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Das Vertrauen ist zerbrochen, doch ihre Leidenschaft lodert immer noch hell ...
Die schottischen Highlands im 12. Jahrhundert. Vor sechs Jahren waren Shona und der Werwolf Caelis ein Paar. Intrigen haben sie entzweit. Nun begegnen sie sich wieder, und sofort spüren sie die starke Verbindung, die trotz allem anhält. Doch es geht nicht mehr nur um sie. Verpflichtungen binden den Highlander an seinen Clan, Shona ist verwitwet und hat zwei Kinder, und ein finsterer Feind sitzt ihnen im Nacken. Kann ihre Liebe die Schatten der Vergangenheit überwinden und vor den Gefahren der Zukunft bestehen?
Eine mitreißende Gestaltwander-Liebesgeschichte für alle Leserinnen von Lora Leigh und Nalini Singh!
Weitere paranormale Liebesroman-Reihen bei beHEARTBEAT:
Wild Wulfs of London von Ronda Thompson.
Midnight Liaisons von Jessica Clare.
Dynasty of Jaguars und die Woodcliff-Reihe von Jennifer Dellerman.
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Seitenzahl: 504
Cover
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Über dieses Buch
Über die Autorin
Titel
Impressum
Widmung
Glossar
Prolog
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23, Kapitel
24. Kapitel
Epilog
Children of the Moon – Kinder des Mondes:
Band 1: Lockruf des Mondes
Band 2: Im Bannkreis des Mondes
Band 3: Im Mond des Raben
Band 4: Unter dem Drachenmond
Das Vertrauen ist zerbrochen, doch ihre Leidenschaft lodert immer noch hell …
Die schottischen Highlands im 12. Jahrhundert. Vor sechs Jahren waren Shona und der Werwolf Caelis ein Paar. Intrigen haben sie entzweit. Nun begegnen sie sich wieder, und sofort spüren sie die starke Verbindung, die trotz allem anhält. Doch es geht nicht mehr nur um sie. Verpflichtungen binden den Highlander an seinen Clan, Shona ist verwitwet und hat zwei Kinder, und ein finsterer Feind sitzt ihnen im Nacken. Kann ihre Liebe die Schatten der Vergangenheit überwinden und vor den Gefahren der Zukunft bestehen?
Eine mitreißende Gestaltwander-Liebesgeschichte für alle Leserinnen von Lora Leigh und Nalini Singh!
Lucy Monroe lernte bereits mit vier Jahren lesen – und damit begann ihre Leidenschaft für Bücher. Mit den Jahren las sie sich durch alle Bücherregale, die ihr zur Verfügung standen. Dennoch machte es ihr selbst etwas Angst, als sie realisierte, dass sie sich nichts mehr wünschte, als Schriftstellerin zu werden. Aber nichts konnte sie davon abhalten, ihren Traum Realität werden zu lassen. Heute gehört Lucy Monroe zu den erfolgreichsten Autorinnen der romantischen Fantasy-Literatur. Sie lebt, liebt und arbeitet an der Pazifikküste Nordamerikas.
Bei beHEARTBEAT ist ihre paranormale Liebesromanreihe »Children of the Moon – Kinder des Mondes« als eBook für Kindle und alle anderen Lesegeräte verfügbar. Spannend, abenteuerlich und voller knisternder Momente erzählt sie darin romantische Geschichten der besonderen Art: Folgen Sie ihr ins mittelalterliche Schottland zu wilden Highlandern und Gestaltwandlern – in eine Welt der Werwölfe und Drachen, Liebe und Leidenschaft!
Auf Lucy Monroes englischsprachiger Homepage www.lucymonroe.com erhalten Sie weitere Informationen über die Autorin.
Lucy Monroe
KRIEGERDES MONDES
Aus dem amerikanischen Englisch vonUlrike Moreno
beHEARTBEAT
Digitale Neuausgabe
»be« - Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG
Für die Originalausgabe:
Copyright © 2013 by Lucy Monroe
Titel der englischen Originalausgabe: »Warrior’s Moon«
Originalverlag: Berkley Sensation, The Berkley Publishing Group, a member of Penguin Group (USA) Inc.
All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form.
This edition published by arrangement with The Berkley Publishing Group, a member of Penguin Group (USA) Inc.
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2015/2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Textredaktion: Dorothee Cabras
Covergestaltung: Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de unter Verwendung von Motiven © thinkstock: stockbyte | Glenn Nagel | Karin Claus; © shutterstock: MaxFrost
eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf
ISBN 978-3-7325-7984-6
www.be-ebooks.de
www.lesejury.de
Für Patty und Curtis, meine liebenFreunde undangeheirateten Verwandten. Curtis,deine Musik half mir,Hunderte vonSeiten zu schreiben, und Patty,dein Gefallen an meinen Geschichtenund Charakterenberührt mein Herz. Alles Liebe für euch
Anya-Gra – Großmutter des Prinzen der Éan, Eirik, der sich aufgrund seiner königlichen Abstammung in einen Drachen verwandeln kann
Cahir – Krieger, die die Fearghall bekämpfen
celi di – Schottische Highland-Priester (männlich oder weiblich), die ohne offizielle Bindung an die römisch-katholische Kirche den Katholizismus praktizieren (historisch korrekte Bezeichnung in Bezug auf Schottland und Irland)
Chrechten – Gestaltwandler, die ihre Seelen mit Wölfen, Vögeln oder Raubkatzen teilen
Clach Gealach Gra – Herz des Mondes (geheiligter Stein der Vogel-Gestaltwandler)
conriocht – Werwolf (Beschützer der Faol, verwandelt sich in ein riesiges Wesen, das halb Mensch, halb Wolf ist)
Éan – Gestaltwandler, die die Form von Vögeln (Raben, Falken, Adler) annehmen
Faol – Gestaltwandler, die die Form von Wölfen annehmen
Faolchú Chridhe – Herz des Wolfes (geheiligter Stein der Wolfs-Gestaltwandler)
Fearghall – Geheimbund von Wölfen, deren Ziel die Ausrottung/Unterjochung anderer Chrechte-Rassen ist
Hüter des Steines – Chrechte, der oder die eine besondere Verbindung zu dem geheiligten Stein hat und dessen Potenzial voll ausschöpfen kann, um zu heilen, besondere Fähigkeiten zu verleihen und die Beschützer der Rassen (Werwolf, Drache und Greif) hervorzubringen
Laird – Clan-Führer
mo breagha – meine Tochter/meine Kleine
mo gra – Liebste/Liebster, Geliebte/Geliebter
mo toilichte – meine Frau
Paindeal – Katzen-Gestaltwandler (große Raubkatzen)
usquebagh – Wasser des Lebens (schottischer Whisky)
Wahre Gefährten – Die Bindung zwischen wahren Gefährten ist eine geheiligte Bindung, die bis zum Tod anhält und es dem Chrechten (männlich oder weiblich) körperlich unmöglich macht, Geschlechtsverkehr mit jemand anders als seinem Chrechte-Partner zu haben
Der Beginn
Vor Tausenden von Jahren erschuf Gott ein Volk, das so streitbar war, dass sogar seine Frauen im Kampf gefürchtet waren. Sie waren ein durch und durch kriegerisches Volk, das es ablehnte, sich irgendwelchen anderen Regeln als den eigenen zu unterwerfen … gleichgültig, wie groß die Armeen waren, die ausgesandt wurden, um sie zu bezwingen.
Ihre Feinde sagten, sie kämpften wie Tiere; ihre geschlagenen Gegner sagten nichts mehr, denn sie waren tot.
Sie wurden als primitives, barbarisches Volk betrachtet, weil sie ihre Haut mit blauen Tätowierungen verunstalteten. Diese Zeichnungen waren schlicht und gaben die schmucklosen Umrisse eines einzelnen Tieres über ihren Herzen wieder. Die Anführer wurden mit aufwendigeren Bändern um ihre Arme gekennzeichnet. Paare erhielten Kennzeichen, die ihre Bindung deutlich machten.
Und trotzdem waren ihre Feinde nie imstande gewesen, die Bedeutung irgendwelcher dieser bläulichen Tätowierungen zu entschlüsseln.
Einige mutmaßten, dass sie Symbole ihrer kriegerischen Natur waren, womit sie teilweise auch recht hatten, denn die Tiere standen für einen Teil ihrer selbst, der von diesem wilden, freiheitsliebenden Volk unter Todesstrafe geheim gehalten wurde. Es war ein Geheimnis, das sie in all den Jahrhunderten ihrer Existenz bewahrt hatten, als die meisten von ihnen quer durch Europa abgewandert waren, um sich im unwirtlichen Norden Schottlands anzusiedeln.
Ihre römischen Feinde nannten sie Pikten, und dieser Name wurde auch von anderen Völkern ihres Landes und der Länder weiter südlich übernommen, doch sie selbst bezeichneten sich als Chrechten.
Ihr tierähnliches Verhältnis zu Kampf und Eroberung rührte von einem Teil ihrer Natur her, der ihren rein menschlichen Gegenstücken nicht gefiel. Denn diese kämpferischen Geschöpfe waren Gestaltwandler.
Die bläulichen Tätowierungen auf ihrer Haut waren Kennzeichen, die im Verlauf eines Übergangsritus verliehen wurden, wenn sie ihre erste Verwandlung durchmachten. Einige Männer hatten die Kontrolle über diese Verwandlung; bei anderen war es der Vollmond, der ihre Veränderung bestimmte, bis sie an dem geheiligten Geschlechtsakt teilnahmen. Die Frauen aller Rassen erfuhren sowohl ihre erste Umwandlung in Tiergestalt als auch die spätere Kontrolle darüber mit dem Einsetzen ihrer ersten Menstruation.
Einige verwandelten sich in Wölfe, andere in riesige Raubkatzen und wieder andere in größere Vogelarten wie Adler, Falken und Raben.
Das eine, was alle Chrechten gemeinsam hatten, war, dass sie sich nicht so schnell oder zahlreich fortpflanzten wie ihre rein menschlichen Brüder und Schwestern. Obwohl sie eine Furcht erregende Spezies waren und ihre Schläue und Gerissenheit noch verstärkt wurde durch ein Verständnis der Natur, das die meisten Menschen nicht besaßen, waren sie jedoch nicht tollkühn und wurden auch nicht von ihrer tierischen Natur beherrscht.
Ein Krieger (egal, ob männlich oder weiblich) konnte hundert Feinde töten; doch falls er starb, ohne Nachwuchs gehabt zu haben, führte sein Tod zu einer unvermeidlichen Verringerung der Rasse. Einige piktische Clans und solche, die in anderen Teilen der Welt unter anderen Namen bekannt waren, hatten es schon vorgezogen auszusterben, statt sich den ihnen unterlegenen, aber weitaus zahlreicheren Menschen um sie herum zu unterwerfen.
Die Faol der schottischen Highlands waren zu klug, um lieber dem Untergang ihrer Rasse ins Auge zu blicken, als sich mit den Menschen zu vermischen. Diese Wolfs-Gestaltwandler sahen einen Weg in die Zukunft. Im neunten Jahrhundert nach Christus bestieg Keneth MacAlpin den schottischen Thron. Obwohl er von faol-chrechtischer Herkunft seitens seiner Mutter war, hatte MacAlpins menschliche Natur sich durchgesetzt.
Er war nicht »verwandlungsfähig«, was ihn jedoch nicht davon abhielt, Anspruch auf den piktischen Thron zu erheben, wie er zu jener Zeit genannt wurde. Um sein Königtum zu sichern, verriet er bei einem Abendessen seine Faol’schen Brüder, indem er alle noch verbliebenen Mitglieder der königlichen Familie ihres Volkes ermordete. Damit verursachte er bei den Chrechten ein für immer tief verwurzeltes Misstrauen rein menschlichen Geschöpfen gegenüber.
Trotz dieses Misstrauens, aber auch im bitteren Bewusstsein der Konsequenzen von MacAlpins Verrat, erkannten die Faol oder Wölfe unter den Chrechten, dass ihnen im Kampf gegen die ständig wachsende und immer weiter vordringende menschliche Rasse nur eine Möglichkeit blieb, wenn sie nicht aussterben wollen: Sie mussten sich den keltischen Clans anschließen.
Und das machten sie.
Soweit dem Rest der Welt bekannt war – und obwohl zahlreiche Beweise für ihre frühere Existenz vorhanden waren –, gab es das einst als Pikten bekannte Volk nicht mehr.
Da es nicht ihrer Natur entsprach, von anderen als ihren eigenen Leuten regiert zu werden, wurden die keltischen Clans, die die Chrechten aufgenommen hatten, innerhalb von zwei Generationen von verwandlungsfähigen Herrschern angeführt, die ihre Natur mit Wölfen teilten. Und obwohl die meisten der rein menschlichen unter ihnen nichts davon wussten, wurden einigen wenigen die Geheimnisse ihrer Clan-Mitglieder anvertraut. Diejenigen, die über diese Geheimnisse im Bilde waren, wussten, dass es den sicheren und sofortigen Tod bedeutete, sich nicht an den Schweigekodex zu halten.
Geschichten von anderen Gestaltwandler-Rassen, den Éan und den Paindeal, wurden am Lagerfeuer erzählt oder den Kindern am Abend, bevor sie schlafen gingen. Da die Wölfe jedoch seit Generationen keine Gestaltwandler mehr außer ihren eigenen gesehen hatten, begannen sie zu glauben, dass die anderen Rassen nur ein Mythos waren.
Doch Mythen schwangen sich nicht mit schwarzen, schimmernden Flügeln in die Lüfte auf. Mythen lebten nicht als Gespenster im Wald und atmeten Luft wie alle anderen Menschen oder Tiere. Die Éan waren kein Mythos; sie waren Vögel mit Fähigkeiten, die über die des bloßen Gestaltwandelns hinausgingen.
Vielen, die die Geschichten über ihren Prinzen für nichts weiter als Legenden hielten, konnte ihr Unwissen vergeben werden. Denn wer hatte schon je von einem Mann gehört, der nicht nur die Gestalt eines Raben, sondern auch die des mystischen Drachen aus uralten Erzählungen annehmen konnte?
Und falls der Drache real war, waren es die conriocht dann auch, diese nur hinter vorgehaltener Hand erwähnten Faol, die in alten Zeiten die Rasse verteidigt hatten und sich sowohl in einen Wolf als auch in die Furcht erregende Bestie Werwolf verwandeln konnten?
Seinen wahren Gefährten aufzugeben bedeutet, seine eigene Seele aufzugeben.
– Geheiligtes Gesetz der Chrechten,nach mündlicher Überlieferung
Auf den Ländereien der Sinclairs in den schottischen Highlands, 1150, unter der Regentschaft des schottischen Königs Dabid mac Mail Choluim
Mama, schau – das sind ja Riesen!«
Es war nicht der aufgeregte Aufschrei ihres Sohnes, der das dumpfe Pochen in Shonas Kopf in einen stechenden Schmerz verwandelte, sondern der Anblick von Soldaten, die die Farben der Sinclairs trugen und sich rasend schnell auf Pferden näherten, die genauso hünenhaft wirkten wie sie.
Und keiner dieser Männer lächelte oder wirkte sonst irgendwie gastfreundlich.
Shonas Kopfschmerzen hatten eingesetzt, als sie den großen braunen Wolf entdeckt hatte, der sie dann fast den ganzen Morgen lang verfolgt hatte. Doch leider hatte das Pochen in ihrem Kopf sich nicht verzogen, als das Tier verschwunden war.
Aus Furcht vor einem Angriff des Wolfes war sie sehr angespannt und mit gezücktem Dolch in der Hand geritten. Das Tier hatte jedoch Abstand zu ihnen gehalten und war schließlich sogar davongelaufen, kurz bevor die Mittagssonne ihren Schatten auf die Erde warf.
Da Shonas Nerven vor Erschöpfung jedoch ohnehin schon zum Zerreißen angespannt waren nach den Geschehnissen vor dieser Reise, hatte das Erscheinen des Wolfes sie an den Rand eines Nervenzusammenbruchs gebracht.
Doch Aufgeben kam für sie nicht infrage. Das Leben ihrer Kinder und zweier treuer Freunde hing davon ab, dass sie sich zusammennahm und nicht die Nerven verlor.
Und so hatte sie Marjory, ihre kleine Tochter, die abwechselnd bei Audrey und deren Zwillingsbruder Thomas mitgeritten war, wieder vor sich auf ihr eigenes Pferd gesetzt und die Reise fortgesetzt, als wäre sie nicht im Mindesten durch den Wolf verängstigt.
Sie hatte gehofft, dass ihr Glück auch weiterhin anhalten würde, wie es erstaunlicherweise während der fast zwei Wochen ihrer wilden Flucht nach Norden der Fall gewesen war, doch es hatte wohl nicht sein sollen.
Sie hatten es irgendwie geschafft, möglichen Verfolgern, die Shonas Stiefsohn ihnen hinterhergeschickt haben mochte, ebenso auszuweichen wie den Bewohnern der Clan-Gebiete, die sie und ihre kleine Gruppe durchquert hatten.
Bis jetzt zumindest. Am Abend zuvor hatten sie Sinclair’sches Land erreicht.
Shona konnte gut verstehen, dass ihr fünfjähriger Sohn die heranreitenden Soldaten für Riesen hielt. Wie einige der Männer aus ihrem früheren Clan waren diese Highlander mindestens einen Kopf größer und um die Hälfte breiter als alle Ritter, die ihrem toten Ehemann Gefolgschaftstreue geschworen hatten.
Angesichts der Schrecken, vor denen sie geflohen war, konnte Shona nur hoffen, dass diese eindrucksvollen Krieger zu dem Clan gehörten, dessentwegen sie nach Norden gekommen war, um dort Zuflucht zu suchen. Sie waren mehr als fähig, ihre kleine Gruppe zu beschützen, aber Shona hatte keine Freunde oder Verwandte unter den Sinclairs.
Und diese Reiter würden wohl kaum sehr wohlwollend auf das Erscheinen einer Engländerin reagieren; sie mussten es vielmehr als unerlaubtes Betreten ihres Territoriums empfinden. Shona konnte nur hoffen, dass der Laird ihr freies Geleit durch seine Ländereien gewähren würde, und wenn auch nur, um ihre Begleiter und sie loszuwerden.
Sie musste sich bis Balmoral Island durchschlagen.
Es war die einzige Chance, sich und ihre Kinder in Sicherheit zu bringen, ihre einzige Hoffnung, das Leben ihres Sohnes und die eigene Tugend zu bewahren. Oder was davon noch übrig war.
Denn auf Balmoral Island zumindest hatte sie Familie, auch wenn es nur entfernte Verwandte waren und Shona keinen Zweifel daran hegte, dass ihre Ankunft ein ziemlicher Schock für sie sein würde. Sie konnte nur hoffen, dass es keine gänzlich unliebsame Überraschung war.
»Das sind keine Riesen, Schatz, nur Krieger des Clans, der hier lebt.« Shona versuchte, zuversichtlich zu klingen, obwohl ihre Gedanken rasten und sie selbst große Angst verspürte.
»Wirklich?«, fragte Eadan mit einem ehrfurchtsvollen Ausdruck in den Augen, die genauso enzianblau wie die seines Vaters waren.
»Das sind Highland-Krieger?«, wollte auch Audrey wissen, bevor Shona die Frage ihres Sohnes bejahen konnte. »Die sind ja wirklich riesig!«
»So ist das wohl in den Highlands, nehme ich an.« Und auch bei den Clans, die in den Grenzgebieten lebten wie der, in dem sie aufgewachsen war.
Audrey warf ihrem Zwillingsbruder einen kurzen Blick zu. »Vielleicht wirst du ja noch wachsen, doch selbst wenn, glaube ich nicht, dass du je ihre Statur erreichen wirst.«
Thomas machte ein verärgertes Gesicht. »Das kannst du gar nicht wissen!«
Shona verstand nicht, warum sie sich überhaupt Gedanken darüber machten. Thomas und seine Schwester waren Engländer, Kinder eines unbedeutenden Barons, dessen Ländereien im Westen an die ihres toten Ehemannes grenzten und nur ein paar Meilen von Gebieten entfernt lagen, auf die der König von Schottland Anspruch erhob.
Audrey und Thomas hatten kein Zuhause mehr, zu dem sie zurückkehren konnten – nicht, seit ihr ältester Bruder das Baronat übernommen hatte.
Shonas schlafende Tochter regte sich in ihren Armen. »Mami, gibt es Riesen?«
Die dreijährige Marjory und ihr fünfjähriger Bruder waren so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Marjory war zierlich wie Shona, hatte die gleichen grünen Augen und roten Locken und war sanft und still (worin sie ihrer Mutter allerdings so gar nicht glich).
Die Kleine vergötterte ihren älteren Bruder, der für sein Alter groß und fast schon unverfroren selbstbewusst war. Er war seinem Vater so ähnlich, dass Shona oft ganz weh ums Herz wurde. Doch das ließ sie sich vor ihren Kindern nie anmerken.
»Diese Männer sind die Wachen des Lairds, die uns begrüßen kommen«, behauptete sie, obwohl offensichtlich war, dass dies nicht stimmte.
Ein Blick ihrer beiden erwachsenen Begleiter verriet nur allzu deutlich, dass Shonas Worte sie nicht täuschen konnten. Aber keines ihrer Kinder war verängstigt, und das war das einzig Wichtige für sie. Shona musste einfach glauben, dass der Sinclair ein besserer Mann war als so manch andere in ihrem Leben. Sein Ruf als strenger, doch gerechter Clan-Führer, den er sogar viel weiter südlich in England besaß, hatte sie dazu bewogen, den Weg über seine Ländereien zu nehmen, statt eine umständlichere Route zu ihrem endgültigen Ziel zu wählen.
Sie ritten noch etwa zehn Minuten weiter, bevor sie auf die Sinclair-Krieger stießen.
Shona zügelte ihr Pferd, die anderen taten es ihr nach.
»Wer seid Ihr, und was habt Ihr auf unserem Land zu suchen?« Obwohl die Worte des groß gewachsenen Kriegers barsch klangen und seine Haltung schon fast feindselig anmutete, hatte Shona keine Angst vor ihm.
Irgendetwas an der Art des Mannes machte sie nahezu sicher, dass er ihnen nichts antun würde. Vielleicht war es die aufflackernde Besorgnis in seinen Augen, als er ihre Kinder sah. Dieser Sinclair’sche Soldat wäre sogar umwerfend gut aussehend gewesen ohne die hässliche Narbe an seiner Wange, doch Shona fühlte sich in keinster Weise zu ihm hingezogen.
Sie hatte in ihrem ganzen Leben immer nur einen Mann begehrt, obwohl sie mit einem anderen verheiratet gewesen war. Und daran hatte sich nichts geändert. Shona glaubte auch nicht, dass es sich jemals ändern würde, und sie beklagte ihr fehlendes Interesse am anderen Geschlecht auch nicht.
Männern konnte man nicht vertrauen, davon war Shona überzeugt, und es war besser für sie, wenn sie das, was von ihrem Herzen noch übrig war, für ihre Kinder aufbewahrte. Und nur für ihre Kinder.
»Ich bin Shona, Lady Heronshire, und erbitte freies Geleit über die Ländereien Eures Lairds, um meine Verwandten auf Balmoral Island zu besuchen.« Ihre Worte waren steif, aber in tadellosem Gälisch, ihrer Muttersprache, gesprochen.
»Habt Ihr Euch diese Narbe bei einem Kampf geholt?«, warf Eadan auf Gälisch ein, bevor der Krieger dazu kam, Shonas Frage zu beantworten.
Audrey schnappte nach Luft, doch Shona seufzte nur. Es gab nun mal keinen Schlüssel, mit dem man den Mund ihres Sohnes hätte verschließen können.
Der grimmig dreinblickende Krieger wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Fünfjährigen zu und betrachtete Eadan eine ganze Weile prüfend. Shona wurde mit jedem Augenblick, der verstrich, nervöser. Warum war dieser Mann so interessiert an ihrem Sohn?
Überraschung flackerte kurz in den grauen Augen des Kriegers auf, bevor sie sich zu einem unerklärlich abwägenden Blick verengten. »So ist es. Begleitest du deine Mutter als ihr Beschützer?«
Shona konnte sich das Interesse des Mannes an Eadan wirklich nicht erklären – oder höchstens mit Erstaunen darüber, dass ein so kleines englisches Kind so gut Gälisch sprach. Da sie mit ihren Kindern jedoch schon seit deren Geburt in ihrer Muttersprache geredet hatte, konnten beide sich genauso gut auf Gälisch wie auf Englisch verständigen.
Genau wie sie.
Ihr Sohn vielleicht noch besser als sie selbst. Sein Verständnis der englischen Sprache überstieg ihr eigenes, obwohl sie jahrelang in diesem Land gelebt hatte.
Eadan drückte die schmale Brust heraus und tat sein Bestes, um so grimmig dreinzuschauen wie die Krieger vor ihnen. »So ist es.«
»Du klingst wie ein Schotte, Junge, bist aber gekleidet wie ein Sassenach.«
»Was ist ein Sassyneck?«, flüsterte die kleine Marjory auf Shonas Schoß.
»Ein Engländer«, antwortete der große Krieger mit einem kaum wahrnehmbaren Lächeln über Marjorys ungewöhnliche Aussprache des Wortes, was bewies, dass er ihre leise Frage mitbekommen hatte.
»Oh.« Marjory steckte rasch den Daumen in den Mund. Es war eine Angewohnheit, die Shona und Audrey ihr abzugewöhnen versucht hatten, doch das kleine Mädchen nuckelte immer noch am Daumen, wenn es nervös oder übermüdet war.
Nach der zweiwöchigen äußerst strapaziösen Reise und der Begegnung mit Männern, die mehr wie Riesen wirkten als wie Soldaten, war die Kleine zweifelsohne beides. Shona seufzte wieder.
Das brachte die Aufmerksamkeit des Anführers zu ihr zurück. »Ich bin Niall, Stellvertreter des Lairds der Sinclairs. Meine Männer und ich werden Euch zur Burg begleiten.«
»Danke.« Was Shona jedoch eigentlich sagen wollte, war: Danke, aber ich verzichte.
Sie würde lieber ohne Unterbrechung zu der Insel weiterreiten. Shona war des Reisens müde und würde sich nicht eher sicher fühlen, bis sie das Versprechen des Lairds der Balmorals erlangt hatte, sie und ihre kleine Gruppe zu beschützen.
Die Gastfreundschaft des anderen Lairds zurückzuweisen würde jedoch nicht nur als unhöflich betrachtet werden, sondern wahrscheinlich auch nichts nützen. Man würde sie vermutlich trotzdem zu der Burg bringen, egal, was sie auch dazu sagen mochte.
Sie hatte schon vor langer Zeit gelernt, dass manche Dinge außerhalb ihrer Kontrolle lagen.
Die Burg war eine Festung, viel eindrucksvoller als die der MacLeods, in der Shona aufgewachsen war, und sogar noch imposanter als die ihres verstorbenen Ehemannes. Die hohe Mauer um den Wohnsitz des Lairds und die Wachtürme waren aus Stein, auch wenn die Gebäude innerhalb der Mauern hauptsächlich aus Holz bestanden.
Die Burg selbst stand auf einem von Menschenhand geschaffenen Hügel, der nur über einen schmalen Pfad erreichbar war. Und irgendwie wusste Shona jetzt schon, dass Niall ihnen gleich erklären würde, ihre Pferde könnten sie auf diesem Weg nicht mitnehmen. Selbst aus der Entfernung sah die Burg weitläufig genug aus, um mindestens fünfzig oder mehr Menschen in ihrem Großen Saal aufzunehmen. Die solide Struktur der Festung ließ Shona wünschen, sie selbst gehörte zum Sinclair-Clan. Aber sie konnte nur hoffen, dass die Balmorals genauso sicher lebten.
Im Burghof wimmelte es von Kriegern und Clan-Angehörigen, von denen viele sich für die Neuankömmlinge zu interessieren schienen. Andere waren jedoch auch ein wenig misstrauisch, den vorsichtigen Blicken nach zu urteilen, die Shona und ihre Begleiter von ihnen empfingen. Die unverhohlene Feindseligkeit den wie Engländer gekleideten Gästen gegenüber, mit der sie schon fast gerechnet hatte, blieb aber erstaunlicherweise völlig aus.
Niall brachte sein Pferd zum Stehen, und die Krieger, die bei ihm waren, taten es ihm nach. Auch Shona hielt ihre müde Stute an, selbst so erschöpft, dass sie nicht einmal sicher war, es vom Pferderücken hinunterzuschaffen, ohne sich und die schlafende Marjory zu Fall zu bringen.
»Sollen wir dann absitzen?«, fragte Audrey mit ebenso wenig Enthusiasmus in der Stimme, wie auch Shona selbst empfand. Sie öffnete den Mund, um Audrey zu antworten, als ihr Blick auf einen Krieger fiel, der in der Nähe des Außenbereichs der Schmiede stand.
Der Mann, der mindestens so groß und breitschultrig wie Niall war, trug die Farben ihres eigenen früheren Clans, ohne jedoch ein Hemd unter dem MacLeod’schen Plaid, das ihm zumindest einen Anflug von Kultiviertheit verliehen hätte.
Und die Art und Weise, wie er ihnen den Rücken zukehrte, machte sein mangelndes Interesse an den englischen Fremden mehr als offensichtlich.
Shona konnte jedoch nicht das gleiche Desinteresse empfinden.
Nicht, wo jeder Zentimeter seiner arroganten Haltung ihr ebenso vertraut war wie die Mähne ihrer Stute nach einer Woche im Sattel.
Sein schwarzes Haar war ein bisschen länger als vor sechs Jahren, die blauen Tätowierungen, die seine linke Schulter und den Arm bedeckten, waren neu hinzugekommen, und seine Muskeln waren ausgeprägter, aber sie wusste ohne jeden Zweifel, wer dieser MacLeod’sche Soldat war, der so selbstbewusst unter den Sinclairs stand.
Caelis. Ihr Geliebter. Der Mann, der sie verraten hatte.
Allein schon der Klang seines Namens in ihrem Kopf brachte ihr Herz zum Rasen und ließ sie unwillkürlich die Hände zu Fäusten ballen.
Betrüger!, schrie diese Stimme hinter ihrer Stirn, die nie ganz verstummt war, seit Shona gezwungen gewesen war, einen anderen Mann zu heiraten. Du bist mein!, begehrte das Herz auf, das gelernt hatte, dass dieser Mann weder Liebe noch Vertrauen verdiente.
Und sie hatte ihm ihre Liebe und ihre Unschuld geschenkt.
Geschenke, die er ihr mit falschen Versprechungen und schließlich sogar Zurückweisung vergolten hatte.
Shona hatte gedacht, sie würde ihn nie wiedersehen; sie war sogar sicher gewesen, dass nicht einmal ihre Rückkehr nach Schottland dazu führen würde, dass sich ihre Wege noch einmal kreuzten.
Immerhin war sie nie wieder zu ihrem früheren Clan zurückgekehrt und hatte seine Ländereien auch jetzt auf der Reise nach Norden sehr sorgfältig gemieden. Sie hatte nicht das Bedürfnis, ihrem früheren Laird zu begegnen, und viel weniger sogar noch dem Mann, der ihr damals die Ehe versprochen hatte.
Wie grausam vom Schicksal, etwas anderes zu diktieren! Dafür zu sorgen, dass trotz der Angewohnheit ihrer früheren Clan-Angehörigen, strikt unter sich zu bleiben, dieser Mann an diesem Ort sein würde – ausgerechnet an dem einen Tag, den sie auf der Burg der Sinclairs verbringen würde!
Ihre Stute warf den Kopf zurück, als Shona die Zügel unwillkürlich fester anzog, und sie konnte nur froh sein, dass sie nicht mehr in Bewegung waren. Die Zügel so straff zu halten war ein sicherer Weg, sogar von einem treuen, sanftmütigen Pferd abgeworfen zu werden.
Marjory schlief weiter, ohne etwas von dem Beinahe-Unfall, ihrer neuen Umgebung und dem inneren Aufruhr ihrer Mutter mitzubekommen.
Als könnte Caelis Shonas Blicke auf sich spüren, drehte er sich um. Langsam und ohne Anzeichen von Neugierde glitten seine enzianblauen Augen über sie, und sein Gesichtsausdruck wurde abweisend, als er ihre englische Kleidung bemerkte.
Shona konnte den genauen Moment bestimmen, in dem er sie erkannte und ihm bewusst wurde, dass sie nicht bloß irgendeine Engländerin, sondern eine Frau aus seiner Vergangenheit war.
Er versteifte sich und riss derart schockiert die Augen auf, dass Shona es vielleicht sogar amüsant gefunden hätte, wenn sie über sein Erscheinen in ihrem ohnehin schon turbulenten Leben nicht so bestürzt gewesen wäre.
Caelis bewegte sich, als wollte er einen Schritt auf sie zugehen, und stolperte.
Wie seltsam! Er war ein sehr selbstbewusster, trittsicherer Mann. Vielleicht hatte einer der anderen Krieger ihm ein Bein gestellt? Männer spielten einander gern solche Streiche.
Doch während ihr diese unsinnigen Gedanken noch durch den Kopf gingen, wurde sie plötzlich von Panik ergriffen. Caelis durfte Eadan nicht sehen! Ihr Sohn durfte niemals den Mann kennenlernen, der Eadans bloße Existenz bestritten und die Frau, die er zu lieben behauptete, zurückgewiesen hatte.
Sie mussten fort von hier! Auf der Stelle! Der Laird der Sinclairs wird auf das Vergnügen verzichten müssen, unsere Bekanntschaft zu machen.
Dieser Gedanke allein gab ihr die Kraft, den Blick von Caelis loszureißen, als sie herumfuhr, um sich nach Eadan umzusehen.
Er stand schon auf dem Boden, die kleine Hand in Nialls Pranke, und ein nicht ganz so großer Mann hatte sich zu dem hünenhaften Krieger und dem Jungen gesellt und sprach mit einem gewinnenden Lächeln mit den beiden.
Shona wollte sie anschreien, ihren Sohn bitte wieder auf sein Pferd zu setzen und ihr dann aus dem Weg zu gehen. Doch kein Wort kam über ihre Lippen. Sie konnte sich weder bewegen noch sprechen; sie saß vollkommen reglos und wie erstarrt vor Panik auf ihrer Stute.
Und obwohl sie noch ganz und gar von dem Drang zu fliehen beherrscht war, wusste sie doch schon, wie hoffnungslos das wäre.
Selbst wenn sie sich bewegen oder reden könnte, um Niall zu bitten, ihren Sohn wieder auf sein Pferd zu setzen, würde man ihr und ihren Begleitern nicht erlauben, die Sinclair’sche Festung zu verlassen, ohne den Burgherrn gesehen zu haben. Das war bereits beschlossene Sache.
Und wie schon viel zu oft in ihrer Vergangenheit musste Shona sich wieder einmal eingestehen, dass sie von den Launen von Männern abhängig war, die Macht über sie hatten. Diesmal war es nur durch ihr unerlaubtes Betreten des Sinclair’schen Territoriums dazu gekommen, aber das würde für den Clan-Chef keine Rolle spielen.
Er war ein mächtiger Mann, der Gehorsam fordern würde.
So war das nun einmal.
Plötzlich wurde Shona von einer Welle der Hoffnungslosigkeit überflutet, in der sie zu ertrinken drohte.
Ihr Sohn befand sich außerhalb von Caelis’ Sichtlinie, doch das war kein großer Trost für Shona, weil der Krieger ihr Kind bestimmt bald sehen würde, und was dann? Dann würde er die Wahrheit erkennen, egal, wie gern er sie vielleicht auch ignorieren würde.
Was er mit dieser Wahrheit anfangen würde, konnte Shona jedoch nicht einmal erraten. Aber sicherlich würde es nichts Gutes für sie sein. In den letzten sechs Jahren hatte sie feststellen müssen, dass Männer nur selten Entscheidungen trafen, die Frauen zugutekamen.
Und schon gar nicht ihr.
Caelis war nur der erste Mann auf einer langen Liste in ihrem Leben gewesen, der ihr diese Tatsache vor Augen geführt hatte.
»Shona …«
Sie senkte den Blick und sah, dass Audrey und Thomas näher gekommen waren und neben ihrer Stute standen. Audrey hatte schon die Hände erhoben, um ihr Marjory abzunehmen, damit sie aus dem Sattel steigen konnte.
Wann waren die beiden von ihren Pferden abgestiegen?
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Thomas mit unüberhörbarer Besorgnis in der Stimme. Seine wie auch Audreys Miene waren von der gleichen Unruhe geprägt. »Wir haben dich dreimal angesprochen.«
»Ich … nein«, antwortete sie aufrichtig, bevor sie es verhindern konnte.
»Was gibt’s?« Plötzlich war Niall da, der sich erstaunlich schnell bewegt haben musste. »Braucht Ihr Hilfe beim Absitzen, Lady Heronshire?«
Auch er streckte die Arme nach Marjory aus. »Gebt mir die Kleine!«
Shona ließ die Zügel fallen und schlang beschützend die Arme um ihre Tochter.
»Lass die Finger von ihr!« Die barschen Worte kamen von irgendwo hinter Niall, und dann war plötzlich Caelis da und stieß den anderen Krieger von Shonas Pferd weg.
Niall fuhr zu Caelis herum, schob ihn nicht weniger grob zurück und fuhr ihn an: »Den Teufel werde ich tun!«
»Sie gehört mir«, knurrte Caelis mit einer Stimme, die der eines Tieres so ähnlich war, dass die Worte fast nicht zu verstehen waren.
»Beruhige dich, Mann!«, schnauzte Niall ihn an, der aus irgendeinem Grund schon weniger verärgert klang, aber dennoch nicht zurücktrat. »Die Engländerin …«
»Sie ist keine Engländerin.«
»Siehst du nicht, wie sie gekleidet ist? Sie ist eine Dame, Caelis. Also sei doch mal vernünftig!«
Doch Caelis schien jenseits jeglicher Vernunft zu sein, denn seine Angriffslust ließ überhaupt nicht nach. Und Shona konnte das beim besten Willen nicht verstehen. In keinem Szenario dieses Moments, den sie sich jemals ausgemalt haben mochte, hätte sie gedacht, dass er Anspruch auf ihren Sohn erheben würde … oder war es ihre Tochter, um die es ihm ging?
Nichts von alldem ergab einen Sinn für sie.
Marjory wählte ausgerechnet diesen Augenblick, um zu erwachen, und zappelte heftig, als sie versuchte, sich aufzurichten. »Mami, ich will runter.«
Caelis fuhr zusammen, als wäre er von einem Pfeil getroffen worden, und sein Blick schoss zu dem kleinen Mädchen, das Shona in den Armen hielt. Seine Gesichtszüge verzerrten sich von irgendeinem machtvollen Gefühl, und dann suchten seine blauen Augen, die denen ihres Sohnes so ähnlich waren, Shonas Blick, und er sah sie unverkennbar anklagend an.
Sie starrte zurück, so trotzig und wütend, wie sie es nicht mehr gewesen war seit jener Nacht, in der er ihr gesagt hatte, es sei vorbei.
Die große Angst, die sie in den letzten Monaten gequält hatte, ihre Wut über die Falschheit der Männer seit Caelis’ Verrat von vor sechs Jahren, gefolgt von dem Verrat von anderen – ihres eigenen lieben Vaters eingeschlossen –, verstärkten diese Wut so sehr, dass sie Caelis mit ihrem Blick zu Asche verbrannt hätte, wenn dies möglich gewesen wäre.
Sein Kopf fuhr zurück, und wieder zeigte sich Überraschung auf seinen gut aussehenden Zügen, auch wenn Shona meinte, diesmal auch Verwirrung in ihnen zu lesen.
Seine Überraschung fachte Shonas Wut sogar noch an. Dachte er etwa, sie hätte vergessen, wie er sie benutzt und dann fallen gelassen hatte? Oder nahm er etwa an, sie würde ihm das nicht mehr nachtragen?
Dann war er noch dümmer, als sie gedacht hatte.
Sie würde seinen Verrat niemals vergessen. Schließlich verbrachte sie jeden Tag mit einer lebendigen Erinnerung daran.
Und worüber Caelis verwirrt sein könnte, war ihr ebenfalls ein Rätsel. Glaubte er, nur weil er sie nicht gewollt hatte, wäre auch kein anderer Mann an einer Ehe mit ihr interessiert gewesen?
Dieser arrogante Kerl!
»Mama?«, hörte sie die besorgte Stimme ihres Sohnes, der noch immer neben Niall stand.
Sie musste Eadan sagen, dass alles in Ordnung war, doch sie konnte den Blick nicht von Caelis’ Gesicht abwenden, als er zum ersten Mal den Sohn erblickte, den sie gemeinsam in die Welt gesetzt hatten.
Das Kind, das es nie geben würde, wie er behauptet hatte.
Und sie war naiv genug gewesen, ihm zu glauben. Diesen Fehler würde sie nie wieder machen.
Die Stärke eines Faol bedeutet nicht viel angesichts des Zorns seiner Gefährtin.
– Lachlan, Laird des Clans der Balmorals
Dem Krieger schwanden die Sinne.
Mit einem dumpfen Aufprall schlug sein großer, muskulöser Körper auf dem Boden auf.
Caelis hatte einen Blick auf ihren Sohn getan, und seine blauen Augen hatten sich geweitet, als die Erkenntnis ihn durchströmte, doch kurz darauf hatte sich Bestürzung auf seinem Gesicht widergespiegelt, und dann war der große Krieger umgefallen wie ein gefällter Baum.
Mehrere Leute, neben den Sinclairs auch Shonas Freunde, gaben Laute von sich, die Erschrecken, ja Schock ausdrückten.
Mit wild pochendem Herzen, auch wenn sie nicht wusste, warum sie um diesen Schuft besorgt sein sollte, starrte Shona den Bewusstlosen an und ignorierte alle anderen, bis ihr Sohn sie ansprach.
»Ist er jetzt tot wie mein Herr?«
Die Tatsache, dass ihr verstorbener Ehemann auf dieser formellen Anrede seitens des Jungen bestanden hatte, den alle außer ihm und Shona für seinen Sohn hielten, war ihr nie absurder (und trotzdem passend) erschienen als in diesem Moment, als Eadan auf die bewusstlose Gestalt des Mannes herabsah, der sein leiblicher Vater war.
Niall schüttelte den Kopf und wandte sich von dem anderen großen Soldaten ab, als wäre ein Krieger, der zusammenbrach, nicht sonderlich bemerkenswert. »Nein, mein Junge, er lebt. Er hält nur ein Schläfchen.«
»Auf dem Boden?«, fragte Eadan und blickte mit halb zugekniffenen Augen unsicher zu Niall auf.
»Aye.«
»Er ist in Ohnmacht gefallen«, sagte der etwas kleinere Mann, der sich vorher mit ihrem Sohn und Niall unterhalten hatte, nicht ohne Schadenfreude.
»Wie die Jungfern in den Geschichten, die Audrey uns erzählt?«
Niall lachte schnaubend. »Ja, genau wie die.«
»Audrey?«, fragte der rothaarige kleinere Mann. »Nicht deine Mutter?«
»Mama erzählt nie Geschichten, in denen die Jungfer in Ohnmacht fällt oder gerettet werden muss. In all ihren Geschichten kämpfen die Ritter und Prinzessinnen Seite an Seite. Mein Herr sagte, sie wären Unsinn, doch Marjory und mir gefallen sie«, erklärte Eadan mit unerschütterlicher Loyalität.
»Das sollten sie auch«, meinte Niall und zauste dem Jungen das Haar. »Und nun geh mit Guaire, der dich und die anderen zur Burg bringen wird.«
»Und was ist mit Mama?« Eadan zögerte, legte die Stirn in Falten und warf seiner Mutter einen besorgten Blick zu.
Shona konnte nicht einmal ein beruhigendes Lächeln für ihn aufbringen, doch trotz ihrer wie zugeschnürten Kehle schaffte sie es zu sagen: »Geh mit Herrn Guaire, Schatz.«
»So, Mylady.« Niall streckte wieder die Hände aus. »Reicht mir jetzt das Mädchen an!«
»Ich heiße Marjory«, belehrte ihre Tochter den hünenhaften Mann.
»Ja, mein Kind, das hörte ich, und es ist ein wirklich hübscher Name. Wirst du jetzt zu mir herunterkommen?«
Marjory, deren Schüchternheit sich wieder durchsetzte, drückte ihr Gesicht an Shonas Brust.
Nun trat Thomas vor. »Komm, Pummelchen, Onkel Thomas wird dich tragen.«
Marjory schüttelte den Kopf, ohne das Gesicht von der sicheren Zufluchtsstätte abzuwenden, die sie sich geschaffen hatte.
Shona hätte gelacht, wenn ihr danach zumute gewesen wäre. Die Scheu ihrer Tochter und ihr Dickkopf waren nur allzu gut bekannt.
»Wie soll deine Mama von dem Pferd herunterkommen, wenn du sie nicht loslässt?«, versuchte Audrey, die Kleine zu überreden.
Aber vergeblich.
»Wir bleiben hier. Das ist gemütlich«, behauptete Marjory. Ihre Stimme war gedämpft, weil das Mädchen das Gesicht noch immer an Shonas Körper drückte.
»Möchtest du denn nicht den Burgherrn kennenlernen?«, fragte Thomas.
Doch das waren genau die falschen Worte, weil Marjory Shona daraufhin nur noch fester umklammerte und ihre Weigerung sehr laut und deutlich zum Ausdruck brachte.
Caelis stöhnte und bewegte sich auf dem Boden. Schockierenderweise war es genau das, was Marjory dazu veranlasste, ihren festen Griff um die Taille ihrer Mutter zu lockern und sich umzudrehen. So sah sie gerade noch, wie der große Mann sich aufsetzte.
»Du bist gefallt.« Marjorys Beobachtung wurde mit einem verwirrten Nicken quittiert. »Ich schlafe manchmal am Tag, aber Eadan nicht. Große Jungen machen so was nicht.«
Marjory sprach eine Mischung aus Englisch und Gälisch, die Shona längst zu verstehen gelernt hatte. Caelis’ perplexer Blick verriet jedoch sein Unverständnis. Shona wusste aber, dass er in seinem Clan ein wenig Englisch gelernt hatte, wie auch sie in ihrem, und war daher nicht überrascht, als sich seine Verwirrung legte.
»Ich schlafe normalerweise auch nicht am Tag, Prinzessin.«
»Ich bin keine Prinzessin.«
Shona war so verblüfft über Caelis’ Freundlichkeit ihrer Tochter gegenüber, dass sie scharf die Luft einzog.
Er warf ihr einen kurzen Blick zu, bevor er sich wieder dem kleinen Mädchen zuwandte. »Bist du sicher? Du siehst aus wie eine«, sagte er zu Marjory, bevor er aufstand, sich den Staub von den Kleidern klopfte und die neugierigen Blicke der Sinclairs um sie herum ignorierte. Es schien ihm nicht das Geringste auszumachen, vor einem Burghof voller Menschen zusammengebrochen zu sein.
Sechs Jahre zuvor hätte er es nicht so leichtgenommen, anderen gegenüber Schwäche zu zeigen.
»Mein Papa war ein Baron.«
»Ist er es denn nicht mehr?«, fragte Caelis.
»Er ist tot. Jetzt ist mein Bruder Baron, doch ich glaube, er mag Eadan und mich nicht.«
Kindermund tut Wahrheit kund.
Als Caelis Shona diesmal ansah, wich sein Blick nicht mehr von ihr. »Du bist Witwe?«
»Ja.«
»Gut.«
»Das ist wohl kaum eine zivilisierte Bemerkung, wenn man erfährt, dass der Ehemann einer Frau verstorben ist«, hielt Shona ihm vor.
Obwohl sie nicht behaupten konnte, bekümmert über Henrys Tod zu sein, war die Tatsache, dass sie wieder einmal auf der Welt allein gelassen worden war, ohne auch nur den geringfügigen Schutz des Barons zu genießen, wohl kaum ein Grund zur Freude.
»Ich bin kein zivilisierter Mann.«
Was das anging, würde sie ihm ganz gewiss nicht widersprechen. Es hatte eine Zeit gegeben, in der sie die wilde Seite seiner Natur sogar sehr anziehend gefunden hatte. Doch das war Vergangenheit. »Trotzdem kann ich mir nicht erklären, warum du meine derzeitige Lage für eine gute halten solltest.«
Sie hatte ein Joch abgeworfen, nur um zu riskieren, jetzt unter ein weiteres, viel schwereres gezwungen zu werden.
Caelis zuckte mit den Schultern. »Es ist gut, weil ich ihn so nicht umbringen muss.«
Shona schnappte nach Luft, zutiefst schockiert und außerstande zu begreifen, wie er ein derartiges Gefühl in Worte fassen konnte. »Wie kannst du so etwas vor meinen Kindern sagen!«
Ein Anflug von Bedauern flackerte in Caelis’ Augen auf, aber dann biss er die Zähne zusammen und setzte die unbeugsame Miene auf, an die sie sich besser erinnerte, als ihr lieb war. »Bitte verzeiht mir, dass ich so vor Euch gesprochen habe, Prinzessin.«
Marjory kicherte.
»Und was ist mit mir?«, fragte Eadan.
»Du bist ein großer Junge, fünf Jahre schon, nicht wahr?«, entgegnete Caelis.
Eadan nickte, ohne wie üblich nachzufragen, wie er das wissen konnte.
»Was Krieger so daherreden, wird dich also nicht erschüttern«, stellte Caelis in einem sehr bestimmten Tonfall fest.
Eadan plusterte sich bei dem angedeuteten Lob regelrecht auf und nickte ernst. »Manchmal muss ein Mann tun, was getan werden muss.«
Caelis warf Shona einen Blick zu. »Das ist eine Redensart unter Kriegern.«
»Ich weiß. Mein Großvater hat mir das gesagt«, erklärte Eadan stolz.
»Und wo ist dein Großvater jetzt?«
Eadans Augen verdüsterten sich vor Kummer. »Tot. Ein Pferd hat ihn getreten.«
»Welches Pferd?«
»Meins.«
»Es war nicht dein Pferd, Schatz. Es war nur das falsche Pferd für dich, auf das ein Dummkopf dich gesetzt hatte.« Shona hasste die Schuldgefühle, mit denen ihr Sohn wegen des Todes seines geliebten Großvaters zu kämpfen hatte. Zu Caelis sagte sie: »Eadans älterer Bruder hatte ihn auf ein noch nicht eingerittenes Pferd gesetzt. Percival behauptete, nicht bemerkt zu haben, wie unberechenbar das Tier war. Mein Vater starb, um meinen Sohn zu retten.«
»Das ist kein Bruder.« Caelis’ Ton ließ keine Widerrede zu.
Shona blieb eine Antwort erspart, weil Eadan ihr zuvorkam. »Nein. Lord Percival ist ein schlechter Mensch. Ich will ihn nicht zum Bruder haben. Mama sagte, ich muss nichts mehr mit ihm zu tun haben, wenn ich nicht will, weil wir jetzt in Schottland sind.«
»Gut.«
Eadan nickte. »Aye.«
Gott im Himmel, gib mir Kraft, sonst überlebe ich diese Begegnung nicht mit unversehrtem Herzen oder Verstand!, dachte Shona.
Der Junge und der Mann waren sich so ähnlich.
»Shona …« Audreys leise Stimme brachte Shona in Erinnerung, dass sie noch immer nicht von ihrem Pferd gestiegen war.
Sie blickte auf Marjory herab. Die Kleine schien schon weniger zurückhaltend auf ihre Umgebung zu reagieren. »Wirst du dich jetzt von Audrey herunterheben lassen?«, fragte Shona sie.
Prompt steckte Marjory wieder den Daumen in den Mund und schüttelte den Kopf.
Caelis blickte zu ihnen herüber und dann zu ihrem Sohn hinunter. »Deine Schwester will nicht vom Pferd absteigen.«
»Sie ist schüchtern unter Fremden.«
»Aha.«
»Wenn ich größer wäre, käme sie zu mir.«
Caelis nickte mit ernster Miene. »Soll ich dich vielleicht zu ihr hochheben?«
Eadan überlegte kurz, bevor er nickte. »Zu mir wird sie kommen«, sagte er dann entschieden.
Caelis hob den Jungen auf, und seine Züge waren tief bewegt, als sein Sohn einen Arm um seinen Nacken legte, um sich festzuhalten. Shona hätte ihn am liebsten angeschrien, so wütend war sie. Dieser Dummkopf!
Wenn er die Verbindung zu Eadan so stark verspürte, warum hatte er dann auch nur die Möglichkeit, ein Kind mit ihr zu haben, so weit von sich gewiesen? Warum hatte er ihr gesagt, sie könnten nicht heiraten?
Shona beobachtete, wie Caelis den Kopf auf Eadans Nacken senkte, um den Duft seines Sohnes einzuatmen, und wie sein kraftvoller Körper sich in Reaktion darauf sekundenlang versteifte. Früher hatte er das auch sehr oft bei ihr getan, und die Erinnerungen, die in ihr bei diesem Anblick aufstiegen, waren ihr plötzlich unangenehm.
»Caelis!«, sagte sie scharf.
Er erwiderte ihren Blick mit einer solch aufrichtigen Trauer in den enzianblauen Augen, dass nicht einmal sie bestreiten konnte, dass dies ein wirklich tiefgreifender Moment für ihn war. »Aye?« Seine Stimme klang angespannt, als brächte er selbst dieses einzelne Wort nur mit großer Mühe über die Lippen.
Shona schüttelte den Kopf, weil auch ihre Kehle viel zu eng geworden war, um etwas zu sagen.
»Wir wollten doch Marjory holen«, erinnerte Eadan den großen Mann, in dessen Armen er sich sichtlich wohlzufühlen schien.
Caelis nickte mit einer ruckartigen Bewegung. »Aye, das tun wir.«
Während er mit sicherem Griff den kleinen Jungen festhielt, ging er auf die Stute zu.
Shonas Sohn streckte die Arme nach seiner kleinen Schwester aus, sagte jedoch nichts, sondern sah Marjory nur erwartungsvoll an.
Und schon hob sie die Ärmchen und beugte sich in seine Richtung. Sie schien nicht einmal zu bemerken, dass der große Krieger hinter Eadan sie beide hielt, als sie vom Pferd gehoben wurde. Caelis setzte die Kinder dann bei Niall und Guaire ab, statt bei Audrey oder Thomas.
Shona fand das sehr aufschlussreich. Er traute dem schottischen Krieger, obwohl er einem anderen Clan angehörte, mehr als den Engländern, die er nicht kannte, was bedeutete, dass er Niall, einem Sinclair, ein gewisses Maß an Vertrauen entgegenbrachte. Das war eigenartig, aber nicht so seltsam wie die Tatsache, dass Caelis sich überhaupt auf Sinclair’schem Territorium befand.
Doch seine Reisen waren im Moment Shonas geringste Sorge. Das Einzige, was zählte, war, dass Caelis um die Sicherheit ihrer Kinder besorgt war.
Das war mehr Interesse, als er sechs Jahre zuvor für Shona bewiesen hatte.
Guaire hockte sich vor den Kindern hin, um auf Augenhöhe mit Eadan zu sein, und begann, freundlich mit ihnen zu reden.
Shona seufzte und bemühte sich, ihre steifen Muskeln zu entspannen. Ein scharfer Schmerz schoss ihr ins Kreuz, die Wirbelsäule hinauf und in die Schultern. Dabei entrang sich ihr ein gequältes Aufstöhnen, das sie nicht unterdrücken konnte, obwohl sie es versuchte.
Von ihrem Pferd herunterzukommen würde mehr als schwierig sein; mit diesen Schmerzen würde es geradezu unmöglich sein. Da könnte sie sich genauso gut auch einfach nur zur Seite lehnen und in den Schmutz fallen lassen wie Caelis.
Bevor sie sich allerdings ernsthaft Sorgen darüber machen konnte, legten sich zwei große Hände um ihre Taille, und sie wurde von ihrer Stute gehoben.
Als sie endlich wieder stand, ließ Caelis sie jedoch nicht los, sondern hielt ihre Taille umfangen, und seine Gesichtszüge verrieten Gefühle, die Shona nicht zu benennen wusste.
»Lass mich los!«
»Nein.«
»Das gehört sich nicht.« Ganz zu schweigen davon, wie gefährlich es für ihre hart erkämpfte Haltung war.
Die Gefasstheit, die sie nach außen hin zur Schau trug, um diejenigen zu schützen, die auf sie angewiesen waren, war nur Fassade und begann nach den Strapazen und Anspannungen der letzten Monate bereits zu bröckeln.
Caelis gab einen angewiderten Laut von sich. »Du bist keine Engländerin, die sich über so etwas Gedanken macht. Egal, wie du gekleidet bist.«
»Hätte ich mir als jüngere Frau über so etwas Gedanken gemacht, wären mir viele meiner schwersten Entscheidungen erspart geblieben.« Sie drückte mit den Händen gegen seine Brust, um ihn von sich zu schieben, obwohl sie wusste, wie riskant diese weitere Berührung war.
Und tatsächlich wollten ihre Hände an heißer Haut über starken Muskeln und auf einem Plaid verweilen, dessen Stoff vom Tragen schon ganz weich geworden war. Einer solchen Schwäche durfte sie jedoch nicht nachgeben, und deshalb zwang sie sich, die Hände wieder sinken zu lassen, als ihre Bemühungen keine Wirkung auf ihr Gegenüber hatten.
Statt sie loszulassen, zog Caelis sie nur noch näher an sich heran. »Ich kann es erklären.«
»Erklären?« Im ersten Moment verstand sie nicht, wovon er sprach.
Aber dann dämmerte es ihr. Er dachte, er könnte die Ereignisse von vor sechs Jahren erklären? Es gab keine Erklärung für diese Art von Verrat.
Shona schüttelte heftig den Kopf, als ihre Gefühle sie zu überwältigen drohten. Verzweifelt versuchte sie, ihre Ruhe zu bewahren. »Nichts, was du sagst, könnte jemals ungeschehen machen, was du getan hast und was ich in diesen letzten sechs Jahren zu ertragen hatte.«
Etwas wie Reue spiegelte sich auf seinem Gesicht, doch schnell trat auf seine Züge wieder der Ausdruck der Hartnäckigkeit, die sie einmal als so beruhigend empfunden hatte.
»Du wirst dir trotzdem anhören, was ich zu sagen habe.«
»Aber ja, natürlich werde ich das«, erwiderte sie spöttisch. »Am selben Tag, an dem die Highland-Clans sich Englands König beugen.«
Nicht einmal in ihren schlimmsten Albträumen konnte sie diesen Tag kommen sehen, und Caelis konnte es sich genauso wenig vorstellen, wie sie sehr wohl wusste.
Er runzelte die Stirn, als er verstand, was sie meinte. »Mo toilichte«, flüsterte er, als besäßen allein schon diese Worte die Macht, den Bruch zwischen ihnen zu kitten. »Es gab Dinge, die du nicht wusstest und damals auch nicht wissen konntest.«
»Ich bin ebenso wenig dein Glück, wie du mein Krieger bist.« Wieder schüttelte sie den Kopf und versuchte wegzutreten. »Lass mich bitte gehen!«
Vielleicht war ihm klar, was es sie kostete, ihn zu bitten, oder vielleicht sah er auch nur ein, dass er sie lange genug gehalten hatte; jedenfalls nahm er seine Hände von ihrer Taille, um sie zurücktreten zu lassen.
»Was immer du auch bereden willst, wird warten müssen, bis die englische Lady mit unserem Laird gesprochen hat«, erklärte Niall in einem Ton, der keinen Widerspruch erlaubte.
Überraschenderweise erhob Caelis auch keinen, sondern nickte nur. »Ich werde dich zur Burg begleiten«, sagte er zu Shona.
Nialls diskreter Hinweis, dass ihr Gespräch von anderen mitgehört wurde, von denen viele gewiss die Ähnlichkeit zwischen Caelis und seinem Sohn bemerken würden, der ihm fast wie aus dem Gesicht geschnitten war, ließ Shona vor Scham erröten. Inzwischen müsste sie eigentlich schon daran gewöhnt sein, aber die Demütigung schmerzte doch noch immer sehr.
Caelis blickte stirnrunzelnd zu ihr herab. »Alles in Ordnung?«
Eine ehrliche Antwort darauf wäre ein Luxus, den Shona sich nicht leisten konnte. Deshalb nickte sie nur und gab Caelis zu verstehen, dass sie ihren Aufstieg zu der Burg beginnen sollten.
Niall war es, der allen auf dem schmalen Weg voranging, die kleine Hand ihres Sohnes noch immer fest in seiner großen. Shona, deren Glieder so müde und steif vom tagelangen Reiten waren, dass sie ihr fast die Mitarbeit verweigerten, schleppte sich hinter ihnen her.
Einmal stolperte sie sogar. Ihre Erschöpfung und dazu das traumähnliche Erlebnis, Caelis nach sechs Jahren und allem, was dazwischen passiert war, wiederzusehen, machten sie unsicher und ungeschickt.
Audrey nahm mit einem beruhigenden Lächeln ihre Hand, und Thomas bot ihr seinen Arm an.
Das ärgerliche Brummen hinter ihnen hätte den jungen Engländer dazu bewegen sollen, seinen Arm wieder sinken zu lassen. Shona lief dabei jedenfalls ein kalter Schauder über den Rücken.
Doch Thomas warf dem großen Krieger, der hinter ihnen Position bezogen hatte, nur einen bösen Blick über die Schulter zu. »Ich weiß, was Ihr seid, und Ihr habt Euer Anrecht auf sie verspielt. Ich werde meiner Freundin Hilfe anbieten, und wenn sie sie annehmen will, wird sie sie von mir bekommen.«
Wieder wurde Shona von einem schmerzlichen Gefühl der Demütigung ergriffen, als sie erkannte, dass ihren Freunden tatsächlich nicht entgangen war, dass dieser Mann der Vater ihres ältesten Kindes war … und nicht derjenige, den sie etwas mehr als fünf Jahre ihren Ehemann genannt hatte.
Merkwürdig fand sie Thomas’ Wortwahl – dass er »was Ihr seid« statt »wer Ihr seid« zu Caelis gesagt hatte –, aber diesen Gedanken behielt sie für sich. Am liebsten würde sie die beschämende Wahrheit nicht einmal zur Kenntnis nehmen. Vielleicht hielt Thomas Caelis für ein ebensolches Ungeheuer wie den Sohn ihres verstorbenen Ehemannes. Shona hatte das jedenfalls sechs Jahre lang geglaubt – oder sich zumindest eingeredet, dass es so war.
Doch trotz ihrer Schwäche und der Scham über vergangene Unbedachtheiten war sie gerührt von Thomas’ jugendlichem Eifer und seiner unerschütterlichen Treue.
»Danke, Thomas«, sagte sie und griff nach seinem Arm.
Aber schon war Caelis’ Hand da, und sein Körper schob den jüngeren Mann genauso grob beiseite wie zuvor schon Niall. »Er wird es dir jedoch nicht danken, wenn ich ihn meines Anrechts wegen zum Duell herausfordern muss.«
Der arme Thomas wurde blass. Erneut wurde Shona von jäher Wut auf Caelis überkommen. »Du wirst nichts dergleichen tun! Du hast keinerlei Anrecht auf mich. Das hast du aufgegeben, als du mich vor sechs Jahren im Stich gelassen hast.«
»Es war deine Familie, die den Clan verlassen hat, nicht ich.«
Shona verhielt abrupt den Schritt, um wütend zu dem großen Krieger aufzublicken, wodurch sie die arme Audrey aber auch zum Stehenbleiben zwang. »Versuch nicht einmal, so zu tun, als wäre es andersherum gewesen! Ich habe mir deine Lügen einmal angehört, doch sie werden nie wieder mein Leben bestimmen!«
Caelis zuckte zusammen, als hätten ihre Worte ihn verletzt. Doch sie wusste, dass das unmöglich war. »Vertu dich nicht, Shona! Trotz meiner vergangenen Irrtümer werde ich diesen Jungen hier zum Duell fordern, wenn er noch einmal versucht, sich zwischen mich und meine Gefährtin zu drängen.«
Er sprach von ihr wie von einem Tier, und fast wünschte sie, sie wären es. Tiere verließen die von ihnen einmal erwählten Gefährten nicht, doch dieser sehr menschliche Mann hatte sie definitiv im Stich gelassen. Hätte Caelis auch nur das Geringste für sie empfunden, hätte er sie nicht vor ihrem eigenen Vater verleugnet.
Shona wurde die Kehle eng bei der Erinnerung daran, und sie konnte das Brennen von Tränen hinter ihren Augenlidern spüren. Doch sie war wild entschlossen, nicht zu weinen, und so blinzelte sie heftig und kämpfte verbissen gegen diesen Impuls an.
Caelis fluchte und sah regelrecht gequält aus … wenn sie das nur glauben könnte!
Doch so dumm war sie nicht. »Ich bin nicht deine Gefährtin und auch nicht deine Frau. Ich bin nicht einmal deine einstige Verlobte.« Das Aufgebot war nie bestellt worden. »Ich bin nichts, aber auch gar nichts für dich.«
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, griff er mit einer Hand nach ihrer und legte die andere um ihre Taille, alles viel zu sanft für einen Mann, der ständig andere bedrohte. Aber Shona war viel zu müde, um seine Hilfe noch weiter abzuwehren.
Er stützte sie und nahm ihr so viel von ihrem Gewicht ab, dass sie kaum noch wirklich ging, als sie ihren Weg fortsetzten.
Nach einigen schweigend zurückgelegten Schritten sagte er leise: »Darin irrst du dich gewaltig, Shona. Du bist nicht nur die Mutter meines Kindes, sondern du gehörst auch mir. Und mit der Zeit werde ich dich von dieser Tatsache schon noch überzeugen.«
»Ich werde nie wieder dir gehören!« Woher die Kraft oder der Wille zu schreien kamen, konnte sie nicht sagen, doch ihre Stimme brachte die ganze Verzweiflung und Überzeugung zum Ausdruck, die sie in diesem Moment empfand.
Selbst Marjory, die Hand in Hand mit Guaire ging, drehte sich zu ihrer Mutter um. »Warum schreist du den netten Mann so an, Mami?«
Den netten Mann? Hatte ihre Tochter den Verstand verloren? Ausgerechnet Marjory, die keine Fremden mochte, hatte beschlossen, dass Caelis nett war – der Mann, der sagte, er hätte ihren Vater umgebracht, wenn er nicht schon tot wäre?
Vielleicht war Shonas eigener Verstand ja doch nicht ganz so klar, wie sie es sich eingeredet hatte. Vielleicht war dies ja alles nur ein außerordentlich bizarrer Albtraum, aus dem sie bald erwachen würde?
Sie konnte es nur hoffen.
Der geheiligte Bund fürs Leben hebt alle Ansprüche unter den Chrechten auf, einschließlich der des Rudelführers, der celi di und der elterlichen Gewalt.
– Geheiligtes Gesetz der Chrechten,nach mündlicher Überlieferung
In Anbetracht der beeindruckenden Größe und Verteidigungskraft der Festungsanlage war die eigentliche Burg eher bescheiden. Hier war absolut nichts von dem Prunk zu sehen, den Shonas verstorbener Ehemann, der Baron von Heronshire, so geliebt hatte.
In dem Großen Saal ließ sich problemlos eine Versammlung vieler Clan-Mitglieder unterbringen, doch die seidenen Wandbehänge, die im Zuhause eines englischen Barons so gang und gäbe waren, um Reichtum anzuzeigen, fehlten hier. Auch keine unnötigen Möbelstücke zierten den weitläufigen Saal.
Die langen Tische und Bänke, die dem Laird und seinen Kriegern zum Essen dienten, waren aus einfachem Holz, schlicht und völlig ohne Schnitzereien; nicht einmal der Sessel des Burgherrn wies welche auf.
Dennoch konnte kein Zweifel bestehen, wo der Laird und seine Lady saßen, denn diese beiden Sessel waren die einzigen an den langen Tischen in dem Großen Saal, an denen sonst nur Bänke standen. Es gab noch eine andere Gruppe von Sesseln in der Nähe des Kamins, die mit hübschen Kissen in den Farben des Clans versehen waren. Shona war sich jedoch sicher, dass diese Kissen mehr der Bequemlichkeit wegen dort lagen, als um sie zur Schau zu stellen.
Die hübsche blonde Frau, die in einem dieser Sessel saß, hatte ein Pergament mit Zahlen vor sich liegen, das Guaire beim Eintreten ein Stirnrunzeln entlockte. »Ich dachte, wir würden diese Abrechnungen gemeinsam durchsehen, Lady Abigail.«
»Ich hatte gehofft, dir etwas Arbeit abzunehmen, Guaire.«
Der Mann setzte eine gequälte Miene auf, und Niall lachte. »Ihr wisst doch, Mylady, dass er es für nötig halten wird, sie trotzdem noch einmal selbst durchzugehen.«
Lady Abigail lächelte, und ihre hellbraunen Augen funkelten vor Übermut. »Meinst du?«
»Ihr ärgert mich aber auch zu gern, Mylady«, sagte Guaire leicht verstimmt.
»Das solltest du nicht tun, Mama«, meldete sich ein Junge zu Wort, der neben dem Laird saß. »Du bist doch immer so enttäuscht von mir, wenn ich Drost ärgere.«
»Aber nur, weil du noch nicht gelernt hast, es nicht so weit zu treiben, dass dein Bruder in Tränen ausbricht oder zur Gewalt greift, Brian«, sagte Abigail mit einem wohlklingenden Lachen.
Shona hatte Gerüchte gehört, dass die Gemahlin des Sinclair unter Taubheit litt, doch diese Frau schien ebenso gut zu hören wie jeder andere hier.
»Selbst wenn er das lernt, möchte ich nicht von ihm geärgert werden«, sagte der Junge, der Drost sein musste und auf der anderen Seite seines Vaters saß.
Brian schien sehr interessiert an dem Schwert zu sein, das sein Vater schärfte. Sein Bruder, der sein Zwilling sein musste, so ähnlich sah er ihm, bemalte sehr sorgfältig mit einem Stückchen Kohle eine Tontafel.
Eadan marschierte schnurstracks auf den Tisch zu und zeigte mit dem Finger auf sich selbst.
»Ich bin Eadan. Du bist Drost«, sagte er und deutete dann auf den Jungen, der seinem Vater gerade ein Tuch reichte, um das Öl von der Schwertklinge abzuwischen. Dann zeigte er auf das andere Kind. »Und du bist Brian. Das hörte ich dich sagen.«
Ihr Sohn war so intelligent, dass Shona oft erstaunt darüber war, wie schnell er verstand, was um ihn herum vor sich ging.
Beide Jungen sahen mächtig beeindruckt aus. Doch dann bemerkte Drost sehr sachlich: »Du trägst gar keine Clan-Farben.«
»Und deine Kleider sind komisch«, fügte Brian entschieden hinzu.
Abigail holte hörbar Luft und schien eingreifen zu wollen, aber Eadan gab ihr keine Gelegenheit dazu.
»Es sind englische Kleider«, entgegnete er schulterzuckend.
Brian runzelte die Stirn. »Wir mögen keine Engländer.«
Diesmal sprang Abigail auf und fuhr ärgerlich zu ihrem Sohn herum. »Ich bin Engländerin!«
»Du warst Engländerin«, mischte sich nun auch der Laird ein, der bisher geschwiegen hatte. »Doch wie dem auch sei …« Er fixierte seinen Sohn mit einem Blick, der Shona heute noch eingeschüchtert hätte und erst recht, als sie ein kleines Kind gewesen war. »Du weißt sehr gut, dass uns nicht alle Engländer verhasst sind.«
Abigails beleidigtes Gesicht veranlasste ihren Ehemann nur zu einem Schulterzucken, als wollte er damit ausdrücken, dass dies das Beste war, was sie sich von ihm erhoffen konnte. Es war anscheinend ein alter Streitpunkt zwischen ihnen.
»Meine Schwester und mich werdet ihr mögen«, erklärte Eadan mit vorgetäuschter Unerschrockenheit und zog Marjory an seine Seite.
Shona hätte ihn am liebsten an sich gezogen, um ihm die Furcht zu nehmen, als sie das Zittern in seiner Stimme hörte, und die kleine Marjory auch, die mit großen Augen und ihrem Daumen im Mund dabeistand.
Doch Shona wusste, dass sie auf ihrer Flucht in die Sicherheit vielleicht noch viel Schlimmeres zu erwarten hatten.
Die Highlander waren nun wirklich nicht bekannt für ihre freundliche Einstellung Engländern gegenüber.
Nach einem tiefen, kräftigenden Atemzug knickste sie vor dem Burgherrn und seiner Gemahlin. »Ich bin Lady Shona, die Witwe des zweiten Barons von Heronshire. Und dies sind meine Gesellschafterin und Freundin Audrey und ihr Bruder Thomas.«
Den Familiennamen ihrer Freunde ließ sie mit voller Absicht unerwähnt, da keiner der beiden sich zu einem Vater bekennen wollte, der sie als Dienstboten an Shonas verstorbenen Ehemann verkauft hatte, obwohl das bei seinem eigenen Reichtum völlig unnötig gewesen war.
Shona deutete auf ihre Kinder. »Mein Sohn hat sich ja schon selbst vorgestellt, und die Kleine hier ist meine Tochter Marjory.«
Sie straffte die Schultern und gab sich Mühe, ihre Ermüdung und Beklommenheit zu verbergen, war jedoch trotzdem nicht überrascht, als Caelis sie wieder an seine Seite zog.
Er hatte sie schon auf dem ganzen Weg zur Burg und in den Großen Saal nicht losgelassen. Und dann, offenbar fest entschlossen, den falschen Eindruck zu erwecken, hatte er es sogar geschafft, immer noch dicht neben ihr zu bleiben, als sie auf den Laird der Sinclairs zugegangen waren.
Bevor der Laird oder seine Gemahlin etwas erwidern konnten, sagte Niall mit weit mehr Überzeugung, als ihr Sohn hatte erkennen lassen, zu Eadan: »Natürlich werden sie dich mögen, mein Junge. Denn eigentlich bist du ja ein braver schottischer Bursche, nicht?«
Shona verübelte dem Highland-Krieger die mangelnden Manieren nicht, denn schließlich hatte er nur helfen wollen, ihr Kind zu beruhigen.
»Bin ich das?«, fragte Eadan.
Der Laird hatte ihren Sohn nachdenklich und interessiert gemustert, und jetzt glitt der Blick des Sinclair zu Caelis und dann wieder zu Eadan zurück. Der Ausdruck des Verstehens, der in seine Augen trat, war für Shona nicht zu übersehen.
Ein weiteres Mal spürte sie, wie ihr die Schamesröte ins Gesicht stieg. Sie hätte nie gedacht, dass sie Caelis je wieder gegenüberstehen würde, geschweige denn, dass ihre Vergangenheit jedem, der ihn in der Nähe seines Sohnes sah, so unaufhaltsam offenbart werden würde.
»Das bist du, so wie auch deine Mutter ein feines schottisches Mädchen ist«, antwortete Guaire anstelle von Niall.
Shona warf ihm einen dankbaren Blick zu, den er mit einem warmherzigen Lächeln erwiderte. Nichts Verurteilendes lag darin; nicht wie in den Blicken ihrer eigenen Eltern, bis ihre Mutter vor zwei Jahren ihren letzten Atemzug getan hatte und Shonas Vater ihr dann kürzlich erst gefolgt war.