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Rima, die ihre Familie bei einem tragischen Unfall verloren hat, ist sich eines sicher: Sie hasst Androiden. Doch als sie nach einem langen Krankenhausaufenthalt endlich nach Hause kommt, erwartet sie eine unangenehme Überraschung: Sie wird von K4H78, oder besser gesagt, Jim begrüßt, einem Androiden und der neusten technischen Errungenschaft von Gaia Cooperations - dem führenden Hersteller von künstlicher Intelligenz und autonomen Maschinen. Natürlich ist die junge Frau alles andere als begeistert von ihrem neuen Mitbewohner und versucht vehement, ihn loszuwerden. Doch dann findet sie heraus, dass Jim anders ist als seine Brüder und Schwestern - ein Geheimnis, das auch den Widersachern von Gaia nicht unbekannt geblieben ist. Rima muss sich nicht nur eingestehen, dass der Android ihr langsam ans Herz wächst, sondern sich auch folgende Fragen stellen: Ist Jim sich seiner selbst bewusst, oder handelt er nur nach seinem Programm? Und was bezweckt Gaia Cooperations damit, einen anorganischen Menschen zu erschaffen?
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Seitenzahl: 158
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KI ist wahrscheinlich das Beste oder das Schlimmste, was der Menschheit passieren kann.
– Stephen Hawking, Physiker
Kapitel 0
Kapitel 1
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 100
Kapitel 101
Kapitel 110
Kapitel 111
Kapitel 1000
NACHWORT: DAS CHINESISCHE ZIMMER
Das Nichts. Die Leere. Tief. Dunkel. Schwer. Auf einmal, ein schwacher Funke - nicht länger als ein paar Millisekunden - dann noch einer. Wie, als wäre urplötzlich und auf einen Schlag eine Kettenreaktion ausgelöst worden, folgte ein Lichtblitz dem nächsten. Erst nur schwach, zart, zerbrechlich. Schließlich, immer stärker und sicherer. Eine Kaskade begann, eine stumme Sinfonie, bis irgendwann ein wahres Feuerwerk an elektrischen Signalen die Dunkelheit erhellte.
In einem bestimmten Areal des Gehirns arbeitete es. Verknüpfungen entstanden und alte Verbindungen wurden erneuert. Rima begann, langsam etwas zu spüren. Ein merkwürdiges Kribbeln, ein schwerer Druck und ein ungeduldiges Ziehen. Es dauerte einen Moment, bis die Erinnerung an das Atmen zurückkehrte. Es war anstrengend und seltsam. Der Brustkorb, wie er sich ausdehnte und wieder zusammenzog. Luft, die ein- und ausströmte, ganz automatisch. Fast wie eine Maschine.
Als Nächstes hörte Rima ein leises Piepsen. Es war kontinuierlich, in einem immer wiederkehrenden Rhythmus. Stetig und verlässlich, wie nun auch das atmen. Rima konnte nicht wissen, dass das Geräusch von dem medizinischen Gerät stammte, dass ihre Vitalfunktionen überwachte, doch sie wusste, dass dieser Laut von außen kam. Dass es eine Welt da draußen gab, mit Reizen, auf die sie reagieren konnte, wollte und musste. Als Nächstes, spürte sie eine merkwürdige Präsenz. Vor dem Bett, in dem die junge Frau lag, stand jemand, der nicht atmete.
Irgendwann nahm Rima wahr, wie sie von etwas Kaltem, Nassen berührt wurde. Jemand strich sorgsam Wasser auf ihre Haut und wusch ihren gesamten Körper. Vorsichtige Hände wechselten ihre Kleidung und kämmten ihr Haar. Dabei erinnerte sie sich langsam, wie es sich anfühlte, einen Körper zu besitzen. Jeden Zentimeter ihrer Haut, der so in Kontakt mit der Außenwelt kam, konnte erst dann existieren, als er berührt wurde.
Wer auch immer das war, bewerkstelligte seine Arbeit ruhig, routiniert und still. Als Rima dann das nächste Mal erwachte, hörte sie das summende Geräusch eines Insekts - einer Fliege. Es war ganz nah. Auf einmal kitzelte und zwickte etwas ihre rechte Wange, aber Rima konnte sich nicht rühren. Erst nur langsam und zäh bewegten sich ein paar ihrer Finger. Es folgte ein Zucken ihrer trockenen Lippen, ein Wackeln der Zehen und dann, endlich, begannen sich langsam, aber stetig, ihre Augenlider zu öffnen. Am Anfang explodierten Flecken aus hellen Farben um sie herum, dann wurde die Umgebung allmählich wieder dunkler. Zuerst dachte die junge Frau, etwas würde mit ihren Augen nicht stimmen. Dann fiel ihr auf, dass sie vergessen hatte, wie es sich anfühlte, zu sehen. Wie es war, den Unterschied zwischen Dunkelheit und Licht zu erkennen und Umrisse und Farben wahrzunehmen. Schließlich, von einer Sekunde auf die andere, kam die Erinnerung daran mit einem Schlag zurück. In diesem Moment kam es Rima vor, als würde sie die elektrische Energie spüren, die die Neuronen in ihrem Kopf verbrauchten, als sie sich wieder mit dem großen Netzwerk in ihrem Gehirn verbanden. Irgendwie, so war ihr erster Gedanke, war die Welt in meiner Erinnerung heller. Nein, nicht heller - intensiver.
Plötzlich war alles wieder schwarz.
Rimas Bewusstsein driftete ab, wurde eingesogen und komprimiert.
KM-3 war eine Pflegeeinheit, mit dem Äußeren einer jungen Frau, der man ein nettes, sympathischem Gesicht gegeben hatte. Die einzigen zwei Dinge, die sie rein optisch von einem Menschen unterschieden, waren die graue Haut und die goldenen Augen, die für ihre menschlichen Schöpfer seit jeher als wichtiges Erkennungsmerkmal für einen Roboter galten. Die Androidin überprüfte auch an diesem Tag in gewohnter Weise und Manier die Reaktionsfähigkeiten der ihr anvertrauten Patienten. Sie erwartete nicht, eine Veränderung des Zustands dieser Menschen zu erfassen, genauso wenig, wie sie es erwartete. KM-3 prüfte die mechanischen Reflexe und die verbale Kommunikation, wie es zuvor in ihrem Programm vermerkt worden war. Dafür stach sie mit einem dünnen, langen Metallstück in die Zehen und Fingerspitzen der Patienten und sprach sie mit ihren Namen an.
Als das Krankenbett 23.4 an der Reihe war, hielt die künstliche Frau auf einmal inne. Ihre optischen Sensoren zeigten ihr an, dass niemand darin lag. Innerhalb von ein paar Millisekunden überprüfte sie ihr System, konnte darin jedoch keinen Fehler entdecken. Alles funktionierte optimal. Sie scannte also noch einmal: Die Bettdecke war verdreht und hing halb von der Liege herab. Das Kissen war zerknittert und Überreste von Schweiß, Haaren und Hautschuppen befanden sich darauf. Die Androidin sendete eine Nachricht an die Stationsleitung, während sie gleichzeitig mit ihren Wärmesensoren den Raum scannte. Dann beugte sie sich hinüber, um auf die andere Seite des Krankenhausbettes zu blicken. Der Roboter erkannte Patient 163892, die zitternd und mit Tränen überströmten Gesicht, auf dem Boden kauerte.
Als Rima im Vorgarten ihres Hauses stand, atmete sie angespannt die feuchtkalte Morgenluft ein. Der Fahrer des gelben Taxis hinter ihr stellte währenddessen wortlos das wenige Gepäck, dass sie mit sich führte, neben ihr ab und stieg dann rasch wieder zurück in sein beheiztes Auto. Während das Geräusch der drehenden Reifen auf Asphalt sich immer schneller entfernte, betrachtete Rima nachdenklich die kleine, braune Tasche, die neben ihren Füßen stand. Rima wusste, dass sie nicht mehr als eine Dose Eistee aus dem Getränkeautomaten der Krankenhauscafeteria, einer angefangenen Packung Tampons und ein Wissenschaftsmagazin über die Entstehung der Galapagosinseln enthielt. Ihre Augen wanderten weiter nach oben, registrierten die dunkle Stoffhose und ein blaues T-Shirt, die beide aus dem Geschenkshop des Krankenhauses stammten. Beide Kleidungsstücke waren ihr zu groß und hingen unförmig von ihrer schmalen Gestalt herab. Die verwaschene Jeansjacke darüber, war eine Spende der Stationsärztin gewesen, die sie manchmal an ihrem Krankenbett besucht hatte.
Rimas schwarzes, glattes Haar wurde auf einmal von einer aufkommenden Windböe zerzaust, als sie sich hinunterbeugte, um die braune Tasche mit ihren wenigen Habseligkeiten in die Hand zu nehmen. Die junge Frau seufzte schwer und lief dann zögerlich die breite Einfahrt nach oben. Das mit weißen Holzlatten verkleidete Haus sah etwas in die Jahre gekommen aus, war aber noch ganz gut in Schuss. Es glich den anderen Häusern der Nachbarschaft wie ein Klon, einzig und allein der etwas verwilderte Garten hob es von seinen Geschwistern ab. An der Haustür angekommen, versuchte Rima sogleich, den Schlüssel in das Schloss zu stecken. Doch ihre zitternden Finger ließen diese Aufgabe deutlich schwieriger erscheinen, als sie eigentlich war. Auffällig vermieden es die braun-grünen Augen dabei auf die Namen zu blicken, die säuberlich und gut zu lesen auf dem Klingelschild neben der Tür standen.
Als sie es endlich geschafft hatte, trat Rima zögerlich in einen düsteren Flur ein. Ausgelegt war dieser mit schwarzen, glatten Bodenfliesen und bildete mit den weißen Wänden einen starken Kontrast. Überall um sie herum hingen bunte Fotos von lächelnden Menschen. Auf dem Boden stand eine Vielzahl an Schuhen, in verschiedenen Größen, Farben und Modellen. Die junge Frau hielt bei ihrem Gang durch den Flur den glasigen Blick starr geradeaus gerichtet, während sie schmerzhaft die vollen, blassen, Lippen verzog. Als sie das Ende schließlich erreicht hatte und die Tür zum Wohnzimmer öffnete, atmete sie hörbar aus.
Plötzlich irritierte Rima etwas. Sie blieb abrupt an der Schwelle stehen und blähte die Nasenflügel. Überraschenderweise roch es nicht nach abgestandener Luft und verfaultem Obst, wie es die junge Frau eigentlich erwartet hätte. Nein, ganz im Gegenteil. Ein Duft nach Zitrone und Minze schwebten durch das Haus und jemand hatte sogar die Zimmerpflanzen vor dem Verdursten gerettet. Je näher Rima der Küche kam, desto mehr mischte sich der Geruch nach Putzmitteln, mit dem von exotischen Gewürzen. Dazu kam das klappernde Geräusch von Geschirr. Ist jemand hier?, dachte sie erschrocken. Aber … Wer zur Hölle könnte das sein? Rima erwartete keinen Besucher, noch sollte sonst irgendjemand hier sein. Ist es etwa ein Einbrecher? Quatsch! Warum sollte ein Einbrecher das Haus putzen, aufräumen und auch noch kochen? Was will er damit stehlen? Schmutz und Unordnung? Irritiert folgte die junge Frau dem Lärm und lief schließlich in die Küche. Als sie registrierte, was, beziehungsweise, wen sie dort am Tresen stehen sah, erstarrte sie augenblicklich. Rimas Augen weiteten sich erschrocken und ihr Puls schoss blitzschnell in die Höhe. Die Tasche in ihrer Hand fiel mit einem dumpfen Geräusch zu Boden. Der Mann, der dort stand und bedächtig in einem dampfenden Kochtopf rührte, hatte kurzes, rötliches Haar und ein ovales, durchaus attraktives Gesicht. Doch so menschlich er auch erschien, sofort hatte Rima die leicht gräuliche Haut und die goldenen Augen des Androiden bemerkt.
«Was zum Teufel machst du hier?!»
Der Mann sah blitzschnell auf. Seine Bewegung war für einen Menschen viel zu ruckartig.
«Willkommen daheim, Rima. Ich bin Jim, Modell K4H78. Ich wurde von Gaia als Ersatz für deinen alten Androiden geschickt, der bei dem Unfall zerstört wurde. Hast du Hunger?»
«Verschwinde!» Rimas Gesicht verzog sich zu einer schmerzverzerrten Maske.
«Wie bitte?»
«Ich sagte, du sollst verschwinden!» Mit diesen Worten drehte sich die junge Frau um und stürmte davon. Dem Poltern nach zu urteilen, rannte sie die Treppe nach oben. Das Geräusch der zuschlagenden Zimmertür war bis hinunter in die Küche zu hören.
Nach einiger Zeit klopfte es. Rima lag unter der Decke im Bett ihres Jugendzimmers und rührte sich nicht. Am liebsten hätte sie sich für immer hier versteckt, nichts und niemanden sehend, allen voran nicht einen von denen. Der Android hatte nach ihrer Meinung hier nichts verloren. Und er machte alles noch schlimmer. So viel schlimmer. Rima wollte am liebsten nur schlafen. Schlafen und vergessen, wie sie es getan hatte, als sie wenige Wochen zuvor noch im Koma lag. Jetzt war sie plötzlich wieder hier. Nichts hatte sich in dem Haus verändert, seit sie es verlassen hatte - zumindest war das ihr erster Eindruck gewesen - und doch war alles anders.
«Ich sagte, du sollst verschwinden!», rief sie erneut, diesmal noch verzweifelter.
«Wohin?»
Die Stimme des Androiden hatte einen angenehmen Klang. Selbst durch die Tür hindurch, konnte die junge Frau das hören. Sie verzog angewidert den Mund.
«Fahr zur Hölle!», rief sie, griff plötzlich nach dem Bilderrahmen, der auf ihrem Nachttisch stand und schleuderte ihn gegen ihre Zimmertüre. Der Rahmen krachte und das Glas zersplitterte in einem lauten Knall. Das Poster, das dort hing und eine junge, flippig gekleidete Musikband zeigte, riss an der Stelle, an der der Rahmen es traf.
Rima kümmerte das nicht. Nicht im Geringsten. Stattdessen nahm sie befriedigt die Stille wahr, die folgte. Danach hatte sie endlich eine Zeit lang Ruhe.
Die Dose mit Tabletten auf ihren Nachtisch war geöffnet. Ein paar der weißen, runden Pillen lagen daneben.
Rima wachte erst wieder auf, als es erneut an der Tür klopfte.
«Ich habe etwas zu essen für dich gemacht, falls du hungrig bist. Die Psychologin, Frau Jenks hat angerufen, um mit dir einen Termin für die Sitzungen auszumachen. Ich habe ihr gesagt, dass du sie zurückrufen wirst. Ich hoffe, das war in Ordnung.»
Er ging, ohne eine Antwort zu abzuwarten.
Nach einer Weile begann Rimas Magen zu knurren. Verräter, dachte sie dabei wütend. Doch irgendwann gab sie sich geschlagen und versuchte schließlich, aufzustehen. Ihr dünner Körper fühlte sich dabei auf einmal unglaublich schwer an. Nur mit großer Anstrengung schaffte sie es, sich aus dem Bett zu kämpfen. Dann öffnete sie die Tür und lief die Treppen hinunter, bis ins Wohnzimmer.
«Rima! Deine Füße!»
Jim kam im gleichen Moment um die Ecke gelaufen. Ein besorgter Ausdruck machte sich auf seinem fast perfekten Gesicht breit. Die junge Frau erinnert sich bei dem Anblick, einmal einen Beitrag gesehen zu haben, in dem es darum ging, dass Menschen ein perfektes Gesicht zwar als schön, aber nicht als angenehm empfinden würden. Sie hätten sie alle mit perfektem Aussehen ausstatten können. Aber stattdessen haben sie sie so kreiert, dass wir ihnen schnell unser Vertrauen schenken. Wie überaus clever von Gaia. Ein grimmiges Lächeln zuckte bei dem Gedanken über ihre Lippen. Erst dann folgte sie dem Blick des Androiden und erkannte die blutigen Fußspuren, die auf den weißen, vor kurzem noch makellosen, Fliesen zu sehen waren. Merkwürdigerweise spürte Rima keine Schmerzen, stattdessen betrachtete sie fasziniert die blutigen Abdrücke.
Ach ja, der Bildrahmen. Ich bin durch die Scherben gelaufen. Sie setzte sich wortlos auf den braunen Sessel im Wohnzimmer.
Jim eilte zu ihr heran, kniete auf den Boden und betrachtete das Ausmaß der Verletzungen. Dann sah er sie mit ernstem Blick an.
«Das muss sofort behandelt werden. Ich hole den Erste-Hilfe-Koffer.»
Rima saß nur da und rührte sich nicht, den Blick starr auf ihre zerschundenen Füße gerichtet. Wenige Minuten später kam der Android zurück. Er nahm sogleich eine Pinzette aus dem Koffer und tauchte sie in Sterillium, dann machte er sich an die Arbeit. Mit konzentriertem Blick zog er die Glasstücke, einem nach dem anderen, aus ihrem Fleisch heraus. Mit einem klirren ließ Jim sie in eine kleine Metallschale fallen.
«Spürst du Schmerzen?», brach es plötzlich aus ihr heraus.
Er sah kurz von seiner Arbeit auf. «Nicht genau wie ein Mensch. Aber ich besitze ein Nervensystem, also Sensoren, die mir Beschädigungen anzeigen.»
«Ist das unangenehm?»
«Unangenehm? Nein. Eher störend.»
«Ich spüre überhaupt nichts», flüsterte die junge Frau plötzlich, ohne eine Miene zu verziehen. Jim sah verwirrt zu ihr auf. Es ist nicht so, dass er diesen Ausdruck wirklich nötig hat, dachte Rima emotionslos. Er tut es nur, um menschlicher zu wirken. Dann machte sich der Android daran, ihre Füße mit einem weißen Verband zu umwickeln.
«Ein schweres Trauma kann bei Menschen den vorübergehenden Verlust von Schmerzempfinden hervorrufen. Mit der Zeit wird es wieder zurückkommen, keine Sorge.»
Rima zog die Augenbrauen zusammen und stand dann ruckartig auf. Der Blick des Androiden folgte ihr dabei besorgt. Sie blieb vor dem Esszimmertisch stehen, auf dem ein volles Tablett, beladen mit einem Teller heller Suppe, zwei Scheiben Brot und ein Glas Wasser, stand. Sie drehte sich zu dem Androiden und sah ihn direkt an. Während sie ihn anstarrte, schob Rima mit der Hand langsam das Tablett an. Ein kurzer Moment verstrich, dann fiel alles mit einem lauten Klirren und Scheppern auf den frisch gesäuberten Boden. Jim verzog, genau wie Rima, keine Miene. Schließlich ging sie an ihm vorbei, die Treppe hoch zu ihrem Zimmer und schlug ein weiteres Mal die Tür hinter sich zu.
«Was soll das heißen, ich kann ihn nicht zurückgeben?»
Rima starrte den Verkäufer finster an. Dieser versuchte weiterhin bei einem freundlichen Ton zu bleiben, aber sie konnte sehen, dass er langsam die Geduld mit ihr verlor. «Tut mir leid, aber ohne Quittung können wir ihn nicht zurücknehmen. So sind nun mal die Vorschriften.»
Die junge Frau schlug verärgert mit der offenen Handfläche auf den Tresen des Gaia-Informationsstandes. Sie bemerkte die verstohlenen Blicke der anderen Leute im Geschäft, aber das war ihr in diesem Moment herzlich egal. Sie zeigte hinter sich auf Jim, der mit neutralem Gesichtsausdruck dastand und die Szenerie beobachtete.
«Ich habe ihn nicht bestellt, also will ich ihn zurückgeben! Ich will kein Geld oder einen Ersatz für ihn. Nehmen Sie ihn einfach.»
«Tut mir leid, aber ohne Quittung kann ich hier nichts machen.»
Rima sah den jungen Gaia-Mitarbeiter finster an, der daraufhin zusehends ins Schwitzen geriet. Nach Hilfe suchend, starrte er zu seinem Kollegen, der jedoch gerade zwei Kunden eine Haushaltsandroidin vorführte. Die junge Frau atmete entnervt aus, wendete sich schließlich wortlos ab und verließ den Laden.
«Einen schönen Tag noch.» Der rothaarige Android nickte dem verunsicherten Angestellten höflich zu und lief dann hinter Rima her, die bereits auf die Straße getreten war. Vor dem Laden blickte Jim interessiert auf die vielen verschiedenen Modelle von Robotern im Schaufenster, die in dem Geschäft als Ausstellungsstücke dienten.
«Warum willst du mich zurückgeben? Habe ich eine Fehlfunktion?»
Rima, die, in Gedanken, auf und ab gelaufen war, sah verärgert zu ihm auf.
«Ich kann euch einfach nicht ausstehen. Ich hasse Roboter!»
Jim nickte, als würde er verstehen, was sie sagte. «Tut mir leid.»
Rima blickte ihn finster an. «Halt die Klappe und komm mit!»
Wenig später fuhr sie mit Jim in ihrem Wagen in den Industriepark der Stadt. Sie passierten auf ihrem Weg zum Parkplatz der städtischen Müllhalde eine riesige Grube, in der gerade autonome Recyclingmaschinen dabei zu sehen waren, wie sie Elektroschrott auf einen riesigen Haufen zusammenschoben. Teile von Androiden und anderen Robotern ragten daraus hervor. Manche der künstlichen Körperteile zuckten noch und wirkten von Weitem wie einzelne, menschliche Gliedmaßen. Der rothaarige Android schaute vom Beifahrersitz aus hinaus und beobachtete die arbeitenden Maschinen. Rima bog ab und hielt in einer der leeren Parklücken an. Staub wirbelte auf und legte sich auf den silbernen Lack der Limousine.
Für einen Moment saß sie unschlüssig da. Sie tippte mit den Fingern auf das Lenkrad und starrte hinaus auf die Motorhaube.
«Das hier ist ein trauriger Ort.»
Sie drehte sich zu dem Androiden um und starrte ihn überrascht an.
«Woher weißt DU, was Traurigkeit ist?»
«Ich habe darüber gelesen. Es ist eine menschliche Emotion, die oft mit Betroffenheit einhergeht. Und dieser Ort macht mich betroffen. Ich will hier nicht sein.»
Rima sah ihn mit ihren braun-grünen Augen für einen Moment schweigend an.
«Eben. Es ist eine menschliche Emotion. Warum sollte ein Android so fühlen können?»
«Meine Schöpfer haben mich nach ihrem Abbild erschaffen. Ich bin dazu programmiert worden, Gefühle zu besitzen.»
«Dann ist das nur ein Teil deines Programms.»
«Ja», antwortete Jim und lächelte leicht. «Wie bei dir doch auch, oder?»
Die junge Frau schüttelt den Kopf. «Ich handle nicht nach einem Programm!»
«Aber, der Mensch selbst ist doch an seinen genetischen Code gebunden. Wenn auch sehr komplex, sind sie doch auch das Produkt ihres Programms.»
«Menschen können ihr Programm jedoch auch verändern. Es ist nicht in Stein gemeißelt.»
Jim nickte. «Ich habe ebenfalls die Fähigkeit, Teile meines Programms zu verändern und anzupassen. Das habe ich meinen Brüdern und Schwestern voraus.»
«Du bist ein lebloses … Ding und mehr nicht!» Rimas Stimme klang aufgebracht. Sie starrte wieder zurück auf die Motorhaube. «Verflucht!», zischte sie, dann ließ sie den Wagen an und fuhr mit durchdrehenden Reifen davon.
Rima saß zu Hause an ihrem Esszimmertisch, vor einem halb aufgegessenen Sandwich, und starrte ins Leere. Plötzlich klingelte das Telefon. Jim kam zielstrebig aus der Küche gelaufen, und nahm dem Anruf entgegen. Dabei fiel Rima auf, dass er immer noch nicht die normale Uniform eines Haushaltsandroiden trug. Stattdessen war er in einem braunen Pullover und dunkelblauen Jeans gekleidet.
«Hier bei Lokirson. Was kann ich für sie tun?»
Der Android nahm nach ein paar Sekunden den Hörer vom Ohr und drehte sich zu ihr um. «Es ist Frau Jenks. Sie fragt wegen eines Termins für die erste Sitzung.»
Rima schüttelte stur den schwarzen Haarschopf. «Sag ihr, ich bin nicht da.»
Jim sah einen Augenblick stumm zu ihr herüber, dann setzte er den Hörer wieder an das Ohr. «Sie sagt, sie ist nicht da.»
Die junge Frau rollte genervt mit den Augen, als es auf einmal auch noch an der Tür klingelte. Jim, der immer noch am Telefon war, sah fragend zu ihr herüber. Rima zuckte mit den Achseln und stand mühsam auf. Es klingelte erneut.
«Ich komme ja schon!»