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Nikolaus Kopernikus hat bekanntlich einen alten Irrtum korrigiert, den Glauben, die Sonne drehe sich um die Erde. Weniger bekannt ist, dass Kopernikus’ Entwicklung seiner heliozentrischen Theorie wesentlich auf einem anderen Irrtum beruht … Dieses E-Book zeigt produktive Fehler bei Kopernikus und seinem Nachfolger Kepler in allgemeinverständlicher Form.
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Produktive Fehler bei Kopernikus und Kepler
Dirk Müller
Nikolaus Kopernikus hat bekanntlich einen alten Irrtum korrigiert, den Glauben, die Sonne drehe sich um die Erde.
Weniger bekannt ist, dass Kopernikus’ Entwicklung seiner heliozentrischen Theorie ganz wesentlich auf einem anderen Irrtum beruht, dem Glauben, die Planetenbahnen seien richtig schön rund.
Sein Hauptwerk „De revolutionibus orbium coelestium“ („Über die Kreisbewegung der Himmelskörper“) beginnt mit begeisterten Worten:
Unter den vielen verschiedenen Studien der Wissenschaften und Künste, durch welche sich der Menschengeist entwickelt, halte ich diejenigen vorzüglich für wert, ergriffen und mit dem höchsten Eifer betrieben zu werden, welche sich mit den schönsten und wissenswürdigsten Gegenständen beschäftigen. Diese sind nun diejenigen, welche von den himmlischen Kreisbewegungen der Welt, dem Laufe der Gestirne, den Größen und Entfernungen, dem Auf- und Untergange und den Ursachen der übrigen Himmelserscheinungen handeln, und endlich die gesamte Form entwickeln. Was aber ist schöner als der Himmel, welcher ja alles Schöne enthält? Die lateinischen Namen selbst – caelum der Himmel und mundus die Welt – deuten dies schon an, dieser durch die Bezeichnung der Reinheit und des Schmuckes, jener durch die Bedeutung des kunstreich Gestalteten. Wegen seiner sichtlichen, übergroßen Herrlichkeit nannten ihn die meisten Philosophen: Gott.
Dieses Vorwort war in der Erstausgabe (Nürnberg 1543) nicht enthalten, der Herausgeber, der protestantische Theologe Osiander, hatte es durch ein eigenes ersetzt.
Es fällt auf, dass Kopernikus primär ästhetisch argumentiert. Mehrfach ist vom Schönen die Rede, schließlich gipfelt die Vorstellung des Schönen in der Herrlichkeit Gottes.
Das ästhetische Prinzip ist jedoch keineswegs auf die Vorrede beschränkt. Gleich im ersten Kapitel geht es weiter:
Zuerst müssen wir bemerken, dass die Welt kugelförmig ist, teils weil diese Form, als die vollendete, keiner Fuge bedürftige Ganzheit, die vollkommenste von allen ist, …
Wer ein wenig über moderne Physik und Astronomie weiß, mag über Kopernikus verwundert sein. Statt Formeln und Berechnungen Spekulationen eines Ästheten? Sicher, nicht das gesamte Werk ist so geschrieben. Es folgen detaillierte Tafeln mit gewissenhaft über Jahre hinweg aufgezeichneten, exakten astronomischen Daten, scharfsinnige Naturbeobachtungen, geometrische Abhandlungen.
Doch das letztlich ästhetisch begründete Prinzip des Runden und Kreisförmigen bleibt im gesamten Werk bestehen. Um das zu verstehen, müssen wir etwas weiter ausholen.
Kopernikus war keineswegs der Erste, der auf die Idee kam, dass sich die Erde nicht im Zentrum des Universums befindet. Bereits in der Antike wurden drei Modelle erörtert: die Erde als Mittelpunkt, die Sonne oder ein spekulatives „Zentralfeuer“.