Konflikte und Verhandlungsmanagement im Vertrieb - Ludger Schneider-Störmann - E-Book

Konflikte und Verhandlungsmanagement im Vertrieb E-Book

Ludger Schneider-Störmann

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  • Herausgeber: UTB
  • Kategorie: Fachliteratur
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2024
Beschreibung

„Never give without taking“ ist das Verhandlungsmotto von Ludger Schneider-Störmann. Verhandlungen in gesättigten Märkten mit hartem Wettbewerb sind konfliktreich. Der Autor beschreibt gängige Konflikttypen und erläutert alle Facetten für ein erfolgreiches Management von Online- und Face-to-Face-Verhandlungen. Zudem gibt er Anleitungen für eine perfekte Vorbereitung und Durchführung. Das Buch richtet sich an Studierende der Betriebswirtschaftslehre, des Wirtschaftsingenieurwesens sowie des Vertriebs und an alle Studierenden mit Interesse am Vertrieb. Es eignet sich auch hervorragend für die Praxis. utb+: Begleitend zum Buch steht ein E-Learning-Kurs mit zahlreichen Fragen zum Vertiefen des Wissens zur Verfügung.

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Ludger Schneider-Störmann

Konflikte und Verhandlungsmanagement im Vertrieb

Ursachen, Strategien, Vorbereitung. Mit eLearning-Kurs

UVK Verlag · München

Prof. Dr.-Ing. Ludger Schneider-Störmann war über zehn Jahre im internationalen technischen Vertrieb aktiv und lehrt seit 2010 an der Technischen Hochschule Aschaffenburg.

 

Umschlagabbildung: © gremlin ∙ iStock

Autorenbild: © TH Aschaffenburg

 

DOI: https://doi.org/10.36198/9783838562674

 

© UVK Verlag 2024

‒ Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich.

 

Internet: www.narr.deeMail: [email protected]

 

Einbandgestaltung: siegel konzeption | gestaltung

 

utb-Nr. 6267

ISBN 978-3-8252-6267-9 (Print)

ISBN 978-3-8463-6267-9 (ePub)

Inhalt

VorwortAbkürzungen1 Seien Sie offen2 Was Sie vorher wissen sollten: Einleitung und GebrauchsanweisungAnleitung zum Lesen dieses Buchs100 Worte am Ende jedes Abschnitts3 Konflikte sind normal3.1 Was sind Konflikte und welche Arten gibt es?3.2 Ursachen von Konflikt3.2.1 Menschen ändern sich, deren Bedürfnisse auch3.2.2 Jetzt wird es knapp: Endliche und begrenzte Ressourcen3.2.3 Der kleine große Unterschied: Interkulturelle Ursachen3.2.4 Forderungen und Positionen3.2.5 Was ist da eigentlich los? Eine Konfliktanalyse zeigt es3.2.6 Komplexität von Konflikten3.2.7 Typische Konflikte in Marketing und Vertrieb3.3 Warum ist die Person denn so?„Das Problem sind die anderen bei uns“„Ich bin so, weil ich meine Familie alleine lasse“3.4 Vorbeugen und Erkennen: Konfliktprophylaxe4 Gehen Sie sicher in und durch Verhandlungen4.1 Wir verhandeln täglich4.1.1 In welchem Alter fangen Menschen an zu verhandeln?4.1.2 Sie können immer dazulernen4.1.3 In aller Munde: Das Harvard-Prinzip4.2 Was sind gute Verhandlungsergebnisse?4.2.1 Sprechen wir über Werte4.2.2 Andere Verhandlungsziele setzen4.2.3 Best Alternative to Negotiated Agreement – BATNA oder: Mir kann nicht so viel passieren4.2.4 Worst Alternative to Negotiated Agreement – WATNA oder: Die Angst des Torwarts vorm Elfmeter4.2.5 Gute Verhandlungsergebnisse verbessern die Beziehung4.3 Systematische Verhandlungsvorbereitungen geben Sicherheit4.3.1 Das Buying Center: Gut zu kennen4.3.2 Die Konfliktlandkarte: Viel besser als „nur“ das Buying Center4.3.3 Entscheidungshilfe: Wann verwendet man welche Methode?4.4 Macht in Verhandlungen ist vielseitig4.4.1 Nicht nur Wissen ist Macht4.4.2 Status ist nicht gleich Macht, aber beinahe4.4.3 Wie Macht verloren gehen kann4.4.4 Wie Macht hinzugewonnen werden kann4.5 Wer sitzt mir eigentlich gegenüber? Typisierung von Charakteren4.5.1 Welche Bedürfnisse sind dominant? Das Maslow-Modell4.5.2 Bin ich fest verankert? Der Karriereanker4.5.3 Vier Buchstaben für 16 Typen: Myers-Briggs-Typen-Indikatoren4.5.4 Ein gutes Team ist divers, sagt Belbin4.5.5 Vier Typen zwischen Dominanz und Gewissenhaftigkeit: Das DISG-Modell4.5.6 Muss ich mir alle Persönlichkeitsmodelle merken?4.6 Mit den richtigen Strategien und Taktiken in Verhandlungen erfolgreich sein4.6.1 Lassen Sie sich nicht alles gefallen: Offensive Taktiken4.6.2 Verteidigen Sie Ihre Standpunkte und Forderungen: Defensive Taktiken4.6.3 Durch Gemeinsames eine Einigung erzielen: Integrative Taktiken4.7 Kommunikation: POV Fragen und Zuhören4.7.1 Was man sagen will, ist nicht immer das, was gehört wird4.7.2 Alle hören dasselbe, verstehen es aber anders: Schulz von Thun sagt warum4.7.3 SPIN-Fragetechnik: erfahren, was die andere Seite wirklich benötigt4.7.4 Grundlage: Kennen Sie alle Fragetypen?4.7.5 Verhandlungs-Jeopardy! Richtige Fragen finden, um brauchbare Antworten zu bekommen4.7.6 Klingt Attraktiv: Das Kano-Modell der Kundenzufriedenheit4.7.7 Bringen Sie Wünsche in Sicherheit mit dem House of Quality4.8 Kommunikation: POV – Richtig verstehen und deuten4.8.1 Körpersprache und ähnliche kommunikative Mittel4.8.2 Aufmerksamkeit um jeden Preis4.9 Es gibt ein Muster: Dynamik im VerhandlungsprozessPhase 1: Alles muss auf den TischPhase 2: ZOPA findenPhase 3: Ziel erreichen4.10 Unterschiede von Online- und Präsenzverhandlungen4.10.1 Face-2-Face heißt alle fünf Sinne adressieren4.10.2 Entscheidungsfindung: Online oder Präsenz?4.10.3 Sind die alle echt?5 Der Fahrplan des Verhandlungsmanagements5.1 Ein bis zwei Wochen vor der Verhandlung: Basisvorbereitung5.1.1 Vorbereitung der Verhandlungssituation: Konfliktlandkarte und Lösungsansätze5.1.2 Sparring – Training ist das halbe Leben5.2 Stunden vorher: Physische und psychische Vorbereitung für die Verhandlung5.2.1 Kleider machen Leute. Und Stimmung!5.2.2 Stunden davor: Essen hält Leib und Seele zusammen5.2.3 Die Minuten davor: Doping für die Seele5.2.4 Wenn das Treffen nicht bei Ihnen stattfindet: Kurzfristige Vorbereitungen5.3 In der Verhandlung: Meine Verhandlung, meine RegelnCheckliste einer Verhandlung5.4 Weitere Tricks für erfolgreiches Verhandeln5.4.1 Wer Schreibt der bleibt5.4.2 Is it legal, is it fair?5.4.3 In der Ruhe liegt die Kraft5.5 Lösungen5.5.1 Lösungsstrategien5.5.2 Drei Ebenen ebnen den Weg: Gandhi hat es bewiesen5.5.3 Persönlichkeiten gehen unterschiedlich in Konflikte5.6 Wenn nichts mehr geht: Verhandlungsstau auflösenVerlassen der VerhandlungZustimmen zu allen Forderungen und PositionenÜber das Nein hinwegkommen5.7 Nach der Verhandlung ist vor der Verhandlung – oder Wie war ich?6 Zum Schluss: Aus dem Nähkästchen geplaudert6.1 Meine persönlichen Regeln zum Verhandlungserfolg6.2 Mein Verhandlungs-ABC7 Lösungen der Aufgaben und AnmerkungenLösungsbeispiel ▶ Übung 3.1 | Reflexion zu sozialen Aggregaten und ZielenLösungsbeispiel ▶ Übung 4.1.1 | Reflexion über Verhandlungen zur ReflexionsübungLösungbeispiel ▶ Übung 4.2.2 | Kaufen Sie im Geschäft ein Produkt (oder tun Sie so als ob)Lösungbeispiel ▶ Übung 4.2.2 | StartkonfliktLösung ▶ Übung 4.3.2 | KonfliktlandkarteLösung ▶ Übung 4.5.6 | a: Welche Belbin-Typen sind nach DISG dominant (rot)?Lösung ▶ Übung 4.5.6 | b: Welche Belbin-Typen sind nach DISG stabil (grün)?Lösung ▶ Übung 4.5.6 | c: Welche Belbin-Typen sind nach DISG beeinflus-send (gelb)?Lösung ▶ Übung 4.5.6 | d: Welche Persönlichkeitstypen nach Myers-Briggs bzw. DISG passen zu welchem Belbin-Typen? Ordnen Sie für jeden Belbin-Charakter einen oder mehrere DISG- und MBTI-Charaktere zu.Lösung ▶ Übung 4.7.1 | Vertiefung des Sender-Empfänger-ModellLösung ▶ Übung 4.7.2 | Selbstreflexion zu den EbenenLösung ▶ Übung 4.7.6 | Die Kano-Methode8 Weiterführende LiteraturRegister

Vorwort

Als ich in den Jahren 2012–2015 an meinem ersten Buch zum Technischen Vertrieb arbeitete, entstand ein Fachbuch mit sehr, sehr viel technischem Inhalt. Ideal für meine Studierenden, die dieses Buch im 1., 3., 4. und 6. Fachsemester nutzen konnten. Ein ehemaliger Kollege aus der Industrie sprach mich seinerzeit auf das Buch an. Er sagte, dass das Buch super sei, aber zu schwer für eine Bettlektüre. Gut dachte ich, ich wollte ja auch keine Märchen erzählen. Nun, beinahe zehn Jahre später, habe ich mein zweites Buch vollendet: Sie halten es gerade in den Händen. Es ist ein Lehrbuch für Studierende und ein Nachschlagewerk für Praktiker zugleich. Kein Märchenbuch, aber mit guten Geschichten, die nicht nur wahr, sondern auch passiert sind.

In diesem Buch stecken über ein Jahrzehnt Industrieerfahrung, beinahe 30 Semester Lehre und wissenschaftliche Arbeit. Ich habe mein Seminar Konflikt- und Verhandlungsmanagement über 25-mal gehalten. Jedes Jahr habe ich es weiterentwickelt und die Didaktik angepasst. Dieses Buch ist das Ergebnis dieser Arbeit.

Mir war das Recherchieren, Reflektieren und Schreiben immer eine große Freude. Hier und da musste ich mich bremsen, wenn ich auf etwas Neues gestoßen bin, was mir mitteilungswürdig erschien. Das war hoffentlich auch in Ihrem Sinne, denn ich wäre heute noch nicht fertig und Sie würden auf dieses Buch immer noch warten.

Im Kapitel „Was Sie vorher wissen sollten“ finden Sie u. a. meine Empfehlungen, wie Sie mit diesem Buch umgehen können. Legen Sie nun direkt los. Viel Freude beim Lesen und Ausprobieren (ja, Übungen gibt es auch), beim Stöbern und Nachschlagen, beim Lernen und – mit Grüßen an alle Kolleginnen und Kollegen – auch beim Lehren.

Alle Abschnitte beginnen mit einem Zitat. Seien Sie gespannt. Dieser Abschnitt endet mit einem:

„What I love most about reading: It gives you the ability to reach higher ground. And keep climbing.“

Oprah Gail Winfrey (*1954)

Übrigens: Beim Schreiben der Texte dieses Buchs war keine Künstliche Intelligenz beteiligt, sondern nur…

Ludger Schneider-Störmann, im Sommer 2024

Abkürzungen

Abb. | Abbildung

aka | also known as

B2B | Business to Business

B2C | Business to Customer

BATNA | Best Alternative to Negotiated Agreement

bzw. | beziehungsweise

DISC | Dominance – Influences – Steadiness – Conscientiousness

DISG | Dominanz – Initiativ – Stetig – Gewissenhaft

DND | Do Not Disturb

ERP | Enterprise Resource Planning

ggf. | Gegebenenfalls

GPOP | Golden Profiler of Personality

HoQ | House of Quality

MBTI | Myers-Briggs Typen Indikator

MIT | Massachusetts Institute of Technology

o.ä. | oder ähnliches

POV | Point of View

SPIN | Situation – Problem – Implication – Need-payoff.

TMS | Team Management Systems

UK | United Kingdom

USA | United States of America

usw. | Und so weiter

WATNA | Worst Alternative to Negotiated Agreement

ZOPA | Zone Of Possible Agreement

1Seien Sie offen

„Your Mind is like a parachute: It doesn’t work if it is not open.“

Frank Zappa (*1940 †1993)

Ich werde manchmal gefragt, was dagegenspricht, die Jahrhunderte alte Schreib- und Sprechweise beizubehalten. Der Käufer, der Kunde, der Chef, der Student, der Leser. Das war doch schon immer so. Ich antworte (den meist männlichen Kritikern): „Gut, dann sprechen wir nun im Folgenden von der Käuferin, der Kundin, der Vorgesetzten, der Studentin, der Leserin. Wie fühlt sich das für Sie an?“ Die Antwort ist meist ‚das möchte ich nicht‘. Die Ursache sehe ich darin, dass sich meine meist schon etwas älteren Gegenüber so fühlen, als hätten sie sich Jahrzehnte lang falsch verhalten. Aber das ist zu kurz gegriffen. Diese Menschen haben nichts falsch gemacht, weil in den 1980er-Jahren das Bewusstsein für gendergerechte Sprache sehr rudimentär war und nicht in der Öffentlichkeit bekannt. Jetzt, in den 2020er-Jahren, ist das vorbei. Sprache und Schrift verändern sich kontinuierlich. Veränderung ist wichtig für ein Weiterkommen. Also werde ich mal die eine, mal die andere Form verwenden: der Kunde, die Vorgesetzte, die Studierenden. So bleibt der Text lesbar und adressiert die ganze Leserschaft1.

2Was Sie vorher wissen sollten: Einleitung und Gebrauchsanweisung

„Sit down and read. Educate yourself for the coming conflicts.“

Mary G. Harris Jones (*1830 †1930)

Sind Sie heute früh gut aus dem Bett gekommen? Oder wären Sie gerne noch ein paar Minuten liegen geblieben? Wie auch immer Sie sich entschieden haben, das war Ihr erster Konflikt am Morgen, den Sie durch eine Verhandlung mit sich selbst gelöst haben. Sie haben vielleicht Vor- und Nachteile abgewogen, sind den Tag durchgegangen, um zu prüfen, ob die zehn Minuten am Morgen noch sein dürfen oder mittags für ein Power-Nap Zeit ist. Und vielleicht haben Sie sogar eine ganz andere Lösung gefunden. Auf jeden Fall war Ihre Verhandlung mit Ihrem Selbst erfolgreich. Übrigens Danke dafür, dass Sie sich fürs Wachwerden entschieden haben, denn sonst würden Sie dies hier nicht lesen.

Nicht nur die Verhandlung am Morgen, sondern jede Verhandlung endet mit einer Lösung. Das gilt tatsächlich auch für gescheiterte Verhandlungen. Denn dann haben beide Seiten anerkannt, dass man sich nicht einigen wird, dann ist die Lösung offenbar, dass man voneinander getrennte Wege gehen wird (siehe dazu BATNABATNA).

Damit Verhandlungen mit einer Einigung enden, sollten sie gut vorbereitet und zielgerichtet geführt werden. Sie werden in diesem Buch das wiederfinden, was ich meinen Studierenden dazu in Seminaren und Übungen vorgestellt habe. Sie werden dadurch sicherlich besser in Verhandlungen. Und das nicht nur im Beruf, sondern auch im privaten Umfeld.

Wozu beschäftigen wir uns dann aber mit KonfliktenKonflikt? Ganz einfach: Konflikte sind die Ursache für die Notwendigkeit von Verhandlungen. Ein Konflikt ist meistens auch nichts Schlimmes. In unserem Sprachgebrauch ist Konflikt oft negativ besetzt. Ich sehe das durchaus anders und hoffe, dass Sie sich meiner Sichtweise am Ende des → Kapitels 3 anschließen werden.

Es gibt viele Konflikttypen, man könnte auch von unterschiedlichen Konfliktarten sprechen. Dies ist nicht zu verwechseln mit den KonfliktmodusKonfliktmodus, den Personen bei der Lösung bevorzugen. Lernen Sie einige davon kennen, Sie sind sicherlich schon vielen begegnet. Um die Komplexität von Konflikten zu erfassen, ist es hilfreich, diese zuvor einer Konfliktanalyse zu unterziehen.

„We cannot negotiate with people who say what’s mine is mine and what’s yours is negotiable.“

John Fitzgerald Kennedy

Ich kann dem nur zustimmen. KooperationKooperation und WettbewerbWettbewerb sind die beiden Stichworte, die hier ins Spiel kommen. Verhandeln kann man nur mit kooperativen Gesprächspartnern, also solchen, die bereit sind, von ihren Forderungen abzuweichen.

Sind die Konflikte bekannt und idealerweise deren Ursachen gefunden, kommen wir zur Verhandlung selbst. Bewusst oder unbewusst, wir verhandeln vom ersten Atemzug an. Meistens verhandeln wir intuitiv, ohne darüber nachzudenken. So machen es auch meine Studierenden vor dem Besuch meines Seminars: Ich lasse sie in der ersten Veranstaltung immer eine kurze Verhandlung durchführen. Im Grunde hat diese eine einfache Aufgabenstellung: eine Person verkauft ihr altes Auto, um einen Gebrauchtwagen bei einer anderen zu kaufen. Die zweite Person ist ebenfalls eine Studierende. Die Story dazu bekommen beide ausgehändigt, die VerhandlungsspielräumeZOPAVerhandlungsspielraum sind klar definiert. Die Gespräche sind laut, lebhaft und die Studierenden haben viel zu lachen. Am Ende tragen wir die Ergebnisse aller Paarungen zusammen und halten diese fest. In der Feedback-Runde sagen einige, dass sie sich mit ihrem erzielten Ergebnis schlecht fühlen. Andere freuen sich, einen überraschend guten Abschluss gemacht zu haben. Das klingt nicht nach Zufriedenheit auf allen Seiten.

Gegen Ende des Semesters haben die Studierenden Methoden an die Hand bekommen, wie sie sich auf Verhandlungen vorbereiten und diese auch zielgerichtet führen können. Dann lasse ich sie dieselbe Verhandlung nochmals durchspielen, diesmal mit gebührender Seriosität. Die Ergebnisse sind dann meistens ausgewogener, die Studierenden zufriedener mit ihren Einigungen. Die Ursache liegt in der systematischen VerhandlungsvorbereitungVerhandlungsvorbereitung und den Methoden der VerhandlungsführungVerhandlungsführung, die ich den Studierenden zeige.

Eine gute Verhandlung beginnt also mit deren Vorbereitung. Sie geht weiter mit einer Gesprächsführung, die bewusst geführt und in weiten Teilen auch geplant ist. Gut, dass viele Verhandlungen in der Regel derselben Dynamik unterliegen. So lassen sich diese gut steuern.

Der Faktor Mensch ist aber unberechenbar, einerseits. Dies erschwert die Verhandlungsführung. Andererseits gibt es bestimmte Typen bzw. Charaktere von Menschen. Kennen wir grob den Charakter, erleichtert das unsere Verhandlung. Hier helfen Modelle, die aus der Psychologie kommen. Einige Modelle von PersönlichkeitstypenPersönlichkeitstypen stelle ich vor und Sie lernen die Typisierung der Charaktere. Wenn Sie wollen, lernen Sie auch ihren Typus kennen.

Wenn wir verhandeln, kommunizieren wir. In diesem Buch betrachten wir das aus zwei Blickwinkeln – Points of View (POV). Ein POV befasst sich mit Fragen und Zuhören. Ein zweiter damit, Inhalte richtig mitzuteilen und zu verstehen.

Mit dem Verkauf von Produkten verbinden viele auch eine intensive Reisetätigkeit. Als Ende 2019 Corona ausbrach, fanden Face-to-Face-Meetings ein jähes Ende. Und schon stellte sich die Frage was besser ist: Online- oder Präsenzverhandlungen? Ich verrate schon einmal die Lösung: keine ist besser oder schlechter als die andere. Dennoch gibt es Situationen, in denen die eine oder die andere mehr Vorzüge hat. Um das nachzuvollziehen und entscheiden zu können, brauchen Sie alle fünf Sinne – nicht nur im übertragenen Sinn.

Nach dieser Einleitung führen Sie schon die nächste Verhandlung mit sich selbst: Lese ich gleich jetzt weiter oder erst morgen früh? Wie auch immer Ihre Verhandlung ausgeht, ich wünsche Ihnen viel Spaß und Freude beim Lesen und Üben.

Anleitung zum Lesen dieses Buchs

Wollen Sie verstehen, was Konflikte sind und warum diese entstehen? Dann ist → Kapitel 3 ihr idealer Einstig in dieses Buch. Nicht nur für Verhandlungen, sondern auch in anderen Zusammenhängen treten ja reichlich Konflikte auf. Sie werden verstehen, wo die Ursachen bzw. Quellen von Konflikten liegen. Das hilft manchmal auch beim Verstehen der Verhandlungspartnerinnen.

Wenn Ihr primäres Interesse daran liegt, besser in Verhandlungen zu werden, fangen Sie mit dem → Kapitel 4 an. Sie erfahren Grundsätzliches, finden erlebte Geschichten und außerdem eine große Zahl an Tools mit verschiedenen Methoden, mit denen Sie Ihre Ziele leichter erreichen. Außerdem erfahren Sie hier viel über die Persönlichkeitsmodelle, mit denen Sie sich aber auch Ihre Gegenüber beschreiben und besser in den Griff bekommen können.

Haben Sie schon Erfahrung in Verhandlungen, starten Sie mit → Kapitel 5. Dort finden Sie Anleitungen und Checklisten für die Zeit vor, unmittelbar vor, in und nach der Verhandlung. Bei Gelegenheit gehen Sie dann in die entsprechenden Abschnitte der vorangegangenen Kapitel, um Ihr Verständnis zu wiederholen, zu vertiefen oder um Neues zu erfahren.

Oder möchten Sie erfahren, welche Regeln ich mir gesetzt habe, im Rahmen von Verhandlungen? Im → Kapitel 6 finden Sie Aufzählungen, was ich so alles getan habe, um fit für Verhandlungen zu sein.

Möchten Sie etwas nachschlagen? Ich habe einen umfassenden → Index angelegt. Sie sollten schnell das Entsprechende finden.

Wenn Sie nach der Lektüre tiefer in die Materie einsteigen möchten: Das → Literaturverzeichnis bietet Ihnen ausreichend Gelegenheiten, dies zu tun. Übrigens: Diese Lehrbuch basiert auf gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Damit stellt dieses Lehrbuch eine positive Ausnahme in Ihrem digitalen oder analogen Bücherregal dar.

Zu guter Letzt finden Sie → Übungen, die entweder online zur Verfügung gestellt werden oder die Sie im Buch direkt finden. → Lösungen und Hinweise erhalten Sie wiederum online oder am Ende dieses Buchs.

100 Worte am Ende jedes Abschnitts

Am Ende jedes Abschnitts finden Sie 100 Worte über diesen Abschnitt. Tatsächlich sind es inklusive der beiden Fragen immer genau 100 Worte. Nicht eines mehr, nicht eines weniger. Hier finden Sie kurz und knapp noch einmal, worum es in dem Abschnitt ging und wie Sie dies nutzen können. 100 Worte nutze ich auch in Seminaren und Vorlesungen, um Begriffe oder Abschnitte zusammenzufassen. 100 Worte ist eine schöne Übung, um einen Sachverhalt wie in einem Pitch zusammenzufassen. Sollte ich mich einmal verzählt haben, lassen Sie es mich gerne wissen.

Der Abschnitt in 100 Worten

 

Worum ging es? Eine Einleitung und ein Überblick über die Inhalte dieses Buchs steht am Anfang. Alle wesentlichen Aspekte sind aufgelistet und in Teilen wird auch schon auf den entsprechenden Abschnitt verwiesen. Im Anschluss finden Sie eine Anleitung zum Lesen dieses Buchs. Für alle Lesenden habe ich je nach primären Interessen oder auf deren Vorkenntnissen basierende entsprechende Kapitel empfohlen.

Wie wenden Sie das an? Mit der Einleitung können Sie sich in die Thematik eindenken. Die Anleitung nutzen Sie, um direkt zu dem Kapitel zu springen, welches Sie am meisten interessiert. Oder Sie lesen das Buch von Anfang bis zum Ende.

Nun? Haben Sie die Wörter mal gezählt?1

3Konflikte sind normal

„Wenn es Ihnen tatsächlich gelingt, eine Utopie zu schaffen, haben Sie eine Welt ohne Konflikte geschaffen, in der alles perfekt ist. Und wenn es keine Konflikte gibt, gibt es auch keine Geschichten, die es wert sind, erzählt zu werden – oder gelesen zu werden!“

Veronica Roth (*1988)

Wissenscheck | Zu diesem Kapitel werden Fragen online angeboten. Sie können diese über den folgenden Link aufrufen oder einfach den QR-Code mit Ihrem Smartphone scannen.

🔗 https://narr.kwaest.io/s/1258

Konflikte sind an der Tagesordnung. Jede und jeder von uns hat täglich zahlreiche Konflikte. Diese werden umgangen, ausgesessen, gelöst usw. Wenn wir Menschen keine Spezialisten in Konfliktlösung wären, kämen wir wahrscheinlich nicht einmal von zu Hause zur Bäckerin und mit Brötchen oder Brot wieder zurück. Die größte Zahl an Konflikten sind innere Konflikte – also Konflikte mit uns selbst. Und wir lösen diese oftmals in Bruchteilen von Sekunden, denken sogar selten darüber (intensiv) nach. Um in den nachfolgenden Kapiteln auf Konfliktlösungen durch Verhandlungen vorbereitet zu werden, sind einige Grundlagen hilfreich. Klären wir also, was Konflikte sind und welche möglichen Ursachen Konflikte haben.

3.1Was sind Konflikte und welche Arten gibt es?

„Ohne Ihre Beteiligung kann ein Konflikt nicht überleben.“

William Dyer (*1940 †2015)

Überblick | In diesem Kapitel erfahren Sie, …

was Konflikte sind,

dass Konflikte nicht nur negativ sind,

was für Konfliktpartner es geben kann und

welche Konfliktarten es gibt.

Zunächst ist es wichtig zu unterscheiden, wer Konflikte mit wem haben kann. Meistens denken wir dabei entweder an Konflikte zwischen zwei Personen (Individuen) oder aber an die großen Konflikte, die mit kriegerischen Mitteln zwischen Staaten ausgetragen werden. In der Geschäftswelt gibt es überwiegend die Konflikte zwischen Individuen, die kriegerischen gibt es aber nicht. Schauen wir uns also an, wer in der Geschäftswelt Konflikte miteinander haben kann.

Ich habe schon von der einzelnen Person als Individuum gesprochen. Individuum ist der Fachbegriff für eine Person als eine Variante der vier sozialen Aggregate. Es gibt folgende weitere soziale Aggregate: die Gruppe, die Organisation und die Umwelt. In einer Gruppe befinden sich mehrere Individuen, die ein gemeinsames Ziel haben. Das sind z. B. die Fans einer Musikgruppe auf einem Konzert. Schließen die Fans sich zu einem Verein zusammen, wird aus der Gruppe eine Organisation: es gibt Repräsentanten, Hierarchien usw. In einem Unternehmen sind als Beispiele die Abteilungen zu nennen, also Produktion, Vertrieb, Marketing, Einkauf und andere. Das Unternehmen selbst ist natürlich auch eine Organisation. Eine Organisation kann also aus kleineren Organisationen, Gruppen und Individuen bestehen.

Die Umwelt beschreibt alles, was das Unternehmen oder die anderen sozialen Aggregate umgibt. Die Gesellschaft mit ihren Regeln, der Staat mit seinen Gesetzen oder Verbände mit ihren Richtlinien und Normen gehören zur Umwelt.

Definition | KonfliktKonflikt

 

Existieren zu einem Aspekt, Thema oder Sachverhalt unterschiedliche Ziele, Meinungen, Vorstellungen oder sonstigen Differenzen zwischen mindestens zwei sozialen Aggregaten und sind diese sozialen Aggregate über diesen Aspekt, dieses Thema oder diesen Sachverhalt direkt miteinander verbunden, so liegt zwischen diesen sozialen Aggregaten ein Konflikt vor.

Definition | KonfliktpartnerKonfliktpartner

 

Konflikte können zwischen jedem sozialen Aggregat mit einem oder mehreren anderen beliebigen sozialen Aggregaten bestehen. Diese müssen direkt miteinander verbunden sein. Diese direkt miteinander verbundenen sozialen Aggregate sind die Konfliktpartner.

Ein Konflikt ist also zunächst nichts Problematisches. Ich habe Konflikte eher als Chance verstanden, sich mit anderen auf ein Ziel zu einigen, welches wir dann gemeinsam erreichen. Konflikte können so banal sein, wie die Frage danach, ob man mit seinem Partner in eine Pizzeria oder in ein Sushi-Restaurant geht. Konflikte treten also auf, wenn Differenzen entstehen. Man kann folgende KonfliktartenKonfliktarten definieren:

strukturelle KonflikteStruktureller Konflikt

Diese kommen zwischen zwei oder mehreren Organisationen vor. Im Konflikt geht es beispielsweise um Reorganisation, strukturelle Veränderungen oder Inkompatibilitäten von Prozessen.

interpersonelle KonflikteInterpersoneller Konflikt

Hier liegt ein Konflikt zwischen mindestens zwei Individuen vor, die z. B. uneins über persönliche Ansichten oder anderes sind.

intrapersonelle KonflikteIntrapersoneller Konflikt

Dies sind Konflikte, die ein Individuum mit sich selbst austragen muss. Erinnern Sie sich an die Verhandlung, die Sie heute früh mit sich selbst hatten? Das war ein interpersoneller Konflikt. Mit Blick auf die Definition von Konflikt ist dies ein Sonderfall, weil es nur einen Konfliktpartner gibt: das Individuum mit dem intrapersonellen Konflikt mit sich selbst.

Der Konflikt entsteht also aufgrund einer Differenz über etwas, was nahezu beliebiger Natur sein kann. Das Austragen der Konflikte ist für uns die Verhandlung. Darauf fokussieren wir uns hier.

Es gibt allerdings noch eine Feinheit, die ich nicht vorenthalten möchte, weil sie wesentlich sein wird für die Verhandlungen: Die verschiedenen Abhängigkeiten der Konfliktparteien voneinander. Diese liegen an der Erreichbarkeit der Ziele.

Kann nur eine Partei das Ziel erreichen, so sprechen wir von der kompetitivenAbhängigkeitkompetitive Abhängigkeit (Interdependenz). Können beide ihre Ziele nur gemeinsam erreichen, so befinden sie sich in der kooperativenInterdependenzkooperative Interdependenz.

100-Meter-Läuferinnen befinden sich in einer kompetitiven Abhängigkeit. Nur eine kann erste werden und das Rennen gewinnen. Bei Konflikten zwischen Unternehmen kommt dies in der Regel nur bei Wettbewerbern vor, die um einen Auftrag kämpfen. In beiden Fällen verhandeln die Beteiligten nicht miteinander. Eine sportliche Ausnahme gab es aber bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio: Im Hochsprung der Männer sind die Athleten Mutaz Essa Barshim und Gianmarco Tamberi an der Höhe von 2,36 m dreimal gescheitert, ohne vorher einen Fehlversuch gehabt zu haben. Das Reglement sah ein Stechen zwischen beiden Hochspringern vor – oder deren Aufgabe. Beide haben miteinander verhandelt und sich auf die gemeinsame Aufgabe geeinigt. Dadurch erhielten beide die Goldmedaille. Was für ein schöner sportlicher Moment. So ist aus Wettbewerb eine Kooperation entstanden.

Machen Sie eine kleine Übung, um über das Thema Konflikte zu reflektieren. Dadurch fühlen Sie sich auch in das Thema ein:

▶ Übung 3.1 | Reflexion zu sozialen Aggregaten und Zielen

 

Finden Sie mindestens drei Gruppen oder Organisationen, in denen Sie sich häufig aufhalten. Beantworten Sie für sich zu jeder Gruppe/Organisation die folgenden vier Fragen:

Welches sind die gemeinsamen Ziele?

Zu welchen Konflikten kam es in der (jüngeren) Vergangenheit?

Welche Verhaltensweisen anderer oder von Ihnen stehen im Widerspruch zu Ihren Zielen?

Haben Sie Alternativen zu den Zielen gefunden, falls diese nicht erreichbar waren?

Nehmen Sie sich dafür circa 15 Minuten Zeit. Gerne mit einem Kaffee oder Tee.

Jetzt kennen Sie die potenziellen Konfliktpartner und auch die Definition von Konflikt. Nicht jeder Konflikt verursacht uns also Unbehagen. Aber auch die größeren Differenzen werden Sie gut und ohne Bauchschmerzen angehen können. Die Vorbereitung zur Konfliktlösung, also der Verhandlung wird Ihnen schon Sicherheit geben. Aber dazu später. Zunächst schauen wir uns an, welche denkbaren Ursachen Konflikte zugrunde liegen.

Der Abschnitt in 100 Worten

 

Worum ging es? Hier drehte sich alles um die Basis: Was verstehen wir unter Konflikten? Was sind Konfliktpartner? Und welche verschiedenen Konfliktarten gibt es? Die Unterschiede zwischen intrapersonellen, interpersonellen und strukturellen Konflikten wurden hier vorgestellt. Außerdem sind einige Beispiele von kooperativen und kompetitiven sowie kompetitiven Interdependenz vorgestellt worden.

Wie wenden Sie das an? Sie verstehen unter einem Konflikt nichts grundsätzlich Negatives mehr, sie sind normal. Sie führen Ihre Auseinandersetzungen in Verhandlungen mit Ihren Konfliktpartnern, um eine Konfliktlösung zu erreichen. Auch können Sie aus Wettbewerb unter Umständen eine Kooperation machen. Dies ist dann möglich, wenn diese für alle einen Nutzen darstellt.

3.2Ursachen von Konflikt

„Die Ursache für fast alle Konflikte sind unerfüllte Erwartungen.“

Brenda Hewitt (*unbekannt)

„Heute ist alles ein Interessenkonflikt.“

Simon John Ritchie, aka Sid Vicious (*1957 †1979)

Überblick | In diesem Abschnitt erfahren Sie, …

was Konflikte verursachen kann und

welche Konflikttypen welche Ursachen haben können.

Sie erinnern sich? Ein Konflikt liegt vor, wenn zwischen den Konfliktparteien in Forderungen, Zielen usw. ein Unterschied besteht. Aber wann treten Unterschiede wo auf? Hier finden Sie eine Reihe von Konfliktursachen. Ich habe mich bemüht, diese so umfassend zu machen, wie möglich. Außerdem habe ich diese in Kategorien eingeteilt, damit Sie sich besser zurechtfinden.

Später wird es wichtig, die Ursachen aufzuspüren, denn dies hilft die Konflikte nachhaltig zu beenden. Dabei wird für Verhandlungen eine Landkarte der KonflikteKonfliktlandkarte durch das Aufstellen aller direkt und indirekt Beteiligten erstellt. (→ Abschnitt 4.3.2)

Auf alle potenziellen Konfliktursachen kann im Rahmen dieses Buchs nicht eingegangen werden. Dennoch möchte ich Ihnen hier eine Übersicht geben:

Konflikttypus

Konfliktursache bzw. Auslöser

Beziehungskonflikte

unterschiedliche Erwartungen der Partner

Entscheidungskonflikte

keine Entscheidungen

hierarchische Konflikte

unrealistische Forderungen durch Vorgesetzte

Lebensabschnittskonflikte

Ruhestand

Organisationskonflikte

Unternehmenskultur

Regelverletzung

Vertragsregeln

Rollenkonflikte

fehlende Identifikation mit einer Rolle

im Buch vorgestellt:

Allmendekonflikte

CO2-Emissionen

interkulturelle Konflikte

divergente gesellschaftliche Erwartungen

Kommunikationskonflikte

Sender-Empfänger-Diskrepanzen

(→ Abschnitt 4.7)

Machtkonflikte

Furcht vor Machtverlust

(→ Abschnitt 4.4.3)

Ressourcenkonflikte

begrenzte Rohmaterialien

Zielkonflikte

widersprüchliche Ziele und Erwartungen

(→ Abschnitt 4.2)

Tab. 1:

Konflikttypen und Auslöser | nach Rüttinger und Sauer 2016; Tries 2008a mit eigenen Ergänzungen

3.2.1Menschen ändern sich, deren Bedürfnisse auch

Wenn Sie mit einer Person gut und konfliktfrei auskommen, kann sich dies im Laufe der Zeit ändern. Denn Menschen verändern sich. Zum einen verändern sich die Bedürfnisse Bedürfnisseeinfach durch den Alterungsprozess. Nehmen wir den Wunsch nach Nahrung (stark vereinfacht): Muttermilch (Baby) ▶ Brei (frühe Kindheit) ▶ Fast Food (Jugend) ▶ gute Ernährung (Midlife) ▶ leicht verdauliche Nahrung (Alter). Im → Abschnitt 4.5 sind Persönlichkeitstypen und deren Bedürfnisse (u. a. nach MaslowMaslow, Abraham) beschrieben. Hier finden Sie einen tieferen Einblick darüber.

Eine Einschränkung der persönlichen Wünsche kann sehr schnell in einem Konflikt münden, wenn z. B. eine Person sich verunsichert oder bedroht fühlt. Ursachen können Verlustängste sein (Arbeit, Wohlbefinden, Freiheit usw.). Die Veränderungen können auch dann geschehen, wenn diese nur in der Vorstellung dieser Person stattfinden.

Werden Menschen für ein bestimmtes Verhalten bestraft oder belohnt, ändern sie ihr Verhalten. Eine Belohnung verstärkt die Häufigkeit eines Verhaltens, eine Bestrafung vermindert diese (Skinner 1974). Dieses Lernverhalten wirkt sich auch auf Verhandlungen aus, die wir wiederholt mit denselben Menschen führen. Dritte erkennen diese Veränderung. Oft folgt eine positive oder negative Rückmeldung (Feedback, Kritik), die offensichtlich und direkt, bewusst subtil oder auch unterschwellig (unbewusst) mitgeteilt werden kann. Die Empfänger der Kritik fassen diese als Strafe oder als Belohnung auf (oder sie sind einfach nur genervt, was sich negativ auswirken kann, z. B. in einer E-Mail-Antwort auf Kritik, die mit der Floskel „Danke für Ihr Feedback…“ beginnt).

3.2.2Jetzt wird es knapp: Endliche und begrenzte Ressourcen

Endliche Ressourcen bzw. solche, die begrenzt sind, werden schnell zu Konfliktursachen, sobald mehr als zwei soziale Aggregate Anspruch darauf erheben, also z. B. zwei Unternehmen oder Staaten. Diese Konfliktursachen können feiner gegliedert werden:

widersprüchliche Ziele

wirtschaftlicher Wettbewerb

Allmendekonflikte

Budget und Kaufkraft

Widersprüchliche Ziele

Sie möchten ein Smartphone mit sehr langer Akkulaufeit, das leicht ist? Das werden Sie kaum finden. Sie haben zwei sich widersprechende Ziele definiert. Man nennt das auch einen ZielkonfliktZielkonflikt. Das kommt recht häufig vor. Auch Kundenerwartungen sind oft widersprüchlich. Diese dann aufzuheben, ist nicht immer leicht. Die Methoden, die aus dem Kano-ModellKano-Modell abgeleitet sind, helfen Ihnen herauszufinden, was dem Kunden wichtiger ist. (→ Abschnitt 4.7.6)

Im Beispiel Smartphone geht es um Ressourcen, weil die Ladekapazität bei einem definierten Gewicht begrenzt ist. Wenn Sie mehr erwarten, muss das Akku schwerer werden, weil ein leichterer Akku dann nicht ausreichend Energie bereitstellen kann. Dieses Problem können Sie nur mit einem Kompromiss lösen.

Wirtschaftlicher Wettbewerb

Unternehmen konkurrieren um begrenzte Ressourcen. Wenn wir den Auftrag eines Kunden als Ressource ansehen, wird dies sofort verständlich, denn der Auftrag kann in der Regel nur einmal vergeben werden. Bei Rohstoffen ist dies in den vergangenen Jahren sehr deutlich geworden. Fossile Energiestoffe, Seltene Erden aber auch andere Rohmaterialien wie Sand sind hart umkämpft. Staaten versuchen ihren Firmen Vorteile in der Beschaffung der Rohstoffe zu verschaffen (siehe beispielsweise in Torres u. a. 2017; Flörke, Schneider und McDonald 2018; Lamb, Marschke und Rigg 2019; Zhang u. a. 2022).

Allmendekonflikte

Allmende bedeutet so viel wie „was jedem gehört“. Ein Allmendegut ist entsprechend ein Gut, auf das prinzipiell jeder zugreifen kann, welches aber begrenzt ist. Alle können es nutzen, nur nicht gleichzeitig. Das unterscheidet ein AllmendegutAllmendegut vom öffentlichen GutÖffentliches Gut, welches unbegrenzt und allen zur Verfügung steht.1 Beispiele für Allmendegüter sind die Straße, auf der Sie sich bewegen, Trinkwasser oder gemeinsam genutzte Einrichtungen. Die Konflikte treten dann auf, wenn zu viele zugleich ein Allmendegut nutzen wollen. Da Fischbestände in öffentlichen Gewässern (Weltmeere) auch zu den Allmendegütern gehören, haben sich seit langem Konflikt zwischen Staaten um die Fanggründe entwickelt.

Beschrieben hat diese Konfliktursachen der Mikrobiologe und Ökologe Garrett James HardinHardin, Garrett James (*1915 †2003) in seinem Aufsatz „The Tragedy of the CommonsThe Tragedy of the Commons“ (Hardin 1968). Die Tragödie der Allmende schildert Hardin in Kürze so: Gibt es eine Ressource, die den Menschen uneingeschränkt zur Verfügung steht, wird jeder versuchen, seinen Ertrag zu maximieren. Dies funktioniere nur so lange, bis das scheinbar unendlich verfügbare Gut doch knapp wird. Sobald nun die Zahl der Nutzer überhandnimmt, kommt es zur Tragik der Allmende: Jeder versuche weiterhin, seinen Ertrag zu maximieren. Das Gut reicht aber nicht mehr für alle. Es kommt zum Raubbau. Dadurch entstehen Kosten, die die Gemeinschaft tragen muss. Für den Einzelnen aber ist der momentane, kurzfristige Gewinn wesentlich höher, als die erst langfristig spürbaren Kosten. „Freedom in a commons brings ruin to all“, lautet Hardins Schlussfolgerung. Denkt man an den menschenverursachten Klimawandel, ist dies eine sehr treffende Beschreibung.

Budget und Kaufkraft

Ist der Preis für ein Produkt höher als die Zahlungsmöglichkeit des Interessenten, kommt es zu einem Konflikt, da das Budget nicht ausreicht, das Produkt zu kaufen. Bei der Kaufkraft ist es ähnlich. Hier entstehen ähnlich gelagerte Konflikte schneller, wenn es zu länderübergreifendem Handel kommt, da die Kaufkraft in einem Land mit niedrigem Bruttoinlandsprodukt oft niedriger ist als die in einem Land mit einem höheren Bruttoinlandsprodukt. Das kennen Bürgerinnen und Bürger beider Seiten im Deutsch-Schweizerischen sehr gut. Daher ist ein beliebtes Modell, in der Schweiz zu arbeiten (vergleichbar hohe Löhne) und in Deutschland zu wohnen (vergleichsweise niedrige Lebenshaltungskosten).

3.2.3Der kleine große Unterschied: Interkulturelle Ursachen

Die Gesellschaft, in der man aufwächst, prägt Menschen mehr als die Erziehung der Eltern. Das kann man bei Heranwachsenden beobachten. In ihrer Peergroup verhalten und kleiden sie sich oftmals anders, als es sich die Eltern gewünscht haben. Dies ist aus Sicht der Jugendlichen aber ein sinnvolles Verhalten, wollen Sie durch Kleidung die richtigen Signale der Gruppenzugehörigkeit senden. Das ist ähnlich wie bei der Corporate Identity in Unternehmen, wenn auf Messen alle Mitarbeitenden die gleiche Bekleidung tragen. Von außen ist es dann leicht sichtbar, dass sie zum selben Unternehmen gehören.

Gesellschaftlich Differenzen verursachen Konflikte

Auch in unterschiedlichen Kulturkreisen ist die Gesellschaft prägend. Eindrucksvoll haben das Inglehart und Welzel gezeigt (Inglehart 1997; 2020; Inglehart und Welzel 2005). Die Inglehart-Welzel-Cultural-MapInglehart-Welzel-Cultural-Map zeigt in unterschiedlichen Dimensionen die zeitlichen Veränderungen verschiedener Werte in Abhängigkeit von der primären kulturellen Prägung der Nationen (WVS Database, o. J.).

Ein für Sie wahrscheinlich gut nachvollziehbares Beispiel kommt aus Japan. Die Gesellschaft dort ist überwiegend konfuzianisch geprägt. Zwar lebt der überwiegende Teil der Japaner und Japanerinnen säkulär, ist also nicht gläubig. Dennoch hat sich dort etwas Konfuzianisches behauptet: Je mehr ich mich persönlich verbessere, umso näher komme ich dem höchsten religiösen Ziel. So ist es nicht verwunderlich, dass Kaizen (Veränderung zum Besseren) und viele andere qualitätssichernde und qualitätsverbessernde Methoden japanischen Ursprungs sind.

Sprachbarrieren auch innerhalb eines Sprachraums

Aber dies ist nur eine Quelle möglicher Konflikte. Besonders einfach zu erkennen ist die Sprachbarriere. Man muss nicht weit reisen, um Missverständnissen und Konflikten zu begegnen. Jemand aus Niederbayern, der sich keine Mühe gibt Hochdeutsch zu sprechen, wird wahrscheinloch schon 100 km von seinem Standort entfernt nicht mehr verstanden werden. Und auch wenn man den Dialekt versteht, kann es zu Konflikten kommen. Als ich im Jahr 2000 nach Thüringen ging, um mitten im ThüringerWald als Produktmanager zu arbeiten, gab es reichlich Reibung mit meinen ostdeutschen Kollegen. Als gebürtiger Nordrhein-Westfale fiel es mir schwer, dort einen guten Stand zu bekommen. Allerdings lag dies nicht – wie ich lernen musste – an den verschiedenen Dialekten. Zufällig wurde im Radio über ein deutsch-deutsches Problem in der Zeit nach der Wiedervereinigung gesprochen. So erfuhr ich, dass Pausen, die meine ostdeutschen Kolleginnen oft und mitten im Satz machten, durchaus üblich waren (Kreutz 2002). Ich als Rheinländer allerdings, empfand jede Pause als Einladung, sofort zu sprechen. Dabei waren meine Kollegen mit dem, was sie mitteilen wollten, nicht fertig. So erschien ich ihnen unhöflich und überheblich. Also änderte ich nach dem Radiobericht mein Verhalten. Kam eine Pause, wartete ich. Oft signalisierten die Gesprächspartnerinnen mir mit einem kurzen Nicken, dass sie alles gesagt hatten. Innerhalb kurzer Zeit veränderte sich die Einstellung zu mir und ich war ein gern gesehener Kollege „aus dem Westen“.

Normen sind nicht gleich Normen

Einige Konflikte ergaben sich auch, weil Staaten wie die USA und UK sich nicht an die internationalen Normen halten. Galonen satt Liter, Meilen statt Kilometern, Pound statt Newton usw. sind pragmatische Beispiele für Konfliktpotenziale.

Zwei anschauliche Beispiele möchte ich Ihnen gerne nennen: