Kunst – Liebe – Religion - Harry Lehmann - E-Book

Kunst – Liebe – Religion E-Book

Harry Lehmann

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Beschreibung

Der blinde Fleck der Systemtheorie Niklas Luhmann entwarf seine Systemtheorie für die Funktionssysteme Wirtschaft, Recht, Politik und Ökonomie. Später beschrieb er mit diesem Ansatz zwar auch die sozialen Systeme von Kunst, Liebe und Religion. Dies führte allerdings zu einer Reihe von Aussagen, die zentralen Theoremen der "ersten" Systemtheorie widersprechen. Harry Lehmanns zentrale These ist: Diese Abweichungen von der "orthodoxen" Systemtheorie lassen sich als Strukturmerkmale eines anderen Typus von Kommunikationsmedien beschreiben. Diese "Humanmedien" schließen – anders als Wirtschaft, Recht und Wissenschaft – den Menschen nicht funktional aus den Kommunikationsprozessen aus. Sondern sie schließen im Gegenteil die Subjekte – mit ihren idiosynkratischen Wahrnehmungen, Empfindungen und Gedanken – in solche Prozesse gezielt ein. Die Kommunikation in Humanmedien ist in ganz eigener Weise codiert. Das hat weitreichende Folgen für unser Verständnis von Gesellschaft. Die symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien der Macht, des Geldes, des Rechts und der wissenschaftlichen Wahrheit schränken mit ihren jeweiligen Funktionssystemen die Welt des menschlichen Sinns radikal ein. Hierin haben die spezifisch modernen Erfahrungen einer verwalteten Welt oder des entfremdeten Subjekts ihren Ursprung. Die Medien von Kunst, Liebe und Religion erschließen hingegen den Subjekten neue Möglichkeiten des Erlebens und der Kommunikation, die es ansonsten nicht gibt. Humanmedien bringen einen nichtfunktionalen emphatischen Sinn und damit auch Freiheit in die moderne Gesellschaft. Der Autor: Harry Lehmann, Dr. phil.; Philosoph und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Luxemburg mit den Schwerpunkten Systemtheorie, Kunstphilosophie und Musikphilosophie; freier Autor mit zahlreichen Publikationen, darunter: Ideologiemaschinen. Wie Cancel Culture funktioniert (2024).

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 202

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Carl-Auer

Systemische Horizonte – Theorie der Praxis

Herausgeber: Bernhard Pörksen

»Irritation ist kostbar.«

Niklas Luhmann

Die wilden Jahre des Konstruktivismus und der Systemtheorie sind vorbei. Inzwischen ist das konstruktivistische und systemische Denken auf dem Weg zum etablierten Paradigma und zur normal science. Die Provokationen von einst sind die Gewissheiten von heute. Und lange schon hat die Phase der praktischen Nutzbarmachung begonnen, der strategischen Anwendung in der Organisationsberatung und im Management, in der Therapie und in der Politik, in der Pädagogik und der Didaktik. Kurzum: Es droht das epistemologische Biedermeier. Eine Außenseiterphilosophie wird zur Mode – mit allen kognitiven Folgekosten, die eine Popularisierung und praxistaugliche Umarbeitung unvermeidlich mit sich bringt.

In dieser Situation ambivalenter Erfolge kommt der Reihe Systemische Horizonte – Theorie der Praxis eine doppelte Aufgabe zu: Sie soll die Theoriearbeit vorantreiben – und die Welt der Praxis durch ein gleichermaßen strenges und wildes Denken herausfordern. Hier wird der Wechsel der Perspektiven und Beobachtungsweisen als ein Denkstil vorgeschlagen, der Kreativität begünstigt.

Es gilt, die eigene Intelligenz an den Schnittstellen und in den Zwischenwelten zu erproben: zwischen Wissenschaft und Anwendung, zwischen Geistes- und Naturwissenschaft, zwischen Philosophie und Neurobiologie. Ausgangspunkt der experimentellen Erkundungen und essayistischen Streifzüge, der kanonischen Texte und leichthändig formulierten Dialoge ist die Einsicht: Theorie braucht man dann, wenn sie überflüssig geworden zu sein scheint – als Anlass zum Neu- und Andersdenken, als Horizonterweiterung und inspirierende Irritation, die dabei hilft, eigene Gewissheiten und letzte Wahrheiten, große und kleine Ideologien so lange zu drehen und zu wenden, bis sie unscharfe Ränder bekommen – und man mehr sieht als zuvor.

Bernhard Pörksen, Professor für Medienwissenschaftan der Universität Tübingen

Harry Lehmann

Kunst – Liebe – Religion

Theorie der Humanmedien

2025

Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags:

Prof. Dr. Dr. h. c. Rolf Arnold (Kaiserslautern)

Prof. Dr. Wolf Ritscher (Esslingen)

Prof. Dr. Dirk Baecker (Dresden)

Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim bei Köln)

Prof. Dr. Ulrich Clement (Heidelberg)

Prof. Dr. Arist von Schlippe (Witten/Herdecke)

Prof. Dr. Jörg Fengler (Köln)

Dr. Gunther Schmidt (Heidelberg)

Dr. Barbara Heitger (Wien)

Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt (Münster)

Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp (Merseburg)

Jakob R. Schneider (München)

Prof. Dr. Bruno Hildenbrand (Jena)

Prof. Dr. Jochen Schweitzer † (Heidelberg)

Prof. Dr. Karl L. Holtz (Heidelberg)

Prof. Dr. Fritz B. Simon (Berlin)

Prof. Dr. Heiko Kleve (Witten/Herdecke)

Dr. Therese Steiner (Embrach)

Dr. Roswita Königswieser (Wien)

Prof. Dr. Dr. Helm Stierlin † (Heidelberg)

Prof. Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück)

Karsten Trebesch (Dallgow-Döberitz)

Prof. Dr. Friedebert Kröger (Heidelberg)

Bernhard Trenkle (Rottweil)

Tom Levold (Köln)

Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Köln)

Dr. Kurt Ludewig (Münster)

Prof. Dr. Reinhard Voß (Koblenz)

Dr. Burkhard Peter (München)

Dr. Gunthard Weber (Wiesloch)

Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen)

Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Wien)

Prof. Dr. Kersten Reich (Köln)

Prof. Dr. Michael Wirsching (Freiburg)

Dr. Rüdiger Retzlaff (Heidelberg)

Prof. Dr. Jan V. Wirth (Meerbusch)

Themenreihe »Systemische Horizonte«

hrsg. von Bernhard Pörksen

Reihengestaltung: Uwe Göbel

Umschlaggestaltung: Melanie Szeifert

Redaktion: Veronika Licher

Satz: Drißner-Design u. DTP, Meßstetten

Printed in Germany

Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck

Erste Auflage, 2025

ISBN 978-3-8497-0553-4 (Printausgabe)

ISBN 978-3-8497-8531-4 (ePUB)

© 2025 Carl-Auer-Systeme Verlag

und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg

Alle Rechte vorbehalten

Das vorliegende Buch beinhaltet die überarbeitete und gekürzte Fassung des zweiten und dritten Teils des 2006 im Wilhelm Fink Verlag erschienenen Buchs desselben Autors mit dem Titel Die flüchtige Wahrheit der Kunst. Ästhetik nach Luhmann.© 2006 Brill Fink, ein Imprint der Brill Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich). Wiederabdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags Brill|Fink.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Carl-Auer Verlag GmbH

Vangerowstraße 14 • 69115 Heidelberg

Tel. +4962216438-0 • Fax +4962216438-22

[email protected]

Inhalt

Vorwort

1 Humanmedien

Mittelalter

Neuzeit

Moderne

2 Kunst

Symbolische Kunst

Schöne Kunst

Moderne Kunst

3 Liebe

Hohe Minne

Leidenschaftliche Liebe

Selbstprogrammierte Liebe

4 Religion

Dogmatischer Glaube

Reformation

Singularisierter Glaube

5 Philosophie

Philosophische Theologie

Wissenschaftliche Philosophie

Autonome Philosophie

6 Sinn

Wirklichkeitssinn

Unsinn

Möglichkeitssinn

7 Appendix

Strukturelle Kopplung

Kommunikationsstil

Universelle Relevanz

Kommunikationsfluss

Verstehen

Reflexivität

Systembildungsfähigkeit

Programmierbarkeit

Medienbildung

Codierung

Satz vom ausgeschlossenen Dritten

Technisierung

Modernisierung

Modus

Weltbezug

Sinnverarbeitung

Nachwort

Verzeichnis der Abbildungen

Verzeichnis der zitierten Schriften Niklas Luhmanns

Anmerkungen

Literatur

Über den Autor

Vorwort

Kunst, Liebe und Religion sind Themen, mit denen sich im alten Europa seit der Antike die Philosophen beschäftigt haben – seit ca. 150 Jahren beschäftigen sich damit auch die Soziologen und seit ca. 60 Jahren gibt es hiervon eine systemtheoretische Version, wie sie konzeptuell maßgebend von Niklas Luhmann entwickelt wurde. Luhmann, und mit ihm die neuere soziologische Systemtheorie, definiert soziale Systeme als Kommunikationssysteme. Die Gesellschaft – d. h. die Weltgesellschaft – ist die Menge aller menschlichen Kommunikation, und sie ist strukturiert durch unterschiedliche Kommunikationsmedien, deren unterschiedliche Funktionen es sind, gesellschaftliche Probleme zu lösen.

Ein spezieller Typus solcher Medien sind die sogenannten symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien. Sie strukturieren und steuern soziale Systeme, indem sie »an sich« unwahrscheinliche Kommunikation ermöglichen. Geld ist solch ein Medium, an dem sich die Funktion dieser Art von Medien illustrieren lässt: Wer etwas zu verkaufen hat, braucht keine persönliche Beziehung zum Käufer. Dieses Medium schafft ein gesellschaftliches Subsystem – das Wirtschaftssystem –, das die unwahrscheinliche Kommunikation hervorbringt, dass Käufer und Verkäufer sich treffen und – ohne vorherige oder nachfolgende gemeinsame Geschichte – miteinander ins Geschäft und auf ihre Kosten kommen. Vertrauen ins Geld ersetzt das Vertrauen in den Handelspartner als Mittel der Komplexitätsreduktion. Das Leben wird einfacher.

Wie das Wirtschaftssystem gibt es auch andere Funktionssysteme mit ihren je eigenen Kommunikationsmedien: das Wissenschaftssystem, das Rechtssystem, das politische System usw. Was all diese gesellschaftlichen Funktionssysteme verbindet, ist, dass sie zwar das Bewusstsein der Teilnehmer an der Kommunikation voraussetzen, dass dieses Bewusstsein aber vom konkreten Individuum mit seinen unverwechselbaren Eigenschaften, Weltsichten und Erlebensweisen abstrahiert ist. Es fließt nicht in die Kommunikation ein. Die Wirtschaft funktioniert, um bei dem Beispiel zu bleiben, auch wenn der Händler X oder der Konsument Y gerade depressiv wegen einer Trennung, euphorisch wegen einer neuen Liebe oder mit seinen Gedanken bei seinem kranken Kind ist.

Der Vorwurf, der Luhmann und allen, die ihm folgen, bzw. deren Theorien oft gemacht wird, ist, dass in dieser – logisch extrem konsistenten – Theoriearchitektur das Subjekt nicht mehr vorkommt. Der »ganze Mensch«, sein Fühlen und Denken (aber auch sein Körper), ist in die Umwelt der Funktionssysteme verbannt: notwendig ganz allgemein und austauschbar, aber im Einzelnen für die Gesellschaftsstruktur nicht weiter interessant.

Hier setzt nun die vorliegende Arbeit von Harry Lehmann an. Er unterscheidet Kunst, Liebe, Religion und auch Philosophie bzw. ihre sie strukturierenden Medien von den genannten symbolisch generalisierten Medien. Er nennt sie »Humanmedien«. Er bleibt in seiner Analyse zwar ihm Rahmen des von Luhmann entworfenen Paradigmas, aber er erweitert es in entscheidenden Punkten. Sein theoretischer Ansatz ist sowohl der Systemtheorie als auch der Philosophie zuzuordnen. Er benennt ihn selbst in der Mitte des Buches folgendermaßen:

»Die vorliegende Theorie der Humanmedien benutzt Luhmanns Systemtheorie als ›Material‹, indem sie eine Vielzahl ihrer Theoreme übernimmt, aber dann auch Rückbezüge zur Philosophiegeschichte herstellt, philosophische Reflexionstechniken einsetzt und Kunst- und Filminterpretationen als phänomenologische Argumente einbaut. All das gehört definitiv nicht zum Methodenrepertoire der Systemtheorie.«

Der Verweis auf Beispiele aus der Literatur und dem Film, wie auch die historische Einordnung, macht deutlich, dass es sich hier nicht um ein trocken-akademisches Buch handelt, sondern der Leser kann das Erleben des Beobachters des Kunstwerkes, des Films nachvollziehen. Literarische Beispiele von Baudelaire, de Sade, Nietzsche illustrieren geschichtliche Epochenbrüche im gesellschaftlichen Verständnis von Kunst, Liebe und Religion. Filme aus neuerer Zeit und ihre Interpretation führen aktuelle Aspekte vor Augen.

Und auch wenn Lehmann die Konzepte Luhmanns verwendet, muss man kein Luhmannianer sein, um sie zu verstehen, ja, man muss noch nicht einmal Luhmanns Arbeiten gelesen haben, da fast alle theoretischen Vorannahmen expliziert werden.

Die Humanmedien (ohne hier den differenzierten und elaborierten Inhalt auch nur ansatzweise vorwegnehmen zu können oder zu wollen) schaffen etwas, das die symbolisch generalisierten Medien nicht schaffen: Sie koppeln Bewusstsein und Kommunikation in singulärer Weise, wie es die anderen Medien nicht können und sollen (um ihrer generalisierten Nutzung bzw. der Bildung von Funktionssystemen »willen« – was natürlich niemand so bestimmt hat, sondern sich selbstorganisiert entwickelt hat). Humanmedien bilden keine Funktionssysteme aus, stattdessen »haben sich die Medien von Liebe, Kunst und Religion darauf spezialisiert, das Bewusstsein der Menschen in die ästhetische, intime und religiöse Kommunikation gezielt einzuschließen. […] Die sozialen Systeme, die auf der Basis der Humanmedien entstehen, erfüllen eine ganz spezifische, reflexive Funktion für die Subjekte und für die Gesellschaft. Sie versetzen den einzelnen Menschen in die Lage, die Kommunikationsprozesse, in die sie involviert sind, beobachten zu können, weshalb wir diese sozialen Systeme auch Reflexionssysteme nennen werden.«

Für Systemtheoretiker wie auch für jeden, der sich für Kunst, Liebe oder Religion interessiert (und wer täte das nicht?), eine unverzichtbare Lektüre, die mannigfaltige Reflexionen anstößt. Vielleicht eben doch ein Kunstwerk, auf jeden Fall aber Philosophie (und auch Systemtheorie).

Berlin, im September 2024

Fritz B. Simon

1 Humanmedien

Die unterschiedlichen Kommunikationssphären des Rechts, der Macht, des Reichtums, der Schönheit, der Wahrheit, der Liebe und des Glaubens ließen sich schon im Mittelalter differenzieren und mit unterschiedlichen Worten bezeichnen. Vor allem aber waren sie mit verschiedenen Symbolen assoziiert: Zepter und Krone fungierten als Symbole der Macht, Kreuz und Kirche symbolisierten die Religion, Paläste und Gold den Reichtum, Bücher und Bibliotheken die Sphäre des Wissens, Gerichtsverfahren das Recht und die Minnegesänge zeigten an, dass es hier um Liebe geht.

Jede Kommunikation lässt sich verneinen; es zirkulieren eine Unmenge von subjektiven Gesichtspunkten, die ein Gespräch zwischen Menschen unterbrechen oder beenden können. Sobald aber Kommunikationssymbole präsent sind, entsteht die Möglichkeit, dass sich alle Anwesenden auf einen einzigen spezifischen Kontext fokussieren und von allen anderen Themen und persönlichen Interessen absehen. Idiosynkratische Äußerungen verlieren im Licht der Symbole ihre Anschlussfähigkeit und diejenigen, die sich nicht auf diese kommunikativen Selbstbeschränkungen einlassen, schließen sich selbst aus den Gesprächskontexten aus.

Solche mitlaufenden Symbole führen in den entsprechenden Gesprächs- und Handlungskontexten zu einer »symbolischen Generalisierung« der Kommunikation. Sie stellen sicher, dass alle Gesprächsteilnehmer jederzeit wissen, in welchem sozialen Kontext sie sich befinden und in welchem nicht. Es kommt, so die Systemtheorie, zur Ausbildung von »symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien«, die darauf spezialisiert sind, die Annahmechancen einer unwahrscheinlichen Kommunikation zu erhöhen (vgl. GdG, 202–205; siehe das »Verzeichnis der zitierten Schriften von Niklas Luhmann«, S. 137).

Symbolische Generalisierungen haben vermutlich schon seit jeher die Kommunikation strukturiert; in der Neuzeit gewinnen manche Symbole aber eine besonders starke Prägnanz. Neben Büchern und Bibliotheken gelten jetzt auch Fernrohre und mathematische Formeln als Symbole des Wissens oder es entstehen Gemäldesammlungen und Orchesterpartituren, welche das Kommunikationsmedium der Künste symbolisieren können. Diese neuen Symbole werden zum Katalysator eines Epochenumbruchs vom Mittelalter zur Neuzeit.

Mittelalter

Sobald sich einzelne Kommunikationssphären unterscheiden lassen, entstehen Leitdifferenzen mit einem Positivwert auf der einen Seite, wie Glaube, Recht, Macht oder Liebe, und einem Negativwert auf der anderen Seite, der zunächst einmal nur die leere Außenseite der jeweiligen Kommunikationssphäre bezeichnet, auf der es nicht mehr um Glauben, nicht mehr um Recht, nicht mehr um Macht und nicht mehr um Liebe geht. Wir werden diese Leitdifferenzen, die eine eindeutige Präferenz für ihren Positivwert besitzen, im Anschluss an Luhmann Präferenzcodes nennen. Luhmann sagt diesbezüglich:

»Es kann um Recht oder Unrecht gehen, um wahr oder unwahr, um Eigentum haben oder nicht haben, um Geld zahlen oder nicht zahlen, um an der Regierung oder in der Opposition sein. Solche Leitdifferenzen beginnen ihre semantische Karriere als Präferenzcodes. Sie suggerieren, dass es besser sei, sich für den positiven Wert als für den negativen Wert zu entscheiden« (SA4, 19).

Präferenzcodes lassen sich mit einem Winkelzeichen über dem Positivwert darstellen, sodass die ihnen eingeschriebene Präferenz auch grafisch zum Ausdruck kommt:

In einer hierarchisch differenzierten Gesellschaft, mit einem König und einem Papst an der Spitze der Gesellschaftspyramide, lassen sich die symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien sprachlich voneinander abgrenzen, aber sie besitzen deswegen keine Eigenständigkeit. Der König ist mächtig, reich, schön, er ist immer im Recht und er besitzt die Wahrheit. Der hierarchischen Gesellschaftsstruktur entspricht eine Spitzenintegration der gesellschaftlichen Kommunikation, in welcher die Positivwerte der Präferenzcodes miteinander verschmelzen (Abb. 1).

Die Negativwerte der Präferenzcodes gewinnen mit der Zeit eine relationale Bedeutung, indem sie das Gegenteil des jeweiligen Positivwertes bezeichnen. Wenn es um die Dinge des Glaubens geht, dann muss auch von den Ungläubigen die Rede sein; wer in der Politik nach Macht strebt, muss auch mit einem Machtverlust rechnen; wenn Recht gesprochen wird, muss es vom Unrecht unterschieden werden; wer im Mittelalter die Geliebte ansingt, braucht auch Worte dafür, mit denen er sich vom vulgären Begehren des Volkes distanzieren kann. Die Präferenzcodes erfüllen also eine Doppelfunktion, indem sie eine Abgrenzung nach außen und eine positive Wertung nach innen ermöglichen. Und falls man an den mittelalterlichen Klöstern und Höfen noch vage Vorstellungen von antiker Kunst und Philosophie besaß, mussten diese ebenso in der Form von Präferenzcodes kommuniziert werden.

Abb. 1: Codierung der Kommunikation in der hierarchisch differenzierten Gesellschaft des Mittelalters

Die hierarchische Differenzierungsform der Gesellschaft – die alle Macht, alle Ressourcen und alle Entscheidungsgewalt auf eine Person konzentriert – stellt jene Gesellschaftsstruktur bereit, die eine Spitzenintegration der Präferenzcodes ermöglicht. Die hier stattfindende Verschmelzung der positiven Kommunikationswerte manifestiert sich auch in der gesellschaftlichen Selbstbeschreibung, die wiederum die sozialen Hierarchien stabilisiert. In Europa wurde diese semantische Integration von der katholischen Kirche geleistet, welche die Gründungstexte des Christentums in einer Weise kanonisierte, dass diese das Denken und Verhalten der Menschen durchgängig regulieren konnten. Dem Katholizismus waren nicht zuletzt starke moralische Urteile eingeschrieben, welche die Achtung eines Menschen in der Gemeinschaft davon abhängig machten, ob dieser gottgefällig lebte.

Eine über Religion und Moral integrierte Gesellschaft lässt keinen Spielraum für Widerspruch und Innovation. Wissenschaftliche Thesen wie die, dass die Erde eine Kugel und keine Scheibe sei, lassen sich unter solchen Kommunikationsverhältnissen – die zugleich Machtverhältnisse sind – nur schwer vertreten, da sie zugleich als blasphemische und amoralische Kommunikation verstanden werden. Solange die symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien über gemeinsam geteilte Ideen verbunden bleiben, wird jeder Widerspruch in einer Kommunikationssphäre sogleich als Widerspruch in anderen Kommunikationssphären registriert. Spezifische Negationen schlagen im ganzen Gesellschaftssystem Wellen und stoßen entsprechend überall auf Ablehnung und Widerstand. Man kann unter diesen Umständen gesellschaftlich Höherstehenden nicht einfach sagen, ihre Aussagen seien falsch, sie seien im Unrecht, sie seien hässlich, arm oder vulgär. In einer hierarchisch differenzierten Gesellschaft lassen sich die Negativwerte der Kommunikationscodes kaum produktiv nutzen; sie markieren nur das Territorium, das es zu meiden gilt.

Neuzeit

Aufgrund vieler glücklicher Zufälle kam es im 15. Jahrhundert zu einer langsamen Auflösung der hierarchischen Differenzierungsform in Europa. Ein entscheidender Faktor dürfte hierbei das Entstehen von Banken gewesen sein, infolgedessen sich »Geld« als leistungsfähiges Kommunikationsmedium der Wirtschaft etablieren konnte, das nun auch in Form von Krediten existierte. Dieses quasi aus dem Nichts geschöpfte Geld war nicht mehr unmittelbar an Eigentum und Besitz gekoppelt, sodass sich ein spezifischer Typus von wirtschaftlichen Operationen herauszubilden vermochte, der einfach und flexibel von allen Beteiligten zu handhaben war, nämlich die »Zahlungen«. Das Geld als universell einsetzbares Zahlungsmittel überformte unter den Bedingungen einer Kreditwirtschaft den Präferenzcode von Reichtum und Armut und etablierte sich selbst als neues Symbol der Wirtschaftskommunikation.

Zahlungen sind abstrakte Operationen, die sich in Zahlen und Bilanzen ausdrücken. Aufgrund dieses Abstraktionsgrades entzieht sich diese Art von Kommunikation weitgehend der direkten Beobachtung und damit auch dem unmittelbaren Zugriff durch Kirche und Staat. Der mit dem Kreditwesen möglich gewordene Zahlungsverkehr führt also an sich schon zu einer größeren Autonomie der Wirtschaftskommunikation. Es geht jetzt nicht mehr primär um den Erwerb konkreter Güter, sondern um das Erwirtschaften von Geld, womit das Grundprinzip des Kapitalismus etabliert ist.

Durch diese kreditbasierte Wirtschaftsform entstehen komplexe Probleme, die es vordem nicht gab. Man muss berechnen können, welche Investitionen Erfolg versprechend sind, an wen man einen Kredit vergeben soll, wie hoch die Zinsen für das geliehene Geld anzusetzen sind oder welches Ausfallrisiko für einen Kredit besteht. Um solche komplizierten Fachfragen beantworten zu können, muss man spezifische Programme wie Investitionspläne, Risikoanalysen, Zinsrechnungen oder Bewertungskriterien für Immobilien entwickeln, die als Sicherheiten hinterlegt werden können.

Laut Systemtheorie kommt es bei einer derart stark symbolisch generalisierten Kommunikation zu einer Trennung von Codierung und Programmierung. Auf der einen Seite gibt es jetzt einen Binärcode mit einem Positiv- und einem Negativwert, wobei es sich um vollkommen abstrakte Werte handelt, die nicht mehr in der Lebenswelt, in der Kultur oder in der Religion verankert sind. Auf der anderen Seite befinden sich Programme, mit deren Hilfe sich entscheiden lässt, ob es sich um eine anschlussfähige Kommunikation in dem symbolisch markierten Kontext handelt oder nicht.

Für das Wirtschaftssystem bleibt eine solche Trennung von Codierung und Programmierung nicht ohne Folgen. Auf der einen Seite besteht jetzt dessen Code nur noch aus der abstrakten Unterscheidung Zahlen/Nichtzahlen. Und auf der anderen Seite entwickelt sich ein Korpus von immer komplexer werdenden Programmen, die festlegen, unter welchen Bedingungen man eine konkrete Zahlung leisten soll und unter welchen nicht. Nur über solche Programme lässt sich abschätzen, ob sich das Geld in langen und verzweigten Zahlungsketten vermehren wird oder verloren geht. Das Wirtschaftssystem entwickelt also eigene Prozeduren und Kriterien der Wirtschaftlichkeit, anhand derer es entscheidet, ob ein Unternehmen profitabel wirtschaftet oder bankrottgeht, d. h. zahlungsunfähig wird.

Die fundamentale Idee der Systemtheorie besteht nun darin, dass sich auf der Grundlage einer derart symbolisch generalisierten Kommunikation, wie sie das kreditbasierte Medium Geld ermöglicht, operativ geschlossene Funktionssysteme ausbilden. Das heißt in Bezug auf das Wirtschaftssystem, dass seine Operationen, die aus Zahlungen bestehen, sich nur noch an Operationen orientieren, die selbst wieder die Gestalt einer Zahlung annehmen. Diese komplexe Aufgabe der Umrechnung von Gütern, Arbeitszeiten, Löhnen, Risiken, Gewinnen und neuen Investitionsmöglichkeiten wird ausschließlich durch Programme gelöst, die das Wirtschaftssystem selbst generiert. Die Wirtschaft hat sozusagen aus ihren wirtschaftlichen Erfolgen und Misserfolgen gelernt und diese Erfahrungen in Form von Organisationsformen, Vorschriften, Plänen und Berechnungsmethoden gespeichert, die sie einfach wiederverwenden kann.

Auf diese Weise entsteht eine rekursive Verkettung zwischen immer gleichen Operationen, die schließlich auch zu einer operativen Schließung der Kommunikation – und damit zur Bildung von operativ geschlossenen Funktionssystemen – führt. Systemfremde Operationen (wie religiöse und moralische Bedenken) verlieren in einem solchen Funktionssystem jene universelle Anschlussfähigkeit, die sie in einer hierarchisch differenzierten Gesellschaft besaßen. Die Grenze, die sich jetzt zwischen systemeigenen und systemfremden Kommunikationen etabliert, verfestigt sich zur Grenze zwischen System und Umwelt. Wenn ein Funktionssystem aber nur noch eigene Operationen verarbeiten kann, wird es blind für alle systemfremden Operationen. Entsprechend kann das Wirtschaftssystem die Klimakrise erst dann wahrnehmen, wenn der CO2-Ausstoß ein Preisschild bekommt.

Sobald sich operativ geschlossene Funktionssysteme ausbilden, gewinnen sie die Fähigkeit, auf der Programmebene neue komplexe Strukturen zu generieren. Man kann sich ein Funktionssystem als einen großen hermeneutischen Zirkel vorstellen, der sich zwischen seinem Code und seinen Programmen aufspannt und immer und immer wieder durchlaufen wird. Auf der einen Seite werden permanent neue Programme (neue Investitionspläne, Theorien oder Kunststile) zur Lösung systemspezifischer (wirtschaftlicher, wissenschaftlicher oder künstlerischer) Probleme generiert. Auf der anderen Seite werden diejenigen Programme, die sich als Lösung bewähren, mit dem jeweiligen Positivwert bezeichnet und in die vorhandenen Systemstrukturen eingebaut. Diejenigen Programme hingegen, die sich nicht bewähren, werden mit dem Negativwert markiert und als nicht passende Strukturen aussortiert. Mit der Trennung von Codierung und Programmierung in symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien kommt es also nicht nur zur Systembildung, sondern auch zu einer Autopoiesis, d. h. zu einer Selbsterschaffung und Eigenevolution von Systemstrukturen.

Es stellt sich natürlich die Frage, wieso es nicht schon in der Antike zu einem Wandel der gesellschaftlichen Primärdifferenzierung kam. Schon damals existierte ein Bankensystem zusammen mit einem weitverzweigten Wirtschafts- und Handelsnetz, das den gesamten Mittelmeerraum umspannte. Eine Erklärung hierfür wäre, dass sich in der Antike noch keine empirischen Naturwissenschaften entwickelt hatten, auf deren Grundlage sich Erfindungen wie das Fernrohr oder die Dampfmaschine so weit perfektionieren ließen, dass sie auch die Produktionsprozesse im Wirtschaftssystem revolutionieren konnten. Erst dieses Zusammenspiel von wissenschaftlicher und technologischer Innovation sprengte die hierarchisch differenzierte Gesellschaft von innen.

Die Anschlussfrage, die sich hier aufdrängt, lautet dann, warum die Naturwissenschaften erst in der Neuzeit und nicht schon im antiken Athen oder Rom in die Welt gekommen sind. Hier ließe sich argumentieren, dass diese Evolution erst mit der Erfindung der Druckerpresse in der Mitte des 15. Jahrhunderts durch Gutenberg möglich wurde. Auch das Wissenschaftssystem kann sich erst etablieren, wenn es zu einer erfolgreichen Trennung von Codierung und Programmierung kommt. Das heißt zum einen, dass sich ein binärer Wissenschaftscode ausbilden muss, mit dessen Positivwert sich wahre und mit dessen Negativwert sich falsche Aussagen markieren lassen. Zum anderen benötigt man aber auch spezifische wissenschaftliche Programme, sprich mathematisierte Theorien und experimentelle Methoden, mit deren Hilfe sich systemintern entscheiden lässt, ob eine Aussage in einem wissenschaftlichen Sinne wahr oder falsch ist. Es müssen sich mit anderen Worten Wissensformen entwickeln, mit deren Hilfe man den Wahrheitsgehalt wissenschaftlicher Aussagen beurteilen kann. Diese Überprüfung kann nur durch eine sehr kleine Gemeinschaft von Wissenschaftlern geleistet werden, die über das nötige Fachwissen verfügen, um mathematisch formulierte Aussagen verstehen und beurteilen zu können. Eine solche wissenschaftliche Fachöffentlichkeit, so das Argument, konnte sich erst mit dem Buchdruck etablieren.

Noch im Jahre 1633 wurde Galileo Galilei von der Inquisition gezwungen, seine Aussagen zum heliozentrischen Weltbild zu widerrufen. Für die katholische Kirche waren die Symbole von Wahrheit und Glauben untrennbar miteinander verbunden. Hätte diese mächtige Institution die Verbreitung von Galileis Theorien wie in einer Handschriftenkultur kontrollieren können, dann wären seine Ideen – wie viele innovative Ideen in der Menschheitsgeschichte – kaum weiterkommuniziert worden und hätten nicht zum Kristallisationskern der empirischen Naturwissenschaften werden können. Mit der Möglichkeit, Forschungsergebnisse als Druckerzeugnisse zu verbreiten, entzog sich die wissenschaftliche Kommunikation in einer ähnlichen Weise der gesellschaftlichen Kontrolle wie die Zahlungen im Wirtschaftssystem. Es wurde praktisch unmöglich, wissenschaftliche Traktate erfolgreich zu zensieren, die sich an Orten vervielfältigen ließen, die, wie die protestantischen Länder, nicht länger im Einflussbereich der katholischen Kirche lagen.

Die Ausbildung eines autonomen Wirtschafts- und Wissenschaftssystems zwingt auch die anderen symbolisch generalisierten Kommunikationssphären wie das Recht und die Politik, sich an binären Leitdifferenzen und selbstgenerierten Programmen zu orientieren. Auch in diesen Medien beginnen die thematisch eingeschränkten Kommunikationen sich rekursiv zu vernetzen und damit Systeme mit ihrer je eigenen Umwelt auszubilden. Man nennt solche Systeme »Funktionssysteme«, weil sie darauf spezialisiert sind, spezifische gesellschaftliche Probleme zu lösen und genau in dieser Problemlösung ihre Funktion finden. Das Wirtschaftssystem stellt Versorgungssicherheit her, das Wissenschaftssystem generiert verlässliches Wissen, das Rechtssystem garantiert Erwartungssicherheit und das politische System ermöglicht kollektiv bindende Entscheidungen.

Die funktionale Differenzierung der Gesellschaft besitzt auch gravierende Konsequenzen für die Religion. Nach und nach werden religiöse Dogmen wie das Zinsverbot oder das geozentrische Weltbild in den entsprechenden Funktionssystemen ignoriert. An einem bestimmten Punkt lässt sich dann eine funktional differenzierte Gesellschaft nicht länger über ein verbindliches Narrativ integrieren und das Verhalten der Menschen auch nicht mehr über religiös fundierte moralische Urteile regulieren. Die Religion verliert damit ihre dominante Stellung in der Gesellschaft, sie verwandelt sich in ein Funktionssystem unter vielen – und hat seither große Schwierigkeiten, ihre Funktion in der Gesellschaft wiederzufinden.

Genauso erfährt das Medium der Macht eine starke Depotenzierung, weil diejenigen, die Macht haben, nicht mehr von einer Spitzenposition herab in die Gesellschaft durchregieren können. Die Sphäre der Macht muss sich jetzt auf Machtfragen begrenzen, und dazu gehören jetzt nicht länger Fragen wie die, ob eine Theorie wahr oder falsch ist oder ob eine Handlung dem Gesetz entspricht oder nicht. Mit der Zurückdrängung von politischer und religiöser Kommunikation entstehen zudem größere Spielräume für Kunst, Liebe und Glauben, die sich nun ebenfalls an eigenen, selbstgenerierten Kriterien zu orientieren beginnen.

Es ging Luhmann wesentlich darum, einen Zusammenhang zwischen der »Sondercodierung von Kommunikationsbereichen« und der »Katastrophe der Neuzeit« herzustellen, die er als ein »›Umkippen‹ des Formtyps der gesellschaftlichen Differenzierung von vertikaler Stratifikation in horizontale funktionale Differenzierung« begreift (SA4, 19). Mit diesem Wandel der Gesellschaftsstruktur

»wird es schwieriger (das heißt: voraussetzungsreicher), positive bzw. negative Werte verschiedener Codes untereinander zu verleimen. Ob jemand, der schön ist, auch die Wahrheit sagt, ob jemand, der reich ist, auch mächtig ist, auch gut ist, auch gesund ist, ist dann eine Frage, die von weiteren Bedingungen abhängt, die nicht systemisch garantiert sind« (GdG, 361 f.).

Luhmann vermag den Umschlag einer vertikalen in eine horizontale Differenzierungsform zu rekonstruieren, indem er diesen Strukturwandel als Wandel einer über Präferenzcodes integrierten (Abb. 1) hin zu einer über Binärcodes differenzierten