Krimi Doppelband 810: Commissaire Marquanteur: Zwei Frankreich Krimis - Alfred Bekker - E-Book

Krimi Doppelband 810: Commissaire Marquanteur: Zwei Frankreich Krimis E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Krimis: Commissaire Marquanteur und das Killernetz (Alfred Bekker) Commissaire Marquanteur und der Verurteilte (Alfred Bekker) Ein zu lebenslänglich verurteilter Verbrecher bietet an, die Hintermänner seiner Organisation zu verraten, im Gegenzug dafür, dass die Ermittler Marquanteur und Leroc den Mörder seines Sohnes ausfindig machen. Doch jeder Verdächtige wird kurz vor der Verhaftung umgebracht. Welche Ziele verfolgt der Kriminelle wirklich? Die FoPoCri muss schnell arbeiten, um vor dem Killer am Ziel zu sein. Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Jack Raymond, Jonas Herlin, Dave Branford, Chris Heller, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

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Alfred Bekker

Krimi Doppelband 810: Commissaire Marquanteur: Zwei Frankreich Krimis

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Inhaltsverzeichnis

Krimi Doppelband 810: Commissaire Marquanteur: Zwei Frankreich Krimis

Copyright

​Commissaire Marquanteur und das Killernetz

Commissaire Marquanteur und der Verurteilte

Krimi Doppelband 810: Commissaire Marquanteur: Zwei Frankreich Krimis

von Alfred Bekker

Dieser Band enthält folgende Krimis:

Commissaire Marquanteur und das Killernetz (Alfred Bekker)

Commissaire Marquanteur und der Verurteilte (Alfred Bekker)

Ein zu lebenslänglich verurteilter Verbrecher bietet an, die Hintermänner seiner Organisation zu verraten, im Gegenzug dafür, dass die Ermittler Marquanteur und Leroc den Mörder seines Sohnes ausfindig machen. Doch jeder Verdächtige wird kurz vor der Verhaftung umgebracht. Welche Ziele verfolgt der Kriminelle wirklich? Die FoPoCri muss schnell arbeiten, um vor dem Killer am Ziel zu sein.
Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Jack Raymond, Jonas Herlin, Dave Branford, Chris Heller, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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​Commissaire Marquanteur und das Killernetz

von Alfred Bekker

Commissaire Marquanteur und das Killernetz: Frankreich Krimi

von Alfred Bekker
Wer ermordet in Marseille Menschen, indem er die Software von Autos manipuliert? Nicht nur der Tod eines Polizisten ruft die Ermittler Leroc und Marquanteur auf den Plan, denn die Hinweise deuten in Richtung eines verurteilten Verbrechers. Aber der Täter macht auch vor den Mitarbeitern der FoPoCri nicht Halt, mit schrecklichen Folgen.
Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Jack Raymond, Jonas Herlin, Dave Branford, Chris Heller, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.
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Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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1
Die zwei Männer standen auf einem der Landungsstege im Yachthafen von Marseille.
“Siehst du die Wolken dort”
“Sehe ich.”
“Gut, dass wir heute mit dem Motorboot rausgefahren sind. Morgen würde ich das nicht tun.”
“Meinst du, es gibt schlechtes Wetter?”
“Natürlich gibt es schlechtes Wetter. Was denn sonst. Wenn die Wolken über dem Meer so sind, dann gibt es schlechtes Wetter und man sollte nicht hinausfahren. Unter gar keinen Umständen. Dann bleibt man im Hafen.”
“Dann sollten wir froh sein, dass wir heute rausgefahren sind.”
Ein Vogelschwarm näherte sich der Küste. Ein chaotischer Chor aus unterschiedlichsten Vogelstimmen wurde langsam lauter und es wurde schnell klar, dass das kein gewöhnlicher Schwarm war.
“Seeadler, die zusammen mit Möwen und allem möglichen anderen Getier fliegen!”
“Da sieht man selten!”
“Das schlechte Wetter treibt sie vor sich her. Sie sind auf der Flucht. Nicht ein Anzeichen dafür, dass sich da etwas zusammenbraut.”
“Das heißt wohl, dass man morgen einen Schirm mitnehmen sollte!”
“Das heißt, dass man morgen am besten zu Hause bleiben sllte.”
“Leider gibt es immer ein paar Dinge, die dringend zu erledigen sind.”
“Stimmt.”
“Da kann das Wetter noch so schlecht sein.”
“Auch wahr.”
Die Vögel kamen näher. Es war ein gigantischer Schwarm. So etwas gab es nur dann, wenn die Front eines nahenden Unwetters schon ziemlich nahe herangekommen war.
Der Wind frischte auf.
Es wurde merklich kühler.
“Wann wirst du die Sache eigentlich durchziehen, die du immer wieder ankündigt und dann doch nicht in die Tat umsetzt?”, fragte einer der beiden Männer.
“Keine Ahnung, wovon du sprichst!”
“Ich denke, das weißt du ganz genau.”
“Dann klär mich auf! Wirklich! Ich bin vollkommen ahnungslos!”
“Du wolltest doch diesen Flic aus der Spezialabteilung umbringen. Wie hieß der noch? Marquanteur! Pierre Marquanteur! Dieser blöde Hund, der die guten Geschäfte mit Drogen verdirbt, weil er die besten Lieferanten verhaftet hat. Der Mann, den es inzwischen schwer macht, noch einen geeigneten Lohnkilller oder Knochenbrecher zu engagieren, weil die guten Leute alle in La Villette hinter Gittern sitzen. Der Mann, der dir auf den Kopf kackt, wenn er will, so wie die Vögel dort!”
“Man muss nichts überstürzen.”
“Das heißt, das waren alles nur leere Worte?”
“Nein, das waren nicht nur leere Worte.”
“Leere Worte sind die, denen niemals Taten folgen. Und in dieser Angelegenheit sind bei dir bis jetzt keine Taten gefolgt.”
“Meine Güte, du gehst mir auf die Nerven.”
“Weil ich dich daran erinnere, was du selbst gesagt hast? Ist das jetzt dein Ernst?”
“Hör mal…”
“Nein, du hörst mir jetzt erst einmal zu. Wenn jemand nicht tut, was er sagt, dann macht er sich zum Gespött. Und du bist auf bestem Wege dazu. Willst du, dass man über dich lacht? Willst du, dass man denkt, du hättest Angst vor diesem Marquanteur? Willst du, dass man glaubt, dieser Pierre Marquanteur könnte dir auf der Nase herumtanzen? Dann sage ich dir jetzt mal eins: Ich habe mit den anderen gesprochen. Die stellen sich alle dieselben, für dich vielleicht etwas unangenehmen Fragen.”
“Man muss auf den richtigen Augenblick warten können.”
“Wenn du den nicht schon verpasst hast.”
“Nein, das habe ch nicht. Da kannst du ganz sicher sein.”
“So?”
“Und in einer anderen Sache kannst du auch ganz sicher sein.”
“Ich bin gespannt!”
“Ich werde diesen Pierre Marquanteur eines Tages umlegen. So wahr ich hier stehe!”
“Das wirst du auch müssen. Sonst nimmt dich in ganz Marseille bald niemand mehr ernst. “
Nieselregen setzte jetzt ein und wurde dann schnell heftiger.
Als die beiden Männer den Landungssteg verlassen und ein kleines Bistro in der Nähe des Yachthafens erreicht hatten, waren sie bereits vollkommen durchnässt..
*
An diesem Morgen holte ich meinen Kollegen François Leroc wie üblich an der vereinbarten Ecke ab. Diese Fahrt ist gewissermaßen meine Morgenroutine. Ich hole François ab und dann fahren wir gemeinsam zum Polizeipräsidium Marseille, wo wir unser Büro haben. Manchmal werden wir natürlich auch schon auf dem Weg dorthin zu einem Einsatz gerufen, aber normalerweise läuft das so, wie ich es gerade geschildert habe.
An diesem Tag regnete es.
Es regnete Bindfäden, wie man so schön sagt.
Und das kommt in Marseille in dieser Form nun wirklich selten vor.
Blauer Himmel, glitzerndes Mittelmeer, heller Sonnenschein - so ist das hier meistens.
Aber keine Regel ohne Ausnahme.
Und heute war es eben anders.
Nicht nur heute, sondern schon ein paar Tage.
Manche Oberschlaue sagten, das sei der Klimawandel.
Andere meinen zu wissen, dass das eben die ganz normale Schwankungsbreite sei, die das Wetter in Marseille nunmal aufweist.
Marseille ist für alles Mögliche bekannt. Als zweitgrößte Stadt Frankreichs und wichtiger Mittelmeerhafen ist die Bedeutung nicht zu unterschätzen.
Dann ist Marseille bekannt für kulinarische Köstlichkeiten wie die Bouillabaisse.
Aber für eins ist Marseille nun wirklich nicht bekannt: Schlechtes Wetter.
Heute sah es so aus, als würde die Sonne gar nicht erst herauskommen.
Der Regen nahm immer mehr zu.
Die Scheibenwischer kamen zeitweilig gar nicht mit dem Wischen nach. Man konnte kaum erkennen, was draußen geschah.
Immerhin sah ich noch die Bremslichter des Fahrzeugs vor mir.
Es handelte sich um einen Mercedes Transporter.
Wir standen an einer Ampel.
Und da blieben wir dann erst mal.
»Der Morgen beginnt gleich ziemlich trübe«, meinte François.
»Das kannst du laut sagen«, gab ich zurück.
Die Ampelphase dauerte und dauerte.
Sie schien gar kein Ende zu nehmen.
Dass in der Rushhour Ampeln den fließenden Verkehr nicht schlucken, kommt relativ häufig vor. Dann quält sich die Schlange aus Blech Meter für Meter weiter. Aber immerhin geht es dann irgendwann weiter, auch wenn es vielleicht nicht gerade schnell geht.
Wir warteten.
Wir warten noch länger.
Der Regen prasselte unterdessen unablässig gegen die Frontscheibe.
François sah auf die Uhr. Ich starrte in das triste Grau, das uns umgab.
»Wird Zeit«, meinte François.
»Du kannst ja den Chef anrufen, dass wir später zum Meeting kommen.«
»Dem wird das nicht gefallen.«
»Wir machen das ja nicht mit Absicht.«
»Ich glaube, das spielt für den Chef keine Rolle.«
»Ich fürchte, da hast du recht, Pierre.«
»Aber es kann ja schließlich nicht jeder im Büro übernachten, wie unser Chef das manchmal macht.«
»Wer weiß, Pierre. Vielleicht erwartet er das insgeheim auch von uns.«
»Hat er so deutlich noch nie gesagt!«
»Es gibt auch so etwas wie stille Erwartungen, Pierre.«
»Stille Erwartungen sind die, um die man sich besser gar nicht erst kümmert«, meinte ich.
»Ignorieren kann man sie aber genauso wenig.«
»Stille Erwartungen sind fürs Privatleben reserviert, François.«
»Und du meinst, weil wir beide in unserem Job so gut wie kein Privatleben haben, brauchen wir uns auch nicht weiter darum zu kümmern?«
»So ist es.«
Die Ampelphase dauerte nun inzwischen schon extrem lange.
Ich begann mit den Fingern auf dem Steuerrad herumzutippen.
Irgendjemand begann jetzt zu hupen. Es ging wirklich keinen Zentimeter vorwärts und das über so lange Zeit. Das war tatsächlich ungewöhnlich.
»Da muss was passiert sein«, glaubte François.
Und ich war geneigt, ihm beizupflichten.
Wir warteten weiter.
Der Regen ließ etwas nach.
Ich hörte, wie Autotüren geöffnet wurden.
Da stiegen offenbar die ersten Leute aus, um mal nachzusehen, was eigentlich los war.
Einer kam schließlich an unserem Wagen vorbei.
Ich ließ das Fenster herunter.
Etwas Regen kam mir ins Gesicht.
»Bonjour!«, rief ich.
»Bonjour«, kam es zurück.
»Was ist los?«
»Ampelausfall. Hören Sie kein Radio?«
»Wieso Radio?«
»Ist im ganzen Stadtteil so. Halb Marseille ist ohne Ampel.«
»Wieso das denn?«
»Softwareausfall. Da gibt es einen Großausfall. Kam im Radio.«
»Danke.«
»Ist ziemlich nass heute.«
»Mistwetter eben.«
»Genau.«
Der Mann ging weiter.
»Tja, vielleicht sollten wir morgens wieder Radio hören«, meinte François Leroc daraufhin.
Mein Name ist Pierre Marquanteur. Ich bin Commissaire und Teil einer in Marseille angesiedelten Sonderabteilung, die den etwas umständlichen Namen Force spéciale de la police criminelle, kurz FoPoCri, trägt und sich vor allem mit organisierter Kriminalität, Terrorismus und Serientätern befasst.
Die schweren Fälle eben.
Fälle, die zusätzliche Ressourcen und Fähigkeiten verlangen.
Zusammen mit meinem Kollegen François Leroc tue ich mein Bestes, um Verbrechen aufzuklären und kriminelle Netzwerke zu zerschlagen. »Man kann nicht immer gewinnen«, pflegt Monsieur Jean-Claude Marteau oft zu sagen. Er ist der Commissaire général de police und somit der Chef unserer Sonderabteilung. Und leider hat er mit diesem Statement Recht.
An diesem Morgen saßen François und ich jedenfalls erst mal auf der Verliererstraße fest.
*
Commissaire Pascal Lefebre saß am Steuer seines grauen, unscheinbaren Fords. Die Limousine war ein Dienstfahrzeug der Polizei in Marseille, und Lefebre war jetzt auf dem Weg nach Hause. Es war Wochenende. Das erste freie Wochenende seit langem für Lefebre.
Die Straße machte eine scharfe Kurve. Lefebre spürte, dass irgendetwas nicht stimmte. Das Lenkrad des Fords reagierte nicht, wie es sollte. Und außerdem waren da all die Lichter an den Armaturen, die plötzlich aufleuchteten, ohne dass es dafür anscheinend irgendeinen vernünftigen Grund gab.
Lefebre riss das Lenkrad herum.
Es reagierte nicht. Der Ford raste auf die steile Böschung zu.
»Verdammt!«, zischte es zwischen Lefebres Lippen hindurch, die innerhalb der letzten drei Sekunden zu farblosen, geraden Strichen geworden waren.
Lefebre trat mit aller Kraft auf das Bremspedal, obwohl das eigentlich nicht der Vorgehensweise entsprach, die man ihm beim Fahrtraining beigebracht hatte, das er während seiner Ausbildung beigebracht bekommen hatte, aber irgendetwas musste er tun.
Sekunden blieben ihm nun, um sich zwischen Alternativen zu entscheiden, die allesamt katastrophale Folgen haben würden.
Hart kam der Ford gegen einen Baum. Verzweifelt hatte Lefebre versucht, diesem Baum auszuweichen, aber die Lenkung hatte so gut wie gar nicht reagiert, ebenso wie die Bremsen. Plötzlich fing die Musik im Radio an zu spielen. Es war Country Musik.
Lefebre stutzte. Er selbst konnte Country Musik auf den Tod nicht ausstehen. Das Gebläse heulte auf.
»Wenn du glaubst, dass du was Besseres bist, nur weil du jetzt einer Einheit für ganz besondere Fälle angehörst, dann irrst du dich«, hörte er in seinem Kopf die Stimme seines Kollegen Yannick Neuville. Die Zeit erschien ihm eigenartig gedehnt. In diesen letzten Sekunden seines Lebens sah er sein bisheriges Leben in einer Art Zeitraffer vor sich. Er dachte daran, wie er die Gesamtschule verlassen hatte, wie er sich für die Polizei beworben und die Ausbildung schließlich abgeschlossen hatte. Das Gesicht von Darius »Fettsack« Basquiat sah er vor sich, als dieser große Bandenchef begriffen hatte, dass ein Gericht in Marseille ihn gerade für den Rest seiner Tage in ein Gefängnis weggesperrt hatte. Das war einer seiner größten Fahndungserfolge gewesen …
»War es das alles wirklich wert?«, erinnerte er sich jetzt an eine andere Stimme. Es war die Stimme seiner Frau. Sie hatte diesen Satz zu ihm gesagt, nachdem Basquiat verhaftet worden war und für Commissaire Pascal Lefebre und seine Familie damit eine lange Phase zu Ende ging, in der sie kein normales Leben hatten führen können. Sowohl Lefebre als auch seine Familie war rund um die Uhr zur eigenen Sicherheit überwacht worden, denn es hatte glaubhafte Informationen gegeben, dass Basquiat Anschläge plante. Und das nicht nur auf Lefebre selbst, der für ihn so etwas wie ein Erzfeind war, sondern auch auf seine Familie.
»War es das wirklich wert, Pascal?«, echote die Frage seiner Frau erneut in seinem Kopf.
Damals hatte er diese Frage nicht verstanden. Und er hatte schon gar nicht verstanden, wieso sie ihm diese Frage zu einem Zeitpunkt gestellt hatte, als doch schon alles vorbei und Basquiat verurteilt worden war.
Du hättest mir die Frage jetzt stellen sollen, dachte er.
Es war sein letzter klarer Gedanke. Der Wagen traf zwar wie durch ein Wunder nicht mit voller Wucht gegen den Baum, auf den er bis dahin zugerast war, sondern wurde nur seitlich touchiert, aber dann schleuderte der Ford einen Moment später frontal auf einen Felsbrocken.
Es wurde dunkel um Pascal Lefebre.
2
»Guten Morgen, setzten Sie sich!«, sagte Monsieur Marteau. Er deutete mit einer knappen Geste auf die vorhandenen Sitzgelegenheiten und ließ die Hände dann in den weiten Taschen seiner Flanellhose verschwinden. Der Chef unseres Polizeipräsidiums musterte uns kurz und wartete, bis François und ich uns gesetzt hatten.
In diesem Augenblick ging die Tür auf.
Melanie, die Sekretärin unseres Chefs, kam herein. Und in ihrem Gefolge betrat eine Frau mit asiatisch geprägten Gesichtszügen den Raum. Es handelte sich um Dr. Lin-Tai Fouquet, die Mathematikerin und IT-Spezialistin des Ermittlungsteams Erkennungsdienst, das François und mir bei unseren Ermittlungen zur Verfügung steht, wenn die lokalen Kapazitäten dafür quantitativ oder qualitativ nicht ausreichen.
Dr. Fouquet hier in Marseille in der Zentrale zu sehen, überraschte mich allerdings. Normalerweise hatte Fouquet ihren Arbeitsplatz in den Räumlichkeiten ungefähr zwanzig Minuten von Noailles entfernt. Und für gewöhnlich gab es auch selten einen Grund für die hochbegabte Expertin, den Komplex zu verlassen, zumal ihr dann immer ein wichtiges Werkzeug fehlte: Die hochmodernen Computer, die ihr dort nämlich zur Verfügung standen.
»Schön, dass Sie sich herbemüht haben, Doktor Fouquet«, begrüßte Monsieur Marteau die IT-Expertin.
»Ich habe bereits …«, begann sie, aber unser Chef unterbrach sie sofort.
»Warten Sie einen Moment und setzen Sie sich, Doktor Fouquet! Pierre und François sind mit den Einzelheiten des Falls noch nicht vertraut, und ich denke, wir sparen eine Menge Zeit, wenn die beiden zumindest wissen, worum es bei der ganzen Angelegenheit überhaupt geht.«
»Ja.« Fouquet nickte uns zu und setzte sich dann ebenfalls.
»Es geht um den Mord an unseren Kollegen Commissaire Pascal Lefebre«, erklärte Monsieur Marteau. »Sie werden vielleicht von seinem Tod gehört haben. Die Medien haben darüber berichtet. Vielleicht wundern Sie sich, dass ich von Mord spreche, wo doch bisher die Version verbreitet wurde, dass Commissaire Lefebre Opfer eines tragischen Verkehrsunfalls wurde. Aber inzwischen hat sich, auch Dank der Mithilfe von Doktor Fouquet, die Beweislage geändert. Es liegen Erkenntnisse vor, dass der Unfall vorsätzlich herbeigeführt wurde, und zwar durch Manipulationen an der Software des Wagens.«
»Ich möchte dazu sagen, dass ich bisher nur beratend aus der Ferne für die ermittelnden Kollegen tätig gewesen bin«, sagte jetzt Dr. Fouquet. »Um definitiv etwas zur Beweislage zu sagen, müsste ich selbst …«
»Dazu werden Sie ja Gelegenheit haben, Doktor Fouquet«, unterbrach Monsieur Marteau sie erneut. Er wandte sich wieder an uns. »Vor Kurzem kursierten Meldungen in den Medien, wonach es Hackern gelungen sei, das elektronische Innenleben von Fahrzeugen quasi zu übernehmen. Insbesondere bei modernen Fahrzeugen, die über ein GPS-Signal verfügen und eine eigene Online-Verbindung aufbauen, ist das erschreckenderweise möglich. Sie brauchen nur einen Computer dafür, oder wahlweise auch ein Smartphone. Sämtliche elektronisch unterstützten Systeme können dann theoretisch aus tausend Meilen Entfernung von einem Hacker gesteuert werden. Das gilt für die Bremsen, die Schlösser, das Radio, die Lenkung, das ABS-System, die Auslösung der Airbags …« Monsieur Marteau holte tief Luft, ehe er fortfuhr. »Sie können sich sicher vorstellen, wie sich so eine Systemübernahme als Mordwaffe nutzen lässt. Theoretisch können Sie auf die Weise dafür sorgen, dass jemand gegen einen Baum fährt und dabei ums Leben kommt, ohne dass man Sie mit dem Verbrechen in Verbindung bringen kann.«
Monsieur Marteau hob die Augenbrauen und kam dann dem Einwand zuvor, der Fouquet zweifellos auf den Lippen lag. »Na ja, wenn ich davon spreche, dass es nicht möglich ist, den Täter mit der Tat in Verbindung zu bringen, dann meine ich das natürlich unter dem Aspekt, dass herkömmliche Polizeiarbeit hier nicht zum Ziel führen kann. Aber wir haben natürlich die Hoffnung, dass Ihre Methoden uns weiterbringen.«
»Es gibt keinen Mord ohne Spuren«, sagte Fouquet. »Es gibt vielleicht Spuren, die nicht als solche erkannt werden, das ist möglich. Aber grundsätzlich hinterlässt man bei allem, was man tut, etwas. Das ist quasi ein Naturgesetz.«
»Wer die elektronischen Manipulationen durchgeführt hat, ist die eine Frage«, sagte Monsieur Marteau. »Die entscheidendere ist, wer dahintersteckt.«
»Sie glauben, dass eine größere Sache dahintersteckt?«, fragte ich.
Monsieur Marteau zuckte mit den Schultern.
»Lesen Sie sich einfach mal die Unterlagen durch, die für Sie zu diesem Fall zusammengestellt wurden! Pascal Lefebre war ein sehr guter Ermittler. Und die Liste derer, die einen Grund hätten, ihn ins Jenseits zu wünschen, ist ausgesprochen lang.«
3
»Monsieur Basquiat! Eine Stellungnahme bitte!«, sagte eine Reporterin aus dem Pulk von Journalisten, die am Haupteingang des Gerichtsgebäudes in Marseille gewartet hatten. Die Warterei hatte sich gelohnt. Zumindest für die, die am Haupteingang gewartet hatten. Diejenigen, die darauf spekuliert hatten, dass Basquiat das Gerichtsgebäude auf leisen Sohlen durch einen der Hinterausgänge verlassen würde, hatten diesmal auf das falsche Pferd gewettet.
»Gehen Sie bitte zur Seite!«, sagte ein kleiner, drahtiger Mann in dunklem Dreiteiler und schmalem Aktenkoffer. Das war offensichtlich der Anwalt. Er wirkte gegenüber der massigen Gestalt von Darius Fettsack Basquiat wie ein Zwerg. »Mein Mandant wird hier und heute keinerlei Statements abgeben«, fuhr er fort. »Hier und heute ging es nur um die Haftbedingungen. Was dazu zu sagen war, ist vor Gericht ausgesprochen worden.«
Die Polizisten des Polizeikommissariats, die Basquiat in die Mitte genommen hatten und zu dem bereits wartenden Gefangenentransporter bringen wollten, kamen mit ihrem Schützling nicht so recht voran. Basquiats Körperfülle war so ausgeprägt, dass selbst seine kräftigen Bewacher nichts tun konnten, als Basquiat plötzlich stehenblieb. Die Hände waren mit Handschellen gefesselt. Auf Fußfesseln hatte man verzichtet, damit der massige Mann nicht noch langsamer voranschritt.
»Ich habe doch noch etwas sagen. Etwas, was Sie ruhig senden können«, rief Basquiat.
»Monsieur Basquiat, ich rate …«, begann der Anwalt, aber Basquiat beachtete ihn gar nicht weiter. Und die Reporter auch nicht. Die Mikrofone waren auf Basquiat gerichtet. Die Kameras hatten ihn in ihren Fokus genommen.
Basquiat grinste breit. Er schien die Aufmerksamkeit regelrecht zu genießen, die ihm jetzt zuteil wurde.
»Ich habe gehört, dass ein gewisser Commissaire Pascal Lefebre bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist. Commissaire Lefebre und ich hatten zu seinen Lebzeiten gewisse Differenzen, und um es ganz offen zu sagen: Ich verdanke es zu einem guten Teil ihm, dass ich das Gefängnis wahrscheinlich nie wieder verlassen werde. Aber ich bin nicht nachtragend. Nicht über den Tod hinaus jedenfalls. Und ich möchte hiermit diese Gelegenheit nutzen, um den Angehörigen mein tief empfundenes Beileid auszudrücken. Möge Pascal Lefebre den Frieden finden, den er mir nicht gelassen hat.«
»Monsieur Lefebre, eine Frage …«, war die heisere Stimme eines Reporters zu hören, der es nicht geschafft hatte, sich weit genug nach vorne zu drängeln, um eine wirklich gute Position zu haben.
»Es ist alles gesagt. Vor Gericht und im Straßenverkehr sind wir alle in Gottes Hand!«, sagte Basquiat noch. Dann wurde er weiter abgeführt.
Er atmete schwer. Der Fußweg bis zum Gefangenentransporter schien ihn sehr anzustrengen. Sein Gesicht lief rot an, und wahrscheinlich wäre er im Moment auch gar nicht mehr in der Lage gewesen, irgendeine Frage zu beantworten. Wenig später verschwand er, abgeschirmt von seinen Bewachern und seinem Anwalt im Gefangenentransporter. Dieser fuhr schließlich los und wurde dann von mehreren Einsatzwagen der Polizei sowie Polizisten auf Motorrädern eskortiert. Die Kameras mehrerer lokaler Sender folgten ihm und nahmen ihn in den Fokus, solange das möglich war.
4
Bereits am frühen Nachmittag fuhren wir nach La Villette. Lin-Tai Fouquet begleitete uns. Monsieur Marteau wie auch François und ich hatten bereits mit Dienststellenleiter Jean-Marcel Previn telefoniert. Wir kannten Previn durch die Zusammenarbeit mit anderen Ermittlungen.
So gut es ging, hatten wir uns in die zur Verfügung stehenden Daten eingearbeitet. Während der Fahrt hatte François den Laptop auf den Knien, um uns noch ein bisschen mehr mit der Faktenlage vertraut zu machen. Das galt für Dr. Fouquet ebenso wie für François und mich.
»Einer unserer ersten Gesprächspartner wird wohl Commissaire Gaëtan Bonneau sein«, schlug François vor. »Er ist der ehemalige Dienstpartner, und du weißt ja, wie das ist: Die wissen manchmal mehr über einen Ermittler als die Ehefrau.«
»Die sollten wir trotzdem ebenfalls noch mal befragen«, sagte ich. »Es gibt eine Aussage von ihr, wonach sich Commissaire Lefebre kurz vor seinem Tod mit jemandem gestritten hat.«
»Wurde Madame Lefebre Zeuge dieses Streits?«, fragte François.
»Wurde sie, denn er fand auf dem Grundstück ihres Hauses statt. Leider hat sie wohl nicht mitbekommen, worum es dabei ging, und ihr Mann wollte ihr keinerlei Auskünfte dazu geben.«
»Das muss nicht unbedingt mit unserem Fall zu tun haben«, meinte François.
»Der Unbekannte hat Lefebre schließlich zu Hause aufgesucht«, fasste ich den Inhalt des von den Kollege aus La Villette erstellten Protokolls zusammen. »Und Madame Lefebre gibt außerdem zu Protokoll, dass der Mann zwischen vierzig und fünfzig Jahre war, und eine Waffe trug.«
»War das ein Kollege?«
»Das ist nicht ausgeschlossen.«
»Eine Dienstmarke hat sie nicht zufällig auch noch gesehen?«
»Nein.«
François zuckte mit den Achseln.
»Wir werden dieser Sache nachgehen. Allerdings steht für mich auf der Liste derer, die verdächtig sind, hinter diesem Anschlag auf einen Commissaire zu stecken, an erster Stelle dieser Darius Basquiat.«
»Ich habe gelesen, welche Drohungen Basquiat gegenüber der Polizei im Allgemeinen und Commissaire Lefebre im Besonderen ausgestoßen hat«, sagte ich.
»Die Tatsache, dass Basquiat im Knast sitzt, muss nicht heißen, dass er draußen nicht genügend Leute hätte, die für ihn töten würden«, gab François zurück.
»Gibt es denn gesicherte Erkenntnisse darüber, dass Lefebre seine Geschäfte weiterführen konnte?«
»In unseren Unterlagen war darüber nichts zu finden. Und sollte es tatsächlich der Fall sein, dürfte das ziemlich entmutigend für die Kollegen sein.«
»Die Frage ist, ob sie es zugeben oder stattdessen die geschönte, offizielle Version der Geschichte bevorzugen, wonach Basquiat ein für allemal das Handwerk gelegt worden ist.«
»Und zwar durch deren hervorragende Ermittlungsarbeit«, ergänzte François.
»Wenn die so hervorragend wäre, bräuchte man uns nicht um Hilfe bitten«, gab ich zurück.
»Auch wieder wahr«, sagte François.
Lin-Tai Fouquet hatte die ganze Zeit über geschwiegen. Sie hatte mit äußerster Konzentration an ihrem Laptop gesessen und intervallweise mit rasender Geschwindigkeit ihre Finger über die Tastatur fliegen lassen. Aber jetzt mischte sie sich in das Gespräch zwischen François und mir ein.
»Ich bin überzeugt davon, dass die Person des Hackers entscheidend ist«, sagte sie. »Und ich bin mir eigentlich auch sicher, dass sich der früher oder später anhand von charakteristischen Datenspuren, Merkmalen in den Programmcodes und so weiter ermitteln lässt. Niemand ist vorsichtig genug, um keine Spuren zu hinterlassen. Und für den Fall, dass es Hintermänner oder Auftraggeber gibt …«
»Sie zweifeln daran?«, fragte François.
»Eine statistische Auswertung von Cyber-Verbrechen der letzten Jahre ergibt eindeutig, dass nur ein Bruchteil davon im Auftrag begangen worden sind. Meistens handeln die Täter aus eigenem Antrieb. Zum einen aus den gewohnten kriminellen Motiven wie Habgier, zum anderen aber auch manchmal einfach, um Allmachtsfantasien zu verwirklichen. Diese Leute stellen durch ihre Taten unter Beweis, dass sie buchstäblich alles können: Millionen von fremden Konten abzweigen, das Leben eines Menschen durch Übernahme und Manipulation seiner elektronischen Identität ruinieren oder …«
»… einen Menschen durch einen Unfall töten?«, vollendete ich ihren Satz.
»Ja, auch das.« Lin-Tai Fouquet sah mich einen Augenblick lang über den Rückspiegel an, ohne dass sich in ihrem glatten Gesicht dabei irgendeine Regung zeigte.
»Sie meinen ernsthaft, dass wir es mit einem Einzeltäter zu tun haben?«
»Ich meine, dass wir uns nicht vorzeitig festlegen sollten.«
»Das sollte man nie.«
»Richtig. Aber schon bei der ersten Unterredung mit Monsieur Marteau zu diesem Fall hatte ich das Gefühl, dass wir gerade dabei sind, genau das zu tun. Wir dürfen keine Möglichkeit außer Acht lassen.«
»Ich werde daran denken.«
»Und schon gar nicht eine Möglichkeit, die statistisch gesehen an erster Stelle steht.« Sie hob die Augenbrauen leicht an. »Leider besteht ein erheblicher Unterschied zwischen dem, was dem menschlichen Empfinden nach die größte Relevanz besitzt und dem, was die größte mathematische Relevanz besitzt.«
»Und ich habe immer gedacht, es gibt so etwas wie einen gesunden Menschenverstand, Lin-Tai.«
»Vergessen Sie den, Pierre!«
»Ach ja?«
»Statistisch gesehen existiert er nicht.«
»So habe ich das noch nie gesehen.«
5
Wir erreichten das zuständige Polizeikommissariat pünktlich. Ein drahtiger Mann mit Halbglatze empfing uns.
»Ich bin Commissaire Gaëtan Bonneau«, erklärte er.
»Pierre Marquanteur«, stellte ich mich vor. »Dies sind meine Kollegen Commissaire François Leroc und Doktor Lin-Tai Fouquet aus unserem Ermittlungsteam Erkennungsdienst. Sie ist IT-Expertin und wird sich um die Analyse Daten aus dem Unfallfahrzeug kümmern.«
»Ich dachte, das wäre längst geschehen«, sagte Gaëtan Bonneau etwas irritiert. Auf seiner Stirn bildete sich eine tiefe Furche.
»Die Kollegen des Erkennungsdienstes haben die Rohdaten gesichert und auch eine erste Analyse durchgeführt«, bestätigte Dr. Fouquet. »Mir sind diese Daten überspielt worden, und ich habe weitere Untersuchungen daran angeschlossen und den Verdacht Ihrer Kollegen, dass es sich um eine gezielte Manipulation über die Online-Verbindungen des Fahrzeugs handeln muss, bestätigt. Jetzt geht es darum, weitere Daten zu gewinnen. Schließlich sind keineswegs alle Systeme ausgelesen worden, und es gibt durchaus Teilkomponenten, in denen sich Datenreste befinden könnten, die uns weiterbringen. Davon abgesehen ist zwar mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass eine externe Manipulation der Fahrzeugsysteme stattgefunden hat, aber es ist noch nicht zweifelsfrei erfasst, auf welchem Weg die externe Übernahme der Systeme durchgeführt wurde.«
»Sie scheinen ja wirklich Ahnung von der Materie zu haben, soweit ich das beurteilen kann«, meinte Bonneau.
»Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie der Täter in die Fahrzeugsysteme eindringen konnte. Die GPS-Funktion ist natürlich immer als Erste in Verdacht. Aber wenn Sie sich einfach mal vor Augen halten, wie viele Systemkomponenten in modernen Fahrzeugen inzwischen schon auf eine Online-Verbindung zugreifen, dann wären Sie erstaunt. Unter anderem das Navigationssystem. Es gibt dort nicht nur ein einziges mögliches Einfallstor für Kriminelle, wenn ich es mal mit einfachen Worten ausdrücken darf.«
Bonneau nickte stirnrunzelnd.
»Ich habe von diesen Dingen keine Ahnung. Aber es bestürzt mich, dass es offenbar möglich ist, ein Fahrzeug einfach so zu übernehmen und es zu einer Mordwaffe werden zu lassen.«
»Ja, Sie haben recht«, nickte Dr. Fouquet.
»Wissen Sie, früher, da waren Autos einfach nur Autos. Sie konnten fahren und sonst gar nichts. Aber inzwischen scheinen sie sich in fahrende Computer verwandelt zu haben. Ich habe noch erlebt, dass mein Vater einen gerissenen Keilriemen durch die Nylon-Strumpfhose meiner Mutter ersetzt hat und wir damit immerhin noch bis zur nächsten Werkstatt gekommen sind. Heute kommt man an den Motor gar nicht mehr heran und ist darauf angewiesen, dass irgendein Typ aus der Werkstatt einen Laptop anschließt, um die Sache in Ordnung zu bringen.«
»Das gilt nicht nur für Autos, Monsieur Bonneau, sondern für zahllose andere Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens.«
»Erschreckend finde ich nur, dass es offenbar möglich ist, so was aus der Ferne zu machen, ohne dass der Betreffende davon vorher etwas ahnt … Das ist schlimmer als eine Faust, die man nicht kommen sieht.«
»Für mich persönlich ist das keinesfalls überraschend«, erklärte Fouquet kühl.
»Anscheinend gehört der Blick in die Zukunft auch zu Ihren Fähigkeiten«, sagte Bonneau mit einem leicht sarkastischem Unterton.
»Es hat Fälle gegeben, in denen ein ganz normaler Drucker durch eine Cyber-Attacke überhitzt und dadurch ein Brand vorsätzlich gelegt wurde, bei dem Menschen umgekommen sind. Das ist vor drei Jahren gewesen, und es hat mich ehrlich gesagt schon damals gewundert, dass noch niemand versucht hat, so etwas mal mit einem Fahrzeug zu versuchen.«
»So gesehen haben Sie natürlich recht«, gab Bonneau zu.
Ich hatte Fouquet selten so kommunikativ und zugänglich erlebt, wie in dem Gespräch mit Bonneau. Aber vielleicht habe ich ihre Fähigkeiten im Smalltalk auch nur einfach deswegen bisher etwas unterschätzt, weil sich unser Kontakt normalerweise nur auf mehr oder weniger knappe Telefonate oder konzentrierte Meetings beschränkte.
Bonneau führte durch das Gebäude.
»Sie waren Pascal Lefebres Partner«, sagte ich.
»Das trifft zu.«
»Dann erzählen uns bitte alles, was Sie über Lefebre sagen können, Monsieur Bonneau.«
»Fast zehn Jahre waren wir Dienstpartner. Jeden Tag in einem Büro oder einem Wagen wie diesem. Wir haben haben uns öfter gesehen als unsere Familien. Da lernt man sich ganz gut kennen, würde ich sagen.«
»Das kann ich mir denken.«
»Pascal war ein hervorragender Ermittler. Seiner Beharrlichkeit und Geduld ist es zu einem großen Teil zu verdanken, dass wir vor ein paar Jahren Basquiats Bande hochnehmen konnten. Und auch ein paar andere Erfolge, die wir hier hatten, sind ganz maßgeblich ihm zu verdanken.«
»Sie waren sein Partner und werden sicherlich einen ähnlichen Anteil an diesen Erfolgen haben.«
»Nein, Monsieur Marquanteur, da bin ich realistisch. Pascal war ein paar Jahre länger bei der Polizei und der Erfahrene von uns beiden. Ich habe viel von ihm gelernt. Wir kamen dann schließlich in unterschiedliche Abteilungen, was ich sehr bedauert habe.«
»Gab es für diese Versetzung einen bestimmten Grund?«
»Abgesehen davon, dass Pascal quasi befördert wurde und eine eigene Einsatzgruppe im Bereich der organisierten Kriminalität leitete – nein. Na ja, und dann gab es da natürlich noch das Credo unseres Dienststellenleiters.«
»Was für ein Credo?«
»Dass Teams nicht zu lange zusammenbleiben sollten, selbst wenn sie exzellent zusammenarbeiten.«
»Ab und zu kann sich ein Wechsel tatsächlich positiv auswirken.«
Er verzog das Gesicht.
»Das sagen gerade Sie, Monsieur Marquanteur? Ich habe gehört, dass Sie mit Ihrem Kollegen Leroc schon jahrelang zusammenarbeiten.«
»Das stimmt, aber …«
»Jedenfalls war Dienststellenleiter Previn in dieser Hinsicht der Auffassung, dass man ab und zu die Teams etwas durcheinander mischen müsste und hat davon dann auch ziemlich ausgiebig Gebrauch gemacht, als er sein Amt hier antrat.«
»Dürfte nicht jeden gefreut haben«, meinte ich.
»Das können Sie laut sagen. Aber er hatte natürlich in gewisser Weise recht. Wenn Teams zu lange zusammen sind, dann schleifen sich Dinge ein, die man eigentlich nicht haben möchte. Und es werden dann leichter Dinge mal unter den Teppich gekehrt. Sie wissen schon, was ich meine …«
»Nicht wirklich«, gab ich zu.
»Na, es gab auch hier in La Villette einige Fälle von Korruption und Zusammenarbeit mit dem organisierten Verbrechen. Ermittlungen, die verschlampt wurden und worüber dann großzügig der Mantel des Schweigens gelegt wurde. Und natürlich auch Fälle von Polizeigewalt, auf die die Öffentlichkeit im Moment ja äußerst sensibel reagiert. Insofern hat Dienststellenleiter Previn schon das Richtige getan. Und für mich war es letztlich auch besser.«
»Wie meinen Sie das?«
Er hob die Schultern.
»Jeder muss sich doch irgendwie auch mal freischwimmen. Und wenn Sie immer mit einem erfahrenen Kollegen zusammenarbeiten, dann haben Sie gewissermaßen immer einen großen Bruder an Ihrer Seite, der Ihnen auf die Finger schaut.«
Ich hob die Augenbrauen.
»Ja, da könnte schon was dran sein«, gab ich zu.
Während ich mich mit Bonneau unterhielt, verfolgten François und Lin-Tai unser Gespräch.
»Pascal Lefebre fuhr bei seinen Einsetzen einen Wagen, der technisch auf dem neuesten Stand ist. Nur zur Info – ältere Modelle werden ebenfalls immer wieder technisch auf den neuesten Stand gebracht. Und selbstverständlich verfügen wir auch über Bordelektronik, die uns bei der Fahndung hilft, ein exzellentes Navigationssystem und dergleichen …«
Bonneau seufzte. Sein Tonfall veränderte sich. Und bei dem, was er nun sagte, war ihm deutlich anzuhören, wie sehr ihn der Tod seines Kollegen getroffen hatte. »Es war der härteste Job meiner ganzen Laufbahn, als mich der Dienststellenleiter zu Pascals Familie schickte, um seiner Frau zu sagen, was geschehen ist.« Seine Stimme klang brüchig.
»Das glaube ich Ihnen gerne«, sagte ich.
»Ich habe solche schlimmen Nachrichten schon hundertmal überbracht und trotzdem würde ich niemals behaupten, dass man darin irgendeine Art von Routine bekäme.«
»Auch das kann ich nur aus eigener Erfahrung bestätigen, Monsieur Bonneau.«
»Pascal hat Kinder im schulpflichtigen Alter. Die werden jetzt ohne ihren Vater aufwachsen.«
»Wer immer dafür verantwortlich sein mag: Wir kriegen ihn«, versprach ich.
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