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Dieser Band enthält folgende Krimis: Trevellian und die Tänzerin (Pete Hackett) Im Kreuzfeuer der Drogen-Gang (Pete Hackett) Nicht nur der Drogenhändler Cameron wird ermordet, auch die Geschäftsführer von Camerons Clubs werden nach und nach tot aufgefunden. Die FBI-Agenten Trevellian und Tucker ermitteln in alle Richtungen und wirbeln dabei in der Unterwelt eine Menge Staub auf, doch ein Motiv oder gar den Mörder finden sie nicht. Doch dann fällt Trevellian in einem der Clubs eine Tänzerin auf. Sie heißt Dorothee Bourke, aber sie erinnert den FBI-Agenten sehr an die Tochter von James Shelby, der Cameron vor einigen Jahren verraten hatte und dann tot aufgefunden wurde.
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Seitenzahl: 381
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Krimi Doppelband 184
Copyright
Trevellian und die Tänzerin
Im Kreuzfeuer der Drogen-Gang: Action-Thriller
Dieser Band enthält folgende Krimis:
Trevellian und die Tänzerin (Pete Hackett)
Im Kreuzfeuer der Drogen-Gang (Pete Hackett)
Nicht nur der Drogenhändler Cameron wird ermordet, auch die Geschäftsführer von Camerons Clubs werden nach und nach tot aufgefunden. Die FBI-Agenten Trevellian und Tucker ermitteln in alle Richtungen und wirbeln dabei in der Unterwelt eine Menge Staub auf, doch ein Motiv oder gar den Mörder finden sie nicht. Doch dann fällt Trevellian in einem der Clubs eine Tänzerin auf. Sie heißt Dorothee Bourke, aber sie erinnert den FBI-Agenten sehr an die Tochter von James Shelby, der Cameron vor einigen Jahren verraten hatte und dann tot aufgefunden wurde.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author / COVER TONY MASERO
© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
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Alles rund um Belletristik!
Krimi von Pete Hackett
Nicht nur der Drogenhändler Cameron wird ermordet, auch die Geschäftsführer von Camerons Clubs werden nach und nach tot aufgefunden. Die FBI-Agenten Trevellian und Tucker ermitteln in alle Richtungen und wirbeln dabei in der Unterwelt eine Menge Staub auf, doch ein Motiv oder gar den Mörder finden sie nicht. Doch dann fällt Trevellian in einem der Clubs eine Tänzerin auf. Sie heißt Dorothee Bourke, aber sie erinnert den FBI-Agenten sehr an die Tochter von James Shelby, der Cameron vor einigen Jahren verraten hatte und dann tot aufgefunden wurde.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author
© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
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Wir hatten die Farm bei Larchmont umstellt. Es war finster. Ein frischer Wind blies vom East River her. In den Kronen der Bäume und den Büschen rauschte es leise. Der Mond stand wie eine große, gelbe Scheibe im Südosten. Einige Sterne blinkten am Himmel. Ich warf einen Blick auf die Uhr. Es war 21.58 Uhr.
Aus einem der Fenster des Farmhauses fiel Licht. Im Haus war es still. Unaufhaltsam hüpfte der Sekundenzeiger weiter. Ich war mit einer kugelsicheren Weste und einem Helm ausgerüstet, an dem ein Headset befestigt war. In meiner Hand lag die SIG. Ich ahnte, dass wir auf Widerstand stoßen würden.
In dem Haus befanden sich Stuard Cameron und James Shelby, zwei Verbrecher, die im Drogengeschäft und im Geschäft mit der Prostitution mitmischten und die sich auf diese Farm geflüchtet hatten, um sich dem Zugriff des FBI in New York zu entziehen. Außerdem befanden sich einige Männer bei ihnen, die sich als ihre Handlanger entpuppt hatten und die ebenfalls mit empfindlichen Strafen zu rechnen hatten.
Um Punkt 22 Uhr befahl ich den Zugriff. In den Schatten ringsum wurde es lebendig. Trockene Schläge erklangen, als einige Kollegen versuchten, die Eingangstür aufzurammen. Plötzlich begann eine Maschinenpistole zu rattern. Befehle wurden geschrien. Aus verschiedenen Fenstern zuckten Mündungslichter. Die Detonationen verschmolzen ineinander und verdichteten sich wie zu rollendem Donner.
Auf der Rückseite des Hauses klirrte es, als die Beamten vom Emergency Service Unit die gläserne Terrassentür einschlugen. Maschinenpistolenfeuer mischte sich in das trockene Dröhnen der Pistolen. Krachend flog schließlich die Haustür auf. Dann gab es einen ohrenbetäubenden Knall, als einer der Beamten eine Blendgranate in die Halle des Farmhauses warf. Grelles Licht blitzte hinter den Fenstern der Halle auf.
Beamte drangen in das Gebäude ein.
Aus den Fenstern sprangen zwei Kerle. Sie flohen in die Nacht hinein. Polizisten folgten ihnen. Einer der Flüchtenden wurde eingeholt und niedergerungen. Der andere floh in einen Schuppen und warf die Tür hinter sich zu.
Ein Motor heulte auf. Dann donnerte der Gangster auf einer schweren Maschine aus dem Schuppen. Eine Garbe aus einer MP mähte ihn von dem Motorrad. Die Maschine rollte noch einige Schritte fahrerlos weiter, dann fiel sie mit lautem Getöse zu Boden.
Im Farmhaus krachten noch vereinzelte Schüsse. Dann schrie ein Mann voll Panik: »Aufhören! Ich ergebe mich! Hört zu schießen auf!«
Noch zwei-, dreimal krachte es, dann schwiegen die Waffen. Weitere Polizisten drängten ins Haus. Es dauerte nicht lange, dann wurden vier Männer ins Freie geführt. Sie waren gefesselt. Ein Beamter trat vor mich hin und sagte: »Einer der Kerle ist tot, im Haus liegen zwei Verwundete. Von den Vieren, die wir festgenommen haben, ist einer angeschossen. Nichts Gravierendes, lediglich eine Streifschusswunde.«
»Haben wir Cameron und Shelby?«, fragte ich.
»Ja, die beiden befinden sich unter den Gefangenen.«
»Lassen Sie die beiden ins Field Office schaffen«, sagte ich.
»In Ordnung«, sagte der Kollege und entfernte sich.
Eine Gestalt näherte sich mir. Ich erkannte den Mann trotz der Dunkelheit. Es war Milo. »Ein voller Erfolg«, sagte er. »Wir haben Cameron und Shelby. Die Kerle haben uns lange genug an der Nase herumgeführt.«
»Es sind nur zwei Figuren in dem schändlichen Spiel«, murmelte ich. »Brandon Cameron ist der Boss der Bande. Gegen ihn haben wir nichts in Händen.«
»Warten wir ab, was die Vernehmung von Stuard Cameron und James Shelby ergibt«, murmelte Milo.
»Stuard Cameron wird seinen Vater kaum verraten«, erklärte ich. »Ob Shelby genug von Brandon Cameron weiß, um diesem einen Strick zu drehen, ist fraglich.«
»Hören wir uns an, was die Kerle zu sagen haben«, knurrte Milo. Auch er trug eine kugelsichere Weste und einen Helm. In der linken Hand hielt er eine Maschinenpistole. Mein Kollege hatte sich an der Erstürmung des Farmhauses beteiligt.
Ich ging zu dem Pulk von Männern hin, die die Gefangenen zwischen sich hatten. Jetzt flammten auch einige Scheinwerfer auf und tauchten das Szenarium in grelles Licht. Die Gestalten warfen lange Schatten.
Die vier Gefangenen musterten mich trotzig. Ich schaute von einem zum anderen. Dann heftete ich meinen Blick auf Stuard Cameron: »So haben Sie sich den Ausgang dieses Abends sicher nicht vorgestellt, Cameron.«
»Mein Vater wird mich herausholen«, stieß der Gangster hervor. »Er wird die besten Anwälte konsultieren.«
»Was wir gegen Sie in den Händen haben, reicht, um Sie für die nächsten zehn Jahre aus dem Verkehr zu ziehen«, versetzte ich.
Stuard Cameron verzog verächtlich den Mund. »Die Verbindungen meines Vaters reichen weiter als Sie denken«, maulte er.
*
Am Tisch in der Mitte des Vernehmungsraumes saß James Shelby. Shelby war sechsunddreißig Jahre alt. Er hatte kurze, dunkle Haare und verfügte über ein schmales Gesicht. »Reden Sie, Shelby«, forderte ich den Burschen auf. »Wir wissen, dass Stuard Cameron die Straßenverkäufer mit Drogen versorgt und mit ihnen abrechnet. Und wir vermuten, dass hinter Stuard Cameron sein Vater steht. Erzählen Sie uns, was Sie wissen.«
»Wer hat uns verraten?«, fragte Shelby.
»Wir haben einen Informanten«, versetzte ich. »Sie werden verstehen, dass ich Ihnen seinen Namen nicht sage. Bei einer Übergabe von Rauschgift im Hafen kam es zu einer Schießerei. Die beiden Kerle, die die Drogen übernahmen, konnten entkommen. Es waren Leute von Cameron. Sprechen Sie schon.«
»Was blüht mir?«, fragte Shelby.
»Sie sind Drogenhändler, und sie haben Cameron geholfen, Südamerikanerinnen illegal nach New York zu holen und die Frauen gezwungen, der Prostitution nachzugehen. Da kommen einige Jahre zusammen.«
»Ich kann euch helfen, Stuard Cameron für den Rest seines Lebens hinter Gitter zu bringen.«
»Was hat Cameron verbrochen, das ihm lebenslänglich einbringen könnte?«, fragte ich.
»Er hat einen Mann erschossen.«
»In Ihrem Beisein?«
»Ja. Ich war Zeuge. Es handelte sich um einen Straßenverkäufer. Der Bursche wirtschaftete in seine eigene Tasche. Wir legten den Leichnam im Central Park ab. Der Mord wurde nie geklärt.«
»Was verlangen Sie, wenn Sie als Zeuge gegen Cameron auftreten?«, fragte ich.
»Straffreiheit und Aufnahme ins Zeugenschutzprogramm.«
»Man müsste sich mit der Staatsanwaltschaft an einen Tisch setzen«, murmelte ich. »Haben Sie schon einen Anwalt konsultiert?«
»Ja, Cliff Hanson von Hanson & Partner.«
»Die Staatsanwaltschaft lässt sicher mit sich reden, wenn Sie sich keines Kapitalverbrechens schuldig gemacht haben«, erklärte ich. »Sprechen Sie mit Ihrem Anwalt. Wir werden uns mit dem zuständigen Staatsanwalt kurzschließen.«
*
Fünf Monate später fand der Prozess gegen Stuard Cameron statt. Der Gerichtsdiener rief die Prozessbeteiligten auf, sich in den Sitzungssaal zu begeben. Stuard Cameron saß neben seinem Anwalt an einem Tisch. Auf der anderen Seite des Saales hatte der Staatsanwalt Platz genommen. Die Zuschauerplätze waren voll besetzt.
Der Vorsitzende kam aus einer Tür hinter dem Richtertisch. Die zwölf Geschworenen saßen bereits auf ihren Plätzen. Der Richter forderte die Anwesenden auf, sich zu setzen und ließ sich selber nieder. Er wandte sich an Stuard Cameron. »Ihnen wird heimtückischer Mord vorgeworfen, Angeklagter. Mord an Bruce Spencer. Bekennen Sie sich schuldig?«
Der Anwalt erhob sich. »Mein Mandant bekennt sich nicht schuldig.«
Der Richter nickte. »Na schön. Herr Staatsanwalt, ich bitte um Ihren Vortrag.«
Der Ankläger erhob sich, warf einen Blick in die Runde, dann nahm er sein Script in beide Hände und begann zu lesen. »Dem Angeklagten wird vorgeworfen, am 27. Mai des vorigen Jahres in seinem Auto den später im Central Park aufgefundenen Bruce Spencer erschossen zu haben, nachdem er ihn auf besonders hinterhältige Art und Weise dazu brachte, seinen Wagen zu besteigen. Es handelte sich hierbei um einen vorsätzlichen, heimtückischen Mord, dessen ich hiermit Stuard Cameron anklage.«
»Was haben Sie dazu zu sagen, Angeklagter?«, fragte der Vorsitzende.
»Mein Mandant bestreitet die Tat und behauptet, dass James Shelby geschossen hat.«
»Es steht Aussage gegen Aussage«, murmelte der Richter. »Treten wir in die Beweisaufnahme ein. Herr Staatsanwalt, rufen Sie Ihren ersten Zeugen auf.«
»Ich rufe Mister James Shelby in den Zeugenstand!«, rief der Staatsanwalt.
James Shelby wurde von einem Wachbeamten in den Gerichtssaal geführt. Er war gefesselt. Ehe er den Zeugenstand betrat, wurden ihm die Handschellen abgenommen.
Shelby nahm Platz.
Cameron starrte ihn an, als wollte er ihn hypnotisieren. Seine Kiefer mahlten. In seinen Augen glomm ein böser Funke.
Nachdem Shelby vereidigt worden war, forderte ihn der Staatsanwalt auf, zu sprechen …
*
»Ist die Jury zu einem Ergebnis gekommen?«, fragte Stunden später der Vorsitzende.
Der Sprecher der Geschworenen erhob sich und brachte dem Richter ein zusammengefaltetes Blatt Papier. Der nahm es, faltete es auseinander und warf einen Blick darauf. Dann schlug er mit seinem Hammer auf die Holzunterlage und sagte mit lauter, präziser Stimme: »Der Angeklagte wird des Mordes aus niedrigen Beweggründen für schuldig befunden. Das Urteil wird übermorgen um 9 Uhr vormittags in diesem Gerichtssaal verkündet. Der Haftbefehl gegen den Angeklagten bleibt aufrecht erhalten.«
Gemurmel und Geraune entstand im Gerichtssaal.
Brandon Cameron sagte grollend: »Lebenslänglich! Mein Sohn wurde zu einer lebenslänglichen Gefängnisstrafe verurteilt. Und das hat er Shelby, diesem verdammten Bastard, zu verdanken. Bringt mir diesen Kerl. Ich will das elende Schwein tot sehen.«
Bei Brandon Cameron befanden sich zwei Männer. Einer, ein blondhaariger Bursche um die dreißig, sagte: »Die Staatsanwaltschaft hat Shelby ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen. Er ist in der Versenkung verschwunden. Wir wissen nicht mal, ob er sich noch in New York aufhält.«
»Findet es heraus. Ich will, dass der Schuft bestraft wird. Um sich die Freiheit zu erkaufen, hat er meinen Sohn verraten. Bringt mir den Kerl lebend. Ich möchte ihn eigenhändig in die Hölle schicken.«
»Wo sollen wir ansetzen?«
»Nehmt seine getrennt lebende Frau in die Mangel. Die beiden haben ein Kind miteinander. Es ist nicht auszuschließen, dass Shelby mit der Lady Verbindung aufgenommen hat. So viel ich weiß, soll er ziemlich an seiner Tochter hängen.«
»Wir werden tun, was in unserer Kraft steht«, versprach der Blondhaarige. »Komm, Jack, finden wir die Anschrift der Lady heraus und statten wir ihr heute Abend einen Besuch ab.«
Die beiden Kerle erhoben sich. Der Bursche namens Jack war dunkelhaarig und Anfang der dreißig. »Wenn die Lady weiß, wo sich Shelby verkrochen hat«, sagte er, »dann wird sie es uns auch sagen. Mein Wort drauf, Boss.«
»Setzt alle Hebel in Bewegung, aber bringt mir James Shelby. Der Hund muss für den Verrat an meinem Sohn büßen.«
Jack Forsyth und Cole Frederick verließen die Wohnung ihres Bosses. Brandon Cameron, ein Mann Mitte der sechzig, ging zum Fenster und starrte gedankenvoll nach draußen. Sein Lebenswerk war in Frage gestellt. Stuard war sein einziger Sohn und sollte irgendwann seinen Platz einnehmen. Nun sah es so aus, als würde Stuard die Freiheit niemals mehr wieder sehen.
Der Hass, der in Brandon Cameron wütete, war grenzenlos. Er würde keine Zugeständnisse und kein Erbarmen kennen. Wenn ihm James Shelby in die Hände fiel, war sein Schicksal besiegelt. Der alte Gangsterboss hatte Shelby zum Tode verurteilt …
*
Es war 21 Uhr vorbei. Katrin Shelby saß in ihrem Wohnzimmer auf der Couch und schaute fern. New York One strahlte eine Reportage über den Beginn des 3. Golfkrieges am 20. März 2003 aus. Der Reporter berichtete gerade, dass amerikanische und britische Truppen von Kuwait aus eine Bodenoffensive gestartet hatten und rasch Richtung Bagdad vorrückten. Außerdem waren amerikanische Fallschirmjäger im Norden des Irak gelandet und hatten zusammen mit kurdischen Kämpfern eine Nordfront eröffnet …
Es klingelte.
Katrin Shelby schaute etwas befremdet zur Tür. Sie erwartete niemand. Und sie konnte sich auch nicht denken, wer sie um diese Zeit besuchen sollte. In ihrem gleichmäßigen Gesicht arbeitete es.
Da klingelte es erneut.
Katrin Shelby erhob sich und ging zur Tür. Sie schob die Klappe vor dem Spion zur Seite und schaute durch die Linse. Draußen stand ein Mann, den sie nicht kannte. Er hatte blonde Haare und war um die dreißig Jahre alt. Katrin Shelby öffnete die Tür ein Stück, gerade so weit, wie es die Sicherungskette zuließ. »Was wünschen Sie?«
Plötzlich ging alles blitzschnell. Der Blondhaarige warf sich mit seinem gesamten Gewicht gegen die Tür. Die Sicherungskette wurde aus der Verankerung gerissen. Die Türkante knallte gegen Katrin Shelbys Stirn, sie taumelte einige Schritte zurück, ein spitzer Aufschrei stieg aus ihrer Kehle, zwei Kerle kamen in die Wohnung, einer drückte die Tür zu.
Aus dem Lautsprecher des Fernsehapparates erklang es: »Die USA und ihre Verbündeten starteten den Krieg mit einem gezielten Luftangriff auf Saddam Hussein und die militärische Führung des Irak. Es folgten weitere Angriffe mit Cruise Missiles, Raketen und Bomben …«
Einer der beiden Kerle hatte plötzlich eine Waffe in der Hand, die er auf Katrin Shelby richtete. Den beiden entging, dass die Tür zu einem Nebenraum einen Spalt breit geöffnet wurde.
»Was wollen Sie von mir?«, keuchte Katrin Shelby entsetzt. Dort, wo die Türkante gegen ihre Stirn geprallt war, zeigte sich eine Schwellung. Die Angst stieg wie ein Schrei in der Frau hoch.
»Setz dich!«, stieß der Blondhaarige hervor.
»Sagen Sie mir …«
»Du sollst dich setzen!«, fuhr sie der Blondhaarige schroff an. »Oder hast du was an den Ohren, Lady?«
Auf Beinen, die sie kaum tragen wollten, ging Katrin Shelby zu einem Sessel und ließ sich hineinfallen. Ihre Finger verkrallten sich in den gepolsterten Armlehnen des Sessels. Entsetzen wütete in ihren Augen, nur mühsam bezwang die Frau ihre Panik.
»Wo befindet sich James Shelby?«
Der Dunkelhaarige, der die Waffe auf die Frau gerichtet hielt, spannte wie zur Bekräftigung der Frage mit dem Daumen den Hammer der Pistole.
»Ich – ich weiß es nicht«, stammelte Katrin Shelby. »James hat eine neue Identität erhalten und …«
»Er hat sicher mit dir Verbindung aufgenommen. Schließlich ist er ein guter Vater, der seine Tochter nicht einfach vergisst. Also raus mit der Sprache, Lady. Welchen Namen hat er jetzt und wo wohnt er?«
Der Blondhaarige trat neben den Sessel. Seine rechte Hand verkrallte sich in den Haaren der Frau, er bog ihr brutal den Kopf in den Nacken. »Sicher liegt deine Kleine im Bett«, stieß er hervor. »Sollen wir sie holen und ihr vor deinen Augen den Hals durchschneiden?«
»Nein. Bitte, lassen Sie Patricia in Ruhe. Sie – sie hat mit alledem nichts zu tun.«
»Dann sag uns endlich, was wir wissen wollen.«
Der schmerzhafte Zug in den Haaren der Frau verstärkte sich. Sie stöhnte, der Schmerz trieb ihr die Tränen in die Augen. Sie kämpfte mit sich. Ihre Mundwinkel zuckten.
»Ich hole jetzt die Kleine!«, drohte der Blonde und ließ die Haare der Frau los. »Wenn wir ihr Schmerzen zufügen, wirst du sicher gesprächig.«
»Nein«, keuchte Katrin Shelby. »Lassen Sie Pat in Ruhe. James hat den Namen Kevin Miles angenommen. Er wohnt in der Montgomery Street Nummer 197. James wollte New York nicht verlassen, um in der Nähe seiner Tochter zu sein.«
Nach dem letzten Wort schlug Katrin Shelby beide Hände vor das Gesicht und weinte hemmungslos. Der Blonde schaute seinen Kumpan an. Dieser nickte. Die Hände Cole Fredericks legten sich um den Hals der Frau und pressten ihn zusammen. Katrin Shelby bäumte sich auf. Ihre Hände umklammerten die Handgelenke Fredericks und versuchten seinen brutalen Griff zu sprengen. Ihre Nägel bohrten sich in seine Haut. Der brutale Bursche lockerte seinen Griff nicht. Die Schmerzen, die ihm die Frau verursachte, ertrug er.
Erstickend riss Katrin Shelby den Mund auf. Ihre Lungen fingen an zu stechen, Schwindelgefühl erfasste sie. Sie hatte der Kraft des Burschen nichts entgegenzusetzen. Plötzlich verließ sie die Kraft. Ihre Hände sanken nach unten, ihre Gestalt erschlaffte. Frederick würgte sie noch einige Zeit, dann ließ er sie los. Der Oberkörper der Toten kippte zur Seite.
»Gehen wir«, knurrte Jack Forsyth ungerührt und verstaute die Pistole unter seiner Jacke im Hosenbund.
Niemand sah die beiden, als sie den Wohnblock verließen. Auf der Straße zogen sie die dünnen Handschuhe aus, die sie getragen hatten. Forsyth holte sein Handy aus der Tasche und tippte eine Nummer, dann stellte er eine Verbindung her. Brandon Cameron meldete sich. Forsyth sagte: »Shelby nennt sich jetzt Kevin Miles und wohnt in der Montgomery Street. Uns ist auch die Hausnummer bekannt. Wir werden ihm jetzt einen Besuch abstatten.«
»Bringt mir das Schwein lebend.«
»Es wäre einfacher, ihn sofort kalt zu machen«, erklärte Forsyth. »Ihn zu entführen und zu Ihnen zu bringen ist mit Risiken verbunden, Boss.«
Kurze Zeit herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung. Dann erklang es: »Du hast recht. Bringt den Hurensohn um und schneidet ihm ein Ohr ab, das ihr mir bringt.«
»In Ordnung, Boss.«
*
James Shelby saß in einem Pub in der Water Street. Das Lokal war gut besucht. An den Tischen wurde diskutiert. Gesprächsthema war der Ausbruch des dritten Golfkrieges. Shelby saß allein an einem Tisch. Was sich im Irak abspielte, interessierte ihn nicht. Er war in Gedanken versunken. Immer wieder fragte er sich, ob er richtig gehandelt hatte, als er Katrin anrief und sie über seine neue Identität aufklärte.
Er trank sein Glas leer. Es war sein drittes Budweiser und er spürte die Wirkung des Alkohols. Ein leichter Taumel hatte ihn erfasst. Dennoch entschloss er sich, noch ein viertes Bier zu trinken. Er winkte der Bedienung. Es handelte sich um eine hübsche, junge Lady, deren Rock verdammt kurz war und deren enger Pullover ihre weiblichen Formen voll zur Geltung brachte. Sie kam und Shelby sagte: »Noch ein Bier, bitte.«
Sie lächelte ihn an und entfernte sich mit seinem leeren Glas.
Shelbys Gedanken schweiften ab und konzentrierten sich auf Patricia, seine Tochter. Pat war dreizehn. Er liebte sie abgöttisch und besuchte sie alle zwei Wochen. Pat war auch der Grund, weshalb er seiner getrennt lebenden Ehefrau seine neue Identität verraten hatte.
Siedendheiß durchfuhr es ihn.
Es war ein Fehler!, zuckte es zum wiederholten Mal durch seinen Verstand. Ich werde mir eine neue Wohnung suchen. Wenn Cameron herausfindet, wo ich untergeschlüpft bin, ist mein Leben keinen rostigen Cent mehr wert.
Die Bedienung brachte das Bier. Shelby trank einen Schluck und wischte sich mit dem Handrücken den Schaum von den Lippen.
Er begriff, dass er für seine Freiheit einen hohen Preis bezahlt hatte. Brandon Cameron würde Jagd auf ihn machen. Es war nicht auszuschließen, dass sich der alten Gangster an Katrin wandte. Würde Katrin standhalten? O verdammt, sie werden sie quälen und sie wird sprechen. Und dann …
Angst vor der Zukunft brandete in Shelby hoch. Eine unsichtbare Hand schien ihn zu würgen. Dumpf schlug das Herz in seiner Brust. Der Gedanke an Brandon Cameron brachte seine Nerven zum Schwingen. Er versuchte, diese mit Vehemenz auf ihn einstürmenden Gedanken zu verdrängen, doch es gelang ihm nicht. Sie nagten und fraßen in ihm und krampften ihm den Magen zusammen.
Nachdem er sein Bier ausgetrunken hatte, bezahlte er und machte sich auf den Nachhauseweg. Die Water Street war eine Querstraße der Montgomery Street, in der er ein Zwei-Zimmer-Apartment bewohnte. Sein Gang war nicht mehr ganz sicher. Der genossene Alkohol machte sich bemerkbar. Die quälenden Gedanken jedoch konnte er nicht vertreiben.
Shelby schaute auf die Uhr an seinem Handgelenk. Es ging auf Mitternacht zu. New York erstrahlte im Glanz seiner Lichter. Die Geräusche der Stadt in den Ohren setzte Shelby mechanisch einen Fuß vor den anderen. Siedendheißer Schreck durchfuhr ihn, als er daran dachte, dass Brandon Cameron seine Wut vielleicht an Patricia, seiner Tochter, austoben würde.
Und immer wieder hämmerte es in seinem Verstand: Du hast einen Fehler gemacht. Gott verdammt, du hättest Katrin niemals deine neue Adresse verraten dürfen. Du bist ein elender Narr!
Er betrat das Gebäude, in dem er wohnte. Es war ein Altbau. Shelby schaltete die Treppenhausbeleuchtung ein. Das Licht blendete ihn einen Moment lang. Im Treppenhaus roch es nach Bohnerwachs. Shelby stieg die Treppe hinauf. Sie war aus Holz und so manche Stufe knarrte unter seinem Gewicht. In der zweiten Etage lag seine Wohnung. Sein Atem ging etwas schneller, als er oben anlangte. Er atmete tief durch. Shelby verspürte das quälende Bedürfnis, seine Notdurft zu verrichten und beeilte sich, die Tür aufzusperren.
Sie schwang auf, er betrat den Raum und machte Licht. Mit dem Fuß drückte er die Tür hinter sich zu. Er wollte sofort zur Toilette. Als er sich mitten im Raum befand, wuchs hinter einem der Sessel eine Gestalt in die Höhe. Shelby hielt an, als wäre er gegen eine unsichtbare Wand gelaufen. Schlagartig war er nüchtern. Auch hinter dem anderen Sessel erhob sich ein Mann. »Forsyth! Frederick!«, entrang es sich Shelby und die Angst kam kalt und stürmisch wie ein Schneesturm.
»Du hast einen Fehler gemacht, James«, sagte der dunkelhaarige Jack Forsyth. »Einen Fehler, der dich teuer zu stehen kommen wird.« Er hielt eine Pistole auf Shelby gerichtet. Ein Schalldämpfer war aufgeschraubt. Der Drang, zur Toilette zu gehen, wurde bei Shelby übermächtig. »Wie habt ihr mich gefunden?«
»Deine Lady hat gesungen, nachdem wir ihr drohten, der Kleinen die Kehle durchzuschneiden. Sie einzuweihen war dein zweiter großer Fehler.«
»Aber …«
Frederick winkte ab. Auch er hielt eine Pistole mit aufgeschraubtem Schalldämpfer in der Hand. »Halt doch die Fresse, James. Cameron fordert deinen Kopf. Erst wollte er dich lebend. Er hätte dir wahrscheinlich die Haut streifenweise abgezogen. Wir konnten ihm das schließlich ausreden.«
»Ich – ich will mit Cameron sprechen«, keuchte Shelby. »Bringt mich zu ihm.«
»Du willst freiwillig mitkommen?«
»Ja. Ich – ich muss Cameron einiges erklären. Er wird einsehen, dass ich …«
»Darauf solltest du dich nicht verlassen«, unterbrach ihn Jack Forsyth. »Aber mir soll es recht sein.«
»Ich – ich muss auf die Toilette.«
»Da hast du wohl 'ne Kanone versteckt?«, stieß Frederick hervor.
»Nein. Ich muss wirklich.«
»Du wirst dich schon nicht gleich anpinkeln«, knurrte Forsyth. »Gehen wir.«
*
Vom Auto aus telefonierte Forsyth mit Brandon Cameron. »Wir haben Shelby.«
»Warum habt ihr ihn nicht kalt gemacht?«
»Er wollte mit Ihnen sprechen, Boss.«
»Ich möchte wissen, was es zwischen ihm und mir zu besprechen gäbe.«
»Ich schätze, er will Zeit gewinnen.«
»Bringt ihn in den East River Park. Wir treffen uns auf dem Parkplatz beim Baseball Feld. Ich bin in einer halben Stunde da. Passt nur auf, dass euch Shelby nicht entwischt. Ob wir ihn ein zweites Mal erwischen, ist fraglich.«
»In Ordnung.«
Sie fuhren zum East River Park.
Shelby konnte den Harndrang nicht mehr länger zurückhalten. Seine Hose war nass bis zu den Knien. Frederick, der neben ihm saß, stieß hervor: »Pfui Teufel, du elendes Schwein! - Er hat sich bepinkelt. Deinen Sitz kannst du wegwerfen, Jack.«
»Wohin bringt ihr mich?«, fragte Shelby. Das Sprechen bereitete ihm Mühe. Seine Stimmbänder wollten ihm nicht mehr gehorchen. Seine eigene Stimme kam ihm fremd vor.
»Hast du gedacht, wir bringen dich in Camerons Wohnung?«
»Bitte, lasst mich laufen. Euch habe ich doch nichts getan. Wir haben uns doch immer gut verstanden.«
»Stuard war ein guter Freund von uns«, versetzte Frederick kalt. »Du hättest ihn nicht verraten dürfen.«
Sie fuhren auf den großen Parkplatz und hielten bei einigen Büschen an. Mitten in der Nacht war der Parkplatz verwaist. Sie warteten im Auto. Zehn Minuten später tauchten zwei Scheinwerfer auf. Es war ein schwerer Bentley, der auf den Parkplatz gesteuert wurde. Der Lichtkegel der Scheinwerfer kroch vor der Nobelkarosse her über den Asphalt. Dann wurde der Wagen abgebremst. Zwei Männer stiegen aus. Sie kamen näher.
»Aussteigen!«, gebot Frederick.
Shelby stieg aus. Auch Forsyth und Frederick verließen den Ford, in dem sie gekommen waren. Die beiden Männer aus dem Bentley waren schließlich heran. Die Gesichter waren in der Finsternis nur helle Kleckse. Brandon Cameron baute sich vor Shelby auf und stemmte beide Arme in die Hüften. »Du verdammter Hund!«, stieß Cameron zwischen den Zähnen hervor und schlug im nächsten Moment zu. Seine Faust bohrte sich in Shelbys Magen und der Getroffene krümmte sich nach vorn. Der Schlag presste ihm die Luft aus den Lungen und er japste erstickend.
Cameron drosch Shelby die Faust ins Gesicht. »Warum hast du Stuard verraten?«
»Ich – ich …«
»Du hast dir damit die Freiheit erkauft, du elender Bastard. Aber es war auch dein Todesurteil. Was willst du mir sagen?«
»Ich wollte dich bitten, Verständnis zu zeigen. Was sollte ich denn tun? Die Agents vom FBI setzten mich unter Druck. Ich war nervlich am Ende und …«
»Nein, Shelby. Du hast Stuard verkauft, wie einst Judas Jesus Christus verkauft hat. Du hast den Agents deine Aussage gegen deine Freiheit angeboten. Wie sonst sollten sie darauf kommen, dass Stuard damals diesen betrügerischen Dealer erschoss. Du bist eine dreckige Ratte.«
»Er hat sich vor Angst in die Hosen gemacht«, sagte Forsyth.
»Du willst mich um Verständnis bitten«, grollte Cameron. »Mein Sohn sitzt für den Rest seines Lebens hinter Gittern. Das hast du zu verantworten. Du hast mein Lebenswerk in Frage gestellt. Und nun forderst du Entgegenkommen. Du musst verrückt sein, Shelby.«
»Ich sage die Wahrheit, Cameron. Man hat mich unter Druck gesetzt. Trevellian und Tucker …«
»Schafft mir dieses Stück Dreck aus den Augen«, stieß Cameron hervor und schnitt damit Shelby schroff das Wort ab. »Collins!«
Forsyth und Frederick packten Shelby und zerrten ihn zwischen die Büsche. Shelby stemmte sich gegen den Griff der beiden. Er begann zu schreien. Wayne Collins, der Mann, der Cameron chauffiert hatte, zog seine Pistole und schlug Shelby den Lauf gegen den Kopf. Seine Schreie erstarben. Er wimmerte nur noch. Seine Beine gaben nach und sie schleiften ihn fort. Collins folgte ihnen und repetierte seine Waffe.
Zwischen den Büschen warfen sie Shelby zu Boden. In diesem erwachte der Widerstandswille. Er stemmte sich hoch und lag auf allen Vieren. Speichel tropfte von seinen Lippen. Aus seiner Nase rann Blut von Camerons Schlag. Ein Laut, der sich anhörte wie trockenes Schluchzen, entrang sich ihm.
Wayne Collins drückte ihm die Pistole zwischen die Schulterblätter. Shelby spürte den stählernen Druck und erstarrte. Ein eisiger Schauer rann ihm über den Rücken hinunter. Und dann drückte Collins ab. Shelbys Denken riss schlagartig. Seine Arme knickten ein, er fiel auf das Gesicht.
*
Patricia Shelby, die Dreizehnjährige, hatte die Mörder ihrer Mutter gesehen. Das Mädchen beschrieb der Polizei das Aussehen der beiden. In der Datenbank waren sie nicht erfasst. Die Fahndung verlief ergebnislos. Brandon Cameron bot der Polizei keinen Hebel, an dem sie ansetzen konnte. Irgendwann wurde die Akte im Mordfall Shelby geschlossen.
Die Jahre vergingen …
Es klopfte an die Tür des Büros von Glenn Sheldon. Sheldon war Geschäftsführer im Big Bang, einem Club in der 11th Street. Der Club befand sich im Erdgeschoss des Gebäudes, das Büro in der Wohnung in der ersten Etage.
Glenn Sheldon riss seinen Blick vom Bildschirm des Laptops los und richtete ihn auf die Tür. »Wer ist da?«
Die Tür wurde geöffnet und einer der Türsteher hielt den Kopf ins Büro. »Da ist jemand, der dich sprechen möchte, Glenn.« Der Türsteher grinste anzüglich.
»Wer will mich sprechen?«
»Ihr Name ist Dorothee Bourke.« Der Türsteher schnalzte mit der Zunge. »'ne Wucht die Kleine.«
»Schick Sie herein.«
Wenig später betrat eine junge Frau das Büro. Der Türsteher blinzelte Glenn Sheldon zu, dann schloss er die Tür. Sheldon heftete seinen Blick auf die Besucherin. Sie war höchstens zwanzig und ausgesprochen hübsch. Lange, dunkle Haare rahmten ihr schmales, rassiges Gesicht ein, ihr Kinn war fraulich rund, sie hatte Feuer in den Augen. Ihre Größe schätzte Sheldon auf eins siebzig. Sie war mit einer Jeans und einer Lederjacke bekleidet. Sheldon registrierte, dass sie über eine erstklassige Figur verfügte.
Die junge Frau lächelte. Zwischen ihren sinnlichen Lippen schimmerten weiße Zähne. »Guten Abend«, grüßte sie freundlich.
Sheldon lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Was kann ich für dich tun?«
»Ich suche einen Job.«
»Wir sind voll«, sagte Sheldon. »Aber sollte eine der Bedienungen ausfallen, will ich gerne auf dein Angebot zurückkommen. Lass mir deine Telefonnummer hier.«
»Es geht nicht um einen Job als Bedienung«, sagte die junge Frau. »Ich will tanzen.«
»Das Big Bang ist ein Stripteaselokal. Bist du Stripteasetänzerin?«
»Ich habe den Job von der Pike auf gelernt«, versetzte die junge Frau.
Sheldons Blick glitt an ihr hinauf und hinunter, kehrte nach oben zurück und blieb an ihrem Gesicht hängen. »Du gefällst mir. Wie war dein Name gleich wieder?«
»Dorothee Bourke. Freunde nennen mich Doro.«
»Wie alt bist du?«
»Neunzehn.«
»Kommst du aus New York?«
Dorothee nickte. »Ja. Ich bin hier geboren.«
»Ja, was ich sehe, gefällt mir. Zieh dich aus. Du wirst verstehen, dass ich die Katze nicht im Sack kaufen kann.«
Für einen Moment verhärteten sich die Linien in Dorothees Zügen. Aber sofort entspannte sie sich wieder und begann, sich auszukleiden. Sie tat es in einer Art, die aufreizend wirkte. Erst zog sie die Lederjacke aus, die sie auf das Sofa warf, das an der Wand des Büros stand. Dann zog sie sich den Pullover über den Kopf. Sie trug darunter nur einen Büstenhalter. Ihre Brüste waren rund und fest …
Schließlich stand sie nackt vor dem Geschäftsführer. Sie drehte sich einmal um ihre Achse. Sheldon musste sich eingestehen, dass sie makellos gewachsen war. Etwas überkam ihn, dem er nichts entgegenzusetzen hatte. Wie von Schnüren gezogen erhob er sich. Mit belegter Stimme sagte er: »Okay, ich gebe dir den Job. Aber vorher musst du dich erkenntlich zeigen. Du weißt, was ich meine?«
Dorothee nickte. Mit kehliger Stimme antwortete sie: »Damit habe ich gerechnet. Aber ich will den Job.«
»Dann sind wir uns ja einig«, sagte Sheldon mit einem süffisanten Grinsen um die Lippen und zog seine Jacke aus. Langsam kam er um den Schreibtisch herum. Er ging zur Tür, drehte den Schlüssel herum, und ergriff erneut das Wort: »Jetzt kannst du beweisen, was du drauf hast, Süße.«
Ihm entging die Kälte in den Augen der jungen Frau …
*
Doro bewegte sich im Takt der Musik. Gierige Augen beobachteten sie. Noch war sie bekleidet; weißes T-Shirt, rote Shorts, Lackstiefel, die ihr fast bis zu den Knien reichten. Die Musik war leise aber eindringlich. Man konnte sehen, dass die junge Frau ihr Handwerk verstand. Ihre Bewegungen waren aufreizend. Mit einer fließenden Bewegung zog sie sich das T-Shirt über den Kopf, schleuderte es einige Male durch die Luft und warf es dann hinter sich. Der kleine BH bedeckte gerade ihre Brustwarzen. Nun begann sie, das enge Höschen zu öffnen …
Milo Tucker wartete, bis die Tänzerin völlig nackt auf der Bühne stand. Es gab Beifall. Einige Kerle johlten.
Milo verließ die Bar durch die Hintertür. Ein Flur schloss sich an, auf beiden Seiten zweigten jeweils zwei Türen ab. Links waren die Toiletten. Die Türen auf der rechten Seite waren abgeschlossen. Am Ende des Flurs schwang sich eine Treppe nach oben. Milo stieg sie empor. In der ersten Etage waren zwei Türen. An einer war das Schild mit der Aufschrift Office angebracht. Der G-man ging zur anderen Tür und legte sein Ohr dagegen. Hinter der Tür war alles ruhig.
Milo stieg in die zweite Etage hinauf. Auch hier gab es zwei Türen. Hinter einer der Türen glaubte Milo leise Stimmen zu vernehmen. Er holte sein Handy aus der Tasche und stellte eine Verbindung her. Als sich Jesse Trevellian meldete, sagte Milo: »In der Bar konnte ich nichts Verdächtiges feststellen. Ein erstklassig gewachsenes Girl bot einen Strip vom Feinsten. In der ersten Etage ist alles ruhig. Aber aus einer Wohnung in der zweiten Etage dringen Stimmen. Ich denke, unser Informant hat recht gehabt.«
»In Ordnung«, sagte Jesse Trevellian. »Wir besetzen die Ausgänge, dann komme ich mit einigen Leuten hinauf.«
*
Ich gab den Einsatzbefehl. Das Police Departement unterstützte den Einsatz und hatte mir neun Leute zur Verfügung gestellt. Vorder- und Hintereingang des Etablissements wurden von jeweils drei Männern gesichert. Zu viert stiegen wir in die zweite Etage hinauf. Dort trafen wir auf Milo. Er deutete wortlos auf die Tür, hinter der er die verräterischen Geräusche vernommen hatte.
Ich nickte.
Milos Daumen legte sich auf den Klingelknopf. Der Glockenton war durch die geschlossene Tür zu hören. Durch die Linse des Spions konnte ich sehen, dass in der Wohnung Licht brannte. Jetzt verdunkelte sich die Linse, Zeichen dafür, dass jemand nachschaute, wer vor der Tür stand. Dann wurde die Tür einen Spalt geöffnet. Ich sah einen blonden Bürstenhaarschnitt und darunter ein blatternarbiges Schlägergesicht. Im rechten Ohr hatte der Bursche einen glitzernden Stecker. Ich hatte meinen Ausweis schon in der Hand, hielt ihn hoch und sagte: »Trevellian, FBI …«
Der Bursche wollte die Tür zuschlagen. Ich stellte blitzschnell den Fuß nach vorn und die Tür prallte dagegen. Der Kerl stemmte sich gegen die Tür, um mich zurückzudrängen und schließen zu können. Ich setzte mein Körpergewicht ein, rammte die Tür auf und der Kerl taumelte zurück.
Zwei Kollegen stürmten an mir vorbei und rangen den Burschen nieder. Ich ging weiter, erreichte das Ende des Flurs und stand vor einer geschlossenen Tür. Kurz entschlossen klinkte ich sie auf und versetzte ihr einen Stoß. Sie schwang nach innen auf. Eine Wolke von Zigarren- und Zigarettenrauch schlug mir entgegen. In dem Raum gab es vier Tische. Jeder der Tische war vollbesetzt. Die Männer hielten Karten in den Händen. Vor ihnen lagen auf den Tischen Packen von Geldscheinen und stapelten sich Münzen. Es gab auch ein Roulette. Die Kugel klackerte …
»FBI!«, rief ich mit schneidender Stimme. »Bleiben Sie auf Ihren Plätzen sitzen und legen Sie die Hände auf den Tisch.«
Eine Verwünschung war zu hören. Dann trat Stille ein. Auch das Klackern der Roulettekugel war verstummt.
»Wer von Ihnen ist Inhaber dieser Wohnung?«, fragte ich.
Ein Mann um die vierzig erhob sich. Er war mit einem hellen Anzug bekleidet. Unter der Jacke trug er ein rotes Hemd. »Das Haus gehört Brandon Cameron. Ich bin Geschäftsführer des Big Bang. Das ist das Lokal im Erdgeschoss. Mein Name ist Glenn Sheldon.«
»Weiß Mister Cameron, dass in seinem Haus illegales Glücksspiel betrieben wird?«
Sheldon schüttelte den Kopf. »Er ist ahnungslos.«
»Dann müssen wir uns also an Sie wenden«, konstatierte ich.
Sheldon nickte. »Ja, diese Runde habe ich organisiert.«
»Dann muss ich Ihnen ja nicht erklären, weshalb ich Sie nunmehr verhafte.«
Ich gab einem der Kollegen einen Wink. Er nahm ein Handschellenpaar von seinem Gürtel und trat vor Sheldon hin: »Umdrehen und Hände auf den Rücken.«
Ich wandte mich an die anderen Kollegen: »Durchsuchen Sie die Männer hier und nehmen Sie Ihre Personalien auf. Sie müssen alle mit einer Strafanzeige rechnen.«
Wir ließen Sheldon ins Field Office bringen und führten sofort eine Vernehmung mit ihm durch. Er saß an dem Tisch in der Raummitte und fixierte mich trotzig. »Spätestens morgen Abend bin ich wieder auf freiem Fuß, Agent«, prophezeite er.
»Schon möglich, dass Sie die Kaution aufbringen können, die das Gericht festsetzen wird. Warten wir es ab. Mit einer Anklageerhebung müssen Sie auf jeden Fall rechnen.«
Sheldon kaute auf seiner Unterlippe herum.
Ich fuhr fort: »Wir glauben Ihnen nicht, dass Cameron nicht wusste, dass in der Wohnung im zweiten Stock illegal gespielt wird.«
»Ich weiß, dass Sie seit Jahren hinter Cameron hier sind«, sagte Sheldon grinsend. »Bis heute ist es Ihnen allerdings nicht gelungen, ihm einen Strick zu drehen.«
»Eines Tages erwischen wir ihn.«
»Nicht mit meiner Hilfe.«
»Wir haben auch seinen Sohn erwischt.«
»Auch nur, weil James Shelby ihn verraten hat.«
»Kennen Sie die Geschichte?«, fragte ich.
Sheldon nickte. »Shelby hat dafür gezahlt.«
»Den Mord an Shelby und dessen getrennt lebender Ehefrau rechnen wir Cameron zu«, erklärte Milo.
Sheldon schürzte die Lippen: »Sie vermuten, dass er dahinter steckt. Um ihm etwas ans Zeug zu flicken brauchen Sie aber Beweise. Und die haben Sie nicht. Also, was wollen Sie überhaupt?«
»Wir wollen von Ihnen hören, dass Cameron bezüglich des illegalen Glücksspiels Bescheid wusste.«
»Geben Sie sich keine Mühe«, knurrte Sheldon. »Dafür bin einzig und allein ich verantwortlich.«
»Wie Sie meinen«, sagte ich.
Wir ließen Sheldon arretieren und fuhren hinauf in den dreiundzwanzigsten Stock, wo unser Büro war. Nur die Nachtbereitschaft des FBI war anwesend. Chef vom Dienst war Leslie Morell. Wir meldeten uns bei ihm und ich klärte ihn mit knappen Worten auf. Dann begaben wir uns in unser Büro und ich fuhr den Computer hoch.
Glenn Sheldon war nicht in der Datenbank registriert. Ich sagte zu Milo: »Er ist Ersttäter. Mit einem Haftbefehl brauchen wir bei dieser Konstellation nicht zu rechnen.«
»Fertigen wir unseren Bericht an«, versetzte mein Partner. »Entscheiden muss im Endeffekt der Staatsanwalt, wie es weitergeht.«
»Für heute machen wir Schluss«, sagte ich. »Der Bericht hat Zeit bis morgen.«
Ich brachte Milo nach Hause, dann fuhr ich zu meiner Wohnung …
*
Am Morgen erhielt ich einen Anruf aus dem Zellentrakt. Der Kollege sagte: »Sheldons Rechtsanwalt ist eingetroffen. Er möchte mit Ihnen sprechen, Special Agent.«
»Wir kommen«, versicherte ich.
Wenig später kamen wir unten an. Glenn Sheldon und sein Anwalt warteten im Vernehmungsraum. Der Rechtsanwalt gab jedem von uns die Hand und stellte sich vor. Sein Name war Stan Dermitt. Er zeigte sich freundlich. »Es wird sich wohl nicht abstreiten lassen, dass sich mein Mandant nicht ganz gesetzeskonform verhalten hat«, sagte er.
»Illegales Glücksspiel ist ein Straftatbestand«, erwiderte ich.
»Mein Mandant hat sich vorher nie etwas zuschulden kommen lassen. Es ist kaum anzunehmen, dass ein Gericht Haftbefehl gegen ihn erlässt. Der Tatbestand ist nicht mit Gefängnis bedroht.«
»Wir haben einen Bericht verfasst, den wir dem Staatsanwalt vorlegen«, versetzte ich. »Er muss entscheiden, ob er Anklage erhebt.«
»Ich war der Meinung, man könnte mit Ihnen reden. Eigentlich dachte ich, dass ich meinen Mandanten gleich mitnehmen kann. Es genügt, wenn Sie Anzeige gegen ihn erstatten.«
»Wir haben einige Auskünfte von Ihrem Mandanten erwartet«, sagte ich.
»Welche Auskünfte?«
»Seinen Boss betreffend. Wir vermuten, dass Brandon Cameron hinsichtlich des illegalen Glücksspiels Bescheid weiß und daran verdient.«
Der Rechtsanwalt schaute Sheldon an. Dieser schüttelte den Kopf. »Sie verrennen sich in etwas Trevellian.« Er räusperte sich und heftete den Blick auf das Gesicht seines Anwalts. »Seit Jahren ist das FBI hinter Cameron her. Die Hexenjagd begann schon vor sieben oder acht Jahren. Dann wurde Camerons Sohn wegen Mordes verurteilt. Das FBI erhoffte sich von Shelby Aussagen über Brandon Cameron. Shelby hatte sich der Staatsanwaltschaft als Kronzeuge gegen Stuard Cameron zur Verfügung gestellt. Er konnte aber über Brandon Cameron nichts erzählen, was Grund zu einer Anklage ergeben hätte. Nun will man mich nötigen, gegen Brandon Cameron auszusagen.« Sheldons Stimme hob sich und wurde eindringlich. »Die Spielrunde habe ich ins Leben gerufen. Cameron hat damit nichts zu tun.«
»Sie fürchten sich vor Cameron«, sagte ich. »Wie er gegen Verräter vorgeht, hat das Beispiel von James Shelby gezeigt.«
»Der Mord an Shelby wurde Cameron nie nachgewiesen«, erwiderte Sheldon.
Ich schaute Milo an. Mein Partner zuckte mit den Schultern. Ich presste sekundenlang die Lippen zusammen. Dann sagte ich: »In Ordnung. Wir werden gegen Ihren Mandanten Anzeige erstatten. Sie können ihn mitnehmen.«
»Ich wusste doch, dass Sie einsichtig sind und sich keine Chance ausrechnen«, sagte der Anwalt lächelnd und erhob sich. »Gehen wir, Mister Sheldon.«
Es gefiel mir nicht. Aber spätestens am Nachmittag hätten wir Sheldon sowieso laufen lassen müssen, und mir war klar geworden, dass er seinen Boss ohne Vorbehalte deckte. Ich wollte keinen unnötigen Verwaltungsaufwand verursachen.
*
Sheldon fuhr zu seiner Wohnung in der 13th Street. Dort angekommen nahm er das Telefon und tippte eine Nummer. Dorothee Bourke meldete sich. »Ich bin frei«, sagte Sheldon.
»Wo befindest du dich?«
»In meiner Wohnung. Ich möchte, dass du zu mir kommst.«
»Jetzt?«
»Ja, ich brauche dich.«
»Ich bin in einer halben Stunde bei dir.«
»Ich warte auf dich und kann es kaum erwarten.«
Sie kam tatsächlich nach dreißig Minuten. Er öffnete ihr die Tür und ließ sie in die Wohnung. Dorothee war schön und begehrenswert. Sheldon nahm sie in die Arme und küsste sie. Sie erwiderte seine Küsse. Die Leidenschaft übermannte den Mann. Er drängte sie in sein Schlafzimmer. Sie zogen sich gegenseitig aus. Dann lagen sie nackt auf dem Bett. Dorothee war eine erstklassige Liebhaberin. Sie bereitete Sheldon für kurze Zeit den Himmel auf Erden. Er wurde von seinen Gefühlen regelrecht hinweggeschwemmt. Und er war Dorothee in diesen Minuten mit Körper und Geist verfallen …
*
Sechs Wochen waren vergangen …
Brandon Cameron entschloss sich, seinen Bars einen Besuch abzustatten. Er überließ es zwar seinen Geschäftsführern, die Etablissements zu leiten, aber hin und wieder sah er selbst nach dem Rechten.
Er fuhr zum Big Bang. Wayne Collins, den er sozusagen als Leibwächter beschäftigte, begleitete ihn. Es war 22 Uhr vorbei, als Cameron und Collins die Bar betraten. Auf der Bühne war eine erstklassig gewachsene Frau dabei, sich nach und nach zu entkleiden. Sie war dunkelhaarig und bewegte sich rhythmisch im Takt der Musik.
Glenn Sheldon sah seinen Boss, erhob sich und ging ihm entgegen. »Welch seltener Besuch«, empfing er Cameron und reichte ihm die Hand.
»Wie läuft es?«, fragte Cameron, nachdem Sheldon ihn und Collins zu einem freien Tisch geleitet hatte und sie saßen.
Sheldon winkte einer Bedienung. »Alles läuft wie geschmiert, Boss«, sagte er dann.
Cameron beobachtete die Stripteasetänzerin. Sie war jetzt völlig entkleidet, vollführte noch einige fließende Bewegungen und bückte sich dann nach ihren wenigen Kleidungsstücken. Tosender Beifall erhob sich.
Sheldon ergriff wieder das Wort: »Doro hat sich zum Geheimtipp entwickelt. Das Girl ist wirklich erste Sahne. Doro arbeitet seit etwa sieben Wochen im Big Bang und hat in dieser kurzen Zeit für eine immense Steigerung der Umsätze gesorgt.«
Dorothee lief von der Bühne und verschwand durch eine Tür aus dem Gastraum.
»Ja«, sagte Cameron, »die Kleine hat Format. Ich will Sie persönlich kennen lernen.«
»Ich hole sie«, erklärte Sheldon.
Die Bedienung kam zum Tisch. Cameron bestellte eine Flasche Wein, Collins ein Wasser. »Bringen Sie drei Gläser mit«, bat Cameron die Bedienung, dann heftete er den Blick auf seinen Geschäftsführer. »Worauf wartest du, Sheldon?«
Glenn Sheldon drückte sich hoch und verschwand. Es dauerte etwa fünf Minuten, dann kam er, Dorothee im Schlepptau, zurück.
Cameron erhob sich und gab Dorothee die Hand. Sheldon stellte seinen Boss vor und sagte dann: »Das ist Doro Bourke, Chef. Zurzeit mein bestes Pferd im Stall. Sie sorgt für Umsätze.«
»Setzen Sie sich Doro«, lud Cameron die Tänzerin ein, Platz zu nehmen. Auf dem Tisch standen bereits die Flasche Wein und drei Gläser. »Schenk uns ein, Glenn«, ergriff Cameron wieder das Wort und musterte aufmerksam und voll Interesse die junge Frau, die jetzt wieder angekleidet war. »Sie trinken doch ein Glas Wein mit mir, Doro?«
»Es ist für mich eine Ehre«, versetzte Dorothee.
»Wo kommen Sie her?«, fragte Cameron, nachdem er ihr zugeprostet und einen Schluck getrunken hatte.
»Ich bin hier in New York geboren.«
»Dann leben Ihre Eltern also auch hier.«
»Meine Eltern sind tot«, erwiderte Dorothee.
»Das tut mir aber leid«, murmelte Cameron.
Der Blick, mit dem ihn Dorothee fixierte, war unergründlich …
*
Eine weitere Woche später. Bei Cameron klingelte es. Der Gangsterboss schaute auf die Uhr. Es war 22.25 Uhr. Fragend schaute er seine Frau an. »Wer kommt um diese Zeit zu uns?«
Ohne ihren Blick von der Mattscheibe abzuwenden sagte Pia Cameron: »Sieh einfach nach.«
Brandon Cameron verzog das Gesicht. Das Verhältnis zwischen ihm und seiner Gattin war schon lange abgekühlt. Sie hatten sich nichts mehr zu sagen. Aber Cameron war siebzig und nach seinem Dafürhalten zu alt, um sich nach einer anderen Frau umzusehen. Alleine wollte er aber auch nicht sein. Darum lebte er neben Pia her, ohne noch etwas für sie zu empfinden.
Er erhob sich, ging zur Tür, und nahm den Hörer der Gegensprechanlage in die Hand. »Wer ist da?«
»Ich muss dich sprechen, Boss. Es ist wichtig.«
Cameron erkannte die Stimme und drückte den Türöffner. Den Hörer der Sprechanlage hängte er ein. Er musste nicht lange warten, dann läutete es erneut. Er öffnete die Tür. »Was ist so wichtig, dass es um diese Zeit sein muss?«
»Darf ich eintreten?«
»Komm herein.« Cameron drehte sich um und wandte dem späten Besucher den Rücken zu. Dieser betrat die Wohnung und zog eine Pistole unter seiner Jacke hervor, auf deren Mündung ein klobiger Schalldämpfer aufgeschraubt war …
*
Wir hatten kaum den Dienst angetreten, als mein Telefon läutete. Ich schnappte mir den Hörer, hob ihn vor mein Gesicht, und meldete mich. Es war Mister McKee, der sagte: »Guten Morgen, Jesse. Kommen Sie und Milo doch bitte gleich einmal zu mir.«
»Eine Minute, Sir«, antwortete ich, legte auf und wies mit dem Kinn zur Tür. »Zum Chef.«
Gleich darauf betraten wir das Vorzimmer, in dem Mandy, die schöne Sekretärin des AD, residierte. Ich wünschte ihr einen guten Morgen, Mandy lächelte und sagte: »Geht nur hinein. Der Chef wartet schon.«
Ich klopfte. »Herein!«, ertönte es. Als ich das Büro betrat, erhob sich Mr. McKee hinter seinem Schreibtisch und ging mir entgegen. Er reichte erst mir, dann Milo die Hand, dann forderte er uns auf, an dem runden Besprechungstisch Platz zu nehmen. Er setzte sich zu uns. »Schlechte Nachricht«, begann er.
»Uns kann nichts mehr erschüttern«, erklärte Milo und ein seichtes Lächeln umspielte die Lippen meines Partners.
»Brandon Cameron wurde gestern Abend in seiner Wohnung in der 8th Street ermordet. Auch seine Frau ist tot. Beide wurden erschossen.«
Ich war einen kurzen Moment ziemlich perplex.
Der Chef fuhr fort: »Mich hat Harry Easton angerufen. Ich habe mich bereit erklärt, den Fall zu übernehmen, weil ich annehme, dass hinter dem Mord das organisierte Verbrechen steckt. Außerdem sind wir seit Jahren an Cameron dran, ohne ihm etwas ans Zeug flicken zu können. Jetzt will ich, dass wir wenigstens seinen Mörder fangen.«
»Gibt es irgendwelche Spuren, Hinweise, können Sie uns etwas über die näheren Umstände des Doppelmordes sagen?«, fragte ich.
»Nehmen Sie mit Detective Lieutenant Easton Verbindung auf«, erwiderte der Assistant Director.
Ich rief Cleary von unserem Büro aus an. Cleary war Eastons Spitzname. Wir hatten schon so manchen Fall gemeinsam gelöst. Harry meldete sich und ich nannte meinen Namen. »Hi, Jesse«, sagte der Chef der Mordkommission. »Ich glaube, ich weiß, weshalb du anrufst.«
»Denk nur nicht, dass ich dir jetzt hellseherische Fähigkeiten unterstelle.«
Cleary lachte. »Es ist wegen Cameron, nicht wahr?«
»Sehr richtig. Unser Chef will den Fall übernehmen und hat Milo und mich mit den Ermittlungen beauftragt. Was gibt es zu berichten, Harry?«
»Nicht viel. Cameron bekam die Kugel zwischen die Schulterblätter, seine Frau in die Brust. Die Wohnungstür wies keinerlei Spuren eines gewaltsamen Eindringens auf. Es ist also davon auszugehen, dass Cameron seinem Mörder selbst die Tür öffnete.«
»Kann es sein, dass ein Konkurrent ins Geschäft drängt?«
»Es ist natürlich nicht auszuschließen.«
»Wurden irgendwelche Spuren gesichert?«
»Fingerabdrücke – jede Menge. Sie müssen erst noch ausgewertet und zugeordnet werden. Die meisten stammen wahrscheinlich von den beiden Opfern. Laut Polizeiarzt ist der Tod zwischen 21 und 23 Uhr eingetreten. Nachbarn wurden vernommen, aber niemand hat etwas gesehen oder gehört.«
»Okay, Harry, leite uns zu, was bisher an Protokollen et cetera angefallen ist.«
»Mach ich.«
Wir verabschiedeten uns und ich legte auf.
Ich suchte Glenn Sheldons Nummer heraus und rief ihn an. Seine Stimme klang unausgeschlafen, als er sich meldete. Als ich meinen Namen nannte, hörte ich ihn scharf die Luft durch die Nase ausstoßen. »Was wollen Sie von mir, Trevellian.«
»Sie wissen scheinbar nicht, was geschehen ist«, erwiderte ich.
»Sie werden es mir sicher gleich sagen.«
»Brandon Cameron wurde ermordet.«
»Was sagen Sie da?«
»Sie haben richtig gehört. Er und seine Gattin wurden gestern Abend in ihrer Wohnung erschossen.«
»Großer Gott.«
»Können wir miteinander sprechen?«
»Ich kann Ihnen zu dem Mord sicher nichts sagen.«
»Es sind mehr Auskünfte allgemeiner Art, die wir von Ihnen möchten«, erklärte ich.
»Ich bin zwar erst sehr spät ins Bett gekommen«, sagte Sheldon, »aber meinetwegen. Kommen Sie vorbei.«
»Wir sind in einer Stunde bei Ihnen«, gab ich zu verstehen.
Als wir an seiner Wohnungstür klingelten, öffnete er sofort. Vorstellen musste ich mich nicht, denn wir waren uns bestens bekannt. Sheldon begegnete uns mit kühler Reserviertheit. Aber er bat uns in die Wohnung und bot uns sogar Sitzplätze an.
Die Tür eines Nebenraumes ging auf und eine atemberaubende Frau kam heraus. Ich schätzte sie auf ungefähr zwanzig Jahre. Sie sagte: »Ich rufe dich an, Glenn. Bis später.« Uns nickte sie lächelnd zu, ging zur Tür und verließ die Wohnung.
»Die Lady kenne ich«, sagte Milo.
»Sie tanzt im Big Bang«, erwiderte Sheldon.
»Richtig«, versetzte Milo. »Ich habe sie am Abend der Razzia gesehen.«
Ein Schatten schien über Sheldons Gesicht zu huschen. Dann aber wechselte er das Thema und sagte: »Sie kommen wegen der Ermordung von Cameron und seiner Frau zu mir. Es sind Fragen allgemeiner Art, die Sie mir stellen möchten. Also fragen Sie.«
»Hatten sie engeren Kontakt zu Ihrem Boss?«, fragte ich.