Kommissar Platow, Band 14: Der Kerker im Kettenhofweg - Martin Olden - E-Book

Kommissar Platow, Band 14: Der Kerker im Kettenhofweg E-Book

Martin Olden

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Beschreibung

Vergewaltigung. Der Alptraum jeder Frau. Sally Daniels erlebte das Martyrium im Frühjahr 1978. Ihr Fall zog Kreise bis nach London, wo eine RAF-Terroristin in Haft war, die ich nur allzu gut kannte. Auf der Suche nach Sallys Peiniger bekam ich es mit einem unerwarteten Gegner zu tun – meinem besten Freund und Partner Mike Notto ... Alle Bände der Serie: Band 1 "Sieben Schüsse im Stadtwald", Band 2 "Das Grab am Kapellenberg", Band 3 "Endstation Hauptwache", Band 4 "Der Westend-Würger", Band 5 "Blutnacht im Brentanopark", Band 6 "Frau Wirtins letzter Gast", Band 7 "Geiselnahme in der Goethestraße", Band 8 "Der Rächer aus der Römerstadt", Band 9 "Geschändet am Frankfurter Kreuz", Band 10 "Abrechnung in Bankfurt", Band 11 "Die Sünderin vom Schaumainkai", Band 12 "Das Phantom aus dem Palmengarten", Band 13: "Zahltag auf der Zeil", Band 14 "Der Kerker im Kettenhofweg" und Band 15 "Letzte Ausfahrt Frankfurt-Süd"

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Seitenzahl: 128

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Die Kommissar Platow-Serie

Frankfurt, Mitte der 70er Jahre. Die Kriminalität boomt. Drogen. Terrorismus. Bandenkriege. Mittendrin: Kommissar Joachim „Joe“ Platow. Gemeinsam mit seinem Assistenten Mike Notto und Schutzhündin Abba kämpft er gegen das Verbrechen. Dabei wird Platow immer wieder von seinem persönlichsten Fall eingeholt – seine Ex-Verlobte Petra, die sich der RAF angeschlossen hat …

Band 14: Der Kerker im Kettenhofweg

Vergewaltigung. Der Albtraum jeder Frau. Sally Daniels erlebte das Martyrium im Frühjahr 1978.

Ihr Fall zog Kreise bis nach London, wo eine RAF-Terroristin in Haft war, die ich nur allzu gut kannte. Auf der Suche nach Sallys Peiniger bekam ich es mit einem unerwarteten Gegner zu tun – meinem besten Freund und Partner Mike Notto …

Der Autor

Martin Olden ist das Pseudonym des Journalisten und Kinderbuchautors Marc Rybicki. Er wurde 1975 in Frankfurt am Main geboren und studierte Philosophie und Amerikanistik an der Goethe-Universität. Seit mehr als zehn Jahren arbeitet Rybicki als Filmkritiker für das Feuilleton der „Frankfurter Neuen Presse“. Ebenso ist er als Werbe- und Hörbuchsprecher tätig.

Bei mainbook erscheint auch Martin Oldens Krimi-Reihe mit Kommissar Steiner: 1. Band: „Gekreuzigt“. 2. Band „Der 7. Patient“. 3.Band „Wo bist du?“. 4. Band „Böses Netz“. 5. Band „Mord am Mikro“. 6. Band „Die Rückkehr des Rippers“. 7. Band ”Vergiftetes Land”. Im Jahr 2013 veröffentlichte er zudem seinen ersten Thriller „Frankfurt Ripper“.

Weitere Titel von Marc Rybicki sind die Kinderbücher „Mach mich ganz“, „Wer hat den Wald gebaut?“, „Wo ist der Tannenbaum?“ und „Graue Pfote, Schwarze Feder“.

(Autorenwebsite: www.sonnige-sendung.de)

Copyright © 2018 mainbook Verlag, mainebook Gerd FischerAlle Rechte vorbehalteneISBN 978-3-947612-20-8

Lektorat: Gerd FischerLayout: Olaf TischerBildrechte Cover: © Olaf Tischer

Besuchen Sie uns im Internet: www.mainbook.de oderwww.mainebook.de

Martin Olden

Kommissar Platow

Band 14:Der Kerker im Kettenhofweg

Krimi-Serie aus den 70er Jahren

Alle Fälle der „Kommissar Platow“-Serie basieren aufwahren Begebenheiten und tatsächlichen Fällen.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

1

Freitag, 17. März 1978

Im Keller der Villa tobte eine Sex-Orgie. Frankfurts feine Gesellschaft frönte ihren fleischlichen Lüsten, animiert durch umwerfend schöne Damen. Den Einlass ließen sich die Hausherren vergolden. 350 Mark für eine Stunde im Sündentempel. Vorausgesetzt, man besaß eine Empfehlung aus besseren Kreisen und passierte die Gesichtskontrolle. Bei der Vorstellung spuckte Herbert Wettig einen Speichelklumpen auf die Straße. Verblödete Bonzen!

Es war kurz nach Mitternacht. Wettig lauerte in einer Hofeinfahrt, die vom Licht der Bordstein-Laternen nicht erfasst wurde. Gegenüber lag der Eingang des neobarocken Anwesens, das sich seit einigen Monaten im Besitz eines ungarischen Ehepaars befand. Kettenhofweg 124a. Die neue Topadresse für Freier mit praller Brieftasche. Fernab vom Rotlicht-Mief des Bahnhofsviertels. Gut getarnt im Westend, dem einstigen Bürgerviertel, das Spekulanten aufgekauft und in ein Bürogebiet mit turmhohen Betonpalästen verwandelt hatten.

Herbert Wettig schob die Strickmütze tiefer in die Stirn, als ein Herr im Maßanzug das Edelbordell betrat. Wieder so ein Wirtschaftsboss, der sich vor lauter Geilheit die Moneten abknöpfen ließ! Wettig grinste und rieb seine Nase, die wie ein Kamelhöcker aus dem hageren Gesicht ragte. Ihm war klar, dass er nicht zu den schönsten Geschöpfen der Welt zählte. Trotzdem hatte er es nicht nötig, für Liebe zu bezahlen. Seinen Bedarf deckte er in freier Wildbahn – wie jeder gute Jäger.

Der schwarzgekleidete Mann löste sich aus dem Schatten. Mit katzenhafter Gewandtheit lief er über den Gehsteig im Kettenhofweg, dicht an den umzäunten Grundstücken entlang. In Gedanken sang er einen Schlager aus der ZDF-Hitparade. Im Wagen vor mir fährt ein junges Mädchen …

Plötzlich hielt Wettig inne. Seine dunklen Augen hatten die Beute erspäht. Früher als erhofft. Sie stand an der Kreuzung zur Beethovenstraße. Ganz allein zu später Stunde. Kein Beschützer weit und breit. Wie unvorsichtig! Er konnte sein Glück kaum fassen. Es hatte den Anschein, als ob die Schönheit auf jemanden wartete. Einen Mann, der sie zu nehmen wusste? Nun, den heißen Feger würde er bedienen! Wettig zog Handschuhe aus der Lederjacke und schlüpfte hinein. Etwa zwanzig Meter trennten ihn vom Ziel. In gebückter Haltung pirschte er sich heran. Schritt für Schritt. Noch fünfzehn Meter. Vor Erregung begann seine Kopfhaut unter dem Mützenstoff zu kribbeln. Zehn, neun, acht …

Da hörte Wettig die Stimme. Ihr Klang war sanft, als schlügen Engelsflügel gegeneinander. Aus den Tiefen seines Bewusstseins sprach sie zu ihm. Herbert, denk an dein Versprechen! Du wolltest es nie wieder tun!

Augenblicklich verharrte er in der Bewegung.

Gut! Und nun kehr um!

Seine Füße standen still, unfähig sich vom Fleck zu bewegen. Schweißtropfen rannen die Schläfen hinab, obwohl die Frühlingsnacht ungewöhnlich frostig war.

Die innere Stimme gewann an Dringlichkeit. Mach keine Dummheiten! Vergiss nicht, was dir blüht, wenn sie dich erwischen!

Herbert Wettig kratzte sich mit den Handschuhen über die Nasenwurzel. Ja, er kannte die Strafe für seine Neigung allzu gut. Das Zuchthaus war kein Ferienparadies gewesen. Doch sämtliche Schindereien, die er dort ertragen hatte, erschienen gering im Vergleich zu den Qualen der Gegenwart. Die Leidenschaft war in seinem Fleisch entflammt. Heiß wie ein Scheiterhaufen, auf dem noble Vorsätze zu Asche verbrannten.

2

Gründonnerstag, 23. März

Um die Mittagszeit glich der Frankfurter Hauptbahnhof einem Ameisenhaufen, den ungezogene Kinder durch Stockhiebe in Aufruhr versetzt hatten. Kreuz und quer wuselten Reisende über die Bahnsteige, schleppten Gepäck und schnauften mit den einfahrenden Lokomotiven um die Wette. Das Gewimmel war umso größer, da die Osterfeiertage vor der Tür standen und somit auch die Zeit für Ferien und Verwandtenbesuche. Aus dem Meer der Köpfe und Körper einen bestimmten Menschen herauszufischen, wäre selbst für die feine Nase meiner Hovawart-Hündin Abba eine Herausforderung gewesen. In der Halle herrschte Geruchs-Chaos. Parfümierte Hälse, schweißgetränkte Hemden, Leberwurstbrote und Kaffeedunst, der Rauch hastig genossener Zigaretten, süßlicher Gestank aus vollen Abfalleimern – und über allem schwebte das spezielle Aroma öffentlicher Toiletten. Zum Glück mussten wir nicht nach unserer Zielperson suchen. Verlässliche Spitzel hatten uns gezwitschert, wo sich Nikolai Gubanov am liebsten aufhielt. Der Umschlagplatz des Drogenhändlers war das Aktualitätenkino im Hauptbahnhof, kurz AKI genannt. Ich wartete mit Abba und meinem Partner Mike Notto in der Nähe des Eingangs. Wir waren als Urlauber getarnt. Koffer und Rucksäcke standen vor unseren Füßen. Alle zwei Minuten sah ich zur Uhr und dann hinüber zu einem leeren Gleis, als würde ich der Ankunft eines Zuges entgegen fiebern. „Gubanov verspätet sich. Laut unserem Informanten hätte er längst auftauchen sollen.“

„Vielleicht schlitzt die Ratte noch `nen Konkurrenten auf“, argwöhnte Mike.

Ich presste die Lippen aufeinander und nickte. Der Bulgare gehörte zu einer Gangsterbande, die den Heroinmarkt zu kontrollieren suchte. Bei dreitausend Süchtigen in Frankfurt ein lukratives Geschäft. Nach der Festnahme des SchmugglerKönigs Simon „Zappa“ Zapatka war ein Machtvakuum in der Unterwelt entstanden. Nun stritt sich die Balkanmafia mit den Familienclans der Türken und Nigerianer um die Vorherrschaft. Nikolai Gubanov hatte ein Mitglied der Yildiz-Sippe auf der Haschwiese hinter dem Stadtbad Mitte abgestochen und leichtfertigerweise einen Zeugen am Leben gelassen.

Ich wandte den Blick nach links zu der abgesperrten Baustelle des neuen S-Bahn-Tunnels, der in acht Wochen eingeweiht werden sollte. In der Nähe hatte Hauptkommissar Harry Lange seine Männer vom Rauschgiftdezernat postiert. Gubanov würde in die Falle laufen, ohne Chance zu entwischen. Ein flaues Gefühl breitete sich in meiner Magengrube aus. Genauso zuversichtlich waren wir am 27. Februar gewesen, vor der Verhaftung zweier Bankräuber. An jenem gottverfluchten Tag hatten unsere Freunde Hans Söhnlein und Uwe Fink den Tod gefunden. Daniel Brück und Jürgen Hechler waren so schwer verletzt worden, dass noch Monate bis zu ihrer Rückkehr in den Dienst vergehen konnten.

Mike versetzte mir einen Rippenstoß und machte mich auf einen kleinen Jungen aufmerksam. Mit großen Augen bestaunte der Bub die Filmplakate am AKI. Todesgrüße aus Shanghai, Im Lustgarten der wilden Mädchen und Erotische Bestien. Dann wurde der Knirps von seiner Mutter am Arm gepackt und weggezogen.

Mike lachte. „Armes Kerlchen. Vertrieben aus dem Paradies.“

„Als ich in seinem Alter gewesen bin, hab ich oft im AKI gesessen. Anfang der fünfziger Jahre, nachdem das Kino eröffnet hatte. Fünfzig Pfennig Eintritt und man durfte so lange bleiben, wie man wollte. Rund um die Uhr hat`s die Wochenschau gegeben, Zeichentrickfilme und Charlie Chaplin.“

„Sonst nichts? Keine Pornos? Kein Kung Fu? Was für `ne traurige Jugend!“

„Dummes Zeug! Wir haben den Schmuddelkram nicht gebraucht, um glücklich zu sein!“

Abba bellte. Im Geiste hörte ich, wie sie mich kritisierte. Er hat nur einen Witz gemacht, Joe! Verstehst du keinen Spaß mehr?

„Halt die Klappe!“

Bist übellaunig. Woran liegt`s?

Mike riss die Umhüllung eines Raider-Keksriegels auf, biss hinein und spracht weiter, während er kaute. „Entspann dich, mein Alter! Sonst behauptest du als Nächstes, dass die Filmchen die allgemeine Moral verderben.“

„Die Brutalität macht mir schon Sorgen. Andauernd Folter und Vergewaltigungen. Die Streifen können schlichte Gemüter auf dumme Gedanken bringen.“

Mein Kumpel verdrehte die Augen. „Hörst dich an wie Tina Förster, die verklemmte Sittenwächterin!“

„Wie redest du von deiner Freundin?“

„Ex-Freundin, bitteschön. Hab die Tussi auf den Mond geschossen!“

„Bitte?!?“ Ich war wie vom Donner gerührt. „Wann denn? Und warum?“

„Vor zwei Wochen. Ist mir auf den Wecker gegangen.“

„Urplötzlich? Dabei hab ich gedacht, Tina sei etwas Besonderes für dich. Hast sie sogar deinen Eltern vorgestellt.“

„Der größte Fehler meines Lebens!“ Er schüttelte den Kopf. „Keinen Bock auf ein Weib, das mich bemuttert, dauernd fragt wie`s mir geht, wie ich mich fühle, ob ich drüber reden will, was passiert ist … Bla, Bla, Bla!“

„Du meinst die Schießerei?“

Mike fuchtelte mit dem Raider durch die Luft. „Und die Bombe in Belfast, die Lars weggepustet hat.“

Ich strich über meine grauen Schläfen. Innerhalb kurzer Zeit hatten wir drei liebgewonnene Menschen verloren – und selbst zwei Männer in Notwehr getötet. Einschneidende Erlebnisse, die man nicht einfach aus den Kleidern schüttelte. Es verging kein Tag, an dem ich nicht an die Toten dachte. „Tina hat nicht unrecht. Mir helfen die Gespräche mit Matthias Hoppe.“

„Wenn man glaubt, dass `n Psychiater helfen kann, ist man wirklich reif für einen.“

„Matthias ist Psychologe, kein Psychiater.“

„Gehopst wie gesprungen. Unsere Kollegen haben ins Gras gebissen, daran kann kein Gequatsche was ändern.“ Mike vertilgte den Rest der Schokolade. „Berufsrisiko. Heute kann`s dich treffen, morgen mich. Also genieße ich mein Leben, solange es geht – ohne die nervtötende Försterin. Was die beiden Schweine betrifft, die wir umgelegt haben: Das nenne ich Abfallbeseitigung!“ Er steckte das zusammengeknüllte Schoko-Papier in die Tasche seiner Cordjacke. „Oder möchtest du, dass die Typen wieder lebendig wären und ihre Knarren auf Unschuldige richten? Jede Wette, dass du`s nicht willst!“

„Die Männer mussten gestoppt werden“, sagte ich und nickte bedächtig. „Aber sie zu töten, wäre nicht nötig gewesen, hätten wir weniger Fehler bei der Festnahme gemacht.“

Mike legte mir eine Hand auf die Schulter. „Hey, wir haben uns nicht das Geringste vorzuwerfen. Schwamm drüber! Soll ich dir was sagen, Joe? Hab Schiss gehabt, du könntest deine Drohung wahrmachen und den Kram hinschmeißen. Freu mich, dass du jetzt der Chef bist!“

„Vorübergehend“, betonte ich. „Bis Jürgen einsatzfähig ist und die Leitung übernimmt. Ich kann von Glück reden, überhaupt noch im Dienst zu sein. Meine bewegte Vergangenheit ist manchem Amtsträger ein Dorn im Auge.“

Meinem Freund entwich ein Seufzer. „Petra Helm. Miss Rote Armee Fraktion. Wann verhörst du endlich deine ExVerlobte in ihrem Londoner Kerker?“

„Am Sankt-Nimmerleins-Tag, wenn`s nach mir geht. Ihre Bedingung, dass ich die Vernehmung leiten soll, ist ein albernes Spielchen. Sie wird mir keine Geheimnisse anvertrauen.“

„Ewig kannst du`s nicht aufschieben. Die Jungs vom BKA und BND sitzen dir im Genick.“

„Ach, was du nicht sagst!“ Ich rammte meine Fäuste in die Manteltaschen. „Müssen sich eben gedulden. Kann unmöglich weg!“

Abba sah zu mir auf. Womit wir die Erklärung für deine miese Stimmung hätten!

Mike blieb hartnäckig. „Die Ausrede hat vor vier Wochen gezogen, als hier alles drunter und drüber gegangen ist. Inzwischen läuft`s wieder wie geschmiert und Verstärkung haben wir auch gekriegt. Manni Gärtner ist spitze, glaub mir. Sind zusammen in der Ausbildung gewesen. Kannst beruhigt für ein paar Tage verduften.“

Mein Pulsschlag erhöhte sich im Minutentakt. Ich reckte den Hals, um die Halle überblicken zu können. „Wo steckt Gubanov zum Teufel?!?“

„Lenk nicht ab! Du hast dir um Petra Sorgen gemacht und …“

„Nicht mehr nötig. Ihr geht`s gut.“

„… und du willst sie gerne wiedersehen. Dummerweise ist Fujiko zu dir zurück gekommen und zum Dank hast du ihr versprochen, Petra aus deinem Leben zu streichen. Daher deine Reise-Allergie. Du sitzt in der Zwickmühle, Meister.“ Mike lächelte süffisant. „Kleiner Tipp: Lass dich nicht von deiner Geisha gängeln! Wenn sie Zicken macht, sagst du ihr Sayonara!“

„Bei dir piept`s wohl!“ Ich tippte mir an die Stirn. „Bin heilfroh, dass wir uns versöhnt haben. Der Himmel weiß, wie ich die letzten Wochen ohne sie überstanden hätte. Fujiko ist die verständnisvollste Frau, die ich kenne.“

„Sie ist eine Frau – und die machen Ärger, sobald man sich länger als eine Nacht mit ihnen einlässt.“

„Quatschkopf!“, schnauzte ich. „Fujiko sieht natürlich ein, dass ich Petra aus beruflichen Gründen treffen muss. Sie hat mir sogar angeboten auf Abba aufzupassen, wenn ich weg bin. Hunde darf man nämlich nicht ohne Weiteres nach England mitnehmen. Strenge Quarantäne-Vorschriften aus Furcht vor Tollwut.“

Abba kratzte sich hinter ihren Schlappohren. Sechs Monate Einzelhaft auf der Isolierstation! Die spinnen, die Engländer!

Mich traf ein verwirrter Blick aus Mikes Glutaugen. „Wenn`s nicht an Fujiko liegt, warum zierst du dich dann, Petra zu vernehmen? Kapier ich nicht. Es sei denn …“ Er ließ das Ende des Satzes in der Luft schweben und sah mich an, als wollte er mich röntgen.

„Es sei denn was?“, hakte ich nach.

„Du hast Schiss ihr zu begegnen.“ Der Halb-Italiener schnippte mit den Fingern. „Si, naturalmente! Das ist der wahre Grund! Hast die Hosen voll, weil du weißt, dass du dich auf den ersten Blick wieder in sie verknallst – und schwups ist die Kacke am Dampfen!“

Blut schoss mir in die Wangen. „Hältst du mich für einen liebestollen Teenager?“

„Na ja, wenn`s um Petra geht, tickst du nicht richtig.“

Ich schluckte eine Entgegnung hinunter, denn Abba hatte sich abrupt aufgerichtet. Achtung, Leute! Kanalratte im Anmarsch!

Meine Augen verengten sich zu Schlitzen. Tatsache! Nikolai Gubanov stolzierte Richtung Bahnhofskino. Er trug seinen charakteristischen Panama-Hut zu einem weißen Leinenanzug. Ein bleistiftdünner Schnurrbart half nicht, sein Froschgesicht zu verschönern. An der Seite des Ganoven lief ein grobschlächtiger Glatzkopf, der mehr Muskeln als Hirnmasse zu besitzen schien. Verdammt! Mit einem Kompagnon hatten wir nicht gerechnet. Ich kaute auf meiner Unterlippe und überlegte, die Aktion abzubrechen.

Mike erriet meine Gedanken. „Keine Sorge wegen des Riesenbabys! Harrys Leute geben uns Rückendeckung. Wird schon schiefgehen.“ Er stellte sich mit dem Gesicht zu einer Fahrplan-Tafel, fischte sein Walkie-Talkie aus dem Rucksack und betätigte die Sprechtaste. „Manni! Das Spiel beginnt! Halt dich zur Einwechslung bereit!“

Gubanov und der Muskelprotz hatten das AKI beinahe erreicht, als ich ihn von der Seite ansprach. „Nikolai Gubanov?“

Er drehte sich zu mir. „Was wollen Sie?“ Seine Stimme hatte einen nasalen Klang.

Ich zückte den Dienstausweis. „Mein Name ist Platow. Ich bin von der Kriminalpolizei. Es liegt ein Haftbefehl gegen Sie vor. Bitte folgen Sie mir, ohne Widerstand zu leisten. Macht die Sache für uns beide angenehmer.“

„Polizei? Ich gehen Kino, nichts getan!“

„Sie stehen unter Mordverdacht.“

„Mord?!?“, rief er in gespieltem Entsetzen. „Muss sein Verwechslung!“

Mike verschränkte die Arme vor der Brust. „Irrtum ausgeschlossen! Wir haben einen Zeugen, der deine hässliche Visage erkannt hat.“