorisch und frei von Skrupeln oder Gewissensbissen. Alles war einfacher gewesen, als er gedacht hatte. Jetzt würde er seine Sachen zusammenpacken, mögliche Spuren verwischen und in sein Leben zurückkehren. Einfach so.
»Darum geht’s!« Museumsdirektor Anton Malven schob den beiden Detektiven Marius Sandmann und Gunter Brock ein Foto über den Schreibtisch. Sein schwarzer Sakkoärmel verschmolz mit dem schwarzen Schreibtisch, sodass Sandmann an eine Pantomime dachte, eine Hand ohne Arm, die ein Foto vor sich herschob. Der Detektiv beugte sich nach vorne, schob die schwarze Brille zurecht und schaute auf einen neun mal neun Zentimeter großen, leicht vergilbten Fotoabzug. Das Bild zeigte ein Arbeitszimmer, ein fast schon antiker schwerer Schreibtisch mit einigen Schubfächern, die durch einen Berg von verpackten Geschenken in den unterschiedlichsten Farben verdeckt wurden. Zwischen den Geschenken konnte Marius einen alten Tischkalender erkennen, dessen Zeit sich von Hand einstellen ließ. Sein Großvater hatte so etwas Ähnliches besessen. Das Bild musste einige Jahrzehnte alt sein.
»Der Abzug muss irgendwann in den 70er-Jahren gemacht worden sein. Das Fotopapier gibt es heute nicht mehr, und wenn Sie zwischen den Paketen auf den halb verdeckten Tischkalender schauen, sehen Sie das Datum, an dem das Bild aufgenommen wurde: am 3. Januar 1970.« Direktor Malven reichte den beiden Männern eine würfelförmige Lupe, Brock nahm sie und das Bild vom Tisch und betrachtete die Vergrößerung, ohne eine Regung zu zeigen. Er musste es sich kurz vor die Nase halten, um die Jahreszahl auf dem Kalender lesen zu können. Dann legte er beides zurück auf den Schreibtisch.
»Da hat wohl jemand seine Weihnachtspost nicht geöffnet.«
Marius betrachtete das Datum nun seinerseits durch die Lupe. Aber er war genauso ratlos wie sein Chef.
»Was genau sollen wir tun?« Brock zeigte auf das Foto. »Möchten Sie, dass wir für Sie ein paar alte Weihnachtsgeschenke wiederfinden, oder was?« Die braunen Haare seines Schnauzers hoben sich leicht, als Brock das sagte.
Nein, Gunter Brock war nicht der Geduldigste und nicht der Diplomatischste, dachte Marius bei sich und hoffte, sein Chef würde sich im weiteren Verlauf des Gesprächs zurückhalten. Er schaute hinüber zu Malven, der leicht zurückgelehnt in seinem schwarzen Ledersessel saß und die Fingerkuppen seiner schlanken Hände vor dem schwarzen Hemd bedächtig aneinandertippte.
»Es geht um das Gemälde im Hintergrund.« Mit dem Zeigefinger deutete er auf ein kleines Bild an der Wand hinter dem Schreibtisch. Sandmann hatte sich auf den Vordergrund konzentriert, als er das Foto angeschaut hatte. Jetzt nahm er es erneut in die Hand und betrachtete es eingehender. Um das Gemälde, das in der Mitte über dem Schreibtisch hing, genauer sehen zu können, griff er nach der Lupe. Er ärgerte sich über sich selbst. Als Privatdetektiv und als – freilich gescheiterter – Kunsthistoriker hätte er genauer hinsehen müssen, auch wenn das Bild auf den ersten Blick unscheinbar wirkte, ein Gemälde von geschätzten 20 mal 25 Zentimetern in einem schlichten schwarzen Holzrahmen, das auf einem Goldgrund die Kreuzigung Christi zeigte. Der Körper setzte sich in seinem fast makellosen Weiß stark von dem Schwarz des Kreuzes ab. Deutlich hervorgehobene und vergrößerte Blutflecken an Stirn, Händen und Füßen sowie über dem Herzen leuchteten selbst auf diesem verblassten alten Farbfoto in einem kräftigen Rot. Rechts und links des Kreuzes knieten ein Mann und eine Frau in spätmittelalterlicher Tracht. Die Frau trug eine Art Umhang, sie hatte die Hände gefaltet, in denen sie eine Blume hielt. Marius identifizierte sie als Lilie. Der Mann auf der anderen Seite des Kreuzes trug das dunkle Gewand eines Kaufmanns mit einem prächtigen Pelzkragen, aber ohne Kopfbedeckung. Mit seinen gefalteten Händen umklammerte er einen Schlüssel.
»Die Kreuzigung Christi. An seiner Seite Maria mit der Lilie und Petrus mit dem Schlüssel.«
Malven nickte anerkennend.
»Deswegen habe ich Sie und Ihre Detektei«, er zögerte kurz, bevor er das letzte Wort aussprach, »kontaktiert. Ich hatte bereits gehört, dass einer von Ihnen ein wenig kunstgeschichtliche Kenntnisse mitbringt. Auf wann datieren Sie das Werk?«
»Kölner Malerei, 15. Jahrhundert.«
»Sehr gut.« Malven lächelte zufrieden.
»Untypischerweise wissen wir sogar, wer das Bild gemalt hat. Maler der Spätgotik haben ihre Werke nicht signiert, müssen Sie wissen.« Er schaute Brock an, als er das sagte. »Wir analysieren also den Malstil und die Herstellungszeit und ziehen daraus Rückschlüsse auf den Künstler, dessen Namen wir dann oft genug auch gar nicht kennen. Deswegen hängen hier im Museum auch Bilder vom Meister des Sankt-Georg-Altars oder des Altars zu Sankt Michael. In diesem Fall aber wissen wir mit ziemlicher Sicherheit, wer das Bild gemalt hat.«
Brock starrte aus dem Fenster und blickte hinüber auf die alten Mauern des Kölner Gürzenich. Marius wusste, dass er dennoch zuhörte, halbwegs zumindest. Doch im Grunde verließ Brock sich darauf, dass Marius sich diesen Teil des Gesprächs merkte, und sie beide wussten das.
»Wer hat es gemalt?«, wollte Marius wissen.
»Stephan Lochner.« Dem Direktor huschte ein um Anerkennung buhlendes Grinsen über das Gesicht. Marius enttäuschte ihn nicht. Beeindruckt schnalzte er mit der Zunge und nahm das Bild erneut in die Hand.
»Einen renommierteren Maler gab es zu dieser Zeit in Köln nicht.«
»Nein, allerdings nicht. Und es gibt auch nicht so viele Werke, von denen wir sicher wissen, dass sie von ihm stammen.«
Marius betrachtete das Gemälde im Hintergrund ein weiteres Mal. Der Abzug war einfach zu klein, die Qualität zu schlecht, um irgendetwas sehen zu können, was darauf hindeuten könnte, dass Lochner tatsächlich Urheber dieser Kreuzigungsszene war.
»Woher wissen Sie, dass das ein Lochner ist?«
»Wir haben das Bild in unserem Bestandsarchiv. Es gehört uns.«
Brock schaute weiterhin aus dem Fenster, Marius jedoch wurde langsam hellhörig. »Was macht das Gemälde eines der berühmtesten Kölner Maler des späten Mittelalters in einem privaten Arbeitszimmer? Zumal, wenn es dem Wallraf-Richartz-Museum gehört?«
»Das würden wir auch gerne wissen«, erwiderte der Mann mit den kurz geschorenen weißen Haaren.
Brock wandte sich nun wieder dem Gespräch zu. »Sie möchten also, dass wir dieses Gemälde finden?« Malven nickte. »Darf man hier rauchen?« Brock griff in die Innentasche seiner farblos beigen Windjacke und zog eine verknitterte Schachtel Zigaretten heraus. Der Direktor schüttelte den Kopf.
»Wir sind ein Nichtraucherhaus. Tut mir leid.« Brocks Augen wirkten fast noch ein wenig kleiner und dunkler als sonst, aber er steckte die Packung wortlos wieder weg. Das war nicht selbstverständlich. Marius atmete erleichtert aus.
»Ich verstehe immer noch nicht, wieso sich dieses Gemälde in dem privaten Arbeitszimmer auf diesem Foto befindet, wenn es doch zum Bestand des Wallraf-Richartz gehört?«, fragte Brock. »Ist es Ihnen geklaut worden? Ihr Sicherheitssystem sah eigentlich gut aus. Auf den ersten Blick.«
»Wir wissen es nicht.« Aus den Augenwinkeln sah Marius, wie Brock genervt die Stirn runzelte. Nein, seine Geduld war wirklich endlich. Es war besser, einzugreifen.
»Erzählen Sie uns doch einfach, was es mit diesem Gemälde auf sich hat.« Marius lächelte Direktor Malven aufmunternd an.
»Die Kreuzigung, eine kleine, weniger bekannte Auftragsarbeit Lochners, wurde dem Museum Ende der 20er-Jahre vererbt. Es gibt immer wieder Kölner, die nach ihrem Tod den heimischen Museen das ein oder andere hinterlassen, müssen Sie wissen. Nicht immer ist so ein Schätzchen dabei wie damals. Dennoch verschwand das Bild erst einmal im Archiv, wurde also nie öffentlich ausgestellt. Vermutlich wusste damals niemand so richtig, was für einen Schatz man da erhalten hatte. Die Zuschreibung war zur damaligen Zeit durchaus strittig. Außerdem hatte das Museum in dieser Zeit einfach zu wenig Platz, um alles zu zeigen, was es besaß. Das Haus …«
Brock fiel dem Direktor ins Wort: »Aber wie ist das Bild abhanden gekommen? So etwas beschließt ja nicht in einem staubigen Archivkeller, dass ihm langweilig ist, und spaziert dann zur Tür hinaus, um was von der Welt zu sehen.« Malven blickte Brock pikiert an.
»Sie machen sich keine Vorstellung von unseren Archivräumen. Das sind mitnichten staubige Keller. Unsere Kunstschätze …«
»Was Herr Brock wissen möchte, ist, wie das Bild verschwinden konnte. Irgendwo müssen wir unsere Suche beginnen, und da sind Zeit und Umstände des Verschwindens nicht der schlechteste Anfang.«
»Ich verstehe.« Malven schwieg einen Augenblick. »Ehrlich gesagt: Auch das wissen wir nicht so genau.«
»Und trotzdem vererben die Leute Ihnen immer noch was?« Marius warf einen schnellen Seitenblick auf Brock, der höchst konzentriert an seinen Fingernägeln nestelte.
Der Direktor trank einen kurzen Schluck aus einem Wasserglas und fuhr fort: »Es muss irgendwann im Krieg, also im Zweiten Weltkrieg verschwunden sein. Einige Bilder sind in den Wirren dieser Zeit verschollen gegangen. Auch aus unserem Museum.«
»Sie meinen Beutekunst?«
»Damit wäre das Gemälde jetzt vermutlich irgendwo in den Vereinigten Staaten. Das, was Sie hier auf dem Foto sehen, ist aber definitiv ein deutsches Arbeitszimmer.« Marius nahm das Bild erneut vom Schreibtisch und betrachtete es zum dritten Mal an diesem Vormittag.
»Also hat jemand die Gelegenheit genutzt, um sich im Museum an ein paar Bildern zu bedienen?« In Gedanken spielte er mit dem Foto in seiner Hand, bemerkte Malvens missbilligenden Blick nicht.
»Bisher sind wir davon ausgegangen, dass manche Bilder einfach zerstört wurden.« Malven schaute auf das Foto in Marius’ Hand. »Sie waren zum Teil ausgelagert, zum Teil hier. Über Jahre hatte keiner einen Überblick, welche Bilder wo gewesen waren während des Krieges. Vermutlich wusste man damals nicht einmal, wie viele Bilder überhaupt im Besitz des Museums waren. Hinzu kommen Leihgaben, die sich zeitweise nicht im Museum befanden.«
»Wissen Sie denn, wie viele Bilder Sie heute in Ihrem Museum haben?« Ein kurzes Grinsen huschte bei dieser Frage über Brocks Gesicht. Der Direktor des Museums überlegte und zuckte kurz darauf mit den Achseln. Marius übernahm das Gespräch.
»Ich versuche das einmal zusammenzufassen: Das Museum erhält Ende der 20er-Jahre ein Gemälde, das vermutlich von Stephan Lochner stammt, lagert es in seinem Archiv, aus dem es im Laufe des Zweiten Weltkrieges unbemerkt verschwindet.«
»Unbemerkt nicht. Bei einer ersten Bestandsaufnahme in den 50er-Jahren kam es mit auf die Liste der verschollenen Werke.«
»Aber gesucht haben Sie nicht danach?«
»Wir hatten keine Anhaltspunkte.«
»Bis heute.«
»Richtig.«
»Das Gemälde verschwindet also irgendwo in Privatbesitz …«
»… wo es friedlich und unbehelligt an einer Wand hängt …«, streute Brock ein.
»Und taucht nun auf diesem Foto aus den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts wieder auf. Woher haben Sie das Foto eigentlich?«, setzte Marius Sandmann seinen Satz fort.
»Das haben wir mehr per Zufall in einem Nachlass entdeckt.« Malvens Blick schoss kurz zu Brock hinüber, der jedoch schwieg. »Eher allerdings ein chaotischer Hausstand, keine Kunst. Aber immerhin mit einem gewissen Geldbetrag verknüpft.« Brock schnaubte. »Beim Sortieren dieses Hausstandes ist einer unserer Mitarbeiterinnen dieses Foto aufgefallen.« Marius nahm noch einmal die Lupe zur Hand. »Im kommenden Jahr planen wir eine große Ausstellung mit Kölner Kunst aus dieser Zeit. Wir wollen unsere eigenen Bestände einmal herausstellen und einiges andere dazuholen. Wenn wir im Rahmen dieser Ausstellung einen verschollenen Lochner präsentieren könnten, wäre das eine absolute Sensation.«
»Wenigstens müssen wir nicht die Stadt verlassen, um das Bild zu finden. Vermutlich zumindest.« Malven und Brock blickten Marius überrascht an, der das Foto durch die Lupe betrachtete.
»Wie kommen Sie darauf?« Marius reichte Malven Bild und Vergrößerungsglas.
»Der Zeitungsständer links neben dem Schreibtisch.«
»Was ist damit?«
»Es steckt eine Kölner Zeitung darin.«
2
Kommissarin Paula Wagner stand vor dem Bett des Schauspielerpaares und blickte auf die gesichtslosen Köpfe in den rot getränkten Laken.
»Auf ein Autogramm kannst du bei den beiden lange warten, Kleine.« Der Rechtsmediziner Dr. Volker Brandt ging an ihr vorbei und stellte seinen Koffer neben dem Bett ab. Seine grauen Augen unter den seltsam zarten Augenbrauen wirkten herablassend.
Paula Wagner überlegte, ob sie Brandt antworten sollte, unterließ es aber. Stattdessen wandte sie sich von den Leichen ab, nur um dem Blick ihres Chefs, Hauptkommissar Hannes Bergkamp, zu begegnen, der lang und schlacksig in der Tür stand und Brandts Satz sicherlich gehört hatte. Ihr schien es, als verdrehe er ein wenig die Augen. War sie hier und heute vielleicht das Dummchen vom Dienst?
Sie ging zu der japanisch anmutenden Schiebetür aus Holz und Milchglas, die das Schlafzimmer vom Rest der Wohnung trennte. Der Holzboden bebte leicht unter ihren Schritten. Bergkamp wich ihr wortlos aus. Sie wandte sich nach rechts und kam in eine für ihren Geschmack viel zu große Küche. Auf den edlen Holzablagen und in der blitzenden Spüle stapelten sich dreckiges Geschirr, benutzte Gläser und leere Flaschen. Nur halbherzig abgedeckte Platten eines kleinen Büfetts verströmten einen leichten Geruch gammeligen Fleischs, der sich mit dem Gestank einer nach einer Party nur schlecht gelüfteten Wohnung vermischte. Hier war gestern noch mächtig gefeiert worden. Im bis auf ein großes, rotes Ledersofa und einen absurd großen Flat-Screen-Fernseher fast leeren Wohnzimmer roch es nach Tabakrauch. Ansonsten wirkte der Raum sauber, sah man von einigen Glasrändern auf dem Sofatisch und einem weißen Sideboard ab. Sie betrachtete die spiegelglatte Oberfläche des Glastisches vor dem Sofa, ging in die Hocke, um die Fläche auf Augenhöhe zu begutachten. Die kleinen weißen Reste waren so kaum zu übersehen. Bergkamp war ihr in das Wohnzimmer gefolgt. Sie stand auf.

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