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Der neue SPIEGEL-Bestseller von Bas Kast: Was die Seele stark macht – von Naturerfahrung bis Psychedelika: 10 wissenschaftlich fundierte und selbst erprobte Strategien, mit denen jede*r sein seelisches Wohlbefinden steigern kann
Krisen, Stress, Zukunftsängste: Um unser psychisches Wohlbefinden ist es derzeit nicht allzu gut bestellt. In seinem neuen Buch geht Bestsellerautor Bas Kast der Frage nach, was wir selbst dafür tun können, um (wieder) in die innere Balance zu finden. Auf Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse und vieler Selbstversuche stellt er 10 alltagstaugliche und leicht anzuwendende Strategien vor, die gegen Alltagsstress, chronische Erschöpfung und depressive Verstimmungen helfen. Ein Kompass für alle, die nach mehr Energie, Ausgeglichenheit und Freude im Leben suchen.
Mit zahlreichen Abbildugen und durchgehend zweifarbig gestaltet.
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Seitenzahl: 319
Zum Buch:
Krisen, Stress, Zukunftsängste: Um unser psychisches Wohlbefinden ist es derzeit nicht allzu gut bestellt. In seinem neuen Buch geht Bestsellerautor Bas Kast der Frage nach, was wir selbst dafür tun können, um (wieder) in die innere Balance zu finden. Auf Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse und vieler Selbstversuche stellt er 10 alltagstaugliche und leicht anzuwendende Strategien vor, die gegen Alltagsstress, chronische Erschöpfung und depressive Verstimmungen helfen. Ein Kompass für alle, die nach mehr Energie, Ausgeglichenheit und Freude im Leben suchen.
Zum Autor:
Bas Kast, Jahrgang 1973, studierte Psychologie und Biologie in Konstanz, Bochum und Boston/USA. Er arbeitet als Wissenschaftsjournalist und Autor. Mit »Der Ernährungskompass« (2018, ausgezeichnet als »Wissensbuch des Jahres«), in dem Kast die gesicherten Erkenntnisse über eine gesunde Ernährung zusammengestellt hat, gelang ihm ein Riesenerfolg: über eine Million verkaufte Exemplare und Übersetzungen in über 20 Sprachen. Wie man die wissenschaftlichen Ergebnisse alltagstauglich umsetzen kann, zeigt er in »Der Ernährungskompass. Das Kochbuch« (gemeinsam mit Michaela Baur, 2019). Zuletzt erschien von ihm (zusammen mit der Illustratorin Sofiya Usach) »Wenn du einen Traum hast«. Kast lebt mit seiner Familie in Berlin.
www.cbertelsmann.de
BAS KAST
Das Fazit neuester Studien zu Resilienz
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Covergestaltung: Büro Jorge Schmidt, München
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Bildredaktion: Annette Baur
Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-641-28531-9V004
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Ich danke Prof. Dr. Sina Bartfeld, Zellbiologin an der Technischen Universität Berlin, sowie Prof. Dr. Christian Keysers, Hirnforscher am Netherlands Institute for Neuroscience in Amsterdam, für die kritische Durchsicht des Manuskripts und einige sehr wertvolle inhaltliche Anregungen.
Einführung Was macht die Seele stark und widerstandsfähig?
Körper & Sinne
Kapitel 1 Nahrung für die Seele
Intermezzo Wenn Gedanken und Gefühle erstarren
Kapitel 2 Die Zutaten einer entzündungslindernden Kost
Kapitel 3 Sport ist die beste Stressmedizin
Kapitel 4 »Hormesis« oder Was mich nicht umbringt, stärkt mich
Kapitel 5 Ein Wirkstoff namens Wald
Kapitel 6 Psychotherapie über Nacht
Intermezzo Musik – ein Waldbad für die Ohren
Psyche
Kapitel 7 Wie du deinen Geist befreist
Kapitel 8 Sich selbst spüren und annehmen
Kapitel 9 Lebenskunst nach Art der Stoiker
Intermezzo Der Barista, das Handy und warum unsere Psyche in Gemeinschaft aufblüht
Kapitel 10 Mit Ecstasy und Psilocybin zu einem neuen Ich
Resümee Zehn Wege zur Stärkung der Seele
Anmerkungen
Literatur
Was macht die Seele stark und widerstandsfähig?
Mitten im Winter erfuhr ich endlich, dass in mir ein unvergänglicher, unbesiegbarer Sommer ist.
Albert Camus[1]
Vor einigen Jahren machte ich eine Erfahrung, die mich zuerst ratlos und sogar verzweifelt zurückließ, mich dann zu einer längeren Recherchereise motivierte, und mich schließlich in einer Weise verändert hat, die ich, als ich mich aufmachte, für unmöglich gehalten hätte.
Alles fing mit einem seelischen Tief an, dem sonderbarerweise ein Hoch vorausging. 2018 hatte ich ein Buch namens Der Ernährungskompass veröffentlicht, das zu einem, wie es hieß, »Überraschungserfolg« wurde. Das Buch war binnen kürzester Zeit vergriffen und musste von da an immer wieder nachgedruckt werden. Mittlerweile hat es sich über eine Million Mal verkauft. Nicht nur von der Presse wurde es positiv aufgenommen, ich bekam auch Tausende von Mails von Lesern, die häufig erstaunt davon berichteten, wie das Buch ihr Leben verändert hatte – eine Resonanz, die mich bis heute immer wieder aufs Neue mit Freude und Dankbarkeit erfüllt.
Ich war bis dahin ein weitgehend unbekannter Autor, der stets darum bangen musste, ob er überhaupt einen nächsten Buchvertrag bekommt. Oft machte ich mir Sorgen ums Geld und um meine Zukunft. Aber das hatte sich nun geändert. Innerhalb weniger Monate hatte ich, damals Mitte vierzig und Familienvater, plötzlich all das erreicht, wovon so viele Autoren träumen und wovon auch ich geträumt hatte: Auf einmal genoss ich einen gewissen Bekanntheitsgrad und wurde mit Verlagsangeboten überschüttet.
Warum erzähle ich das? Es geht mir dabei um eine größere, wichtigere Sache, die zur Entstehungsgeschichte und zum Thema dieses Buchs führt: Ich war damals am Ziel meiner Träume angekommen, und eigentlich hätte ich glücklich, sogar überglücklich sein müssen, und das war ich auch.
Ein paar Wochen jedenfalls.
Dann geschah etwas Merkwürdiges. Das Glück löste sich in Luft auf. Inmitten des äußerlichen Erfolgs fühlte ich mich zunehmend niedergeschlagen.
Ich zog mich zurück. Irgendwann hörte ich auf, Interviews zu geben und beantwortete E-Mails immer lustloser und seltener – es fühlte sich alles so sinnlos an! Nach jahrzehntelangem Streben hatte ich meinen Traum verwirklicht und war doch nicht glücklich, sondern fühlte mich leer.
An manchen Tagen war ich so deprimiert, dass ich mich fragte, was zur Hölle bloß mit mir los war und ob ich nicht an einer handfesten Depression litt (aber warum nur?). Heute würde ich meinen Zustand von damals als zutiefst desillusioniert und – seltsamerweise – enttäuscht beschreiben. Enttäuscht wovon? Es war mir ein Rätsel, ich war mir selbst ein Rätsel, und meine eigene offensichtliche Undankbarkeit ließ mich noch einmal schlechter fühlen …
•••
Man wünscht es ja keinem, aber wer bleibt schon völlig davon verschont? Es gibt sie einfach, diese Tage oder Phasen im Leben, in denen man von allem genug hat. Ich schätze mal, dass auch dir, liebe Leserin, lieber Leser, diese Gefühlslage nicht ganz fremd sein wird.
Wer weiß, vielleicht hast du sogar zu diesem Buch gegriffen, weil du gerade total energielos und niedergeschlagen oder deprimiert bist und du keinen Ausweg aus deinem Zustand siehst. In diesem Fall kann ich dir versichern: Auch wenn dir das jetzt nicht so erscheinen mag – es gibt einen Ausweg. Es gibt Mittel und Wege, deine Stimmung aufzuhellen, deine Seele zu stärken, ihr neue Kraft, neues Leben einzuhauchen. Wie diese Mittel aussehen, darum dreht sich dieses Buch: Im Kompass für die Seele greife ich den Faden des Ernährungskompass noch einmal auf und weite den Ansatz, die eigene Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen, vom Körper auf die Psyche aus, die sich ja ohnehin, wie sich auch auf den folgenden Seiten immer wieder zeigen wird, als zwei Seiten einer Medaille herausstellen.
Aber man muss sich nicht in einem Tief befinden, um von den Erkenntnissen im Kompass für die Seele zu profitieren. Womöglich willst du »bloß« deinen Alltagsstress oder generell deine Emotionen besser verstehen und in den Griff bekommen. Vielleicht geht es dir auch »einfach« um etwas mehr Ausgeglichenheit, Lebendigkeit, Lebensfreude. Da wird der neue Kompass ebenfalls einige hilfreiche Tipps für dich parat haben.
Woher kommen diese Gemütsschwankungen überhaupt? Häufig sind es konkrete »äußere« oder jedenfalls klar identifizierbare Umstände, die uns zu schaffen machen, wie permanenter Zeitdruck und Stress, Arbeitsüberlastung, finanzielle oder gesundheitliche Sorgen, schwierige Beziehungen usw. Bekanntlich hat die Weltlage in letzter Zeit auch nicht eben zu einem Gefühl der Zuversicht beigetragen.
Doch es steckt mehr dahinter, Elementareres. So ist unser heutiger Lebensstil dermaßen unnatürlich geworden, dass er unsere Biochemie auf verhängnisvolle Weise aus dem Gleichgewicht bringt. Fastfood, Bewegungs- und Schlafmangel, zu wenig Sonnenlicht, soziale Isolation: All das und mehr kann zum Beispiel, ohne dass wir es direkt bemerken würden, zu schädlichen Entzündungsprozessen in unserem Körper führen, die auf unser Gehirn übergreifen und uns damit auf einer sehr basalen, physiologischen Ebene aufs Gemüt schlagen.
Jenseits dieser äußeren und biochemischen Faktoren können die Ursachen auch subtiler sein und in unserer Psyche begraben liegen, beispielsweise in Glaubenssätzen, die wir unbewusst über uns selbst hegen, wie etwa »Ich bin nicht gut genug« oder »Mir muss immer alles gelingen, sonst bin ich wertlos«. Was, wenn solche tief sitzenden Überzeugungen unser Lebensgefühl dunkel färben? Was können wir in dem Fall tun?
Bei mir spielte, wie ich heute meine, ein bestimmtes Glücksstreben in meinem Kopf eine Rolle, das sich im Moment der Verwirklichung meiner Träume als trügerische Illusion herausstellte. Diese Glücksvorstellung geht ungefähr so: Zufrieden wirst du erst sein, wenn du X erreicht hast. Jetzt noch nicht, nein, aber wenn du beruflich durchgestartet bist, dann wirst du glücklich sein. Wenn du reich und berühmt bist, dann wirst du glücklich. Wenn du die große Liebe gefunden hast, dann wird sich auch das große Glücksgefühl einstellen.
Wie auch immer X konkret aussehen mag: Inneren Frieden gibt es diesem Denkmuster zufolge erst in der Zukunft, nachdem wir ein Defizit unserer Seele ausgeglichen haben. Im Hier und Jetzt nämlich fehlt uns stets eine entscheidende Zutat, damit wir uns entspannt zurücklehnen und die Gegenwart genießen können. Unserer inneren Welt fehlt etwas, das wir durch etwas in der äußeren Welt zu kompensieren versuchen. Daher diese fortwährende Unruhe.
Ich war auf eine Täuschung hereingefallen, ich hatte mich selbst getäuscht, und gerade mit dem Erreichen dessen, wovon ich so lange gemeint hatte, dass es mich glücklich machen würde, erlebte ich die Illusion am eigenen Leib und fühlte mich verloren, zumal ich zunächst keine Alternative sah: Wo, wenn nicht in dieser ewigen Wenn-dann-Jagd, ist der ersehnte Seelenfrieden stattdessen zu finden? Gibt es so etwas wie dauerhaftes emotionales Wohlbefinden überhaupt? Und wenn ja, wie lässt es sich realisieren? Was bedarf es wirklich für die innere Balance? Was macht die Psyche stark und widerstandsfähig?
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Mit diesen Fragen im Kopf, die mich anfangs eher unbewusst umtrieben, hatte im Grunde die Arbeit an diesem Buch begonnen, obwohl es noch Monate dauern sollte, bevor ich auch nur einen Satz zu Papier bringen würde. Erst einmal irrte ich lange umher, auf der Suche nach Antworten.
Ich fahndete auf den unterschiedlichsten Feldern. Ich tauchte ab in spirituelle Welten, ich recherchierte, was man über den Zusammenhang von Ernährung und mentaler Gesundheit in Erfahrung gebracht hat. Ich studierte, wie körperliche Bewegung, Naturausflüge oder Hitze- und Kälteerfahrungen die Psyche beleben und resilienter machen können. Wie kann man sich gegen Stress wappnen? Was hilft gegen chronische Erschöpfung, depressive Verstimmungen, Ängste?
Ich las, was die Stoiker im alten Griechenland und Rom, wie Seneca, Epiktet und Marc Aurel, empfahlen, um zu Gemütsruhe zu gelangen. Ich meldete mich bei Meditations-Apps an und besuchte Meditations-Intensivkurse. Kurz, ich versuchte, mir einen umfassenden Rundum-Überblick darüber zu verschaffen, welche Zutaten unsere Psyche braucht, um aufzublühen und die Herausforderungen des Lebens zu meistern.
Wie schon bei der Recherche für den Ernährungskompass füllte sich mein Arbeitszimmer mit Stapeln von wissenschaftlichen Studien. Vor allem nämlich probierte ich jene Mittel und Methoden aus, über die in der Forschung diskutiert wird, verfolgte sie allerdings nur dann weiter, wenn ich den Eindruck hatte, dass sie eine spürbare Veränderung herbeiführten. Allein diese Strategien haben es ins Buch geschafft.
Was sind das für Strategien? Grundsätzlich hängt seelisches Wohlbefinden, das sich – gerade auch angesichts äußerlich schwankender oder gar widriger Verhältnisse – durch eine gewisse Beständigkeit auszeichnet, von einem Zusammenspiel einerseits körperlicher und andererseits psychischer Faktoren ab. Beide schildere ich in diesem Buch.
Der Kompass für die Seele gliedert sich damit in zwei Teile auf. In den ersten Kapiteln beleuchte ich zunächst die wichtigsten körperlichen Voraussetzungen für seelische Gesundheit wie Ernährung, Bewegung und Schlaf. Welchen Einfluss haben zum Beispiel bestimmte Nährstoffe auf unser Gehirn und unsere Psyche? Gibt es Lebensmittel, die uns depressiv oder – umgekehrt – heiter stimmen? Um Fragen wie diese sowie um weitere, körperlich-sinnliche »Vorbedingungen« für eine ausgeglichene Psyche geht es im ersten Teil des Buchs.
Übrigens lassen sich viele der Strategien überraschend leicht umsetzen und in den Alltag integrieren. So können bereits kalte Duschen, Saunagänge oder kurze Fastenperioden die Stimmung beleben. In Japan hat sich unter gestressten Großstädtern ein Trend namens »Waldbaden« verbreitet, das die strapazierte Seele aufatmen lassen soll: Was ist da dran? Was macht die Natur mit unserer Psyche und unseren Gefühlen, und was macht es umgekehrt mit uns, wenn wir den ganzen Tag vorm Computer sitzen und auf einen Bildschirm starren? Warum fühlen wir uns danach so ausgelaugt? Welche Rolle spielen Sport oder unsere nächtlichen Träume für ein gesundes Seelenleben? Diesen und anderen Aspekten widme ich mich in den ersten Kapiteln.
Im zweiten Teil des Buchs wenden wir uns dann der Psyche direkt zu. Unter anderem werden wir der Frage nachgehen, wie ein Weg zum Wohlbefinden aussehen könnte, der nicht in erster Linie auf das Erreichen von Zielen in der äußeren Welt setzt, sondern unsere innere Welt in den Fokus nimmt: Gibt es Techniken, mit denen wir unsere Psyche auf mehr Stressresistenz und Ausgeglichenheit trainieren können? Wie wir entdecken werden, können uns hier uralte Erkenntnisse aus spirituellen Lehren, wie dem Buddhismus, ebenso weiterhelfen wie die moderne Therapieforschung.
Eine zentrale Erkenntnis dieser Weisheits- und Wissensquellen ist dabei folgende: Wir Menschen werden unablässig von einer Art inneren Stimme belästigt, um nicht zu sagen gequält. Die Stimme im Kopf kritisiert und klagt und kaut ständig irgendwelche Probleme und Zukunftssorgen durch, besonders gerne nachts um drei Uhr, wenn wir lieber schlafen würden, uns stattdessen jedoch im Bett hin und her wälzen und grübeln. Die Stimme im Kopf lässt sich nicht abschalten und erweist sich in ihrem Übereifer als wesentliche Ursache für Unzufriedenheit und Kummer. Was hat es mit dieser Stimme auf sich? Können wir uns von ihr befreien? Inwiefern können uns bestimmte Meditationsformen dabei helfen? Welche Tipps und Tricks hat die heutige Psychotherapie in der Hinsicht für uns auf Lager?
Zuletzt komme ich auf die wohl mächtigste Einzelstrategie zu sprechen, um einer festgefahrenen Psyche wieder Flügel zu verleihen. Es ist zugleich das riskanteste Mittel: Ich spreche über den Einsatz von Psychedelika, also bewusstseinsverändernden Substanzen wie Ecstasy, LSD und Psilocybin (der Stoff, der in halluzinogenen Pilzen für den Rausch sorgt). Psychedelika erfahren derzeit eine Renaissance in der Wissenschaft und Psychotherapie, und das zu Recht, denn sowohl die Forschung wie auch meine eigenen Trips, die ich als Teil der Recherche zu diesem Buch unternommen habe, offenbaren, dass diese wundersamen Substanzen die Kraft haben, unsere Seele radikal zu transformieren. Dabei lassen sie uns nicht etwa, wie übliche Drogen, unsere Sorgen für einen Augenblick vergessen, nein, sie wirken genau umgekehrt: Unter anderem konfrontieren sie uns mit den erwähnten, tief sitzenden Grundannahmen über uns selbst sowie auch unseren größten Verletzungen und setzen so an einer weiteren Wurzel unseres Leids an.
Viele Menschen haben nach einer psychedelischen Reise das Gefühl, sie würden die Welt mit neuen Augen sehen, ein bisschen wieder so wie als Kind, offen, unbeschwert, als hätte man in ihrem Gehirn einen »Reset«-Knopf gedrückt. Selbst Testpersonen, die keinerlei psychische Probleme haben, fühlen sich noch Wochen nach einem Psilocybin-Trip wohler in ihrer Haut. Die meisten – ich würde mich dazuzählen – stufen ihre Trips sogar als die bedeutsamste oder spirituellste Erfahrung ihres Lebens ein. Wie bewirken die Substanzen diese erstaunlichen Effekte? Wie bereitet man sich auf eine psychedelische Sitzung vor, und wo kann man sie überhaupt legal unternehmen? Dazu und zu dem Faszinosum Psychedelika mehr im letzten Kapitel.
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Wenn ich auf jene Zeit in meinem Leben zurückblicke, in der dieses Buch entstand, darauf, wie ich mich damals fühlte, und das mit heute vergleiche, kann ich ohne Abstriche sagen: Die Arbeit am Kompass für die Seele hat mich mehr verändert als jedes andere Buch, jedes andere Projekt. Es ging nicht von heute auf morgen, es hat eine Weile gedauert, schließlich aber habe ich erfahren: Einem seelischen Tief ist man nicht unbedingt hilflos ausgeliefert, sondern man kann selbst einiges dafür tun, um sich daraus zu befreien. Ja, tief in unserem Innern verbirgt sich, wie Camus einst unvergesslich formulierte, ein unbesiegbarer Sommer, und es liegt auch in unseren Händen, diesen Sommer in uns aufzuspüren und hervorzubringen.
Die Hilfs- und Heilmittel, die du auf den folgenden Seiten vorfindest, sind je nach individueller Situation unterschiedlich einsetzbar. Bei akutem Stress bietet sich, wie man sich denken kann, eher eine schnell wirksame Strategie an, wie ein Waldlauf mit anschließendem Saunagang und kalter Dusche, als eine langfristig orientierte Ernährungsumstellung. Ist man einfach »nur« ausgelaugt und erschöpft, braucht man vielleicht nicht gleich eine lebensverändernde psychedelische Therapie, während man ein hartnäckiges Stimmungstief umgekehrt nicht mit einem schlichten Naturausflug oder ein paar stoischen Gedankentechniken in den Griff bekommt.
Je nach Bedarf sollte man sich also jene Strategien herauspicken, die der eigenen Verfassung und den persönlichen Vorlieben am besten gerecht werden. Das Buch lässt sich mit einer Art Werkzeugkasten vergleichen – einem Toolkit für die Seele. Dabei stehen uns die verschiedenen Werkzeuge nicht bloß in jenen Momenten zur Verfügung, in denen wir gestresst oder schlecht drauf sind. Wir können sie auch nutzen, um unsere Psyche bereits im Vorfeld zu stärken, damit wir erst gar nicht in ein länger anhaltendes Tief geraten, aus dem wir uns dann wieder mühsam herauskämpfen müssen. Selbst wenn wir uns gut fühlen, werden sie uns beleben und glücklicher stimmen. In diesem Sinne wünsche ich dir viel Erfolg und Spaß beim Ausprobieren und Entdecken jener Strategien, die zu dir passen und dir am meisten helfen. Mögest du diesen unbesiegbaren Sommer in dir zum Leuchten bringen.
Ernährung
Nahrung für die Seele
Schon als kleines Mädchen litt Felice Jacka unter wiederkehrenden Angstzuständen, und je älter sie wurde, desto mehr griff die Angst um sich. Als Teenager wurde sie von heftigen Panikattacken heimgesucht. Irgendwann kamen Depressionen hinzu, die sich anfühlten, als hätte ein Dementor (die heimtückischsten magischen Wesen, die es in der Welt von Harry Potter gibt) ihrem Körper und ihrer Seele die gesamte Freude und Lebensenergie entzogen.
Ende zwanzig beschloss die Australierin, der damals noch eine Karriere als Künstlerin vor Augen schwebte, ihre Lebensweise umzukrempeln. Sie fing an, sich mehr zu bewegen, sie achtete auf ihren Schlaf und vor allem: Sie stellte ihre Ernährung um.
Bald merkte sie, dass sie sich besser zu fühlen begann. Viel besser. Die depressiven Verstimmungen legten sich und verschwanden schließlich ebenso wie die Panikattacken. Es war eine ergreifende Metamorphose, die Felice Jacka erlebte. Ja, sie war von ihrer eigenen Verwandlung so beeindruckt, dass sie sich kurzerhand von ihren Künstlerambitionen verabschiedete und ein Studium der Psychiatrie aufnahm. Jacka wollte verstehen, was mit ihr geschehen war: Ist es wirklich möglich, eine Depression »wegzuessen«? Und wenn ja, wie funktioniert das? Was geht da im Körper vor? Und ganz praktisch gefragt: Wie sähe die ideale stimmungsaufhellende Diät aus?
Felice Jacka vertiefte sich in die Ernährungsforschung, wälzte jahrelang Statistiken und kam dem Mysterium so allmählich näher. Heute ist sie Professorin und Direktorin des Food & Mood Centre an der Deakin Universität in Melbourne. Sie gilt als die Expertin für den Zusammenhang zwischen Ernährung und Psyche schlechthin.[2] Schon in ihrer Doktorarbeit im Jahr 2010 fand sie erste Hinweise darauf, dass Frauen, die mehr Gemüse, Obst, Fisch und Vollkornprodukte essen sowie – überraschenderweise – kleine Mengen unverarbeitetes rotes Fleisch, ein geringeres Risiko für Angsterkrankungen und Depressionen haben, im Gegensatz zu jenen, die auf Junkfood stehen und regelmäßig Pizzas, Pommes, Hamburger, Weißbrot und Softdrinks wie Cola, Fanta & Co. zu sich nehmen.
»Als ich damals anfing, waren die Leute extrem skeptisch – sie dachten, das sei alles nur Quatsch«, erzählt Jacka heute. »In der Psychiatrie wird man darauf trainiert, an bestimmte Moleküle im Gehirn zu denken, die sich mit Medikamenten beeinflussen lassen, und man hat den Blick für das große Ganze verloren, für die Tatsache, dass der Körper ein komplexes System ist.«[3]
Jackas Studium fiel in eine Zeit, in der die Hirnforschung voll aufgeblüht war und dabei auch so manch alten Mythos über unser Oberstübchen als falsch entlarvt hatte. So galt es zum Beispiel lange als ausgemacht, dass in einem erwachsenen Gehirn keine neuen Nervenzellen nachwachsen können. Obwohl immer noch umstritten, deuten inzwischen viele Befunde darauf hin, dass dies in einigen Arealen des Gehirns sehr wohl der Fall sein könnte. Man bezeichnet diese Neubildung von Nervenzellen als »Neurogenese«. Eine der Hirnstrukturen, in denen eine solche Neurogenese vermutlich auch später im Leben noch stattfindet, erstreckt sich tief im Innern unserer beiden Hirnhälften – einmal in der linken, einmal in der rechten Hirnhemisphäre – und wird als »Hippocampus« bezeichnet (aus dem Lateinischen für Seepferdchen, weil die Hirnstruktur dem Meerestierchen von der Gestalt her so frappierend ähnelt, wie man auf Abbildung 1.1 sehen kann). Nach manchen Schätzungen bilden sich im erwachsenen Hippocampus im Schnitt immerhin rund 700 neue Nervenzellen täglich, wobei sich allerdings von Person zu Person erhebliche Unterschiede zeigen.[4]
Abb. 1.1 Links der Hippocampus, rechts ein Seepferdchen. Wir haben zwei solcher neuronaler »Seepferdchen« in unserem Kopf, eines in der linken, eines in der rechten Gehirnhälfte. Die Illustration auf Seite 38 veranschaulicht, wo sich der Hippocampus im Gehirn befindet.
Professor Laszlo Seress/Wikimedia Commons (CC-BY-SA-1.0). https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hippocampus_and_seahorse.JPG (19.12.2022)
Der Hippocampus übernimmt gleich mehrere wichtige Funktionen. Erstens spielt er eine Schlüsselrolle bei der Gedächtnisbildung. Ohne Hippocampus formen sich neue Erinnerungen, vor allem Erinnerungen über uns selbst und unser Leben, nur in sehr eingeschränktem Maße. Es gibt klare Hinweise darauf, dass der erwähnte Nachschub neuer Nervenzellen – die Neurogenese – einerseits bei der Bildung dieser neuen Gedächtnisinhalte von Bedeutung ist. Andererseits scheint die Neurogenese auch zum Vergessen alter, nicht mehr nützlicher Erinnerungen beizutragen, indem diese von den neuen Nervenzellen und Gedächtnisinhalten »überspielt« werden.[5] So könnte die Frischzellenkur im Hippocampus dafür sorgen, dass wir nicht geistig versteinern und uns stattdessen zu einer anhaltenden Flexibilität im Kopf verhelfen.[6]
Aktuelle Erkenntnisse deuten zweitens darauf hin, dass der Hippocampus aus verschiedenen Erinnerungsfragmenten eine kohärente Erzählung stricken kann.[7] Die Hirnstruktur verknüpft neue Erlebnisse mit bereits vorhandenen Gedächtnisinhalten und setzt die einzelnen Puzzlesteine unseres Gedächtnisses zu einem Gesamtbild zusammen. Der Hippocampus wird so von manchen Neurowissenschaftlern auch als »Geschichtenerzähler des Gehirns« bezeichnet.[8] Wenn wir sagen, dass wir ein Erlebnis »verarbeiten«, meinen wir damit ja unter anderem, dass wir das Einzelerlebnis in einen größeren Kontext einbetten, wodurch wir es besser verstehen und es zu einem Teil unserer Biographie wird. Bei dieser Integrationsarbeit scheint der Hippocampus ebenfalls eine Rolle zu spielen.
Drittens steuert der Hippocampus, in Zusammenarbeit mit weiteren Hirnarealen, unsere Gefühle. Der Hippocampus hilft beispielsweise dabei, mit Stress fertigzuwerden, indem er hemmend auf die Stressreaktion einwirkt.[9] Im Tierversuch haben Forscher festgestellt, dass die Neubildung von Nervenzellen im Hippocampus entscheidend für die Stressresilienz ist.[10] Aber auch bei uns Menschen unterstützt der Hippocampus die Emotionsregulierung. Ist die Hirnstruktur etwa aufgrund eines Schlaganfalls beschädigt, reagieren die Patienten, wenn man ihnen Filmclips mit traurigem Inhalt zeigt, nicht nur sehr heftig in Form von minutenlangem Weinen. Diese Stimmung hält bei ihnen auch ungewöhnlich lange an – sie können eine halbe Stunde später immer noch bedrückt sein, zu einem Zeitpunkt, an dem sich Menschen mit intaktem Hippocampus längst erholt haben.[11] Der Hippocampus ist also eine von mehreren Hirnstrukturen, die wichtig sind für die Fähigkeit, Gefühlen wie Stress und Trauer nicht wehrlos ausgesetzt zu sein, sondern diese bis zu einem gewissen Grad »im Griff« zu haben.
Depressive Patienten klagen nicht selten über Konzentrationsschwierigkeiten und Gedächtnislücken. Untersucht man diese Patienten dann in einem Kernspintomographen, stellt sich heraus, dass der Hippocampus regelrecht geschrumpft ist. Unter den beobachtbaren Hirnveränderungen depressiver Patienten gehört ein verringertes Volumen des Hippocampus sogar zu den charakteristischsten Kennzeichen überhaupt (auf den Seiten 35 bis 41 beschreibe ich etwas ausführlicher, was bei Depressionen im Gehirn passiert, denn hier formt sich derzeit in der Wissenschaft ein faszinierend neues Bild).[12]
Als Felice Jacka diesem Phänomen weiter nachging, machte sie eine bemerkenswerte Entdeckung: Wer reichlich Junkfood isst, dessen Hippocampus ist ebenfalls messbar kleiner im Vergleich zu jenen, die sich gesund ernähren. Mit anderen Worten, der Hippocampus von Junkfood-Liebhabern ähnelt mit seiner Schrumpfung auffallend dem depressiver Patienten – eine Beobachtung, die mittlerweile mehrfach bestätigt werden konnte.[13]
Handelt es sich dabei um einen bloßen Zufall? Oder steckt mehr dahinter? Wenn ja, wenn wir es mit einem systematischen Zusammenhang zu tun haben sollten, dann könnte es sein, dass lebenslanger erhöhter Junkfood-Konsum den Hippocampus in unserem Kopf nach und nach verkümmern lässt, wahrscheinlich nicht nur, aber womöglich unter anderem auch aufgrund einer eingeschränkten Neurogenese. Es würde heißen, dass wir uns unseren Hippocampus auf geradezu verhängnisvolle Weise »wegfuttern« können!
Das könnte uns erstens – durch die nun eingeschränkte Steuerung oder auch Fähigkeit zur Verarbeitung unserer Gefühle – emotional labiler und stressanfälliger machen und auf die Stimmung schlagen. Da der Hippocampus darüber hinaus so essenziell für das Lernen neuer Gedächtnisinhalte ist, könnte ein derart verkümmerter Hippocampus außerdem dazu führen, dass es uns zunehmend schwerfällt, Neues zu lernen und Überholtes zu vergessen, und das heißt: geschmeidig, fit und beweglich im Kopf zu bleiben und mit den immer wechselnden Situationen und Herausforderungen des Lebens fertigzuwerden.
Diese mangelnde Beweglichkeit im Kopf wiederum könnte uns einmal mehr für ein Stimmungstief oder eine Depression anfällig machen. Denn wenn ein intakter Hippocampus und insbesondere dessen Neurogenese zu unserer geistigen Flexibilität beitragen, würden wir ohne diese neuronale Erfrischung stärker als sonst in alten Erinnerungen und Denkweisen stecken bleiben. Unser Gehirn würde in eine Art »Denkstarre« verfallen, wie es für Depressionen und andere psychische Störungen, etwa Zwangsstörungen und Suchterkrankungen, typisch ist. Abbildung 1.2 verdeutlicht diesen Zusammenhang noch einmal an einem tierexperimentellen Befund.
Man könnte meinen, dass eine Depression in erster Linie etwas ist, das die Gefühlswelt betrifft. Aber Denken und Fühlen hängen eng zusammen. Gerät man in eine Depression, ist das Denken meist in hohem Maße ins Negative verzerrt und in vielen Fällen sogar die Wurzel des Problems. Man wird so fixiert auf unangenehme Gedanken und Sorgen, dass man kaum noch einen Blick oder Sinn für anderes hat, seien es andere Menschen, die Arbeit oder Aktivitäten, die einem früher Spaß gemacht haben. Die Welt schrumpft auf das eigene, vom Rest der Welt abgeschnittene Ich zusammen. Der Geist wird zur Folterkammer: Wieder und wieder quält uns der Kritiker im Kopf damit, was für ein Versager oder schlechter Mensch wir doch sind und wie sinnlos alles ist. Dieses verbissene gedankliche Wiederkäuen bezeichnet man als »Rumination« (aus dem Lateinischen ruminatio, was eben für Wiederkäuen steht) und gilt als maßgebliche Ursache für Depressionen. Ein naheliegender Verdacht dabei ist, dass wir uns von den ewig kreisenden Gedanken auch deshalb nicht losreißen können, weil dem »Geschichtenerzähler« im Kopf, dem Hippocampus, der nötige Nachschub frischer Nervenzellen – und damit die nötige mentale Erfrischung – fehlt.[14]
Umgekehrt, und das ist die gute Nachricht, könnte eine gesunde Ernährungsweise wie eine Art Fitnessprogramm oder Frischekur auf unseren Hippocampus wirken. Nahrhaftes Essen könnte die
Abb. 1.2 A Bei diesem Wasserlabyrinth ist das Wasser milchig trüb, so dass die Maus die versteckte Plattform nicht sehen kann.[15] Wenn sie aber eine Weile durch das Labyrinth schwimmt, wird sie irgendwann darauf stoßen und so die rettende Plattform entdecken. Im ersten Teil des Versuchs (links) ist die Plattform an einer bestimmten Stelle, bis die Maus sie gefunden hat. Dann folgt Versuch zwei (rechts), in der die Plattform an eine andere Stelle verschoben wurde. Die Maus sucht eine Weile dort, wo die Plattform vorher war, findet aber bald zur neuen Stelle – zumindest, wenn die Bildung frischer Nervenzellen, die Neurogenese, in ihrem Hippocampus normal funktioniert.[16]
Abb. 1.2 B Ist die Neurogenese gehemmt, findet die Maus im ersten Versuch ebenfalls die Plattform. Sie scheitert erst, wenn die Plattform danach stillschweigend verschoben wurde: Die Maus sucht und sucht an der alten Stelle. Es ist, als könnte die Maus die unbrauchbar gewordene Erinnerung an die frühere Position der Plattform nicht vergessen. Sie schafft es nicht, sich von ihrem alten Gedächtnisinhalt (im weiteren Sinne: von der Vorstellung, die sie sich von der Welt gemacht hat) zu lösen. Ohne Nachschub neuer Nervenzellen im Hippocampus wird das Verhalten der Maus unflexibel und »starr«.[17]
1.2 A, 1.2 B Anacker & Hen (2017). Adult hippocampal neurogenesis and cognitive flexibility – linking memory and mood. Nat Rev Neurosci 18, 335–346. Fig. 2. doi: 10.1038/nrn.2017.45 © 2017, Nature Publishing Group, a division of Macmillan Publishers Limited. All Rights Reserved.
Seepferdchen in unserem Kopf auf Trab bringen, die Neurogenese anregen und uns so auch vor der geistigen Versteinerung und dem allzu ausufernden Grübeln schützen. Da den Hippocampus zu stärken zugleich heißt, die Stressresilienz zu stärken, könnte eine gesunde Ernährung darüber hinaus dabei helfen, den üblichen Alltagsstress besser zu meistern, was unserer seelischen Ausgeglichenheit und Lebensfreude zugutekommen würde. Das alles mag zwar zunächst reichlich spekulativ klingen – das Aufregende aber ist, dass sich die Befunde mehren, die für dieses Szenario sprechen.
Bevor wir uns in diese Forschungsergebnisse vertiefen, werfen wir vorher einen Blick auf die Frage, wie eine gesunde Ernährung überhaupt aussieht. Was sind die entscheidenden Zutaten einer heilsamen Kost?
In meinem Buch Der Ernährungskompass habe ich bereits versucht, diese Frage zu beantworten, also werde ich mich hier kurzfassen. Viele Formen von Ernährung können gesund sein, und jeder Körper reagiert anders, deshalb kommt es auch bei der Ernährung auf jeden Einzelnen und auf den Selbstversuch an. Bei all den Ernährungstipps, mit denen wir tagein, tagaus behelligt werden, sollten wir nicht vergessen, immer auch auf den eigenen Körper zu hören. Generell aber kann man sagen, dass die in den vergangenen Jahrzehnten gesammelten Erkenntnisse für eine pflanzenbasierte Kost plus Fisch und/oder Omega-3-Fettsäuren sprechen. Wenn man unsere typisch »westliche« Ernährungsweise als Ausgangspunkt nimmt, würden die meisten von uns besonders profitieren, würden wir mehr Hülsenfrüchte (Linsen, Bohnen, Kichererbsen), Vollkornprodukte und Nüsse zu uns nehmen und dafür weniger rotes und vor allem verarbeitetes Fleisch (Wurst, Speck, Salami und dergleichen) sowie gezuckerte Getränke. Selbst wenn man die Ernährung erst im Alter von 60 Jahren auf diese Weise umstellt, darf man neueren Schätzungen zufolge rein statistisch damit rechnen, acht bis neun Jahre länger zu leben![18]
Das bekannteste Beispiel für eine pflanzenbasierte Ernährungsweise ist die mediterrane Kost. Sie ist zwar nur eine von vielen gesunden Ernährungsformen, der Vorteil aber ist, dass uns zur Mittelmeerkost eine Fülle von Studienergebnissen zur Verfügung steht.
Die Mittelmeerkost ist auch deshalb ein interessantes Beispiel, weil ja bis heute eine gewisse Fettphobie in unseren Köpfen spukt. So empfehlen selbst seriöse Ernährungsinstanzen, wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, nach wie vor eine fettarme Diät. Dabei hat sich in zahlreichen Untersuchungen wiederholt herausgestellt, dass die mediterrane Kost zur gesündesten Ernährungsweise überhaupt gehört, und hier spart man bekanntlich nicht am Fett. Insbesondere darf man, ja soll man sich sogar großzügig bei einem hochwertigen Olivenöl bedienen (hinzu kommen Nüsse und Samen sowie fettreicher Fisch oder auch Käse).
Das Schönste an der Mittelmeerkost ist vielleicht, dass sie gut schmeckt, was heißt, dass sich viele von uns damit langfristig anfreunden können. Womöglich denken wir bei »mediterranem Essen« als Erstes an Pizza Margherita und Spaghetti Bolognese. Diese beiden Klassiker auf der Speisekarte unseres Lieblingsitalieners kann man hin und wieder durchaus auch genießen, sie stellen aber nicht den Kern der traditionellen Mittelmeerkost dar. Die klassischen Zutaten der – von Land zu Land unterschiedlichen – Ernährungsweisen rund um das Mittelmeer sehen vielmehr wie folgt aus:
Reichlich Gemüse, Hülsenfrüchte und Obst
Bevorzugt Vollkornprodukte wie Vollkornbrot, Vollkornnudeln oder Vollkorncouscous
Regelmäßig eine Handvoll Nüsse jeglicher Art sowie Samenkerne
Mindestens 4 Esslöffel natives Olivenöl extra täglich
Wenig Milch, lieber fermentierte Milchprodukte wie Joghurt und Käse
Mehrmals Fisch pro Woche
Eher weißes statt rotes Fleisch, konkret: Schwein und Rind nur wenige Male im Monat
Bis zu sieben Eier die Woche
Sehr wenig Süßigkeiten, typisch ist Obst als Nachtisch
Großzügige Verwendung von Kräutern wie Rosmarin, Thymian, Salbei oder auch Zimt sowie Knoblauch zum Würzen, sparsamer Einsatz von Salz
Zum Essen oft Wein in moderater Menge, sprich: maximal 1 Glas für Frauen und maximal 2 Gläser für Männer
Damit wären wir bei der Hauptaussage dieses Kapitels angelangt: In großen Metaanalysen (Studien, die ihrerseits die Daten mehrerer Untersuchungen zusammenfügen) hat sich gezeigt, dass die Mittelmeerkost das Risiko für eine Depression um gut 30 Prozent senkt.[19] Zugleich haben Forscher entdeckt, dass gewisse Hirnregionen von Menschen, die der mediterranen Kost anhängen, altersbedingt weniger stark schrumpfen als bei Menschen, die sich nicht-mediterran ernähren. Und welche Hirnregion gehört hier wesentlich dazu? Richtig, der Hippocampus. Um die Sache auf den Punkt zu bringen: Wer sich mediterran ernährt, darf sowohl mit einem größeren Hippocampus als auch mit einer besseren Gemütsverfassung rechnen (Abbildung 1.3).
Das klingt alles sehr vielversprechend – und doch beweisen diese Zusammenhänge noch nicht, dass es wirklich die (mediterrane) Ernährung ist, die unsere Stimmung stärkt. Um das klipp und klar zu belegen, bräuchte man ein echtes Experiment, das diese Fragestellung gezielt verfolgt. Genau das hat die Forscherin Felice Jacka gemacht.
In wiederum jahrelanger Arbeit stöberte Jacka 67 depressive Patienten auf, die bereit waren, sich an ihrem Unterfangen zu beteiligen (was vor allem deshalb so lange dauerte, weil die meisten Psychiater, über die Jacka Kontakt zu den Patienten zu bekommen versuchte,
Abb. 1.3 Für die hier ausschnitthaft dargestellte Studie verglichen New Yorker Forscher eine Gruppe von über 50 Testpersonen, von denen sich manche mehr, andere weniger stark mediterran ernährten. Auf den Scanbildern ganz oben sieht man Querschnitte durch das Gehirn von zwei Testpersonen. Die Person links ist zum Zeitpunkt des Scans 52 Jahre alt und ernährt sich ausgesprochen mediterran. Das Gehirn sieht normal und gesund aus. Rechts sehen wir den Scan einer 50-jährigen Person, die sich nicht-mediterran ernährt. Mehrere Hirnregionen sind bei ihr bereits deutlich geschrumpft. Man beachte zum Beispiel die vergrößerte dunkle Kammer im Zentrum des Gehirns, die an die Form eines Schmetterlings erinnert. Die Kammer ist mit Hirnflüssigkeit gefüllt, und sie ist deshalb vergrößert, weil das umliegende Hirngewebe verkleinert ist. Anders gesagt: Wo früher einmal Gehirnmasse war, ist nun Wasser. Auch der Hippocampus ist verkleinert, wie man in der pixeligen Vergrößerung unten im Bild erkennen kann: Der rechts eingekreiste dunkle »Fleck« weist ebenfalls auf Hirnflüssigkeit hin, wo sich einst Hirnzellen befanden.[20]
Mosconi et al. (2014). Mediterranean Diet and Magnetic Resonance Imaging-Assessed Brain Atrophy in Cognitively Normal Individuals at Risk for Alzheimer’s Disease. J Prev Alzheimers Dis.;1(1):23–32. Fig. 4. PMID: 25237654. PMCID: PMC4165397.
ihre Idee für unsinnig hielten). Als es schließlich so weit war, teilte Jacka die Patienten in zwei Gruppen.
Die eine traf sich in den folgenden Wochen zu insgesamt sieben Diätkurs-Sitzungen. Ziel dabei war es, ihren Speiseplan möglichst mediterran umzustellen. Da Jacka bereits in früheren Studien aufgefallen war, dass Frauen, die entweder ganz viel oder sehr wenig rotes Fleisch zu sich nehmen, häufiger von Depressionen und Angsterkrankungen betroffen sind, riet sie allen zu nicht allzu großen, aber regelmäßigen Portionen rotem Fleisch in Form von unverarbeitetem Rind oder Lamm (drei bis viermal die Woche 65 bis 100 Gramm). In Australien, wo Jacka lebt und das Experiment durchführte, stammt dieses Fleisch überwiegend von frei lebenden, grasgefütterten Tieren, was bedeutet, dass es mehr Omega-3-Fettsäuren enthält als das bei uns bedauerlicherweise übliche »Industriefleisch«.[21]
Die andere Hälfte der Patienten diente als Kontrollgruppe. Sie kam während derselben Zeit lediglich zum Socializing zusammen, ernährte sich aber wie gehabt.
Das Ergebnis nach drei Monaten: Jene Teilnehmer, die im Laufe des Experiments zunehmend mediterran aßen, fühlten sich nicht nur deutlich besser als am Anfang des Versuchs. Auch der Vergleich zur Kontrollgruppe fiel krass aus: Während sich bei knapp einem Drittel (32,3 Prozent) der Patienten nach der Ernährungstherapie die Depression stark zurückgebildet hatte, betrug dieser Anteil in der Socializing-Kontrollgruppe gerade mal 8 Prozent.
Der Unterschied zwischen den beiden Gruppen rührte übrigens nicht daher, dass man auf mediterrane Diät gesetzt mehr Gewicht verlor – das nämlich blieb bei den Teilnehmern weitgehend unverändert. Außerdem zeigte sich: Je konsequenter man die Kost auf mediterran umstellte, desto ausgeprägter war die heilsame, antidepressive Wirkung.[22]
Eine gesunde Ernährungsweise könnte somit wirklich so etwas wie eine stimmungsaufhellende Kraft entfalten. Die Mittelmeerkost kuriert zwar nicht jeden, das aber schaffen nebenbei gesagt auch die derzeit besten Medikamente und Methoden der Psychotherapie nicht. Und obwohl Felice Jackas Erkenntnisse recht neu und vorläufig sind, geben sie dennoch Anlass zur Hoffnung, zumal aktuelle Untersuchungen mit jüngeren Teilnehmern die Resultate bereits bestätigen konnten.[23]
Nun sind die meisten von uns zum Glück nicht depressiv, und man könnte sich fragen, ob eine gesunde Ernährung überhaupt noch einen positiven Einfluss auf die Stimmung hat, wenn die Stimmung ohnehin schon recht gut ist. Es gibt dazu zwar bisher erst eine Handvoll mehr oder weniger stichhaltiger Befunde, diese lassen allerdings einen klaren Trend erkennen.
Vorweg eine theoretische Spekulation: Betrachtet man eine Depression nicht als ein Alles-oder-nichts-Phänomen, von dem man entweder betroffen ist oder nicht, sondern eher als das äußere Ende auf einem Stimmungsspektrum, auf dem wir uns alle bewegen, dann erscheint es nicht unplausibel, dass eine Maßnahme, die bei Depressionen die Laune hebt, auch gegen alltäglichere Verstimmungen etwas ausrichtet. Die Maßnahme könnte unsere Gemütsverfassung selbst dann noch bessern, wenn wir uns bereits gut fühlen. Bei Sport und Bewegung ist das zum Beispiel der Fall: Bewegung hilft gegen Depressionen,[24] erhöht aber auch die Stressresilienz, Ausgeglichenheit und Lebensfreude, wenn wir nicht depressiv sind – mehr dazu in Kapitel 3 (weitere Beispiele, denen wir uns später im Buch zuwenden, sind Meditation und Psychedelika). Mit anderen Worten: Bewegung steigert das Wohlbefinden weitgehend unabhängig von unserem »Ausgangszustand«.
Ähnlich könnte es sich mit gesunder Ernährung verhalten, wofür es auch einige empirische Hinweise gibt. In einer Studie zum Beispiel haben neuseeländische Forscher die Tagebücher von gut 280 Jugendlichen durchkämmt, in denen diese festgehalten hatten, was sie aßen und wie sie sich fühlten. Wie die Auswertung ergab, waren die jungen Menschen entspannter, glücklicher und enthusiastischer, wenn sie am Tag zuvor mehr Obst und Gemüse als sonst konsumiert hatten.[25] In einem Experiment gab das gleiche Forscherteam einer Gruppe von (nicht-depressiven) Jugendlichen zwei Wochen lang täglich zwei Extraportionen Obst und Gemüse, die es – unter Beibehaltung ihrer sonstigen Ernährungsweise – zu verzehren galt. Der Effekt: Die jungen Leute fühlten sich im Verlauf der Tage immer lebendiger, engagierter und motivierter, während sich bei einer Kontrollgruppe, die ihre Ernährung nicht änderte, nichts dergleichen tat.[26]
In einer größeren Analyse mit Daten über einen Zeitraum von mehreren Jahren hat man etwas Vergleichbares beobachten können: Wenn nicht-depressive Menschen anfangen, mehr Obst und Gemüse zu essen, fühlen sie sich nach eigenen Angaben mit der Zeit glücklicher und schätzen ihre Lebenszufriedenheit höher ein.[27] Insgesamt spricht also einiges dafür, dass eine gesunde Ernährung dem Gehirn wie auch der Psyche nicht bloß im Falle einer Depression guttut, sondern unsere Gemütsverfassung allgemein hebt und beflügelt.
Leider hatte die Forscherin Felice Jacka die Gehirne der Patienten in ihrem Diät-Experiment nicht näher untersucht. Dafür weiß man aus anderen Studien, dass einige jener Zutaten, die zum Kern einer gesunden Ernährung wie der mediterranen Kost gehören, unter anderem ein Schrumpfen des Hippocampus aufhalten oder den Hippocampus sogar zum Wachstum anregen können. Besonders gut belegt ist dies bei den erwähnten Omega-3-Fettsäuren, wie sie in großen Mengen in fettreichem Fisch, wie Lachs, Hering und Makrele vorkommen. Gibt man zum Beispiel älteren Menschen – dies ist das Resultat mehrerer Tests – täglich Fischölkapseln mit Omega-3, kann man nach einigen Monaten nachgerade eine Zunahme ihres Hippocampus-Volumens beobachten (sowie eine Stärkung ihrer Merkfähigkeiten).[28] Außerdem ergab erst kürzlich eine Metaanalyse unter Berücksichtigung von 26 Studien mit mehr als 2000 Testpersonen, dass Omega-3-Kaspeln tatsächlich zur Linderung einer Depression beitragen können.[29] Wie Omega-3-Fettsäuren