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Kreuzweg vieler Welten : Science Fiction Sammelband: 1000 Seiten Roman Paket Von Alfred Bekker & Wilfried A. Hary (699) Dieser Band enthält folgende SF-Romane : Wilfried A. Hary : Planet Suleiman Alfred Bekker/Wilfried A. Hary : Das Festival von Tasner Alfred Bekker/Wilfried A. Hary : Das Erbe der Altairer Alfred Bekker/Wilfried A. Hary :Der Seher von Yys Wilfried A. Hary : Monster aus der Retorte Alfred Bekker : Graue Stadt vor blutender Sonne Alfred Bekker : Mission auf Planet Drei Wilfried Hary: Rosanas Tränen Wilfried Hary: Neulich auf Tandora Wilfried Hary: Das Phantom des Adakoni-Kartells Wilfried Hary: Bedrohung aus dem Unsichtbaren Wilfried Hary: Die Senatorin von Tandora Alfred Bekker: Herr der Galaxien - Kritische Mission Alfred Bekker: Herr der Galaxien – Galaktische Krise Ein Blick in die ferne Zukunft, Expeditionen zu fernen Welten, die Begegnung mit Alien-Kulturen, galaktische Kriege zwischen Sternenreichen von unermesslicher Weite darum geht es in den Science Fiction Abenteuern dieses Buches. Die Bestimmung des Menschen liegt im Kosmos und Science Fiction Abenteuer machen die Unendlichkeit des Raums und die Unwägbarkeit der Zukunft erlebbar. W.A.Hary ist der Erfinder von "Mark Tate" und schrieb an den SF-Serien "Die Terranauten", "Erde 2000" und "Atlan" mit. Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.
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Seitenzahl: 1641
Kreuzweg vieler Welten : Science Fiction Sammelband: 1000 Seiten Roman Paket
Alfred Bekker and Wilfried A. Hary
Published by Alfred Bekker, 2021.
Title Page
Kreuzweg vieler Welten : Science Fiction Sammelband: 1000 Seiten Roman Paket | Von Alfred Bekker & Wilfried A. Hary
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Planet SULEIMAN | von Wilfried A. Hary
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Das Festival von Tasner
Das Erbe der Altairer
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»Der Seher von Yys«
Monster aus der Retorte
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Prolog
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Mission auf Planet Drei
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Axarabor Fünf Romane | von Wilfried A. Hary
Dieses Buch enthält folgende Romane:
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Rosanas Tränen | Die Raumflotte von Axarabor | von Wilfried A. Hary
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Neulich auf Tandora | Die Raumflotte von Axarabor | von Wilfried A. Hary
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Das Phantom des Adakoni-Kartells | Die Raumflotte von Axarabor | von Wilfried A. Hary
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Bedrohung aus dem Unsichtbaren | Die Raumflotte von Axarabor | von Wilfried A. Hary
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Die Senatorin von Tandora | Die Raumflotte von Axarabor | von Wilfried A. Hary
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Herr der Galaxien - Kritische Mission
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Baldagor-3
Im Zeichen der Macht
Herr der Galaxien - Galaktische Krise
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Der Super-G.A.U.
RePha
Further Reading: 30 Sternenkrieger Romane - Das 3440 Seiten Science Fiction Action Paket: Chronik der Sternenkrieger
Also By Alfred Bekker
Also By Wilfried A. Hary
About the Author
About the Publisher
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Dieser Band enthält folgende SF-Romane :
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Wilfried A. Hary : Planet Suleiman
Alfred Bekker/Wilfried A. Hary : Das Festival von Tasner
Alfred Bekker/Wilfried A. Hary : Das Erbe der Altairer
Alfred Bekker/Wilfried A. Hary :Der Seher von Yys
Wilfried A. Hary : Monster aus der Retorte
Alfred Bekker : Graue Stadt vor blutender Sonne
Alfred Bekker : Mission auf Planet Drei
Wilfried Hary: Rosanas Tränen
Wilfried Hary: Neulich auf Tandora
Wilfried Hary: Das Phantom des Adakoni-Kartells
Wilfried Hary: Bedrohung aus dem Unsichtbaren
Wilfried Hary: Die Senatorin von Tandora
Alfred Bekker: Herr der Galaxien - Kritische Mission
Alfred Bekker: Herr der Welten – Galaktische Krise
Ein Blick in die ferne Zukunft, Expeditionen zu fernen Welten, die Begegnung mit Alien-Kulturen, galaktische Kriege zwischen Sternenreichen von unermesslicher Weite darum geht es in den Science Fiction Abenteuern dieses Buches. Die Bestimmung des Menschen liegt im Kosmos und Science Fiction Abenteuer machen die Unendlichkeit des Raums und die Unwägbarkeit der Zukunft erlebbar.
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W.A.Hary ist der Erfinder von „Mark Tate“ und schrieb an den SF-Serien „Die Terranauten“, „Erde 2000“ und „Atlan“ mit.
Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, ALFREDBOOKS UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© by Author, Titelbild WOLFGANG SIGL
© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
www.AlfredBekker.de
Der Umfang dieses Buchs entspricht 74 Taschenbuchseiten.
Zehntausend Jahre sind seit den ersten Schritten der Menschheit ins All vergangen. In vielen aufeinanderfolgenden Expansionswellen haben die Menschen den Kosmos besiedelt. Die Erde ist inzwischen nichts weiter als eine Legende. Die neue Hauptwelt der Menschheit ist Axarabor, das Zentrum eines ausgedehnten Sternenreichs und Sitz der Regierung des Gewählten Hochadmirals. Aber von vielen Siedlern und Raumfahrern vergangener Expansionswellen hat man nie wieder etwas gehört. Sie sind in der Unendlichkeit der Raumzeit verschollen. Manche errichteten eigene Zivilisationen, andere gerieten unter die Herrschaft von Aliens oder strandeten im Nichts. Die Raumflotte von Axarabor hat die Aufgabe, diese versprengten Zweige der menschlichen Zivilisation zu finden - und die Menschheit vor den tödlichen Bedrohungen zu schützen, auf die die Verschollenen gestoßen sind.
Eine Welt im Ausnahmezustand – schon seit neuntausend Jahren! Doch niemand weiß, was dort passiert ist, weil jegliche Annäherung zum tödlichen Risiko wird. Und dennoch muss das Geheimnis von SULEIMAN unbedingt ergründet werden, bevor sich die Gefahr noch weiter ausbreiten kann und möglicherweise auch noch andere Welten erfasst...
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author
© Serienidee Alfred Bekker und Marten Munsonius
© dieser Ausgabe 2020 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
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„Der Planet wurde vor neuntausend Jahren von einem Scout namens Suleiman entdeckt. Er gab dieser Welt, die sich geradezu ideal zur Besiedlung eignete, also seinen Namen“, erfuhr die Crew um den Kommandanten Xirr Prromman vom Telepathen des Gewählten Hochadmirals von Axarabor.
Sie befanden sich auf ihrer geheimen und verboten Welt, die sie HOFFNUNG nannten, geistig vereint in einer sogenannten Séance.
Nicht nur ihre Welt war als Geheimbasis nur den engsten Vertrauten des Hochadmirals bekannt, sondern auch die Crew selbst, die aus insgesamt sieben ganz besonders ausgewählten PSI-Menschen bestand, sogenannten Mutanten, wie sie auch abfällig genannt wurden. Obwohl es offiziell überhaupt keine Mutanten gab, im gesamten Universum nicht.
Die sieben wussten es besser – und nicht nur sie. Eben auch jene, die in die Geheimnisse der Mutanten eingeweiht waren. Was offiziell nur in den Bereich der Mythen und Legenden gehörte, durfte niemals öffentlich werden. Denn Menschen neigten dazu, alles und jeden zu fürchten, was ihnen überlegen zu sein schien – und was sie nicht verstehen konnten.
Und nicht nur Menschen, sondern auch alle anderen intelligenten Lebewesen im bekannten Universum in einer vergleichbaren Intelligenzstufe.
So war die Crew zu einer Art Geheimwaffe der Raumflotte von Axarabor geworden, ohne dass dies eben jemals öffentlich werden durfte.
Und wenn sie der Telepath des Gewählten Hochadmirals vom fernen Axarabor aus auf eine Mission schickte, konnte man davon ausgehen, dass man alles andere Mögliche bereits unternommen hatte und garantiert vergeblich. Denn die Crew war vielfach gewissermaßen die allerletzte Instanz.
„Vor neuntausend Jahren?“, wunderte sich indessen die vereinte Geisteskraft der sieben Crewmitglieder, geeint durch die besondere Fähigkeit ihres Kommandanten, der sie als eine Art Medium zusammenhielt. „Was geschah denn danach?“
„Es ging hundert Jahre gut, aber dann brach der Kontakt zu SULEIMAN ab. Im wahrsten Sinne des Wortes von heute auf morgen.“
„Hat man denn nicht gleich nachsehen wollen, was passiert war?“
„Natürlich hat man das, aber es ist unmöglich, sich SULEIMAN auch nur zu nähern, geschweige denn dort zu landen. Es gibt keinerlei Kontakt mehr zur Oberfläche. Es ist, als würde ein unsichtbares Kraftfeld die gesamte Welt umschließen.
Mit den besten Fernobjektiven sieht man lediglich einen milchigen Schleier, der alles vor den Augen der Beobachter verbirgt.“
„Seit neuntausend Jahren nun schon?“
„Immer wieder hat man Raumschiffe vor Ort geschickt. Und immer vergeblich!“, betonte der Telepath, der mit ihnen die geistige Verbindung hielt.
„Hat man denn nicht mit allen Mitteln versucht, diesen Schleier zu durchbrechen?“
„Auch das hat man. Tatsächlich mit allen Mitteln.“
„Auch mit Mitteln der Vernichtung?“
„Ihr wisst, dass wir längst die Möglichkeit haben, ganze Welten zu vernichten. Hier jedoch versagen sie. SULEIMAN bleibt unbegreiflich. Und wer es wagt, zu nahe zu kommen, dessen Raumschiff wird vom Nichts verschlungen. Das heißt, es verschwindet ganz einfach von einem Augenblick zum anderen.“
„Trotzdem bleibt diese Welt sichtbar, also im optischen Sinne präsent?“, vergewisserte sich die vereinte Crew noch einmal.
„Ja, sogar als Schwerkraftfaktor im Zusammenspiel der Kräfte, wie sie dieses Sonnensystem bestimmen. Es ist und bleibt völlig unerklärlich, und bevor ihr das auch noch fragt: Natürlich ist es auch völlig unmöglich, die Art dieses Feldes zu bestimmen, das SULEIMAN regelrecht abschirmt. Falls es sich überhaupt um ein Feld handeln sollte.“
„Und da kommt ihr immerhin nach neuntausend Jahren endlich auf die Idee, uns vor Ort zu schicken?“, wunderte sich die Crew noch.
„SULEIMAN bildet ja für niemanden eine Gefahr!“, trumpfte der Telepath daraufhin auf. „Der Zustand bleibt von außen betrachtet stabil. Eben seit immerhin neuntausend Jahren. Es ist wohl kaum zu befürchten, dass sich dies so bald noch ändern wird.“
„Aber es ist natürlich auch nicht ganz auszuschließen?“
„Eben nicht! Deshalb die Bitte des Gewählten Hochadmirals an euch, vor Ort zu fliegen.“
„In der Hoffnung, dass wir endlich mehr erfahren könnten?“
„Immerhin hat es so etwas wie eure Crew in diesen neuntausend Jahren noch nie gegeben. Nicht jedenfalls dass es dem Gewählten Hochadmiral bekannt wäre.“
„Auch wieder wahr!“, musste die Crew zugeben. „Also gut. Jetzt brauchen wir nur noch die Koordinaten.“
Die Schergen der PSI-Squad kamen um 4:30 Uhr regionaler Zeitrechnung. Ihr Eindringen in den siebten Stock von Block zwölf des Ortsteils Seehafen, einem reinen Wohngebiet mit hohem Einwohneraufkommen, geschah lautlos, beinahe gespenstisch. Als könnten sie durch Wände gehen.
In Wahrheit benutzten sie ein System von ziemlich destruktiven technischen Finessen, die nicht für die Allgemeinheit zugelassen waren. Weil ausschließlich die PSI-Squad oder ähnlich mächtige Regierungsbehörden darüber verfügen durften. Seit der Ausnahmezustand galt, und das nun schon seit wahrscheinlich einigen hundert Jahren. Vielleicht sogar noch länger?
So genau wusste das wohl niemand mehr, denn der Ausnahmezustand war eigentlich längst der Normalzustand. Wer sich daran nicht gewöhnen konnte, hatte Pech. Er kam dadurch entweder zu Tode oder zumindest musste er mit entsprechenden Repressalien vonseiten der Obrigkeit rechnen.
Ernestine Freihaus hingegen war sich keinerlei Schuld bewusst. Nicht dass sie tatsächlich die tadellose und überaus brave Bürgerin gewesen wäre, die sie aller Welt vorspielte, aber bisher hatte niemand auch nur annähernd ihr Spiel durchschaut.
Dachte sie zumindest! Immerhin bis die PSI-Squad an ihrem Bett stand und sie jäh erwachte.
Es ist nicht angenehm, in gleich ein halbes Dutzend Abstrahlmündungen zu sehen, in denen bereits der Tod durch Desintegration lauert, deutlich erkennbar am hellen Flirren in diesen Mündungen!
Das war ihr erster Gedanke. Dass es sich um die allseits ganz besonders gefürchtete PSI-Squad handelte, war die nächste Feststellung. Sie waren in Ganzkörperrüstungen, verstärkt mit hochfunktionellen Exoskeletten, gehüllt, panzersicher, versteht sich. Selbst Schüsse aus Desintegratoren, wie sie ausschließlich von ihnen benutzt wurden und die alles Leben innerhalb von winzigen Sekundenbruchteilen zu Asche werden ließen, konnten ihnen in diesen Rüstungen nichts anhaben.
Ernestine Freihaus wusste das, weil das jeder wusste. Natürlich wusste sie demgemäß auch, dass halt nur ein einziger Schuss aus einer dieser Waffen genügt hätte, um sie als Mensch beinahe in ihre Grundbestandteile aufzulösen. Sie blieb dennoch ruhig, sah die Übermacht an und fragte wie beiläufig:
„Womit kann ich Ihnen dienen, meine Herren?“
Eine weibliche Stimme antwortete:
„Kommandant Takeling ist mein Name. Unsere Mission ist, Sie, Ernestine Freihaus, unverzüglich in unser Hauptquartier zu bringen. Widerstand zwecklos.“
„Oh, Verzeihung, ich seh ja nicht, wer sich hinter den Masken verbirgt. Also eine Frau? Es ist nicht allgemein bekannt, dass die PSI-Squad nicht nur aus Männern besteht.“
„Mitkommen!“, lautete die Antwort.
Der weibliche Kommandant trat zur Seite, um Platz zu machen für Ernestine Freihaus, die sehr vorsichtig aus ihrem Bett stieg. Nur keine zu schnellen Bewegungen. Wer wusste, wie locker die Finger am Abzug saßen. Eine einzige Unbedachtheit ihrerseits – und das wäre es dann gewesen.
In vielerlei Hinsicht jedenfalls. Ernestine hatte zwar keine Angst vor dem drohenden Tod, dafür ängstigten sie ganz andere Dinge, von denen jedoch niemand etwas ahnte.
Niemand? Aber wieso war die PSI-Squad dann überhaupt hier?
Und dass die PSI-Squad ausgerechnet zu ihr gekommen war – eigentlich der größtmögliche Albtraum überall auf SULEIMAN -, schien darauf hinzudeuten, dass zumindest ein winziger Teil ihrer Geheimnisse irgendwie zu dieser durchgesickert war.
Ja, irgendwie!
Dabei hatte sie nun wirklich alles getan, sich aus allem möglichst herauszuhalten und möglichst niemals auch nur im Geringsten aufzufallen.
Was also war geschehen?
Eine weitere Aufforderung zum Mitgehen war nicht nötig. Sie fragte auch nicht, ob sie sich erst noch anziehen durfte. Sie blieb im leichten Nachtgewand, das nur wenig ihrer aufregend weiblichen Reize verbarg, und ließ sich hoch erhobenen Hauptes zu der Wand geleiten, in der die ungebetenen Gäste ein großes Loch geschossen hatten.
Das war das eigentlich Tückische dieser Desintegratoren: Sie lösten nicht nur Leben, sondern jede normale Materie weitgehend auf, ohne dass es dabei Geräusche gab, die über das leise Herabrieseln des Endmaterials hinaus gingen. Deshalb war es ihnen gelungen, bis zu Ernestines Bett vorzudringen, ohne dass sie das vorher geweckt hätte. Dabei durfte sie von sich behaupten, dass sie einen ganz besonders leichten Schlaf hatte.
Der Schwebegleiter vor der Öffnung nahm die Gruppe auf. Die Squad-Leute verteilten sich ringsum an den Wänden des Gleiterfrachtraums, während Ernestine in ihrer Mitte Platz nehmen musste.
Dann gab der Kommandant ein Zeichen, und der von hier aus unsichtbare Pilot – falls es sich nicht doch um eine automatische Steuerung handelte - lenkte den Gleiter von der Hauswand weg.
Bevor sich der Zugang des Gleiters schloss, sah Ernestine das mannsgroße Loch in der Wand von außen. Das würde einiges an Reparatur kosten, und sie selber würde niemals wieder hierher zurückkehren dürfen. Denn wer einmal von der PSI-Squad aufgebracht worden war, durfte das sowieso für alle Zeiten vergessen. Jeder eventuelle Rückkehrer wurde zwangsläufig abgewiesen.
Das war durchaus verständlich, denn niemand wollte sich ohne große Not irgendwelchem Risiko aussetzen. Nicht nur, dass eben die Reparaturkosten eines solchen Schadens allein beim Hausbesitzer hängenblieben.
Man musste sogar bei völliger Entlastung von den schwersten Vorwürfen, die letztendlich zur Festnahme geführt hatten, mit neuem Namen praktisch ganz von vorn anfangen.
Ernestine Freihaus hoffte dabei, dass es überhaupt so etwas wie eine Entlastung für sie geben würde. Zumal sie nach wie vor überhaupt keine Ahnung hatte, wie die Vorwürfe eigentlich lauteten gegen sie.
Die Aufklärung kam für Ernestine erst im Hauptquartier der PSI-Squad. Zumindest halbwegs hieß das. Bei geschlossenem Zugang zum Laderaum des Gleiters konnte man unterwegs nicht mehr sehen, wohin der Weg führte. Auch als sich der Zugang wieder öffnete, sah man nicht viel. Außer einer Art Hangar für Schwebegleiter, die immerhin bis zu vierhundert Meter hoch fliegen konnten und selbstverständlich nur von besonders autorisierten Behörden benutzt werden durften, und einem unmittelbar anschließenden hell erleuchteten Gang, gab es nichts. Noch nicht einmal Türen, die von diesem Gang abführten. Zumindest keine sichtbaren. Sicherlich waren die Zugänge zu irgendwelchen Räumlichkeiten, die sich rechts und links des Ganges befanden, nur entsprechend getarnt.
Für wen eigentlich? Für Festgenommene, die hier entlang getrieben wurden wie sprichwörtliches Schlachtvieh, so wie Ernestine Freihaus jetzt?
Bis in eine Art Vernehmungsraum. Der hatte eine Größe von ungefähr zwanzig Quadratmetern, kahle Wände, die aus sich heraus zu leuchten schienen und dabei ein helles Licht erzeugten, das alles sehr gut erkennen ließ ohne zu blenden.
Inmitten gab es einen Tisch mit zwei Mulden.
Ernestine wartete nicht darauf, dass man sie dazu aufforderte: Sie setzte sich auf den ziemlich unbequem aussehenden Metallstuhl, der vor diesem Tisch stand, und legte die Unterarme in diese Mulden.
Sogleich schnappten Metallspangen um ihre Arme und fesselten sie an den Tisch.
Mehr noch: Ernestine spürte ein unangenehmes Kribbeln. Nicht so schlimm wie schwache Stromschläge, sondern halt einfach nur unangenehm.
Sie kannte die Gerüchte, dass die PSI-Squad die Möglichkeit hatte, PSI-Kräfte zu unterdrücken. Gerüchte, die anscheinend tatsächlich der Wahrheit entsprachen.
Was aber, wenn jemand überhaupt keine PSI-Kräfte besaß?
Nun, die PSI-Squad hatte sie festgenommen. Also schien zumindest einer der Vorwürfe zu lauten, ein PSI-Mensch zu sein.
Ernestine lächelte geringschätzig und sah nicht auf, als sie hinter sich Schritte vernahm.
Jemand umrundete den Tisch und nahm ihr gegenüber Platz.
Jetzt erst betrachtete Ernestine den Neuankömmling.
Nun, ganz so neu war dieser tatsächlich nicht, denn es handelte sich offensichtlich um den weiblichen Kommandanten der PSI-Squad, die sie hierher gebracht hatte. Zwar waren die Rüstungen alle so ziemlich gleich, aber Ernestine hatte ein gutes Auge. Ihr entgingen auch die geringsten Nuancen nicht.
„Hallo, Kommandant Takeling!“, sagte Ernestine freundlich.
Bevor sie eine Antwort bekam, nahm ihr Gegenüber den Helm ab. Eine hellblonde Haarfülle bahnte sich wie ein Schwall aus fein gesponnenen Goldfäden ihren Weg. Kommandant Takeling schüttelte zweimal den Kopf und bändigte damit diese Fülle, die wunschgemäß im Nacken landete.
Lächelnd betrachtete sie Ernestine Freihaus.
„Die Schöne und das Biest!“, sagte sie.
„Wie bitte?“, entfuhr es Ernestine Freihaus, denn sie hatte diesen Vergleich noch niemals zuvor gehört. Da war sie ziemlich sicher.
„Ach, es handelt sich nur um ein Theaterstück, das uralt sein muss und immer noch beliebt ist. Natürlich nur bei Leuten, die Theater mögen.“
„Theaterstück?“, wunderte sich Ernestine, denn sie hatte zwar das Wort schon gehört, wusste aber damit nicht viel anzufangen. Zumal sie daran noch nie interessiert gewesen war.
Das normale Volk hatte sowieso keinen Zugang zu Theatern. Es gab nur Dauerberieselung aus genehmigten Übertragungskanälen mit Bild und Ton und natürlich allerlei Propaganda.
Nicht nur Ernestine Freihaus wusste, dass ihre Welt eine Diktatur war, in der nur die Privilegierten von allem Luxus verwöhnt wurden, der überhaupt denkbar war, während der weitaus größte Teil der Bevölkerung in erzwungener Teilprimitivität bleiben musste.
Außer eben der Dauerberieselung. Die war erlaubt. Und Bodenfahrzeuge, um beispielsweise den zugewiesenen Arbeitsplatz zu erreichen. Falls es keine ausreichend gute sonstige Möglichkeit gab, wie Transbusse oder Trails.
Besonders wenn man in einem reinen Wohnviertel untergebracht war wie in Seehafen, das zwar so hieß, wo es aber weit und breit keinerlei Seehafen gab, noch nicht einmal das, was man einen See hätte nennen können. Von hier aus hatte man wenig Chancen, per Trail oder Transbus auf die andere Seite der Hauptstadt Thunmaher zu gelangen. Immerhin eine Stadt mit angeblich zwanzig Millionen Einwohnern. Eine Stadt mithin, in der es eigentlich niemals wirklich Nacht wurde und man kaum jemals allein war, falls man sich nicht in seiner in der Regel ziemlich kleinen Wohnung verschanzte.
Außer für Ernestine Freihaus die letzte Nacht, bei der noch nicht einmal das gelungen war letztendlich. Sie hatte ihre knapp bemessene Freizeit allein daheim verbringen wollen, um endlich mal gründlich auszuschlafen. Bei einer beinahe Fünfzigstundenwoche etwas, was wirklich auch einmal sein musste. Daher hatte sie sich komplett abgeschottet. Was gegen die PSI-Squad jedoch völlig sinnlos blieb.
Und jetzt saß sie hier, gut eine halbe Stunde nach der zwangsweisen Abholung durch die PSI-Squad.
Die Superblondine ihr gegenüber winkte mit beiden Händen ab.
„Ich muss mich nun doch ein wenig entschuldigen, dass wir so ungestüm waren bei Ihrer Abholung.“
„Ungestüm?“, echote Ernestine und dachte an das große Loch in der Außenwand im siebten Stock ihres Wohnblocks, genau dort, wo sich ihre kleine Wohnung befand.
Ehemalige Wohnung!, berichtigte sie in Gedanken und dachte wehmütig an all die lieb gewonnenen Dinge, die sie dort leider hatte zurücklassen müssen.
Die Superblondine lehnte sich bequem zurück – soweit bequem überhaupt auf einem solchen Metallstuhl möglich war -, und betrachtete mit ihren strahlendblauen Augen ihren unfreiwilligen Gast.
Ernestine war leicht dunkelhäutig und hatte langes, pechschwarzes Haar. Ihr Äußeres stand irgendwie im Widerspruch mit dem Äußeren des Squadkommandanten.
„Wer ist nun von uns beiden die Schöne und wer das Biest?“ Diese Frage konnte sich Ernestine beim besten Willen nun doch nicht verkneifen.
Die Blondine lachte amüsiert.
„Du bist natürlich die Schöne, meine liebe Ernestine, und ich das Biest. Immerhin, wenn man die Umstände unseres Kennenlernens berücksichtigt...“
Die tickt nicht ganz richtig!, war Ernestines respektloser Eindruck. Sind denn alle Mitglieder der PSI-Squad so bescheuert? Ist das etwa die Einstellungsvoraussetzung?
Sie konnte das ja nicht wirklich wissen, weil sie, dem großen Suleimangott sei es gedankt, noch niemals mit denen zu tun gehabt hatte. Es war das erste Mal. Aber sie musste zugeben, dass sie niemals auch nur im Entferntesten damit gerechnet hätte, dass eine Vernehmung auf solche Art ablaufen würde.
Falls man das überhaupt Vernehmung nennen konnte. Aber was war es sonst, was hier zelebriert wurde?
„Einfache Frage“, meinte Ernestine mit der gebotenen Vorsicht, „und ich hoffe, es kommt nicht falsch rüber oder so: Wieso bin ich eigentlich hier?“
„Weil ich dich unbedingt kennenlernen musste, Ernestine Freihaus“, war die irritierende Antwort.
„Äh, ja, zugegeben, aber das hätten Sie doch auch einfacher haben können: Ich habe beispielsweise eine Klingel an der Wohnungstür und bin schon ein ganz großes Mädchen, das sogar schon ganz von allein von innen diese Tür öffnen kann. Ein einfaches Hallo - und wir wären ungefähr so weit gewesen wie wir es jetzt hier sind.“
Die Blondine lachte lauthals und wollte sich gar nicht mehr beruhigen.
Als sie endlich wieder sprechen konnte, meinte sie anerkennend:
„Also, das eine muss ich dir wirklich lassen, schöne Ernestine: Unterhaltsam bist du allemal.“
Plötzlich wurde sie todernst und schnellte sich vor wie ein zuschnappendes Raubtier.
Ein Vergleich, der Ernestine unwillkürlich zusammenzucken ließ.
„Du fragst ja gar nicht, wieso du überhaupt hier bist, meine Schöne.“
„Aber das habe ich doch gerade, und Sie haben behauptet, mich einfach nur kennenlernen zu wollen“, protestierte Ernestine lahm.
Die Blondine stand auf und begann, sich ohne weitere Worte aus ihrer Rüstung zu schälen.
Den Helm hatte sie einfach zu Boden fallen lassen. Jetzt folgte das Oberteil mit den Ärmeln und danach die Hose mitsamt den Stiefeln.
Mehr oder weniger fassungslos sah Ernestine ihr dabei zu. Sie konnte sich nicht erinnern, dass es jemals etwas in ihrem Leben gegeben hatte, was sie auch nur annähernd so irritiert hatte.
Am Ende stand die Superblondine in einem leichten Freizeitanzug vor ihr und setzte sich wieder hin, mit einem leisen Lächeln um die Mundwinkel.
„Ich muss mich schon wieder entschuldigen, liebste Ernestine. Ich hätte das blöde Ding auch vorher schon ausziehen können, aber ehrlich gesagt, ich habe es einfach nicht mehr länger ausgehalten. Ich musste einfach zu dir hier herein kommen, um dich ganz persönlich kennenzulernen.“
Ernestine hatte auf der Zunge, etwas ziemlich Unüberlegtes zu sagen, was die Blonde sicherlich als tödliche Beleidigung aufgefasst hätte. Sie konnte es gerade noch in letzter Sekunde verhindern, indem sie sich selber auf die Zunge biss, was ziemlich schmerzte. Ohne sich natürlich etwas anmerken zu lassen.
Kommandant Takeling, die so makellos war als Superblondine, als wäre sie von einem verrückten Wissenschaftler eigens für diese Rolle designt worden, begann, am Tischrand mit den Fingern zu trommeln. Irgendeine Melodie, wie Ernestine vermutete. Allerdings eine, die ihr überhaupt nicht bekannt vorkam. Aber falls es sich tatsächlich um eine Melodie handelte, klang das ziemlich untalentiert. So etwas wie Rhythmusgefühl schien der Superblondinen fremd zu sein.
Was soll das?, fragte sich Ernestine unwillkürlich.
Aber überhaupt: Was soll das?
„PSI-Squad!“, sagte sie vorsichtig, dabei die Blondine nicht aus den Augen lassend. „Das signalisiert doch eigentlich, dass Sie Jagd machen auf PSI-Menschen, oder?“
Die Blondine strahlte sie regelrecht an.
„Na und? Fühlen Sie sich denn überhaupt nicht betroffen?“
„Was denn - ich? Also, ich sehe zwei Möglichkeiten: Entweder, Sie nahmen an, ich sei einer der PSI-Menschen, die unerkannt unter den normalen Menschen leben wollen, also illegal, anstatt sich dem Staat zu Forschungszwecken zur Verfügung zu stellen, oder aber...“
Sie brach ab.
„Oder aber?“, forderte sie die Blondine freundlich auf und fuhr fort mit ihrer Fingertrommel.
Ernestine spürte, dass sie das zu nerven begann, aber sie schwor sich hoch und heilig, tapfer zu bleiben. Wenn sie hier nicht mitspielte, konnte das nur übel für sie enden. Obwohl diese Blondine mit ihrem verrückten Gehabe das Gegenteil zu signalisieren schien.
„Oder aber, Sie nehmen zumindest an, dass ich von irgendeinem illegalen PSI-Menschen weiß, und erhoffen sich von mir entsprechende Aussagen.“
„Erhoffen? Nun, behaupten denn nicht die Gerüchte, dass wir Aussagen in der Regel zu erzwingen trachten? Also, wenn ich das richtig verstehe, heißt es, wir foltern unsere Opfer bis zum Tode, um an das heranzukommen, was wir wissen wollen.“
„Ist es denn so?“, erkundigte sich Ernestine prompt, und schon wieder hätte sie sich gern auf die Zunge gebissen, obwohl es schon zu spät war: Die möglicherweise zu provokanten Worte hatten ihre Lippen leider schon verlassen.
Die Blondine lachte nur kurz auf wie über einen lahmen Scherz.
„Natürlich nicht, liebe Ernestine. Und übrigens, ich bin für dich ganz einfach Takeling. Du brauchst mich nicht zu siezen. Wir sitzen ja hier beide im wahrsten Sinne des Wortes im selben Boot.“
Sie zeigte mit dem Zeigefinger ihrer Linken in die Runde, während die Finger ihrer Rechten immer noch mit dem nervigen Trommeln beschäftigt blieben.
„Obwohl es sich natürlich nicht wirklich um ein Boot handelt, sondern um eine Art Vernehmungszimmer.“
Sie deutete auf die beiden Unterarmfesseln.
„Ach ja, meine Schöne, ist es dir bequem genug?“
„Nun – äh -, ich kann nicht klagen.“
„Gut, prima, da bin ich aber froh. Ich möchte nämlich nicht, dass du dich nicht wohl fühlst.“
„Sollte ich mich denn wohlfühlen?“
„Ja, klar! Das klingt jetzt wahrscheinlich ein wenig verrückt, also lass es mich ein wenig anders formulieren: Wohlfühlen den Umständen entsprechend meine ich natürlich.“
„Ja, alles bestens!“, log Ernestine.
Prompt drohte Takeling mit dem erhobenen Zeigefinger.
„Jetzt schwindelst du mich aber an, böse, böse schöne Frau!“, warf sie Ernestine vor.
Ernestine zuckte erschrocken zusammen. Jetzt begriff sie endlich, was die ganze Charade hier sollte: Die Blondine war ein Telepath. Sie brauchte keine gezielten Fragen zu stellen, sondern musste nur ihr Vernehmungsopfer durch sinnlos erscheinende Ablenkungsmanöver in Sicherheit wiegen, um dabei möglichst viel und natürlich möglichst unbemerkt in dessen Erinnerungen herumstochern zu können, um genau das dort zu finden, wozu man Ernestine überhaupt festgenommen hatte.
Was allerdings die Telepathin nicht wissen konnte: Ernestine hatte längst gelernt, ihre Gedanken so zu steuern, dass genau dieses niemals passieren konnte: Blondie würde niemals auf diese Weise zu einem Ziel gelangen!
Zwar fiel es Ernestine schwer, sich soweit zu beherrschen, dass nicht doch noch der eine oder andere ketzerische Gedanke in ihr aufblitzte, den sie niemals hätte ungestraft über die Lippen bringen dürfen, aber ansonsten würde auch der fähigste Telepath sich sprichwörtlich bei ihr die Zähne ausbeißen.
Doch ihr Erschrecken war natürlich von Takeling durchaus bemerkt worden. Sie betrachtete Ernestine besonders aufmerksam. Diese spürte es zwar nicht, weil dazu die Squad-Frau viel zu geschickt vorging, doch sie war sicher, dass Takeling dabei versuchte, noch tiefer in ihre Gedanken einzudringen.
Sie stieß dabei scheinbar auf keinerlei Widerstand. Obwohl dieser natürlich da war, dieser Widerstand. Doch Ernestine hatte alles, was sie hätte belasten können, so versteckt in den Tiefen ihrer Seele, dass sie in diesem Moment noch nicht einmal selbst Zugang dazu erhalten hätte.
Vor Squad-Kommandant Takeling schien eine völlig unbescholtene, noch jung wirkende und ziemlich rassige Schönheit zu sitzen, die immer nur fleißig ihrer Arbeit nachging in einem Büro der Innenstadt, beinahe keinerlei Freunde oder Bekannte hatte und es eben ganz besonders liebte, allein zu leben.
Takeling entspannte sich sichtlich.
Ernestine lächelte gewinnend:
„Ist das eigentlich dein richtiger Name: Takeling?“
Die Blondine blieb zwar entspannt, aber dennoch ernst.
„Den habe ich bekommen, als ich der Squad beitrat. Damit wurde das Kapitel persönliche Vergangenheit für alle Zeiten abgeschlossen.“
„Also gehörst du quasi der Squad?“
Blondie lächelte leicht amüsiert.
„Das klingt aus deinem Mund ja gerade so, als sei das etwas Negatives.“
„Verzeihung, ich wollte dir keineswegs zu nahe treten, aber für jemanden wie mich, der am liebsten allein ist und dabei nur sich selbst gehört, klingt das selbstverständlich negativ. Was ja kein Werturteil sein sollte.“
„Nun, genauer betrachtet habe ich wohl vorher genauso gedacht wie du. Vielleicht überrascht es dich, wenn ich dir erzähle, dass ich ebenfalls allein lebte und kaum Kontakte pflegte, außer Zwangskontakten im Rahmen der Arbeit natürlich.“
„Bis die PSI-Squad nachts vor deinem Bett stand?“
Die Blondine musste jetzt doch wieder lachen.
„Ja, so ungefähr...“, blieb ihre Antwort vage.
„Immerhin bist du telepathisch begabt. Also heißt das, du warst auch schon vorher ein PSI-Mensch. Und wenn du dich bemüht hast, ein einigermaßen normales Leben zu führen, beweist es deine damalige Illegalität. Möglicherweise bist du deshalb für gewöhnlich lieber allein geblieben, um nicht ständig belästigt zu werden von den Gedanken anderer?“
Und schon wieder musste die Blondine lachen.
„Schon erstaunlich, Ernestine, wie du den Spieß jetzt komplett umgedreht hast. Jetzt sieht es tatsächlich so aus, als würdest du umgekehrt mich vernehmen.“
„Ist es denn so?“
„Natürlich nicht, aber ich bin tatsächlich ein wenig überrascht, wie schnell du mich durchschauen konntest. Bedeutet das etwa, dass du schon Bekanntschaft gemacht hast mit einem Telepathen?“
„Nein, noch niemals“, betonte Ernestine überzeugt. „Mir ist überhaupt noch niemals ein Mutant begegnet. Wenn doch, habe ich es einfach nicht bemerkt.“
„Aber bei mir hast du das?“
„Klar, weil es ja allzu offensichtlich ist. Du gibst dir zwar alle Mühe, jemanden abzulenken vom Wesentlichen, aber letztlich hat dir das nichts genutzt.“
„Weil du selber entsprechende Fähigkeiten hast?“
„Natürlich nicht!“, antwortete Ernestine jetzt wie beiläufig. „Ich habe lediglich eine gute Beobachtungsgabe.“
„Dennoch gehst du einem einfachen Job als Büroangestellte nach? Das nenne ich ja mal eine Verschwendung von Fähigkeiten...“
„Ich tu das, wozu man mich eingeteilt hat, nach entsprechenden Eignungstests. Mehr war halt leider nicht drin für mich. Vielleicht besser als Gebäudereinigung? Obwohl das auch nicht unbedingt ein schlechter Job wäre.“
„So, meinst du?“
„Ich finde jeden Job gut, der nicht am Ende dazu führt, hier sitzen zu müssen, um vergeblich auf eine Begründung für die Festnahme zu warten.“
„Also gut, Ernestine, ich sehe es ein. So kommen wir nicht weiter. Also vertagen wir unser Gespräch besser auf einen späteren Zeitpunkt.“
Es gab Mithörer. Die ganze Zeit über schon. Das wurde offensichtlich, als sich jetzt prompt die Tür öffnete hinter Ernestine. Zwei in Kampfrüstung gehüllte Squad-Mitglieder traten ein, befreiten sie von den Armfesseln und führten sie ab.
Die Blondine blieb im Vernehmungszimmer sitzen.
Es ging nicht weit den Gang entlang. Vor Ernestine und den beiden ganz persönlichen Wächtern, die sie flankierten, öffnete sich die Wand, wo vorher keine Tür sichtbar gewesen war. Dahinter befand sich ein kleiner, hell erleuchteter Raum mit Hygienebereich, einem Tisch in der anderen Ecke, davor ein Stuhl, und in der dritten Ecke eine bequem aussehende Liege.
Ernestine wurde hineingestoßen, bevor sich hinter ihr die Tür wieder schloss.
Als sie sich umdrehte, konnte sie nur noch eine makellos glatte Wand erkennen. Auch hier schienen die Wände aus sich heraus zu leuchten.
Sie ging zur Hygieneecke hinüber. Kaum hatte sie diese erreicht, erschien ein Spiegel an der Wand, wie hingezaubert. Das waren technische Tricks, die man normalerweise als Bürger niemals kennenlernte.
Ernestine schüttelte den Kopf.
Nein, sie hätte auf dieses Kennenlernen liebend gern verzichtet.
Ernestine betrachtete sich im Spiegel. Ihre Gedanken blieben dabei: Sie fühlte sich ungerecht behandelt, war sich vollkommen sicher, niemals so etwas wie PSI-Fähigkeiten gehabt zu haben, wusste hundertprozentig, dass sie auch niemals in ihrem Leben persönlich einem Mutanten begegnet war, den sie jetzt hier hätte verraten können, und hoffte doch sehr, dass sich das ganze Missverständnis möglichst bald auflösen möge.
Dann wandte sie sich vom Spiegel ab, der sogleich wieder verschwand, und schlurfte irgendwie sehr müde geworden zur Liege hinüber, um sich dort lang hinzustrecken.
Ah, das tat wirklich gut. Vielleicht konnte sie jetzt wenigstens den versäumten Schlaf nachholen?
Ihr Körper versank in Schlafstarre, ihr Gehirn reduzierte sich auf die Grundfunktionen. Das typische Gehirnmuster eines Menschen in tiefem Schlaf entstand. In diesem Zustand waren keine Erinnerungen wach. Also würde ein Telepath vergeblich versuchen, sie anzuzapfen.
Ihr Geist war wie verschwunden. Und in diesem speziellen Fall war er das sogar: Verschwunden! Im wahrsten Sinne des Wortes nämlich. Denn jetzt weilte der Geist von Ernestine Freihaus nicht mehr in dieser Welt, sondern... in einer anderen.
Hier hieß sie genauso wie in ihrer Welt: Ernestine Freihaus. Ein Name, den sie von ihren Eltern bekommen hatte. Und auch das Schicksal ihrer Eltern hier unterschied sich nicht von ihren Eltern dort, woher sie gekommen war an diesem frühen Morgen: Sie lebten schon seit Jahren nicht mehr!
Es war Morgen in beiden parallel existierenden Welten. Ein strahlend heller Morgen, was sie im Hauptquartier der PSI-Squad in Gefangenschaft in einer Zelle ohne Fenster nicht gesehen hätte. Aber sie sah es hier, als sie sich erhob von ihrem Bett.
Es war zumindest beinahe die gleiche Welt, ergo das gleiche Wetter, der gleiche immer helle Himmel, falls er nicht gerade von Wolken getrübt wurde oder es Nacht war, eine Welt, die sogar genauso hieß: SULEIMAN. Hier wie da waren niemals in der Nacht Sterne sichtbar und niemals am Tag die Sonne. Es wurde einfach nur hell und dunkel. Ja, auf SULEIMAN galten Sonne und Sterne sogar als Mythos.
Es existierten auch keine Flugzeuge. Eben nur Gleiter, die höchstens vierhundert Meter hoch fliegen konnten. Aber einer Höhe von einem Kilometer wurde jeder Flug zur Todesfalle: Man verschwand einfach im Nichts! Und niemand wusste, wieso das war.
Zwei identische Welten einerseits – und doch andererseits mit gewissen Unterschieden, die sich gravierend auswirkten. Denn hier, in der parallelen Welt, herrschte keine gnadenlose Diktatur. Es verbreiteten auch keine rücksichtslosen Spezialeinheiten wie die PSI-Squad Angst und Schrecken. Es herrschte eine weitgehend harmonische Demokratie. Weltweit. Aufgeteilt in kleinere und größere Staaten zwar, die jedoch friedlich miteinander kooperierten.
Vor allem gab es hier eines absolut gar nicht: Jagd auf Mutanten, die ganz einfach nur einigermaßen normal leben wollten – und das auch noch unter Normalen! Ganz im Gegenteil: Hier hatten die Mutanten das Sagen!
Und sie nutzten ihre Vorherrschaft keineswegs dazu aus, die normalen Menschen zu unterdrücken, die bei weitem in der Mehrzahl geblieben waren!
Mutanten, die sich nicht an dieses eherne Gesetz des verbotenen Missbrauchs jeglicher Fähigkeiten hielten, wurden von den besonnenen Mutanten also als Kriminelle durchaus gejagt, isoliert von allem und damit für den Rest ihres Lebens unschädlich gemacht. Aber eben nur solche!
Ernestine Freihaus war das einzige Wesen auf beiden Welten jedoch, das überhaupt wusste, dass es tatsächlich zwei parallele Welten mit dem gleichen Namen gab. Ohne auch nur zu ahnen, wieso dies so war.
Sie sah es als ihre dringlichste Aufgabe an, herauszufinden, was dazu geführt hatte. Aus sehr gutem Grund, denn beide Welten waren untrennbar miteinander verbunden, obwohl es außer Ernestine niemand je bewusst wahrnahm. Diese beiden Parallelwelten waren sogar dermaßen stark miteinander verbunden, dass aller Schicksale voneinander abhängig waren. Falls also hier ein Mensch einer tödlichen Krankheit erlag, starb auch sein Gegenpart in der anderen Welt.
Dazu war eine Verbindung zwischen allen Lebewesen nötig, die stärker gar nicht mehr hätte sein können. Obwohl niemandem dies jemals bewusst wurde.
Außer eben einer, nämlich Ernestine Freihaus.
„Drüben“ war sie eine kleine Büroangestellte gewesen bis zu diesen Morgen, die alles tat, unauffällig zu bleiben, was letztlich doch nicht wunschgemäß abgelaufen war. Hier jedoch spielte sie eine völlig andere Rolle: Sie war im Grunde genommen das, was Kommandant Takeling drüben war. Sie gehörte nämlich einer Spezialeinheit an, einer Squad – als Kommandant.
Außerdem nannte man diese Spezialeinheit ebenfalls... PSI-Squad. Jedoch unterschieden sich ganz erheblich ihre Ziele und ihre Methoden von denen in der anderen Welt. Sie gingen niemals rücksichtslos vor, um Kollateralschäden zu vermeiden. Und sie machten eben niemals Jagd auf Unschuldige, die einfach nur möglichst normal leben wollten, sondern ausschließlich auf kriminelle PSI-Menschen.
Diese gab es leider immer wieder, und deshalb war die PSI-Squad in dieser Welt auch bitter nötig.
Ganz im Gegensatz eben zur Parallelwelt, wo ganz offensichtlich nur deshalb Jagd gemacht wurde auf Mutanten, um sie zu konditionieren oder zumindest an ihnen grausige Experimente durchzuführen. Vor allem jedoch, um zu verhindern, dass ihnen jemals das gelang, was ihnen hier gelungen war: Nämlich die Macht zu übernehmen und dabei Frieden und Wohlstand über die ganze Welt zu bringen.
Ernestine musste nicht nachdenken, um zu entscheiden, was sie für besser fand: Die Macht in den Händen besonnener Mutanten oder in den Händen rücksichtsloser Normalmenschen. Sie hatte an diesem Morgen ja eindrucksvoll genug am eigenen Leib spüren müssen, was es hieß, Opfer von denen zu werden.
Das Schlimmste war für sie eigentlich die Erkenntnis, dass ausgerechnet Mutanten maßgebend waren in der PSI-Squad drüben. Sie jagten doch tatsächlich ihre eigenen Leute, und es war ihnen völlig egal dabei, ob sie dabei Schaden anrichteten und es sogar Menschenleben kostete.
Sie trat ans Panoramafenster, durch das sie Aussicht hatte über die gesamte Stadt Thunmaher. In einer Wohnung, die sich in der anderen Welt nur die Höchstprivilegierten hätten leisten können. Im gewissen Sinne war natürlich auch sie hier privilegiert, als Kommandant der PSI-Squad. Obwohl sie leider keinerlei PSI-Fähigkeiten hatte.
Außer einer, um genauer zu sein: Sie war eben das einzige Wesen, das bewusst in beiden Welten lebte. Was für sie ein unschätzbarer Vorteil war. Denn wenn sie in einer Welt zu Tode kam, zog sich ihr Geist in die andere Welt zurück, um von dort aus erneut hinüber zu wechseln und zu neuem Leben zu erwachen.
Das war durchaus schon vorgekommen. Nicht in der anderen Welt, in der sie sich gerade schlafend in einer Zelle befand, während ihrer beider Geister sich hier vereint hatten, sondern ausgerechnet hier im Einsatz. Jedes Mal war es um gefährliche hoch kriminelle Mutanten gegangen, die ihre besonderen Fähigkeiten eingesetzt hatten, um alle anderen, vor allem die Normalmenschen, denen sie weit überlegen waren, zu übervorteilen, ohne jegliche Skrupel.
Psychopathen gab es halt auf beiden Seiten, sowohl unter Mutanten als auch unter normalen Menschen, und es musste ihnen das Handwerk gelegt werden. Ganz besonders könnte das eigentlich in der anderen Welt zutreffen, in der ganz offensichtlich Psychopathen die Macht hatten.
Seit Ernestine die Erfahrung gemacht hatte, dass es bei der PSI-Squad drüben Mutanten gab wie jene Takeling, keimte in ihr sogar der Verdacht, dass es möglicherweise auch in der Führungselite drüben Mutanten gab. Es würde erklären, wieso sie dermaßen darauf aus waren, jegliche Mutanten für eigene Zwecke zu missbrauchen, ehe von denen auch nur die geringste Gefahr für sie hätte ausgehen können.
Ob sie damit richtig lag, konnte sie natürlich nicht sagen. Es war auch bislang nicht ihre Mission gewesen drüben, dies herauszufinden. Denn ihre Mission hatte völlig anders gelautet:
Möglichst unauffällig bleiben und dabei alles tun, um unter anderem herauszufinden, ob es noch jemanden dort drüben gab wie sie, der in der Lage war, in beiden Welten bewusst zu leben.
Das hieß, hier, in dieser Welt, wussten ihre Auftraggeber natürlich um ihre besondere Fähigkeit, und sie bemühten sich ihrerseits hier, jemanden wie Ernestine zu finden.
Bislang leider vergeblich.
Und nun das: Sie war auf jeden Fall drüben aufgeflogen. Mit Konsequenzen, die jetzt noch gar nicht absehbar waren.
Ernestine musste endlich Bericht erstatten an ihre Kommandozentrale. Vielleicht fiel denen dort ein, wie sie sich in der anderen Welt weiterhin verhalten sollte, um den Schaden möglichst klein zu halten, der dadurch mit Sicherheit entstanden war.
Zumindest würde man dort nicht einmal ahnen können, welche Fähigkeit sie besaß. Obwohl sie sich dennoch fragte, wie man überhaupt auf sie hatte aufmerksam werden können.
Eines hatte Ernestine Freihaus selbst überhaupt nicht bedacht, doch es fiel ihrer Kommandozentrale auf: Schon nach überraschend kurzer Beratung nach ihrer Berichterstattung meldete diese sich wieder bei ihr:
„Die Takeling: Würden Sie diese wiedererkennen?“
„Wiedererkennen?“, wunderte sich Ernestine, doch dann wurde ihr klar, worauf man hinaus wollte.
„Richtig, es muss sie ja auch hier geben, aber hier wird sie wohl kaum Takeling heißen. Sie hat mir selbst erzählt, dass sie vorher einen anderen Namen getragen hat. Es war offenbar eine völlig andere Existenz gewesen. Irgendwie hat man sie bei der Squad drüben regelrecht umprogrammiert und sie zum Kommandanten gemacht. Als Telepathin natürlich bestens geeignet, um Gefangene zu verhören.“
„Moment noch. Wir lassen einen Algorithmus laufen mit Ihrer Beschreibung. Die ersten Treffer wurden bereits erzielt. Wenn der Algorithmus abgelaufen ist, überspielen wir die Daten auf Ihren Homecomputer.“
Die Bezeichnung Homecomputer war im Grunde genommen stark untertrieben, denn eigentlich war die gesamte Wohnung ein Computer, nach außen hin perfekt abgeschirmt. Das digitale Nadelöhr, das extra geöffnet werden musste zur Außenkommunikation, galt als absolut sicher vor Hackern.
Das war zu früheren Zeiten nämlich durchaus ein Problem gewesen, wie man wusste, weshalb die grenzenlose Vernetzung von sogenannten Smarthomes endlich der Vernunft gewichen war. Jetzt war jedes Smarthome wie eine digitalisierte Festung, also von außen weitgehend uneinnehmbar.
Vor allem, wenn man es sich leisten konnte, und ein großer Teil der Bevölkerung des hiesigen Planeten SULEIMAN konnte das.
Und dann kam das Signal: Ernestine musste nur die Freigabe bestätigen, um den Empfang der Daten abzuschließen.
Die nächste Zeit verbrachte sie mit dem Sichten des Bildmaterials. Sie hoffte dabei, dass es nicht allzu lange dauern würde, denn die Blondine entpuppte sich als eine Art Allerweltsausgabe. Kein Wunder, denn Genmanipulationen waren durchaus in beiden Welten üblich. Innerhalb eines gewissen Rahmens zwar, aber als positiver Aspekt waren immerhin damit praktisch sämtliche angeborenen Missbildungen und Erbkrankheiten von vornherein ausgeschlossen.
Negativer Aspekt: Es gab kaum noch Menschen, die man wirklich als Individuen bezeichnen konnte, also wirklich das, was man zu Recht als individuell hätte bezeichnen können. Nicht deshalb, weil sie nicht vollkommen genug aussahen, aber genau das war ja die Krux: Es gab so eine Art Einheitstypus, je nach Modetrend – und jene Blondine gehörte leider dazu, weshalb die Eingrenzung auf eine bestimmte Person, die jener Takeling entsprechen würde, nicht gerade einfach war.
Wahrhaft schöne neue Welt!, dachte Ernestine unwillkürlich, wobei sie nur diese Welt hier meinte, nicht die drüben, denn dort war außer den meisten Menschen alles andere überhaupt nicht schön.
Letztlich dauerte es jedoch überhaupt nicht so lang, bis sie sich trotz alledem sicher war: Sie hatte die hiesige Ausgabe von Kommandant Takeling vor sich!
Ihr Name lautete Sostra Tierens.
Ein seltsamer Name, zumindest hier in der Hauptstadt Thunmaher, doch Ernestine erinnerte sich daran, dass hoch im Norden solche Namen häufiger auftraten, weil dort entsprechend anders gesprochen wurde. Ein Norddialekt obendrein, den man hier, in der Hauptstadt, kaum verstehen konnte.
Dann stammte auch Takeling aus dem Norden?
Das konnte sie natürlich nicht sagen, denn Takeling hatte völlig akzentfrei gesprochen. Nichts hatte auf ihren Heimatdialekt hingewiesen.
Ernestine meldete sich wieder in der Kommandozentrale und teilte ihre Entdeckung mit.
„Sind Sie sich da völlig sicher?“
„Ich habe eine besonders ausgeprägte Beobachtungsgabe, die sich hervorragend zur Analyse eignet, wie Sie wissen, und dennoch: Natürlich kann ich mir nicht völlig sicher sein! Um völlig sicher zu sein, muss ich diese Takeling mit ihrem alten Namen konfrontieren, um dabei ihre Reaktion zu testen.“
„Das wäre allerdings mit einem nicht unbeträchtlichen Risiko verbunden: Diese Takeling würde sich fragen, woher Sie eine solche streng geheime Information haben könnten. Und dann wären Sie erst recht als Mutant verdächtig.“
„Ich will mich jetzt nicht festlegen. Bevor ich das Risiko eingehe, muss die Situation entsprechend sein. Wir wissen ja immer noch nicht, wie es drüben weiter gehen wird mit mir. Es wäre also im Grunde genommen nur eine mögliche Option.“
„Falls dies wirklich ihr alter Name sein sollte“, gab die Kommandozentrale noch zu bedenken. „Und wenn nicht würden Sie dieses Risiko völlig umsonst eingehen.“
„Wie gesagt: Deshalb entscheide ich aus dem Augenblick heraus. Ich bin derzeit nicht in der Lage, meine nächsten Schritte schlüssig zu planen, weil mir ganz einfach hierfür zu viele Parameter fehlen.“
Ernestine zögerte kurz. Dann fragte sie ganz direkt:
„Und wo befindet sich die hiesige Sostra Tierens jetzt? Hier, in der Hauptstadt gar? Das geht nicht aus dem Datenmaterial hervor, das Sie mir zugesendet haben.“
„Das müssen wir jetzt erst noch ermitteln.“
„Und was mache ich inzwischen?“
„Drüben weiter schlafen“, schlug die Kommandozentrale vor.
Ernestine war da ganz anderer Meinung:
„Bei allem Respekt: Das halte ich für falsch, denn mit Sicherheit wird mein Körper lückenlos überwacht - und möglicherweise sogar mein Gehirn und somit mein Geist. Wenn ich zu lange im Tiefschlaf bleibe, fällt das unweigerlich auf. Niemand ist so lange im Tiefschlaf.“
„Das stimmt, aber es gibt für Sie drüben derzeit nichts zu tun. Wir müssen abwarten, wie sich die Dinge weiter entwickeln. Es darf jedenfalls unter keinen Umständen Ihre besondere Fähigkeit erkannt werden.“
„Nun, irgendwie sind die doch sowieso schon auf meine Spur gekommen. Bis jetzt hat man es nur versäumt, mir Näheres darüber zu sagen.“
„Wie gesagt: Da hilft gegenwärtig nur das Abwarten.“
„Also gut! Ich werde mich jetzt hinlegen und zurück wechseln. Leider kann ich es nicht wagen, den Kontakt zwischen beiden Welten aufrecht zu erhalten. Das könnte diese Telepathin bemerken. Sie würde zwar nicht wissen, was sie da überhaupt feststellt, aber ich sollte wohl dieses Risiko lieber nicht eingehen.“
„Da sind wir der gleichen Auffassung. Viel Glück, Kommandant Freihaus!“
„Danke!“
Ernestine unterbrach die Verbindung und kehrte ins Bett zurück.
Kaum hatte sie versucht, wieder ein wenig Schlaf zu finden, wurde Ernestine Freihaus von einem schrillen Alarmsignal geweckt. Erschrocken fuhr sie in ihrem Bett hoch und benötigte Sekunden, um sich in der Wirklichkeit zurecht zu finden.
Was inzwischen ihr zweites Ich in der anderen Welt erlebt hatte und noch erlebte, in jener Zelle, wusste sie noch nicht, denn sie hatte ja den Kontakt sicherheitshalber abgebrochen.
Zumindest lebte ihr zweites Ich noch. Soviel stand fest. Denn sonst hätte ihr zweites Ich sich automatisch mit ihr vereint, um bereit zu sein für eine Wiederbelebung drüben.
Nein, sie würden erst wieder den Kontakt zulassen, wenn es ohne Risiko möglich wurde. Dazu musste sich ihr zweites Ich wieder in Tiefschlaf versetzen, um nur ja nicht das Misstrauen der telepathischen Überwachung zu erregen.
Es war in der Tat schon riskant genug gewesen, den Tiefschlaf dermaßen auszudehnen. Mit Sicherheit war ihr zweites Ich darauf bereits angesprochen worden. Es blieb eigentlich nur die Ausrede, dass sie halt von Natur aus stets einen besonders tiefen Schlaf hatte – und die eher vage Hoffnung, damit nicht auf Unglauben zu stoßen.
Und jetzt wollte sich Ernestine erst einmal um dieses Alarmsignal kümmern. Es war von der Kommunikationsanlage ausgegangen, eindeutig ein Signal der Kommandozentrale.
Sie stieg aus dem Bett und ging hinüber, um sich zu melden.
Die Kommandozentrale teilte ihr ohne Umschweife mit, wieso sie das Signal gesendet hatte:
„Wir haben Sostra Tierens ausfindig gemacht. Sie lebt in der Innenstadt, allerdings hat sie ihren Namen geändert in einen hier in der Hauptstadt eher gängigen Namen: Tanja Duwall. Das tat sie dermaßen geschickt, dass wir tatsächlich so lange benötigt haben, sie ausfindig zu machen. Offensichtlich hat sie etwas zu verbergen. Sonst wäre sie nicht untergetaucht.“
„Logisch, dass sie was zu verbergen hat: Ihre Telepathie! Offenbar misstraut sie allem und jedem. Das würde in der Tat auch zu jener Takeling passen. Mein Vorschlag: Ich kümmere mich persönlich um sie. Dann wäre allein schon auf diese Weise möglicherweise bereits gewährleistet, dass es sich um die entsprechende Person handelt, die wir suchen.“
„Einverstanden!“
Ernestine unterbrach die Verbindung und führte ihre Morgenroutine durch. Dazu gehörte normalerweise auch das tägliche Training, worauf sie ausnahmsweise heute einmal verzichtete. Als Kommandant der PSI-Squad war ein solches Training gewissermaßen lebensnotwendig, denn lebte sie stets gefährlich. Vor allem, wenn sie verdeckt in den Einsatz ging, ohne jegliche Unterstützung durch die Kommandozentrale.
Denn das hieß es ja in diesem Fall: Wenn sie persönlich in den Einsatz ging, mussten sämtliche Verbindungen zur Squad unkenntlich werden, um nicht ihre wahren Absichten zu verraten.
Es fiel Ernestine Freihaus allerdings gar nicht schwer, jene Ernestine auch hier, in dieser Welt, zu spielen, die nur eine einfache Büroangestellte war in der Innenstadt und ansonsten private Kontakte möglichst vermied.
Vorgeblich nur eine Art Marotte von ihr, mehr nicht. Schließlich hatte sie ja absolut gar nichts zu verbergen – ganz offensichtlich nicht...
Den einzigen Kontakt, den Ernestine mit der Kommandozentrale über eine gesicherte Verbindung noch wagte vor der Konfrontation mit Tanja Duwall, alias Sostra Tierens, und da auch nur ganz kurz, diente lediglich dazu, sie auch ja nicht zu verpassen, wenn die Begegnung wie rein zufällig aussehen sollte.
Vor dem Eingang zum größten Einkaufszentrum der Stadt, wo ständig, rund um die Uhr, tausende von Kunden verkehrten. Und ausgerechnet, als Tanja Duwall aus dem großen Haupteingang trat, lief ihr jemand über den Weg, den sie absolut nicht zu kennen glaubte, umgekehrt diese sie aber anscheinend schon:
„Ach was? Ist das nicht Sostra? Mensch, wie lange ist es her, dass wir... Moment mal, wie war das denn noch damals?“
Misstrauisch beäugte Tanja Duwall die Fremde. Woher kannte diese ihren eigentlichen Namen? Hatte sie nicht alles getan, um unerkannt unterzutauchen? Niemand sollte je den Verdacht haben, dass sie telepathische Fähigkeiten besaß. Ach, wie sehr sie es hasste, fremder Leute Gedanken ertragen zu müssen. Und nur, wenn sie den direkten Kontakt möglichst vermied, konnte sie das unterdrücken.
In dieser Situation, in die sie unversehens geraten war, gelang ihr das natürlich nicht – und das war von ihr auch ausnahmsweise gar nicht erwünscht, denn sie wollte ja wissen, wer die Fremde überhaupt war und was sie von ihr wollte.
Sie spürte die Wiedersehensfreude, die von der Fremden empfunden wurde, und diese Fremde schien vergeblich darüber zu grübeln, woher sie Tanja Duwall als Sostra kannte. Der Nachname Tierens wollte ihr tatsächlich nicht einfallen.
Es irritierte die Telepathin zutiefst. Da war nichts zu finden im Denken der Fremden, was nicht unmittelbar mit dieser Begegnung hier zu tun hatte. Die Fremde hatte offensichtlich keinerlei böse Absichten.
„Sie scheinen mich zu verwechseln“, versuchte Tanja Duwall sich herauszureden. „Wie haben Sie mich noch genannt?“
„Sostra!“ Die Fremde schnippte mit den Fingern, als würde ihr das helfen, sich zu erinnern, doch sie kam einfach nicht darauf. „Hilf mir auf die Sprünge. Ich weiß deinen Nachnamen nicht mehr. Verdammt, dabei habe ich normalerweise ein ziemlich gutes Personengedächtnis.“
Tanja Duwall wies in die Runde.
„Also, wenn ich das richtig sehe, bin ich nicht die einzige Superblondine im Umkreis von zehn Metern. Vielleicht könnten Sie es ja mal bei einer anderen versuchen?“
Die Fremde lachte wie über einen Witz.
„Das ist die Sostra, wie ich sie kenne, tatsächlich: Immer zu Scherzen aufgelegt. Dabei bin ich vollkommen sicher, dass du es bist und keine andere. Weißt du, ich habe die besondere Fähigkeit, Menschen wieder zu erkennen. Leider weiß ich zwar trotzdem deinen Nachnamen nicht mehr und auch nicht, woher wir uns eigentlich kennen, aber...“
Tanja Duwall unterbrach den Redeschwall mit einem brüsken:
„Verzeihung, nicht böse gemeint, aber...“ Sie schob herausfordernd den Unterkiefer vor. „Ich habe wirklich keine Zeit für so etwas! Wenn Sie auf Superblondinen stehen, gut, Ihr Ding, aber ich stehe leider nicht auf Schwarzhaarige, weil ich eigentlich überhaupt nicht auf Frauen stehe. Ich will einfach nur meine Ruhe haben. So verstanden?“
Die Fremde riss erschrocken die Augen auf.
„Aber nein, nicht doch, bei allem, was mir heilig ist: Ich bin doch nicht darauf aus, dich anzumachen. Ich habe dich einfach nur wiedererkannt. Aber wenn du nicht willst, Sostra, dass man dich wiedererkennt... Oh, kein Ding: Dann entschuldige bitte. Ich wollte dir keineswegs zu nahe treten.“
Sagte es, drehte sich um und ging beleidigt ihres Weges.
Tanja Duwall sah ihr irritiert hinterher, und dann kam sie zu dem Schluss, dass es ein Fehler sein könnte, die Fremde einfach davongehen zu lassen. Sie hatte dermaßen viel investiert, um unerkannt hier in der Hauptstadt unter einem fremden Namen leben zu können, der in keinem der üblichen Suchregister zu finden war, und jetzt war genau diese Fremde eine mögliche Gefahr, entdeckt zu werden.
„Halt, warten Sie!“, rief sie hinterher.
Das Grinsen im Gesicht der Fremden, die tatsächlich stehenblieb, konnte sie nicht sehen, weil sie ihr den Rücken zuwandte. Und auch in ihren Gedanken konnte sie nicht lesen, dass Ernestine Freihaus wusste, dass sie sich jetzt erfolgreich in das Leben von Tanja Duwall eingeschlichen hatte.
Was es bringen würde betreffend Kommandant Takeling in der anderen Welt, musste sich allerdings erst noch herausstellen.
Nach der Trennung von ihrem anderen Ich und der Rückkehr in ihren Körper, der ja nach wie vor in der Zelle lag, erwachte Ernestine.
Es war immer noch taghell hier. Anscheinend wurde absichtlich das Licht nicht gelöscht, vielleicht um der Gefangenen jegliches Zeitgefühl zu nehmen?
Sie richtete sich langsam auf, setzte sich auf den Rand der Liege und blickte zu Wand hinüber.
Als wäre das ein verabredetes Zeichen, öffnete sich dort der Durchgang nach draußen. Darin erschien Kommandant Takeling. Sie wirkte ungewöhnlich ernst.
„Was war denn das?“, fragte sie anstelle einer Begrüßung.
„Wie bitte?“, machte Ernestine nur und schaffte es, ihren Kopf weitgehend leer erscheinen zu lassen.
Die Telepathin musterte sie aufmerksam. Es war erschreckend und faszinierend zugleich, das Forschen im Kopf durch die Telepathin nicht zu spüren und dabei trotzdem zu wissen, dass sie jetzt dort regelrecht herumwühlte. Um was zu erfahren?
Die Frage wurde natürlich von Kommandant Takeling aufgenommen. Sie antwortete darauf, obwohl diese Worte nicht über Ernestines Lippen gegangen waren:
„Ich will wissen, was während deines Tiefschlafs geschehen ist!“
„Während des Tiefschlafs? Nicht dein Ernst, Kommandant Takeling: Was meinst du denn, was im Kopf so abläuft, während ein Mensch sich im Tiefschlaf befindet?“
„Ja, klar, leugne nur, Ernestine – und versuche, mich zu verhöhnen. Das macht mir nichts aus, weil ich es ganz genau weiß, dass du dich absichtlich in Tiefschlaf versetzt hast. Ungewöhnlich lang sogar. Und was hast du in dieser Zeit gemacht?“
„Na, geschlafen?“
Takeling lachte unecht.
„Also gut, reden wir Klartext...“
Sie trat zur Seite, um einem noch ziemlich jung erscheinenden Mann in sportlicher Freizeitkleidung Platz zu machen. Ebenfalls ein Mitglied der hiesigen PSI-Squad? Das war jedenfalls nicht zu erkennen.
Erstaunt betrachtete Ernestine von ihrer Liege aus den Neuen.
Oder war er sogar mit dabei gewesen, als man sie regelrecht überfallen hatte?
„Nein“, antwortete Takeling auf diese lautlos gestellte Frage: „Dieser hier war nicht mit dabei gewesen. Er arbeitet sozusagen nur aus dem Hintergrund und geht niemals persönlich in einen Einsatz. Dafür ist er viel zu wertvoll für uns.“
„Aha?“, machte Ernestine, nur wenig interessiert. Obwohl sie sich in Gedanken durchaus fragte:
Was soll das denn jetzt eigentlich?
Kommandant Takeling lächelte entwaffnend.
„Dieser junge Mann hier, so unscheinbar er auch wirken mag, ist in der Tat die wichtigste Person überhaupt in der PSI-Squad, weil er der einzige Mensch ist auf der ganzen Welt, der PSI-Aktivitäten aufspüren kann. Bei dir hat das zwar ziemlich lange gedauert, und doch hat er es geschafft, dir auf die Schliche zu kommen. Allerdings behauptet er, deine Signatur sei so ungewöhnlich, dass er nicht in der Lage sei, dich einzuordnen.“
„Jetzt verstehe ich endlich!“, behauptete Ernestine und tat sogar erleichtert, ohne sich in Gedanken natürlich zu widersprechen: „Er hat etwas bei mir entdeckt, was er nicht einordnen kann, aber jeder ist jetzt dennoch überzeugt davon, dass es sich bei mir nur um PSI handeln kann. Dabei bin ich nur in der Lage, mich in Tiefschlaf zu versetzen, wie du schon richtig festgestellt hast, Takeling. Ich darf dich doch so nennen, oder? Hast es mir ja selber angeboten.“
Die Angesprochene schüttelte heftig den Kopf.
„Ich habe das persönlich überprüft, mehrfach sogar: Klar warst du im Tiefschlaf, aber der verlief anders als bei einem normalen Menschen.“
„Anders? Inwiefern? Weil er vielleicht länger dauerte als gewöhnlich? Das ist doch vielleicht nur eine besondere Eigenschaft bei mir, die mir leider in die Wiege gelegt wurde. Dafür kann ich nichts.“
„Nein, dafür kannst du nichts. Und ja, das wurde dir in die Wiege gelegt: Dich in Tiefschlaf zu versetzen, um... was zu tun? Kannst du dabei deinen Geist durch Wände gehen lassen oder wie? Was sonst?“
Jetzt lächelte Ernestine.
„An Fantasie mangelt es dir ja nicht, wie ich sehe. Aber was sagt denn euer lebender PSI-Detektor hier dazu?“ Sie wandte sich direkt an diesen. „Wie darf ich Sie denn nennen?“
„Gar nicht!“, antwortete Takeling an seiner Stelle.
Er blieb konzentriert und neutral. Worauf konzentrierte er sich denn eigentlich? Klar, auf Ernestine, aber was wollte er jetzt bei ihr noch feststellen?
Beinahe verlor Ernestine ein wenig ihrer innerlichen Beherrschung, aber sie hatte jahrelang für so etwas trainiert. Wenn sie nicht wollte, konnte sie auch der beste Telepath nicht aushorchen. Sonst wäre sie nie Kommandant der PSI-Squad in der anderen Welt geworden.
Also lächelte sie jetzt nur und wartete ab.
Der lebende PSI-Detektor, wie Ernestine ihn nannte, wandte sich an Takeling.
„Nichts!“, sagte er.
Kommandant Takeling war darüber alles andere als amüsiert.
„Aber du hast doch während des Tiefschlafs von ihr PSI-Aktivitäten wahrgenommen?“
„Ja, ich habe etwas wahrgenommen, aber etwas, was ich nicht einordnen kann, wie ich schon sagte.“
„Ist es nun PSI gewesen oder nicht?“
„Ich bin der Meinung, dass ja, aber ich weiß es einfach nicht sicher, weil es eben von allem abweicht, was mich meine Erfahrung lehrt.“
„Also gut, bleiben wir zunächst dabei. Du kannst vorerst abtreten. Aber halte dich zur Verfügung.“
Er nickte ihr nur kurz zu, bedachte Ernestine keines Blickes mehr und verschwand.
Ernestine hörte seine leisen Schritte, wie sie sich im Gang entfernten, während Kommandant Takeling ganz eintrat.
Die Tür hinter ihr blieb offen. Sie schien nicht zu befürchten, dass Ernestine Tendenz hatte auszubrechen, und damit lag sie durchaus richtig, denn Ernestine rechnete sich keine Chancen aus, weit zu kommen. Sie kannte ein solches Gefängnis, weil es so etwas natürlich auch in der anderen Welt gab. Niemand konnte da entrinnen, es sei denn, er hatte ganz besondere Fähigkeiten. Aber in einem solchen Fall wäre Kommandant Takeling nicht so sorglos hier aufgetreten.
Jetzt ging sie zum Tisch hinüber, nahm den Metallstuhl, der davor stand, drehte ihn so, dass sie Ernestine direkt ansehen konnte, wenn sie sich darauf niederließ, und setzte sich.
Ernestine lächelte immer noch.
„Es tut mir leid, wenn ich dich dermaßen enttäuschen muss: Du meinst natürlich, dass du einen Mutanten eingefangen hast, und jetzt willst du, dass es irgendwie weiter geht. Was würde denn in einem solchen Fall, also wenn ich wirklich ein Mutant wäre, als nächstes passieren? Irgendein PSI-Labor oder was? Gibt es so etwas überhaupt bei euch?“
Stumm beobachtete Takeling sie, um nicht zu sagen: Sie schätzte Ernestine ab.
„Du bist nicht die kleine Büroangestellte, die du spielst. Ich habe es genauestens überprüft. Es gibt nicht den geringsten Anhaltspunkt, dass du jemals mit anderen Mutanten zusammengekommen wärst. Ich finde nichts in deinen Erinnerungen außer eben dein ödes Dasein als Büroangestellte, mit jedem Tag dem gleichen Trott.“
„Wie gesagt: Ich bedauere es sehr, dass ich dich dermaßen enttäusche, aber leider kann ich halt nicht mehr bieten.“
„Du könntest durchaus, aber du willst nicht, und du bist immerhin geschickt genug, alle verräterischen Gedanken vor mir zu verbergen. Ehrlich gesagt, das habe ich noch niemals zuvor erlebt. Die einzigen, die es bisher geschafft haben, ihre Gedanken vor mir einigermaßen zu verbergen, waren Mutanten mit telepathischen Fähigkeiten.“
„Aha? Gewissermaßen kann ein Telepath den anderen nicht belauschen oder was? Da wusste ich gar nicht.“
„Weil du sowieso überhaupt gar nichts über Mutanten weißt, nicht wahr?“, fragte Takeling provozierend.
Ernestine hörte nicht auf zu lächeln.
„Ja, ganz genau!“, bestätigte sie.
„Und jetzt, in diesem Moment, scheint es keinerlei PSI in dir zu geben. Du wirkst wie ein ganz normaler Mensch.“
„Eben wie eine kleine Büroangestellte? Bestimmt deshalb, weil ich das halt bin: Eine kleine Büroangestellte. Und ich finde das keineswegs so öde wie du. Klar, das ist sicherlich nicht so aufregend wie der Dienst in der PSI-Squad, zugegeben, aber ich bin voll und ganz zufrieden mit meinem Job, mit meinem Leben...“
„Mit deiner Wohnung?“, unterbrach Takeling sie.
„Tja, falls es die überhaupt noch geben würde. Es ist schon ziemlich schlimm für mich, dass ich durch euch all die kleinen, jedoch lieb gewonnenen Dinge, die ich in meiner Wohnung hatte, für immer verloren habe.“
„Wer sagt das denn?“, widersprach Takeling. „Wir haben die komplette Wohnung natürlich ausgeräumt. Als wir bei dir eindrangen, haben wir nur die Wand teilweise aufgelöst, aber sonst nichts beschädigt. Inzwischen wurde alles gesichtet und von speziellen Kollegen überprüft. Wenn wir hier fertig sind und das Ergebnis zu deinen Gunsten ausfällt, kannst du alles wieder haben.“