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Zu den amüsantesten, wenn auch unbekanntesten Büchern Hesses gehört sein Kurgast. Diese Aufzeichnungen von einer Kur in Baden sind »hinter einer halb scherzhaften Fassade mein persönlichstes und ernsthaftestes Buch«, schrieb Hesse im Oktober 1923, unmittelbar nach Beendigung der Niederschrift.
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Seitenzahl: 156
Veröffentlichungsjahr: 2015
Zu den amüsantesten, wenn auch unbekanntesten Büchern Hesses gehört sein Kurgast. Diese Aufzeichnungen von einer Kur in Baden sind »hinter einer halb scherzhaften Fassade mein persönlichstes und ernsthaftestes Buch«, schrieb Hesse im Oktober 1923, unmittelbar nach Beendigung der Niederschrift.
Hermann Hesse, am 2. Juli 1877 in Calw geboren, starb am 9. August 1962 in Montagnola bei Lugano. 1946 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.
Hermann Hesse
Kurgast
Aufzeichnungen von einer Badener Kur
Suhrkamp
eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2015
Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe von: Hermann Hesse, Sämtliche Werke. Herausgegeben von Volker Michels. Band 2: Autobiographische Schriften 1.
© Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 2003
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Umschlagfoto: Pieter Jos van Limbergen
Umschlag: Göllner, Michels, Zegarzewski
eISBN 978-3-518-74392-8
www.suhrkamp.de
Entstanden 1923. Die erste Buchausgabe erschien als Privatdruck unter dem Titel »Psychologia Balnearia oder Glossen eines Badener Kurgastes«, Montagnola 1924 und ein Jahr später u. d. T. »Kurgast. Aufzeichnungen von einer Badener Kur« Berlin 1925
Den BrüdernJosef und Franz Xaver Markwaldergewidmet
Motto:Müßiggang ist aller Psychologie Anfang.
Nietzsche
Man sagt von den Schwaben, daß sie erst mit vierzig Jahren gescheit werden, und die Schwaben selber, im Selbstvertrauen nicht stark, sehen das zuweilen als eine Art von Schande an. Es ist aber das Gegenteil, es ist eine große Ehre, denn die vom Sprichwort gemeinte Gescheitheit (sie ist nichts anderes als das, was junge Leute auch »Altersweisheit« nennen, das Wissen um die großen Antinomien, um das Geheimnis des Kreislaufs und der Bipolarität) dürfte auch unter den Schwaben, so begabt sie sind, sich recht selten schon bei Vierzigjährigen finden. Wenn man dagegen über die Mitte der Vierzig hinweg ist, man sei begabt oder nicht, dann stellt sich jene Weisheit oder Mentalität des Alterns ganz von selber ein, namentlich wenn noch das anhebende leibliche Altern mit allerlei Mahnungen und Beschwerden nachhilft. Zu den häufigsten dieser Beschwerden nun gehören Gicht, Rheumatismen und Ischias, und eben diese Leiden sind es, welche uns Badegäste hierher nach Baden führen. Das Milieu ist also jener Art von Mentalität, in welche auch ich jetzt eingetreten bin, überaus günstig, und man gerät, so scheint mir, hier ganz von selber, vom genius loci geleitet, in eine gewisse skeptische Frömmigkeit, einfältige Weisheit, in eine sehr differenzierte Vereinfachungskunst, einen sehr intelligenten Anti-Intellektualismus hinein, der ebenso wie die Wärme der Bäder und der Geruch des Schwefelwassers als ein Spezifikum mit zu Baden gehört. Oder, kürzer gesagt: Wir Kurgäste und Gichtiker sind ganz besonders darauf angewiesen, das eckige Leben so rund wie möglich zu nehmen, fünfe gerade sein zu lassen, uns keine großen Illusionen zu machen, aber dafür hundert kleine sanfte Illusionen zu schonen und zu pflegen. Wir Kurgäste in Baden haben, wenn ich nicht irre, jenes Wissen um die Antinomien besonders nötig, und je steifer unsre Gebeine werden, desto dringender bedürfen wir einer elastischen, zweiseitigen, bipolaren Denkart. Unsre Leiden sind Leiden, aber sie sind nicht von jener heroischen und dekorativen Art von Leiden, welche der Leidende ohne Einbuße an unsrer Achtung für weltwichtig nehmen darf.