Kurz vor knapp - Christian Eck - E-Book

Kurz vor knapp E-Book

Christian Eck

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Beschreibung

Es hat auch Vorteile, klein zu sein. Vor allem für Minister Gabriel, da Theodor im Auto immer vor ihm sitzt und seinen Sitz viel weiter nach vorne stellen kann als die anderen Kollegen. Ansonsten kaum nennenswerte Katastrophen in seinem Alltag als Personenschützer. Außer Dauerstress, zu wenig Schlaf und Ehefrau Cathy, die sehnsüchtig zu Hause auf ihn wartet. Meistens vergeblich. Gut, gelegentlich gibt es minimale Probleme im Job wie Attentäter oder so. Das kommt jedoch glücklicherweise eher selten vor und am Ende wird sowieso alles gut. Zumindest, was den häuslichen Frieden mit Cathy angeht. Aber nur deswegen, weil Theodor irgendwann alles auf eine Karte setzt.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Sommer 2017

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Epilog

Nachwort

Vorwort

Sigmar Gabriel Vizekanzler und Bundesminister a. D.

Bodyguard! Nicht wenige werden dabei an die aufregenden Szenen des gleichnamigen Films mit Kevin Costner und Whitney Houston denken. Das deutsche Wort „Personenschützer“ hört sich da schon fast langweilig an und doch weckt diese Berufsbezeichnung vermutlich auch eine ganze Reihe von Fantasien über einen möglicherweise gefährlichen, aber eben auch ebenso spannungsgeladenen wie ereignisreichen Job. Und tatsächlich ist es auch so, dass die Frauen und Männer, die z.B. in der Sicherungsgruppe des Bundeskriminalamtes für den Schutz von Politikerinnen und Politikern zuständig sind, vieles erleben, was den Alltag anderer Berufe eher nicht prägt. In fremde Länder zu reisen, dem Puls der Welt nah zu sein, bei großen Ereignissen des Sports, der Kultur oder der internationalen Politik live dabei zu sein und bekannte Persönlichkeiten aus Kultur, Sport, Wirtschaft oder eben Politik überall auf der Welt persönlich zu erleben. Das sind tatsächlich Möglichkeiten, die sich in nicht allzu vielen Berufen bieten.

Aber wie immer im Leben gibt es noch eine andere Seite – eine Geschichte hinter der Geschichte. Davon handelt dieses Buch. Geschrieben von einem aktiven Personenschützer, der dem Dienst für den demokratischen Staat und seinen Repräsentanten am Ende jedoch entkommen wollte und deshalb den Sprung aus der scheinbaren Sicherheit des Beamtendaseins in die private Wirtschaft wagte. Nicht des Geldes wegen, sondern weil er es im alten Job nicht mehr aushielt. Zu hoch war der Preis ewiger Verfügbarkeit für den Dienst und der damit gleichzeitig verbundenen ständigen Abwesenheit bei denen, die ihn noch viel intensiver brauchen als seine „Schutzpersonen“. Gemeint sind nicht nur seine Frau und sein kleiner Sohn, zu dessen Zeugung er immerhin noch genug Zeit fand. Sondern wohl auch er selbst, der ein bisschen verloren und neben sich stehend wirkte in seinem scheinbar so interessanten Berufsalltag.

Das Buch erzählt die fiktive Geschichte Theos, beinhaltet aber gleichzeitig viele autobiografische Eckpunkte, denn der Autor war selbst 6 Jahre lang Personenschützer in der Sicherungsgruppe Berlin. Ich habe Autor Christian Eck während dieser Zeit kennen- und auch schätzen gelernt. Er erklärte mir damals ausführlich, warum er sich für einen Wechsel entschied, und ich meinte ihn richtig verstanden zu haben. Nach Lektüre seines Romans befürchte ich allerdings, dass ich seine inneren Kämpfe nicht wirklich begriffen hatte. Auch wenn seine Sprache im Roman fröhlich und humorvoll ist, so bleibt doch vor allem am Ende ein bitterer Nachgeschmack – jedenfalls für mich. Obwohl ich dachte, dass er sich mir gegenüber öffnete, scheine ich viel zu sehr mit mir und meinen damaligen Aufgaben beschäftigt gewesen zu sein, um seine Nöte und Sorgen ausreichend zu verstehen. Umso mehr freue ich mich darüber, dass er nun seinen Traum verwirklichen konnte, aus diesem Lebensabschnitt einen – vielleicht gar nicht so fiktiven – Kurzroman zu schreiben. Wer kann das schon von sich sagen?

Bestimmt gibt es Berufskollegen des Autors, die seinen Kurzroman als zu „weinerlich“ empfinden und mit dem Hinweis beiseitelegen, dass nicht Koch werden darf, wer die Hitze in der Küche nicht aushält. In Wahrheit aber sollten die Bedingungen eines jeden Berufes so sein, dass sie nicht die Aufgabe der eigenen Lebensvorstellungen, Sehnsüchte oder gar der Gesundheit erfordern, um sie erfüllen zu können. Allemal dann, wenn der Berufsinhalt darin besteht, notfalls mit der eigenen Gesundheit und dem eigenen Leben einen anderen Menschen zu schützen. Und überhaupt empfinde ich es schon seit Langem bedrückend, wie wenig Respekt und Achtung denjenigen Berufen gegenüber gezeigt werden, in denen unser Leben durch den Einsatz anderer geschützt wird. Ob bei der Polizei, Feuerwehr, den Sanitätsdiensten oder auch der Bundeswehr.

Ich habe Gott sei Dank nur sehr selten Situationen erlebt, in denen ich froh war, von „meinen“ Polizistinnen und Polizisten geschützt zu werden. Immer wieder mal eine Handvoll gewaltbereiter Rechtsradikaler, sogenannte „linke Autonome“, die sich auch nicht besser aufführen, wenn sie auf Vertreter des von ihnen gehassten demokratischen Staates treffen. Oder betrunkene Prahlhanse, einige hundert wildgewordene AfD-Anhänger oder auch Fahrten durch vermintes Gelände zwischen Bürgerkriegsparteien – ja das alles gab es.

Im Alltag allerdings traf ich dabei auf kluge, engagierte Frauen und Männer, mit denen das Unterwegs-Sein teilweise den Eindruck einer „Klassenfahrt“ erweckte. Für mich waren die Gespräche mit „meinen“ Personenschützerinnen und Personenschützern auch immer Gelegenheiten, „normale“ Gesprächspartner zu haben, die die Welt unverstellt und nicht durch medial oder politisch verstellte Optiken betrachteten und mit ihrer Meinung mir gegenüber fast nie hinter dem Berg hielten. Manche sind zu Freunden geworden, mit denen ich auch heute noch – lange nach meinem Ausscheiden aus der Politik – in Kontakt bin. Ich war und bin froh darüber, sie kennenlernt haben zu dürfen. Es waren durchweg tolle Leute.

Sommer 2017

1

Ich liebe Sonne, aber nicht so und nicht heute. Ich fühle mich wie ein Hühnchen auf dem Grill, denn ich stehe mitten auf dem Marktplatz in Salzgitter und schwitze dermaßen, dass mir die Brühe nur so über den Rücken läuft. Und zwar in direkter Linie genau in meine Pofalte hinein. Alles nur wegen der blöden Schutzweste, die mich bei einem langen Einsatz plagt wie noch was. Natürlich ziehe ich sie dennoch brav an. „Selbst schuld, Theodor“, stichelte erst gestern Katrin. Sie findet die Schutzweste lästig, daher schiebt sie ihren Dienst immer ohne. Ich dagegen halte Schweißperlen in der Pofalte zwar für so ziemlich das Schlimmste, was mir in meinem Job passieren kann. Sogar noch schlimmer als Stau auf der Autobahn, wenn wir mit Minister Gabriel unbedingt noch den Zug um 16.59 Uhr kriegen müssen. Am allerschlimmsten aber fände ich, wenn ich tot bin. Das sieht meine Frau Cathy genauso, daher kneife ich meine Pobacken auch heute höchstmotiviert zusammen, als mir plötzlich ein köstlicher Duft in die Nase steigt. „Hier Klara, deine Bratwurst“, sagt ein Typ mir direkt gegenüber und drückt seiner Freundin das köstliche Mahl in die Hand. „Danke, Thorsten, ich habe so Hunger“, antwortet sie ihm. Und ich erst! Mein Frühstück liegt gut sieben Stunden zurück, ein langer Arbeitstag indes noch vor mir. Ich muss also unbedingt und irgendwie ebenso an eine Bratwurst kommen – jetzt oder nie. Später geht es nicht, da sind wir mit dem Minister im Auto unterwegs. Da kann ich nicht daherkommen und „Hab Hunger“ heulen! Also gibt es nur eine Chance für mich, die ich sogleich nutzen will.

„Paul, kannst du mich bitte kurz ablösen?“ Ich funke meinen Kollegen an. Ein seltener Umstand, denn solche Gelegenheiten gibt es in meinem Job kaum. „Komme!“, antwortet er knapp. Ehrlich gesagt, kann ich ihn nicht leiden. Er mimt den Supermacho und weiß grundsätzlich alles besser. Aber man kann sich seine Kollegen ja nicht immer aussuchen. Wenn’s um die Wurst oder Herrn Gabriel geht, heißt es einfach Zähne zusammenbeißen und seinen Job im Team gut ausführen. Ich schaue dem Pärchen von gegenüber zu, das so langsam zum Ende ihres Bratwurstgenusses kommt. Er knutscht sie während des Essens ständig ab. Finde ich voll unhygienisch, da ihr Mund voller Senf ist. Dann sehe ich Paul aus der Menge auftauchen – meine Rettung – und vor Erleichterung könnte ich ihn dafür knuddeln. Natürlich beherrsche ich mich komplett. Ein Personenschützer muss das können. „Ich hole mir was zu essen“, gebe ich ihm bekannt. Er nickt und postiert sich an meiner Stelle. Nun heißt es einen Zahn zulegen. Mir bleiben höchstens fünfzehn Minuten. Für einmal Bratwurst holen, diese essen und danach noch kurz auf Toilette gehen ist das echt knapp. Ich schaffe es in vierzehneinhalb Minuten. Paul rauscht wieder ab und ich stehe weiter in der Sonne herum. Ein bisschen glücklicher als vorhin, da mein Magen sich über die köstliche Gabe freute wie Bolle.

An diesem schönen (knallheißen!) Nachmittag stürmt ein Politiker nach dem anderen die Bühne. Alle erzählen in etwa dasselbe. Als würde eine kaputte Schallplatte immer wieder von vorne abgespult. „Ich freue mich sehr, dass sich so viele Menschen heute versammelt haben … mit unserem Regierungsprogramm und den besten Konzepten für unser Land … bringen wir Deutschland voran …“ So geht das schon den ganzen Nachmittag und bei kaputten Schallplatten neigt mein Geist dazu, sich selbstständig abzuschalten. Sehr ungünstig, wenn du Personenschützer bist und stets auf Habachtstellung sein sollst.

„Mama, was macht der Mann da?“, fragt ein kleiner Junge seine Mutti neben mir. Er zeigt dabei mit seinem Finger frontal auf mich. „Er passt auf die Politiker auf.“ Ich sehe, wie es im Kopf des Jungen zu rattern beginnt. „So wie Papa auf uns?“, will er wissen. „So ähnlich“, erklärt die Mutter weiter, der die Sache langsam unangenehm wird. „Der ist doch viel zu klein für so was!“, schlussfolgert der Knirps und sucht in der Menge nach geeignetem Anschauungsmaterial. „Der da wäre doch viel besser dafür geeignet!“ Sein Zeigefinger wandert von mir zu einem Zweimetermann in schwarzer Lederjacke. Die Schultern so breit wie ein Bär. Seine Mutter schaut peinlich berührt drein. Selbst schuld, wenn man einen Zehnjährigen auf eine politische Veranstaltung schleppt. Auf dem Fußballplatz wäre er bestimmt besser aufgehoben. Ich dagegen lächle die beiden freundlichst an, denn ich bin durch und durch sowie auf jeden meiner 172 Zentimeter extrem stolz.

Martin Schulz ist auch stolz. Und zwar auf seine Genossinnen und Genossen und die waaaaahnsinnstolle Arbeit, die sie geleistet haben. Mein Hirn lässt wieder ein paar Brocken des Gesagten durchsickern. Danach erzählt Herr Schulz irgendwas vom waaaaahnsinnstollen SPD-Parteiprogramm. Das ist meinem Oberstübchen zu viel. Zack und weg. Ich kriege gerade noch so am Rande mit, mit welchem Engagement er sich bei seinen Erzählungen ins Zeug legt. Das muss er auch, denn wer bei seinen Zuhörerinnen und Zuhörern im Gabriel-Bundesland punkten will, muss auftrumpfen. Er gibt dahingehend alles, schließlich will er demnächst Kanzler werden.

Nach einer halben Ewigkeit schaltet endlich jemand diesen Plattenspieler ab. Danke, danke, danke – wer auch immer dafür zuständig war. Die Veranstaltung ist zu Ende. „Ich gehe mit Martin noch kurz auf ein Bier in den Ratskeller“, erklärt mir der Minister, als beide von der Bühne treten. Das sei ihnen vergönnt, doch insgesamt finde ich die Idee eher semi-gut, da sie mal wieder alle unsere beschützenden Planungen über den Haufen wirft. „In den Ratskeller, jetzt“, funke ich sofort an die Kollegen durch. Mein Adrenalin ist auf Anschlag und ich vergesse dabei kurzzeitig mein Schwimmbecken in der Unterhose. Auf dem Marktplatz stehen einfach noch zu viele Menschen herum, und alle wollen dem Minister und Kanzlerkandidaten die Hand schütteln. Oder umgekehrt? Jedenfalls schaffen wir es in formvollendeter Personenschützer-Formation mit den beiden problemlos bis zum Ratskeller. Ich habe dafür heute die Rolle des Evakuierers direkt hinter der Schutzperson inne. Wenn hier also irgendwas aus den Fugen geraten sollte, bin ich derjenige, der ihn zack, zack, umgehend in Sicherheit zu bringen hat. Was das erneut für meinen Adrenalinpegel bedeutet, spüre ich sofort. Bis sich der irgendwann wieder beruhigt hat, oje, das dauert. Findet mein Körper mit den Jahren nicht mehr so super wie zu Anfang meiner Personenschützer-Zeit, da er mit dem Daueradrenalin kaum noch fertig wird. Während ich vor dem Ratskeller auf das Ende des Gesprächs der beiden Herren warte, werde ich geringfügig ruhiger. Ich bemühe mich bei der Warterei redlich um Geduld, wobei das laut Mutti so gar nicht meine Stärke ist.