König Artus - Arnulf Krause - E-Book

König Artus E-Book

Arnulf Krause

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Beschreibung

Mit Zauberkraft gezeugt, als unerkannter Königssohn groß gezogen, als kaum beachteter Knappe derjenige, der das Schwert Excalibur aus Amboss und Stein zieht – und damit zum König und Retter Britanniens wird: Artus. König Artus ist eine moderne Mythengestalt, die zu Hollywood-Verfilmungen und anderen Produktionen inspiriert, zu Theaterinszenierungen, Musicals, Comics und Fantasyliteratur. Symbolträchtige Requisiten wie das Schwert Excalibur, die runde Tafel oder der heilige Gral sind weithin bekannt. Was aber steckt hinter der populären Sagenfigur? Die Antwort führt zur überreichen Artusliteratur des Mittelalters, die europaweit geschrieben wurde und das Bild einer ebenso farbenprächtigen wie skurrilen Fantasiewelt entwarf. Dann verlieren sich die Spuren des Königs Artus immer mehr. Sie existieren aber und führen in die Epoche um das Jahr 500 auf die Britischen Inseln, in eine Zeit gewaltiger Umbrüche, aus der viel zu wenige Zeugnisse erhalten geblieben sind. Durch Befragung dieser Ursprünge zeichnet der Autor den Weg, wie aus einer historischen Person eine Sagenfigur und schließlich ein omnipräsenter Mythos wurde.

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Arnulf Krause

König Artus

Mythos und Geschichte

Inhalt

1.Wer WAR ARTUS? FACTS, FICTION, FANTASY

Artus, der Jahrtausendheld

Die Artuswelt: Höfische Pracht, Mythen und Esoterik

Der König als Held unter Helden

Zurück zu den Wurzeln: Die dunklen Jahrhunderte

2.Die ARTUSWELT DES THOMAS MALORY

Artus als Buchdruck – Thomas Malory und William Caxton

Mit Zauber gezeugt und von Feen entrückt – Die Vita des Artus

Die Ritter der Tafelrunde

Merlin und die Macht der Magie

Die Frauen der Artuswelt

3.Ritter, ZAUBERER UND DER HEILIGE GRAL – DIE ARTUSWELT IN DER GEGENWART

Nachwirkung bis zur Romantik

Der viktorianische Artus

Artus und die moderne Literatur

Der Fantasy-Artus

Artus in den modernen Medien

4.König ARTUS – DIE ERFOLGSGESCHICHTE DES MITTELALTERS

Artus tritt ins Licht der europäischen Geschichte und Literatur

Die Geschichte der britischen Könige und Artus

Artus vor und nach Geoffrey

Artus in Frankreich

Der deutsche Artus

Von Island bis Sizilien: Artus in Europa

Artus – Nachklang im Mittelalter

5.Artus UND DIE WELT DER KELTEN

Ein altes Buch in keltischer Sprache

Die Kelten und ihre Kultur

Die Kelten der Britischen Inseln

Irlands Mythen- und Sagenwelt

Wales – Heimat von Artus

Der keltische Artus

6.Dark AGE – DAS DUNKLE ZEITALTER DER BRITISCHEN INSELN

Rom in Britannien: Caesars Feldzüge

Rom in Britannien: Die Eroberung

Die römische Herrschaft

Das Ende des römischen Britanniens

Nachrichten aus der dunklen Zeit

7.Die SACHSEN KOMMEN

Germanen bedrohen die Nordseeküsten

Die Sachsen in ihrer Heimat

Die Einwanderungslegende

Die Angelsachsen prägen England

8.Artus – ENTSCHLÜSSELUNG EINER LEGENDE

Artus tritt auf die Bühne der Geschichte

Zwölf Schlachten und die Eine

Artus’ Grab? Die archäologischen Zeugnisse

Birgt der Name ein Geheimnis?

Der König im Berg und sein Hund – Über ein Jahrtausend Artus-Folklore

9.Rätsel IN DER ARTUSWELT

Merlinus der Zauberer

Merlin und die keltischen Druiden

Avalon und die Anderwelt

Was ist der Gral? Das größte Rätsel der Artuswelt

Schwerter, Lanzen und Tafelrunden

10.Der WAHRE ARTUS

Der vielgestaltige Artus

Der wahre Artus: Einige Vorschläge

Des Rätsels Lösung

Anhang

Zeittafel

Bibliografie

Quellen- und Werkregister

1. WER WAR ARTUS? FACTS, FICTION, FANTASY

Artus, der Jahrtausendheld

Wer kennt sie nicht, die Geschichte des britischen Mythenkönigs Artus: mit Zauberkraft gezeugt, als unerkannter Königssohn großgezogen, als kaum beachteter Knappe derjenige, der das Schwert Excalibur aus Amboss und Stein zieht – und damit zum König und Retter Britanniens wird. Ein heldenhafter Herrscher, der an seinem glanzvollen Hof Camelot die Ritter der sagenhaften Tafelrunde versammelt, darunter Lanzelot, Galahad, Gawain und Parzival, die ihre eigene Heldengeschichte erleben. Wie auch der geheimnisvolle Zauberer Merlin, der Artus berät, dessen Träume er deutet und der seine Prophezeiungen verkündet. Aber die Herrschaft des Königs endet tragisch: Er sieht sich gezwungen, seinen verräterischen Sohn Mordred zu töten und findet dabei selbst den Tod. Seine Frau Ginevra hat ihn mit dem edelsten Ritter Lanzelot betrogen, in Camelot machen sich Zwietracht und Streit breit. Die Gemeinschaft der Tafelrunde bricht auseinander, als sich ihre Ritter auf die Suche nach dem mysteriösen Gral begeben. Und Artus? Er soll gar nicht gestorben, sondern schwer verwundet auf einem Schiff von mythischen Frauen ins ferne Avalon gebracht worden sein. In dieser Form und mit zahlreichen Varianten und Nebengeschichten erzählte man sich die Artussage in vielen europäischen Ländern vom 12. bis ins 15. Jahrhundert. Seit 200 Jahren wird der Stoff vermehrt aufgegriffen und immer wieder aufs Neue dargestellt: als literarischer Text, in den bildenden Künsten und in den Genres des Hollywoodfilms und der digitalen Medien. König Artus erweist sich als Jahrtausendheld, der immer noch und immer wieder sein Publikum findet.

Eines der jüngeren Zeugnisse dieses anhaltenden Interesses ist die Verfilmung King Arthur: Legend of the Sword, die der britische Regisseur Guy Ritchie (*1968) 2017 präsentierte. Eine actionreiche Version mit hohem Tempo, deren Szenerien wenig mit Höfisch-Ritterlichem zu tun haben und umso mehr mit archaischen Fantasy-Welten, in denen sich der Held lange als Underdog bewegt, der unwillig ist, das Legendenschwert zu ergreifen. Viele Figuren und Details erzählt die Filmstory anders und ungewohnt. Gleichwohl bekundete Guy Ritchie seine enge und fast lebenslange Vertrautheit mit dem Stoff, der zu den fest verankerten englischen Erzählungen gehört (obwohl er ursprünglich eine keltische Geschichte ist, in der die Vorfahren der Engländer das Feindbild abgeben, doch dazu in diesem Buch mehr). Am Ende des Films rückt eine Art Tafelrunde ins Blickfeld, was darauf deutet, dass weitere Artusfilme geplant sind, die sich dann zu einem »Tafelrunden-Universum« vereinigen könnten (Berliner Morgenpost, 9. Mai 2017).

Auch im Rheinland hörte man gern von den Geschichten des britischen Königs und das bereits vor 800 Jahren. Ein anschauliches Zeugnis bringt der Zisterziensermönch Caesarius (ca. 1180–1240) aus dem Kloster Heisterbach nahe Bonn in seinem Dialogus Miraculorum (»Dialog über Wunder«, um 1220). Demzufolge habe sich der Abt während einer Predigt über seine unaufmerksamen und schläfrigen Mitbrüder geärgert. Zur Abhilfe habe er sich unterbrochen und direkt an die Zuhörer gewandt: »Hört, hört, Brüder! Ich weiß euch eine schöne neue Geschichte: Es war einmal ein König, der hieß Artus […]« (Distinctio 4, cap. 36). Sofort konnte er sich einer mehr als hohen Aufmerksamkeit sicher sein. Guy Ritchie und Caesarius von Heisterbach bezeugen die Popularität der Artussage über die Jahrhunderte. Zweifelsohne wird die Geschichte stets aufs Neue erzählt und variiert werden. Zudem wird im Folgenden zu zeigen sein, dass sie weit über Caesarius zurückreicht – wahrscheinlich um 700 Jahre.

Die Artuswelt: Höfische Pracht, Mythen und Esoterik

Die Artussage wächst im Laufe ihrer Überlieferung zu einer regelrechten Artuswelt heran, die außer ihren Ursprüngen allerlei Figuren, Motive und Requisiten an sich bindet. Manches davon mag inselkeltischer Herkunft sein und sich für die Rezipienten der letzten zwei Jahrhunderte mit der vielberufenen Magie des britischen Nordens verbinden: Avalon, Merlin, Feen und Anderweltkreaturen gehören dazu, womöglich sogar die Gralsvorstellung, die aber auch zutiefst mit dem Christentum verbunden ist. Jedenfalls ist der Figur des Artus ein archaisch-mythischer Zug nicht fremd, der zu vorchristlichen Stammesgemeinschaften und ihrer Religion führt. Auf den ersten Blick bietet sich die Artuswelt jedoch in einem höfischen Umfeld dar, wie es in der Ritterkultur des hohen Mittelalters verwurzelt ist. Verantwortlich für diese Dominanz ist vor allem der Engländer Sir Thomas Malory († 1471), dessen Werk über Artus und die Ritter der Tafelrunde nicht nur den fulminanten Schlusspunkt der mittelalterlichen Artusliteratur setzt, sondern auch als umfangreichster Text dieser Literatur eine ergiebige Quelle der Artuswelt bietet. Ihm kam zugute, dass es 1485 mittels des neu erfundenen Mediums des Buchdrucks publiziert wurde – dies war der Anfang seiner heutigen Erfolgsgeschichte, bietet es doch den bis dahin arg verwickelten und zersplitterten Stoff als geschlossenes Ganzes, das zudem gut lesbar ist. Artusfilme verweisen darum gern im Abspann auf Thomas Malory als Quelle.

Zumeist folgt man ihm auch in der Darstellung Camelots als höfische Welt, die den Idealen der Ritterkultur verpflichtet ist. Sie äußern sich in einer prächtigen Szenerie voll von aristokratischem Luxus und geprägt von religiöser Inbrunst. Die Ritter der Tafelrunde feiern mit ihren edlen Damen in Festsälen bei Wein und Gesang; deren kultivierte Sitten prägen das Bild einer höfischen Festkultur. Den eigentlichen Höhepunkt bilden die Turniere, in denen die Ritter ihre Kampfstärke messen. Camelot symbolisiert diese Kultur auf höchste Weise und bezieht dabei notwendigerweise höfische Bildung und ritterliche Tugenden wie Freigebigkeit und Tapferkeit mit ein. Thomas Malorys zivilisierte Artuswelt bietet jedoch aus der modernen Perspektive alles andere als ein rationales Bild, ist sie doch von ritualisierten Obsessionen durchdrungen: Dazu gehört die Aventiure-Sucht der Ritter, die geradezu zwanghaft Camelot verlassen, um Abenteuer zu bestehen – bestenfalls mit einem Gegner von gleichem Stande (vgl. Kap. 2). Aber diese teilweise symbolisch verrätselte Artuswelt der höfischen Kultur lässt immer wieder das andere durchschimmern, das erheblich älter ist und sich auf die oben angesprochenen mythisch-magischen Wurzeln der Inselkelten zurückführen lässt. Deren Gestalten tauchen aus den dunklen Winkeln der Natur auf, aus Wäldern, Höhlen und Gewässern. Figuren wie der Zauberer Merlin und die Fee Morgane repräsentieren offensichtlich eine ganz andere Seite der Artuswelt, gewissermaßen deren Tiefe – worauf sich etwa die amerikanische Autorin Marion Zimmer Bradley (1930–1999, vgl. Kap. 3) bezieht.

Folglich haben Forscher und Interpreten Artus nicht nur als mehr oder weniger säkulare Heldengeschichte mit einem mutmaßlichen historischen Kern verstanden, sondern auch auf einer mythischen wie archetypischen Grundlage. Demnach wären der Sagenkönig und seine Ritter vielleicht auf keltische Gottheiten zurückzuführen und böten somit ebenso eine Erklärung über die Ursprünge der Welt. Tiefenpsychologisch-esoterisch (diese Verbindung mag man mir hier nachsehen) kann etwa die Gralssuche des jugendlichen Helden als eine archetypische Suchbewegung des Menschen begriffen werden. Der Artusstoff verbindet jedenfalls wirkliche oder imaginierte historische Wahrheit mit paganen und christlichen Elementen, mit höfischer Dichtung und reicher Fantasiegestaltung. Auch Märchen und Mythen lässt er sich zuordnen, bis er schließlich als reichhaltige und tiefgründige Quelle der populären Fantasy-Kultur dient.

Der König als Held unter Helden

Unbestritten muss Artus als Heldengestalt gesehen werden, die sich in ihrem höfischen Gewand einer langen Reihe von Helden und Heldinnen zuordnen lässt. Keine Kultur kommt anscheinend ohne Gottheiten und Heroen aus, deren Beziehungen untereinander sehr unterschiedlich artikuliert werden. Die homerischen Helden um Hektor und Achill sind ebenso wie der spätere Herkules der Götterwelt eng verbunden, bis hin zum Status des Halbgottes. Die inselkeltischen Helden Irlands wie der legendäre Cú Chulainn weisen hingegen größere Distanzen zum Göttlichen auf, während es in der germanischen Überlieferung bei Dietrich von Bern, Siegfried oder Beowulf nicht mehr greifbar ist respektive als hochmittelalterliche fiktive Ausschmückung auftritt. Held und Heldin sind allerdings grundsätzlich außergewöhnliche Menschen, die positiv wie negativ bewertet werden. Zu ihren bemerkenswerten und sie heraushebenden Charakteristiken gehören unter anderem Herkunft und Geburt (bei Artus dient Merlins Magie als Unterstützung seiner Zeugung), eine Jugend im Verborgenen, die in eine außerordentliche Tat mündet (das Schwert im Stein), Tapferkeit im Kampf, aber auch das tragische Ende (Zerfall der Tafelrunde und Artus’ Fall). Der amerikanische Literaturwissenschaftler Joseph Campbell (1904–1987) ging in seiner umfangreichen Untersuchung The Hero with a Thousand Faces (1949, »Der Heros in tausend Gestalten«) den weltweiten Grundzügen von Heldenfiguren nach und entwickelte daraus eine Art von »Monomythos«. Seine Erkenntnisse haben sich sogar Drehbuchschreiber und Regisseure Hollywoods zunutze gemacht: In der Star-Wars-Reihe erfüllt etwa Luke Skywalker etliche der von Campbell formulierten heroischen Eigenschaften.

Sie finden sich auch in der Artusgestalt, wobei der König Britanniens besondere Züge annimmt. Denn recht bald entwickelt er sich von der Heldenfigur zum idealen König, der mit seinem Hof den anderen aktiveren Heroen der Tafelrunde einen angemessenen Rahmen bietet. Als idealer Herrscher nimmt er zudem die Rolle eines gebändigten Helden an, der seine persönlichen und heroischen Antriebe hinter die Gesetzte seines Reiches stellen muss – so etwa, wenn er sich außerstande sieht, selbst für Ginevras Ehre und Leben zu kämpfen. Ungebändigt gibt er sich hingegen als König mit einem geradezu imperialen Machtanspruch, demzufolge er viele Länder Europas erobert. Dabei erweist sich Artus mehr als Kriegs- denn als Friedensherrscher. Aber die von ihm gleichsam dominierte wie symbolisierte Artuswelt kennt bekanntlich eine Unzahl von Helden in Rittergestalt, und je nachdem darf man auch ihre weiblichen Figuren zum Heldenpersonal zählen.

Sie alle sind in ihren literarischen Überlieferungen im Mittelalter entstanden, im Jahrtausend zwischen 500 und 1500. Im hohen Mittelalter lassen sich die populären Heldengeschichten in mehreren Gruppen bündeln, die mal höfisch, mal archaisch, mal historisch geprägt sind. So unterschied man in der dominierenden französischen Kultur zwischen der Matière de Rome (dem römischen Stoffkreis), die Helden der antiken Überlieferung in ihren Mittelpunkt stellt, insbesondere den Kampf um Troja, Aeneas und die Gründung Roms sowie die Taten Alexanders des Großen, und der Matière de France (dem französischen Stoffkreis), deren Stoff auf Karl den Großen zurückführt und seinen treuen Gefolgsmann Roland. Als drittes kommt die Matière de Bretagne hinzu, also der bretonische bzw. britische Stoffkreis um König Artus, die Ritter der Tafelrunde und den Gral. Eine barbarischere Welt scheinen die irischen Helden Cú Chulainn und Finn mac Cumaill zu repräsentieren, deren ursprüngliche Handlungsräume in den Stammesgesellschaften des vorchristlichen Irlands zu finden sind. Walisische Heroengeschichten changieren zwischen diffusen Diesseits- und Jenseitswelten, die durchaus Anklänge an die Artuswelt des europäischen Kontinents aufweisen. Germanische Heldensagen stellen im Großen und Ganzen einen eigenen Stoff dar, der in Deutschland und Skandinavien Verbreitung fand. Dort stoßen wir auf die Geschichten von den Nibelungen um markante Heroen wie Siegfried (Sigurd im Isländischen), König Gunther, Hagen und die bemerkenswerten Heldinnen Kriemhild und Brünhild, aber auch den umfangreichen Sagenstoff um Dietrich von Bern. Als Kuriosum sei das einzige germanische Heldenepos Beowulf erwähnt, in angelsächsischer Sprache um das Jahr 1000 niedergeschrieben. Die Geschichten des Helden Beowulf sind in Südschweden und auf den dänischen Inseln angesiedelt. Ihren Kern mögen jene Angeln und Sachsen nach England mitgebracht haben, die König Artus so erbittert bekämpft hat, denen aber trotz seiner Siege letztendlich die Eroberung großer Teile der Britischen Inseln gelang.

Zurück zu den Wurzeln: Die dunklen Jahrhunderte

Ob heroische Gestalten auf mythologische Vorstellungen oder Schemata der Märchen zurückgeführt werden können, ist umstritten. Größere Sicherheit herrscht hinsichtlich ihrer historischen Wurzeln. Bereits antiken Helden unterstellte man eine mehr oder weniger reale Verknüpfung mit der Geschichte, so im archaischen Griechenland. Für Alexander den Großen (reg. 336–323 v. Chr.) erübrigt sich die Frage, ist er doch einwandfrei als historische Person bezeugt, die als Ausgang fabelhaften Gestaltens wirkte. Den irischen Sagen kann man nicht mehr als die Vorlage früher Stammeskriege auf der grünen Insel unterstellen, für das Wissen authentischer Personen fehlt schlichtweg die Überlieferung. Das Beowulf-Epos der Angelsachsen wird in seinen historischen Ursprüngen recht glaubwürdig mithilfe anderer Überlieferungen in die Zeit um 500 n. Chr. datiert. Selbstredend gilt das nicht für den Riesen- und Drachenkampf des Helden, der später um den geschichtlichen Kern fabuliert wurde. Erheblich glaubwürdiger wirkt hingegen die in Rolandsliedern gefeierte Heldengestalt aus dem Umfeld Karls des Großen, die als dessen Paladin Roland bezeugt ist, der 778 im Kampf fiel. Für manche germanischen Helden konnten historische Vorbilder gefunden werden, so im Burgundenkönig Gunther des Nibelungenliedes ein realer burgundischer König Gundaharius († 436) oder in Brünhild die fränkische Königin Brunichildis († 613). Insbesondere für Dietrich von Bern ist als Vorbild zweifelsfrei der ostgotische Herrscher Theoderich der Große (reg. 493–526) festzumachen. Ob der Drachenkämpfer Siegfried hingegen historische Wurzeln hat, ist mehr als umstritten. Für die Erforschung der Heldensagen ist nicht nur die Identifizierung mit realen historischen Personen ein Problem, sondern auch, wie sich um eine solche Gestalt neben der Aufnahme in historiografischen Chroniken eine Sage gebildet hat. Jedenfalls greifen Heldensagen das Geschehen einer Epoche auf, das für die jeweilige Gesellschaft von herausragender Bedeutung war oder später doch zumindest so angesehen wurde. Eine solche Zeit wird als Heroic Age bezeichnet, als heroisches Zeitalter, dem die Nachfahren eine große Bedeutung beimaßen. Für die Griechen war das die archaische Ära um den Trojanischen Krieg (dessen historische Authentizität umstritten ist). Die Isländer sahen die Zeit nach der Besiedlung ihrer Insel als ihre erinnerungswürdige Geschichte an (10. Jahrhundert) und schrieben 200 Jahre später darüber Isländersagas. Für die germanische Heldensage gilt die sogenannte Völkerwanderungszeit (375–568) als heroische Epoche, was sich in Migrationsbewegungen und Reichsbildungen ausdrückt, deren Geschehen personalisiert und damit an Taten und der Tragik des Einzelnen festgemacht wird.

Wie lässt sich die Gestalt des Königs Artus in diesem Zusammenhang fassen? Historischer Kontext und Realitätsbezug dieser literarischen Figur wurden schon in der mittelalterlichen Überlieferung angesprochen und diskutiert. Denn für Britannien und seine Monarchie hatte sie außer der sagenhaft-fabelhaften eine exponierte politische Bedeutung. Diese findet sich bereits in Geoffrey of Monmouths Historia regum Britanniae (»Geschichte der Könige Britanniens«, ca. 1136), mit der der »Hype« um König Artus begann. Prominente Förderer fand dieses Geschichtswerk in der normannischen Oberschicht, die ihre Herrschaft gegen das angelsächsische England damit legalisieren und weiter etablieren wollte (vgl. Kap. 4). Der britische Artus diente dabei als exemplarischer Held im Kampf gegen die eingewanderten Angelsachsen. Die Sagenthematik des wiederkehrenden Artus und die Historisierung des Königs gingen bereits im 12. Jahrhundert Hand in Hand: So erzählt etwa der Benediktiner Hermann von Laon († 1147, auch Hermann von Tournai) in seiner Sammlung von Marienwundern De miraculis Sanctae Mariae Laudunensis (»Von den Wundern der heiligen Maria von Laon«, II, 15; um 1140) von einem handfesten Streit, der im Kloster Bodmin in Cornwall ausgebrochen sei – das übrigens nur etwa 20 Kilometer von König Artus’ angeblichem Geburtsort Tintagel entfernt lag: Die einheimischen Briten (Britones) hätten sich der Behauptung eines Mannes mit einem lahmen Arm angeschlossen, wonach König Artus noch am Leben sei. Dies hätten die anwesenden Franzosen (Franci), nämlich Kanoniker aus Laon, bezweifelt. Diese Auseinandersetzung mag dem regionalen Volksglauben Cornwalls geschuldet gewesen sein. Einige Jahrzehnte später ging man von historischen Fakten aus, was im Fund des angeblichen Grabes von Artus und Ginevra einen Niederschlag fand – und das in Glastonbury in Somerset, das für Artus und seine Welt bis heute von größter Bedeutung ist. Dort soll man auch ein Bleikreuz mit einer rätselhaften Inschrift gefunden haben: Hic iacet sepultus inclitus rex Arturius in insula Avalonia, »Hier liegt der berühmte König Artus auf der Insel Avalon begraben« (Wolf 2009, 36).

Ob diese lateinische Inschrift auf irgendeine Art und Weise mit jener Steinplatte korrespondiert, die in Tintagel gefunden wurde, dem 6. Jahrhundert zugeschrieben wird und möglicherweise den Namen des Königs überliefert (vgl. Kap. 8)? Wenigstens führt uns diese in jene Zeit der britischen Geschichte, die später unter den Inselkelten als Heroic Age gesehen wurde, nämlich das 5. und 6. Jahrhundert. Für die Geschichtsschreibung gilt diese Epoche bis heute als die der Dark Ages (»Die dunklen Jahrhunderte«, auch als sogenanntes Dark Age). Die Bezeichnung verdankt sich der Armut an schriftlichen Quellen, was die Verortung eines Königs Artus in dieser Zeit umso schwieriger macht und Spekulationen und mehr oder weniger gewagten Theorien zu einem historischen Vorbild Tür und Tor öffnet.

Die vorliegende Monografie schließt sich der vorherrschenden Meinung an, der sagenhafte König Artus sei (in einem Kern zumindest) auf eine historische Person der Dark Ages zurückzuführen und – womöglich noch wichtiger – auf grundlegende Verhältnisse und vielleicht sogar einzelne Ereignisse des 5. und 6. Jahrhunderts. Für den einzelnen Leser gilt es abzuwägen, was interessanter, was faszinierender ist: die fiktive Gestalt einer Sagenfigur mit mythischen, märchenhaften und geradezu okkulten Attributen oder ihr vermutetes fernes reales Vorbild, das mit diffusen Konturen die Herausforderungen seiner Zeit zu bestehen versuchte.

Eine Anmerkung zum Namensgebrauch: Das Buch verwendet die im Deutschen und Französischen übliche Form Artus, während es im Englischen Arthur heißt. Diese Variante taucht in Zitaten und in entsprechendem Kontext auf. Gemeint ist aber immer der famosus rex Arthurus, »der berühmte König Arthur«, wie ihn Hermann von Laon lateinisch um 1140 und hier frei zitiert nennt: ARTUS.

2. DIE ARTUSWELT DES THOMAS MALORY

Artus als Buchdruck – Thomas Malory und William Caxton

Wenn sich Artus-Verfilmungen auf Thomas Malory beziehen, entspricht dies nicht ganz der historischen Wahrheit. Denn ohne den ersten englischen Buchdrucker William Caxton (ca. 1420–1491) wäre Malorys Werk kaum bekannt. Erst 1934 entdeckte man die bislang einzige erhaltene Handschrift, Caxtons Druck von 1485 sorgte hingegen für große Verbreitung und begründete damit seinen bis heute anhaltenden Ruhm. Auch für den üblich gewordenen französischen Titel Le Morte Darthur (»Der Tod Arthurs«) zeichnet er verantwortlich – der Titel bezieht sich auf das Ende des Buches, wird aber seinem Umfang nicht gerecht, der letztlich die »Summe des gesamten Artuswissens« (Wolf 2009, 87) darstellt. Malory hatte für das Werk eine passende Bezeichnung vorgesehen: The hoole book of Kyng Arthur and of his noble knyghtes of the Rounde Table (im ungewohnten Schriftenglisch des 15. Jahrhunderts, »Das ganze Buch von König Arthur und seinen edlen Rittern der Tafelrunde«). Caxtons Entscheidung zugunsten einer kurzen und prägnanten Griffigkeit dürfte allerdings zum Erfolg der Artusgeschichte beigetragen haben.

In seiner Vorrede zum Buch spricht Caxton die Problematik der historischen Wahrheit an und wiederholt etwa als Argument, »es habe ein solcher Arthur niemals gelebt, und alle Bücher über ihn seien nur erdichtet und bloße Erfindungen, weil einige Chroniken nicht über ihn berichteten noch irgendetwas über ihn und seine Ritter erwähnten« (Sir Thomas Malory 1977, 10). Doch dies lässt er nicht gelten und führt Gegenbeweise an, so das erwähnte Grabmal im Kloster Glastonbury, die Runde Tafel von Winchester, Gawains Schädel in der Burg von Dover, ebenso Lanzelots Schwert und andere Dinge. Zudem hätte man von Artus Spuren in Wales gefunden, »in der Stadt Camelot, die großen Steine und wunderbare Metallarbeiten, die unter dem Erdboden liegen, und königliche Gewölbe, die mehrere jetzt Lebende gesehen haben« (ebd., 11). In der Westminsterabtei in London fände sich am Schrein des heiligen Edward der Abdruck eines Siegels in rotem Wachs, von Kristall umschlossen, das unzweifelhaft dem Herrscher Artus zuzuschreiben sei, nenne und bezeichne ihn doch die Inschrift mit »Patricius Arthurus, Britannie, Gallie, Germanie, Dacie, Imperator« (ebd., 11) und damit als Kaiser und Beherrscher eines Großteils Europas. Die Beweiskraft derartiger mittelalterlicher Befunde und Requisiten mag für uns nicht schlagkräftig sein – die Epoche gilt immerhin als Glanzzeit der Urkundenfälschung –, für Caxton stand die historische Existenz des Artus außer Zweifel; denn es »[…] kann kein Mensch vernünftigerweise leugnen, daß es einen König dieses Landes namens Arthur gegeben hat« (ebd., 11).

Bevor wir uns weiter mit Caxtons Druck beschäftigen, sei ein Blick auf dessen Vorlage und ihren Verfasser geworfen und damit auf jene Handschrift, »die Sir Thomas Malory aus gewissen französischen Büchern zusammengestellt und ins Englische übertragen hat« (ebd., 12). Von diesem belesenen englischen Adligen ist im Grunde recht wenig bekannt, zumal die Quellen des 15. Jahrhunderts sechs Männer dieses Namens überliefern. Die Forschung hat sich mittlerweile für jenen Thomas Malory als glaubwürdigsten Verfasser des Morte Darthur entschieden, der aus dem mittelenglischen Warwickshire stammte, ein Gefolgsmann des Earl of Warwick war und etwa von 1410 bis 1471 lebte. Seine Vita scheint bewegt gewesen zu sein: Als Adliger pflegte er ein höfisch-ritterliches Leben, das von der Jagd und Turnieren geprägt wurde, von dem er aber auch offensichtlich mehrere Jahre in Haft verbrachte. Nicht zuletzt in diesen Gefängnisjahren widmete er sich seinem Artusroman. Dafür griff der anscheinend passabel französisch sprechende Edelmann auf jene Werke zurück, die Caxton in seiner Vorrede erwähnt und die wir noch kennenlernen werden (vgl. Kap. 4). So entstand im Laufe der Jahre eine lose Folge von Prosatexten, die er zu acht Romanzen gliederte und wohl um 1470 kurz vor seinem Tod abschloss. Die Ereignisse um den glorreichen, aber letztlich tragisch endenden König Artus mit dem Zerfall seines Camelot-Reiches dürften ihm wie ein Spiegelbild der eigenen Zeit erschienen sein.

Denn mit dem Ende des Hundertjährigen Krieges mit Frankreich (1337–1453) verlor England fast sämtliche Besitzungen auf dem Kontinent. Der praktisch regierungsunfähige König Heinrich VI. (reg. 1422–1461, 1470/71) konnte den politischen Zerfall nicht aufhalten, weswegen der lokale Adel an Macht gewann. Daraus entwickelten sich die über drei Jahrzehnte währenden »Rosenkriege« (Wars of the Roses, 1455–1485) zwischen den beiden den Thron beanspruchenden Häusern Lancaster (mit dem Feldzeichen einer roten Rose) und York (Feldzeichen einer weißen Rose). Der englische Adel griff abwechselnd zwischen beiden Kriegsparteien in die Kämpfe ein, die von äußerster Härte geprägt wurden und in denen Massaker, Hinrichtungen und Morde üblich waren. Am Ende war ein Großteil des Adels vernichtet – einen sinnfälligen Ausdruck fanden die blutigen Auseinandersetzungen in der Schlacht von Bosworth, in der König Richard III. (reg. 1483–1485) den Tod fand (seit William Shakespeares Drama The Tragedy of King Richard the Third (1597) ist er als angebliches Scheusal bekannt) und das Haus Tudor mit Heinrich VII. (reg. 1485–1509) die neue Dynastie stellte.

Fast zeitgleich erschien Caxtons Artusbuch, das demzufolge das Publikum nicht nur historisch und sagenhaft, sondern in der Grundstimmung sogar aktuell gelesen haben dürfte. Der mittlerweile verstorbene Thomas Malory hatte die Entwicklung der Geschichte mit dem Verfall der ritterlichen Tugenden und der Auflösung der Tafelrunde verbunden und damit eine Stimmung des Zweifels und schließlich der Hoffnungslosigkeit erzeugt. Misstrauen und Verrat riefen die Kämpfe unter den Artusrittern hervor und schufen ein Abbild der zeitgenössischen Rosenkriege. Andererseits bot Malory eine flüssig geschriebene und gut lesbare Prosa, die aus zahlreichen Abenteuergeschichten in einer sowohl höfischen wie auch geheimnisvollen und geradezu magischen Mythenwelt bestand. Aus diesen Bestandteilen setzen sich noch heute Bestsellerromane und filmische Blockbuster zusammen.

Diese Qualitäten der Malory-Handschrift erkannte William Caxton, der als Händler während etlicher Jahre in Flandern und Köln den Buchdruck kennengelernt hatte. Nach London zurückgekehrt, war er unter anderem als Buchverleger tätig, der die Druckerpresse in England einführte. Malorys Werk gliederte er in 21 Bücher mit 507 Kapiteln sowie einem Prolog und einem Epilog. Zwecks besserer Übersicht legte er zudem ein Verzeichnis mit Inhaltsangaben der einzelnen Kapitel an. Dem letzten Teil mit Artus’ Ende entnahm er bekanntlich den Buchtitel, dessen elegischer Ton die vorherrschende Stimmung in England treffen mochte. Aber Caxtons Druckwerk bot viel mehr, nämlich »edles Rittertum, Höflichkeit, Menschlichkeit, Freundlichkeit, Kühnheit, Liebe, Freundschaft, Feigheit, Mord, Haß, Tugend und Sünde« (Sir Thomas Malory 1977, 12) und somit zahlreiche Aspekte der menschlichen Natur. Dies alles ruft jene Faszination hervor, die von Artus und den Rittern seiner Tafelrunde bis heute ausgeht.

Mit Zauber gezeugt und von Feen entrückt – Die Vita des Artus

Aus Malorys und Caxtons Werk lässt sich eine Vita des Königs Arthur erschließen (im Folgenden in der englischen Namensform der literarischen Vorlage. Wie der Artusname wechseln auch viele andere Figurennamen in mehreren Varianten. Darauf wird nicht weiter eingegangen, sofern sich der Name eindeutig erkennen lässt). Vorgeschichte und Anfänge werden bereits von Wunderbarem und Magischem beherrscht: Der englische König Utherpendragon begehrt Igraine, die Frau seines Gastes, des Herzogs Gorlois von Cornwall. Dieser verlässt darum heimlich mit ihr den königlichen Hof, was Uther zornig als Missachtung versteht. Es kommt zum Krieg, in dem Lady Igraine in der Burg Tintagil (Tintagel an der Nordwestküste Cornwalls) in Sicherheit gebracht wird, während sich Gorlois auf der benachbarten Festung Terrabil der Belagerung durch König Uther stellt. Ihr trotzt der Herzog mit Erfolg, was den Liebestollen geradezu krank vor Wut und Leidenschaft macht. Zum ersten Mal tritt der Zauberer Merlin auf den Plan, und zwar in der Verkleidung eines Bettlers. Er weiß bereits von des Königs Begierde und verspricht Abhilfe. Er will jedoch als Bedingung das von Uther mit Igraine gezeugte Kind. Dieser lässt sich darauf ein, worauf Merlin einen magischen Gestaltwechsel vornimmt: Uther reitet in der Gestalt des Herzogs nach Tintagil, wird selbstverständlich zur Burgherrin vorgelassen und wohnt ihr bei – just zu diesem Zeitpunkt findet Gorlois den Tod im Kampf. Damit endet der Krieg, und schließlich vermählt sich Uther mit Igraine. Nach der Geburt seines Sohnes wird dieser wie vereinbart in aller Heimlichkeit Merlin übergeben. Der wiederum vertraut das Kind dem ehrenwerten Ritter Sir Ector (Hector) an, der es wie seinen eigenen Sohn aufzieht und auf den Namen Arthur taufen lässt. Während Arthur heranwächst, herrscht Utherpendragon siegreich über England. Aber nach schwerer Krankheit und frühem Tod erheben die Lords ihre Machtansprüche. In dieser Situation erweist sich Merlin als graue Eminenz, die die Fäden in der Hand hält. Obwohl dubioser heidnischer Herkunft rät er dem Erzbischof von Canterbury, wegen Uthers Nachfolge alle Lords und Ritter zu Weihnachten nach London zu laden. Dort werde Jesus ein Wunder bewirken. »In der größten Kirche Londons« – damit könnte St. Paul’s Cathedral gemeint sein – tritt die Versammlung nach Morgengebet und Messe hinaus auf den Vorplatz und erblickt »einen großen viereckigen Stein, wie ein Marmorblock, und mitten darauf etwas, ungefähr einen Fuß hoch, das wie ein stählerner Amboß aussah, darin stak, tief hineingestoßen, ein blankes Schwert, um das in goldenen Buchstaben geschrieben stand: Wer dieses Schwert aus diesem Stein und Amboß herauszieht, der ist der rechtmäßige König von ganz England« (Sir Thomas Malory 1977, 24). An diesem mythischen Objekt, das zu den bekanntesten und rätselhaftesten Requisiten der Artuswelt gehört, versuchen sich sogleich einige Lords – doch erfolglos.

Während das Schwert streng bewacht wird, findet ein großes Turnier statt. Zu diesem kommen auch Sir Ector und sein Sohn Kay sowie dessen vermeintlicher Bruder Arthur. Als der Ritter Kay sein Schwert für das Turnier vermisst, schickt er seinen Knappen Arthur, es zu holen. Nach erfolgloser Suche tritt dieser zum gerade unbewachten Schwert in Amboss und Stein und zieht es mit Leichtigkeit heraus, um es Kay zu übergeben. Der erkennt das Schwert sofort, maßt sich den Königstitel an, gibt dann aber in der Kirche beim Bibelschwur zu, es von Arthur erhalten zu haben. Sir Ector erklärt diesen zum König – das Schwert kann er leicht wieder in den Stein stoßen. Der Magie der Zeugung folgt das Wunder des Schwertes, das den jungen Knappen zum König macht. Als Ector ihn über seine Herkunft aufklärt, bekennt sich Arthur zur Nachfolge seines Vaters Uther und macht seinen Stiefbruder Kay zum Seneschall, also zum führenden Beamten seines Hofes. Doch der Widerstand der Barone und anderer hoher Herren bleibt bestehen, obwohl all ihre Versuche, das Schwert aus Stein und Amboss zu ziehen, scheitern. Dem Ratgeber Merlin schwant Gefahr für den jungen Herrscher, weswegen er Uthers meistgeschätzte Ritter zum Pfingstfest nach London kommen lässt, um Arthur zu schützen. An diesem in der Artuswelt wichtigsten Fest zieht Arthur das Schwert erneut und legt es auf den Altar. Dann schlägt ihn der Erzbischof zum Ritter und krönt ihn zum König Englands. Als solcher erweist er sich sofort als Herrscher, der Gerechtigkeit und andere Tugenden gelobt und zugleich geschehenes Unrecht seines Vaters rückgängig macht. Dann besetzt er die Hofämter mit seinen Vertrauten und unternimmt erste Feldzüge, auf denen er Englands Norden, Schottland und Wales erobert.

Dort kommt es in Carlion (Carliun, Caerleon in Südwales) zu einem Aufstand, vor dem er sich in einer Burg verschanzen muss. Wiederum erscheint Merlin und enthüllt den Aufständischen die wahre Herkunft Arthurs. Von den meisten Rittern wird er jedoch als »Hexenmeister« geschmäht. Obwohl er trotzdem für den König freies Geleit erwirkt, kommt es zum Streit mit den Rebellen. Arthur zieht sich in seine Burg zurück, Merlin wird von König Lot von Orkney verhöhnt. Selbst er rät nun zum Angriff. Als Lot während des Kampfes Arthur in Bedrängnis bringt, wählt dieser das letzte Mittel: »Darauf zog er sein Schwert Excalibur, das strahlte so hell in den Augen seiner Feinde, als leuchteten dreißig Fackeln« (ebd., 31). Was bislang ein Ritterkampf war, wird daraufhin zum Volksaufstand; denn die einfachen Menschen von Carlion erheben sich, bewaffnen sich mit Keulen und Knütteln und töten viele Ritter, die Überlebenden suchen ihr Heil in der Flucht. Damit ist der Krieg um England jedoch nicht beendet; ganz im Gegenteil nimmt er an Härte zu. In London beratschlagt sich Arthur mit Merlin, auf dessen Rat er ein Bündnis mit König Ban von Benwick (Bonewig, Benoic, wohl in der Bretagne oder Normandie verortet) und dessen Bruder König Bors von Gallien eingeht. Zu Allerheiligen begehen die drei Verbündeten ein großes Fest nebst dem üblichen Turnier. Merlin führt derweil ein Heer von 10 000 Reitern von Frankreich nach Dover, das er »auf den verborgensten Pfaden« nach Norden in den Wald Bedegraine (wahrscheinlich im englischen Pennines-Mittelgebirge) befiehlt, wo in einem Tal ein geheimes Lager errichtet wird. Die drei Könige ziehen ihrerseits mit 20 000 Mann in den Norden. Dort haben sich immerhin elf Könige gegen Arthur verbündet, darunter die Herren von Northumberland, Irland und Cornwall. Alles läuft auf eine Entscheidungsschlacht hinaus, in deren Vorfeld das Land verwüstet und Arthur von einem seiner vielen Träume heimgesucht wird. Unter Merlins Rat kommt es zur großen Schlacht, die ausführlich geschildert wird: »Arthur war so mit Blut bedeckt, daß man ihn nicht einmal an seinem Schild erkennen konnte, und sein Schwert troff von Blut und Hirn« (ebd., 45). Aber die elf Könige verteidigen sich standhaft. Merlin rät, die Feinde unbehelligt ziehen zu lassen. So endet die große Schlacht im Norden mit Arthurs Sieg, auch wenn er nicht vollständig ist. Der Feldzug zeitigt noch ein anderes Ergebnis: Mit der Grafentochter Lionors zeugt Arthur seinen Sohn Borre, später Ritter der Tafelrunde.

Heimgekehrt nach Carlion begeht Arthur ungewollt einen ersten Sündenfall: Die Frau König Lots sucht ihn in dessen Auftrag mit einer Botschaft auf, hat aber Verrat im Sinn. Sie ist nämlich Arthurs Halbschwester Morgause (die Schwester Morganes), mit der er ahnungslos Mordred zeugt. Einer bösen Vorahnung mag es dann geschuldet sein, dass Arthur von Greifen und Schlangen träumt, die sein Land verwüsten und ihn schwer verwunden. Am Tag hat er rätselhafte Erlebnisse, so begegnet er auf der Jagd einem seltsamen Tier, aus dessen Bauch Lärm dringt. Ein anderes Mal führt ihn Merlin zu einem See, in dessen Mitte »sah Arthur einen Arm, der in weißen Brokat gekleidet war und ein prächtiges Schwert in der Hand hielt« (ebd., 63). Die Dame vom See erscheint und rät Arthur, zum Schwert zu rudern und es nebst Scheide an sich zu nehmen. Merlin erklärt ihm die Bedeutung der Scheide, denn wenn er sie an sich trage, könne er kein Blut verlieren – die Überlieferung um dieses Zauberschwert setzt es teils mit Excalibur gleich oder versteht das Schwert im Stein als Excalibur bzw. ein anderes Schwert. Als Nächstes möchte Arthur für sich eine Königin gewinnen und seine Wahl fällt auf die geliebte Ginevra (Ginover, Guenevere), die Tochter des Königs Lodegrance von Cameliard (in Südwestengland oder Schottland). Obwohl Merlin ihm von dieser Wahl abrät und auf die Liebe zwischen Ginevra und Lanzelot verweist (die in der Tat das Ende Camelots befördern wird), macht er für Arthur den Brautwerber. Lodegrance stimmt gern zu und verspricht als Hochzeitsgeschenk jene runde Tafel, die einst Uther gehörte und auf Merlin zurückzuführen ist. Von den 150 Rittern, die die Tafelrunde komplettieren, stellt Arthurs Schwiegervater allein 100. Damit kommt die neben Excalibur zweite wichtige und bekannte Requisite der Artuswelt ins Spiel. Auf den Sitzen rund um den Wundertisch prangen die Ritternamen in goldenen Buchstaben, wobei zwei Stühle namenlos bleiben. Mit Ginevra und der Tafelrunde ist Camelot zum prächtigsten Hof geworden. Dort findet auch die Trauung des Königspaares statt.

Die Herrschaft Arthurs erfährt eine neue Bedrohung, als zwölf Boten aus Rom eintreffen, Abgesandte des Kaisers Lucius, »Diktator oder Prokurator des Gemeinwesens von Rom«. Dieser lässt den »König von Britannien« grüßen, fordert aber zugleich Unterwerfung und Tribut. Bislang sei Arthur nämlich ein Rebell, entgegen den Gesetzen, die »Iulius Caesar, der Eroberer dieses Gebietes und der erste Kaiser von Rom« (ebd., 181) erlassen habe. Die versammelten Barone sowie die Ritter der Tafelrunde drängen wie die Herrscher Schottlands und der Bretagne den König zum Krieg. Arthur lässt sich überreden und erhebt schließlich sogar Anspruch auf den Kaisertitel. Lucius ruft in Rom derweil eine große Heeresmacht zusammen, darunter angeblich 16 Könige und 50 Riesen. Mit ihnen zieht er über die Alpen und marschiert durch Frankreich. Arthur bestimmt Statthalter für sein Reich und schifft sich ein. Wiederum kommt ihm ein Traum, in dem ein Drache von Westen mit einem schwarzen Eber aus dem Osten ringt. Gedeutet wird ihm dies als Kampf zwischen ihm, dem Drachen, mit dem Tyrannen, der als Eber auftritt. Der Sieg wird jedenfalls dem Drachen und damit Arthur zufallen. In der Normandie gelandet, bezwingt er einen schrecklichen Riesen, der auf dem Mont-Saint-Michel haust und das Land terrorisiert. Der König und seine Tafelritter – Männer wie Gawain, Bors, Lionel, Bedivere und der unvergleichliche Lanzelot – bestreiten etliche Kämpfe, bis es schließlich im Tal von Soissons zur entscheidenden Schlacht kommt. Dabei versetzt Lucius Arthur eine Wunde im Gesicht, woraufhin dieser ihm mit Excalibur den Kopf spaltet. Damit sind Schlacht und Krieg entschieden, und Arthur dringt über die Alpen nach Italien vor. Jeglichen Widerstand bricht er, zum Weihnachtsfest wird er in Rom vom Papst zum Kaiser gekrönt. Er ordnet sein neu gewonnenes Reich und kehrt nach England zurück.

Arthurs Herrschaft steht im Zenit, an Macht und höfischer Pracht kommt ihm niemand gleich. Da bahnt sich Ungemach an: »In eben dieser Maienzeit erhob sich ein großes Unheil, das nicht aufhörte, bis die besten Ritter der Welt vernichtet und erschlagen waren« (ebd., 929). Seinen Anfang nimmt diese tragische Entwicklung bei den Söhnen König Lots, Gawain, Agrawein, Gaheris und Gareth sowie ihrem Halbbruder Mordred, Arthurs illegitimem Sohn. Insbesondere dieser und Agrawein hegen Hass gegen Ginevra und Lanzelot, denen eine Liebesbeziehung nachgesagt wird. Folgerichtig beschuldigen sie die Königin öffentlich des Ehebruchs. Gawain und Gareth halten dies für falsch und ahnen Schlimmes: »Nun wird großes Unheil über dieses Reich kommen und die edle Gefolgschaft der Tafelrunde zersprengt werden« (ebd., 930). Während Arthur auf der Jagd ist, besucht Lanzelot Ginevra heimlich in Carlisle (Cumberland, Nordengland). Agrawein, Mordred und zwölf Ritter überraschen das Paar. Obwohl Lanzelot unbewaffnet ist, gelingt es ihm, alle bis auf Mordred zu töten. Ginevra muss mit dem Todesurteil ihres Gemahls rechnen, lehnt aber die Flucht mit Lanzelot ab. Und so kommt es: Der erzürnte Arthur befiehlt, Ginevra auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen, wogegen sich Widerstand erhebt. Lanzelot und seine Freunde greifen zu Pferd in das Geschehen ein und befreien die Königin. Viele Ritter werden dabei getötet, darunter auch versehentlich die unbewaffneten Brüder Gaheris und Gareth. Ihr Tod hat die fatale Folge, dass ihr Bruder Gawain, der bislang gegen Lanzelot versöhnlich gestimmt war, Rache gelobt und zum regelrechten Kriegstreiber wird. Arthur verfällt derweil in Trauer und Klagen, weil ihn die geliebte Gattin und sein bester Ritter betrogen haben. Dann kommt es zur Schlacht unter den Rittern Camelots, in der Lanzelot und Arthur aufeinanderstoßen. Der erste besiegt den König, schont ihn aber und hilft ihm sogar. Er zeigt eine Ritterlichkeit, die Arthur zu Tränen rührt. Schon bald gehen die Kämpfe weiter, bei denen sogar der Papst zu vermitteln versucht. Schließlich bringt Lanzelot Ginevra zu Arthur zurück, der ihr vergibt. Nachdem sich ihr Geliebter nach Frankreich zurückgezogen hat, treibt Gawain weiterhin zum Krieg an.