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von Alfred Bekker, Pete Hackett, Thomas West (399XE) Kriminalromane der Sonderklasse - hart, actionreich und überraschend in der Auflösung. Ermittler auf den Spuren skrupelloser Verbrecher. Spannende Romane in einem Buch: Ideal als Urlaubslektüre. Dieses Buch enthält folgende Krimis: Pete Hackett: Tödliche Altlasten Alfred Bekker: East Harlem Killer Thomas West: Trevellian kommt nicht aus der Klemme raus Drei Kriminalromane der Sonderklasse: hart, überraschend und actionreich.
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Seitenzahl: 353
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Krimi Dreierband 3076 - 3 Thriller in einem Band
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Tödliche Altlasten
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East Harlem Killer
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Trevellian kommt nicht aus der Klemme raus
von Alfred Bekker, Pete Hackett, Thomas West
Kriminalromane der Sonderklasse - hart, actionreich und überraschend in der Auflösung. Ermittler auf den Spuren skrupelloser Verbrecher. Spannende Romane in einem Buch: Ideal als Urlaubslektüre.
Dieses Buch enthält folgende Krimis:
Pete Hackett: Tödliche Altlasten
Alfred Bekker: East Harlem Killer
Thomas West: Trevellian kommt nicht aus der Klemme raus
Drei Kriminalromane der Sonderklasse: hart, überraschend und actionreich.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author
COVER TONY MASERO
© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alles rund um Belletristik!
Die Cops vom NYPD
Kriminalroman von Pete Hackett
Der Umfang dieses Buchs entspricht 101 Taschenbuchseiten.
Rossville in Staten Island ist vor 25 Jahren unter falschen Voraussetzungen zur Bebauung frei gegeben worden. Heute ist der Anteil der Krebserkrankungen in diesem Stadtteil dreimal so hoch wie im New Yorker Durchschnitt. Deputy Inspector George Cassidy und Sergeant Sally McKinney ermitteln, ob bei dem Verkauf des Grundstücks alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Je tiefer sie graben, um so mehr Leichen kommen zum Vorschein.Werden Cassidy und McKinney die Täter nach all den Jahren noch zur Rechenschaft ziehen können?
Cover: Firuz Askin
Bureau Chief Howard schaute die beiden Cops, die vor nicht ganz einer Minute sein Büro betreten hatten, ernst an. Es waren Deputy Inspector George Cassidy, ein großer, schwergewichtiger Mann von vierundvierzig Jahren, dessen Kopf so kahl war wie eine Billardkugel, und Sergeant Sally McKinney, eine schöne Frau von sechsundzwanzig Jahren mit blonden Haaren und grünlichen Augen. Sie saßen an dem ovalen Besprechungstisch des Chiefs und harrten der Dinge, die kommen würden. Und Howard spannte sie nicht lange auf die Folter. „Es geht um den Ortsteil Rossville in Staten Island“, begann er. „Eine Ärztin – Dr. Patty Jones -, hat Alarm geschlagen. Statistische Auswertungen haben ergeben, dass der Anteil an Krebserkrankungen in diesem Ortsteil dreimal so hoch ist wie im New Yorker Durchschnitt.“
Der Chief ließ seine Worte kurz wirken, dann fuhr er fort: „Ich will es kurz machen. Ein von einer Bürgerinitiative in Auftrag gegebenes Gutachten sagt aus, dass der Boden, auf dem die Wohnsiedlung gebaut wurde, total vergiftet ist. Die Rede ist von einer hohen Cyanid-, Dioxin- und Arsenkonzentration. In Rossville wurden bis vor fünfundzwanzig Jahren etwa die Abfälle der Bleikristall- und Porzellanindustrie entsorgt. Es handelte sich um säurehaltigen Schlamm. Auch einige Lack-, Farb- und Holzschutzmittelfabriken entsorgten dort ihre Abfälle. Später wurde die Müllkippe mit Erdreich abgedeckt, und vor zwanzig Jahren etwa entstand die Wohnsiedlung.“
Erneut machte der Chief eine kurze Pause. Die beiden Cops schwiegen. Schließlich ergriff er erneut das Wort, indem er sagte:
„Das Gebiet wurde unter falschen Voraussetzungen zur Bebauung freigegeben. Ein Mann namens Scott Wilander hatte es vor nicht ganz dreißig Jahren aufgekauft, und zwar für einen Spottpreis. Später legte er verschiedene Gutachten vor, die zum Ausdruck brachten, dass es keinerlei Bedenken gegen eine Bebauung des Terrains gebe. Die Gutachten wurden von einem Abteilungsleiter des Stadtbauamtes akzeptiert. Auch die Umweltschutzbehörde segnete sie ab. Also kaufte die Stadt New York das Gelände für 400 Millionen Dollar zurück und schuf dort eine Sozialsiedlung.“
Jetzt ließ zum ersten Mal Deputy Inspector Cassidy seine Stimme erklingen, indem er fragte: „Handelte der Abteilungsleiter wider besseres Wissen?“
„Sein Name ist Hugh Milburn“, sagte Chief Howard. „Heute ist er Stadtverordneter für den Umweltschutz. Es wird davon ausgegangen, dass die Gutachter damals bestochen und die Gutachten der Umweltschutzbehörde gar nicht vorgelegt wurden. Korruption, Detectives. Es war – wer auch immer dafür verantwortlich ist – sicher nicht schwer, sich einen Stempel der Umweltschutzbehörde zu besorgen und die Unbedenklichkeit zu bescheinigen. Der Mann, der angeblich seine Unterschrift dafür hergegeben hat, ist tot. Man kann ihn nicht mehr fragen, ob er tatsächlich seine Unterschrift unter das Dokument gesetzt hat oder ob sie gefälscht wurde.“
„Darüber könnte vielleicht ein graphologisches Gutachten Aufschluss bringen“, meinte Sergeant McKinney. Sie besaß eine dunkle, wohlklingende Stimme.
„Es geht um Umweltverschmutzung höchsten Grades“, stieß Chief Howard hervor. „Fest steht, dass der Anteil der Krebserkrankungen dreimal so hoch ist wie der New Yorker Durchschnitt. Da die Gutachten offensichtlich gefälscht worden sind, stehen wir einem Verbrechen gegenüber, das seinesgleichen sucht. Es geht nicht um einen oder zwei Tote – es geht darum, dass auf Grund eines mit nichts zu rechtfertigenden Profitdenkens der Tod von zig Menschen, vielleicht gehen sie in die Hunderte, billigend in Kauf genommen wurde. Ein Kapitalverbrechen, Detectives. Es ist Ihr Fall. Tun Sie Ihr möglichstes, um Licht in das Dunkel zu bringen, vor dem wir stehen.“
„Hat die Stadt schon daran gedacht, die Siedlung zu evakuieren?“, fragte Sally McKinney.
„Hugh Milburn beruft sich auf die Gutachten von damals. Das Gutachten, das durch die Bürgerinitiative veranlasst wurde, zweifelt er an. Man mache nur die Pferde scheu, meint er, ist aber nicht bereit, einen weiteren Gutachter einzuschalten. Er begründet es damit, dass ein Gutachten des erforderlichen Ausmaßes für die Stadt zu teuer käme, weil davon auszugehen sei, dass nichts weiter als Panikmache durch eine bestimmte Gruppierung im Vordergrund stehe.“
„Das ist absolut ignorant“, stieß Sergeant McKinney aufgebracht hervor. „Sollte der gute Mister Milburn etwa Dreck am Stecken haben, weil er sich so sehr gegen eine neutrale Begutachtung stellt. Dass das Geld dafür fehle, ist doch nur ein vorgeschobener Grund – um nicht zu sagen eine faule Ausrede.“
„Oder eine impertinente Lüge, weil es etwas zu vertuschen gibt.“ Mit diesen Worten verlieh DI Cassidy der Umschreibung seiner Kollegin eine deutlichere Aussagekraft. „Ja, das ist es! Er will nicht, dass Versäumnisse oder sogar gesetzeswidrige Praktiken von damals aufgeklärt werden. Immerhin war er als Abteilungsleiter im Stadtbauamt einer der federführenden Beamten, die die Bebauung des verseuchten Gebietes absegneten.“
„Lebt dieser Wilander noch?“, fragte Cassidy.
„Ja. Er ist 75 Jahre alt und wohnt in der Nähe des Cloves Lakes Parks in Staten Island. Er arbeitete früher als Immobilienmakler. Jetzt führt sein Sohn Steve den Laden. Das Büro befindet sich in Manhattan, Clinton, 53th Street.“
„Wir werden also mit Hugh Milburn, Scott Wilander und mit Doktor Patty Jones sprechen müssen“, knurrte Cassidy.
„Lassen Sie sich auch das Gutachten vorlegen, das die Bürgerinitiative in Auftrag gegeben hat. Wenden Sie sich an einen Mann namens Adrian Munday. Er ist Rechtsanwalt und Vorsitzender der Bürgerinitiative. Munday wohnt in Rossville, Winant Avenue.“
Sergeant McKinney zog sein Notizbüchlein aus der Innentasche ihrer leichten Sommerjacke, aus der Brusttasche holte sie einen Kugelschreiber, und dann schrieb sie. Hin und wieder fragte sie noch einmal wegen eines Namens oder einer Anschrift nach, und Chief Howard antwortete geduldig.
Deputy Inspector Cassidy und seine schöne Kollegin fuhren zunächst zur Umweltschutzbehörde. Dort legte man ihnen die Gutachten vor, die vor mehr als fünfundzwanzig Jahren erstellt wurden, und auch den Schriftverkehr, den die Umweltschutzbehörde mit dem Stadtbauamt und Scott Wilanders Immobilienfirma führte. Da war auch eine Kopie der Unbedenklichkeitsbescheinigung der Umweltschutzbehörde, die ein Mann mit Namen Harvey McCutchen unterzeichnet hatte. Sie erfuhren, dass McCutchen vor sechzehn Jahren gestorben war. Das Original des Dokuments befand sich bei der Baubehörde.
„Können Sie uns ein anderes Dokument mit seiner Unterschrift überlassen?“, fragte DI Cassidy den Sachbearbeiter, mit dem sie sprachen.
„Wozu brauchen Sie das denn?“
„Für ein graphologisches Gutachten“, erwiderte Cassidy. „Es besteht der Verdacht, dass die Unterschrift auf der Unbedenklichkeitsbescheinigung gefälscht ist.“
Der Mann suchte in dem Schnellhefter herum, dann entnahm er ein Schriftstück und reichte es dem DI. Es war von McCutchen unterschrieben. Cassidy verglich die Schriftzüge. Mit dem bloßen Auge des Laien, der er war, konnte er allerdings keinen Unterschied feststellen.
„Wir nehmen die beiden Schriftstücke sowie das Gutachten mit“, erklärte er. „Sie können sich Kopien für Ihre Akten anfertigen.“
„Das ist nicht so einfach“, murmelte der Sachbearbeiter.
„O doch“, versetzte der DI. „Es ist viel einfacher, als Sie vielleicht denken.“ Er grinste den Mann an, wobei dies mehr an ein grimmiges Zähnefletschen als an ein Lächeln erinnerte. „Wir brauchen nur einen Beschlagnahmebeschluss erwirken.“
Der Sachbearbeiter, schluckte würgend, dass er sich unbehaglich fühlte, stand ihm regelrecht ins Gesicht geschrieben, fahrig strich er sich mit Daumen und Zeigefinger über das Kinn. „Ich spreche mit meinem Vorgesetzten“, murmelte er schließlich. „Gedulden Sie sich einen Augenblick.“ Er erhob sich und verließ das Zimmer.
Wenige Minuten später händigte er den Cops aus, was sie für ihre Ermittlungen benötigten. Für jede Seite, die sie dem Ordner entnahmen, fertigte er eine Kopie, auf der er vermerkte, dass das Original dem Police Department überlassen worden war. Er versah den Vermerk mit Handzeichen und Datum. Das nahm einige Zeit in Anspruch.
„Ein I-Tüpfelchenscheißer allererster Ordnung“, murmelte Sergeant McKinney, als sie das Büro verlassen hatten und auf dem Weg zum Ausgang waren. „Am liebsten hätte er von jeder Kopie noch eine Sicherheitskopie gefertigt.“
„Das ist die Sorte, die von ihren Vorgesetzten überdurchschnittlich beurteilt wird“, knurrte der DI.
Die beiden Cops fuhren ins Police Department an der Park Row, um sich die Gutachten und den Schriftwechsel zu Gemüte zu führen.
Die Gutachten bestätigten, dass die Analyse des Bodens im Gebiet nördlich der Woodrow Road, zwischen Bloomingdale Road und Huguenot Avenue sowie südlich der Veterans Road, keine gesundheitlichen Bedenken im Bezug auf eine Besiedlung ergeben habe.
Gutachter war zum einen ein Mann namens Dwaine Lewis, ein zweites Gutachten wurde von einem Geologen namens Gary Johnson erstellt.
Die Anschriften der beiden herauszufinden war nicht schwer. Sicher waren sie auch schon im Rentenalter, wenn sie überhaupt nach am Leben waren.
Die Detectives ließen sich einen Termin beim Stadtverordneten für Umweltschutz, bei Mr Hugh Milburn also, geben, und - bekamen ihn.
Der Stadtverordnete war ein Mann Mitte der fünfzig, grauhaarig, distinguiert und von übertriebener Höflichkeit. Er bat die beiden Cops, Platz zu nehmen und fragte, ob er ihnen etwas zum Trinken anbieten dürfte. Sie lehnten dankend ab und Deputy Inspector Cassidy kam sogleich auf den Grund ihres Besuches zu sprechen:
„Es geht um den Stadtteil Rossville in Staten Island, Sir. Damals wurden Gutachten vorgelegt, die die Unbedenklichkeit der Bebauung zum Ausdruck brachten. Gutachter waren Dwaine Lewis und Gary Johnson. Sie, Sir, waren damals Abteilungsleiter im Stadtbauamt …“
„Ich darf Sie bitten, sich kurz zu fassen“, fuhr ihm der Stadtverordnete, der plötzlich wie umgewandelt wirkte, in die Rede. Von seiner Höflichkeit war nicht mehr viel übrig geblieben. „Meine Zeit ist nämlich begrenzt. Um 14.15 Uhr habe ich den nächsten Termin. Eine unaufschiebbare Angelegenheit.“
„Sie werden sich die Zeit nehmen müssen, Sir“, versetzte Cassidy vielleicht eine Nuance zu schroff und fixierte den Stadtverordneten mit einem kühlen Blick. „Es geht um die Klärung der Frage, inwieweit die Gutachter bestochen waren und Korruption im Spiel war.“
Milburn funkelte den DI an, von ihm ging plötzlich eine nicht zu übersehende Feindseligkeit aus. „Na schön“, erwiderte er, bemüht, seine Stimme ruhig klingen zu lassen. „Ich war damals Abteilungsleiter im Stadtbauamt. Sie sprechen von gefälschten Expertisen und Korruption, Detective. Raus mit der Sprache: Was werfen Sie mir vor?“
„Zunächst nichts, Mister Milburn“, entgegnete Cassidy kühl. „Es gibt ein neueres Gutachten, das keinen Zweifel darüber aufkommen lässt, dass der Boden, auf dem die Sozialsiedlung Rossville entstand, verseucht ist. Altlasten, Sir. Glas- und Porzellanfabriken haben damals dort säurehaltigen Schlamm entsorgt, Lack- und Farbenfabriken ihre Abfälle. Die ehemalige Abraumhalde birgt in hohen Dosen Cyanid, Dioxin und Arsen. Der Anteil der Krebserkrankungen in Rossville ist dreimal so hoch wie normal.“
„Was ist normal?“
„Der Durchschnitt der Erkrankungen gemessen an der Einwohnerzahl New Yorks.“
„Aha. Also gut. Die neuerlichen Messungen haben Cyanid-, Dioxin- und Arsenvorkommen ergeben. Was soll ich tun? Die Evakuierung und den Abriss des gesamten Ortsteils betreiben?“
Milburn hatte sich weit vorgebeugt und das Kinn vorgeschoben. Er erinnerte jetzt an ein trotziges Kind, das sein Gemüse nicht aufessen wollte. Sein Blick aber war stechend und schien Cassidy zu durchbohren.
Der DI sagte: „Sie bezweifeln die Richtigkeit der Messungen in dem Gutachten, das die Bürgerinitiative in Auftrag gegeben hat. Warum lassen Sie kein Gutachten erstellen?“
„Weil es zuviel Geld kostet und weil bereits zwei Gutachten vorliegen, die gesundheitliche Beeinträchtigungen der Bevölkerung infolge der Bodenbeschaffenheit in Rossville ausschließen.“
„Die Feststellungen Doktor Patty Jones’ ergeben ein anderes Ergebnis“, mischte sich Sergeant McKinney ein. „Sie sammelt seit fünfzehn Jahren Daten. Auch andere Ärzte und Krankenhäuser sind eingeschaltet. Unstreitig erwiesen ist, dass der Anteil der Krebserkrankungen dreimal so hoch ist wie im New Yorker Durchschnitt.“
„Was ist der New Yorker Durchschnitt?“, fragte Milburn mit hochgezogener linker Braue.
„Die medizinische Statistik zählt durchschnittlich fünfzehn Neubildungen von Krebs pro 100.000 Einwohner im Jahr“, erklärte Sergeant McKinney. „In Rossville sind es – hochgerechnet – fast fünfzig Erkrankungen. Auf 2.000 Einwohner kommt ein Krebskranker. Vor allem Kinder sind betroffen.“
„Ist das ein Grund, in Hysterie auszubrechen? Bitte, verstehen Sie mich nicht falsch. Natürlich ist es tragisch, dass es in Rossville einen besonders hohen Anteil an Krebserkrankungen zu geben scheint. Aber kann das nicht auf anderen Ursachen beruhen? Kann es nicht auch Zufall sein?“
„Doktor Patty Jones hat eine Studie verfasst. Sie erforscht das Phänomen der Vielzahl der Erkrankungen in Rossville seit fünfzehn Jahren. In Ihrer Arbeit kommt sie eindeutig zu dem Schluss, dass Umweltgifte ursächlich für den hohen Anteil der Erkrankungen sind. Es passt alles wie ein Mosaikstein zum anderen. Und Ihr Verhalten, Sir, lässt den Schluss zu, dass man die Sache herunterspielen, wenn nicht sogar die Fakten unterdrücken oder vertuschen will.“
McKinney nahm kein Blatt vor den Mund.
„Sie sind ziemlich direkt, Detective!“, presste Milburn hervor. Seine Brauen hatten sich düster zusammengeschoben und über seiner Nasenwurzel waren zwei steile Falten entstanden.
„Jobbedingt“, erwiderte Cassidy anstelle seiner Kollegin. Da er sich in keine sinnlose Diskussion einlassen und außerdem vermeiden wollte, dass sie vom Thema abkamen, sagte er: „Sie haben damals die Gutachten mit den entsprechenden Bebauungsplänen der Umweltbehörde vorgelegt. Ein Mann namens Harvey McCutchen hat die Unbedenklichkeit bestätigt.“
Der Stadtverordnete lehnte sich zurück. Er wirkte plötzlich entspannt und ruhig. „Da sehen Sie es. McCutchen hätte dieses Dokument nie unterzeichnet, wenn der geringste Anlass zu Zweifeln beständen hatte.“
„Ich bezweifle, dass McCutchen die Unterlagen je zu Gesicht bekam.“
Cassidys Worte waren wie Hammerschläge gefallen.
Milburn prallte regelrecht zurück. „Was wollen Sie damit zum Ausdruck bringen?“, blaffte er.
„Wir werden ein graphologisches Gutachten veranlassen“, bemerkte Sergeant McKinney. „Dann wird sich herausstellen, ob McCutchen die Unbedenklichkeitsbescheinigung unterschrieben hat oder ob seine Unterschrift gefälscht wurde.“
„Jetzt passen Sie mal auf“, knirschte Milburn und beugte sich wieder vor. „Das Gebiet hat – ich glaube, das ist ungefähr dreißig Jahre her - ein Mann namens Scott Wilander aufgekauft und es für die Abfallentsorgung freigegeben. Irgendwann, nachdem die Aufnahmekapazität des Geländes erschöpft und der Schutt unter einer meterhohen Erdschicht verschwunden war, hat Wilander es der Stadt New York zum Kauf angeboten. Er legte Gutachten vor, wonach keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu befürchten waren, falls das Gelände als Wohnsiedlung genutzt wird. Da schon lange der Bau einer Sozialsiedlung beabsichtigt war und Wilander der Stadt ein gutes Angebot unterbreitete, kaufte die Stadt das Gebiet. Ich legte Gutachten und Bebauungspläne der Umweltschutzbehörde vor. Und McCutchen …“
„Das wissen wir alles“, fiel der Deputy Inspector Milburn respektlos ins Wort. „Aber jetzt sind Zweifel aufgetaucht. Und unser Job ist es, herauszufinden, ob damals alles mit rechten Dingen zugegangen ist.“
„Muss ich einen Anwalt einschalten?“, schnappte Milburn, dessen Gesicht einen verkniffenen Ausdruck zeigte, der mühsam beherrschte Wut verriet.
„Das bleibt Ihnen unbenommen.“ Cassidy erhob sich. „Ich denke, das war's fürs Erste. Einen schönen Tag noch.“
Die Detectives verließen das Büro Milburns.
„Und nun?“, fragte Sergeant McKinney, als sie auf der Straße standen.
„Wir fahren zu Adrian Munday, den Initiator der Bürgerinitiative in Rossville. Ich will das neuerliche Gutachten sehen. Und dann sprechen wir mit Doktor Patty Jones.“
„Wir werden uns auch mit Scott Wilander, Dwaine Lewis und Gary Johnson unterhalten müssen und letzteren beiden das neue Gutachten vorlegen. Bin gespannt, was sie uns zu sagen haben.“
„Wenn damals ein schmutziges Spiel abgezogen wurde“, murmelte Cassidy, „dann dürften wohl Wilander und die beiden Gutachter beteiligt gewesen sein. Und vielleicht auch Milburn und McCutchen.“
„Wir werden auch mit McCutchens Witwe sprechen müssen.“
Wenig später waren die beiden Cops auf dem Weg nach Staten Island.
Sie hatten Glück. Adrian Munday war in seinem Haus in der Winant Avenue anzutreffen. Munday war ein großer, hagerer Mann. Sein Gesicht war schmal. Die Cops wiesen sich aus, er bat sie ins Wohnzimmer und bot ihnen Sitzplätze an. Nachdem der Deputy Inspector ihm erklärt hatte, was sie hergeführt hatte, begann er zu sprechen:
„Doktor Patty Jones hat den Stein ins Rollen gebracht. Sie ist Ärztin im New York University Medical Center und hat sich auf die Behandlung von Krebserkrankungen spezialisiert. Ihren langjährigen Aufzeichnungen haben wir es zu verdanken, dass wir den Beweis antreten können, wonach in Rossville die Erkrankung an Krebs dreimal so hoch ist wie im Rest von New York. Wir haben daraufhin eine Bürgerinitiative gegründet und ein Gutachten über die Bodenbeschaffenheit in Auftrag gegeben. Dieses Gutachten ergab, dass die Konzentration von Cyanid, Dioxin und Arsen im Boden die zulässigen Werte um ein Weites überschreitet. Die Verseuchung des Bodens ist der Grund, für die überdurchschnittliche Erkrankung der Bewohner der Siedlung an Krebs.“
„Können Sie uns das Gutachten überlassen?“
„Gerne. Ich habe in meiner Kanzlei einige Kopien fertigen lassen.“
„Wer hat das Gutachten erstellt?“
„Professor Curtis Taylor von der Fordham Universität. Er hat zusammen mit Doktor Jones einige Dissertationen über den Zusammenhang von Bodenverseuchung und erhöhtem Krebsrisiko publiziert.“
„Der Professor und Doktor Patty Jones arbeiten also Hand in Hand“, stellte George Cassidy fest. „Sind Sie mit dem Gutachten an die Umweltschutzbehörde herangetreten?“
„Was denken Sie denn? Aber der Stadtverordnete Milburn ließ uns ablaufen wie kaltes Wasser. Ich kann Ihnen den Brief zeigen, den er uns schreiben ließ. Ein Hohn. Er beruft sich auf Gutachten, die älter als fünfundzwanzig Jahre sind und wahrscheinlich manipuliert wurden. Es hat sogar anonyme Drohungen gegeben.“
„Anonyme Drohungen?“, wiederholte der DI.
„Ja. Man hat mir gedroht, mich im Hudson zu versenken, wenn ich nicht aufhöre, Unruhe und Hysterie in der Bevölkerung Rossvilles zu schüren. Auch Doktor Jones hat Morddrohungen erhalten.“
„Und?“
„Wir lassen uns nicht einschüchtern. Die Wahrheit muss auf den Tisch. Das damalige Erschließungsverfahren weist eine Reihe von Ungereimtheiten auf. Ich vermute, dass Hugh Milburn und Scott Wilander sowie die beiden Gutachter unter einer Decke steckten. Wilander hatte das gesamte Gelände irgendwann vor etwa dreißig Jahren für ein Butterbrot erworben und mit vielen hundert Prozent Gewinn an die Stadt zurückverkauft. Von diesem großen Kuchen wird sich jeder der Beteiligten ein Stück abgeschnitten haben.“
„Schwere Anschuldigungen“, meinte Sergeant McKinney.
„Anders ist es nicht zu erklären“, erwiderte Munday.
„Als Jurist wissen Sie sicher, dass es gefährlich ist, ohne konkrete Beweise jemand einer Straftat zu beschuldigen“, sagte Cassidy.
„Alles spricht für meinen Verdacht. Damals flossen Bestechungsgelder. Die Gutachter wurden gekauft.“
„Sie sollten die Drohungen nicht auf die leichte Schulter nehmen“, gab Cassidy zu verstehen. „Sollte Ihre Vermutung zutreffen, dann wird von Seiten der damals Beteiligten großes Interesse daran bestehen, dass die Sache nicht an die große Glocke gehängt wird. Um den eigenen Hals zu retten schreckt so mancher Zeitgenosse vor keiner Schandtat zurück.“
„Ich habe keine Angst“, behauptete Munday. „Außerdem besitze ich eine Waffe.“ Er lächelte. „Keine Sorge, Detectives. Sie ist natürlich registriert. Ich kenne die restriktiven Waffengesetze im Staat New York. Notfalls werde ich mich zu verteidigen wissen.“
Munday holte eine Kopie des Gutachtens. Es umfasste vierundzwanzig Seiten und war erst wenige Monate alt.
Die Cops fuhren an diesem Tag noch zu Dr. Patty Jones ins New York University Medical Center. Sie hatte Dienst. Die Unterredung dauerte nicht lange. Die Ärztin bestätigte, was die Polizisten schon wussten. „Die Sache stinkt zum Himmel“, endete sie. „Man hat Munday und mir gedroht. Wir sollen die Finger davon lassen. Jemand hat Dreck am Stecken und fürchtet, dass nach zig Jahren die Wahrheit ans Licht kommt.“
„An wen denken Sie?“
„An dieselben Leute wie Adrian Munday.“
Die Cops ließen sich auch von Dr. Jones Kopien der Unterlagen aushändigen, die sie über den hohen Anteil an Krebserkrankungen in Rossville erstellt hatte, dann fuhren sie ins Police Department.
In ihrem Büro sichteten sie das Material, das sie gesammelt hatten. Es ergaben sich keine neuen Erkenntnisse. Sie fanden also nichts, was sie nicht schon wussten.
Am folgenden Tag suchten sie Scott Wilander in seiner Villa am Cloves Lakes Park in Staten Island auf. Der Fünfundsiebzigjährige wirkte fit und jugendlich. Seine Haare waren weiß, seine Augen graublau und wässrig. Er trug Jeans, eine weißes Hemd und eine ärmellose Weste aus schwarzem Leder.
„Ja, ich habe das Gelände von der Stadt damals gekauft und als Schuttabladeplatz zur Verfügung gestellt“, gab er zu. „Irgendwann hörte ich von Plänen der Stadtverwaltung, auf dem Gebiet eine Sozialsiedlung zu bauen, um kinderreichen Familien günstige Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Sie müssen wissen, dass ich Immobilienmakler war. Natürlich regte sich bei mir sofort der Geschäftssinn. Ich ließ die Müllkippe mit Erdreich auffüllen und überdecken und gab zwei Gutachten in Auftrag, die klären sollten, ob die Bodenbeschaffenheit für Menschen unbedenklich sei. Sie war es, und die Sache nahm ihren Lauf.“
„Sie haben sicher gehört, dass es ein neues Gutachten gibt, das genau das Gegenteil von dem aussagt, was Lewis und Johnson damals gutachterlich bestätigten.“
„Ich hab davon gehört. Es ist nicht mein Problem. Vielleicht ist die Belastung des Geländes erst im Laufe der Jahre eingetreten. Ich weiß es nicht. Es interessiert mich auch nicht. Ich habe mir nichts vorzuwerfen.“
„Kann es nicht sein, dass die beiden Gutachter damals bestochen wurden? Ebenso bestochen wie Hugh Milburn, der zur fraglichen Zeit Abteilungsleiter im Stadtbauamt war.“
„Wer sollte diese Leute bestochen haben. Der Name Milburn sagt mir gar nichts. Ich weiß nur, dass mir die Stadt das Gelände abkaufte und es bebaute. Davon lebte ich, Gentlemen. Ankauf und Verkauf von Immobilien.“
„Es ging damals um zig Millionen.“
„Na und?“
„Gibt es noch Unterlagen über den Verkauf des Geländes?“
„Natürlich. Sie befinden sich im Geschäft, das mein Sohn Steve übernommen hat. Es ist allerdings nur der Kaufvertrag und die notarielle Beurkundung.“
„Sie wussten, welche Art von Müll auf dem Gelände entsorgt wurde?“, fragte ich.
„Müll jeder Art, nehme ich an“, antwortete Wilander. „Haushaltsmüll, Bauschutt …“
„Industriemüll“, ergänzte Sergeant McKinney. „Säurehaltiger Schlamm aus Bleikristall- und Porzellanfabriken, Lack- und Farbenabfälle, Chemikalien, die bei der Herstellung von Holzschutzmitteln anfallen und auf Ihrer Müllkippe abgeladen wurden. Ich denke, Sie wussten sehr wohl, was dort landete. Als Betreiber waren Sie schließlich dafür verantwortlich, dass keine Umweltgifte entsorgt wurden. Aber das hat Sie wahrscheinlich schon damals nicht interessiert.“
„Wie reden Sie denn mit mir?“, brauste Wilander auf. „Ich werde mich beschweren.“
„Tun Sie das“, erwiderte Sergeant McKinney gelassen. „Niemand wird uns maßregeln, nur weil wir unseren Job machen.“
„Dann machen Sie ihn und lassen Sie mir meine Ruhe. Ihre Unterstellungen und Verdächtigungen sind haltlos.“
„Haben Sie keine Angst, dass Lewis oder Johnson reden?“, fragte der Deputy Inspector.
„Und wenn schon“, presste Wilander hervor. „Was sollen Sie schon groß sagen?“
„Das wird sich herausstellen.“
Scott Wilander grinste spöttisch und schaute die Cops mit kalten Reptilienaugen an. Dieser Mann ging über Leichen. Soviel Menschenkenntnis besaß Cassidy, um dies behaupten zu können.
Im Moment bissen sie bei ihm auf Granit.
Dwaine Lewis wohnte in Brooklyn, 80th Street East. Er bewohnte ein schmuckes Einfamilienhaus mit einem gepflegten Vorgarten. Es war am nächsten Morgen, als Cassidy und McKinney an seiner Wohnungstür läuteten.
Niemand öffnete den beiden Polizisten.
Sie fragten bei einem Nachbarn nach. „Dwaine verlässt sein Haus nur, um im Supermarkt einzukaufen“, erklärte ihnen der Mann. „Seine Frau ist gehbehindert. Er kann also nicht weit sein. Gedulden Sie sich ein wenig. Er kommt ganz bestimmt bald zurück.“
Sie geduldeten sich fast eine Stunde, dann schloss Cassidy mit einem Dietrich die Haustür auf. Im Wohnzimmer lag ein Mann am Boden, eine Frau saß in einem Sessel, und beide waren - tot. Der Mann war erschossen worden, die Frau hatte man erwürgt. Das Stück Kabel, das für den brutalen Mord benutzt wurde, lag hinter dem Sessel am Fußboden.
Bei den Getöteten handelte es sich um Dwaine Lewis und seine Ehefrau.
„Großer Gott“, entrang es sich Sergeant McKinney, und ihre Stimme klang belegt. „Mir scheint, da ist uns jemand zuvorgekommen.“
Der Deputy Inspector nahm sein Mobiltelefon aus der Jackentasche und rief beim Police Department an. Ein Kollege versprach ihm, sofort einige Beamte und die Spurensicherung nach Brooklyn zu schicken.
Nachdem er das Handy wieder in der Tasche versenkt hatte, sagte der DI: „Ich fürchte, dass wir auch bei Gary Johnson zu spät kommen. Wer immer es auch ist, der einen Grund hat, die Vorgänge von damals zu vertuschen - er wird auch in Johnson eine Gefahr sehen und ihn beseitigen.“
„Gary Johnson wohnt in Westchester County“, kam es von Sergeant McKinney. „Dort oben sind wir nicht zuständig. Wir sollten die Kollegen dort verständigen und bitten, sofort eine Streifenwagenbesatzung zu Johnsons Wohnung zu schicken.“
Cassidy hatte die Telefonnummer der Polizei von Westchester County im elektronischen Telefonbuch seines Handys gespeichert. Er stellte eine Verbindung her, wurde zweimal verbunden, dann hatte er den richtigen Mann am Apparat und erklärte ihm, worum es ging, nannte ihm die Adresse von Gary Johnson und bat ihn, zurückzurufen, sobald bekannt war, ob der Gutachter gesund und munter oder tot und starr war.
Während sie auf die Beamten des Police Departments warteten, schauten sich der Deputy Inspector und Sergeant McKinney ein wenig in der Wohnung um, ohne jedoch etwas anzufassen oder gar zu verändern. Die Spurensicherung sollte alles so vorfinden, wie es zum Zeitpunkt der Ermordung des Ehepaares gewesen war.
Schließlich kamen die Kollegen. Es waren ein halbes Dutzend Beamte, unter ihnen ein Polizeiarzt. Fotos wurden geschossen, dann gingen die Kollegen von der Spurensicherung ans Werk. Wenig später kam der Coroner, und bald darauf ein Vertreter der Staatsanwaltschaft.
Und dann dudelte das Handy Cassidys. Er nahm es und ging auf Empfang. Es war ein Kollege von der Mordkommission in Westchester County. „Ihre Befürchtung war begründet, Inspector. Gary Johnson wurde in seiner Wohnung ermordet. Erschossen.“
„Was ist mit seiner Frau?“
„Johnson war verwitwet.“
Eine zentnerschwere Last drohte den DI sekundenlang zu erdrücken. „Veranlassen Sie, dass ich einen Bericht über das Ergebnis der Spurensicherung erhalte“, bat er. „Vor allen Dingen interessiert mich das Ergebnis der ballistischen Auswertung der Kugel, die Johnson getötet hat.“
„Kein Problem, Kollege. Ich schicke das Material an das NYPD zu Ihren Händen.“
„Danke.“
„Er wurde also auch ermordet“, murmelte Sergeant McKinney, nachdem Cassidy die Hand mit dem Mobiltelefon gesenkt hatte.
„Es kommen nicht allzu viele Leute als Mörder in Frage“, sagte der DI.
„Hugh Milburn und Scott Wilander“, knurrte Sally McKinney und zuckte mit den Achseln. „Wer auch immer von den beiden – er hat verdammt schnell reagiert.“
„Ich hätte vielleicht den Hinweis unterlassen sollen, dass Lewis oder Johnson reden könnten“, murmelte Cassidy.
„Knöpfen wir uns noch einmal Wilander vor!“, regte Sergeant McKinney an.
Sie überließen das Feld ihren Kollegen vom Police Department und fuhren zum Cloves Lakes Park, genauer gesagt zur Bement Avenue. Dort wohnte Scott Wilander in einer exklusiven Villa, die mitten in einem parkähnlichen Garten errichtet war und die vom Reichtum ihres Besitzers zeugte.
Wenig später saßen sie ihm im Wohnzimmer gegenüber. Er musterte sie mit einer Mischung aus angespannter Erwartung und unverhohlenem Hohn. „Na“, sagte er mit einem angedeuteten Grinsen um die Lippen, „kommen Sie, um mich zu verhaften? Habe ich mich strafbar gemacht, als ich vor über zwanzig Jahren Land an die Stadt New York verkaufte?“
Seine Stimme ätzte vor Hohn.
„In der vergangenen Nacht wurden Lewis und Johnson ermordet“, sagte Cassidy, ohne auf die spöttischen Fragen Wilanders einzugehen. Sein Blick hatte sich regelrecht am Gesicht Wilanders verkrallt. „Seltsam, nicht wahr? Sie werden ausgerechnet dann ermordet, wenn das PD Näheres über die Gutachten von damals von ihnen wissen will.“
Das Grinsen in Wilanders Zügen war zu einer Maske der Betroffenheit zerronnen.
Das Gesicht des ehemaligen Immobilienmaklers hatte sich außerdem entfärbt und wies nun eine fast krankhaft zu nennende gräuliche Farbe auf. In seinen Mundwinkeln zuckte es, und es sah aus, als wollte er etwas sagen, doch ihm schien es die Sprache verschlagen zu haben. „Wer kann das getan haben?“, entrang es sich ihm schließlich.
Cassidy war keine seiner Reaktionen entgangen. Entweder war er ein hervorragender Schauspieler, oder seine Fassungslosigkeit war echt. Vielleicht war es auch nur, weil er ahnte, dass er neben Hugh Milburn zuoberst auf der Liste der Verdächtigen stand.
„Haben Sie mit Milburn Verbindung aufgenommen, nachdem wir bei Ihnen waren?“, wollte der Deputy Inspector wissen.
„Nein, nein …“ Wilander schüttelte den Kopf und griff sich an die Stirn. Er wirkte plötzlich abwesend, als wäre er geistig weit, weit weg. Blicklos starrte er auf einen imaginären Punkt im Raum. Plötzlich aber schaute er den DI an, und zwar wie jemand, der aus tiefem Schlaf erwacht, und sagte abgehackt: „Ich habe damit nichts zu tun, Detective. Ich …“
Er brach ab.
„Die Ermordung der beiden Gutachter kann nur im Zusammenhang mit den Gutachten von damals stehen“, stellte Sergeant McKinney fest. „Ich nehme an, dass jemand einen Killer zu Lewis und Johnson schickte. Verdächtig, die Morde in Auftrag gegeben zu haben, sind Hugh Milburn und Sie.“
Sehr schnell kehrte Wilander zu seiner alten Sicherheit und zur Schau getragenen Ruhe zurück. „Mir das in die Schuhe schieben zu wollen ist infam“, keifte er. „Ich werde meinen Rechtsanwalt benachrichtigen. Sie werden von ihm hören, Detective. Und jetzt möchte ich Sie bitten, mich alleine zu lassen. Und - kommen Sie nur dann wieder, wenn Sie mit Beweisen gegen mich aufwarten können.“
„Wir werden uns Mühe geben“, konnte sich Cassidy nicht verkneifen zu sagen, was ihm einen gehässigen Blick Wilanders eintrug.
Die Cops verließen das Haus des ehemaligen Immobilienmaklers.
„Wir werden bei der Telefongesellschaft eine Liste seiner Telefongespräche des vergangenen halben Jahres anfordern“, sagte Cassidy, als sie im Dienstwagen saßen. „Vor allen Dingen interessiert mich, ob er mit Milburn telefoniert hat, insbesondere nach unserem Besuch gestern.“
„Was jetzt?“, fragte Sergeant McKinney.
„Wir haben so ziemlich alle abgeklappert, die mit der Bebauung in Rossville damals zu tun hatten. Nur noch die Witwe McCutchens fehlt uns. Vielleicht weiß sie etwas.“
Der Detective Inspector hatte keine allzu großen Hoffnungen.
Die Frau besaß ein kleines Apartment in Manhattan, Horatio Street. „Mein Mann war ein ehrlicher, ehrenhafter Mann, der sich niemals für irgendwelche gesetzeswidrigen Machenschaften hergegeben hätte. Leider ist er kurz vor seiner Pensionierung gestorben.“
„Woran ist Ihr Mann gestorben?“, fragte George Cassidy.
„Herzversagen. Ich fand ihn in der Garage tot neben seinem Auto liegend.“
„Hat er nie irgendwelche Andeutungen gemacht, dass ihm irgendwelche Unregelmäßigkeiten aufgefallen wären?“
Die Frau – sie mochte 65 Jahre alt sein -, dachte kurz nach, dann nickte sie und sagte: „Doch, aber er hat sich nie näher darüber ausgelassen. Das war kurz vor seinem Tod. Da sagte er einmal zu mir, dass man ihn schamlos ausgenutzt habe. Es ging um eine Unterschrift, die er geleistet hat und die irgendein Baugebiet aus Sicht der Umweltschutzbehörde für unbedenklich erklärte. Man habe ihn durch Vortäuschung falscher Tatsachen zu dieser Unterschrift verleitet und er wollte der Sache auf den Grund gehen. Zwei Wochen später war er tot.“
Die Worte hallten in Cassidy nach. „Wer hat den Totenschein für Ihren Mann ausgestellt?“, fragte er.
„Doktor Lovitt, unser Hausarzt, hat den Tod festgestellt. Er praktiziert seit zwei Jahren nicht mehr. Lovitt hat aus Altersgründen seine Praxis geschlossen.“
„Hat er Ihren Mann einer gründlichen Untersuchung unterzogen?“
„Nein.“
„Also hat er den Herztod aufgrund des Augenscheins diagnostiziert?“
„So war es wohl.“
„Ich denke, dass Ihr Mann ermordet wurde, Mrs McCutchen!“, stieß der Deputy Inspector hervor. „Er war dabei, eine himmelschreiende Schweinerei aufzudecken - und deshalb musste er sterben.“
Die Frau schaute den Beamten an, als hätte sie den Sinn seiner Worte nicht begriffen, mit dem typisch stupiden Ausdruck des Nichtsbegreifens. „Er-mor-det!“, entrang es sich ihr schließlich und sie zerlegte das Wort in seine Silben. „Großer Gott …“
„Unterzog sich Ihr Mann regelmäßigen Untersuchungen?“, fragte Sergeant McKinney.
„Ja. Er war jedes halbe Jahr bei Doktor Lovitt und ließ einen Vollcheck mit sich durchführen. Lunge, Herz, Blutbild …“
„Wurde je eine Herzschwäche bei Ihrem Mann festgestellt?“
„Nein. Er war – abgesehen von einem zu niedrigen Blutdruck -, immer kerngesund. – Wer – wer soll meinen Mann ermordet haben? Die riesige Schweinerei, von der Sie sprachen, hing sie damit zusammen, dass man ihn dazu verleitete, seine Unterschrift unter eine Baugenehmigung setzte, die nie erteilt hätte werden dürfen?“
„Es sieht so aus“, bestätigte der DI. Was er als nächstes sagen musste, wollte nur widerwillig über seine Lippen. Aber es musste sein. „Wir werden einen Beschluss erwirken müssen, der die Exhumierung Ihres Mannes anordnet, Mrs McCutchen. Es besteht – wie ich schon zum Ausdruck gebracht habe -, der begründete Verdacht, dass er keines natürlich Todes starb.“
Die Frau brach in Tränen aus. „Nicht einmal im Tod hat er seine Ruhe“, schluchzte sie.
„Es muss sein“, sagte Cassidy mit Nachdruck. „Wir müssen Gewissheit haben.“
„Wer – wer kann ihm etwas derart Schreckliches angetan haben?“, fragte die Frau mit tränenerstickter Stimme und schlug die Hände vor das Gesicht. „Mein armer Mann.“
Dem DI tat Mrs McCutchen bis ins Herz leid. Die alten Wunden in ihrem Innern schienen wieder aufgebrochen zu sein. Aber Cassidy fand keine Worte, um sie zu trösten. Was sollte er auch sagen, ohne abgedroschen und lapidar zu klingen? Er erhob sich und legte ihr die Hand auf die zuckende Schulter. „Es tut mir leid, Mrs McCutchen.“
„Das muss es Ihnen nicht“, murmelte sie und ließ die Hände sinken. „Sie machen nur Ihren Job.“
Die Cops fuhren zur Niederlassung der Verizon Communications, der größten US-Telefongesellschaft. Wilander war kein Kunde bei dieser Gesellschaft, Hugh Milburn mit seinem Privatanschluss hingegen schon. Die Beamten baten, ihnen eine Liste seiner im letzten halben Jahr geführten Telefongespräche auszudrucken. Dann fuhren sie zu Verizon Wireless, und dort hatten sie Glück. Sie bekamen die Liste der von Wilanders Privatanschluss geführten Telefonate des vergangenen halben Jahres.
Damit begaben sie sich ins Hauptquartier.
Cassidy und McKinney suchten Chief Howard auf und berichteten, was sie herausgefunden hatten.
„Wie es scheint, sind wir an einer ganz großen Sache dran“, endete Sergeant McKinney. „Man hat mit den Morden an Lewis und Johnson begonnen, lästige Mitwisser und potentielle Zeugen zu beseitigen. Wenn es zutrifft, dass Harvey McCutchen ermordet wurde, dann nur aus dem einen Grund, weil er damals schon dieser Mafia, die aus den Bauabsichten der Stadt New York in Rossville eine Menge Kapital schlug, gefährlich werden konnte.“
„Das sehe ich genauso“, sagte Chief Howard.
„Wir benötigen einen richterlichen Beschluss, der die Exhumierung der Leiche Harvey McCutchens anordnet, Sir“, bemerkte Cassidy. „Wenn Sie ihn erwirken würden, ginge es weniger bürokratisch über die Bühne.“
Howard lächelte geschmeichelt. „Ich kümmere mich drum.“
„Vielen Dank.“
Die Auswertung der Telefonlisten ergab keine besonderen Erkenntnisse. George Cassidy war enttäuscht. Es schien keine telefonische Verbindung zwischen Wilander und Milburn gegeben zu haben. Auch die anderen Telefonate, die von den beiden geführt wurden, waren unverdächtig.
Zwei Tage später erfuhren die Cops, dass die ballistische Analyse ergeben hatte, dass Lewis und Johnson mit derselben Waffe erschossen worden waren. Es handelte sich um Geschosse vom Kaliber 9 Millimeter Luger, wie sie in einer Vielzahl von Pistolen der verschiedensten Modelle verwendet werden. Ein Abgleich mit registrierten Geschossen hatte nicht zum Erfolg geführt. Die Waffe war noch nicht in Erscheinung getreten.
Schließlich wurden die sterblichen Überreste Harvey McCutchens exhumiert und ins gerichtsmedizinische Institut überführt. Zwei Tage später erfuhren die Cops, dass Rückstände von Pavulon in den Knochen gefunden worden waren. Das ist ein dem Pfeilgift Curare ähnliches Narkosemittel, das bei Überdosis zur Lähmung der Atemmuskulatur führt. Es muss McCutchen gewaltsam injiziert worden sein. Der Mörder hatte ihn in seiner Garage abgepasst. Damit stand fest, dass McCutchen keines natürlichen Todes gestorben war.
An diesem Tag erhielten Cassidy und McKinney auch das graphologische Gutachten, das die Echtheit der Unterschrift unter der Unbedenklichkeitsbestätigung der Umweltschutzbehörde für eine Bebauung Rossvilles bestätigte. Aber dieses Gutachten hätten sie schon gar nicht mehr benötigt. Nach dem, was ihnen Mrs McCutchen erzählt hatte, gingen sie davon aus, dass die Bestätigung tatsächlich von McCutchen unterschrieben worden war.
Was hatten sie? Drei Morde, zwei Verdächtige und die Gewissheit, dass bei der Freigabe des Geländes in Rossville vor mehr als zwanzig Jahren Korruption im Spiel war. Einen Beweis dafür hatten sie jedoch nicht. Wir mussten den Mörder Lewis’ und Johnsons finden, denn nur über ihn kamen sie an den Mann oder die Männer heran, die sich vor mehr als zwei Jahrzehnten durch den Verkauf des fragwürdigen Geländes finanziell gesundgestoßen hatten. An erster Stelle stand Scott Wilander. Ihm mussten sie nachweisen, dass er Lewis und Johnson bestochen hatte. Da war aber auch Hugh Milburn, der die Bebauung federführend vorantrieb und der Umweltbehörde positive Gutachten vorlegte. Die Frage war, geschah es wissentlich oder unwissentlich. Wenn er wider besseres Wissen handelte, dann war davon auszugehen, dass er Schmiergeld kassierte.
Die Reaktion Wilanders war George Cassidy nicht entgangen, als er und seine Kollegin mit der Nachricht aufwarteten, dass die beiden Gutachter von damals ermordet worden waren. Er war bleich geworden wie ein Leichentuch. Fürchtete auch er um sein Leben?
Wenn ja, musste er mehr wissen, als er zugab. Dann hatte er wahrscheinlich die Gutachter bestochen. Und er hatte in einem engen Kontakt zu Hugh Milburn gestanden, wahrscheinlich hatten die beiden sogar Hand in Hand gearbeitet.
Oder gab es noch eine Unbekannte, die die Cops bis dato außer Acht gelassen hatten, weil sie von ihrer Existenz einfach nicht ausgegangen waren?
Wer war damals Hugh Milburns Vorgesetzter?
Wer stand der Umweltschutzbehörde vor?
Deputy Inspector Cassidy sprach mit Sergeant McKinney darüber, und sie kamen zu dem Schluss, die Fragen noch am selben Tag zu klären. Also ließen sie sich noch einmal einen Termin bei Hugh Milburn geben und bekamen ihn um 15 Uhr.
Seine linke Braue hob sich, als sie sein Büro betraten. Es verlieh seinem Gesicht einen absolut arroganten Ausdruck. „Wenn ich mich nicht täusche, dann habe ich Ihnen bereits alles gesagt, was es in dieser Sache von meiner Seite zu sagen gab“, äußerte er. „Was also kann ich noch für Sie tun?“
„Wer war Ihr Vorgänger im Amt des Stadtverordneten für den Umweltschutz?“, fragte Cassidy.
Zuerst schaute ihn Milburn verdutzt an, dann lachte er spöttisch auf und dann sagte er: „Kenneth Grant. Wollen Sie ihn etwa auch noch in die Geschichte hineinziehen?“
„Der Senator?“, fragte der DI.
„Genau der. Hat Karriere gemacht, der Mann. Er vertritt den Staat New York im Weißen Haus.“
„Und wer wurde nach Ihnen Abteilungsleiter im Bauamt?“
„Patrick Darcy. Er war früher mein Stellvertreter als Abteilungsleiter. Ein ausgesprochen integerer Mann, der seine Arbeit sehr ernst nimmt.“
„Haben Sie schon mitbekommen, dass Lewis und Gary Johnson ermordet wurden?“
„Wer sind Lewis und Johnson?“, blaffte der Stadtverordnete.
„Die Sachverständigen, aufgrund deren Gutachten damals das Gebiet von Rossville zur Bebauung freigegeben wurde.“
„Sie wurden umgebracht?“ Die drei Worte platzten geradezu aus Milburns Mund.
„Ja, und zwar, ehe wir mit ihnen sprechen konnten. Sieht das nicht sehr nach einem Zeugenbeseitigungsprogramm aus?“
Die Glätte in Milburns Gesicht zerbrach. „Was soll das nun wieder heißen?“ Seine Augen versprühten Blitze, die Zornesader an seiner Schläfe war angeschwollen und sein Gesicht hatte sich gerötet. Wahrscheinlich war sein Blutdruck jetzt auf 180.
„Auch Wilander fürchtet um sein Leben.“ Cassidy sagte es, obwohl ich dies nur ahnte. „Sie etwa auch?“
„Ich rufe meinen Anwalt an!“, knirschte der Stadtverordnete und griff nach dem Telefonhörer.
„Sparen Sie sich die Mühe“, sagte der DI und drückte sich hoch. „Doch eines dürfen Sie mir glauben, Sir. Wir werden die Wahrheit herausfinden und die Schuldigen – ohne Ansehen der Person – zur Rechenschaft ziehen.“
Milburn stieß die verbrauchte Luft durch die Nase aus. Seine Schultern sanken nach unten. Er stellte seine Ellenbogen auf den Schreibtisch und verschränkte vor seinem Gesicht die Finger ineinander. „Setzen Sie sich, Detective“, sagte er plötzlich in einem völlig ruhigen Ton. Und als Cassidy saß, fuhr er fort: „Nicht nur Sie verdächtigen mich, an der faulen Sache von damals beteiligt gewesen zu sein. Gestern bekam ich einen anonymen Anruf. Man fordert von mir eine Million Dollar, oder man will der Polizei Beweismittel vorlegen, die meine Beteiligung an der Sache von damals belegen.“
Das saß. „Eine Million“, flüsterte Sergeant McKinney.
„Gibt es solche Beweise?“, fragte Cassidy.
„Ich wurde damals hereingelegt“, gestand Milburn kleinlaut, fast zerknirscht. „Man legte mir den Bebauungsplan und die Gutachten vor, ich schaute mir das Zeug auch an, befand es für in Ordnung und gab es weiter an die Umweltbehörde mit der Bitte, die Unbedenklichkeit einer Besiedlung des Geländes zu bescheinigen. McCutchen konnte gar nicht anders, als seine Unterschrift unter das entsprechende Dokument zu setzen.“
George Cassidy fragte sich, ob seine Zerknirschtheit echt war.
„Und McCutchen bemerkte irgendwann in späterer Zeit, dass sein Namen für eine Sache missbraucht worden war, für die er ihn nie hergegeben hätte, wenn er mit der Wahrheit bedient worden wäre“, konstatierte Cassidy. „Ehe er damit an die Öffentlichkeit gehen konnte, wurde er umgebracht, indem man ihm in seiner Garage auflauerte und ein schnell wirkendes Gift injizierte.“
„Großer Gott!“, entrang es sich Milburn und seine Stimme klang ausgesprochen brüchig. „Ich dachte, es wäre ein Herzschlag gewesen.“
„So stellte es sich dem Hausarzt dar, als er den Leichnam nur einem Augenschein aber keiner eingehenden Untersuchung unterzog.“
„Jetzt, nach vielen, vielen Jahren, wird diese ganze unselige Sache an die Oberfläche gespült.“ Es klang fast verzweifelt. Wahrscheinlich wurde das Bewusstsein des Stadtverordneten von einer Woge des Selbstmitleides überspült. „Der Fluch der bösen Tat. Die Vergangenheit lässt sich nicht einfach abschütteln. Wir haben Fehler gemacht. Das räume ich ein. Es hätte damals von Seiten des Bauamtes ein Gutachten in Auftrag gegeben werden müssen, doch wir haben es aus Kostengründen unterlassen, da uns zwei Gutachten vorgelegt wurden, die unabhängig voneinander erstellt worden waren. Wir haben geschlampt. Und das ist unter anderem meine Schuld.“
Der DI war skeptisch. Dieser Gesinnungswandel kam ihm viel zu überstürzt. Außerdem ließ Milburns Reaktion auf das neuerliche Gutachten und die Erkenntnisse von Dr. Patty Jones sowie die Eingaben der Bürgerinitiative Rossville nicht den Schluss zu, dass er bei sich auch nur die geringste Schuld suchte.
George Cassidy misstraute ihm.
War es seiner Voreingenommenheit zuzuschreiben? Ihm war der Mann unsympathisch bis ins Mark. Dennoch versuchte er sich zu objektiver Betrachtungsweise zu zwingen. Es wollte ihm nicht gelingen, und er zog den Schluss, dass sein Misstrauen gerechtfertigt war. Milburn beabsichtigte, ihn und McKinney auf eine falsche Fährte zu locken. Davon war der DI überzeugt. Indem er eine Mitschuld – auf fahrlässigem Verhalten basierend – einräumte, dachte er vielleicht, damit habe es sein Bewenden und die Polizei würde das Interesse an ihm verlieren.
Cassidy verlieh dieser Überzeugung Ausdruck, als er und Sergeant McKinney wieder auf dem Weg zum Police Department waren, indem er sagte: „Er hat versucht, uns Sand in die Augen zu streuen. Ich verwette meinen rechten Arm, dass er bis zum Hals in der Schweinerei steckt. Er war wahrscheinlich das Bindeglied zwischen Wilander, Stadtbauamt und Umweltschutzbehörde. Es wäre interessant zu wissen, wie viel Geld ihm Scott Wilander dafür gezahlt hat.“
„Glaubst, dass er wirklich erpresst wird?“, kam es von Sergeant McKinney. Sie verzog den sinnlich geschnittenen Mund. „Vielleicht ist das auch nur eine Finte.“
„Wenn er erpresst wird, dann gibt es sicher auch Beweise für sein korruptes Verhalten. Die Frage ist, wer gegebenenfalls der Erpresser ist und was er tatsächlich weiß.“
„Wir sollten vielleicht mal mit Kenneth Grant und Patrick Darcy sprechen“, schlug Sergeant McKinney vor. „Immerhin saß Grant damals an maßgeblicher Position, und Darcy war bestimmt in die Aktivitäten seines Abteilungsleiters eingeweiht.“
Sergeant McKinney nahm das Handy und rief im Hauptquartier an. Fünf Minuten später wussten die Cops, wo Grant und Darcy wohnten, und man gab McKinney auch deren Telefonnummern durch. Grant war nicht zu Hause. Sein Büro befand sich in der Oliver Street in Two Bridges, einem Stadtteil im Süden Manhattans. Seine Sekretärin nannte ihnen einen Termin.
Sally McKinney versuchte es bei Darcy. Dessen Frau nahm das Gespräch entgegen. Sergeant McKinney fragte, ob Darcy zu Hause sei und schon gleich kam ihre nächste Frage: „Wann kommt er nach Hause?“ McKinney lauschte kurze Zeit, dann sagte sie: „Würden Sie ihm bestellen, dass er mit uns Verbindung aufnehmen soll. Die Telefonnummer ist …“
McKinney diktierte der Frau die Nummer, dann beendete sie das Gespräch und schaute ihren Kollegen Cassidy von der Seite an. Der sah es aus den Augenwinkeln. Sergeant McKinney sagte: „Er befindet sich bis Morgen in Washington. Irgendein Meeting. Ob er nach seiner Rückkehr nach New York gleich nach Hause fährt, weiß seine Frau nicht. Ziemlich spitz meinte sie, dass ihr Mann nach seiner Ankunft wohl Wichtigeres zu tun habe, als nach Hause zu kommen.“
„Wichtigeres? Berufsbedingt, oder …“
„Ich denke eher oder“, meinte Sergeant McKinney. „Dem Tonfall der Lady nach zu schließen frönt der gute Abteilungsleiter außerehelicher Aktivität. Heute geht also nichts mehr. Weder bei Grant, noch bei Darcy.“
„Vielleicht sollten wir uns trotzdem mal mit seiner Gattin unterhalten“, murmelte Cassidy. „Vielleicht können wir aus dem, was sie uns erzählt, irgendeinen versteckten Hinweis entnehmen, der für uns von Bedeutung sein kann.
Sie fuhren also nach Midtown South, wo Darcy und seine Frau eine Penthouse-Wohnung mit Blick auf den Madison Square Garden ihr Eigen nannten.
„Police-Sergeant McKinney“, stellte sich diese vor, als die Frau die Tür einen Spalt breit geöffnet hatte. Von ihrem Gesicht war nur die Hälfte zu sehen. Die andere Hälfte verbarg das Türblatt. „Mein Kollege Cassidy. Wir haben vorhin telefoniert und hätten Sie jetzt gerne persönlich gesprochen.“
„Weshalb interessiert sich die Polizei für meinen Mann?“
„Es ist eine alte Sache, die über zwanzig Jahre zurückliegt. Damals war Ihr Mann noch stellvertretender Abteilungsleiter im Bauamt. Milburn war sein Chef.“
Das Gesicht von Mrs Darcy verschloss sich. Sekundenlang sah es so aus, als würde sie den Cops die Tür vor der Nase zuschlagen. Doch dann drückte sie sie nur zu, um die Sicherungskette aushaken zu können. „Kommen Sie herein.“
Die beiden betraten die Wohnung.
„Nehmen Sie Platz“, forderte sie Mrs Darcy auf, und als sie saßen und sie sich ebenfalls gesetzt hatte, sagte sie: „Was möchten Sie wissen?“