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Dieser Band enthält folgende Krimis: (349) Trevellian und der letzte Fall seines Kollegen (Pete Hackett) Trevellian - Tote reden nicht mehr (Pete Hackett) Bei einem Überfall auf einen Geldtransporter bleibt einer der Täter als Leiche zurück. Sein Umfeld wird durchleuchtet und bald führt die Spur zu einer Autowerkstatt. Die Monteure geben sich zwar gegenseitig ein Alibi, aber einer von ihnen ist sehr nervös. Am nächsten Tag ist er tot. Nach und nach stirbt ein Monteur nach dem anderen an einer Kugel. Will einer der Männer die Beute nicht teilen?
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Seitenzahl: 354
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Krimi Doppelband 194
Copyright
Trevellian und der letzte Fall seines Kollegen: Action Krimi
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Trevellian - Tote reden nicht mehr
Dieser Band enthält folgende Krimis:
Trevellian und der letzte Fall seines Kollegen (Pete Hackett)
Trevellian - Tote reden nicht mehr (Pete Hackett)
Bei einem Überfall auf einen Geldtransporter bleibt einer der Täter als Leiche zurück. Sein Umfeld wird durchleuchtet und bald führt die Spur zu einer Autowerkstatt. Die Monteure geben sich zwar gegenseitig ein Alibi, aber einer von ihnen ist sehr nervös. Am nächsten Tag ist er tot. Nach und nach stirbt ein Monteur nach dem anderen an einer Kugel. Will einer der Männer die Beute nicht teilen?
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Alfred Bekker
© Roman by Author
COVER TONY MASERO
9783753210612
© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Krimi von Pete Hackett
Viel Arbeit für die Agents des FBI. Deshalb bearbeitet FBI Agent Jesse Trevellian den einen Fall und sein Kollege Milo Tucker den anderen. Als Jesse zu Mr. McKee gerufen wird, glaubt er an eine Dienstbesprechung, aber sein Chef teilt ihm mit, dass Milo angeschossen wurde. Ein Kopfschuss. Jesse ist entsetzt. Trotz seiner Sorgen bearbeitet er nun beide Fälle. Unabhängig davon muss er feststellen, dass nicht nur Milos Leben in Gefahr ist. Auch auf ihn selbst wird geschossen. Ein alter Feind hat Milo und ihm Rache geschworen.
Es war ein sonniger Tag im Juni. Seit Tagen hatte es schon nicht mehr geregnet. Die Menschen in New York zog es in die Parks. Man musste die schöne Zeit genießen.
Anders Artur Fuller. Er registrierte zwar den Sonnenschein, doch dieser drang nicht bis in sein Gemüt vor. Er hatte ein anonymes Schreiben erhalten. Es war mit einem Computer geschrieben und ausgedruckt worden. >Du wirst sterben<, hieß es da. Die drei Wörter füllten das ganze Blatt aus. Der Verfasser hatte die größte Schriftgröße benutzt, die das Schreibprogramm bot.
Fuller hatte noch mit niemand darüber gesprochen. Sicher, ein Mann wie er hatte Feinde. Er hatte im Geschäft mit dem Verbrechen Karriere gemacht und kontrollierte den Drogenhandel in Manhattan. Nichts ging ohne seinen Segen. Natürlich hatte er sich behaupten müssen. Immer wieder hatte jemand versucht, ins Geschäft zu drängen. Er war aus den verschiedenen Auseinandersetzungen immer wieder als strahlender Sieger hervorgegangen.
>Du wirst sterben!<
Fuller hatte keine Ahnung, weshalb ihn die drei Wörter so sehr beunruhigten. Er hatte in seinem Leben jede noch so brenzlige Situation gemeistert. Er war der Boss. Sein Wort hatte Gewicht. Seine Verbindungen reichten bis in die Wirtschaft und in die Politik. Er war angesehen und wurde respektiert.
Aber jetzt …
Artur Fuller spürte das Unheil tief in der Seele.
Er ging zum Fenster und schaute hinaus. Vor seinem Blick lag die Dachterrasse. Er bewohnte die Penthousewohnung in einem Hochhaus in Clinton, einem der bevorzugten Wohngebiete Manhattans. Es mangelte ihm an nichts.
Seine Gedanken verloren sich.
»Ich gehe jetzt!«
Die drei Worte hieben in seine Versunkenheit und er zuckte zusammen. Sekundenlang schaute er wie ein Erwachender drein, dann drehte er sich langsam herum und sein Blick erfasste Angelina, seine junge Frau. Sie war sechzehn Jahre jünger als er und ausgesprochen hübsch. Angelina lächelte. Ihre sinnlichen Lippen gaben eine Reihe perlweißer Zähne frei. »Was ist dir denn für eine Laus über die Leber gelaufen?« Ihr Lächeln erlosch. Ihr war der Ernst in seinen Zügen nicht verborgen geblieben.
»Es ist nichts«, murmelte er. »Geh nur. Bestelle Christin schöne Grüße von mir. Und -« jetzt versuchte er zu grinsen, aber es verrutschte kläglich und veränderte sein Gesicht nur zu einer verzerrten Maske, »- sei gnädig mit mir. Du weißt, das Geld ist sauer zu verdienen.«
»Ich werde nur ein paar Kleinigkeiten einkaufen«, versprach Angelina und kam drei Schritte näher. »Was ist los mit dir, Artur. Etwas stimmt doch nicht. Was ist es? Hast du schlechte Nachrichten erhalten?«
Fuller kämpfte einen Moment mit sich. Er wusste nicht, ob er Angelina mit seinem Problem belasten sollte. Dann aber entschied er sich, holte das zusammengefaltete Blatt Papier aus der Brusttasche seines Hemdes und reichte es der Frau.
Angelina faltete den Bogen auseinander, ihre blauen Augen hefteten sich auf die drei Wörter, in ihren Mundwinkeln zuckte es. »Wann hast du das erhalten?«
»Heute Morgen. Die Drohung wurde in einem verschlossenen Kuvert unter der Tür durchgeschoben.« Fuller hob die Schultern. »Ich bin ausgesprochen beunruhigt.«
»Hast du schon mit Jack darüber gesprochen?«, fragte Angelina.
Fuller schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Sprich mit ihm. Wenn die Drohung ernst gemeint ist …«
»Sie ist ernst gemeint«, unterbrach Fuller seine Frau. »Ich spüre es ganz deutlich.«
»Ich muss gehen, Christin wartet. Sprich mit Jack darüber. Er weiß sicher, was zu tun ist.«
Fuller presste die Lippen zusammen und nickte. »Es ist schon in Ordnung. Ich werde Jack anrufen.«
Die Frau verließ die Wohnung, um mit ihrer Freundin Christin durch die Geschäfte in der Fifth Avenue zu ziehen und der Verschwendungssucht zu frönen.
Artur Fuller holte sich das Telefon und ließ sich in einen der schweren Sessel fallen, schlug die Beine übereinander und holte eine eingespeicherte Nummer auf das Display. Dann stellte er eine Verbindung her.
»Hallo, Artur«, ertönte es. »Was gibt es?«
»Ich werde bedroht.«
»Das wäre nicht das erste Mal«, versetzte Jack Bowden. »Misst du dem große Bedeutung bei?«
»Es beunruhigt mich ungemein. Man hat mir den Zettel unter der Tür durchgeschoben. >Du wirst sterben<, steht drauf. Nicht mehr und nicht weniger. Hast du irgendetwas mitbekommen, dass jemand ins Geschäft drängt? Macht sich vielleicht Mathew Spencer stark?«
»Ich glaube nicht, dass diese Drohung von Spencer kommt. Okay, Artur. Wir dürfen sie sicher nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ich schicke zwei Leute zu deiner Wohnung, die … Nein! Du wirst deine Wohnung für ein paar Tage verlassen. Ich buche für dich und Angelina eine Suite im >Silver Moon Hotel< in der 23rd Street. Dort tauchst du ein paar Tage unter.«
»Eine gute Idee«, murmelte Fuller. »Ich werde Angelina Bescheid sagen.«
»Du scheinst die Drohung wirklich sehr ernst zu nehmen«, sagte Jack Bowden.
»Sie erfüllt mich mit Unruhe, denn sie kommt gewissermaßen aus heiterem Himmel. Ich kenne meinen Gegner nicht, und das macht mich nervös.«
»Wir werden das Kind schon schaukeln.«
Sie beendeten das Gespräch. Fuller nahm sein Handy und wählte Angelinas Nummer. Sie meldete sich und er sagte: »Wir ziehen vorübergehend ins >Silver Moon Hotel<. Komm dorthin, wenn du mit dem Einkauf fertig bist. Ich fahre schon voraus. Jack bucht für uns eine Suite.«
»Ich brauche eine Reihe von Dingen«, wandte die Frau ein.
»Hol dir alles, was du brauchst, aus der Wohnung. Aber wie gesagt: Es ist nur für ein paar Tage. Du brauchst also nicht ganze Koffer voll …«
Die Frau unterbrach ihn ungeduldig: »Reagierst du nicht ein wenig über?«
»Ich nehme die Drohung sehr, sehr ernst.«
*
Mein Telefon läutete und ich schnappte mir den Hörer. Es war Mr. McKee, der sagte: »Guten Morgen, Jesse. Kommen Sie und Milo doch gleich einmal zu mir.«
»Aye, Sir«, sagte ich gutgelaunt. Es war ein schöner Tag, die Sonne schien, entsprechend war meine Laune. »Wir sind in einer Minute bei Ihnen.« Ich legte auf und sagte an Milo gewandt: »Zum Chef.«
»Auf in den Kampf«, knurrte Milo und erhob sich.
Wenig später betraten wir Mandys Büro. Die hübsche Sekretärin des Assistant Directors lächelte. »Geht nur hinein. Der Kaffee läuft bereits.«
Milo schnüffelte. »Man riecht es. Du bist so gut zu uns, Mandy.«
»Wenn du es nur zu würdigen weißt«, lachte die Frau.
Ich klopfte an die Tür zum Büro des Chefs und öffnete.
»Hereinspaziert«, rief Mr. McKee und ich betrat sein Büro. Milo folgte mir auf dem Fuße. Der AD saß hinter seinem Schreibtisch. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Er wies auf den kleinen Besprechungstisch und forderte uns auf, Platz zu nehmen. Als wir saßen, erhob er sich, kam um seinen Schreibtisch herum und ließ sich bei uns nieder.
»Ich habe einen Sonderauftrag für Sie«, sagte der Assistant Director.
»Worum geht es?«, fragte Milo. »Am liebsten wäre mir ein Job irgendwo im Central Park, bei dem ich mein Gesicht in die Sonne halten kann und …«
»Damit kann ich leider nicht dienen, Milo«, sagte der Chef. »Es geht um Personenschutz.«
Milos Brauen schoben sich zusammen. Zwei senkrechte Falten bildeten sich über seiner Nasenwurzel. »Wen sollen wir beschützen?«
»Einen Mann namens Artur Fuller.«
»Wer ist das?«
»Immobilienmakler, Geldverleiher, Wohltäter.«
»Wohltäter?«, echote ich.
»Ja. Er spendet hohe Beträge für soziale Zwecke. Der Bürgermeister ist sein Freund. Seinen Einladungen folgen Wirtschaftsbosse, Politiker, Prominenz aus Film und Fernsehen.«
»Das lässt tief blicken«, murmelte Milo. »Ein angesehener, geachteter Mann. Wer will ihm an den Kragen?«
»Das weiß ich nicht. Mich hat der Chief of Departement gebeten, zwei Leute zu seinem Schutz abzustellen. Eine anonyme Todesdrohung. Nur drei Wörter auf einem Blatt Papier. >Du wirst sterben<. Woran arbeiten Sie gerade?«
»An der Sache mit den Softwareentwicklern.«
»Sind Sie schon weitergekommen?«
»Nein. Wir haben zwei spurlos verschwundene Programmierer und ein halb fertiges Programm, das >Warner Technologies Ltd.< nach Fertigstellung im Herbst auf den Markt werfen wollte, das aber aufgrund der beiden verschwundenen Softwareentwickler auf Eis gelegt wurde.«
»Soll ich Ihnen den Fall abnehmen?«, fragte der Chef.
»Nein, lassen Sie nur. Wir werden zweigleisig fahren. Während Milo den Wohltäter bewacht, ermittle ich in unserem Fall. Wenn ich den Personenschutz übernehme, arbeitet Milo daran.«
»Was denken Sie? Wurden die beiden Programmierer entführt?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Es ist nicht auszuschließen. Es kann aber auch sein, dass sie bei Warner abgesprungen sind und ihr Wissen einem anderen Softwarehersteller verkauft haben. Sie arbeiteten verantwortlich an einem neuen Betriebssystem, das den Markt revolutionieren sollte. So wurde es uns jedenfalls beschrieben.«
»Finden Sie die Wahrheit heraus, G-men«, sagt der Chef. Dann wechselte er wieder das Thema. »Fuller wohnt in der 56th Street. Aber er hat sein Apartment verlassen und ist ins >Silver Moon Hotel< gezogen. Sie finden das Hotel in der 23rd Street.«
Mandy brachte den Kaffee. Wir besprachen mit dem Chef noch dieses und jenes, und als wir unseren Kaffee getrunken hatten, verabschiedeten wir uns.
»Okay«, sagte Milo, als wir in unserem Büro anlangten, »teilen wir uns die Aufgaben. Fahr du in die 23rd Street und pass auf den Wohltäter auf. Ich mache mich auf die Socken zu >Warners Technologies<, um mit dem Geschäftsführer noch einmal ein Gespräch zu führen. Um 20 Uhr löse ich dich ab. Du kannst dir dann einen gemütlichen Abend machen.«
»Das hört sich gut an«, sagte ich. »Du bist wieder einmal so uneigennützig.«
»Ja, das ist mein Naturell. Ich kann eben nicht über meinen Schatten springen.«
»Vielleicht wirst du eines Tages heilig gesprochen.«
»Warum nicht? Einen Heiligen Milo gibt es noch nicht. Schutzpatron aller FBI-Agents. Man würde Kirchen nach mir benennen. Saint Milo Cathedral – würde sich doch gut anhören, meinst du nicht.«
»Träum weiter«, knurrte ich.
Ich verließ das Büro, fuhr in die Tiefgarage und setzte mich in den Sportwagen. Wenig später trug mich mein roter Flitzer hinaus auf die Federal Plaza. Ich fädelte mich in den fließenden Verkehr ein und steuerte den Wagen in die 23rd Street.
*
Von weitem hörte ich die Sirenen. Als ich vom Broadway abbog und in die 23rd hineinfuhr, sah ich in dem Abschnitt zwischen Broadway und Sixth Avenue ein ganzes Aufgebot von Feuerwehrautos. Aus den Fenstern im zweiten Stock eines Gebäudes schlugen Flammen. Rauch ballte sich über den Häusern. Auch einige Polizeifahrzeuge waren vor Ort. Der Verkehr wurde umgeleitet.
Ich hatte angehalten. Ein Polizist näherte sich dem Sportwagen, ich ließ die Seitenscheibe nach unten. Der Cop rief: »Fahren sie auf die Fifth Avenue, Sir. Hier kommen Sie nicht durch.«
Ich zückte meine ID-Card, hielt sie dem Officer hin und sagte: »Special Agent Trevellian, FBI. Sieht aus, als würde es im >Silver Moon Hotel< brennen.«
Der Uniformierte nickte. »Ja, das Feuer ist in einer Suite in der zweiten Etage ausgebrochen. Es hat sich rasend schnell ausgebreitet.«
Ich fuhr den Sportwagen rechts ran, stieg aus und näherte mich zu Fuß dem brennenden Gebäude. Die Leitern der Löschfahrzeuge waren ausgefahren, Feuerwehrmänner bekämpften den Brand mit Wasser.
Ich fragte mich zum Einsatzleiter durch. Und dann stand ich dem Mann gegenüber. »Befinden sich noch Menschen in der zweiten und den darüberliegenden Etagen?«, fragte ich.
»Wir wissen es nicht. Das Feuer ist am Morgen in einer der Suiten ausgebrochen. Laut Portier bewohnte die Suite ein Mann namens Fuller mit seiner Frau. Wir wissen nicht, ob sich die beiden in den Räumen befanden, als das Feuer ausbrach. Eine Reihe von Leuten konnten wir aus den oberen Stockwerken herausholen. Näheres weiß ich nicht.«
Ich holte mein Handy aus der Tasche und rief Mr. McKee an. Als sich der Chef meldete, sagte ich: »Mir scheint, ich bin zu spät gekommen, Sir. Das >Silver Moon Hotel< steht in hellen Flammen. Das Feuer ist in Fullers Suite ausgebrochen. Fuller ist vermisst.«
»Das heißt, wir müssen mit dem Schlimmsten rechnen.«
»Ich will ja nicht schwarz malen, Sir. Aber es ist wohl so. Ich denke, der Brand ist nicht von ungefähr ausgebrochen.«
»Halten Sie mich auf dem Laufenden, Jesse.«
»Natürlich, Sir.«
Es dauerte zwei Stunden, dann hatte die Feuerwehr den Brand gelöscht. Die Männer drangen in das Gebäude ein. Auch ich betrat es. Intensiver Brandgeruch stieg mir in die Nase. Ich schritt durch zentimetertiefes Löschwasser. Zusammen mit dem Einsatzleiter stieg ich die Treppe hinauf. Ein Feuerwehrmann kam uns entgegen. Das Entsetzen stand ihm ins Gesicht geschrieben. »Ihm Wohnraum der Suite liegt ein verkohlter Leichnam«, presste er hervor. »Man kann nicht mehr erkennen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt.«
Wir betraten das Zimmer. Das Mobiliar war verbrannt. Der Leichnam lag am Boden. Mit erschreckender Intensität sprang mir das Bild in die Augen. Ich ging in das Schlafzimmer. Auch dieser Raum war ausgebrannt. Die Fensterscheiben waren zersprungen.
Es dauerte eine Weile, dann kamen die Kollegen aus dem Police Departement. Ein Team von der SRD machte sich an die Spurensicherung. Der Polizeifotograf machte seinen Job, dann kam der Polizeiarzt an die Reihe. Der verkohlte Leichnam wurde abtransportiert. Mit ihm würde sich ein Gerichtsmediziner beschäftigen.
Ich sprach mit dem Portier. Der Mann war bleich und fuhr sich unablässig mit Daumen und Zeigefinger über das Kinn. »Haben Sie irgendetwas beobachtet?«
Der Bursche schaute nachdenklich. »In der Früh ist immer einiges los in der Hotelhalle«, sagte er dann. »Die Gäste begeben sich in den Frühstücksraum. Andere checken aus. Man ist ziemlich gefordert.« Der Mann schüttelte den Kopf. »Mir ist nichts aufgefallen. Plötzlich gab jemand Feueralarm. Ich bin nach oben gelaufen und sah den Rauch, der unter der Tür zu der Suite hervorquoll. Natürlich habe ich sofort die Feuerwehr verständigt.«
»Haben Sie nicht versucht, zu löschen?«
Der Mann nickte. »Ich habe die Tür geöffnet. Aber da stand alles lichterloh in Flammen. Mit dem Handfeuerlöscher hätte ich keine Chance gehabt.«
Ich verließ das Hotel und rief Mr. McKee an. »In der ausgebrannten Suite lag ein Leichnam«, berichtete ich. »Möglicherweise handelt es sich um Fuller. Die Obduktion wird es ergeben. Wenn es sich um Artur Fuller handelt, frage ich mich, wo seine Frau geblieben ist.«
»Vielleicht ist sie in die Wohnung zurückgekehrt«, meinte der Assistent Director.
»Das will ich nicht ausschließen.«
Wir beendeten das Gespräch. Ich holte meine Notizen aus der Tasche, die ich mir zu Artur Fuller gemacht hatte, und tippte die Telefonnummer in mein Handy, die auf dem Zettel vermerkt war. Eine dunkle Frauenstimme erklang: »Wenn du denkst, dass ich dieses Mal wieder einfach so nachgebe, dann hast du dich getäuscht. Du musst dir schon etwas Besonderes einfallen lassen, um …«
Ich unterbrach den Redeschwall der Frau, indem ich sagte: »Entschuldigen Sie die Störung, Ma'am. Ich bin nicht der, für den Sie mich halten. Mein Name ist Trevellian, ich bin Special Agent beim FBI New York.«
Sekundenlang herrschte Stille. Dann war wieder die Frauenstimme zu hören: »Sie sind sicher zur Bewachung meines Mannes abgestellt. Geben Sie mir diesen Geizkragen. Er soll nicht denken, dass …«
»Sie können Ihren Mann leider nicht sprechen, Ma'am«, sagte ich.
»Wo ist er?«
»Ich würde gerne unter vier Augen mit Ihnen reden. Sie werden sehr stark sein müssen, Mistress Fuller. Es ist ein Unglück geschehen.«
Ich vernahm einen erschreckten Laut, der sich der Frau entrang. »Was – was ist geschehen?«
»Ich komme zu Ihnen in die 56th Street«, sagte ich. »Sie sollten sich auf das Schlimmste vorbereiten.« Mir war nicht wohl zumute, als ich das sagte. Ich hörte die Frau stoßweise atmen. »Ich bin in einer halben Stunde bei Ihnen, Ma'am.«
Ich fuhr los. Während ich den Wagen zur 56th steuerte, telefonierte ich mit Milo. Er erzählte mir, dass er soeben in den Hof der >Warner Technologies Ltd.< fuhr. Ich berichtete ihm von dem Brand im Hotel und von dem Leichenfund. »Da war wohl derjenige, der ihn bedroht hat, schneller als wir«, knurrte mein Kollege.
»Das sehe ich auch so«, versetzte ich.
Ich fand vor dem Gebäude Nummer 187 einen Parkplatz, stieg aus, betrat die Halle des Hochhauses und fuhr mit dem Aufzug hinauf ins Penthouse. Mrs. Fuller öffnete mir. Ihre Schönheit verschlug mir fast den Atem. Fragend schaute sie mich an. »Ich wollte meinen Mann anrufen«, murmelte sie. »Die Leitung ist ständig belegt. Sie – Sie sagten, ich sollte mich auf das Schlimmste vorbereiten. Was meinten Sie? Mein Mann …«
»Wir sollten drin darüber reden, Ma'am«, sagte ich.
Sie ließ mich an sich vorbei in die Wohnung. Hier war alles vom Feinsten. Das Teuerste – so schien es – war gerade gut genug. Ich wandte mich ihr zu. »Sie müssen jetzt sehr stark sein«, sagte ich und gebrauchte dieselben Worte wie schon am Telefon.
»Sprechen Sie endlich«, stieß sie hervor.
»Wir nehmen an, dass Ihr Mann tot ist.«
Ihre Augen weiteten sich entsetzt. Sekundenlang schienen ihre Stimmbänder zu versagen. Dann entrang es sich ihr: »Sie – nehmen – es – an?« Sie presste ihre Hände gegen den Halsansatz und taumelte zu einem Sessel, ließ sich hineinfallen und fixierte mich fassungslos.
»Die Hotelsuite ist ausgebrannt. Auf dem Fußboden lag eine verkohlte Leiche. Möglicherweise handelte es sich um Artur Fuller.«
»Großer Gott.« Ihre Lippen bebten, die Nasenflügel vibrierten. Mir entging keine Regung in ihrem gleichmäßigen Gesicht. Ihre Brust hob und senkte sich unter schnellen Atemzügen. Dann murmelte sie: »Artur wurde bedroht. Jemand drohte, ihn zu töten.«
Ich nickte. »Er muss sich an die Polizei gewandt haben. Das FBI wurde beauftragt, ihm Personenschutz zu gewähren. Wie es aussieht, kam ich zu spät. Wieso befanden Sie sich nicht im Hotel?«
»Ich habe mich gestern Abend mit meinem Mann gestritten. Er machte mir Vorhaltungen, weil ich einkaufen war und über zwanzigtausend Dollar ausgegeben habe. Ich bin in die Wohnung gefahren.«
»Warum wohnte Ihr Mann im Hotel?«
»Wegen der Drohung. Es war Jacks Idee.«
»Wer ist Jack?«
»Jack Bowden, die rechte Hand meines Mannes.« Die Frau schlug beide Hände vor das Gesicht und schluchzte. »Ich – ich kann es nicht fassen. Warum musste Artur sterben? Er – er …« Ihre Stimme brach.
»Ich kann Ihnen nur mein tief empfundenes Beileid aussprechen, Ma'am«, sagte ich. Und nach einer kurzen Pause fügte ich hinzu: »Ich versichere Ihnen aber, dass wir alles tun werden, um den Mörder Ihres Mannes zu überführen. Vorausgesetzt, bei dem Toten handelt es sich um Ihren Gatten.«
»Wer soll es sonst sein?«, murmelte die Frau mit lahmer Stimme.
»Wo wohnt Jack Bowden?«, fragte ich.
»79 East 39th Street, vierte Etage.«
»Wer außer Bowden wusste noch, dass sich Ihr Mann im >Silver Moon Hotel< einquartiert hatte?«
»Ich habe keine Ahnung«, erklärte die Frau mit gepresster Stimme.
»Wurde Ihr Mann vorher schon einmal bedroht?«
»Nicht, dass ich wüsste. Nein, ich glaube nicht. Er hätte es mir gesagt.«
Im Moment hatte ich keine weiteren Fragen. Ich verabschiedete mich von der Frau und machte mich auf den Weg in die 39th …
*
Milo betrat das Verwaltungsgebäude von >Warner Technologies< und baute sich vor einem Wegweiser auf, studierte ihn kurze Zeit und wandte sich dann zur Treppe. Er stieg hinauf in den ersten Stock und stand wenig später vor einem Zimmer, über dessen Tür ein Schild mit der Aufschrift >Sekretariat< hing. Er klopfte. »Herein!«, ertönte es. Milo öffnete die Tür und stand in einem Büro, das sich zwei Frauen teilten. Die eine mochte um die vierzig sein, die andere war allenfalls zwanzig. Die Vierzigjährige neigte zur Übergewichtigkeit, die Jüngere hatte die Figur eines Magermodels.
Beide saßen vor ihrem Monitor und bearbeiteten die Tastatur ihres PC's. Die Ältere hielt jetzt inne, setzte ein freundliches Lächeln auf und fragte: »Was kann ich für Sie tun?«
Milo zeigte seinen Dienstausweis und sagte: »Mein Name ist Tucker. Ich komme vom FBI und würde gerne Mister Jackson sprechen.«
»Sie waren schon einmal hier, nicht wahr?«
»Richtig.«
»Ich erinnere mich.« Die Sekretärin erhob sich und ging zu der Verbindungstür zum angrenzenden Büro, klopfte und öffnete, steckte den Kopf in den Türspalt und sagte: »Special Agent Tucker vom FBI möchte Sie sprechen, Sir. Kann ich ihn reinschicken?«
»Ja, schicken Sie ihn herein, Sarah.«
Die Frau wandte sich Milo zu und lächelte. »Mister Jackson erwartet Sie.«
»Vielen Dank.« Milo ging an der Sekretärin vorbei und betrat das Büro des Geschäftsführers der Gesellschaft. Robert Jackson war ein Mann um die fünfzig, dessen Haare fast weiß waren. Er verströmte ein hohes Maß an natürlicher Autorität. Nun erhob er sich und man konnte sehen, dass er sehr groß war. Er kam um den Schreibtisch herum und streckte Milo die Rechte entgegen. Der schüttelte sie, dann lud ihn Jackson ein, an dem runden Besuchertisch Platz zu nehmen. »Was darf es heute sein, Special Agent?«, fragte Jackson mit ernster Miene.
»Nur noch ein paar Routinefragen, Mister Jackson.«
»Sind Sie mit Ihren Ermittlungen schon weitergekommen?«
»Leider nein. Allerdings hat man uns zusätzlich einen Job aufs Auge gedrückt, in dem es nun einen Toten gegeben hat. Wir haben eben nicht genug Personal beim FBI. Es ist wie überall. Man versucht mit dem geringsten Einsatz den größtmöglichen Erfolg zu erzielen.«
Jackson lachte. »Das sagt man eigentlich nur Betrieben nach, die kommerziell denken müssen. Ist das beim Staat auch so?«
»Kein Jota anders.« Milo winkte ab. »Alles fällt irgendwelchen Sparmaßnahmen zum Opfer. Aber lassen wir das. Es ist ein Thema ohne Ende. Konzentrieren wir uns auf das Wesentliche.«
»Fragen Sie, Special Agent.«
Milo nickte und begann …
*
Jack Bowdens Wohnung lag in der vierten Etage. Ich benutzte den Aufzug. Oben angekommen verriet mir das Namensschild an der Tür, dass ich richtig war. Ich legte den Finger auf die Klingel. Der Glockenton war durch die geschlossene Tür zu hören. In der Wohnung blieb es ruhig. Ich läutete an der Tür des Nachbarn. Eine ältere Frau öffnete mir. Ich sagte ihr, wer ich war, dann fragte ich sie, ob sie eine Ahnung habe, wo sich Mister Bowden aufhalten könnte.
»Er wird auf der Arbeit sein«, sagte die ältere Dame. »Bowden arbeitet jeden Tag mindestens zehn Stunden. Er ist ein fleißiger Mann.«
»Wo arbeitet er denn?«
»Bei >Fuller's Property Market<«.
»Wo finde ich den Laden?«
»In der Beaver Street.«
Ich bedankte mich und war wenig später auf dem Weg nach Süden. >Fuller's Property Market< war in einem Wohn- und Geschäftshaus untergebracht, das über mehr als siebzig Stockwerke verfügte. Ich fand die Büroräume der Firma in der zweiundvierzigsten Etage. Jack Bowden stellte sich mir für ein Gespräch zur Verfügung. Fragend musterte er mich, als wir uns am Besuchertisch gegenübersaßen. »Möchten Sie einen Kaffee, G-man?«
Ich lehnte dankend ab. Und ohne um den heißen Brei herumzureden, sagte ich: »Wir müssen davon ausgehen, dass Artur Fuller, Ihr Boss, Opfer eines Verbrechens wurde.«
Jack Bowden kniff die Augen zusammen. »Was ist geschehen?«
»Die Suite im >Silver Moon Hotel<, die Fuller gemietet hatte, ist ausgebrannt. Man hat den Leichnam eines Menschen gefunden. Solange nicht das Gegenteil belegt ist, müssen wir davon ausgehen, dass es sich um Artur Fuller handelt.«
»Das wäre ja schrecklich. Was ist mit Angelina? Sie bewohnte mit Artur die Suite.«
»Sie ist nach einem Streit mit ihrem Mann gestern Abend in die Wohnung zurückgekehrt. Ich habe sie in Kenntnis gesetzt.«
»Wie hat sie es aufgenommen?«
»Sie war ziemlich erschüttert und fassungslos.«
Jack Bowden starrte sekundenlang gedankenvoll vor sich hin. Dann stieß er hervor: »Artur wurde bedroht.«
»Das ist mir bekannt. Sie haben ihm geraten, für eine Weile in ein Hotel zu ziehen und haben für ihn die Suite im >Silver Moon< gebucht.«
»Das ist richtig.«
»Wer ist auf die Idee gekommen, die Polizei einzuschalten?«
»Das muss Artur von sich aus gemacht haben. Ich war nicht eingeweiht.« Bowden strich sich mit fahriger Geste über den Mund. »Der Mörder muss irgendwie in Erfahrung gebracht haben, dass Artur im >Silber Moon< wohnt.«
»Wir wissen noch gar nichts«, erwiderte ich. »Wir wissen weder, ob der Tote Fuller ist, noch ob es sich um einen Mord handelt, noch ob das Feuer gelegt wurde. Im Moment sieht es allerdings so aus, als wären Sie und seine Frau die einzigen gewesen, die wussten, dass er sich im >Silver Moon< einquartiert hat.«
Bowden prallte zurück. »Was wollen Sie damit andeuten?«
»Dass Sie, wenn es Mord war, an oberster Stelle auf meiner Liste der Verdächtigen stehen.«
In Bowdens Gesicht arbeitete es krampfhaft. »Ich habe mit Arturs Tod nichts zu tun.«
»Womit verdiente Artur Fuller sein tägliches Brot?«, fragte ich. »Besitzt er außer dem Immobiliengeschäft weitere Einkommensquellen?«
»Die >Star Finance<, außerdem arbeitete er als Finanzmakler. Dieses Geschäft erledigte er selbst. Ich war für die Immobilien zuständig. Albert Walker schmeißt die >Star Finance<. Es handelt sich um einen Geldverleih.«
»Hatte Ihr Boss Feinde?«
»Das weiß ich nicht. Wenn, dann hat er nie mit mir darüber gesprochen.«
»Wissen Sie, wer sein Vermögen erbt?«
»Nun, ich nehme an, seine Frau. Kinder hatte er keine.«
»Wo finde ich die >Star Finance<?«
»Am Times Square.«
*
Ich sprach mit Albert Walker. Er war schockiert und außer sich, als ich ihm vom möglichen Tod seines Chefs berichtete. Zu neuen Erkenntnissen bei mir konnte er mit seinen Aussagen allerdings nicht beitragen. Ich kehrte ins Field Office zurück und sprach bei Mr. McKee vor. Mit knappen Worten berichtete ich. Der Assistant Director unterbrach mich kein einziges Mal, erst als ich geendet hatte sagte er:
»Ich gehe mal davon aus, dass es sich bei dem Toten um Artur Fuller handelt. Motiv für den Mord könnte eine Rache sein.«
»Nur Bowden und Mistress Fuller wussten, wo sich Artur Fuller aufhielt«, wandte ich ein. »Ja, es könnte ein Racheakt sein. Ich schließe aber auch nicht aus, dass Fuller jemandem im Weg war. Nach allem, was ich von ihm in Erfahrung gebracht habe, war er sehr reich.«
»Sie denken an die Frau?«
»Sie könnte ein Motiv haben, Sir.«
»Habgier.«
»Sie ist jung und schön, Fuller ging auf die fünfzig zu. Ja, die Erbschaft könnte ein Motiv sein.«
»Sie lehnen sich mit Ihrem Verdacht ziemlich weit aus dem Fenster, Jesse«, gab Mr. McKee zu bedenken. »Vielleicht sollte man erst ein paar Fakten sammeln.« Der AD hob schnell die rechte Hand und zeigte mir die Handfläche. »Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten. Aber Ihre Theorie erscheint mir ziemlich gewagt.«
»Wie Sie richtigerweise sagen, Sir: Es ist Theorie. Ich spiele nur die Möglichkeiten durch. Und von der Hand zu weisen ist mein Verdacht sicherlich nicht.«
Es klopfte an der Tür. Der AD forderte den Besucher zum Eintreten auf. Es war Milo. Er setzte sich zu uns an den Tisch, heftete den Blick auf mich und fragte: »Wie sieht es aus?«
»Ich muss erst das Ergebnis der Obduktion und der Spurensicherung abwarten«, antwortete ich.
»Ich habe mit dem Geschäftsführer von >Warners Technologies Ltd.< gesprochen. Er hat mir von einem Milliardenverlust für WT erzählt, wenn das Betriebssystem in die falschen Hände fällt.«
»Was denken Sie, Milo?«, fragte Mr. McKee. »Sind die beiden Entwickler freiwillig abgetaucht, oder hat man sie entführt?«
»Robert Jackson glaubt nicht daran, dass die beiden ihr Wissen über das neue Betriebssystem an ein Konkurrenzunternehmen verkauft haben. Er ist davon überzeugt, dass die beiden gegen ihren Willen irgendwo festgehalten werden.«
»Mit welchen Konkurrenzunternehmen haben wir es zu tun?«
»Hier in New York kommt nur >SoftSys< in Frage«, antwortete Milo.
»Spinnen wir den Faden weiter«, mischte ich mich ein. »Angenommen, >SoftSys< steckt dahinter. Sie zwingen Martin und Hanchett, das Betriebssystem zu entwickeln und werfen es auf den Markt. Das würde doch Fragen aufwerfen.«
»Sicher«, murmelte Milo. »In diesem Fall könnte >SoftSys< auch die beiden Entwickler nicht einfach laufen lassen. Ich brauche sicher nicht zu betonen, was das im Klartext heißt.«
»Haben Sie schon mit den Angehörigen der beiden Programmierer gesprochen?«, fragte Mr. McKee.
»Die Ehefrauen wurden vernommen«, antwortete Milo. »Sie versichern, nicht zu wissen, was aus ihren Männern wurde. Das Gegenteil können wir ihnen nicht beweisen.«
»Es muss gar nicht um die Software gehen, die WT entwickelt«, sagte ich, einer jähen Eingebung folgend. »Vielleicht arbeitet ein anderes Unternehmen auch an einem Betriebssystem und will verhindern, dass WT mit seiner Entwicklung vorher auf den Markt kommt.«
Der Assistant Director wiegte den Kopf. »Sie meinen, dass man die beiden Chefentwickler lediglich für eine Weile aus dem Verkehr gezogen hat, um zu verhindern, dass das Projekt der WT vor der eigenen Software auf den Markt gelangt.«
»Wobei wir wieder bei >SoftSys< wären«, knurrte Milo.
»Nehmen Sie den Betrieb unter die Lupe, Milo«, sagte der Assistant Director. »Wir dürfen keine Möglichkeit außer Acht lassen.«
»Ich werde mich auch noch einmal mit den Ehefrauen der beiden Verschwundenen unterhalten«, erklärte Milo. »Die Chancen, dass die beiden Entwickler selbst ein Ding zu drehen versuchen, stehen fünfzig zu fünfzig. Und wenn die Ehefrauen eingeweiht sind, ergibt sich vielleicht ein Hinweis.«
»Und Sie, Jesse, klären mir den Mord im >Silver Moon Hotel< auf. Artur Simon war ein angesehener Bürger New Yorks, er hat viel für soziale Zwecke gespendet. Wenn er ermordet wurde, darf sein Mörder nicht ungesühnt wegkommen.«
»Ich werde mein Bestes tun, Sir.«
Am Morgen stieg Milo an unserer Kreuzung zu. Kurz vor 8 Uhr traten wir gemeinsam den Dienst an. Ich fuhr meinen Computer hoch. Um das Betriebssystem zu starten, musste ich ein Passwort eingeben und mich einloggen.
»Wo setzen wir an?«, fragte Milo.
Ich lehnte mich auf dem Stuhl zurück. »Die Frage ist, welchem Fall wir mehr Priorität zumessen. Unseren verschwundenen Programmierern oder dem Brand im >Silver Moon Hotel<.«
»Wir ermitteln getrennt«, erklärte Milo und grinste. »Warum Kapazitäten vergeuden?«
»Ich bin einverstanden«, murmelte ich.
»Okay«, sagte Milo. »Dann werde ich erst mit Mistress Martin sprechen, dann mit der Frau von Will Hanchett.«
Mein Telefon klingelte. Ich schnappte mir den Hörer, hob ihn vor mein Gesicht und nannte meinen Namen. »Hier spricht Doktor Middleton«, ertönte es. »Guten Morgen, Special Agent.«
»Guten Morgen, Doc«, sagte ich. Middleton war in der forensischen Medizin tätig, und ich war gespannt, was er mir gleich mitteilen würde.
»Wir haben gestern noch den Toten aus dem Hotel obduziert«, gab Middleton zu verstehen. »Es handelt sich um einen Mann. Die DNA haben wir noch nicht analysiert. Aber ich habe eine interessante Entdeckung gemacht. Der Mann wurde erschossen. Er war tot, als der Brand ausbrach.«
»Mit dem Brand sollte der Mord vertuscht werden«, schloss ich. »Vielleicht wollte der Mörder auch seine Spuren verwischen.
»Eins von beiden. Der Mann bekam die Kugel ins Herz.«
Ich bedankte mich. Der Doc sagte mir einen schriftlichen Bericht zu. Außerdem wollte er die DNA-Analyse beschleunigen. Ich wollte Gewissheit haben, dass es sich bei dem Toten um Artur Fuller handelte.
Milo verabschiedete sich. Hinter ihm klappte die Tür zu. Ich rief bei der SRD an und hatte wenig später den Beamten an der Strippe, der die Ermittlungen den Brand im Hotel betreffend führte. Nachdem ich erklärt hatte, wer ich war, fragte ich: »Gibt es neue Erkenntnisse?«
»Ja. Der Brand wurde gelegt. Jemand hat den Teppichboden in Brand gesetzt. Ein Brandbeschleuniger wurde benutzt. Ich wollte Sie eben anrufen, Herr Kollege.«
»Ich dachte es mir fast«, antwortete ich. »Bei dem Toten handelt es sich um einen Mann. Er wurde erschossen. Der Täter wollte entweder den Mord vertuschen oder Spuren beseitigen.«
»Na, dann viel Spaß bei den Ermittlungen, Kollege.«
»Vielen Dank«, versetzte ich gallig und legte auf.
Ich ging zu Mr. McKee. Nachdem wir uns per Handschlag begrüßt hatten, sagte ich: »Mord und Brandstiftung. Derjenige, der Fuller gedroht hat, hat seine Drohung eiskalt in die Tat umgesetzt. Fuller wurde erschossen. Um die Suite in Brand zu setzen, wurde ein Brandbeschleuniger benutzt. Eine Flasche Benzin ins Hotel zu schmuggeln ist das geringste Problem.«
»Sie sind also davon überzeugt, dass es sich bei dem Toten um Fuller handelt, Jesse.«
»Ja. Die DNA-Analyse dürfte nur noch Formsache sein.«
»Wir wissen nicht, wer Fuller den Drohbrief schickte«, murmelte der Assistant Director. »Aber uns ist bekannt, wer Bescheid wusste, dass er vorübergehend ins Hotel gezogen ist. Dort müssen Sie den Hebel ansetzen, Jesse.«
Ich nickte. »Jack Bowden und Angelina Fuller. – Fuller war Immobilienmakler, Geldverleiher und Finanzmakler. Er spendete große Summen für wohltätige Zwecke. Kann man mit den Geschäften, die er ausübte, so große Gewinne erzielen, dass man in der Lage ist, horrende Summen zu verschenken?«
»Lassen Sie mich an Ihren Gedankengängen teilhaben, Jesse.«
»Es ist möglich, dass Fuller über eine Einnahmequelle verfügte, die wir nicht kennen, Sir.«
»Ich habe verstanden. Denken Sie, dass Fuller die Hände in illegalen Geschäften hatte?«
»Man müsste mal die Bilanzen der Betriebe checken«, erwiderte ich.
»Das würde einen richterlichen Beschluss erfordern«, wandte der Chef ein. »Haben wir einen Grund, derart in die Tiefe zu gehen, einen begründeten Verdacht? Den brauchen wir aber, um einen Durchsuchungsbefehl zu erwirken.«
»Ich weiß. Könnten nicht Sie Ihre Beziehungen spielen lassen, Sir?«
Mr. McKee lächelte in der ihm eigenen Manier. »Ich werde es versuchen. Aber irgendwo sind auch mir Grenzen gesetzt. Sie wissen, dass Beweismittel nicht verwertet werden dürfen, die nicht legal gesichert wurden.«
»Der Mord an Fuller wirft Fragen auf, Sir«, sagte ich. »Und wenn wir einen richterlichen Beschluss in Händen haben, geschieht die Beweismittelsicherung auch auf legalem Weg. Die Frage ist, ob Fuller wirklich über die weiße Weste verfügte, die er so gern zur Schau trug. Wenn wir Flecken auf seiner Weste finden, kann das eine Spur zu seinem Mörder sein.«
»Sie erhalten Ihre richterliche Anordnung, Jesse.«
Ich ließ den AD allein und fuhr in die 56th Street. Angelina Fuller öffnete mir die Tür. Mit unergründlichem Blick musterte sie mich. »Artur hat sich nicht gemeldet. Ich gehe davon aus, dass er der Tote aus dem Hotel ist.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Kommen Sie, um es mir zu bestätigen?«
»Es steht noch nicht mit letzter Sicherheit fest. Klar ist nur, dass der Tote männlichen Geschlechts ist. Darf ich eintreten?«
»O, entschuldigen Sie.« Angelina Fuller trat zur Seite und ich schritt an ihr vorbei in die Wohnung. Sie drückte die Tür hinter mir zu. Ich nahm Front zu ihr ein. »Es liegt ein Mord vor. Der Mann in der Hotelsuite wurde erschossen. Nachdem er tot war, wurde der Brand gelegt.«
Die Frau atmete tief durch, ging zu einem Sessel und ließ sich hineinfallen. »Die Drohung …«, murmelte sie.
»Überlegen Sie«, sagte ich. »Gibt es jemand, der Ihrem Mann feindlich gesonnen ist? Nannte er irgendwann einmal einen Namen? Gibt es irgendeinen Hinweis?«
Angelina Fuller starrte versunken auf einen imaginären Punkt an der Wand. Unruhig knetete sie die Hände. Dann schüttelte sie den Kopf. »Ich erinnere mich nicht. Er zeigte mir die anonyme Drohung, sie beunruhigte ihn ungemein, ich gab ihm den Rat, Jack Bowden anzurufen.«
»Das ist das Problem«, bemerkte ich. »Nur Bowden und Sie wussten, dass sich ihr Mann im >Silver Moon Hotel< einquartiert hatte.«
Ihr Blick verkrallte sich an meinem Gesicht. »Das macht uns zu Verdächtigen.« Sie senkte den Blick. »Aber ich habe meinen Mann geliebt. Er bot mir ein sorgenfreies Leben. Warum sollte ich ihn töten?«
»Sie stritten sich.«
»Artur regte sich immer auf, wenn ich shoppen ging und viel Geld ausgab. Aber im Endeffekt bekam ich von ihm alles, was ich wollte.«
»Ihr Mann spendete hohe Geldbeträge für soziale Zwecke.«
»Er hatte ein gutes Herz. Ja, seine soziale Einstellung war bewundernswert. Sie brachte ihm auch viele Sympathien. Es ist für mich unvorstellbar, dass es jemand gab, der ihn so sehr hasste, dass er ihn umbrachte.«
»Warfen die Betriebe Ihres Mannes derart hohe Gewinne ab?«
Ich irritierte die Frau mit meiner Frage. Verunsichert schaute sie mich an. Doch dann nickte sie: »Ich nehme es doch an. Wie sonst hätte Artur so große Beträge spenden können? Wobei ich allerdings zugeben muss, dass ich mich nie dafür interessierte, woher das Geld kam. Es war einfach da …«
»Haben die Geschäftsführer Ihres Mannes mit Ihnen Kontakt aufgenommen?«
»Ja. Sie haben mir ihre Loyalität versichert. Die Geschäfte müssen weitergeführt werden. Ich verlasse mich auf Jack und Walker.«
Mir fiel auf, dass sie Bowdens Vornamen benutzte, im Falle des Geschäftsführers der >Star Finance< jedoch den Familiennamen. Daraus schloss ich, dass sie zu Bowden ein engeres Verhältnis hatte als zu Walker – was allerdings nichts zu bedeuten haben musste. Aber im Laufe der Jahre hatte ich es mir zur Gewohnheit gemacht, auch auf die vermeintlich unbedeutenden Kleinigkeiten zu achten. Sie waren oftmals entscheidend.
Nachdem ich Angelina Bowden verlassen hatte, fuhr ich in die Beaver Street, um noch einmal mit Jack Bowden zu sprechen …
*
Milo Tucker erreichte die 87th Street in Queens. Er bremste den Buick, den er aus der Fahrbereitschaft des FBI entliehen hatte, am Straßenrand. Es handelte sich um ein Einfamilienhaus mit einem großen Erker und einem Vorbaudach, das die Martins bewohnten. Eine gepflegte Rasenfläche erstreckte sich vom Gehsteig bis zum Haus. Eine Garage war angebaut.
Der Special Agent ging zur Haustür und läutete. Die Tür wurde geöffnet und eine Frau von etwa fünfunddreißig Jahren zeigte sich. »Guten Morgen, Mistress Martin«, grüßte Milo.
»Haben Sie schon eine Spur von meinem Mann?«, fragte die Frau erwartungsvoll.
»Nein.«
»Kommen Sie herein.«
Milo betrat das Haus. Im Wohnzimmer setzten sie sich.
»Ihr Mann verließ also am 12. Juni wie jeden Tag um halb 7 Uhr das Haus, um zu seinem Arbeitsplatz nach Brooklyn zu fahren?«
»Ja. Das habe ich Ihnen bereits gesagt. Es war wie jeden Tag. Wir standen um 5 Uhr auf, denn wir wollen am Morgen nicht hetzen. Während er seinen Kaffee trank, las mein Mann die Zeitung. Um halb 7 verabschiedete er sich. Er rief mich täglich gegen 10 Uhr an. An diesem Tag blieb der Anruf aus, sodass ich anrief. Man sagte mir, dass mein Mann nicht zur Arbeit erschienen sei.«
»Und er hat sich bei Ihnen auch nicht mehr gemeldet?«
»Nein. Seit drei Tagen gibt es kein Lebenszeichen von ihm.«
»Wissen Sie, ob Ihr Mann mit einem anderen Softwarehersteller Kontakt aufgenommen hat?«
»Was versuchen Sie meinem Mann zu unterstellen?« Die Frau schniefte. »Mein Mann ist über jeden Verdacht erhaben.«
Milo vertiefte das Thema nicht. »Dienstbeginn Ihres Mannes war um 7 Uhr, nicht wahr?«
»Er hatte keine festen Arbeitszeiten. Mein Mann hatte eine leitende Position inne. Er begann von sich aus täglich um 7 Uhr mit der Arbeit. Weil er keine festen Arbeitszeiten hatte, fragte man am 12. auch nicht nach, weshalb er an diesem Tag nicht zur Arbeit erschienen sei.«
»Welche Bank führt das Konto Ihres Mannes?«
Die Frau blinzelte. Betroffen schaute sie Milo an. »Warum wollen Sie das wissen?«
»Ich will die Kontenbewegungen überprüfen.«
»Warum?«
»Wir wissen nicht, ob Ihr Mann entführt wurde. Es spricht einiges dafür, dass er von sich aus untergetaucht ist. Wenn das so ist, braucht er sicher Geld.«
»Was fantasieren Sie sich da zusammen?«
»Es ist im Bereich des Möglichen. Wir kennen die Wahrheit nicht. Ich darf nichts außer Acht lassen.«
»Wir führen ein Konto bei der Citi Bank in er First Avenue.«
»Sagen Sie mir die Handynummer Ihres Mannes.«
»Wozu brauchen Sie die?«
»Vielleicht können wir das Handy orten.«
Die Frau erhob sich, ging zu einem Board und zog den Schub auf. Sie holte eine Visitenkarte heraus und gab sie Milo. »Die Handynummer steht drauf«, sagte sie.
»Besitzen Sie auch ein Handy?«
»Ja.«
»Das möchte ich haben.«
»Aber …«
»Geben Sie's mir einfach.«
Mrs. Martin holte es und reichte es Milo. Er rief die Anrufliste auf, zog sein Notizbüchlein und notierte die Nummern, die er der Reihe nach herklickte. Dann gab er der Frau das Telefon zurück und verabschiedete sich.
Milo fuhr nach Brooklyn zu Leonora Hanchett …
*
Ich saß am Computer, als Milo ins Büro kam. Er ließ sich auf seinen Stuhl fallen und seufzte. Ich hörte auf, die Tastatur zu bearbeiten und fragte: »Das klingt nicht gerade euphorisch.«
»Es gibt auch keinen Grund zu Euphorie. Ich habe einige Fakten gecheckt. Mistress Martin hat nach dem 12. Juni zweimal mit ihrem Mann telefoniert. Am 13. Juni wurden von dem Konto bei der Citi Bank fünfhundert Dollar abgehoben. Wie es aussieht, wurde Stuart Martin nicht entführt.«
»Hast du auch entsprechende Ermittlungen bei Leonora Hanchett durchgeführt?«
»Sie betreiben ein Konto bei der Bowery Savings Bank. Keine Kontobewegungen seit dem 10. Juni. Leonora Hanchett hat mit ihrem Mann auch nicht telefoniert.«
»Hast du mit Jane Martin noch einmal gesprochen?«
»Nein. Ich habe eine Handyortung veranlasst. Vielleicht lässt sich Martins Handy irgendwo aufspüren. Wie war es bei dir?«
»Ich komme nicht weiter. Niemand hat eine Ahnung, wer Fuller bedroht haben könnte. Jeder erzählt mir, was für ein guter Mensch er war. Angelina Fuller führt die Geschäfte weiter. Die Geschäftsführer ihres Mannes unterstützen sie.«
»Du hast doch sicher etwas in petto«, sagte Milo. »Du bist nicht der Mann, der herumsitzt und Daumen dreht, während ein Mörder frei in New York herumläuft.«
»Ich werde die Bilanzen der Betriebe Fullers checken lassen. Es will mir nicht in den Sinn, dass er mit seinen Geschäften derartige Gewinne machte, die Spenden in Millionenhöhe getragen hätten.«
»Du vermutest dunkle Kanäle?«
»Ich weiß es nicht.«
Milos Telefon läutete. Er pflückte den Hörer vom Apparat und meldete sich, dann lauschte er. Schließlich bedankte er sich, legte auf und sagte: »Negativ.«
Ich ahnte, was er meinte, versicherte mich aber dennoch: »Du sprichst von der Handyortung.«
»Ja. Nun, ich werde wohl noch einmal mit Mistress Martin sprechen müssen. Sie wird mir eine Reihe von Fragen zu beantworten haben.«
»Zu Jack Bowden scheint Angelina Fuller ein engeres Verhältnis zu haben als zu Albert Walker«, sagte ich und wechselte das Thema.
»Wie kommst du darauf?«
»Wenn sie von ihm spricht, nennt sie ihn beim Vornamen. Bei Walker benutzt sie den Familiennamen.«
»Was schließt du daraus?«
»Ich sagte es doch.«
»Ist das alles?«
»Zunächst ja.«
Jetzt war es mein Telefon, das läutete. Es war Mr. McKee, der sagte: »Ich habe den Beschluss erwirken können, Jesse. Sie können ihn sich beim Gericht abholen. Beschaffen Sie sich die erforderlichen Leute, die sich auf das Lesen von Bilanzen verstehen.«
»In Ordnung, Sir.« Ich legte auf und heftete den Blick auf Milo. »Ich muss los. Kommst du mit?«
»Nein.« Milo schürzte die Lippen. »Ich habe eine Verabredung mit Mistress Jane Martin.«
Ich schnappte mir vier Kollegen, die mich zum Criminal Courts Building begleiten sollten. Nachdem ich die richterlichen Anordnungen in Händen hatte, gab ich ein Exemplar Theo Cant und sagte: »Nehmt ihr die >Star Finance< unter die Lupe. Wir fahren zu >Fuller's Property Market<. Ihr wisst, was zu tun ist.«
Der Agent nickte. Wir trennten uns. George Maxwell, Tim Holden und ich fuhren in die Beaver Street. Jack Bowden empfing uns. In seinem Gesicht zuckten die Muskeln, als ich ihm eröffnete, dass wir gekommen waren, um die Bilanz des Betriebes zu überprüfen. »Es hat alles seine Ordnung«, betonte er. »Die Steuerbehörde hat vor drei Monaten eine Überprüfung durchgeführt. Es wurde nicht die geringste Unregelmäßigkeit festgestellt.«
»Geben Sie uns trotzdem die Unterlagen«, forderte ich.
»Sicher. Der Beschluss ist eindeutig. Dennoch werde ich unseren Anwalt informieren.«
George Maxwell und Tim Holden machten sich an die Arbeit. Bowden telefonierte. Er setzte auch Angelina Fuller bezüglich unserer Aktion in Kenntnis. Eine halbe Stunde später kam der Rechtsanwalt. Er studierte die richterliche Anordnung; ich befürchtete schon, dass er sie auswendig lernte, so lange starrte er auf das Blatt Papier. Dann aber wandte er sich an mich: »Für eine derartige Anordnung bedarf es eines konkreten Verdachts. Aufgrund welchen Verdachts haben Sie sie erwirkt?«
»Wir sind der Meinung, dass Artur Fuller mehr Geld ausgab, als er eingenommen hat.« Meine Stimme senkte sich. »Es sieht so aus, als wäre Artur Fuller ermordet worden. Er wurde bedroht. Wir müssen jedem Hinweis nachgehen.«
»Der Beschluss wurde also auf der Basis reiner Spekulation erlassen!«, blaffte der Rechtsanwalt. »Sollten sich aus der Überprüfung irgendwelche negative Auswirkungen für meinen Mandanten ergeben, werde ich gegen die Anordnung vorgehen.«
»Welchen Mandanten?«
Der Anwalt starrte mich betroffen an. Sein Mund stand halb offen.
»Wir wollen weder Mister Fuller noch sonst jemand aus seinem Dunstkreis einen Strick drehen«, erklärte ich. »Wir wollen einen Mord klären. Sonst nichts.«
Die Schultern des Rechtsanwalts sanken nach unten. »Warum diese Überprüfung?«, fragte er.
»Wir wollen uns ein Bild von Fuller und seinem privaten Umfeld vermitteln. Dazu gehören auch die finanziellen Verhältnisse.«
»Es steht noch gar nicht fest, dass Fuller der Tote aus der Hotelsuite ist«, gab der Anwalt zu verstehen.
»Eben«, versetzte ich. »Wenn er es nicht ist, wirft das eine Menge weiterer Fragen auf. Zum Beispiel die Frage, wer den Mann erschoss, wer das Feuer legte und wo Ihr Mandant abgeblieben ist.«
Jetzt schwieg der Rechtsanwalt. Ich wandte mich an Bowden: »Fuller war auch als Finanzmakler tätig.«
»Ja. Aber diese Tätigkeiten hat er nicht aus der Hand gegeben. Er führte die Geschäfte von seiner Wohnung aus.«
Für die Wohnung hatte ich keinen Durchsuchungsbefehl. »Ob mir Mistress Fuller die Unterlagen auch ohne gerichtlichen Beschluss zur Verfügung stellt?«, fragte ich den Anwalt.
»Sie hat sicher nichts zu verbergen.« Der Rechtsanwalt war ziemlich kleinlaut geworden.
»Fahren wir zu ihr«, sagte ich.
Ich überließ George Maxwell und Tim Holden das Feld und fuhr mit dem Anwalt in die 56th Street. Angelina Fuller begegnete mir nicht gerade freundlich. »Was soll das? Wessen beschuldigen Sie meinen Mann?«
Ich erklärte ihr, was uns veranlasste, derart vorzugehen. Als ich geendet hatte, sagte sie: »Sie verdächtigen Artur also unlauterer Machenschaften. Damit treten Sie das Gedenken an meinen Mann, der sich öfter als einmal als Wohltäter erwies, gewissermaßen in den Schmutz.«
»Das ist nicht unsere Absicht, Ma'am«, versetzte ich.
Der Anwalt trug mein Anliegen vor. Angelina Fuller lauschte mit unbewegtem Gesicht. Dann sagte sie: »Es gefällt mir zwar nicht, aber es wäre wohl bloß Formsache, einen Durchsuchungsbefehl für die Wohnung zu erwirken. Also tun Sie sich keinen Zwang an, Special Agent.«
Sie zeigte mir das Arbeitszimmer. Da stand ein Laptop, der ans Netz angeschlossen war. Es gab auch einige Ordner voller Unterlagen. Wer immer Artur Fuller mit irgendwelchen finanziellen Transaktionen beauftragt hatte, war hier erfasst. Ich bedankte mich bei Mrs. Fuller und dem Anwalt und brachte den Laptop sowie die Unterlagen ins Field Office. Dort überließ ich sie einem Innendienstler zur Auswertung.
Zurück in meinem Büro schaute ich mir die E-Mails an, die während meiner Abwesenheit eingegangen waren. Eines war von der SRD und ich öffnete es. Es handelte sich um das Ergebnis einer DNA-Analyse. Danach handelte es sich bei dem Toten im Hotel um Artur Fuller …
*
Milo läutete an der Haustür. Im Haus rührte sich nichts. Er ging um das Haus herum. Es gab eine Terrasse. Die Terrassentür war aus Glas. Milo rüttelte daran. Sie war von innen verschlossen. Der G-man versuchte, durch die Scheibe in die Wohnung zu blicken. Er konnte kaum etwas erkennen und kehrte zur Haustür zurück. Noch einmal läutete er.
Auf dem Nachbargrundstück rief ein Mann: »Wollen Sie zu Jane Martin?«
»Ja.«
»Die hatte vor etwa einer Stunde Besuch. Ein Mann mit einem Aktenkoffer. Sah aus wie ein Versicherungsmakler. Könnte auch von der Polizei gewesen sein. Immerhin ist Stuart Martin spurlos verschwunden. Man spricht von Entführung. - Der Bursche blieb nicht lange. Er fuhr mit einem weißen Ford davon. Danach habe ich Jane nicht mehr gesehen.«