Kommissar Lüppi - Band 3 - Markus Schmitz - E-Book

Kommissar Lüppi - Band 3 E-Book

Markus Schmitz

0,0

  • Herausgeber: epubli
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Der Kriminalhauptkommissar Martin Lüpke, Spitzname Lüppi, und sein Team ermitteln in zwei unabhängigen Todesfällen, daher teilt sich das Team auf. Bei den späteren Obduktionen von Frau Dr. Schneider stellt sich heraus, es geht in beiden Fällen um Mord der ganz besonderen Art. Während der Ermittlungen finden Kommissar Lüppi und sein Team eine Verbindung zwischen den beiden Mordfällen, es sind die Gemälde eines Malers. Weitere Informationen unter www.MarkusSchmitz.site

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 484

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Kommissar Lüppi - Band 3 - Das versteckte Rätsel

Titel Seite123456789101112131415161718

Kommissar Lüppi

Band 3

Das versteckte Rätsel

Autor

Markus Schmitz. Ich bin 1964 in Essen geboren und lebe seit einigen Jahren mit meiner Verlobten in Bochum. Von Beruf bin ich Konstrukteur und habe viele Jahre lang Modellbau betrieben. Im Jahr 2016 entschloss ich mich mit dem Modellbau aufzuhören und habe das Schreiben wieder angefangen. Die ersten drei Bücher ‚Der Rennfahrer Mark Kirchheim‘ handeln von Motorsport und der organisierten Kriminalität. Kommissar Lüppi ist meine erste Kriminalromanreihe.

Weitere Informationen unter www.MarkusSchmitz.site

Inhaltsangabe

Der Kriminalhauptkommissar Martin Lüpke, Spitzname Lüppi, und sein Team ermitteln in zwei unabhängigen Todesfällen, daher teilt sich das Team auf. Bei den späteren Obduktionen von Frau Dr. Schneider stellt sich heraus, es geht in beiden Fällen um Mord der ganz besonderen Art. Während der Ermittlungen finden Kommissar Lüppi und sein Team eine Verbindung zwischen den beiden Mordfällen, es sind die Gemälde eines Malers.

Vorwort

Kommissar Lüppi ermittelt in der Stadt, aus der ich selber stamme, der Stadt Essen im Ruhrgebiet. Die Romanreihe startet im Band 1 am Ostersonntag 1995 und geht ab da weiter. Das noch sehr in den Anfängen befindliche digitale Zeitalter empfand ich als einen Vorteil für die Romane. Das Wort Romanreihe ist dabei wörtlich zu nehmen, da die Bände zeitlich aufeinander folgen. Das heißt, der nächste Band führt die Geschichte da weiter, wo der vorherige aufgehört hat. Der letzte Tag im Band 2 ist der erste Tag im Band 3. Die Bände gehen somit ineinander über.

Um einen leichteren Überblick zu behalten habe ich jeweils Tag, Zeit und Ort bei einem Handlungs- und Ortswechsel eingefügt. Ich habe mir bekannte Orte in dem Roman verwendet. Während des Schreibens bei Band 1 sind mir einige vorkommende Personen so sehr ans Herz gewachsen, dass ich mich gezwungen sah, ihnen in Band 2 die eine und andere Person zur Seite zu stellen. Das war jetzt in Band 3 genauso.

Diese Geschichte ist reine Fiktion. Die Namen, Charaktere, Unternehmen, Organisationen, Firmen, Hersteller, Orte und Ereignisse entstammen entweder der Fantasie des Autors oder wurden auf fiktionale Weise verwendet. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen, mit Ereignissen und Orten wäre vollkommen zufällig.

Impressum Texte: ©2020 Copyright by Markus Schmitz Alle Rechte vorbehalten Umschlag:©2020 Copyright by Markus Schmitz Alle Rechte vorbehalten Verlag: Markus Schmitz Gertrudenhof 144866 Bochum www.Schmitz-Sobaszek.de [email protected]

Druck: epubli - ein Service der neopubli GmbH,

1

3. Juli 1995, Montag, 7.52 Uhr Polizeipräsidium Essen

Als Lüppi an seinem ersten Arbeitstag, nach seinem Urlaub, am Präsidium ankam, traf auch Petra ein. Gemeinsam gingen beide ins Büro. Lüppi sah sich um, die DIN A2 Blätter vom letzten Fall waren von der Wand verschwunden.

„Die habe ich in die Akte getan, die auf deinem Schreibtisch liegt“, sagte sie. Er ging zu ihr und fragte, ob er sie einmal in den Arm nehmen dürfte.

„Du darfst mich immer in den Arm nehmen, denn schließlich habe ich sehr lange auf dich gewartet, Papa.“ Das tat er und drückte sie fest. Peter Kordes, der in dem Augenblick hereinkam, schaute kurz erstaunt und danach bewusst weg. Lüppi sagte ihr, wie sehr er sich freuen würde, dass sie beide sich nun gefunden hätten.

„Das sollte dann wohl so sein“, antwortete sie.

„Was sollte so sei?“ fragte Heike nachdem sie auch das Büro betrat.

„Das wir zwei uns doch noch gefunden haben“, antwortete Petra.

„Apropos gefunden, ich habe letzte Woche Donnerstag mit Martin Torres gesprochen. Er hat angerufen, um uns über deren Stand auf dem Laufenden zu halten“, sagte Heike.

„Das ist ja lieb“, bemerkte Lüppi.

„Sie haben gegen Ina nichts in der Hand. Das gemeinsame Konto, auf dem sich 5,3 Millionen DM befinden, kann nicht gepfändet werden, da nicht nachgewiesen werden kann, wo das Geld herkommt. Hinzu kommt, das Medikament ist bis jetzt dort nicht verkauft worden. Und der Mord hat nichts mit dem Geld zu tun.“

„Dann ist sie jetzt eine reiche Frau“, sagte Lüppi.

„Sieht die gut aus?“, wollte Peter wissen.

„Bleib du mal bei deiner Maike“, antwortete Heike ihm.

„Woher weißt du, wie sie heißt?“

„Ist die Frage jetzt ernst gemeint?“

„Schon gut“, erwiderte Peter.

„Und noch etwas, Gördi hatte einen Anruf von einem Reporter der Boulevardzeitung ‚Der Ruhrpott-Melder‘. Dieser nette Herr wollte ein Interview mit dem ‚Chef-Ermittler‘ haben“, sagte Heike.

„Und was hat Gördi ihm gesagt?“

„Er hat ihm gesagt, er solle sich an die Pressestelle wenden und im Anschluss hat er dann gefragt, ob er der Reporter wäre, der über das Hotel Amadeus berichtet hätte. Er hat nicht geantwortet, das Gespräch war danach weg.“

„Sonst noch etwas Schönes?“, fragte Lüppi.

„Mmh… ja, einen schönen Gruß sollen wir dir von Jürgen Claßen ausrichten. Er arbeitet inzwischen mit den Kollegen aus den Niederlanden zusammen. Die niederländischen Kollegen haben Jan van de Velden und Nils Peters verhaftet. Der Herr Peters ist von Herrn van de Velden belastet worden und konnte sogar Beweise gegen ihn vorlegen. Ihm selbst ist nichts nachzuweisen. Man sagt, er würde Urlaub auf Sizilien machen.“

„Das heißt dann, das war es und der Jan van de Velden läuft weiter frei herum und betreibt seine Spielchen und Machenschaften?“

„Ja, leider.“

„Wo hast du eigentlich deinen Gerhard gelassen?“, fragte Lüppi in Richtung Heike.

„Der hat vorhin einen Anruf von seiner Ex bekommen, es wäre etwas mit seiner Tochter. Ich soll dir sagen, er ist auf dem Weg zu ihr und kommt später“, sagte Heike mit einem gewissen Unterton.

„War das letzte Woche nicht auch schon der Fall?“, fragte Petra nach.

„Ja und auch Montag“, bestätigte Heike.

„Soso“, sagte Lüppi und setzte sich an seinen Schreibtisch. Er schlug die Akte auf, blätterte einmal durch und schloss sie wieder. Nahm einen Kugelschreiber und überlegte.

„Schreibst du jetzt den berühmten Satz auf die Akte?“, fragte Petra ihn.

„Du hast davon gehört?“, fragte er zurück.

„Ja, der Herr Pohlmeier und der Herr Schuster haben letzte Woche schon danach gefragt. Beide dachten, du hättest das noch vor eurem Urlaub gemacht.“ Er wollte gerade anfangen als es an der offenen Tür pochte. Einige Kolleginnen und Kollegen der KK11 kamen um zu fragen, wie die Hochzeitsreise gewesen wäre. Lüppi erzählte, was er und seine Frau alles so erlebt hatten. Als er fertig war wünschten sie beiden noch einmal alles Gute. Die Kollegen gingen wieder. Lüppi wollte gerade den Kugelschreiber ansetzen als sein Telefon schellte. Es war Horst Vollmer, der Leiter der Kriminaltechnische Untersuchungsstelle, auch er wollte wissen, wie der Urlaub gewesen war. Nach einer Viertelstunde war er fertig und das Gespräch beendet. Lüppi sah sich um als wenn er sehen wollte, ob ihn noch jemand vom Schreiben abhalten wolle. Da das nicht der Fall war, setzte er den Stift an und schrieb, dieses Mal länger als bei dem Fall davor. Als er fertig war, unterzeichnete er noch darunter.

„Und?“ fragte Petra.Lüppi nahm die Akte und gab sie ihr. Sie schaute drauf, während Heike kam und ihr über die Schulter sah.

‚Nicht alles, wonach es aussieht, ist auch so. Einige glauben etwas zu wissen und bemerken viel zu spät, es ist doch anders als geglaubt und das zum Leidwesen eines Mannes, der es nicht verdient hatte zu sterben.‘M. Lüpke

Kriminalrat Eckerhard Schuster betrat das Büro und schaute sich um. Petra sah zu ihm und sagte. „Guten Morgen Herr Schuster. Lüppi hat gerade den berühmten Satz geschrieben.“

„Auch einen guten Morgen zusammen, dann komme ich gerade passend.“ Er ging zu ihr und las den Satz. Danach sah er zu Petra.

„Petra, ab jetzt bitte nur noch Eckerhard und bevor ich das vergesse, ab jetzt bist du ganz offiziell hier in der KK11.“ Sie freute sich, das zu hören auch wenn sie es schon gewusst hatte.

„Lüppi, wenn du nachher Zeit hast, komm mal bitte zu mir“, sagte Eckerhard und ging wieder.

„Soll ich Herrn Pohlmeier anrufen?“, fragte Petra in Richtung Lüppi und zeigte mit dem Finger auf die Akte.

„Das brauchst du nicht. So wie ich ihn kenne, kommt der jeden Augenblick hierher.“ Es vergingen zehn Minuten und der Staatsanwalt kam wie von Lüppi vorhergesagt. Auch er wollte wissen, was Lüppi nun wieder auf die Akte geschrieben hatte. Als Lüppi auch ihm im Anschluss von der Hochzeitsreise erzählen sollte klingelte das Telefon von ihm. Lüppi bat Petra einmal das Gespräch zu übernehmen. Das tat sie.

„Kriminalkommissarin Petra Wilkerling“, sagte sie. Der Anrufer sagte etwas und Petra fing an etwas mitzuschreiben, was Lüppi beim Erzählen sah. Das Gespräch dauerte länger und Petra machte sich weitere Notizen. Sie fragte ein paarmal nach. Zum Schluss sagte sie zu dem Anrufer.

„Lüppi ist in einem Gespräch, ich frage ihn gleich.“ Dann war das Telefonat beendet. Marcel war dabei auch etwas zu erzählen, als Lüppi ihn unterbrach.

„Marcel, warte mal bitte“, sagte er und sah zu Petra.

„Das war der wachhabende Polizist aus der Wache unten“, fing sie an. „Es haben sich zwei Streifenkollegen bei ihm gemeldet, die zu einer Wohnung in Essen Heisingen gerufen worden sind. Die Tochter hat ihre Mutter tot aufgefunden und der Arzt war dabei den Totenschein zu unterschreiben, als die beiden Kollegen eintrafen. Sie haben sich in der Wohnung umgesehen und der ältere Kollege meinte, er hätte das Gefühl, da würde etwas nicht stimmen und ob wir uns das nicht einmal ansehen wollen.“

„Wenn der Kollege ein ungutes Gefühl hat, dann fahr mit Heike dort hin“, sagte Lüppi. Petra sah zu Heike und beide Frauen machten sich auf den Weg nach Heisingen zu der Straße ‚Dickebank‘.

Montag, 9.38 Uhr Essen Heisingen

Heike hielt ihren Fiat Panda vor einem Reihenhaus an, in dem die verstorbene alte Dame wohnte. Ein paar Meter weiter stand der Streifenwagen der Kollegen. Beide stiegen aus dem Auto und gingen auf die offenstehende Haustür zu. Sie betraten das Haus mit einem „Hallo“. Die Kollegen und die vermeintliche Tochter der Dame trafen sie im Wohnzimmer an. Heike schätzte die Frau auf Mitte fünfzig.

„Guten Morgen, ich bin Kriminalkommissarin Buhrmann und meine Kollegin ist Kriminalkommissarin Frau Wilkerling“, sagte sie. „Hallo, Kollegen“, ergänzte sie noch.

„Morgen“, sagte die vermeintliche Tochter.

„Hallo, ihr zwei. Danke, dass ihr gekommen seid. Du bist Heike, die aus Frankfurt zurückgekommen ist, nicht wahr?“, fragte der ältere der beiden.

„Ja, richtig. Wer seid ihr?“

„Ich bin Heinz“, sagte er und beide sahen die vier Sterne auf dem Schulter-Abzeichen. Er war Polizeihauptmeister.

„Hallo, ich bin Eric“, sagte der jüngere Polizeimeister. Die Frau saß auf der Couch und schaute die beiden an, sagte aber nichts. Petra ging auf sie zu.

„Guten Morgen, Sie sind die Tochter der Verstorbenen?“

„Ja“, sagte sie und stand auf. „Ich bin Ursula Issinger. Meine Mutter heißt Lieselotte Maxfield.“ Petra nahm Notizblock und Bleistift zur Hand.

„Wann haben Sie sie gefunden?“

„Heute Vormittag. Ich bin zu ihr gefahren, weil ich sie nicht ans Telefon ging.“ Sie notierte es sich.

„Wann haben Sie sie das letzte Mal gesehen oder gesprochen?“

„Gesehen vor 3 Wochen und gesprochen letzten Mittwoch.“

„Seitdem versuchen Sie ihre Mutter auch zu erreichen?“

„Nein, seit Freitagmittag“, sagte Frau Issinger. Heike wendete sich an die beiden Kollegen.

„Wo ist die Verstorbene und was ist euch aufgefallen?“, fragte Heike und sah Heinz dabei an. Er winkte mit seiner Hand, was so viel heißen sollte wie, kommt mal mit. Er ging vor in die Küche. Lieselotte Maxfield lag mit dem Rücken auf dem Boden. Äußerliche Verletzungen waren auf den ersten Blick keine zu sehen. Heike bückte sich und sah sich die Tote an.

„Sie lag schon auf dem Rücken als wir gekommen sind“, sagte Heinz. „Der Notarzt hat sie herumgedreht.“

„Hat er gesagt, wie lange sie in etwa schon tot ist?“, erkundigte sich Heike.

„Ungefähr ein bis zwei Tage.“

„Was wollte er denn auf den Totenschein schreiben?“

„Er wollte nicht, er hat schon was auf den Totenschein geschrieben. Der liegt da vorne“, antwortete er und zeigte auf die Küchenarbeitsplatte unter dem Fenster. Petra ging hin und sah drauf.

„Herzversagen“, sagte sie knapp.

„Der Arzt hat gemeint, dass der Fall klar wäre“, ergänzte Eric. „Heinz, erzähl doch mal, was du glaubst gefunden zu haben.“ Alle drei sahen den jungen Kollegen an. Petra und Heike bemerktem seinen Unterton. Heinz ließ sich davon nicht beirren.

„Schaut mal, die Frau Maxfield war dabei einen Kaffee einzuschenken.“

„Ja?“, fragte Heike.

„Im Wohnzimmer steht aber schon eine.“

„Okay und du glaubst also, es muss jemand hier gewesen sein?“

„Genau.“

„Im Wohnzimmer steht auch eine frische Schale Plätzchen“, sagte Petra.

„Das hat Heinz auch gesagt“, ergänzte Eric. „Nur was heißt das denn? Die Tote hat halt ein paar Plätzchen auf dem Tisch stehen, ja und?“

„Und sie hat eine zweite Tasse Kaffee gemacht“, sagte Petra.

„Dann hat sie die Tasse halt vergessen und war dabei sich noch eine einzuschütten. Ist ja auch kein Wunder, bei dem Alter der Oma.“

„Hey, Kollege. Ja, sag mal, wie sprichst du denn von der Verstorbenen?“, fuhr Heike den Kollegen an. Petra ging ins Wohnzimmer zu der Plätzchenschale und sah sich diese an. Die drei sahen ihr von der Küche aus zu. Als nächstes ging sie zu dem Esstisch im Wohnzimmer. Dort hatte sie ein Rätselheft liegen gesehen. Die Verstorbene war dabei ein Kreuzworträtsel zu lösen. Das hatte Petras Oma auch immer gerne gemacht. Sie sah sich die aufgeschlagene Seite an. Dort fand sie ein unfertiges Wort. Die ersten drei Buchstaben waren ‚PAS‘. Die Frage lautete. ‚Stadt an der Mündung von Donau und Inn‘. Petra sah noch genauer hin. Heike bemerkte, dass ihre Kollegin etwas entdeckt hatte und ging zu ihr.

„Was hast du gefunden?“

„Schau mal hier“, sagte sie und zeigte auf die drei Buchstaben.

„Ja und?“

„Das ‚S‘ hat unten einen Bogen. So als wenn sie sich erschrocken hätte. Das ist meiner Oma auch immer passiert, wenn sie sich konzentriert hat und ich sie angesprochen habe.“

„Okay?“

„Die Plätzchen sind frisch in der Schale. Da war noch niemand dran und die Dose dazu steht offen in der Küche.“

„Du meinst also, sie hat überraschend Besuch bekommen?“

„Genau, sie hat sich erschreckt wie meine Oma, hat Plätzchen hingestellt und war dabei eine Tasse Kaffee für den Besuch zu holen.“

„Ja, kann so gewesen sein“, bestätigte Heike. Petra sah ihr an, dass sie noch nicht davon überzeugt war. Heinz kam dazu und ließ sich auch den Fund zeigen.

„Das habe ich noch gar nicht gesehen“, gestand er. „Dann ist meine Vermutung doch nicht die schlechteste gewesen.“

„Was soll das heißen? Hat meine Mutter jemand Fremdes hereingelassen?“

„Ob die Person ihr fremd war, kann man nicht sagen“, sagte Heinz.

„Wahrscheinlich eher nicht“, erwiderte Petra und wendete sich an die Tochter. „Hätte Ihre Mutter auch für jemand Fremdes Plätzchen und Kaffee hingestellt?“

„Nein, hätte sie nicht. So Gastfreundlich war sie nicht“, antwortete Frau Issinger.

„Und was machen wir? Rufen wir Horst an?“, erkundigte sich Petra bei Heike.

„Mmh… ja, machen wir“, antwortete Heike und wendete sich an Frau Issinger. „Dürfte ich mal das Telefon benutzen?“ Die Tochter sagte ja und Heike wählte die Rufnummer der KTU. Petra sah sich währenddessen ein wenig im Wohnzimmer um.

„Kriminaltechnische Untersuchungsstelle Essen, Horst Vollmer am Apparat.“

„Heike hier, hallo Horst. Du, wir bräuchten euch hier mal in Heisingen.“

„Ah, also doch.“

„Was heißt das denn?“, erkundigte sich Heike.

„Lüppi hat angerufen und hat so etwas schon angedeutet. Er hat sich, nachdem ihr weg wart wohl erkundigt, wer der Streifenkollege war, der vor Ort ist. Der wachhabende Kollege hat ihm dann wohl gesagt, dass es der Heinz sei. Daraufhin hat Lüppi mich dann angerufen und mich vorgewarnt, ich solle mich mal bereithalten.“

„Na, Klasse. Dann liegen Heinz und Petra vielleicht richtig mit ihrer Vermutung. Verständigst du Frau Doktor?“

„Ist das von Nöten? Lüppi hat gesagt, ein Arzt war doch schon da. Stefanie kann dann auch nur den Tod feststellen. Sie wird sagen, ich muss sie bei mir in der Rechtsmedizin haben.“

„Ja, stimmt.“

„Wir sind unterwegs.“ Als Heike eingehangen hatte, fielen Petra zwei Ölgemälde an der Wand auf. Das linke zeigte Venedig und das rechte den Hallstätter See. Da zwischen war Platz für ein weiteres Gemälde. Sie erkundigte sich bei Frau Issinger nach dem Nagel zwischen den beiden Bildern in der Wand.

Montag, 10.15 UhrPolizeipräsidium Essen

Marcel, der Staatsanwalt, war inzwischen wieder zurück zur Staatsanwaltschaft und Lüppi befand sich bei Eckerhard. Der Kriminalrat sagte zu Lüppi, dass er es für besser halten würde, wenn er zukünftig als ‚Erster Kriminalhauptkommissar‘ nicht mehr die Leitung der Ermittlungen übernehmen würde. Er solle das einem Kollegen überlassen und nicht mehr selbst die Mordkommissionen leiten.

„Du hast die Kollegin vergessen“, erwiderte Lüppi kurz.

„Was für eine Kollegin?“

„Die Leitung einer Kollegin oder einem Kollegen überlassen, wolltest du wohl sagen. Es gibt hier nicht nur uns Männer.“

„Auf Heike und Petra achtest du jetzt aber, was?“

„Und jetzt hast du noch Karin, Silke und Anke vergessen. Wir haben fünf Frauen in der KK11.“

„Na, wie auch immer. Denk bitte einmal darüber nach“, sagte Eckerhard.

„In Ordnung“, kam die Standardantwort. „Ich denke Mal drüber nach.“ Dann lächelte er Eckerhard an.

„Na, ich sehe schon, wie ernst du das nimmst.“

„Warum, ich habe doch gar nichts gesagt.“

„Musst du auch nicht, bei deinem Gesichtsausdruck. Mmh… was ich eigentlich mit dir besprechen wollte…“, sagte Eckerhard und wurde unterbrochen.

„Oh, kommt doch noch was Wichtiges?“, fragte Lüppi ironisch dazwischen.

„Ja, es kommt noch was. Unser Kriminaldirektor, Herr Bäumler, hat gefragt, wer denn alles mit zu dem Erfolg beim letzten Fall beigetragen hat.“

„Aha. Er denkt über die eine oder andere Beförderung nach.“

„Ich habe an Heike und Gerhard gedacht. Was meinst du?“

„Auf jeden Fall.“ Eckerhard sagte, er würde das so weitergeben. Beide besprachen noch weitere Dinge. Eins davon würde Peter betreffen.

Montag, 11.05 Uhr Essen Heisingen

Horst und sein Kollege Moris Veigel waren im Haus von Lieselotte Maxfield eingetroffen. Sie sicherten Spuren, Fingerabdrücke und weitere Anhaltspunkte, die zur Feststellung der zweiten Person führen konnten. Die beiden Polizisten, Heinz und Eric, hatten eine halbe Stunde vorher das Haus verlassen. Auch Horst war der Nagel in der Wand aufgefallen. Petra erzählte ihm, was die Tochter gesagt hatte.

„Ein Ölgemälde von Königssee hing dort?“, fragte Horst nach.

„Ja, die Tochter sucht gerade Fotos vom letzten Geburtstag heraus, die sie ihrer Mutter gegeben hat. Sie meinte, da müsste das Bild drauf sein.“ Es schellte an der Haustür und Heike ging hin, um zu öffnen.

„Einen schönen guten Tag. Wir sind vom Bestattungsunternehmen Lechmann, bitte nicht verwechseln mit Leichnam. Hihi“, kam der Standardspruch von den zwei dunkel gekleideten Männern. „Wir sollen hier eine alte Dame abholen und sie in die Rechtsmedizin bringen.“ Als die beiden Herren in der Küche ankamen, wurden sie von Moris wiedererkannt. Er sprach die beiden daraufhin an.

„Sie beide habe ich doch vor nicht allzu langer Zeit im Hotel Amadeus gesehen.“

„Ja, wir können uns auch an Sie erinnern. Das muss mit unseren Berufen zu tun haben.“ Es dauerte eine Viertelstunde bis die Tote im Metallsarg aus ihrem Haus getragen wurde. Die Tochter, die in der Zwischenzeit im ersten Stock gewesen war, hatte das Kommen der Firma Lechmann nicht mitbekommen. Ihre Reaktion als sie wieder im Erdgeschoss ankam und bemerkte, dass ihre Mutter abgeholt worden war, fanden Heike und Petra interessant, was sich Petra notierte. Eine Stunde später waren Horst und Moris mit der Spurensicherung fertig. Horst nahm den Fotoapparat und machte noch einige Aufnahmen von den Räumen. Währenddessen gingen die beiden durch das ganze Haus und sahen sich noch einmal um.

Montag, 11.40 UhrPolizeipräsidium Essen

Gördi war inzwischen eingetroffen. Lüppi kam zurück in das gemeinsame Büro, begrüßte ihn kurz und bat Peter um folgendes.

„Wir brauchen für den Kriminaldirektor eine Übersicht aller Fälle des ganzen letzten Jahres bis heute. Aus der Aufstellung muss hervorgehen, worum es ging, welchen Status der Fall hat, von wann bis wann ermittelt wurde, wie viele damit beschäftigt waren und der Gesamt-Stundenaufwand.“ Peter musste schlucken, traute sich aber nichts zu sagen, da er immer noch befürchten musste ein Disziplinarverfahren wegen seines letzten Vergehens zu bekommen. Peter stand wortlos auf und ging zur Registratur. Lüppi setzte sich an seinen Schreibtisch und Gördi kam zu ihm.

„Hat Heike gesagt, wo ich war?“, fragte er.

„Ja, hat deine Heike getan. Was war los?“

„Meine Ex hat mich zu sich gerufen, weil etwas mit unserer Tochter wäre. Am Telefon hat sie aber nicht sagen wollen, was los wäre. Ich also hin. Bin kurz vor der Haustür, da kommt mir die ‚Kurze‘ entgegen und sagt zu mir, sie würde sich so freuen, dass ich wieder nach Hause kommen würde.“

„Oh, davon hast du mir ja noch gar nichts gesagt. Das ist jetzt aber neu für mich“, sagte Lüppi künstlich überrascht.

„Tröste dich, war es für mich auch. Ich habe also angeschellt. Sie macht mir nach einer Minute die Tür auf. Schaut aber nur mit ihrem Kopf um die Tür herum.“

„Oho, ich ahne es.“

„Genau, das habe ich auch sofort gedacht. War dann schlussendlich auch so. Ich gehe also hinein, sie macht die Tür hinter mir zu und ich sehe, sie steht da im Morgenmantel vor mir.“

„Und was wollte sie?“

„Das habe ich sie auch gefragt. Sie meinte, sie müsse unbedingt mit mir reden. Ich sollte mich erst einmal setzen. Dann hat sie mir gesagt und jetzt halte dich fest, sie hätte die letzten zwei Wochen nachgedacht und sie wäre nun bereit mir zu verzeihen. Ich dürfte jetzt wieder den Platz an ihrer Seite einnehmen. Und weil sie so ein großes Herz hätte, hat sie dann ihren Morgenmantel geöffnet.“

„Und waren die Dessous schön?“

„Ja, sehr sogar. Kannte ich gar nicht und vor zwei Monaten hätte ich mich auch darüber gefreut, nur jetzt nicht mehr.“

„Bist du standhaft geblieben oder hast du jetzt ein Problem mit Heike?“

„Nein, es ist nicht dazu gekommen. Aber einen Riesencircus hat sie abgezogen. Ich hatte so den Eindruck, als wenn sie ein zweites Kind wollte. Ich habe ihr mehrfach gesagt, sie solle den Morgenmantel wieder zumachen. Ein Affentheater gab es dann als ich nicht mit ihr ins Bett wollte.“

„Das klingt so, als wenn da in nächster Zeit noch was nachkommen würde.“

„Das befürchte ich auch, da sie mir hinterhergerufen hat, dass ich es noch bereuen würde, sie so stehen zu lassen.“

„Wie hat sie dich denn überhaupt erreicht?“

„Ich hatte ihr deine alte Rufnummer aus deiner alten Wohnung gegeben.“

„Das ist jetzt eure und nicht mehr meine Wohnung. Das du das auch immer wieder vergisst“, sagte Lüppi und schüttelte dabei seinen Kopf. „Aber ganz ehrlich, ich hätte ihr die Nummer nicht gegeben.“

„Hat Heike auch gesagt. War nicht so gut von mir.“

„Aber eigentlich ist das ja noch mein Telefonanschluss und dann könnte ich…“

„Auch kündigen und Heike meldet einen neuen an“, vollendete Gördi den Satz.

„Soll ich mal einen der Stammgäste aus ‚Uschis Eck‘ anrufen, der ist für so etwas zuständig.“ Gördi fand den Vorschlag gut und Lüppi rief seinen alten Kneipenkumpel an. Der sagte zu, sich darum kümmern zu wollen und die beiden würden eine Geheimnummer bekommen, die ihnen als Polizeibeamte sowieso zustehen würde.

Montag, 12.10 UhrPolizeipräsidium Essen

Heike und Petra trafen wieder im Büro ein. Gördi stand am Faxgerät und drückte in dem Augenblick auf die Senden-Taste.

„Da seid ihr zwei ja wieder“, sagte Lüppi. „Und was ist jetzt?“

„Vielleicht so, wie du schon vermutet hast, da du ja anscheinend den Streifenkollegen Heinz kennst und ihn einschätzen kannst“, antwortete Heike.

„Ach, hat Horst von meinem Anruf erzählt?“, erkundigte sich Lüppi.

„Jo, hat er. Also um auf deine Frage zurückzukommen, es könnte vielleicht kein normaler Tod bei Frau Lieselotte Maxfield gewesen sein.“

„Ich bin davon überzeugt, dass es ein Verbrechen war“, sagte Petra.

„Oh, ihr zwei seid euch nicht ganz einig?“, fragte Lüppi etwas überrascht. Petra erzählte danach, was sie festgestellt hatten und von dem Foto, auf dem das fehlenden Ölgemälde zu sehen war. Sie zeigte Lüppi die Aufnahme. Er sah sich das Bild an.

„Das ist der Königssee im Berchtesgadener Land. Da waren Torti und ich erst vor sechs Wochen“, stellte er fest. Heike wies ihre jüngere Kollegin darauf hin, was die Tochter noch gesagt hatte.

„Sie war sich nicht sicher, ob das Gemälde vom neu einrahmen zurück gewesen ist. Es könnte also auch sein, dass es gar nicht gestohlen worden ist, weil es sich noch bei irgendeiner Firma zum Einrahmen befindet.“

„Dann gibt es aber noch die zweite Tasse Kaffee und die Plätzchenschale“, erwiderte Petra und sah Lüppi an.

„Die Firma wusste die Tochter nicht?“, fragte Lüppi nach.

„Nein, nur dass sie hier in Essen sein muss.“

„Dann findet es heraus und klärt das“, sagte er als sein Telefon schellte. Er nahm den Hörer ab und meldete sich.

„Kriminalhauptkommissar Martin Lüpke, guten Tag.“ Der wachhabende Polizist aus der Wache unten war erneut am Apparat.

„Hallo Lüppi, da hat gerade ein Dr. Feldmann angerufen. Er ist zu einem Patienten gerufen worden. Dessen Frau hatte Bedenken wegen ihres Mannes, dem es nicht gut ging als sie vom Einkaufen zurückkam. Als der Herr Doktor dort eintraf konnte er nur noch dessen Tod feststellen. Er meinte, wir müssten uns das anschauen, er hat die Vermutung, da stimmt etwas nicht. Ich habe schon mal eine Streife hingeschickt. Der Dr. Feldmann bleibt vor Ort.“

„In Ordnung, wir kommen. Wo ist das?“

„Das ist im Stadtteil Heidhausen.“ Lüppi schrieb die Adresse und den Namen auf. Dann war das Gespräch beendet. Alle drei sahen ihn an.

„Gördi, wir haben wahrscheinlich auch eine ungeklärte Todesursache. Der Hausarzt hat angerufen, er wartet auf uns“, sagte Lüppi.

„Wohin müssen wir?“, fragte er während er vom Schreibtisch aufstand.

„Zur ‚Grüne Harfe‘ in Heidhausen, zu Ehepaar Eckhoff.“ Lüppi ging an seinen Schrank und nahm einen karierten Block heraus, den er einsteckte.

Montag, 13.15 Uhr Essen Heidhausen

Lüppi stellte seinen dunkelblauen Mercedes 230E, des Typs W123, am Straßenrand vor dem Nachbarhaus des Ehepaars Eckhoff ab. Der Streifenwagen der Kollegen war vor Ort. Vor dem Haus standen zwei Autos vor der verschlossenen Garage. Ein 5er BMW und davor ein kleiner Renault. Beide schellten an und ein junger Polizist öffnete die Haustür. Lüppi sagte beim Eintreten, wie so häufig, nichts, er nickte nur.

„Hallo, Kollege“, sagte Gördi als er nach Lüppi das Haus betrat. Aus dem Wohnzimmer kam ihnen ein Mann mittleren Alters entgegen. Dieser grüßte und stellte sich als Dr. Mathias Feldmann vor. Lüppi erwiderte den Gruß und sagte, wer sie wären.

„Ich habe Frau Eckhoff ein Beruhigungsmittel gegeben. Sie hat sich oben hingelegt. Herr Eckhoff ist anscheinend an Herzversagen gestorben und das, obwohl er einen Herzschrittmacher hat“, sagte Dr. Feldmann sichtlich betroffen. Er führte die beiden ins Wohnzimmer, wo Joachim Eckhoff auf der Couch lag. Lüppi schätzte ihn auf Mitte vierzig. Auf seinen Beinen lag eine Wolldecke. Sie sah aus, als wenn diese zurückgeschlagen worden war. Lüppi schaute sich flüchtig im Wohnzimmer um. Gördi fragte Dr. Feldmann, ob der Herzschrittmacher ausgefallen sein könnte. Er verneinte es, das würde nicht der Fall sein. Die nächste Frage, die er stellte war, ob es nicht sein könnte, dass Herr Eckhoff nicht einfach so verstorben sei. Der Hausarzt bestätigte, dass es natürlich schon sein könnte. Er würde das aber nicht glauben, da Herr Eckhoff in der letzten Woche am Mittwoch noch bei ihm in seiner Praxis gewesen war. Es hatte keine Anzeichen dafür gegeben. Auch ein großes Blutbild hatte er erstellen lassen und das sah gut aus. Gördi wollte als nächstes erfahren was passiert, wenn jemand an Herzversagen mit einem Herzschrittmacher stirbt.

„Der Herzschrittmacher sendet schwache Ströme zum Herz, um den Rhythmus zu regulieren. Bleiben dann die Signale des Herzens aus, weil der Mensch stirbt, bemerkt dies der Schrittmacher und hört auf zu arbeiten.“

„Mmh… das heißt dann ja, es ist eigentlich nicht möglich, dass es Herrn Eckhoff so schlecht ging, er sich auf die Couch legen musste, eine Wolldecke benötigte und dann an Herzversagen gestorben ist“, resümierte Gördi. Erst zu diesem Zeitpunkt ergriff Lüppi wieder das Wort.

„Können Sie feststellen, ob er noch läuft?“

„Nicht hier und nicht zuverlässig. Das kann nur ein Kardiologe oder ihre Rechtsmedizin. Gehen Sie aber mal davon aus, er ist nicht mehr in Betrieb.“

„Sie sind sich also sicher, Herr Eckhoff müsste noch leben und kann nicht an einem Herzversagen mit vorherigem Schwächeanfall gestorben sein. Haben wir das richtig verstanden?“

„Ja, so in etwa kann man das sagen“, antwortete Dr. Feldmann.

„Wie lange hatte er schon den Schrittmacher?“

„Seit vier Jahren.“ Gördi und Lüppi sahen einander an.

„Ich rufe ihn an“, sagte Gördi. Er nahm das Telefon, was dort stand und wählte die Rufnummer von der KTU. Horst Vollmer war überrascht von einem weiteren Einsatz zu hören. Er sagte zu, sich mit Moris auf den Weg zu machen.

„Wissen Sie, wer hier alles wohnt?“, erkundigte sich Lüppi.

„Nur die beiden. Der Sohn wohnt in Heidelberg und studiert dort.“

„Sonst gibt es keine Familienmitglieder?“

„Die Eltern von ihm leben hier Essen. Die kenne ich aber nicht.“ Eine Dreiviertelstunde später trafen Horst und Moris ein. Dr. Feldmann war inzwischen zu seiner Praxis zurückgekehrt. Wieder fingen die beiden an, Fingerabdrücke zu nehmen und Spuren zu sichern, um herauszufinden, ob in den letzten Stunden eine weitere Person im Haus gewesen war. Währenddessen sahen Gördi und Lüppi nach der Ehefrau. Sie lag im Schlafzimmer, hatte der Arzt gesagt. Die Tür war nur leicht angelehnt. Lüppi schaute durch den Türspalt und sah, Marion Eckhoff war wach, Sie hatte die Augen offen. Er klopfte höflich an und sagte: „Frau Eckhoff, wir sind von der Polizei. Wir würden gerne einmal mit Ihnen sprechen.“ Es kam keine Reaktion aus dem Schlafzimmer. Er sah erneut durch den Türspalt. Marion Eckhoff hatte die Augen geschlossen. Nachdem er erneut an der Tür geklopft hatte, öffnete sich diese weiter und auch Gördi konnte ins Schlafzimmer sehen. Sie öffnete die Augen und sah beide verschlafen an.

„Ich habe geschlafen, haben Sie etwas gesagt?“

„Wir sind von der Polizei. Herr Dr. Feldmann hat uns verständigt“, sagte Lüppi und sie richtete sich dabei im Bett auf.

„Ja, das ist wohl normal, dass Sie zu einem Toten gerufen werden.“ Beide waren über ihre Äußerung etwas verwundert und sahen einander kurz an.

„Fühlen Sie sich denn in der Lage, uns ein paar Fragen zu beantworten?“, erkundigte sich Lüppi mit leiser Stimme. Sie sah beide an und schluchzte leicht. Lüppi stutzte innerlich, ließ sich aber nichts anmerken. Auch Gördi bemerkte sofort, diese Reaktion war anders als die von Andrea Metzer viele Wochen vorher. (Kommissar Lüppi – Band 1)

„Können wir Ihnen irgendwie behilflich sein?“, erkundigte sich Lüppi weiter mit freundlicher Stimme.

„Ach, nein… es muss ja irgendwie weitergehen.“

„Frau Eckhoff, Sie sind wirklich sehr tapfer“, entgegnete Gördi. Sie schlug das Oberbett beiseite und stand vom Bett auf. Gördi sah an dem Tag das zweite Mal eine Frau in Dessous. Beide schauten sich Marion Eckhoff an, was sie natürlich bemerkte. Lüppi tat dieses nur, weil er ihre Reaktion sehen wollte. Während Gördi sich dabei nichts dachte, fing sie nur ganz kurz an zu strahlen. Dann bemerkte sie, wie unpassend dies von ihr war und setzte wieder ein trauriges Gesicht auf. Das bemerkte nun auch Gördi.

„Wir warten unten auf Sie, Frau Eckhoff“, sagte Lüppi und wendete sich ab. Beide verließen das obere Stockwerk. Es vergingen zehn Minuten und sie kam die Treppe herunter. Sie sah als erstes ins Wohnzimmer, wo noch immer ihr Mann auf der Couch lag, schluchzte kurz und fragte, ob alle sechs eine Tasse Kaffee haben wollten. Gördi sagte als erstes ja und so bekamen alle eine. In der Küche am Esstisch sitzend, fing Lüppi mit der ersten Frage an. Gördi hielt seine Hand auf und Lüppi gab ihm den neuen karierten Block und den Bleistift.

„Frau Eckhoff, wann und wo sind Sie geboren?“

„Am 3. Juli 1948 in Werden.“

„Wann ist Ihr Mann geboren?“

„Am 12. April 1952, er stammt aber aus Gelsenkirchen.“

„Und wie lange sind sie verheiratet?“

„23 Jahre.“

„Dann hat ihr Mann Sie mit 20 geheiratet?“, fragte Gördi erstaunt nach.

„Ja, er war meine Jungendliebe.“

„Sie haben einen Sohn, ist das richtig?“

„Ja, er ist 23 und studiert in Heidelberg Medizin. Ein ganz toller Junge und er möchte auch so ein toller Arzt werden wie mein Vater und mein Bruder.“

„Wie haben Sie denn mit Mädchennamen geheißen?“, fragte Lüppi.

„Loserd.“

„Dann ist Hans-Peter Loserd aus Kleve Ihr Bruder?“ (Kommissar Lüppi – Band 2)

„Ja, kennen Sie ihn?“

„Flüchtig, wir hatten schon mal bei einem Fall miteinander zu tun“, antwortete Lüppi.

„Ich habe da auch eine Frage“, sagte Gördi. „Haben Sie beide geheiratet, weil Sie schwanger waren?“

„Nicht was Sie denken, wir hätten auch so geheiratet.“

„Was ist Ihr Mann von Beruf?“, fragte Gördi.

„Er ist in der Versicherungsbranche tätig, ich meinte war.“ Horst kam in die Küche. Alle drei schauten zu ihm.

„Wir lassen Herrn Eckhoff dann abholen?“, fragte er.

„Ist in Ordnung“, erwiderte Lüppi und sah gespannt zu Frau Eckhoff. Bei ihr kam keine Gefühlsregung. Horst ging wieder.

„Wann sind Sie vom Einkaufen zurückgekommen?“, fragte Lüppi.

„Um halb elf.“

„Wie ging es Ihrem Mann da?“

„Schlecht, er sah sehr blass aus. Ich habe ihm gesagt, er solle sich etwas hinlegen.“

„Das hat er dann auch sofort getan?“

„Ja, natürlich. Ich habe ihm noch die Decke geholt und habe unseren Hausarzt angerufen.“

„Warum nicht Ihren Vater?“

„Der ist Professor in Bochum. Für normale Sachen haben wir immer Dr. Feldmann verständigt.“

„Normale Sachen?“, fragte Lüppi nach.

„Ja, das konnte ja keiner wissen, dass es so ernst sein würde.“ Marion Eckhoff sah wie Moris und Horst Fotos von den Räumen machten. Sie fragte Lüppi, was die da tun würden.

„Haben Sie ein Problem mit den Fotos?“, fragte er zurück.

„Muss das sein?“, stellte sie die Gegenfrage.

„Muss nicht, wenn Sie es nicht erlauben.“

„Dann wäre es mir lieber, Ihre Kollegen unterlassen das.“ Gördi stand auf und ging zu den beiden und bat keine weiteren Fotos zu machen. Kurze Zeit später packten sie ihre Sachen zusammen und verabschieden sich. Die beiden Streifenpolizisten waren noch da.

„Wo waren Sie Einkaufen?“

„Hier unten ‚Am Schwarzen‘.“

„Sie sind dort hingelaufen?“

„Nein, wo denken Sie hin? Ich bin natürlich gefahren.“ Lüppi stellte weiter seine Fragen, die Marion Eckhoff alle beantwortete. Gördi wunderte sich über all die Fragen, die sein Vorgesetzter und Freund so stellte. Er konnte sich nicht daran erinnern, einmal zuvor solche Fragen an eine Witwe gehört zu haben. Er ahnte aber, was er damit bezweckte. Es war eine halbe Stunde vergangen als es an der Tür schellte. Einer der beiden Polizisten öffnete die Haustür.

„Einen schönen guten Tag. Wir sind vom Bestattungsunternehmen Lechmann, bitte nicht verwechseln mit Leichnam“, kam auch nun wieder der Standardspruch von den zwei dunkel gekleideten Männern. Zwanzig Minuten später wurde Joachim Eckhoff abtransportiert. Auch Lüppi, Gördi und die beiden Streifenpolizisten verabschiedeten sich von der Witwe. Im Vorbeigehen sah Lüppi zuerst in den Renault hinein und anschließend in den 5er BMW. Als beide im Mercedes saßen, meinte Gördi.

„Du glaubst Frau Eckhoff kein Wort?“

„Zumindest hat sie uns etwas vorgespielt. Da ist einiges nicht echt.“

„Was hast du dir in den beiden Autos angesehen?“

„Der Sitz im Renault ist für eine kleine Person eingestellt und der BMW für eine größere. Was schätz du, wie groß ist Marion Eckhoff?“

„Ungefähr 1,65 m“, antwortete Gördi. „Jetzt möchtest du bestimmt wissen, wie groß wohl Herr Eckhoff war? Ich würde schätzen, ungefähr so groß wie wir zwei, also 1,82 m oder so.“

„Würde ich auch sagen.“

Montag, 16.05 UhrPolizeipräsidium Essen

Lüppi und Gördi waren zurück im Büro. Gördi nahm erst einmal seine Heike in den Arm. Die beiden Frauen hatten inzwischen Neuigkeiten zu ihrem Fall. Sie hatten alle in Frage kommenden Firmen abtelefoniert, die Ölgemälde rahmten. Heike hatte die einzige Firma gefunden, die noch verschnörkelte Rahmen im Angebot hatte.

„Sind das die Rahmen, die aussehen wie vor 100 Jahren?“, fragte Gördi seine Heike.

„Ja, mein Gerhard. Das ist heute sehr selten und das hat folgenden Grund. Normale Rahmen werden auf Gehrung geschnitten und verleimt oder sonst irgendwie miteinander verbunden. Die alten Rahmen von früher, zum Beispiel die mit Blattgoldauflage, haben keinen sichtbaren Gehrungsschnitt und sind zumeist auch an den Ecken reich verziert. Diese Rahmen wirken wie aus einem Guss. Also ein großer Aufwand“, sagte Heike.

„Und ist das Ölgemälde bei ihm?“, fragte Lüppi.

„Nein, aber es war bei ihm und zwar bis vor zwei Wochen. Er hat Frau Maxfield angerufen. Zwei Tage später hat er ihr das Gemälde gebracht und selbst wieder an die Wand gehängt.“

„Also doch gestohlen“, sagte Petra und grinste. Alle drei sahen, sie hatte Spaß, dass sie Recht gehabt hatte.

„Und, was war bei euch?“, fragte Heike, um von dem Thema abzulenken. Gördi erzählte daraufhin, was los war und was Lüppi beim Verlassen von Frau Eckhoff in den beiden Autos gesehen hatte. Heike und Petra fanden, dass sie das sehr verdächtig machte.

„Sagt mal, wo ist Peter eigentlich?“, fragte Petra.

„Der müsste in der Registratur sein“, antwortete Lüppi und berichtete weiter davon, was Herr Bäumler von allen Kriminalinspektionen haben wollte.

„Wie geht es denn jetzt weiter mit Frau Lieselotte Maxfield?“, wollte Petra wissen und sah Lüppi an.

„Das ist jetzt offiziell ein Fall, den ihr zwei zusammen bearbeiten könnt. Einverstanden, Heike?“, fragte Lüppi. Sie sagte ja. Kurze Zeit später machten alle vier Feierabend. Peter war noch nicht wieder zurück.

Montag, 17.38 UhrEssen Frohnhausen

Torti und Lüppi kamen gleichzeitig Zuhause an. Er nahm seine Ehefrau vor der Haustür in den Arm und drückte sie erst einmal fest. Oben in der Wohnung kochte sie zuerst einmal Kaffee für beide. Mit einer Rosinenschnecke für Lüppi und einem Puddingteilchen für sich, saßen beide gemütlich auf der Couch. Er begann mit seinem Tagesbericht an der Stelle, wo er mit Petra gleichzeitig am Präsidium angekommen war. Torti hörte, wie immer, aufmerksam zu. Er erzählte, auch wie immer, der Reihe nach und war bei Frau Eckhoff angekommen, die mit offenen Augen im Bett gelegen hatte, als Torti ihn unterbrach.

„Soso, mein Ehemann schaut fremden Frauen ins Schlafzimmer. Ich weiß ja jetzt nicht, was ich dazu sagen soll?“, stellte sie im Scherz die Frage und lächelte ihn an. Er hingegen wusste im ersten Augenblick gar nicht, was er sagen sollte. Dafür schellte das Telefon. Torti nahm den Hörer ab und meldete sich. Lüppi hörte, es war Petra. Nach wenigen Sätzen kam die erste Reaktion von ihr.

„Der hat was gemacht?“, entfuhr es Torti plötzlich. Er wurde hellhörig. Nach ein paar Augenblicken sagte sie zu Petra, sie solle das mal ihrem Vater erzählen.

„Hier“, sagte sie und hielt Lüppi den Hörer hin. „Agon Hamit ist bei Petra aufgetaucht.“ (Kommissar Lüppi – Band 2) Lüppi machte große Augen und ließ sich von Petra erzählen, was vorgefallen war. Als sie zu Ende war, fragte er: „Sollen wir kommen? Kann ich etwas für dich tun?“

„Nein, musst du nicht. Ich wollte es euch nur erzählen. Ich habe die Kollegen hier in Herne verständigt. Die haben versprochen, hier öfters bei mir vorbeizufahren“, sagte Petra

„Mmh… das gefällt mir aber gar nicht, dass du da jetzt alleine bist.“

„Der kommt bestimmt so schnell nicht mehr wieder.“ Nach einigen Minuten beendeten sie das Gespräch. Torti fragte Lüppi, ob er das mal den beiden nebenan erzählen wolle. Er antwortete, er würde sie nicht stören wollen. Auch wenn Lüppi versuchte von den beiden Fällen vom Tag weiter zu erzählen, kamen sie immer wieder auf Petra und Agon zu sprechen. Der restliche Abend hatte nach unzähligen Versuchen nur das eine Gesprächsthema.

2

4. Juli 1995, Dienstag,7.30 UhrEssen Frohnhausen

Lüppi und Torti verabschiedeten sich mit einem Kuss voneinander und er stieg ins Auto. Heike und Gördi kamen aus der Haustür und grüßten beide. Auch sie stiegen ins Auto. Wie meistens in das von Gördi, den Ford Sierra. Alle drei fuhren die Kölner Straße hinunter. Bevor Torti zur Straßenbahnhaltestelle der Linie 109 ging, winkte sie den dreien noch hinterher. Die zwei Fahrzeuge kamen hintereinander am Präsidium an. Dort trafen sie auf Petra, die auch gerade angekommen war. Lüppi und die beiden stiegen aus ihren Autos, wobei Heike die zerkratzte Beifahrerseite an dem alten VW Polo von Petra auffiel. Sie sprach sie darauf an.

„Das muss heute Nacht passiert sein. Wahrscheinlich war das Agon, nachdem er bei den Herner Kollegen wieder gehen durfte“, antwortete sie.

„Sprichst du jetzt von Agon Hamit?“, fragte Heike überrascht nach.

„Ja, der war gestern bei mir vor der Tür und wollte das ich herausfinde, wo seine ‚Schnalle‘ wohnt. Ich habe ihm gesagt, dass ich das nicht dürfe und er solle gehen.“

„Hat er aber nicht“, prophezeite Gördi.

„Nö.“

„Hat er mit ‚Schnalle‘ etwa Dirk´s Kerstin gemeint?“, fragte Heike.

„Genau. Er hat mir gedroht und zu mir gesagt, wenn ich das nicht tun würde, würde ich das in kurzer Zeit bereuen. Er hätte eine große Familie und so weiter. Das übliche halt.“

„Ach, du dickes Ei“, sagte Heike und Gördi schüttelte verständnislos seinen Kopf. Während alle vier auf dem Weg ins Präsidium waren, fiel Heike auf, dass Lüppi nichts dazu gesagt und auch nicht reagiert hatte.

„Du sagts nichts dazu“, sagte zu ihm. „Weißt du das schon?“

„Ja, Petra hat uns am Abend angerufen, als die Kollegen Agon mitgenommen haben.“

„Wieso weißt du davon und wir nicht?“, fragte Heike nach.

„Ich wollte euch nicht stören“, antwortete Lüppi.

„Und ich habe euch nicht angerufen, weil ich dachte, die beiden tun das“, sagte Petra. Oben im Büro angekommen wollte Gördi wissen.

„Wie hast du es denn geschafft, die Kollegen zu verständigen ohne das Agon abgehauen ist?“

„Ich habe ihm gesagt, ich würde einen Kollegen auf der Wache anrufen. Habe ich ja auch getan.“

„Wo war Agon als du telefoniert hast?“

„Vor der Wohnungstür, aber die war zu.“

„Was hat Agon gesagt, als du wieder zu ihm kamst?“

„Er wollte wissen, ob ich die Adresse hätte. Ich habe ihm geantwortet, der Kollege müsste erst nachsehen. Er oder jemand anderes würden sich gleich melden. Haben sie ja auch. Sie sind sogar vorbeigekommen“, sagte Petra, lächelte und ergänzte noch. „Fand ich sehr lieb von den Kollegen und sie haben Agon sogar netterweise in ihr Auto gebeten. Fand ich ganz toll.“

„Das hat er dann eventuell im Anschluss anders gesehen“, meinte Lüppi.

„Der kommt bestimmt wieder“, vermutete Gördi und Peter betrat das Büro. Lüppi sah auf seine Uhr.

„Heute etwas später?“, fragte Lüppi in seine Richtung.

„Dafür war ich gestern noch lange hier.“

„Wie weit bist du?“

„Noch am Anfang“, antwortete Peter, setzte sich an seinen Schreibtisch, sah zu den vieren und fragte: „Und was macht ihr so?“

„Wir haben zwei Fälle“, war die knappe Antwort.

„Oh, dann braucht ihr mich jetzt…“, fing Peter den Satz an, den Lüppi vollendete. „Aber in der Registratur und da gehst du jetzt auch wieder hin.“ Peter verzog sein Gesicht, stand auf, nahm einen Schreibblock und ging wieder. Lüppi nahm das Telefon und rief bei der Rechtsmedizin an.

„Rechtsmedizin, Sie sprechen mit Frau Dr. Schneider.“

„Guten Morgen, Stefanie.“

„Hallo Lüppi, du schon am Apparat? Du fragst jetzt aber nicht nach den beiden Toten, oder?“

„Mmh… meinst du, es würde Sinn machen, schon nachzufragen?“

„Nein, würde es nicht. Du würdest mich damit höchstens ärgern.“

„Na, gut. Du meldest dich, wenn du mit einer der beiden fertig bist?“

„Tue ich das nicht immer?“, kam die Gegenfrage. „Und das wird dann Frau Maxfield sein.“

„In Ordnung, dann einen schönen Tag“, sagte Lüppi und legte den Hörer wieder auf die Telefongabel. Petra fragte ihre Kollegin, ob sie noch einmal zum Haus der Toten fahren sollten und anschließend zu der Firma, die das Gemälde gerahmt hatte. Heike bestätigte, dass sie das tun sollten. Petra rief bei der Tochter an, es schellte sehr lange, wirklich sehr lange bis sie am Apparat war und Petra sie bat noch einmal zum Haus ihrer Mutter zu kommen. Sie sagte zu, umgehend loszufahren. Sie nahm den karierten Block und notierte das Telefonat. Kurze Zeit später gingen beide. Mit dem verkratzten Polo fuhren sie nach Heisingen. Als die beiden fort waren, fragte Gördi, was sie nun tun sollten.

„Das kann ich dir sagen. Wir erkundigen uns jetzt, was wir über die Familie Loserd und den verstorbenen Joachim Eckhoff herausfinden können.“

„Na gut, dann kümmere ich mich um Familie Loserd“, sagte Gördi.

„Und ich rufe mal meine alte Schulfreundin beim Finanzamt an. Die kann mir bestimmt sagen, ob er Einkommensteuer gezahlt hat oder ob für ihn Lohnsteuer gezahlt worden ist und wenn ja, auch von wem.“

„Ach, du möchtest die Witwe, Marion Eckhoff, nicht fragen, damit sie nicht irgendetwas hinter unserem Rücken drehen kann.“

„Genau“, antwortete Lüppi und nahm den Telefonhörer in die Hand.

Dienstag, 8.55 Uhr Essen Heisingen

Durch den dichten Berufsverkehr war es kurz vor neun Uhr geworden bis Petra ihren Wagen vor dem Haus in der Straße Dickebank, anhielt. Beide schellten an. Aber keiner öffnete. Die Tochter, Ursula Issinger, schien noch nicht dazu sein. Beide setzten sich wieder ins Auto und warteten. Es verging eine halbe Stunde, aber von der Tochter war noch nichts zu sehen. Von einem Fenster aus dem Nachbarhaus beobachtete eine ältere Dame die beiden. Heike sah sie und ging zu ihr. Die ältere Dame wollte wissen, wer sie wäre und Heike zeigte ihr den Dienstausweis.

„Sie sind von der Kriminalpolizei?“, fragte sie erstaunt.

„Ja und wie heißen Sie bitte?“

„Matilde Palkowski.“

„Sie kannten Lieselotte Maxfield gut?“

„Ja, natürlich. Wir wohnen ja schon seit über vierzig Jahren nebeneinander. Ich kann das noch gar nicht glauben, dass sie tot sein soll“, sagte Frau Palkowski. Petra war auch ausgestiegen und kam an das Fenster.

„Wir warten auf die Tochter. Können sie uns etwas über ihre Nachbarin erzählen?“, fragte Heike.

„Könnte ich, erzählen Sie mir danach auch, wie sie gestorben ist?“

„Das dürfen Sie aber nicht weitererzählen“, sagte Heike und vermutete, es würde doch passieren.

„Aber natürlich nicht. Ich bin doch kein Klatschweib“, sagte sie und schaute sich nach links und rechts um.

„Der Mann von Lieselotte ist ja Anfang letzten Jahres verstorben. Das hat sie nur sehr schwer verkraftet. Sie müssen wissen, die beiden waren ein Arsch und eine Seele. In den Monaten danach war ich jeden Tag für sie da. Das hat ihr gutgetan. Sie hat mir in der Zeit viel von sich, ihrem Mann und Ursula erzählt. Einiges wusste ich ja schon, aber es war auch was Neues dabei. Mein Gott.“

„Und was war neu für Sie?“

„Die Ursula ist gar nicht die Tochter.“

„Bitte, wie meinen Sie das?“

„Na, die ist adoptiert. Das war ein Findelkind. Und was sie dann alles über sie erzählt hat, was man selbst hier nebenan nicht mitbekommen hat. Das wäre etwas für Hollywood.“

„Ach, du liebe Güte“, sagte Heike.

„Erzählen Sie doch mal bitte. Vielleicht kann uns das ja weiterhelfen“, bat Petra.

„Wie ist Lieselotte denn gestorben?“

„Sie hat tot in der Küche gelegen. Im Augenblick wird sie in der Rechtsmedizin untersucht“, sagte Heike.

„In der Rechtsmedizin ist sie? Dann war das wohl Mord“, sagte Frau Palkowski.

„Das steht noch nicht fest.“

„Also bei der Fernsehsendung Dr. Quincy ist das aber immer so gewesen. Sie müssen wissen, ich habe nie eine Folge verpasst.“

„Was war denn so mit der Tochter?“

„Die hat ihre armen Eltern beklaut. Sie hat einfach das Geld aus der Geldbörse genommen und Lieselotte hat dann im Laden gestanden und konnte nicht bezahlen. Mein Gott muss das peinlich gewesen sein. Stellen Sie sich das mal vor.“

„Hat sie denn kein Taschengeld bekommen?“

„Doch reichlich sogar. Das hat sie aber wohl nach kurzer Zeit ausgegeben gehabt. Sie hat ein sehr loses Händchen für solche Dinge.“

„Das ist auf Dauer nicht gut.“

„Das will ich meinen. Sie muss zu ihren Eltern auch sehr böse gewesen sein. Lieselotte ist wohl auch von ihr geschlagen worden. Das kann man sich gar nicht vorstellen. Da sind die beiden so lieb und geben dem Kind ein schönes behütetes Zuhause und dann wird ihnen das so gedankt. Ich weiß nicht, was mein Heiner, Gott hab ihn selig, mit ihr gemacht hätte, wäre sie unsere Tochter gewesen. Sie hätte von ihm wahrscheinlich richtig einen auf den Podex bekommen. Aber das ist ja heut zu Tage verboten, hat uns aber früher auch nicht geschadet.“

„Kennen Sie die Bilder im Wohnzimmer?“, fragte Petra.

„Ach, Sie meinen die von Venedig, Hallstättersee und Königssee. Ja, die kenne ich natürlich. Das Große muss ja richtig was wert sein. Aber das wird Ursula dann jetzt bestimmt schnell zu Geld machen und auf den Kopf hauen.“

„Was wissen Sie über das große Gemälde mit dem Königssee?“

„Das hat Lieselotte vor fünfzehn Jahren von ihrer Tante Johanna geerbt. Sie hat sich darüber richtig gefreut. Sie und ihr Mann haben nämlich vor fünfundvierzig Jahren dort die Hochzeitsreise hingemacht. Später haben sie noch die anderen beiden dazu gekauft.“

„Hat das einen bestimmten Grund gehabt?“

„Ja, sie und ihr Mann waren auch in Venedig und am Hallstättersee. Da hat es ihnen so gut gefallen, dass sie die beiden Bilder dazu gekauft haben.“

„Warum ist das vom Königssee neugerahmt worden?“

„Das weiß ich nicht so genau. Ich vermute aber, das hat was mit Ursula zu tun gehabt.“

„Was vermuten Sie denn?“, fragte Heike.

„Als Lieselotte das Bild geerbt hat, war da ein schlichter Zeitloser Rahmen drum. Sie haben es dann neu einrahmen lassen. Also vor fünfzehn Jahren, meine ich. Dann vor ein paar Wochen war auf einmal der Rahmen beschädigt. Lieselotte wollte mir aber nicht sagen, was passiert ist. Da wusste ich sofort, das kann doch nur mit Ursula zu tun haben. Oder, wie sehen Sie das?“

„Kann man nicht ausschließen. Übrigens, das Bild ist verschwunden.“

„Bitte? Das teure Bild ist weg?“, fragte Frau Palkowski endrüstet. „Dann ist der Fall klar.“

„Was glauben Sie ist klar?“

„Das gleiche wie Sie. Ursula hat das wertvolle Bild haben wollen. Es ist zum Streit gekommen und sie hat die arme Lieselotte ermordet. Jetzt müssen Sie nur noch die Wohnung von ihr und ihrem Mann durchsuchen und Sie haben den Fall gelöst. Ihr Staatsanwalt wird stolz auf Sie sein. Glauben Sie mir.“

„Wir haben gehört, es war vom Neurahmen zurück, stimmt das?“

„Ja, das stimmt. Der nette Mann hat es vorbeigebracht und wieder hingehängt. Wir haben dann zu dritt noch Kaffee getrunken. Der Erdbeerkuchen von Lieselotte hat ihm so gut geschmeckt. Ein ganz feiner Mann. Den würde ich nicht von der Bettkante schupsen.“

„Aber Frau Palkowski“, sagte Heike künstlich entrüstet.

„Ach, sagen Sie doch Matilde zu mir.“

„Gut, ich bin Heike und meine Kollegin ist die Petra.“

„Hallo, Petra. Wann will Ursula denn hierherkommen?“

„Sie wollte sofort losfahren. Eigentlich müsste sie schon längst da sein.“

„Ursula, sofort losfahren? Das ich nicht lache. Die doch nicht. Also, um euch mal aufzuklären, wenn sie sagt sofort, meint sie in den nächsten zwei bis drei Stunden. Da werdet ihr noch warten müssen.“

„Matilde“, sprach Heike sie an. „Hast du denn nicht auch einen Schlüssel von dem Haus?“

„Ja, stimmt, da hast du recht. Ich geh den mal holen. Dann kann ich euch bei den Ermittlungen helfen.“

„Wir haben aber keinen Durchsuchungsbeschluss“, mahnte Petra.

„Da mach dir mal keine Gedanken Mädchen, Lieselotte hat mir den Schlüssel mit den Worten gegeben ‚Der ist für dich und du kannst jeder Zeit in mein Haus‘. Also alles geregelt. Wir dürfen dort hinein.“

„Darf ich mal dein Telefon benutzen?“, fragte Petra.

„Aber natürlich. Komm rein, Mädchen“, antwortete Matilde. Sie öffnete die Haustür und Petra schaute in den karierten Block nach der Telefonnummer von Ursula Issinger. Sie wählte die Rufnummer aus Essen Kettwig.

„Issinger“, war zu hören.

„Kriminalkommissarin Petra Wilkerling. Frau Issinger, wir warten hier auf Sie. Was verstehen Sie denn unter sofort losfahren, sagen Sie mal?“

„Ich komm doch gleich. Mein Gott, haben Sie es eilig. Es geht Ihnen doch nichts im Haus laufen.“

„Wann genau sind Sie hier?“, fragte Petra und sah dabei auf ihre Uhr.

„Sofort.“

„Wann ist sofort?“

„Ja, mein Gott, in einer Stunde oder so.“

„Eine Stunde? Das ist jetzt nicht Ihr Ernst“, antwortete Petra und machte eine kurze Pause. „Entschuldigen Sie bitte, wenn ich das sage, aber wir müssen bei Ihrem Verhalten jetzt von ‚Behinderung polizeilicher Ermittlungen‘ ausgehen. Wir vermuten bei dem Tod Ihrer Mutter eine Straftat, da das Ölgemälde vom Königssee vom Neurahmen zurück gewesen ist.“

„Ach, haben Sie herausgefunden, wo das Bild gewesen ist?“ Matilde kam zu Petra und hielt einen Schlüssel am Ring in die Luft. Petra sah den Schlüssel.

„Aber natürlich haben wir das, wir sind die Kriminalpolizei“, antwortete Petra und verwendete dabei einen Satz von Lüppi.

„Ich kann aber trotzdem nicht schneller da sein.“

„Dann bleibt uns jetzt nichts anderes übrig, als Sie davon in Kenntnis zu setzen, dass wir mit dem Zweitschlüssel das Haus ihrer Mutter betreten werden. Frau Matilde Palkowski hat die Erlaubnis von Ihrer Mutter dafür.“

„Ja, muss das jetzt sein?“

„Ja, muss“, sagte sie, wartete kurz und beendet das Gespräch mit. „Auf Wiederhören, Frau Issinger.“ Dann hing Petra ein. Heike war über Petras Vorgehen überrascht. Sie meinte nur, das hätte jetzt auch von Lüppi kommen können.

„Sollen wir dann? Ich habe den Schlüssel“, sagte Matilde.

„Ja, dann los“, sagte Heike.

Dienstag, 10.05 UhrPolizeipräsidium Essen

Beide saßen noch immer an ihren Schreibtischen. Lüppi hatte mit seiner Schulfreundin beim Finanzamt gesprochen. Dort hatte er erfahren, dass der Arbeitgeber von Joachim Eckhoff für ihn Lohnsteuer gezahlt hatte. Auch den Namen der Firma des Arbeitgebers hatte er erfahren und inzwischen mit dem Chef telefoniert. Der hatte ihn um ein persönliches Gespräch gebeten, nachdem er von dem Tod seines Mitarbeiters gehört hatte. Gördi hingegen hatte sich die Akte des letzten Falls geholt und war mit Hans-Peter Loserd in Kontakt getreten. Von ihm hatte er einiges von dessen Schwester, Marion Eckhoff, erfahren. Gördi legte den Hörer auf als beide mit dem Gespräch fertig waren und sah zu Lüppi hinüber.

„Erzähl“, sagte Lüppi kurz als er seine Blicke sah.

„Der Herr Loserd hat kein gutes Haar an seiner Schwester gelassen. Laut seiner Aussage muss es immer nach ihrem Kopf gehen und wenn das nicht der Fall ist, wird sie gefährlich. Sie manipuliert und unternimmt einiges, damit sie ihren Willen bekommt“, berichtete Gördi.

„Hat er was zu seinem Schwager oder dem Herzschrittmacher gesagt?“

„Ja, hat er. Er sagte, er würde gar nicht verstehen, warum Joachim so lange mit ihr verheiratet gewesen ist und zu dem Herzschrittmacher meinte er noch, da würde seiner Meinung nach etwas nicht stimmen. Auch wenn er kein Kardiologe ist, wüsste er aber, ein Schrittmacher fällt nicht einfach so aus, zumindest nicht, solange die Batterie nicht leer ist.“

„Wie lange hält denn so eine Batterie?“

„Je nach Einsatz zwischen sechs bis zehn Jahren und ich rufe jetzt bei Stefanie an und frage sie, ob sie uns sagen kann, wie lange der Schrittmacher noch gelaufen wäre.“

„Gut, dann lass uns danach zu dem Arbeitgeber von Herrn Eckhoff fahren“, sagte Lüppi und Gördi wählte die Rufnummer von Stefanie.

„Rechtsmedizin, Sie sprechen mit Frau Dr. Schneider.“

„Gerhard, hallo Stefanie.“

„Hallo Gerhard, ich bin mit dem Obduktionsbericht von Joachim Eckhoff noch nicht fertig.“

„Noch nicht fertig?“, fragte er verwundert. „Ich hätte gar nicht gedacht, dass du überhaupt schon angefangen hast.“

„Habe ich auch nicht wirklich, aber eine grobe Leichenschau habe ich schon durchgeführt. Weswegen rufst du denn an?“

„Kannst du uns sagen, ob die Batterie des Herzschrittmachers noch Strom hat?“

„Ja, kann ich, aber nicht sofort. Ich rufe nachher zurück.“ Gördi sagte ihr, sie solle eine Nachricht bei den Kollegen hinterlassen. Kurze Zeit später verließen die beiden das Präsidium.

Dienstag, 10.40 Uhr Essen Heisingen

Alle drei Frauen waren seit geraumer Zeit im Haus der Verstorbenen. Matilde war kurz nach dem Betreten des Hauses eingefallen, das der ‚nette Mann‘, der das Gemälde vom Neurahmen zurückgebracht hatte, Lieselotte die Rechnung gegeben hatte. Dabei hatte er ihr noch gesagt, dass er einen Hinweis auf die Rechnung geschrieben hätte. Sie vermutete, dass es etwas Wichtiges gewesen war. Matilde hatte anschließend den Vorschlag gemacht, in allen Schränken und Schubladen nach der Rechnung zu suchen. Womit Heike und Petra nicht einverstanden waren. Matilde hingegen hatte aber gemeint, dass sie ja keinen Durchsuchungsbeschluss brauchen würde, sie wäre ja nicht bei der Polizei. Heike und Petra schauten sich anderweitig im Haus um. Matilde öffnete während dessen ganz vorsichtig alle Schränke und Schubladen. Die besagte Rechnung fand sie nicht, dafür aber ein Gutachten von dem Gemälde. Aus dem ging der Maler, sowie die Größe und der Zustand des Kunstwerks hervor. Das Gutachten war 20 Jahre alt. Der Wert war mit zwölftausend DM angegeben.

„Mädels, ich habe da was gefunden“, rief sie. Heike und Petra kamen ins Wohnzimmer, wo sie eine der unteren Schubladen herausgezogen hatte. Sie hielt beiden das Schriftstück hin.

„Franz Haidinger? Kenn ich nicht, habe ich noch nie gehört. Aber zwölftausend DM ist ja schon eine Nummer“, sagte Heike. Auch Petra konnte mit dem Maler nichts anfangen, zumal sie mit Gemälde-Kunst noch nie in Berührung gekommen war. Außer die Namen der bekanntesten Künstler, wusste sie nichts zu dem Thema.

„Das Gutachten ist aus Düsseldorf“, stellte sie fest.

„Dann sollten wir dort mal anrufen und nachfragen, ob sich noch jemand an das Bild erinnern kann“, meinte Heike.

„Jetzt bin ich gespannt ob der ‚nette Mann‘ etwas zu dem Gemälde sagen kann“, sagte Petra.

„Du meinst wegen des Gutachtens?“ Petra nickte und Heike meinte, sie sollten es erst einmal mitnehmen.

Dienstag, 10.55 UhrEssen Südviertel

Beide waren in der Rolandstraße angekommen, wo sich die Büros der Versicherungsmaklerfirma befanden. Lüppi hatte direkt vor dem Bürogebäude geparkt und beide waren in den Räumen angekommen, welche sich im ersten Obergeschoß befanden. Dort wurden sie von einer Mitarbeiterin empfangen, die sie bat, einen Augenblick auf den Stühlen im Gang Platz zu nehmen. Lüppi war der verlaufene Lidschatten bei ihr aufgefallen. Drei Minuten später kam ein Mann, Mitte Vierzig, auf beide zu und sprach sie an. Er stellte sich als Harald Frisse vor und fragte Lüppi, ob er derjenige wäre, mit dem er schon telefoniert hätte. Lüppi bestätigte es und sie gingen in sein recht großes Büro. Herr Frisse wollte nun genau erfahren, wie sein Mitarbeiter verstorben war. Lüppi erzählte, soweit wie sie es selbst wussten.

„Seit wann hat Herr Eckhoff hier für Sie gearbeitet?“, fragte Gördi.

„Von Anfang an“, antwortete er. „Also seit über zehn Jahren. Wir haben zusammen die Ausbildung zum Versicherungskaufmann gemacht und er ist sofort hier mit hingekommen als ich mich selbstständig gemacht habe. Äh… eigentlich wollten wir uns gemeinsam selbstständig machen, aber er durfte ja nicht.“

„Was bitte heißt, er durfte nicht?“, wollte Gördi wissen.

„Marion, seine Frau, war dagegen.“

„Des Geldes wegen?“, fragte Lüppi nach.

„Nein, das hatte er von seinen Großeltern“, sagte Herr Frisse und machte einen nachdenklichen Eindruck auf die beiden.

„Was überlegen Sie?“, erkundigte sich Lüppi.

„Ob ich Ihnen das sagen soll.“

„Was denn?“

„Ja, warum eigentlich nicht. Denn mein Freund und stiller Teilhaber ist ja nun tot.“ Lüppi und Gördi staunten über die Aussage.

„Joachims Frau ist absolut krank im Kopf. Eine Besitzergreifendere Frau als sie habe ich in meinem Leben noch nicht kennengelernt. Soll ich Ihnen sagen, warum sie dagegen war?“

„Sehr gerne.“

„Weil er dann selbstständig gewesen wäre und sie ihn dann nicht mehr so gut hätte gängeln können. So konnte sie ihm aber immer vorhalten, dass er nur ein Angestellter war und er sich glücklich schätzen könnte, dass sie ihn bei sich in ihrer Familie aufgenommen hat.“

„Och, wie schön. Da war er aber bestimmt sehr dankbar dafür.“

„Zu Anfang war das auch wirklich noch der Fall, nur in den letzten Jahren nicht mehr.“

„Wie genau müssen wir uns das vorstellen?“, fragte Gördi nach.

„Er hatte die Vorschriften und das Manipulieren von ihr satt. Liebe und Zuneigung gab es bei den beiden schon lange nicht mehr.“

„Ist das, was Sie gerade gesagt haben, das was Sie uns erzählen wollten?“, fragte Lüppi.

„Nein, das sage ich Ihnen jetzt“, sagte Herr Frisse und schaute beide nacheinander an.

„Möchten Sie einen Kaffee?“, fragte er.

„Dauert es länger?“ stellte Lüppi die Gegenfrage.

„Wenn ich ausführlich sein soll, ja.“

„Dann nehme ich ihn schwarz mit einem Löffel Zucker“, antwortete er.

„Meinen bitte mit Milch“, bat Gördi. Herr Frisse stand auf und verließ das Büro. Drei Minuten später kam er mit der Mitarbeiterin, die beide in Empfang genommen hatte, wieder zurück. Er hielt die beiden Kaffee in den Händen. Die Mitarbeiterin hatte die Tassen für Herrn Frisse und sich. Sie nahm sich einen Stuhl, der am Rand stand und setzte sich dazu.

„Ich habe mich vorhin gar nicht vorgestellt. Ich heiße Sybille Borgmeier und bin die Mitarbeiterin von Joachim.“ Auch jetzt schauten beide Kommissare leicht erstaunt.

„Jetzt sind wir aber gespannt, was Sie beide uns zu erzählen haben“, sagte Lüppi.

„Soll ich?“, fragte Frau Borgmeier in Richtung Herrn Frisse. Dieser nickte zurück.

„Joachim und ich sind ein Paar“, sagte sie. „Wir sind seit zwei Jahren liiert.“

„In Ordnung“, kam die Standardantwort von Lüppi.

„Mit Joachim und mir hat das ganze damit angefangen, als er vor drei Jahren mit einem blauen Auge hier zur Arbeit kam. Ich habe ihn natürlich gefragt, wo er das denn herhatte. Er wollte es zuerst nicht sagen. Den ganzen Tag lang nicht und am Abend wollte er nicht nach Hause. Als ich ihm dann gesagt habe, er solle es endlich erzählen, was los ist, hat er uns beiden gestanden, dass er von Marion eine gescheuert bekommen hat.“

„Weshalb?“

„Weil er mit seinem damaligen 19-jährigen Sohn geschimpft und ihm Schläge angedroht hat.“

„Dafür hat er von seiner Ehefrau ein blaues Auge bekommen?“, fragte Lüppi nach.

„Ja, hat er uns so erzählt“, sagte Frau Borgmeier und Herr Frisse nickte zustimmend.

„Was hat er im Anschluss getan?“, wollte Gördi wissen.

„Nichts. Er hat sich bei beiden entschuldigt“, antwortete Herr Frisse. Lüppi verzog kurz sein Gesicht, was alle drei sahen.

„Was hätten Sie gemacht?“, fragte sie nach.

„Das sage ich jetzt besser nicht“, kam die Antwort.

„Wahrscheinlich sich nicht entschuldigt“, spekulierte Herr Frisse.

„Erzählen Sie bitte weiter“, forderte Lüppi auf.

„Das war der erste Abend, an dem er mit zu mir gekommen ist. Die Nacht hat er nicht bei mir verbracht: Er hat sich sehr spät am Abend dann doch noch entschlossen nach Hause zu fahren. Ab diesem Zeitpunkt ist er seiner Frau aus dem Weg gegangen, indem er immer früh hier war und lange geblieben ist.“

„Was sich ganz klar auch bei unseren Abschlüssen bemerkbar gemacht hat“, ergänzte Herr Frisse.

„In Ordnung.“

„Es wurde ab diesem Zeitpunkt ganz langsam immer schlimmer und es hat auch Tage gegeben, wo er sich nicht hinter der Arbeit hier verstecken konnte“, sagte Herr Frisse. „Zum Beispiel an Wochenenden, Feiertagen und Familienfesten.“