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Dieser Band enthält folgende Krimis: Trevellian und die Toten von Queens (Pete Hackett) Trevellian und der späte Erfolg (Pete Hackett) Ein einflussreicher Bauunternehmer wird ermordet. Da er in einem Bauskandal verwickelt war, der viele Menschen das Leben kostete, ist die Auswahl an Motiven und Tätern umfangreich. Die FBI-Agenten Tucker und Trevellian müssen mühsam die Verdächtigen befragen, doch dann entwickelt sich eine gefährliche Situation, als der Hauptverdächtige auf seiner Flucht keine Rücksichten mehr nimmt.
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Seitenzahl: 250
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Krimi Doppelband 195
Copyright
Trevellian und die Toten von Queens: Action Krimi
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Trevellian und der späte Erfolg
Dieser Band enthält folgende Krimis:
Trevellian und die Toten von Queens (Pete Hackett)
Trevellian und der späte Erfolg (Pete Hackett)
Ein einflussreicher Bauunternehmer wird ermordet. Da er in einem Bauskandal verwickelt war, der viele Menschen das Leben kostete, ist die Auswahl an Motiven und Tätern umfangreich. Die FBI-Agenten Tucker und Trevellian müssen mühsam die Verdächtigen befragen, doch dann entwickelt sich eine gefährliche Situation, als der Hauptverdächtige auf seiner Flucht keine Rücksichten mehr nimmt.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
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COVER TONY MASERO
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Alles rund um Belletristik!
Krimi von Pete Hackett
Der Umfang dieses Buchs entspricht 120 Taschenbuchseiten.
Pfusch am Bau! 126 Tote nach einem Hauseinsturz sprechen eine deutliche Sprache. Die FBI-Agenten Trevellian und Tucker machen sich auf die Suche nach den Verantwortlichen, doch keine der Firmen, vom Architekten bis zum Betonlieferanten, will daran beteiligt gewesen sein. Ohne klare Beweise können die Agenten gegen niemanden vorgehen.
»Ich will aber die Choco-Pops, Ma«, sagte der zehnjährige Steven trotzig zu seiner Mutter und stampfte zornig mit dem Fuß auf.
Die Auswahl war riesig. Zwei große Regale voll Getreideflocken in allen Varianten. Mit Schokolade, mit Honig, mit Nüssen, gezuckert und ungezuckert … Die Mutter des Jungen hielt eine Packung in der Hand, las aufmerksam die Hinweise bezüglich der Zutaten, und sagte schließlich mahnend: »Du weißt, was der Arzt gesagt hat, Steven. Du bist zu dick und musst abnehmen. Das bedeutet für dich: Keine Süßigkeiten, keine fetten Speisen, tausend Kalorien am Tag.« Sie lächelte auf den Knaben, der ihr gerade bis zur Brust ging, hinunter. »Wir wollen doch alle, dass du schlank und sportlich wirst.«
»Aber …« Der Junge brach ab, denn ein trockenes Knirschen war zu hören. »Hast du das gehört, Ma?«
Da ertönten wieder das durchdringende Knirschen. Er klang wie eine Botschaft von Unheil und Tod!
Die Mutter nickte und schaute sich um. Überall an den Wühltischen und Regalen in dem Supermarkt befanden sich Menschen. Stimmendurcheinander war zu vernehmen. An den beiden Kassen standen Schlangen. Die Kassiererinnen zogen die Ware über die Scanner, und das Piepen elektronischen Lesegeräte mischte sich in den übrigen Lärm.
Auch andere Kunden hatten das Knirschen vernommen. Es war von oben gekommen. Die Blicke richteten sich zur Decke hinauf. Die Hand einer der Verkäuferinnen mit einer Packung Nudeln blieb über dem Scanner hängen. Es war ein Mädchen von vielleicht achtzehn Jahren, und es mutete an, als wäre es auf seinem Stuhl versteinert.
Plötzlich war ein Poltern zu hören, ein Rumpeln, der Boden schien zu erzittern, die meisten Menschen waren wie gelähmt und zu keiner Reaktion fähig. Ein Mann schrie: »Das ist ein Erdbeben! Gütiger Gott!«
Da stürzten auch schon Teile der Decke herunter. Ein schriller Schrei, der durch und durch ging, ertönte. Und dann brach alles zusammen und begrub die Menschen. Staub wallte dicht und suchte sich einen Weg zwischen die benachbarten Häuser. Nach dem furchtbaren Poltern, Bersten und Klirren, das mit dem Zusammenbruch des Gebäudes einherging, mutete die Stille, die jetzt eintrat, bleischwer und erdrückend an. Es war die Stille des Todes!
Wohn- und Geschäftshaus in Queens eingestürzt!, hieß die Schlagzeile. 126 Menschen wurden getötet, außerdem gab es weit über 200 Verletzte, von denen noch eine ganze Reihe mit dem Tod rangen. Es war kein Erdbeben, das die Katastrophe ausgelöst hatte. Auch ein terroristischer Anschlag wurde ausgeschlossen. Der Reporter äußerte in seinem Artikel den Verdacht, dass die Statik des Gebäudes falsch berechnet worden war. Endgültigen Aufschluss sollten jedoch entsprechende Gutachten erbringen.
Pfusch am Bau! Das FBI wurde eingeschaltet, um die Verantwortlichen festzustellen und der Gerechtigkeit zuzuführen. Mr. McKee betraute Milo und mich mit den Ermittlungen. Uns wurden die bisherigen Ergebnisse der Spurensicherung sowie eine Reihe diverser Vernehmungsprotokolle und die Planungsunterlagen zugeleitet. Auf elektronischem Weg natürlich.
»Was ist mit dem Architekten?«, fragte Milo. »Statische Berechnungen obliegen doch ihm. Wurde er schon einvernommen?«
»Das ist nicht mehr möglich«, antwortete ich. »Desmond ist kurz nach der Fertigstellung des Baus an Herzversagen gestorben.«
»Richtig«, meinte Milo, nachdem auch er noch einmal in der Akte geblättert hatte und auf den entsprechenden Hinweis stieß. »Das Gebäude wurde von der Seymour-Bau Ltd. vor vier Jahren erstellt«, fuhr Milo fort. »Geschäftsführer ist Stewart Seymour. Der Sitz der Firma befindet sich in Staaten Island, Hillcrest Street.«
Ich blätterte weiter in der Akte. »Bauherr war Stan Wallace. Die gesamte Planung wurde von Walter Desmond durchgeführt, er beschäftigte einen Statiker namens Wolters. Mit ihm werden wir uns wohl mal unterhalten müssen. Ebenso mit Seymour. Und dann werden wir abwarten müssen, was die Gutachten ergeben. Festzustehen scheint, dass irgendwo geschlampt wurde. Entweder bei den statischen Berechnungen oder bei der Bauausführung.«
»Zu wem fahren wir zuerst?«
»Zu Seymour«, antwortete ich und fuhr das Terminal herunter. Die Telefonnummer der Verwaltung der Baufirma hatten wir. Ich rief an und versicherte mich, dass sich Stewart Seymour im Betrieb befand, wurde mit ihm verbunden und erklärte ihm, dass wir mit ihm sprechen wollten. Er hatte nichts dagegen einzuwenden. Ich legte auf, erhob mich und ging zum Kleiderschrank, um meinen Trenchcoat herauszunehmen. Es war zwar Sommer, aber es war regnerisch und kühl, viel zu kalt für die Jahreszeit. Die Meteorologen erwarteten auch keine Besserung, was das Wetter anbetraf.
Milo sagte Mandy, der Sekretärin Mr. McKees, telefonisch Bescheid, dass wir uns nach Staten Island zur Seymour-Bau begaben. Dann schlüpfte auch er in seinen Mantel, wir fuhren mit dem Aufzug in die Tiefgarage und rollten wenig später mit dem Wagen in Richtung Canal Street, auf der wir zum Holland Tunnel gelangten. Durch den Tunnel kamen wir nach New Jersey, wo wir uns nach Süden wandten, um über die Bayonne Bridge Staten Island zu erreichen.
Die Fahrt nahm einige Zeit in Anspruch, und ich bereute es schon, nicht die Fähre nach Staten Island benutzt zu haben, die stündlich vom Fährhafen in Südmanhattan ablegte.
Schließlich und endlich erreichten wir die Hillcrest Street. Das Bauunternehmen zu finden kostete mich ein Lächeln. Ich fuhr den Sportwagen in den riesigen Hof, auf dem einige Baumaschinen und Lastwagen herumstanden, stellte ihn auf dem Parkplatz vor dem Verwaltungsgebäude ab, und wir stiegen aus. Etwa drei Dutzend Fahrzeuge parkten hier.
Unserem Blick boten sich einige langgezogene, flache Gebäude, die als Garagen und Lagerhallen dienten. Von den Mauern fiel der Putz zum Teil großflächig ab. Unkraut wucherte zwischen den Betonplatten im Hof. Das große Tor einer der Hallen war geöffnet. Da stand ein Lastwagen, ein Mann mit einem schweren Schraubenschlüssel kroch gerade darunter hervor und schaute zu uns herüber.
Wir betraten das Gebäude, in dem die Verwaltung des Betriebes untergebracht war. Es verfügte über zwei Stockwerke. Unten gab es eine Rezeption, die allerdings verwaist war. Dafür war ein Wegweiser an der Wand neben der Treppe zum Obergeschoss befestigt, der uns verriet, dass die Geschäftsführung in der zweiten Etage residierte. Aus dem Zusatz des Firmennamens war zu entnehmen, dass es sich um eine Gesellschaft handelte, eine Company. Ich vermutete, dass Stewart Seymour geschäftsführender Gesellschafter war.
Es gab keinen Aufzug in dem Gebäude. Also stiegen wir die Treppe bis zur zweiten Etage empor und fanden das Büro Stewart Seymours. Anmeldung bitte im Sekretariat, hieß es auf einem Schild, das an der Tür zu seinem Büro befestigt war. Ich klopfte gegen die Tür des Sekretariats, wir wurden aufgefordert, einzutreten, und nachdem wir uns als die Special Agents Trevellian und Tucker vom FBI New York vorgestellt hatten, ging die Sekretärin zu einer Verbindungstür, öffnete sie und rief in das dahinterliegende Büro: »Die Gentlemen vom FBI sind da. Können sie eintreten?«
»Nur hereinspaziert!«, ertönte eine dunkle, sonore Stimme.
Im nächsten Moment standen wir Stewart Seymour gegenüber. Er war ein beleibter Mann Mitte der Fünfzig mit grauen, schütteren Haaren und wässrigen Augen, der mit einem dunkelgrauen Anzug und einem schwarzen Hemd bekleidet war und uns mit einem freundlichen Lächeln empfing. Der Unternehmer bot uns Sitzplätze an einem runden Besuchertisch an, und als wir saßen, erklärte er mit jovialem Unterton: »Ich habe bereits Ihren Kollegen vom Police Department Rede und Antwort gestanden. Ein entsprechendes Protokoll wurde erstellt. Es ist mir unverständlich, wieso das Gebäude so mir nichts dir nichts zusammengekracht ist. Es ist nicht auszuschließen, dass der Untergrund nachgegeben hat. Ich weise jedoch darauf hin, dass Gutachten existieren, die die Bodenbeschaffenheit für unbedenklich erklärt haben.«
»Die Fachleute sind dabei, die Ursache für den Gebäudeeinsturz herauszufinden«, sagte ich. »Wer führte damals die Bauaufsicht?«
»Walter Desmond, der Architekt. Über ihn erfolgte auch die Abrechnung mit dem Bauherrn.«
»Der ist tot. Wer beaufsichtigte die Arbeiten?«
»Alfred Taylor. Er leitete die Bautrupps. Es war ein gewaltiges Projekt, das insgesamt achtzehn Millionen Dollar verschlungen hat. Taylor ist Ingenieur. Ein erstklassiger Mann. Seine Integrität steht nicht in Frage.«
»Wir haben seine Integrität nicht in Frage gestellt«, versetzte ich. »Was denken Sie, Mr. Seymour, war Ursache für den Einsturz des Gebäudes.«
Der Bauunternehmer zuckte mit den Achseln. »Ich sagte es bereits, ich weiß es nicht. Der Bau wurde mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt und ohne Mängel abgenommen. Vielleicht hat das Grundwasser die Bodenbeschaffenheit verändert, möglicherweise gab es unter der Kellersohle Hohlräume, die damals nicht festgestellt werden konnten und die eingebrochen sind.«
»Ich nehme an, Sie haben sich auf die statischen Berechnungen des Architekturbüros verlassen«, sagte ich.
»Natürlich. Dan Wolters, der die Berechnungen durchgeführt hat, ist ein alter Hase und einer der Besten seines Fachs. Wir haben uns blind darauf verlassen.«
»Kann es am Beton gelegen haben, eventuell auch an der Armierung?«
»Wir verwenden nur beste Materialien«, erwiderte Seymour mit Nachdruck. »Ich könnte Ihnen jetzt einen Vortrag über Beton und die Stahlbewehrung von Gebäuden halten, aber ich denke, das wird nicht notwendig sein. So weit ich weiß, wurde ein Gutachten in Auftrag gegeben, das über die Beschaffenheit des Betons und der Bewehrung mit Stahl Auskunft erteilen soll.«
»Das ist richtig«, sagte Milo nickend. »In den Berichten, die uns vorliegen, ist von ziemlich porösem Beton die Rede. Ich weiß, dass schlechter Beton ähnlich wie Sandstein der Verwitterung ausgesetzt ist.«
»Sie sind ja gut informiert«, kam es etwas spöttisch von Seymour. Er beugte sich vor. »Soll ich Ihnen sagen, was es mit Beton auf sich hat? Es handelt sich um nichts anderes als eine aus natürlichen Bestandteilen zusammengesetzte Nachahmung von Konglomeratgestein, das alle guten Eigenschaften des Natursteins aufweist. Beton kann in jede beliebige Form …«
Ich unterbrach Seymour. »Sie waren selbst der Meinung, dass es nicht notwendig sei, uns einen Vortrag über Beton- und Stahlbau zu halten. Über die Güte des Betons, der benutzt wurde, wird ein Gutachten Aufschluss geben.« Ich räusperte mich. »Verstehen Sie uns nicht falsch, Mr. Seymour. Wir sind nicht zu Ihnen gekommen, um Sie anzuklagen. Wir wollten von Ihnen nur Ihre Meinung als Baufachmann hören.«
»Ich habe viel eher das Empfinden, dass Sie mich einvernehmen. Aber gut. Mein Rat als Fachmann lautet: Das Gebäude bist wahrscheinlich eingestürzt, weil sich der Untergrund verändert hat. Es kann sich aber auch um Bauschäden handeln, die verschiedene Ursachen haben. Zum Beispiel vernachlässigte Instandhaltung, Wasserschäden …« Seymour brach ab und schien zu überlegen.
»Bauliche Mängel«, setzte Milo hinzu.
Seymour hob die Schultern. »Natürlich. Auch Baumängel. Ursache kann auch unterschiedliche Setzung des Bauwerkes sein, also statisch ungleiche Verteilung der Lasten in das Erdreich. Infolge rostender Stahlbewehrung kann es zu Abplatzungen des Betons kommen, es bilden sich Risse im Verlauf der Bewehrung. Unzureichende Verdichtung des Betons kann zu Lufteinschlüssen führen. Der Beton darf nicht zu steif sein, wenn er gegossen wird. Er muss durch Stochern verdichtet werden können und die Stahleinlagen satt umhüllen, außerdem muss der verdichtete frische Beton vor zu raschem Austrocknen geschützt werden. Es gibt viele Möglichkeiten. Im Falle des Bauwerks in Queens aber schließe ich Baumängel aus.«
»Wieso sind Sie so sicher?«, fragte ich.
»Was meinen Sie, wie viele Gebäude die Seymour-Bau Ltd. schon gebaut hat, G-man? Bis jetzt wurde an keinem dieser Gebäude auch nur der geringste Baumangel festgestellt. Meine Firma ist über jeden Verdacht erhaben. Wir garantieren Wertarbeit. Das ist auch einer der Gründe, weshalb das Unternehmen so groß geworden ist. Wir bieten Garantien.«
Die letzten Worte dehnte Seymour ganz besonders in die Länge, als wollte er ihnen besonderen Nachdruck verleihen.
»Ist der Bauherr schon mit Schadensersatzforderungen an den Betrieb herangetreten?«, fragte Milo.
»Nein. Sicherlich auch ein Zeichen dafür, dass erste Feststellungen keine Hinweise auf Baumängel ergeben haben.«
»Ungesicherte Feststellungen«, wandte ich ein. »In einem der Protokolle, die uns vorliegen, ist von porösem Beton die Rede.«
Seymour winkte ab. »Ich habe bereits unsere Anwälte eingeschaltet. Falls es zu Regressforderungen kommt, werden wir uns auf die Hinterbeine stellen. Es lässt sich leicht nachvollziehen, was an Zement und Kies verbraucht wurde. An der Konsistenz des Betons, der für den Bau des Gebäudes verwendet wurde, gibt es nichts zu rütteln. Und das werden wir im Falle des Falles beweisen.«
Seymour atmete tief durch, dann fuhr er fort: »Die Seymour-Bau Ltd. hat einen Ruf zu verlieren. Die Firma kann sich keine mangelhafte Arbeit leisten, und sie wird sich keine mangelhafte Arbeit leisten. Nach diesem Grundsatz arbeiten wir seit dem ersten Tag unseres Bestehens, und weil das so ist, bin ich mir so sicher, dass man uns nichts am Zeug flicken kann.«
Dan Wolters Wohnung lag in der 44th Street in der Nähe des Times Square, wo sich Broadway und Seventh Avenue kreuzten. Der Mann war zu Hause. Als er uns die Tür öffnete, schlug uns eine Alkoholfahne entgegen. Wolters war etwa fünfzig Jahre alt. Er trug nur ein weißes Unterhemd und eine verwaschene Jeans. Seine Augen waren gerötet. In seinem Mundwinkel hing eine selbstgedrehte Zigarette. Tagealte Bartstoppeln wucherten in seinem Gesicht. Dieser Mann machte einen ziemlich heruntergekommenen Eindruck.
»Mr. Wolters?«, fragte ich vorsichtshalber, denn was ich hier zu sehen bekam, hatte ich nicht erwartet.
Er nahm die Zigarette aus dem Mund. »Ja.« Seine Stimme klang heiser. »Wenn Sie gekommen sind, um die Miete einzutreiben, muss ich Ihnen sagen, dass ich …«
»FBI«, sagte ich. »Ich bin Special Agent Trevellian, mein Kollege Milo Tucker. Wir hätten ein paar Fragen an Sie, Mr. Wolters.«
Er zog an der Zigarette, inhalierte den Rauch und stieß ihn dann durch die Nase aus. »FBI? Wie komme ich zu der Ehre?«
»Es ist wegen des Gebäudeeinsturzes in Queens.«
Wolters starrte mich nur an.
»Wir sollten das nicht zwischen Tür und Angel besprechen«, gab Milo zu verstehen.
»Ich wurde bereits von der Polizei einvernommen. Was also wollen Sie von mir? Ich habe alles gesagt, was ich weiß.«
Er machte keine Anstalten, uns in seine Wohnung zu bitten. Im Gegenteil. Er wollte sich abwenden und uns wahrscheinlich die Tür vor der Nase zu schließen.
»Moment!«, stieß ich scharf hervor. »Wir können es auch anders machen, Wolters, und Sie mitnehmen. Es liegt ganz an Ihnen.«
»Ich habe bereits alles gesagt.«
»Möglicherweise ist die eine oder andere Frage noch unbeantwortet«, knurrte Milo. »Schließlich waren Sie maßgeblich an dem Bau beteiligt, dessen Besitzer sich gerade mal vier Jahre seiner Standhaftigkeit erfreuen durfte. Und sollte sich herausstellen, dass Ihre Berechnungen falsch waren und aufgrund dessen zig Menschen starben und verletzt wurden, wird das ziemlich teuer für Sie werden.«
»Meine Berechnungen waren nicht falsch. Aber das ist jederzeit nachvollziehbar.«
»Arbeiten Sie derzeit als Statiker?«
»Nachdem Desmond starb, übernahmen Stiller & Partner das Büro. Sie hatten ihre eigenen Leute. Ich wurde arbeitslos. Und niemand gab mir eine neue Anstellung. Jetzt schlage ich mich mit Gelegenheitsjobs durchs Leben. Wenn du mal die Fünfzig überschritten hast, gehörst du zum alten Eisen. Frustrierend, aber nicht zu ändern. Ich habe mich damit abgefunden.«
»Wer ist da, Dan?«, rief eine Frauenstimme in der Wohnung.
»Zwei Bul … Zwei Polizisten. Sie haben nur ein paar Fragen.« Wolters blinzelte mich an. »Also fragen Sie.«
»Wer zeichnete damals die Pläne?«
»Desmond selbst. Er führte auch die Bauaufsicht und rechnete mit den Zulieferfirmen sowie den Subunternehmen, die er eingeschalten hat, ab.«
»Führte die Seymour-Bau auch den Innenausbau durch?«, fragte ich.
»Nein. Das war die Firma Steiger. Sie hat ihren Sitz in Brooklyn.«
»Wer führte die Betonarbeiten durch?«
»Die Seymour-Bau.«
»Auch die Armierungsarbeiten?«
»Die gesamte Betonkonstruktion. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ein Gebäude wie das in Queens hochzuziehen. Verwendung von Fertigbauteilen zum Beispiel. Das Gebäude in Queens wurde nicht in Fertigbauweise erstellt. Fundament, Außenwände und Decken wurden betoniert, die Innenwände gemauert.«
»Stewart Seymour von der Seymour-Bau denkt, dass vielleicht der Untergrund nachgegeben hat«, erklärte ich. »Ob es durch das Grundwasser verursacht wurde oder durch Hohlräume im Boden unter dem Gebäude soll zunächst dahingestellt sein. Was halten Sie von dieser Theorie?«
»Es ist nicht auszuschließen. Ich habe lediglich die Statik des Gebäudes berechnet. Sonst hatte ich mit dem Bau nichts zu tun. Für die Richtigkeit meiner Berechnungen würde ich die Hand ins Feuer legen. Der Einsturz hatte andere Ursachen. Kurz bevor Desmond starb, machte er so seltsame Andeutungen, deren Sinn ich nicht verstanden habe.«
»Was für Andeutungen?«
Wolters legte die Stirn in Falten, er schien nachzudenken, dann antwortete er: »Er meinte, dass man ihn hereingelegt habe, dass er jedoch über ein ausgezeichnetes Druckmittel verfüge. Allerdings nannte er keine Namen. Mich nervte damals sein geheimnisvolles Getue. Aber er war der Boss, und er war mir keine Rechenschaft schuldig.«
»Der Begriff Druckmittel hört sich irgendwie kriminell an«, stieß Milo hervor. »Nach Erpressung.«
Wolters schüttelte den Kopf. »Das hatte Desmond nicht nötig, denn er verdiente genug Geld. Er griff dieses Thema auch nie wieder auf. Nun, viel Zeit hatte er nicht mehr. Vier Wochen später war er tot.«
»Erzählen Sie uns von den näheren Umständen seines Todes«, forderte ich.
»Da gibt es nicht viel zu erzählen. Es war ein Donnerstag. Wir Angestellten machten um siebzehn Uhr Feierabend. Desmond blieb im Büro, weil er einen dringenden Auftrag erledigen wollte. Um achtzehn Uhr fand ihn die Putzfrau. Er lag tot neben seinem Schreibtisch. Der Arzt diagnostizierte Herztod.«
»War Desmond verheiratet?«
»Ja. Er hatte auch zwei Kinder. Einen Sohn und eine Tochter. Beide sind erwachsen und verheiratet.«
»Ist der Sohn nicht in seine Fußstapfen getreten?«
»Nein. Der hat Jura studiert und arbeitet als Rechtsanwalt.«
»Wo wohnte Desmond?«
»Er besaß ein Haus in Staten Island und eine Wohnung in der achtzehnten Straße. Amelia ist nach seinem Tod nach Manhattan gezogen.«
»Amelia war seine Frau?«
»Ja.«
»Verwendeten Sie eine Software für die Berechnung der Statik?«
»Natürlich.«
Als wir wieder im Wagen saßen, meinte Milo: »Dem würde ich auch keinen Job als Statiker geben.«
»Wahrscheinlich hat ihn erst die lange Arbeitslosigkeit auf dieses – hm, asoziale Niveau herabsinken lassen. Es gibt viele fähige Leute, die auf diese oder jene Art am Leben oder an ihrer Umwelt zerbrochen sind.«
»Mir gibt die Aussage zu denken, wonach Desmond geäußert haben soll, dass man ihn hereingelegt habe, und dass er über ein ausgezeichnetes Druckmittel verfüge.«
»Ja, das ist seltsam«, pflichtete ich bei. »Aber was er damit meinte, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Namen hat er nicht genannt. Und auf irgendwelche Spekulationen können wir uns nicht einlassen.«
Der Wagen trug uns nach Süden. Die 18th Street war unser Ziel. Dort wohnte die Witwe Walter Desmonds. Es nieselte leicht. Ich hatte die Scheibenwischer auf Intervall geschaltet. Wir befanden und auf der 10. Avenue. Der Verkehr rollte auf mehreren Fahrspuren, und es ging nur sehr stockend vorwärts. Verworrener Lärm umgab uns. Durch das Gebläse zog der Geruch von Abgasen ins Wageninnere. Ich schaltete es aus. Allerdings beschlug sofort die Scheibe, und ich musste es wieder aktivieren.
Milo telefonierte mit dem Field Office, damit man dort die Nummer des Gebäudes herausfand, in dem Amelia Desmond wohnte, und ihm diese mitteilte. Es dauerte nicht lange, dann bedankte er sich, senkte die Hand mit dem Mobiltelefon und sagte: »Nummer hundertsieben. Die achtzehnte ist eine Einbahnstraße, die nur von Westen nach Osten befahren werden darf.«
»Wenn wir auf der Tenth Avenue bleiben, kommen wir so ziemlich an ihrem Beginn in die Achtzehnte«, versetzte ich.
Ich chauffierte uns also bis zur Einmündung der 18th Street in die Tenth Avenue und bog dann nach links ab. Auf beiden Seiten der Straße parkten Autos. Auf den Gehsteigen bewegten sich Passanten. Die Häuser zu unserer Linken und Rechten ließen den Eindruck entstehen, dass wir durch eine Schlucht fuhren, die von senkrechten Felswänden gesäumt wurde. Wir passierten einen Obst- und Gemüseladen, dann eine Wäscherei, dann kreuzte die Ninth Avenue, wir fuhren am Joyce Theater vorbei und mussten an der Kreuzung mit der Eighth Avenue anhalten, weil es die Ampelschaltung so gebot. Schließlich fanden wir das Gebäude mit der Nummer 107 zwischen der Seventh Avenue und der Avenue of the Americas. Mit Parkplätzen sah es schlecht aus, doch ich hatte Glück und fünfzig Yards vor uns rangierte ein Fahrer seinen Wagen aus einer Parklücke, in die ich eine halbe Minute später den Wagen setzte.
Wir verließen den Wagen, ich schloss per Fernsteuerung ab. Nachdem wir ein Auto vorbeigelassen hatten, überquerten wir die Straße. Bei dem Gebäude Nummer 107 handelte es sich um ein fünfzehnstöckiges Hochhaus mit einer Fassade, die nur aus Fenstern zu bestehen schien.
In der Halle gab es eine Rezeption mit einem Portier. Er erklärte, dass sich das Apartment Mrs. Desmonds in der zwölften Etage befand. Wir benutzten einen der fünf Aufzüge, über die das Gebäude verfügte.
Apartment Nummer 1205. Das Türschild verriet, dass wir richtig waren. Ich klingelte. Der weiche Ton der Glocke war durch die geschlossene Tür zu vernehmen. Die Linse des Spions verdunkelte sich, Zeichen dafür, dass jemand durch das kleine Guckloch schaute, dann wurde die Tür eine Hand breit aufgezogen und eine Frau fragte: »Was wünschen Sie?«
Ich stellte uns vor und erklärte dann, dass wir ihr gerne einige Fragen ihren verstorbenen Mann betreffend stellen würden. Während ich sprach, holte ich meine ID-Card aus der Jacke und zeigte sie ihr.
Sie ließ uns in die Wohnung. Die Einrichtung ließ vermuten, dass es der Witwe nie schlecht gegangen war. Ich sah einige Sideboards und Vitrinen, die mit teurem Wurzelholz furniert waren, eine schwere, lederbezogene Polstergarnitur, und eine Reihe gewiss nicht billiger Accessoires wie Bilder, Porzellanfiguren und viel Kristall in den Vitrinen.
»Bitte, nehmen Sie Platz, Gentlemen«, sagte die Witwe und vollführte eine einladende Handbewegung in Richtung Polstergarnitur. »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
Wir ließen uns nieder. Den Drink lehnten wir dankend ab. Auch Mrs. Desmond setzte sich. Fragend schaute sie von Milo auf mich.
»Ihr Mann hat das Gebäude in Queens geplant, das kürzlich einstürzte«, begann ich. »Ich denke, Sie haben von der Katastrophe gehört oder gelesen.«
»An Tragik kaum zu überbieten«, murmelte die Witwe und senkte den Blick. Dann zuckte sie mit den Schultern. »Ich weiß nicht, welche Projekte im Einzelnen mein Mann geplant hatte. Er hat über seine Arbeit nie mit mir gesprochen.«
»Arbeitete Ihr Mann alleine oder gab es einen Kompagnon?«, wollte Milo wissen.
»Er hatte einige Angestellte«, versetzte die Frau. »Nach dem Tod meines Mannes wurde das Büro aufgelöst. Ich habe die Beschäftigten großzügig abgefunden.«
»Sprach Ihr Mann kurz vor seinem Tod darüber, dass er hereingelegt worden sei?«
Mrs. Desmond dachte kurz nach. Dann schüttelte sie den Kopf. »Ich kann mich nicht erinnern.« Und nach erneuter kurzer Überlegung fügte sie hinzu: »Nein, darüber sprach er nicht. Nur einmal deutete er an, dass sich seine Zusammenarbeit mit der Seymour-Bau Ltd. künftig wohl ziemlich intensivieren dürfte.«
»Mehr sagte er nicht?«
»Nein. Ich fragte auch nicht.«
»Gibt es noch die Unterlagen, die damals im Büro Ihres Mannes aufbewahrt wurden? Ich meine die Akten in Bezug auf die Projekte, die er leitete?«
»Ja. Sie wurden von der Nachfolgefirma meines Mannes übernommen.«
»Stiller & Partner?«
»Ja. Das Büro befindet sich in der Albany Street.«
Wir verließen Mrs. Desmond wieder, nachdem wir keine Fragen mehr an sie hatten, und suchten das Architekturbüro Stiller & Partner auf. Man händigte uns ohne großes Wenn und Aber die Akte bezüglich der Planung des Gebäudes in Queens aus, und wir fuhren damit ins Federal Building.
Dort führten wir uns die Akte zu Gemüte. Sie beinhaltete eine Reihe von Gutachten, Berechnungen und Zeichnungen. Für uns größtenteils spanische Dörfer. Also beschlossen wir, die Gutachten abzuwarten.
Es gab außerdem noch ein paar Leute, mit denen wir uns unterhalten wollten. Da war zunächst Alfred Taylor, der Ingenieur, der die Bauarbeiten vor Ort leitete. Nach ihm wollten wir uns mit Stanley Wallace befassen, dem Besitzer des Gebäudes.
Ehe wir uns aber mit Taylor beschäftigten, meldeten wir uns bei Mr. McKee an. Er lud uns ein, sofort zu ihm zu kommen. Wenig später saßen wir an dem kleinen Konferenztisch in seinem Büro. Er hatte die Ellenbogen auf den Schreibtisch gestellt und die Finger seiner feingliedrigen Hände ineinander verschränkt. Da Mr. McKee wusste, woran wir arbeiteten, musste ich nicht weit ausholen sondern konnte gleich auf den Punkt kommen.
»Wir haben sowohl mit Stewart Seymour von der Seymour-Baugesellschaft wie auch mit Dan Wolters gesprochen, der damals die statischen Berechnungen durchführte«, erklärte ich. »Jeder weist jedwede Schuld von sich. Aber das war wohl nicht anders zu erwarten.«
Milo übernahm es, den Chef mit Details zu bedienen.
»Jemand trägt die Schuld am Einsturz des Gebäudes«, sagte Mr. McKee, als Milo geendet hatte, und verlieh seinen Worten eine besondere Betonung. »Was zu der Katastrophe führte, ist zwar noch unklar, aber die Palette der Verantwortlichkeiten reicht von leichter Fahrlässigkeit bis hin zum Vorsatz. Ein Bau, der den baulichen Vorschriften entsprechend erstellt worden ist, stürzt nicht so mir nichts dir nichts nach vier Jahren ein.« Die Stimme des Assistant Directors sank herab. »Es hat viele Tote und Verletzte gegeben. Ich will, dass der Schuldige an diesem Drama zur Verantwortung gezogen wird.«
»Wir werden unser Möglichstes tun, Sir«, versicherte ich. »Zunächst einmal aber müssen wir die gutachterlichen Stellungnahmen abwarten. Erst wenn feststeht, worauf der Einsturz zurückzuführen ist, haben wir einen Hebel, den wir ansetzen können.«
»Es wird eine Pressekonferenz geben. Der Einsturz des Gebäudes hat weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Wir stehen im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Sie wissen, was ich damit zum Ausdruck bringen möchte.«
»Natürlich«, antworteten wir in Stereo und erhoben uns. Wir waren entlassen.
Ich vermutete, dass Mr. McKee von Washington aus unter Druck gesetzt worden war. Das FBI New York sollte der amerikanischen Öffentlichkeit, nein, der ganzen Welt, einen Schuldigen an der Katastrophe in Queens präsentieren. Und auf das Hauptquartier in Washington übte sicher das Justizministerium Druck aus, vielleicht sogar der Präsident der USA.
Das hieß, dass wir uns in Zugzwang befanden. Aber wer uns kennt, der weiß, dass wir nicht ruhten, bis wir Licht ins Dunkel gebracht hatten – was immer es auch war, das uns in Atem hielt, und ohne Rücksicht auf das Ansehen der Person.
Ich telefonierte mit der Seymour-Bau Ltd. und erfuhr, dass Alfred Taylor auf einer Baustelle in Westchester County beschäftigt war, genauer gesagt in der Hayward Street, Stadtteil Yonkers. Es handelte sich um ein Mehrfamilienhaus. Als wir das Federal Building verließen, um nach Yonkers zu fahren, war es 15 Uhr vorbei.
Nach 16 Uhr erreichten wir unser Ziel. Das Gebäude, das in der Hayward Street errichtet wurde, sollte eine Baulücke schließen. Es stand bereits bis zum dritten Stockwerk im Rohbau. Ein Kran stand auf der Straße und sorgte für eine Engstelle.
Ich stellte den Wagen ab und wir suchten uns ein Lücke in der Umzäunung aus Drahtgeflecht-Fertigteilen, durch die wir die Baustelle betreten konnten. Milo fragte den Mann, der die Fernbedienung für den Kran bediente, nach Taylor. Er schickte uns zu einer Bauhütte im Hinterhof. Wir trafen dort zwei Männer an. Sie trugen gelbe Schutzhelme. Beide waren mit blauen Overalls bekleidet. Sie standen über einen Schreibtisch gebeugt und vor ihnen lag ein Bauplan, sicherlich der Plan für das Gebäude, das sie hier errichteten.
Jetzt wandten sie sich uns zu.
»Wir suchen Mr. Taylor«, erklärte ich, nachdem ich gegrüßt hatte.
»Das bin ich«, sagte einer der beiden, ein schlanker Mann mit einem schwarzen Schnurrbart und einem wettergegerbten Gesicht. Man sah ihm an, dass er die meiste Zeit an der frischen Luft tätig war. »Was gibt es denn?«
»Mein Name ist Trevellian«, stellte ich mich vor. »Special Agent, FBI New York.« Ich wies mit einer knappen Geste auf Milo. »Special Agent Tucker. Wir haben einige Fragen an Sie.«
Sein Gesicht verschloss sich. Seine Brauen schoben sich zusammen, und über seiner Nasenwurzel bildeten sich zwei senkrechte Falten. »Es ist wegen des Gebäudeeinsturzes in Queens, nicht wahr?«
Ich nickte.
Taylor verzog den Mund. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass ihn unser Besuch wenig erfreute. »Was möchten Sie denn wissen? Ich denke, ich habe schon alles Ihren Kollegen vom Police Department gesagt.«
»Sicher, Mr. Taylor. Aber vielleicht gibt es doch noch die eine oder andere Frage, außerdem wollen wir uns selbst ein Bild verschaffen. Trockene Protokolle, die möglicherweise wichtige Fragen offen lassen, sind dazu nicht geeignet.«
Taylor schaute den anderen Mann an. »Okay, Jim. Wir machen es wie besprochen. Mit dem Architekten kläre ich es noch ab.«
Der Bursche hob die Hand zum Zeichen dafür, dass er verstanden hatte, dann verließ er die Baubude. Taylor setzte sich auf die Kante des Schreibtisches und verschränkte die Arme vor der Brust. In seinen Mundwinkeln zuckte es. »Womit kann ich dienen?« Seine Stimme klang plötzlich belegt.
Ich hatte das Gefühl, dass er sich dazu zwang, locker und aufgeschlossen zu wirken. Nervös nagte er an seiner Unterlippe. In seinen Augen war ein unruhiges Flackern. Hatte ihn die Tatsache, dass wir vom FBI waren, so sehr aus der Ruhe gebracht, oder gab es einen anderen Grund?
»Sie leiteten damals die Bauarbeiten«, begann ich.
»Ja.« Er nahm die Arme aus der Verschränkung und stemmte sie zu seinen beiden Seiten auf die Schreibtischplatte, schob das Kinn vor und blaffte: »Und kommen Sie mir nicht mit baulichen Mängeln, die zu dem Einsturz geführt haben. Wir haben den Bau ordnungsgemäß hochgezogen und …«
»Niemand behauptet, dass das nicht so wäre«, unterbrach ich ihn. »Unsere Fragen entbehren jeglicher Schuldzuweisung. Wobei erste Feststellungen ergeben haben, dass der Beton, aus dem das Gebäude zu großen Teilen errichtet worden war, ziemlich porös sein soll.«
»Ich kann dazu nichts sagen.« Er rutschte von der Schreibtischkante, ging hinter den Schreibtisch und setzte sich auf den Drehstuhl, der dort stand. Wo seine Hände die Kante der Schreibtischplatte umklammert hatten, waren feuchte Stellen zurückgeblieben. »Der Beton, der verwendet wurde, entspricht den Anforderungen. Er wurde in fertigem Zustand angeliefert. Die Bewehrung mit Stahl wurde ordnungsgemäß erledigt. Der Beton wurde durch Rütteln verdichtet. So vermeidet man Hohlräume zwischen den Gesteinskörnungen und Lunker (Hohlräume in Gussstücken) zwischen Beton und Schalung und zwischen den Stahleinlagen.«
»Ich nehme an, dass es Beton in verschiedenen Güteklassen gibt«, ließ Milo seine Stimme erklingen.
»Klar. Man nennt dies Betonfestigkeitsklasse. Je größer die Zugabemenge der Zuschläge, umso magerer wird der Beton, umso schlechter und billiger ist er.«
»Beton welcher Klasse wurde für den Bau verwendet?«
»Das weiß ich leider nicht mehr. Ihnen ist sicher auch nicht geholfen, wenn ich jetzt große Ausführungen zu den Betonfestigkeitsklassen mache. Sicher ist, dass kein minderwertiger Beton verwendet wurde, sondern den geltenden Normen entsprechendes Material. Aber das wird das Gutachten ergeben.«
»Ihr Chef meint, dass der Untergrund nachgegeben hat.«
»Mr. Seymour und ich haben uns darüber ausführlich unterhalten. Eine andere Erklärung gibt es nicht.«
»Damit wäre die Seymour-Bau aus dem Schneider«, meinte Milo.
Darauf gab Taylor keine Antwort. Er vermied es aber auch, mich oder Milo anzusehen. Fahrig wischte er sich mit Daumen und Zeigefinger seiner Rechten über das Kinn. Immer wieder schluckte er. Dieser Mann war die personifizierte Unruhe.
»Hatten Sie die Verantwortung für die ordnungsgemäße Armierung?«
Taylor nickte. »Ich war verantwortlicher Bauleiter. Aber das wissen Sie sicher.«
Er zeigte sich jetzt nach außen hin ziemlich trotzig und unnahbar, konnte aber nicht verbergen, dass er innerlich vibrierte. Nun, wir hatten nicht erwartet, Dinge zu erfahren, die uns weitergebracht hätten. Wenn schlechter Beton verwendet wurde, dann würde das sicher keiner der Verantwortlichen zugeben. Außerdem würden wir dann andere Wege beschreiten müssen. Die Frage war dann, wer den Beton bei der Mischanlage angefordert und die zu liefernde Festigkeitsklasse bestimmt hatte.
Uns ging es im Moment nur darum, die Männer persönlich kennenzulernen, die an dem Bau maßgeblich beteiligt waren, ihre Reaktionen zu beobachten und einzuschätzen und uns einen groben Überblick über die Möglichkeiten zu verschaffen, die einen Gebäudeeinsturz auslösen können.
Ich gab Taylor eine von meinen Visitenkarten, dann verließen wir seine Wohnung.
In der Sammlung der maßgeblich am Bau beteiligten Männer fehlte uns fürs Erste nur noch der Bauherr. Wir wussten, dass er Stan Wallace hieß, Multimillionär war und in Brooklyn wohnte, nahe beim Lindbergh Park, mit Ausblick auf die Gravesend Bay; eine Wohngegend, die für Normalsterbliche wie Milo und mich aufgrund unerschwinglicher Grundstückspreise tabu war.
Den Besuch bei ihm wollten wir uns für den kommenden Tag aufheben.
»Die beiden befragten mich zur Festigkeitsklasse des Betons, der verwendet wurde«, sagte Taylor in sein Handy. »Ich habe ihnen geantwortet, dass nur den Baunormen entsprechendes Material verwendet wurde.«
Es war 20 Uhr vorbei. Taylor befand sich in seiner Wohnung in der 112th Street. Es handelte sich um ein Zwei-Zimmer-Apartment, das er seit der Scheidung von seiner Frau bewohnte.
»Was hättest du auch sonst antworten sollen? Was den Bau in Queens angeht, haben wir wohl ein wenig übertrieben. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir auffliegen. Die Schnüffler vom FBI werden sehr schnell feststellen, dass Desmond gefälschte Lieferscheine und Rechnungen bekam.«
»Was tun wir? Man wird uns für den Rest unseres Lebens hinter Gitter schicken. Lavender wird den Kopf nicht allein in die Schlinge stecken, wenn die Fälschungen auffliegen. Ich war verantwortlich für das Baumaterial …«