Komische Vögel sterben tragisch - Donna Andrews - E-Book
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Komische Vögel sterben tragisch E-Book

Donna Andrews

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Beschreibung

Drei Hochzeiten und ... ein Mordfall! Herrlich skurrile Krimikomödie um eine Ermittlerin wider Willen

Die Kunstschmiedin Meg Langslow ist verzweifelt. Sie soll für drei Verwandte deren jeweilige Hochzeit planen und hat nun alle Hände voll zu tun, um ihre exzentrische Familie zufriedenzustellen. Zu allem Überfluss deutet eine Unbekannte auch noch an, eines der Hochzeitspaare hätte eine "Leiche im Keller". Kurz darauf wird diese Fremde tot aufgefunden. Auf Megs endlos scheinender Liste der zu erledigenden Dinge steht plötzlich neben Blumenarrangements und lebenden Pfauen für die Trauung auch noch die Jagd nach einem Mörder. Und das nächste große Familienereignis droht ihre eigene Beerdigung zu werden ...

Band 1 der Cosy-Crime-Reihe um Meg Langslow. Nächster Band: "Alle Vögel sind schon tot".

Über die Reihe: Lernen Sie Meg kennen - und ihre schräge Verwandtschaft!
Meg arbeitet als Kunstschmiedin in Yorktown, Virginia - eigentlich. Denn nebenbei stolpert sie über Leichen und wird dadurch immer wieder zur unfreiwilligen Ermittlerin. Die sonderbaren Kriminalfälle löst Meg dabei mit - oder trotz? - ihrer liebenswert schrulligen Familie.
Verschrobene Verwandte, Wortwitz und skurrile Situationskomik - wenn Morden so lustig ist, ist es Donna Andrews! Für Fans von Tante Dimity und Sarah Booth Delaney.

Dieser Wohlfühlkrimi ist in einer früheren Ausgabe unter dem Titel "Falscher Vogel fängt den Tod" erschienen.

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 556

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Inhalt

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Weitere Titel der Autorin:

Die humorvolle Meg-Langslow-Krimireihe:

Alle Vögel sind schon tot

Schräge Vögel sterben schneller

Böse Vögel lassen Federn

Über dieses Buch

Drei Hochzeiten und … ein Mordfall! Herrlich skurrile Krimikomödie um eine Ermittlerin wider Willen

Die Kunstschmiedin Meg Langslow ist verzweifelt. Sie soll für drei Verwandte deren jeweilige Hochzeit planen und hat nun alle Hände voll zu tun, um ihre exzentrische Familie zufriedenzustellen. Zu allem Überfluss deutet eine Unbekannte auch noch an, eines der Hochzeitspaare hätte eine »Leiche im Keller«. Kurz darauf wird diese Fremde tot aufgefunden. Auf Megs endlos scheinender Liste der zu erledigenden Dinge steht plötzlich neben Blumenarrangements und lebenden Pfauen für die Trauung auch noch die Jagd nach einem Mörder. Und das nächste große Familienereignis droht ihre eigene Beerdigung zu werden …

Über die Autorin

Donna Andrews wurde in Yorktown, Virginia, geboren – wie die Protagonistin ihrer humorvollen Vogel-Krimireihe, Meg Langslow. Andrews erster Roman, Komische Vögel sterben tragisch, erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter die internationalen Krimipreise Agatha, Anthony und Barry Award, den St. Martin's Press Malice Domestic Award für den besten traditionellen Kriminalroman sowie den Romantic Times Award als bester Debütroman. Donna Andrews lebt in Reston, Virginia.

Website der Autorin: www.donnaandrews.com.

Donna Andrews

KOMISCHE VÖGEL STERBEN TRAGISCH

Meg Langslows erster Fall

Aus dem amerikanischen Englisch von Frauke Meier

beTHRILLED

Digitale Erstausgabe

»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Für die Originalausgabe:

Copyright © 1999 by Donna Andrews

Titel der amerikanischen Originalausgabe: »Murder with Peacocks«

Originalverlag: St. Martin’s Press, New York

Published by arrangement with St. Martin’s Press. All rights reserved.

Dieses Werk wurde im Auftrag von St. Martin's Press durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover, vermittelt.

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2007/2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Titel der deutschsprachigen Erstausgabe: »Falscher Vogel fängt den Tod«

Textredaktion: Alexander Huiskes

Covergestaltung: Kirstin Osenau unter Verwendung von Motiven © shutterstock: Bplanet | Nature Art | Songdech Kothmongkol | Sergei Kardashev | weddingvideothailand | PowerUp | Artyem Dzyuba; © iStockphoto: cynoclub

eBook-Erstellung: hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7325-6269-5

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Dienstag, 24. Mai

Ich war schon so sehr an hysterische Anrufe in der Morgendämmerung gewöhnt, dass ich nur einen halbherzigen Fluch brummte, ehe ich den Hörer abnahm.

»Pfauen«, sagte eine Stimme.

»Tut mir leid, Sie müssen sich verwählt haben«, murmelte ich und klappte ein Auge auf, um einen Blick auf die Uhr zu werfen: Es war 6:00 morgens.

»Ach, sei doch nicht albern, Meg«, fuhr die Stimme fort. Jetzt erkannte ich sie. Samantha, die Verlobte meines Bruders Rob. »Ich habe nur angerufen, um dir zu sagen, dass wir ein paar Pfauen brauchen.«

»Wofür?«

»Für die Hochzeit natürlich.« Natürlich. Soweit es Samantha betraf, drehte sich die ganze Welt nur noch um ihre bevorstehende Hochzeit, und von mir als Trauzeugin wurde erwartet, ihre Besessenheit zu teilen.

»Verstehe«, sagte ich, obwohl ich das eigentlich nicht tat. Gleichzeitig unterdrückte ich das Schaudern, das mich bei dem Gedanken an Pfauen überfiel, die, geröstet, aber mit noch erhaltenem Federkleid, die Buffettafel zierten. Das konnte sie doch wohl bestimmt nicht vorhaben, oder? »Was werden wir mit den Viechern bei der Hochzeit machen?«

»Wir werden gar nichts mit ihnen machen«, erwiderte Samantha ungeduldig. »Sie werden einfach da sein und dem Ereignis zusätzliche Grazie und Eleganz verleihen. Erinnerst du dich an das Essen mit deinem Vater am vorletzten Wochenende? Bei dem er gesagt hat, es sei eine Schande, dass im August so wenig im Garten blühen würde und es so wenig Farbe gäbe? Na ja, ich habe gerade in einer Zeitschrift ein Foto mit Pfauen gesehen, und das sind wirklich die hübschesten Viecher, die du je gesehen hast …«

Ich ließ sie noch eine Weile weiterquasseln und wühlte mich durch die Dinge auf meinem Nachttischchen, fand schließlich mein Notizbuch, dem es oblag, mir zu sagen, wann ich atmen durfte, schlug die passende Seite auf und notierte »Pfauen« in der sauberen, steifen Blockschrift, die ich zu nutzen pflegte, wenn ich nicht besonders gut gelaunt war.

»Willst du sie kaufen oder mieten?«, fragte ich, nicht ohne dabei Samanthas Loblied auf die Reize der Pfauen zu unterbrechen.

»Na ja, mieten, wenn es geht. Ich bin überzeugt, Vater wäre voll und ganz zufrieden, wenn wir sie im Notfall kaufen, aber ich weiß nicht recht, was wir auf Dauer mit ihnen anfangen sollen.« Ich notierte: »Mieten – kaufen, falls notwendig« hinter »Pfauen«.

»Schön. Pfauen. Ich werde sehen, was ich auftreiben kann.«

»Wunderbar. Oh, Meg, du bist so wunderbar bei all diesen Dingen!«

Ich ließ sie noch eine Weile schwärmen und fragte mich, nicht zum ersten Mal, ob Rob mir leidtun sollte oder ob er sich tatsächlich darauf freute, ihr den Rest seines Lebens zuzuhören. Und war Rob, der meinen Hang teilte, spät zu Bett zu gehen, überhaupt klar, was für ein Morgenmensch Samantha war. Irgendwann gelang es mir, ihren Monolog zu beenden und aufzulegen. Wach war ich nun; also konnte ich mich auch gleich an die Arbeit machen.

Tonlos »Pfauen« knurrend stolperte ich flüchtig unter der Dusche hindurch, schnappte mir einen Kaffee und ging in mein Studio. Dort riss ich alle Fenster auf und betrachtete zärtlichen Blicks meinen kalten Schmiedeofen und meine Werkzeuge. Meine Laune besserte sich.

Für etwa zehn Sekunden. Dann klingelte das Telefon erneut.

»Was hältst du von Blau, Liebes?«, fragte meine Mutter.

»Guten Morgen, Mutter. Was meinst du mit ›Blau‹?«

»Die Farbe Blau, Liebes.«

»Die Farbe Blau«, wiederholte ich, ohne eine Spur klüger zu sein als zuvor. Vor der Mittagszeit bin ich einfach nicht auf der Höhe.

»Ja, Liebes.« Meine Mutter klang nun schon leicht ungeduldig.

»Was ich davon halte?«, fragte ich verdattert. »Ich halte Blau für eine wunderschöne Farbe. Die Mehrheit der Amerikaner sagt Blau, wenn sie nach ihrer Lieblingsfarbe befragt wird. In asiatischen Kulturen …«

»Für das Wohnzimmer, Liebes.«

»Oh. Du willst etwas Blaues für das Wohnzimmer?«

»Ich dekoriere um, Liebes. Für die Hochzeit, weißt du noch? In Blau. Oder Grün. Aber ich neige wirklich mehr zu Blau. Und ich wollte wissen, wie du darüber denkst.«

Wie ich darüber dachte? Was ich ehrlich dachte? Ich dachte, die Idee meiner Mutter, das Wohnzimmer vor der Hochzeit umzudekorieren, wäre nur ein vorübergehender Augenblick geistiger Umnachtung nach einem Übermaß an Sherry im Haus eines Onkels gewesen. Und übrigens ging es bei der fraglichen Hochzeit nicht um Rob und Samantha, sondern um ihre eigene Heirat. Nach der liebenswürdigsten Scheidung der Welt und fünf Jahren sogenannten Singlelebens, in denen mein Vater weiterhin still vergnügt sämtliche Gartenarbeiten übernommen und alle möglichen Botengänge für meine Mutter ausgeführt hatte, hatte sie beschlossen, einen kürzlich verwitweten Nachbarn zu ehelichen. Ich wiederum hatte mich bereit erklärt, die Trauzeugin für meine Mutter zu geben. Was, wie jeder ahnen muss, der Mutter kennt, bedeutete, dass ich mehr oder weniger deutlich zugestimmt hatte, alle Mühen, die mit einer derartigen Gelegenheit einhergingen, auf mich zu nehmen. Unter ihrer gestrengen Aufsicht, selbstverständlich.

»Was für ein Blau?«, fragte ich, um Zeit zu schinden. Das Wohnzimmer war derzeit vollständig in Erdtönen gehalten. Es nun in Blau umzugestalten würde neue Vorhänge erfordern, neue Polstermöbel, einen neuen Teppich, einfach alles. Ja, sicher, Dad konnte sich das vermutlich leisten. Nur würde Dad nicht dafür bezahlen, wie ich mir in Erinnerung rief. Wie-heißt-er-noch würde das tun. Mutters Verlobter. Jake. Ich hatte keine Ahnung, wie gut oder schlecht Jake situiert war. Nun, Mutter vermutlich schon.

»Das habe ich noch nicht entschieden, Liebes. Ich dachte, du hättest vielleicht ein paar Ideen.«

»Weißt du was?« Ich improvisierte. »Ich werde Eileen fragen. Sie ist diejenige mit dem Auge für Farben. Ich werde sie fragen, wir holen uns ein paar Farbmuster und sprechen darüber, wenn ich zu euch runterkomme.«

»Das wäre großartig, Meg-Liebes. Dann lasse ich dich jetzt mal weiterarbeiten. Wir sehen uns in ein paar Tagen.«

Ich ergänzte die Liste meiner Aufgaben um das Wort »Blau« und schaffte es tatsächlich, meinen Kaffee hinunterzustürzen und nach meinem Hammer zu greifen, ehe das Telefon erneut klingelte.

»Oh, Meg, er ist unmöglich. Das kann einfach nicht funktionieren.«

Die Stimme gehörte meiner besten Freundin und Geschäftspartnerin Eileen. Derjenigen mit dem Auge für Farben. Und der fragliche »er« war Steven, seit Silvester ihr Verlobter, zumindest während der Pausen zwischen den vorehelichen Zankereien. Auf die Gefahr, mich zu wiederholen, sollte ich hinzufügen, dass ich, natürlich, auch Eileens Trauzeugin war.

»Was ist denn los?«, fragte ich.

»Er will die indianische Kräuterreinigungszeremonie während der Hochzeit nicht haben.«

»Tja«, sagte ich nach einer kurzen Pause, »vielleicht ist er einfach ein bisschen befangen in dem Punkt. Schließlich ist keiner von euch indianischer Abstammung.«

»Das ist albern. Es ist eine wundervolle Tradition, und es wäre eine so wichtige Aussage über unsere Bindung an unsere Umwelt.«

Ich seufzte.

»Ich rede mit ihm«, sagte ich. »Nur eine Frage … Eileen, über welche Art von Kräutern sprechen wir? Ich meine, es geht doch nicht um irgendwas Illegales, oder?«

»Oh, Meg.« Eileen lachte. »Wirklich! Ich muss jetzt auflegen und mich um meinen Ton kümmern.« Und sie legte, immer noch herzlich lachend, auf. Ich vermerkte »Steven wegen Kräutern anrufen« auf meiner Liste.

Ich sah mich in meinem Studio um. Meine Werkzeuge waren da, einsatzbereit warteten sie darauf, dass ich mich in meine Kunstschmiedearbeit stürzte, die mein Beruf und meine Leidenschaft zugleich ist. Und ich wusste, dass ich heute wirklich ein bisschen Arbeit erledigen sollte. In ein paar Tagen würde ich in meine Heimatstadt reisen, um dort, und dessen war ich sicher, einen höllischen Sommer durchzustehen. Aber es fiel mir schwer, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. Vielleicht war es einfach an der Zeit, das Handtuch zu werfen und nach Yorktown zu fahren.

Das Telefon klingelte schon wieder. Ich bedachte es mit einem bösen Blick und befahl ihm in Gedanken, damit aufzuhören. Es ignorierte mich und läutete einfach weiter. Seufzend hob ich ab.

Wieder Eileen.

»Oh, Meg, ehe du nach Yorktown fährst, könntest du …«

»Ich werde keine Zeit mehr haben, noch irgendetwas zu tun, ehe ich nach Yorktown fahre. Ich werde morgen abreisen.«

»Wunderbar! Wie wäre es, wenn du unterwegs bei uns reinschaust? Wir müssen dir etwas erzählen.«

Unterwegs. Yorktown, der Ort, an dem meine Eltern und Eileens Vater lebten und an dem all die Hochzeiten stattfinden sollten, war eine Stadt an der Küste, drei Stunden südlich von Washington. Stevens Farm, auf der Eileen inzwischen lebte, war drei Stunden in westlicher Richtung von Washington entfernt. Ich klappte meinen Mund auf, um sie zu fragen, ob ihr auch nur annähernd klar war, welchen Aufwand es erforderte, bei ihr reinzuschauen, als mir plötzlich etwas klar wurde: Würde ich Steven und Eileen besuchen, dann konnte ich sie dazu zwingen, Entscheidungen zu treffen und mir alle nötigen Listen und Unterschriften zu liefern. Sie wären in meinen Fängen. Das könnte hilfreich sein.

»Ich bin morgen zum Abendessen bei euch.«

Den Rest des Tages verbrachte ich damit, mein Leben auf Eis zu legen und mein Studio der sich wacker mühenden Bildhauerin zu übergeben, der ich es während des Sommers untervermietet hatte. Als ich am Abend zu Bett ging, fühlte ich mich vortrefflich. Ich hatte die feste Absicht, in den nächsten Tagen wirklich mal ein paar Dinge für die bevorstehenden Hochzeiten zu erledigen.

Mittwoch, 25. Mai

Ich hatte gehofft, die Stadt bis zum Mittag verlassen zu können, aber als ich endlich alles gepackt, ein weiteres halbes Dutzend Anrufe der diversen Bräute überstanden und die daraus resultierenden Besorgungen erledigt hatte, hatte bereits der Feierabendverkehr eingesetzt. Unnötig zu sagen, dass ich zu spät bei Steven und Eileen eintraf. Eileen, die Gute, schien es nicht zu stören. Tatsächlich schien sie es gar nicht bemerkt zu haben.

»Na sieh mal an, wer da ist«, sagte Eileen, als sie mich an der Tür in einem violetten Samtkleid empfing, das hier und da mit Mehl besprenkelt war. »Barry!«

»Also wirklich«, sagte ich deutlich ernüchtert. Seit Dezember, als ich mich von meinem Freund Jeffrey getrennt hatte, hatten alle möglichen Freunde und Verwandte versucht, mir ihre Vorstellungen von dem geeigneten Mann aufzudrängen. Der Kandidat von Steven und Eileen war Stevens jüngerer Bruder Barry. Barry hatte die Idee sofort begeistert aufgegriffen. Ich nicht.

»Als wir ihm erzählt haben, dass du kommen würdest, ist er gleich rübergekommen«, plapperte Eileen. »Ist das nicht süß?«

»Ich wünschte wirklich, ihr hättet das nicht getan.«

»Warum, Meg?«, fragte Eileen mit großen runden Augen.

»Eileen, das haben wir schon ein Dutzend Male durchgekaut. Du und Steven, ihr mögt glauben, Barry und ich wären füreinander geschaffen. Ich nicht.«

»Er ist verrückt nach dir.«

»Und? Ich mag ihn nicht einmal.«

»Das verstehe ich einfach nicht«, bekundete Eileen. »Er ist so einfühlsam und außerdem so ein kluger Kopf.«

»In dem Punkt muss ich mich wohl auf dein Wort verlassen. Ich habe ihn bisher nie auch nur zwei vollständige Sätze in Folge aussprechen hören.«

»Und so gut aussehend«, fuhr Eileen fort, während sie vergeblich versuchte, ihre auffliegende Mähne im Zaum zu halten, mit dem Erfolg, dass auch ihr Haar mit Mehl bestäubt wurde.

»Gut aussehend? Der Kerl ist ein überdimensionierter Ochse«, sagte ich.

Sogleich erkannte ich, dass Eileen zürnte. Ups. Nicht verwunderlich. Barry sah Steven ziemlich ähnlich. »Also schön, er ist nicht so attraktiv wie Steven, aber das ist okay, wenn einem dieser Typ Mann gefällt.« Der ungeschlachte Neandertalertyp. »Aber er zieht mich einfach nicht an.«

»Aber er ist doch so einfühlsam … und so ein wunderbarer Handwerker«, protestierte Eileen. »Wenn Steven und ich jemanden brauchen, der ein paar komplizierte Schnitzarbeiten an irgendwelchen Möbeln ausführt, dann macht das immer Barry. Steven sagt, er hätte wunderbar geschickte Hände.«

»Mir ist egal, wie geschickt diese Pranken im Umgang mit Holz sind«, sagte ich. »Ich will sie nicht in meiner Nähe haben.«

»Oh, Meg, du wirst deine Meinung ändern, wenn du ihn ein bisschen besser kennst.«

»Was gibt dir das Recht, vorauszusetzen, dass ich ihn besser kennenlernen möchte?«, gab ich hitzig zurück. Meine Worte trafen jedoch lediglich die Luft vor mir. Eileen war bereits wieder hüpfend auf dem Weg über den Korridor in Richtung Küche.

»Meg ist hier!«, trällerte sie. Innerlich schäumend folgte ich ihr. Beruhige dich, sagte ich mir. Sie meint es nur gut, sie ist deine beste Freundin, du hast sie furchtbar gern, und sobald diese verdammte Hochzeit vorbei ist, wirst du sie vermutlich sogar wieder mögen.

Steven und Barry saßen am Küchentisch und unterhielten sich. Zumindest unterhielt sich Steven. Barry saß nur da, das Kinn auf die Hand gestützt, und nickte zu allem, was Steven gerade sagte. Alles im normalen Bereich. Steven kam zu mir und umarmte mich. Barry versuchte es glücklicherweise gar nicht erst, aber seine Miene hellte sich auf eine Weise auf, die mich ebenso deprimierte, wie sie mir Schuldgefühle bereitete.

»Setz dich, das Essen ist beinahe fertig«, sagte Steven. »Meg wird für ein paar Tage bei uns bleiben«, fügte er an Barry gewandt hinzu, als wüsste der nicht längst Bescheid.

»Nur bis morgen, fürchte ich«, widersprach ich. »Mutter gibt an diesem Wochenende irgendeine Party, und ich habe versprochen zu kommen und ihr bei den Vorbereitungen zu helfen.«

Steven und Eileen protestierten im Chor gegen meine Ankündigung, und Barry sah aus, als hätte ich ihm das Herz gebrochen.

»Das kannst du doch nicht machen!«, jammerte Eileen.

»Und wir haben schon so viele Pläne deinetwegen geschmiedet«, verkündete Steven. »Du musst einfach bleiben.«

Sogar Barry nickte mit dem nur ihm eigenen Enthusiasmus.

Ich leerte mein Glas und betrachtete ihn ein wenig eingehender. Nein. Selbst Eileens und Stevens faulig schmeckender und unglaublich starker Cidre war außerstande, Barry auch nur ansatzweise anziehend erscheinen zu lassen. Außerdem konnte ich nicht einmal Eileens liebeskranken Blick im Hinblick auf Stevens Reize nachvollziehen. Steven war groß, auf eine gewisse, schwerfällige Art attraktiv, und er hatte eine heitere, entspannte Art an sich, die einen passenden Kontrast zu Eileens eher wirrer Persönlichkeit darstellte. Aber wenn Steven auch definitiv nicht mein Typ war, musste ich doch zugeben, dass seine Eltern aus dem ihnen zur Verfügung stehenden genetischen Material das Beste produziert hatten. Und dann, offenbar getrieben von übermäßigem Selbstvertrauen, waren sie hingegangen und hatten Barry in die Welt geworfen. Warum hatten sie den armen Steven nicht als Einzelkind aufziehen können? Barry war nahe dran an jenen derben Zügen, denen Steven seine »schroffe Attraktivität« (Eileens Worte) verdankte, aber bei ihm war alles ein bisschen plumper und wirkte irgendwie willkürlich zusammengestellt. Außerdem sollte sich an der Verbindungsstelle zwischen dem menschlichen Kopf und dem menschlichen Körper wenigstens ein rudimentärer Hals befinden.

Der Rest des Abends ähnelte wie alle Inszenierungen, die Eileen und Steven aufführten, um mich mit Barry zu verkuppeln, einer bühnenreifen Farce. Ich war zahlenmäßig unterlegen, da die drei sich verschworen hatten, eine Möglichkeit zu finden, um mich mit Barry allein zu lassen. Aber ich hatte inzwischen gelernt, Barry dadurch zu neutralisieren, dass ich nicht aufhörte zu reden. Gegen halb zehn war ich mehr als nur ein bisschen heiser und ertappte mich dabei, wie ich einem außergewöhnlich aufmerksamen Barry die Gründe für den Preisunterschied zwischen Einladungen, die über eine Gravurdruckwalze bedruckt werden, und solchen, die mit einem thermischen Verfahren hergestellt werden, erklärte.

So viel zu meinem netten, ruhigen Intermezzo auf dem Land.

Immerhin gelang es mir, ein paar Minuten mit Steven allein über Eileens neuesten Punkt auf der Hochzeitstagesordnung zu sprechen.

»Was diese indianische Kräuterreinigungszeremonie betrifft«, fing ich an.

»Ich sage das nur sehr ungern, weil Eileen normalerweise sehr schöne und kreative Einfälle hat«, sagte Steven, »aber ich denke, das ist ein bisschen zu viel.«

»Geht mir genauso«, erwiderte ich. »Absolut lächerlich. Ihr würdet euch zum Gespött machen. Die Gäste würden sich vor Lachen in den Gängen kugeln. Vermutlich werdet ihr es in Chuck Shepherds Skurrilitätenkolumne schaffen.«

»Genau. Also wirst du ihr das ausreden?«

»Nein, ich denke, du solltest ihr sagen, du wärest einverstanden.«

»Einverstanden?«

»Sag ihr einfach, es wäre in Ordnung für dich. Ich werde ihr erzählen, ich würde mich darum kümmern. Bis zur Hochzeit hat sie es sich längst wieder anders überlegt.«

»Meinst du wirklich?«

»Vertrau mir«, sagte ich. »Ich kenne Eileen schon ihr ganzes Leben lang. Ich garantiere dir, bis Mitte Juni ist die indianische Kräuterreinigungszeremonie Geschichte.« Zumindest hatte ich die feste Absicht, genau dafür zu sorgen.

Steven schien beruhigt zu sein. Eileen war überglücklich zu hören, dass er mitspielen wollte. Und ich würde dafür beten, dass, was immer ihr bis Mitte Juni noch einfallen würde, weniger abstrus ausfallen würde. Bitte, dachte ich, lass sie zu einer militanten Traditionalistin werden, wenigstens für ein paar Monate.

Zur allgemeinen Enttäuschung ging ich gegen zehn Uhr oder so ins Bett, damit ich mich am nächsten Morgen früh auf den Weg machen konnte. Nein, ich konnte wirklich nicht länger bleiben; ich wollte nicht, dass Mutter wegen des Familienpicknicks am Sonntag Magendrücken bekäme. Nein, Mutters Gesundheit war vollkommen in Ordnung, aber sie wurde schließlich auch nicht jünger, und sie hatte in diesem Sommer eine Menge um die Ohren. Ich übertrieb ein bisschen; Barry war so gerührt über meine töchterliche Hingabe, dass er sich freiwillig anbieten wollte, mitzukommen und uns bei den Partyvorbereitungen zu helfen, und er ließ sich nur unter größten Schwierigkeiten von seinem Plan abbringen.

Es mag Einbildung gewesen sein – oder der Einfluss von dem einen unter den vielen Gläsern Cidre, das zu viel gewesen war –, aber als ich allen eine gute Nacht wünschte, glaubte ich, ein Zähnefletschen in Barrys sonst so friedfertigem Gesicht gesehen zu haben. Vielleicht begriff er allmählich, dass er keinen Erfolg haben würde, wenn er weiter hinter mir herjagte, überlegte ich. Vielleicht war er deswegen verärgert. Aber herrje; sogar ein wütender, nachtragender Barry wäre interessanter als das gewohnte stumpfsinnige Rindvieh von einem Mann.

Donnerstag, 26. Mai

Was war das für eine Erleichterung, am nächsten Morgen mit den Hühnern aufzustehen (den wenigen, die Stevens und Eileens Fürsorge überlebt hatten) und schon um 7:00 Uhr morgens wieder auf der Straße zu sein. Bis ich dann wirklich wach war, hatte ich bereits gute hundert Meilen zwischen mich und Barry gebracht.

Weit vor Mittag fand ich mich schon auf der langen, von Bäumen gesäumten Auffahrt zum Haus meiner Eltern wieder. Nun ja, zum Haus meiner Mutter; Dad war ausgezogen. Obwohl ich ihn auf einer Leiter sehen konnte, wo er damit beschäftigt war, eine japanische Zierkirsche zu beschneiden. Ich vermerkte in Gedanken, dass ich ihn zu dem Garten beglückwünschen musste, der wirklich superb aussah, um dabei gleichzeitig anzudeuten, das Haus vertrüge einen Anstrich, ehe all die Verwandten zu den Hochzeitsfeiern einträfen. Dann dachte ich noch einmal darüber nach und überlegte, dass ich vielleicht einfach jemanden anheuern sollte; ein dreistöckiges viktorianisches Gebäude mit unzähligen Ornamenten zu streichen war nicht die richtige Beschäftigung für einen Sechsundsechzigjährigen, obwohl Dad es garantiert versuchen würde, wenn ich einen Ton darüber verlöre.

Mutter war auf der Veranda, die schlanke Gestalt elegant auf die Chaiselongue drapiert. Wie gewöhnlich war sie so gekleidet, als würde sie angesehene Gäste erwarten, und nicht ein einziges ihrer kostspielig auf natürliches Aussehen getrimmten blonden Haare war nicht an seinem ordnungsgemäßen Platz. Ich unterdrückte den üblichen neidvollen Seufzer. Ich bin genauso groß und sehe auf meine eigene Weise bestimmt nicht schlecht aus, aber ich bin nicht schlank, ich bin nicht blond, und niemand hätte mich je auch nur irrtümlich für elegant gehalten.

Mutter war nicht einmal überrascht, mich mehrere Tage vor dem vereinbarten Termin kommen zu sehen.

»Hallo, Liebes«, sagte sie und zwickte mich kurz in die Wange. »Im Kühlschrank ist Limonade. Wie wäre es, wenn du deiner Schwester mit dem Mittagessen hilfst? Dann werden wir alle sehr viel früher essen können.«

Angesichts der Erleichterung, die sich in Pams Zügen spiegelte, als ich in der Küche auftauchte, um ihr zu helfen, nahm ich an, dass sie ihre Entscheidung, ihren Mann Mal und die vier ältesten Kinder zum Sommerurlaub bei Mals Eltern nach Australien zu schicken, inzwischen bereute. Ich hätte ihr gleich sagen können, dass die beiden Jüngsten, Eric und Natalie, kein großer Schutz vor Mutters Neigung waren, einfach jeden in ihrer Reichweite für unbezahlte Arbeiten einzuspannen. Aber sie kannte Mutter acht Jahre länger als ich; wenn sie es bis jetzt noch nicht gelernt hatte, konnte ich daran auch nicht mehr viel ändern.

Dad war der Einzige, der über mein verfrühtes Auftauchen überrascht zu sein schien. Er kam herein, als wir uns gerade zum Essen hinsetzten, und er nahm seinen üblichen Platz am Tisch ein. Jake, der Verlobte, war nicht da. Und da niemand etwas dabei zu finden schien, sagte auch ich nichts dazu.

»Meg!«, rief er und sprang auf, um mich mit einer bärigen Umarmung zu beglücken, als ihm bewusst wurde, dass ich den Stuhl neben ihm besetzen würde. »Ich dachte, du würdest nicht vor Samstag kommen! Du hättest dich doch ein paar Tage auf der Farm von Steven und Eileen erholen sollen! Was ist passiert?«

»Es war nicht erholsam. Barry war dort.«

»Barry wer?«, fragte Pam, meine Schwester.

»Stevens Bruder. Der, mit dem sie mich unbedingt verkuppeln wollen.«

»Der Stumpfsinnige?«, fragte Dad.

»Genau der.«

»Ist er nett?«, erkundigte sich Mutter.

»Nicht besonders.« Ich hatte ihr schon früher unzählige Male in allen Einzelheiten dargelegt, wie wenig ich Barry leiden konnte, aber da sie mir offensichtlich nicht zuhörte, hatte ich den Versuch inzwischen aufgegeben.

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Bruder von Steven nicht nett sein könnte«, verkündete Mutter.

»Tja, er wird zur Hochzeit herkommen, dann kannst du es selbst sehen. Dabei fällt mir ein, er wird vermutlich auch bei dem Barbecue dabei sein, das Eileens Familie am Memorial Day veranstaltet.«

»Du solltest ihn anrufen und zu unserem Picknick einladen«, schlug Mutter vor.

»Mutter, ich will ihn nicht bei unserem Picknick dabeihaben. Ich mag ihn nicht.«

»Wahrscheinlich wäre es auch ein bisschen peinlich, wenn Jeffrey hier ist«, meinte Mutter.

»Jeffrey ist nicht … ach, ich gebe es auf«, murrte ich. Es war mir auch nicht gelungen, meiner Mutter, die meinen Ex-Freund schon aufgrund seines langweiligen guten Aussehens gemocht hatte, klarzumachen, dass Jeffrey aus dem Spiel war. Dad tätschelte meine Schulter.

»Ich weiß, dass deine Mutter, wirklich froh ist, dich hier zu haben«, sagte er. »Es gibt so viel zu tun.«

»Ja, Meg«, sagte Mutter und ihr Gesicht erstrahlte unter der plötzlichen Erkenntnis, dass ich ihr zumindest für den Augenblick ausgeliefert war, unberührt von den konkurrierenden Beeinflussungen durch Samantha oder Eileen.

Den Rest des Mittagessens verbrachten wir damit, die Details der Hochzeit zu besprechen, nur um während des Nachmittags über die Umgestaltungspläne zu diskutieren und das Abendessen zwischen diesen beiden faszinierenden Themen aufzuteilen. Ich aß bei beiden Gelegenheiten mit der linken Hand, während ich gleichzeitig mehrere Seiten in meinem Notizbuch – dem, das mir sagt, wann ich atmen darf – vollkritzelte. Dad unterbrach das Gespräch gleich mehrfach mit dem Versuch, die anderen zu überreden, mir wenigstens morgen freizugeben, wurde aber glatt ignoriert. Nach einer ausufernden Diskussion einigten sich Mutter, Pam und ich darauf, dass ein Besuch bei der örtlichen Schneiderin an erster Stelle stehen sollte. Ich hatte es bereits halb geschafft, drei Bräute, drei Blumenmädchen und vierzehn Brautjungfern mit endlosem Genörgel dazu zu treiben, die Schneiderin aufzusuchen, und ich hatte sogar selbst schon mehrfach mit ihr telefoniert, hatte es aber noch nicht geschafft, zu ihr zu gehen.

»Schön, dann bleibt es dabei«, sagte Mutter, als Pam und ich anfingen, den Tisch abzuräumen. »Morgen früh gehst du zum Laden von Mrs Waterstone und sorgst dafür, dass alles glatt läuft.«

»Ja, das klingt nach einer hervorragenden Idee!«, verkündete Dad begeistert. »Das wird dir gefallen!«

Ich starrte ihn an, verblüfft über die plötzliche Kehrtwende. Wenn Dad sich so enthusiastisch zeigte, hatte er normalerweise irgendetwas im Sinn, aber ich konnte mir nicht vorstellen, worum es gehen mochte. Er hatte eine Miene aufgesetzt, die er vermutlich als machiavellistisch betrachtete, da aber Dad klein, kahl und pummelig ist, erinnerte er mich eher an einen boshaften Kobold. Wie dem auch sei. Vielleicht hatte er einfach beschlossen, dass er mit dem Versuch, mir einen freien Tag zu verschaffen, auf verlorenem Posten stand, und machte lediglich gute Miene zum unausweichlichen Spiel. Oder Dad schätzte Mrs Waterstone. Vielleicht teilte sie eine seiner Leidenschaften – Vögel beobachten, gärtnern oder viel zu viele Krimis lesen. Da sie erst im letzten September in die Stadt gezogen war, gehörte Mrs Waterstone zu den wenigen Menschen in der ganzen County, die ich nicht schon mein Leben lang kannte. Das allein reichte, dass ich mich auf den Besuch bei ihr freute. Ja, ein Besuch bei der Schneiderin war definitiv in Ordnung.

Freitag, 27. Mai

So fuhr ich also am nächsten Morgen früh und froh in das eigentliche Yorktown, um die Schneiderin zu besuchen.

Mutter hatte mir gesagt, dass die Schneiderei zwei Häuser von dem entfernt war, in dem Onkel Stanley Hollingworth lebte. Bisher hatte ich es noch nie erlebt, dass sie jemandem eine Wegbeschreibung lieferte, die nicht mindestens einen Orientierungspunkt umfasste, der seit Jahren nicht mehr existierte. Erst, als ich jedes Haus in dem Block zum dritten Mal beäugte, wurde mir klar, dass sie offenbar nicht das Haus gemeint hatte, in dem er derzeit wohnte, sondern das, in dem er vor einem Dreivierteljahrhundert aufgewachsen war.

Und siehe da, zwei Häuser neben dem alten Hollingworth-Haus befand sich ein kleines Häuschen in österlichen Pastelltönen, zu dem auch ein in geschmackvollem Rosa und Babyblau gehaltenes Schild im Kolonialstil gehörte, auf dem zu lesen stand: Be-Stitched – Dressmakers. Ich schritt über den gepflasterten Weg, der von exakt beschnittenen niedrigen Büschen flankiert wurde, öffnete eine glänzende himmelblaue Tür und trat unter dem Läuten einer kleinen altmodischen Glocke ein. Das ganze Ding war beinahe zu schnuckelig, um es in Worte zu fassen. Und da ich alles, was schnuckelig ist, angemessen verabscheue, war ich beim Betreten des Ladens darauf vorbereitet, auch den Eigentümer zutiefst zu verabscheuen.

Nur um mich gleich darauf direkt vor dem prachtvollsten Mann wiederzufinden, den ich in meinem Leben gesehen hatte. Er blickte von dem Buch auf, in dem er gelesen hatte, strich sich eine widerspenstige Locke dunklen Haares aus den tiefblauen Augen und lächelte.

»Ja?«, sagte er. Ich stand da und stierte ihn einige peinliche Sekunden schweigend an, bis ich mich wieder gefasst hatte. Mehr oder weniger.

»Ich bin wegen einer Hochzeit hier. Wo ist Mrs Waterstone?«, fragte ich, als mir plötzlich klar wurde, wie unfreundlich ich mich anhören musste.

»Distraktionsbehandlung«, sagte er. »Unten in Florida. Ich bin ihr Sohn, ich springe ein, bis ihre gebrochenen Knochen wieder verheilt sind.«

»Oh, das tut mir leid. Ich hoffe, es geht ihr bald wieder besser.«

»Nicht annähernd so sehr wie ich«, entgegnete er düster. Er hatte eine wunderbare, klangvolle Stimme. Vielleicht war er Musiker. Ich habe eine Schwäche für Musiker.

»Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragte er.

»Mein Name ist Meg Langslow. Ich soll meine Maße für mein Trauzeuginnenkleid nehmen lassen.«

»Ein Kleid für eine Trauzeugin«, sagte er und sah plötzlich sehr vergnügt aus. »Wunderbar! Um wessen Hochzeit geht es?«

Er stand auf, drehte sich um und zog die oberste Schublade eines Aktenschranks an der hinteren Wand auf, was mir Gelegenheit gab, einen diskreten Blick auf seinen langen, wohlgeformten Körper zu werfen. Ich freute mich schon darauf, Eileen herzubringen, um ihr begreiflich zu machen, dass das, nicht der fleischige Barry, meine Vorstellung davon war, wie ein schöner Mann aussehen sollte. Und ich erhaschte einen Blick auf das Buch, in dem er gelesen hatte – Shakespeare. Nicht nur prachtvoll anzusehen, sondern auch noch belesen.

»Samantha Brewster, Eileen Donleavy oder Margaret Hollingworth Langslow. Suchen Sie es sich aus.«

Seine Hand erstarrte über den Akten, und er sah sich argwöhnisch um.

»Sie wissen nicht, um welche Hochzeit es geht? Sind Sie vielleicht nur losgezogen, um herauszufinden, wessen Kleider am wenigsten abstoßend sind, ehe Sie sich für etwas entscheiden?«

»Nein, ich hänge in allen drei Hochzeiten drin. Langslow ist meine Mutter, Brewster heiratet meinen Bruder, und Donleavy ist meine beste Freundin. Ich weiß, das klingt komisch, aber das ist eine ziemlich kleine Stadt.«

»Eigentlich kommt mir nichts mehr komisch vor, nachdem ich zwei Wochen hier verbracht habe«, sagte er. »Und Sie haben Recht; das ist eine sehr kleine Stadt. Ich wundere mich schon, dass Sie mir bisher noch nicht über den Weg gelaufen sind.«

»Ich wohne nicht mehr hier. Ich bin nur über den Sommer hergekommen, um bei all diesen Hochzeiten zu helfen. Ich nehme an, einmal Maßnehmen reicht für alle drei; die erste und die letzte liegen nur zwei Wochen auseinander.«

»Sollte reichen«, sagte er. »Einen interessanten Sommer haben Sie vor sich. Da haben wir es ja. Brewster … Langslow … und für Donleavy werde ich gleich eine Akte anlegen.«

»Eine Akte anlegen? Sie ist die Erste; soll das heißen, sie war noch gar nicht hier?«

»Nicht, seit ich übernommen habe, und wenn Ihre Freundin hier gewesen wäre, bevor meine Mutter nach Florida aufgebrochen ist, dann hätte sie sicher eine Akte angelegt.«

Ich schloss die Augen, atmete tief durch und fing an, im Stillen zu zählen. Ich war gerade bei »drei« angekommen, als er fragte: »Ist mit Ihnen alles in Ordnung?«

»Mir geht es gut«, sagte ich. »Eileen rät mir immer, ich solle bis zehn zählen, wenn ich in Gefahr gerate, die Nerven zu verlieren. Allerdings möchte ich sie meistens trotzdem erwürgen, wenn ich fertig bin.«

Ich schlug die Augen auf.

»Sie hätte zusammen mit einer der Brautjungfern schon vor Monaten herkommen sollen, um die Kleider auszusuchen, damit ihre Mutter sie rechtzeitig in den passenden Größen bestellen kann. Ich meine, sie hat mir gesagt, sie würde es tun. Das Maßnehmen sollte nur noch zur Feinabstimmung dienen, oder wie immer Sie das nennen. Und ich dachte, das sollte diese Woche stattfinden. Sie hat mich angelogen!«

Beruhig dich, Meg, sagte ich mir in Gedanken. Verlier nicht die Nerven wegen Eileen, schon gar nicht vor diesem überaus netten und unglaublich hinreißenden Mann. Der, wie ich bereits bemerkt hatte, keinen Ehering trug. Ich vermerkte in Gedanken, dass ich meine Mutter nach ihm fragen sollte; zweifellos kannten sie und die Tanten aus dem Hollingworthzweig der Familie nicht nur seine gesamte Lebensgeschichte, sondern auch seinen Stammbaum über mehrere Generationen.

»Tut mir leid«, sagte ich. »Es ist nur, dass ich diejenige bin, die versucht, das alles auf die Reihe zu kriegen, und sie ist diejenige, die unbeabsichtigt alles sabotiert.«

»Wir kriegen das schon hin«, sagte er lächelnd. »Der Name ist mir jedenfalls nicht bekannt. Wie sieht sie aus?«

»Sie ist etwa eins-achtundsiebzig, krauses blondes Haar bis zur Taille, ein bisschen mollig. Irgendwie sieht sie aus, als käme sie direkt aus Kalifornien oder vielleicht Woodstock. So, als wäre sie der Originalveranstaltung entsprungen.«

Er grinste und ging zu einem Vorhang, hinter dem sich ein Durchgang zum hinteren Teil des Ladens versteckte. Dort sagte er etwas in schneller Silbenfolge in einer musikalisch klingenden Sprache. Ein kleines, weißhaariges asiatisches Großmütterchen, deutlich unter einsfünfzig groß, streckte den Kopf heraus, und sie schnatterten einige Augenblicke lang aufeinander ein.

»Sie war vor einigen Monaten hier und hat sich alle Kataloge angesehen, hat aber keine Entscheidung getroffen«, berichtete er schließlich. »Hat sich mehrere Produktnummern geben lassen, aber nie angerufen.«

»Ich sorge dafür, dass sie am Montag hier ist. Oh, Montag ist Memorial Day. Dann eben Dienstag. Bis dahin wird sie in der Stadt sein. Haben Sie am Dienstag geöffnet?«

Er nickte. »Das wäre wunderbar. Wie wäre es, wenn wir Mrs Tranh trotzdem schon jetzt Ihre Maße für die übrigen Hochzeiten nehmen lassen?«

»Gut«, sagte ich, in Gedanken immer noch mit Eileens Freveltaten beschäftigt. »Und wofür haben sich Mutter und Samantha entschieden? Ich hoffe doch, wenigstens die beiden haben bereits eine Entscheidung getroffen. Sie haben mir erzählt, sie hätten es getan, aber vielleicht hätte ich ihnen besser auch nicht trauen sollen.«

»Oh, doch, das haben sie. Schon vor ein paar Monaten. Ihre Mutter sagte, sie wolle Sie und Ihre Schwester überraschen und wir dürften Ihnen auf keinen Fall zeigen, was sie ausgewählt hat, ehe sie nicht selbst die Gelegenheit dazu hätte«, sagte er ein wenig angespannt.

»Typisch Mutter. Ich werde Sie nicht bitten, ihr Vertrauen zu enttäuschen; ich werde Sie nicht einmal fragen, ob sie irgendetwas Abscheuliches ausgesucht hat. Wenn es nur schon bestellt ist.«

»Oh, das ist es definitiv«, sagte er. »Und es ist überhaupt nicht abscheulich, wenn Sie mich fragen.«

»Und Samantha?«, hakte ich nach. »Hat sie auch schon bestellt?«

»Ja. Hat sie Ihnen nicht erzählt, was sie ausgesucht hat?«

»Nein, sie und die blonde Bagage – die Brautjungfern – haben sich alle schon vor zwei Monaten getroffen, um etwas auszusuchen. Ich weiß, ich hätte dabei sein sollen. Wie schlimm ist es? Sollte ich mich lieber setzen?«

Er zog ein Bild aus dem Aktenordner und hielt es hoch.

»Sie machen Witze«, sagte ich, doch er schüttelte den Kopf.

»Nein. Und sie offensichtlich auch nicht.«

»Oh … mein … Gott!«

Die Bilder erinnerten an Werbeplakate von Vom Winde verweht. Enorme Reifröcke. Schulterfreie, tief dekolletierte Oberteile. Mehrlagige Unterröcke. Kunstvolle Frisuren, an denen akribisch drapierte Ringellöckchen beteiligt waren. Und schmale, schmale Taillen.

»Ich werde Mrs Tranh bitten, mit Ihnen in die Garderobe zu gehen, um Ihre Maße zu nehmen«, sagte er. Zum Teufel mit dem Kerl, er kämpfte mit einem Grinsen. »Vor allem diese Korsetts erfordern einige delikate Details.«

»Korsetts? Im Juli? Eileen ist vom Haken. Ich werde zuerst Samantha umbringen«, sagte ich. Sehr zu seinem Vergnügen.

Mrs Tranh war, wie sich herausstellte, die kleine grauhaarige Asiatin. Vietnamesin, vermutlich. Weder sie noch eine der Näherinnen wollten auch nur einen Ton Englisch sprechen. Dafür hatte sie keine Probleme, sich in der Zeichensprache zu verständigen oder mir durch einen festen Klaps und eifriges Gezerre klarzumachen, wie genau ich mich aufstellen oder drehen sollte, damit sie und ihr Näherinnenschwarm meine Maße nehmen konnten. Sie waren nur zu fünft, glaube ich, aber die Garderobe – die ehemalige Küche des kleinen Häuschens – war so winzig, und diese Leute huschten so schnell durch den Raum und die Stufen – zu den Nähräumen, wie ich vermutete – hinauf und hinunter, dass es mir schien, als würden Dutzende von ihnen um mich herumfuhrwerken. Sie waren alle so klein, dass ich mir vorkam wie eine unbeholfene Gigantin. Und da ich wusste, dass sie erst vor kurzer Zeit die Maße von Samantha und meinen Luftgeistern ähnelnden Mitbrautjungfern genommen hatten, musste ich schwer daran arbeiten, meine Paranoia im Zaum zu halten. Ich war überzeugt, ihr leises Geplapper beinhaltete überwiegend wenig erfreuliche Kommentare über meine mehr als weibliche Figur.

Ich vergnügte mich damit, meine Fantasie wild um ihren Arbeitgeber herumwuseln zu lassen, der stets aufnahmebereit vor dem Vorhang wartete und hin und wieder knappe, unverständliche Bemerkungen mit seinen Mitarbeiterinnen austauschte. Ganz bestimmt würde ich Mutter über ihn ausfragen. Aber diskret. Sollten sie und der Rest der Familie auf den Gedanken kommen, ich wäre an ihm interessiert, würde die Hälfte von ihnen meine Wahl missbilligen und sich auf unbeholfene und peinliche Art einmischen. Die andere Hälfte würde frohlocken und sich in noch unbeholfeneren und noch peinlicheren Verkuppelungsversuchen ergehen. Leute zu verkuppeln war ein Wettkampfsport in Yorktown, und die Begeisterung, mit der meine Familie dabei war, war einer der Gründe, warum ich beschlossen hatte, mich mehrere Stunden entfernt niederzulassen.

Ich war versucht, noch ein bisschen zu bleiben und mit Michael dem Hinreißenden zu plaudern, aber ich wusste, ich sollte nach Hause gehen, um meinen Zeitplan einzuhalten und die Umschläge mit den Einladungen zu Eileens Hochzeit zu adressieren. Außerdem war eine andere Nachbarin mit ihren sechsjährigen Zwillingsnichten aufgetaucht, die bei der Hochzeit ihrer Tochter Blumenmädchen sein sollten, und sie erwartete offensichtlich Michaels volle Aufmerksamkeit.

Ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass ich noch mehr als genug Gelegenheit haben würde, ihn zu sehen. Da ich Trauzeugin war, war meine Anwesenheit bei sämtlichen bevorstehenden Anproben jedes einzelnen Mitglieds der drei Hochzeitsgesellschaften garantiert. Es wäre gewiss sehr aufmerksam von mir, würde ich versuchen, herauszufinden, wann in der Schneiderei am wenigsten Betrieb herrschte, sodass ich die Anproben so planen konnte, dass sie nicht von anderen Kunden gestört würden. Außerdem würde allein die Auswahl von Eileens Kleid zweifellos mehrere Vor- oder Nachmittage in der nächsten Woche einnehmen. Großzügig vergab ich Eileen, dass sie mich angelogen hatte.

Ich war überaus guter Laune, als ich nach Hause zurückkam, wo ich Mutter, elegant auf das Wohnzimmersofa gefläzt, mit einer Schachtel Pralinen und der neuesten Ausgabe der Zeitschrift Bride vorfand.

Ich hasse es, wenn sie Hochzeitsmagazine lesen. Jeder einzelne Artikel ist für zwanzig weitere Einträge auf meiner Aufgabenliste gut.

»Ich war heute bei der Schneiderin, um meine Maße nehmen zu lassen, und dort habe ich herausgefunden, dass Eileen sich immer noch kein Kleid ausgesucht hat«, verkündete ich, als ich mich auf einen Lehnsessel warf.

»Du hättest sie wirklich nicht so lange warten lassen dürfen, Liebes«, sagte Mutter. »Sie könnte es ziemlich schwer haben, in so kurzer Zeit noch etwas Passendes zu finden.«

»Ich habe sie nicht so lange warten lassen, Mutter. Ich habe sie bedrängt, etwas zu bestellen; ich habe sie hergeschickt und ihr gedroht, ich würde selbst etwas für sie aussuchen, wenn sie es nicht macht, und zwei Tage später ist sie wiedergekommen und hat mir erzählt, sie hätte etwas bestellt. Sie hat mich angelogen.«

»Sie steht unter großem Stress, Liebes. Sei nachsichtig mit ihr. Mrs Waterstone bekommt das schon irgendwie hin.« Bingo! Meine Gelegenheit, meine Neugier zu befriedigen, ohne sie zu offenbaren.

»Übrigens, Mutter, du hast gesagt, ich solle nach Mrs Waterstone fragen, aber die ist anscheinend in Florida und erholt sich von einem Beinbruch.«

»Ach, ja, Liebes, habe ich das nicht erwähnt?«, entgegnete Mutter. »Ihr Sohn ist gekommen und kümmert sich um den Laden, solange sie fort ist.«

»Ja, ich bin ihm begegnet.«

»So ein netter junger Mann. Soweit ich weiß, unterrichtet er Schauspiel an einem College irgendwo in deiner Nähe«, sagte Mutter, während sie nachschaute, ob noch eine Praline in der Schachtel war, die sie mögen würde. »Es ist wirklich eine Schande.«

»Was ist eine Schande?«

»Dass er … na ja, du weißt schon. Dass er so ist.«

»Dass er wie ist, Mutter?«, fragte ich, aber ich hatte das ungute Gefühl, die Antwort bereits zu kennen. Mutter, die Meisterin der bedeutungsschwangeren Pausen und der vagen Euphemismen, hatte mir bereits in der eindeutigsten Form, zu der sie sich bereitfinden konnte, dargelegt, dass der zum Umfallen schöne Michael schwul war.

»Seine Mutter tut mir manchmal leid«, fuhr sie fort, während sie die Pralinen kritischen Blicks inspizierte. »Sie hat einigen Leuten erzählt, ihr wäre es nicht eilig, dass Michael eine Familie gründet, weil sie bei ihrer Hochzeit noch ein halbes Kind gewesen sei und keine junge Großmutter werden wolle. Sie hält sich tapfer. Aber seit er hier ist, weiß natürlich jeder ganz genau, wie unwahrscheinlich es ist, dass sie je Großmutter werden wird, vor allem, weil er ihr einziges Kind ist.« Sie nagte an einer Ecke einer Praline und verzog geziert das Gesicht. »Hier, Liebling, iss du das zu Ende. Ich mag keine Kokosnuss.«

»Ich auch nicht, Mutter.«

»So? Dann lassen wir es für Eric liegen«, sagte sie und legte die Praline sorgfältig in eine Ecke der Schachtel.

»Du fütterst deine Enkel mit dem, was du ausgespuckt hast?«, schnappte ich. »Wirklich großartig, Mutter.«

Verwundert sah sie mich an.

»Ist alles in Ordnung mit dir, Liebes? Vielleicht solltest du raufgehen und dich eine Weile hinlegen; du hattest so viel zu tun, und vielleicht bringt dich auch die Hitze ein bisschen durcheinander. Man mag kaum glauben, dass immer noch Mai ist.«

Ich fühlte mich schuldig, weil ich meine Enttäuschung an ihr ausgelassen hatte, also schob ich leichte Kopfschmerzen vor und flüchtete in mein Zimmer. In Wahrheit war ich deprimiert und wollte allein Trübsal blasen. Wie Cinderellas goldene Kutsche sich wieder in einen Kürbis zurückverwandelt hatte, hatten sich all die bevorstehenden Besuche im Be-Stitched von goldenen Gelegenheiten zurück in lästige Pflichten verwandelt. Ich war bereits den Tränen nahe, als mir der Anblick des gewaltigen Stapels Einladungen zu Eileens Hochzeit, der auf meiner Kommode ruhte, den Rest gab. Das war kennzeichnend für meinen Sommer: Ich würde eine endlose Reihe Pflichten erfüllen, während andere Leute ihr Glück fanden.

Meine Reaktion war natürlich übertrieben, aber zum Teufel damit! Normalerweise funktionierten meine Instinkte besser. Wie konnte ich mich so irren? Vielleicht war es Wunschdenken. In den fünf Monaten, die seit der Trennung von Jeffrey vergangen waren, war mir eigentlich kein interessanter Mann begegnet. Nicht, dass mir viel Zeit geblieben wäre, andere Leute zu treffen, während ich Hochzeitsvorbereitungen zu erledigen hatte und Überstunden an der Schmiede einlegen musste, um ein Inventar aufzubauen, das es mir erlaubte, den Sommer über freizunehmen. Die wenigen Verabredungen mit Männern, die ich in der letzten Zeit gehabt hatte, waren alle von Freunden eingefädelt worden, und die meisten waren furchtbar gewesen. Im Grunde hatte ich mich schon weitgehend damit abgefunden, mein eigenes gesellschaftliches Leben zu verschieben, bis die Hochzeiten dieses Sommers mir nicht mehr im Wege stünden. Offensichtlich waren meine Hormone mit dem Gedanken nicht einverstanden, wie sie durch ihre heftige Reaktion auf den ersten attraktiven Mann in Sichtweite offenbarten, ohne dabei auch nur einen Moment innezuhalten, um herauszufinden, ob es sich bei diesem Mann überhaupt um ein lohnendes Ziel handelte. Oder war es vielleicht möglich, dass sich meine Mutter zur Abwechslung einmal geirrt hatte?

Diese Hoffnung wurde auf einen Schlag zunichte gemacht, als die Brewsters sich zu einem »Willkommen-zu-Hause-Meg«-Dinner bei uns einfanden.

»Stell dir vor«, hörte ich Mutter zu Mrs Brewster sagen, »als Meg heute ihre Maße hat nehmen lassen, hat sie herausgefunden, dass Eileen noch gar keine Kleider bestellt hat. Und dabei hat sie Meg erzählt, sie hätte das schon vor Monaten erledigt.«

»Ich hätte eine eidesstattliche Versicherung von ihr verlangen sollen.« Ich zuckte mit den Schultern. »Jetzt sitzen wir ein bisschen in der Patsche, aber ich werde sie in der Minute, in der sie hier eintrifft, zu Be-Stitched schleifen und sie zwingen, eine Entscheidung zu treffen.«

»Dann warst du also schon bei Be-Stitched«, sagte Samantha. »Was hältst du von Michael, dem Verschwendeten?«

»Also wirklich, Samantha«, sagte ihre Mutter, aber ich hörte an ihrem Ton, dass sie insgeheim stolz darauf war, wie gewitzt ihre Tochter war.

»Dem Verschwendeten?«, fragte Mr Brewster, als hätte er keine Ahnung, was die Anspielung zu bedeuten hatte.

»Oder dem Letzten der Waterstones, wenn dir das lieber ist«, sagte Samantha. »Ich meine, du hast doch wohl gemerkt, dass er nicht gerade eine Ergänzung auf der Liste der verfügbaren Junggesellen der Stadt darstellt.«

»Er scheint recht nett zu sein«, sagte ich unverbindlich. Ich wollte mich nicht mit Samantha anlegen, wusste aber auch nicht, wie ich es vermeiden sollte, sollte sie auf diese Weise weitermachen. Ich sah mich zu Mutter um. Das musste doch unzweifelhaft gegen ihre eiserne Regel verstoßen, der zufolge Themen wie Sex, Politik oder Religion bei Tisch niemals diskutiert werden durften. Und ebenso unzweifelhaft sollte irgendjemand die Liste der verbotenen Themen um affektierte Bigotterie erweitern.

»Mir gefällt, was du mit deinem Haar gemacht hast«, sagte Mutter zu Mrs Brewster.

»Oh, er ist auf jeden Fall charmant«, erklärte Samantha gnadenlos, »jedenfalls, wenn du auf Schwuchteln stehst.«

»Das ist eine ziemlich abscheuliche Bemerkung«, fing ich an, nur um gleich darauf zusammenzuschrecken, weil Mutter mich unter dem Tisch getreten hatte.

»Das reicht, Meg«, sagte Mutter, als hätte ich den Fehltritt begangen.

»Es steht doch so oder so fest, oder etwa nicht?«, fragte Samantha. »Ich meine, wie viele heterosexuelle Männer kennst du, die anständige Manieren haben und über irgendetwas anderes als Fußball und Bier reden können?«

Da wären für den Anfang dein Verlobter und dein künftiger Schwiegervater, hätte ich am liebsten gesagt, aber Mutters Augen schossen jetzt schon Dolche auf mich, also zählte ich bis drei und sagte so ruhig ich nur konnte: »Ihr alle scheint eine Menge über das Privatleben eines Menschen zu wissen, der erst seit, wie lange, ein paar Wochen vielleicht, in der Stadt ist.«

»Das ist eine erwiesene Tatsache. Ich meine, etliche von den Brautjungfern, die zum Maßnehmen dort waren, haben versucht, sein Interesse zu wecken. Also wirklich, ehrlich, wenn die da halbnackt rumlaufen und sich ihm mehr oder weniger an den Hals werfen, und der Typ zeigt nicht einen Funken Interesse, was meinst du, was das zu bedeuten hat?«

»Dass er einen ausnehmend guten Geschmack hat?«, gab ich zurück. »Oder …« Mutter ließ mich erneut ihren Fuß spüren, und Samantha bedachte mich mit einem vernichtenden Blick.

»Sicher doch«, sagte sie. »Er hat ihnen rundheraus gesagt, sie sollten sich nicht bemühen, weil er nicht interessiert sei. Außerdem hängt er mit diesen beiden alten Tanten rum, denen der Antiquitätenladen und das Innenausstattungsgeschäft gehören.«

»Aber, aber, Samantha, das reicht jetzt. Kleine Kinder haben große Ohren«, tadelte Mutter mit Blick auf den achtjährigen Eric. Eric war jedoch viel zu sehr damit beschäftigt, sich die Taschen mit Leckerbissen für seine Ente vollzustopfen, um den langweiligen Erwachsenengesprächen auch nur die geringste Aufmerksamkeit zu widmen. »Ich finde es nett, dass sie sich darum bemühen, dass Michael sich heimisch fühlt.«

»Und es ist so zweckmäßig, dass sie Michael und seine Mutter überredet haben, die Vorhänge und die Überwürfe und all das zu machen«, sagte Mrs Brewster. »Sie hatten es wirklich schwer, hier jemanden zu finden, der ihren Anforderungen genügen konnte.«

»Ja«, stimmte Mutter zu. »Ich weiß nicht, ob ich mich an die Umgestaltung des Wohnzimmers gewagt hätte, würde Michael nicht dabei helfen. Nicht die gefüllten Eier, Eric.«

»Aber meine Ente mag gefüllte Eier!«, protestierte Eric.

»Dann darfst du ein gefülltes Ei nehmen«, gab Mutter nach. »Aber steck es nicht in die Tasche.«

Eric fasste ihre Worte als Erlaubnis auf, den Tisch zu verlassen, und trottete mit dem gefüllten Ei hinaus in den Garten.

»Dann wirst du die Umgestaltung durchführen?«, erkundigte sich Mrs Brewster.

»Ja, im Wohnzimmer und möglicherweise auch im Esszimmer«, sagte Mutter. »Michael wird morgen herkommen, um die Räume zu vermessen.«

»Das Esszimmer auch?«, fragte Jake klagend, doch niemand schien ihn zu hören.

»Wir lassen Wohnzimmer und Bibliothek richten«, sagte Mrs Brewster, und Mr Brewster seufzte leise. »Was das Esszimmer betrifft, habe ich noch keine Entscheidung getroffen, aber ich denke, ich sollte es bald tun. Vielleicht sollte ich Michael bitten, morgen auch bei uns zu messen.«

»Wenn er genug Zeit hat«, gab Mutter zu bedenken. »Er wird hier eine Menge zu tun haben.«

»Ich werde anrufen, um sicherzustellen, dass genug Zeit bleibt«, sagte Mrs Brewster. »Und bitte keine schnippischen Bemerkungen, wenn er da ist, junge Dame«, ermahnte sie gleich darauf Samantha.

»Natürlich nicht. Kein einziges Wort«, entgegnete Samantha. »Für wie dumm hältst du mich eigentlich? Ich meine, du weißt doch, wie empfindlich und rachsüchtig die sein können; ich werde ihm ganz bestimmt keinen Anlass liefern, mein Kleid zu verpfuschen.«

Mutter trat mich, ehe ich auch nur den Mund öffnen konnte. Morgen würden meine Schienbeine vollkommen blau sein.

Was für eine engstirnige, voreingenommene … nein, denk nicht mal an das Wort, ermahnte ich mich in Gedanken. Die ganze Unterhaltung hatte in meinem Gaumen einen schlechten Nachgeschmack hinterlassen. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich Michael nicht zu Hilfe gekommen war. Andererseits hätte ich, hätte Mutter mich nicht gebremst, vermutlich die Geduld verloren und etwas gesagt, wofür ich mich hinterher hätte entschuldigen müssen. Ich hatte das ungute Gefühl, dass Samantha und ich noch vor Ende des Sommers in einen kompromisslosen und niederschmetternden Streit geraten würden. Allerdings sollte ich unbedingt versuchen, einen Streit in Mutters Gegenwart zu verhindern. Oder in Robs. Ich hatte keine Ahnung, was er in Samantha sah, aber er war vor lauter Liebe ganz verrückt nach ihr, also musste ich wohl lernen, mit ihr zu leben.

Inzwischen gelobte ich, extrem freundlich und entgegenkommend mit Michael umzugehen, schon um die diversen Beleidigungen und Peinlichkeiten auszugleichen, die er vermutlich längst durch meine kleingeistigen Verwandten und Nachbarn hatte erdulden müssen.

Samstag, 28. Mai

Michael gegenüber freundlich und entgegenkommend zu sein fiel mir natürlich erheblich leichter, als ich meine Tendenz gemeistert hatte, jedes Mal zu sabbern, wenn er in mein Blickfeld geriet. Als ich am Samstagmorgen gegen zehn die Treppe hinunterstolperte, saß er bereits in unserer Küche. Mutter servierte ihm Kaffee und Gebäck und erklärte ihm ihre Umgestaltungspläne.

Ich ertappte mich bei dem Wunsch, mein Haar vor dem Zurückstecken ordentlicher gekämmt zu haben. Oder etwas anderes als meine älteste Jeans angezogen. Sei nicht albern, sagte ich mir gestreng, ehe ich mit dem freundlichsten Nicken, dessen ich vor Mittag fähig bin, sein herzerweichendes Lächeln beantwortete, mich zu ihnen setzte und eine Weile zuhörte, wie meine Mutter über Chintzstoffe schwatzte, während ich an meinem Kaffee nippte und darauf wartete, dass die Wirkung einsetzte.

»Meg!«, sagte Mutter in scharfem Ton. Ich erschrak und verschüttete einen Teil meines Kaffees. Offensichtlich war ich eingenickt, während ich aufrecht am Tisch gesessen hatte.

»Sorry, bin noch nicht ganz wach«, murmelte ich und tupfte mich mit einer Serviette trocken. Wie schön, dass ich nicht versuchte, irgendjemanden zu beeindrucken.

»Ich kenne das Gefühl«, sagte Michael. »Ich sorge immer dafür, dass meine Kurse nicht vor elf Uhr beginnen. Ich habe mich immer noch nicht daran gewöhnt, dass die Leute hier alle im Morgengrauen aufstehen.«

»Zehn Uhr ist nicht gerade im Morgengrauen«, sagte Mutter und bedachte mich mit einem tadelnden Blick. »Warte nur, bis du ein paar Wochen hier bist, die frische Luft genossen und dich gesund ernährt hast, junge Dame, dann wirst du mit den Lerchen aufstehen.«

»Versuch nicht, mich zu reformieren, Mutter«, warnte ich sie.

»Natürlich nicht, Liebes«, log sie, ehe sie Michael ins Wohnzimmer führte, damit er seine Messungen vornehmen konnte. Er sah aus, als wäre er lieber in der Küche geblieben, um sich mehr Kaffee einzuverleiben. Das konnte ich gut nachempfinden.

Ich trank noch eine Tasse Kaffee und beäugte das von Mutter beim Bedienen Michaels angerichtete Chaos in der Küche. Jenes Chaos, das sie immer und in jeder Küche anzurichten pflegte. Ich hatte schon aus purer Selbstverteidigung früh gelernt zu kochen und zu putzen. So kam es, dass ich, nachdem ich meinen Kaffee ausgetrunken hatte, erst die Küche säuberte, ehe ich mir das Telefon und meine Liste schnappte. Vierzehn Telefonate später hatte ich zweimal die Nerven verloren und gerade einen Punkt auf meiner Liste als erledigt kennzeichnen können. Derweil konnte ich hören, wie Mutter Michael in freundlichem, aber straffem Ton durch das Wohnzimmer scheuchte. Nun ja, besser er als ich. Ich würde noch früh genug an die Reihe kommen. Ich ging hinaus, um etwas frische Luft zu schnappen, und sah, dass Dad dabei war, die Hecke zu trimmen.

Er sah entspannt und glücklich aus, was natürlich meistens der Fall war. Nach der Scheidung war Dad zu meiner Schwester Pam und ihrem Mann Mal gezogen. Genauer gesagt, in die Wohnung über ihrer Garage. Nun lebte er gerade eine Meile vom Haus der Familie entfernt, und abgesehen von dem Umstand, dass er nun nach Hause gehen und in einem anderen Bett schlafen musste, hatte sich in seinem Leben seit der Scheidung bemerkenswert wenig geändert. Er teilte seine Zeit immer noch zwischen der Gartenarbeit bei Pam und bei Mutter auf; beschäftigte sich mit seinen Enkelkindern; las stapelweise Bücher; machte anachronistische Hausbesuche bei den Freunden, Nachbarn und Verwandten, die immer noch nicht kapiert hatten, dass er seine Praxis aufgegeben und sich in den Ruhestand begeben hatte; und, was am wichtigsten war, er erging sich mit großem Enthusiasmus und zielstrebiger Andacht in der Verfolgung jeglichen seltsamen Hobbys, das gerade zufällig seine Aufmerksamkeit mit Beschlag belegte.

Kaum hatte sich Mutter für eine Gartenhochzeit entschieden, hatte Dad angefangen, den Garten für die Festivitäten vorzubereiten. Kaum hatte Samantha beschlossen, einen Empfang unter freiem Himmel zu geben, hatte er angefangen, Grund und Boden der Brewsters umzugestalten. Die Brewsters schienen ganz entzückt zu sein, dass er sich darum kümmerte, obwohl sich das schnell ändern konnte, sollte ihr Gärtner angesichts all der zusätzlichen Arbeit seine Drohung wahrmachen und kündigen. Und Dad sprang sogar gelegentlich ein, um Eileens Vater bei den Vorbereitungen für das große Ereignis behilflich zu sein.

Das alles wirkte überaus seltsam. Dad machte Überstunden, um die Hochzeiten zu einem vollen Erfolg zu machen, dabei hatte er Samantha nie leiden können. Er beklagte sich ständig, Eileen würde mich ausnutzen. Und was Mutters Wiederheirat anging – konnte er darüber wirklich so glücklich sein?

Da wir gerade vom Teufel sprechen, dachte ich, da kommt Jake. Wie vorherzusehen war, kroch er mit einem Tempo, fünf Meilen unterhalb der Geschwindigkeitsbegrenzung, in seiner langweiligen blauen Limousine heran. Ich winkte ihm zu. Er brachte den Wagen kreischend zum Stehen, kurbelte das Fenster herunter, steckte den Kopf hinaus und sah sehr verunsichert aus.

»Ja, was ist?«, fragte er mit zitternder Stimme.

»Nichts, Mr Wendell. Ich wollte Ihnen nur zuwinken. Entschuldigen Sie, wenn ich Sie erschreckt habe.«

»Fahren Sie Ihre Schwägerin abholen?«, fragte Dad. »Sie hat sich einen schönen Morgen für den Flug ausgesucht, was? Aus Fort Lauderdale, richtig?«

»J-ja«, stotterte Jake. »Woher wissen Sie das?«

»Mutter hat es erwähnt«, sagte ich.

»Außerdem ist es in so kleinen Städten wie dieser schwer, ein Geheimnis zu wahren«, fügte Dad heiter dröhnend hinzu. Mr Wendell sah höchst beunruhigt aus und erinnerte mehr denn je an eine verschreckte grau-braune Maus. Er kurbelte das Fenster wieder hoch und versuchte abzufahren, ohne die Handbremse gelöst zu haben, hielt dann inne, um sie zu lösen, und rollte endlich langsam von dannen.

Ein Erfolg war das nicht, überlegte ich. Tatsächlich war es eher genauso ein Schnitzer wie die meisten meiner Versuche, Jake näher kennenzulernen. Aber herrje, ich hatte noch den ganzen Sommer Zeit, mich mit meinem künftigen Stiefvater bekannt zu machen.

»Und, was hast du heute Morgen vor?«, fragte Dad, rieb sich den Nacken und musterte die Teile der Hecke, mit deren Schnitt er bereits fertig war.

»Telefonanrufe und Botengänge. Willst du, dass ich dir zur Hand gehe?«

»Nein. Ich habe schon eine gute Vorstellung davon, wie ich weitermachen werde.«

»Auch gut; ich habe das Gefühl, ich könnte jede Minute zu einer Konferenz über die Umgestaltung des Wohnzimmers befehligt werden. Mutter hat Michael aus der Schneiderei überredet, das Haus auszumessen.«

»Nun ja, er ist ein intelligenter junger Mann.«

»Ja, er scheint nett zu sein«, sagte ich und krümmte mich innerlich. Das fehlte noch, dass Dad all seine unendliche Energie und Entschlossenheit dem Versuch widmete, mich mit dem am wenigsten verfügbaren Mann der ganzen Stadt zusammenzubringen. Auf mich wartete der längste Sommer aller Zeiten.

»Er ist Schauspielprofessor, weißt du?«, fuhr Dad fort.

»Ja. Na ja, die Pflicht ruft«, sagte ich und floh in die Küche, ehe er noch ein weiteres Wort sagen konnte.

Ich beschloss, dass ein paar Kekse mit Schokoflocken mich aufheitern und zudem meine Mutter versöhnlich stimmen würden, also nahm ich eine Auszeit von meiner Liste, um eine Ladung Kekse zu backen. Von dem Geruch angelockt, schlenderte bald Rob zur Tür herein, gefolgt von Michael und Mutter, die uns gnädig einlud, Limonade zu machen und ihr auf der Veranda Gesellschaft zu leisten.

»An Sommernachmittagen haben wir schon immer gern bei Keksen und Limonade auf der Veranda gesessen«, sagte Mutter, als Rob und ich die Gläser herausbrachten.

»Sehr zivilisiert«, kommentierte Michael und schlang seinen sechsten Keks herunter.

In dem Moment hörten wir die Küchentür krachen, gefolgt von einem wilden Quaken.

»Da kommt Eric«, sagte ich.

Mein achtjähriger Neffe rannte herbei und stürzte sich jammernd und mit einem blutenden Finger auf Mutter. Als Mutter ihn weit genug beruhigt hatte, sich den Finger anzusehen, hatte die Blutung schon beinahe aufgehört, und er begnügte sich mit gedämpften Schnieflauten. Ergänzt von gedämpften Quaklauten seitens der Ente an der Hintertür.

»Möchtest du, dass Oma dem Finger einen Kuss gibt, damit er besser wird?«, fragte Mutter und strahlte Eric an.

»Opa sagt, im menschlichen Mund sind mehr Bazillen als in dem von einem Hund«, verkündete Eric und riss entsetzt die Hand fort.

»Ich bin überzeugt, Opa weiß das am besten, Kind«, sagte Mutter eine Spur zu schroff. »Wie wäre es, wenn du zu Opa gehst und ihn bittest, den Finger chirurgisch zu nähen?«

»Okay«, sagte Eric, sichtlich angetan von dieser Vorstellung. Chirurgisches Nähen, klar; das Kind brauchte offenbar noch einige von Dads Vokabellektionen. Mutter nippte an ihrer Limonade, als Eric, bewaffnet mit einer Handvoll Kekse, glücklich und zufrieden davonrannte. Michael beäugte uns auf seltsame Weise.

»Dad ist wirklich gut, wenn es um die Wehwehchen von Kindern geht«, sagte Rob. »Das war immer einer seiner größten Vorteile als Vater. Wie ernst er auch die unwichtigsten Beschwerden genommen hat.«

»Es ist ein wahres Wunder, dass ihr nicht alle zu rasenden Hypochondern geworden seid.« Mutter schüttelte den Kopf.

»Andere Kinder laufen vielleicht zu ihrer Mutter und bekommen ein Pflaster von ihr«, fügte ich hinzu. »Wir sind zu Dad gegangen, um uns einen sterilen Verband für unsere Platzwunden und Hautabschürfungen zu holen – nach einer sorgfältigen Säuberung zum Schutz vor einer Blutvergiftung, versteht sich. Jedenfalls ist es Pam und mir so gegangen.«

»Ich konnte noch nie Blut sehen«, sagte Rob schaudernd.

»Ist das in Ihrem Beruf nicht ziemlich hinderlich?«, fragte Michael.

»Hach, wie witzig«, murrte Rob und vergrub die Nase in seinem Buch mit Übungsfragen für die Zulassungsprüfung vor der Anwaltskammer.

»Rob ist ein bisschen empfindlich, was Witze über Anwälte betrifft«, erklärte ich und tätschelte den Arm meines Bruders.

»Witze über Anwälte?«, wiederholte Michael. »Das tut mir wirklich leid, ich wollte gar keinen Witz machen. Ich hätte schwören können, Ihr Vater hätte mir erzählt, Sie würden Medizin studieren. Um forensischer Pathologe zu werden.«

»Oh Gott! Dad fängt schon wieder an!«, stöhnte Rob.

»Dad möchte, dass Rob Medizin studiert und forensischer Pathologe wird«, erläuterte ich. »Mit der Idee ist er eine Woche, nachdem Rob erzählt hat, dass er Jura studieren will, herausgerückt.«

»Mir war nicht klar, dass er schon wieder