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Für Rebecca ist es Liebe auf den ersten Blick. Der griechische Unternehmer mit den tiefblauen Augen und dem sinnlichen Mund ist der Mann ihrer Träume. Böse Gerüchte beenden ihre Affäre jedoch, bevor sie noch begonnen hat. Aber Rebecca ist entschlossen, um Damon zu kämpfen …
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Seitenzahl: 200
IMPRESSUM
Lady in Rot erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2007 by Tessa Radley Originaltitel: „Black Widow Bride“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1485 - 2007 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Kai Lautner
Umschlagsmotive: Andrey Kiselev / 123RF
Veröffentlicht im ePub Format in 06/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733736064
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
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Wie hatte das bloß passieren können?
Rebecca Grainger schlang die Arme um ihren Körper. Sie fühlte sich elend. Alles war schiefgelaufen. Sie wünschte, sie könnte aufhören, daran zu denken. Vielleicht ging die Übelkeit dann weg. Denn ihr Job war es, sich um die Hochzeit zu kümmern. Sie musste sich zusammenreißen, immerhin hatte man sie bereits für ihre Arbeit bezahlt. Und zwar in voller Höhe. Der Scheck war ihr gestern Abend ausgehändigt worden.
Gestern Abend. Der Kuss.
Nein, nur nicht daran denken. Sich auf das große Ereignis konzentrieren. Es war immerhin die Hochzeit eines Asteriades, und dieses Event fand nicht irgendwo statt, sondern in Aucklands Luxushotel San Lorenzo. Das Deckengewölbe des Ballsaals war mit Kaskaden von weißem glänzendem Stoff verhängt – es war, als schwebe man auf Wolken. Girlanden von Efeu und weißen Treibhausrosen schmückten die Wände. Ihr süßer, schwerer Duft erfüllte den Raum. In Messinghaltern steckten Fackeln, die intimes Licht verbreiteten, und es wurde geheizt, um den Damen Gelegenheit zu geben, in ihren neuen Designerkleidern trotz der winterlichen Temperaturen viel Haut zu zeigen.
Die Band spielte den romantischen Walzer „An der schönen blauen Donau“. In der Mitte der ansonsten leeren Tanzfläche bewies Damon Asteriades mit seiner jungen blonden Braut, was für ein ausgezeichneter Tänzer er war. Mit seinem schwarzen Haar, das er in lässiger Länge trug, seinem griechischen Teint und seiner hochgewachsenen, durchtrainierten Gestalt war er der Traummann schlechthin. Er verströmte die Selbstgewissheit eines temperamentvollen Griechen, der weiß, dass er immer recht hat. Rebecca stand mit den anderen Gästen am Rand der Tanzfläche, sah zu, und wünschte Damon Asteriades ans andere Ende des Universums.
„Mein Sohn ist ein Narr.“
Die Stimme von Soula Asteriades – Damons Mutter und Witwe des mächtigen Ari Asteriades – riss Rebecca aus ihren düsteren Gedanken. Sie lächelte und erwiderte: „Damon würde sich von dieser Bezeichnung nicht beeindrucken lassen.“
Die alte Dame ging nicht darauf ein, sondern fuhr übergangslos fort: „Aber nun zu Ihnen, Rebecca! Mussten Sie wirklich Rot tragen? Rot wie das Tuch, mit dem man den Stier reizt?“ Soula seufzte. „Dieses gewagte Kleid wird dem Klatsch und Tratsch nur wieder neue Nahrung geben.“
Rebecca lachte und strich mit der Hand über ihr extravagantes Kleid von Vera Wang. „Lassen Sie die Leute doch reden. Es macht mir nichts aus. Immerhin stehle ich der Braut nicht die Show, indem ich Weiß trage.“
„Aber genau das hätten Sie tun sollen. Sie wären eine wunderbare Braut gewesen. Wenn Ari noch hier wäre – er hätte es vielleicht geschafft, meinem Jungen ein wenig Vernunft einzuhämmern!“
Rebecca warf der alten Dame einen erschrockenen Blick zu. „Soula!“
„Diese Hochzeit ist ein Fehler, aber jetzt ist es zu spät. Mein Sohn hat seine Wahl getroffen. Jetzt muss er damit leben. Das ist mein letztes Wort.“ Damit verschwand Soula in der Menge.
Verstört wandte sich Rebecca dem Geschehen auf der Tanzfläche zu. Damon nutzte diesen Moment, um eine für ihn untypische Handlung zu begehen: Er küsste seine junge Frau in aller Öffentlichkeit zärtlich auf die Stirn. Die Braut sah zu ihm hoch, mehr erstaunt als beglückt. Rebecca wünschte Damon dorthin, wo sie sich selbst gerade befand: in die Hölle.
Sie wandte den Blick ab, weil sie es nicht ertragen konnte, und schloss die Augen. Ihr Kopf schmerzte, und das lag nicht nur an der Anspannung und der vielen Arbeit, sondern auch an dem Kater, der vom gestrigen Abend übrig geblieben war. Wenn diese Hochzeit nur schon vorbei wäre. Dann würde vielleicht auch der bittere Beigeschmack vergehen, den der Betrug mit sich brachte.
„Kommen Sie. Wir sollten uns zum Brautpaar gesellen.“
Rebecca fühlte eine Hand auf ihrem Arm und bemerkte, dass der Walzer zu Ende war. Savvas, der Bruder und Trauzeuge des Bräutigams, sah sie auffordernd an.
Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Tut mir leid, Savvas. Ich war in Gedanken.“ Er lächelte breit. „Machen Sie sich keine Sorgen. Alles ist großartig. Die Blumen, das Menü, die Hochzeitstorte, das Kleid. Man wird bei Ihnen Schlange stehen, damit Sie die nächste Hochzeit organisieren.“
Rebecca hatte jedoch keineswegs vor, jemals wieder eine Hochzeit in Aucklands High Society auszurichten. Dennoch war sie Savvas dankbar für die Ablenkung. Niemand hier, weder Savvas noch sonst ein Mensch, wusste, weshalb sie heute so nervös gewesen war. Oder weshalb die Erinnerung an diese Hochzeit jedes ähnliche Event zu einer Tortur für sie machen würde.
Wie konnte ich gestern Abend nur so dumm sein, dachte sie entnervt.
„Kommen Sie.“ Savvas nahm ihre Hand.
Doch Rebecca rührte sich nicht vom Fleck. „Ich tanze nicht auf Hochzeiten, die ich selbst organisiert habe“, antwortete sie. Sie fing einen Blick des Bräutigams auf. In seinen kühlen blauen Augen las sie Missbilligung.
Es tat weh.
Und sie ärgerte sich, dass es sie verletzte. Sie wandte sich Savvas zu.
Er lachte leise. Offensichtlich bemerkte er ihre Anspannung nicht im Geringsten. Seine blauen Augen erinnerten sie an die seines Bruders. Der Gedanke ließ ihr Herz schneller schlagen. Nein, verflixt, rief sie sich zur Ordnung. Nicht dran denken!
„Keine Ausreden“, lockte Savvas. „Sie sind heute Abend nicht hier, um zu arbeiten, sondern um zu tanzen. Kommen Sie schon. Brautjungfer und Trauzeuge müssen als zweites Paar auf die Tanzfläche. Schauen Sie doch. Alles wartet auf uns.“
Rebecca sah sich um. Er hatte recht. Rund um die Tanzfläche standen Hunderte elegant gekleideter Paare, die tanzen wollten. Andere, die nur zusahen. Selbst Damons Mutter schaute besorgt herüber. Rebecca hob das Kinn. Instinktiv berührte sie den Opalanhänger, der den Ausschnitt ihres Kleides schmückte.
Und dann trafen sich ihre Blicke. Sie sah Verachtung und Wut in Damons Augen. Der Griff, mit dem er seine Braut hielt, wirkte nach außen hin elegant, doch Rebecca spürte fast körperlich die dominante Kraft dahinter.
Seine Braut.
Fliss.
Ihre beste Freundin.
Rebecca hob den Kopf, legte ihre kalte Hand auf Savvas‘ Arm, zwang sich zu einem Lächeln und gestattete ihm, sie auf die Tanzfläche zu führen. Ihr rotes schwingendes Ballkleid war eine Herausforderung.
Sie hatte nun durchaus vor, zu tanzen und den Abend zu genießen. Sie würde Damon Asteriades niemals zeigen, was es sie gekostet hatte, die Hochzeit ihrer besten Freundin auszurichten, ihr bei allen Fragen zur Seite zu stehen. Er würde nie erfahren, wie unglücklich sie als Brautjungfer gewesen war, wie einsam und verzweifelt, als der Priester die beiden zu Mann und Frau erklärte. Nie würde sie den Blick vergessen, den Fliss ihrem Mann schenkte, als sie sich zur Hochzeitsgesellschaft wandten. Fliss war blass gewesen, doch sie gönnte Damon einen koketten Augenaufschlag. Und Damon – Damon triumphierte, sah herausfordernd zu Rebecca, als wolle er sagen: Tja, nun kannst du nichts mehr tun.
Oh ja, sie würde tanzen. Sie würde flirten und lachen, und niemand würde merken, wie elend sie sich tatsächlich fühlte. Sie war Rebecca Grainger, stark und unabhängig. Es durfte nie wieder geschehen, dass sie sich ihren Gefühlen hingab. Es tat zu weh.
Sie lächelte Savvas herausfordernd an, als er einen Arm um ihre Taille legte, und ignorierte den wütenden Blick, den Damon ihr zuwarf.
„So, Bruderherz, jetzt bin ich an der Reihe, mit der Braut zu tanzen.“
Erschrocken kehrte Rebecca in die Realität zurück. Savvas hielt plötzlich inne und ließ sie los.
Vor ihr stand Damon, der Mann, vor dem es kein Entkommen gab.
Trotz des gedämpften Lichtes sah sie, wie seine blauen Augen glitzerten. Die klassische Schönheit seines Gesichts wurde noch attraktiver durch eine markante Nase, die früher einmal gebrochen gewesen sein musste. Seine Züge spiegelten seinen Charakter – gefährlich, gewinnend, sinnlich. Ein moderner Pirat.
Hastig wandte Rebecca ihren Blick ab und wollte ihren Tanzpartner zurückhalten.
„Savvas?“
Doch Savvas war schon auf und davon und wirbelte mit Fliss über die Tanzfläche. Das weiße Brautkleid schwang um seine Beine. Rebecca fühlte sich verlassen. Sie wartete. Ihr Herz klopfte, ihr Puls raste.
„Und jetzt versuchst du, meinen Bruder zu verführen? Noch einmal ein Versuch, an das Vermögen der Asteriades‘ zu kommen?“, fragte Damon hart.
Sie blickte ihn an, las den Zorn in seinen Augen. Doch was war mit ihrem Zorn? Ihrer Enttäuschung? Welches Recht hatte er, über sie zu richten? Er kannte sie kaum, hatte nie den kleinsten Versuch unternommen, sie wirklich kennenzulernen.
„Fahr zur Hölle“, murmelte sie und drehte sich auf dem Absatz um.
„Oh nein, Rebecca“, erwiderte er und hielt sie fest. „So einfach ist es nicht. Du wirst hier keine Szene machen und mich stehen lassen. Du wirst mich nicht lächerlich machen.“
Rebecca versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien, doch es gelang ihr nicht. Es gab kein Entkommen. Das Allerletzte, was sie sich heute wünschte, war, mit Damon Asteriades zu tanzen.
Nein.
Das Wort musste ihr entschlüpft sein, denn er packte sie noch fester und drehte sie zu sich.
„Doch“, zischte er. „Du wirst jetzt mit mir tanzen.“ Er legte seinen Arm um ihre Taille. Der nächste Walzer hatte begonnen. „Du wirst ein einziges Mal in deinem egoistischen Leben etwas für jemand anderen tun. Ich gestatte nicht, dass du Felicitys schönsten Tag ruinierst.“
Ihren Tag, fragte Rebecca sich bitter. Am liebsten hätte sie hysterisch gelacht. Damon hatte keine Ahnung, wie zerstörerisch er auf Fliss wirkte. Ihre liebe, zarte Freundin, jener Mensch, der ihr nahe war wie eine Schwester. Bis gestern war Fliss auch ihre Geschäftspartnerin gewesen. Doch nach der Generalprobe für die Hochzeit hatte Fliss ihre Anteile an Dream Occasions an Rebecca übertragen.
Und das nur, weil Damon es von ihr verlangt hatte.
Der Herr und Meister machte unmissverständlich klar, dass er keinen Kontakt seiner Frau zu Rebecca wünschte. Fliss gehorchte. Rebecca war wütend gewesen. Doch unter der Wut lag noch etwas anderes. Die Bitterkeit, die ein Betrug mit sich brachte. Rebecca wusste, weshalb Fliss kapituliert hatte. Sie verstand sogar, warum ihre Freundin unbedingt einen Mann heiraten wollte, der überhaupt nicht zu ihr passte.
Doch Fliss hätte sich nie darauf einlassen dürfen. Andererseits – wer konnte diesem Angebot widerstehen? Fliss sehnte sich nach Sicherheit, nach Geborgenheit. So wie Rebecca einst. Fliss erkannte die Gefahr nicht, die von Damon ausging. Sie sah nur seine Stärke. Und seinen Reichtum.
Damon war zu dominant. Er würde Fliss keinerlei Freiraum gewähren. Und sie besaß nicht die Kraft, sich ihm zu widersetzen. Rebecca befürchtete, dass ihre Freundin an der Seite dieses Mannes immer im Schatten stehen würde, und daher hatte sie gestern Abend beschlossen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen.
Ein Schauer überlief sie, als sie daran dachte, was passiert war. Nie würde sie Damons Wut vergessen, seine Verachtung … und niemals die Leidenschaft. Danach hatte sie ein Glas Rotwein nach dem anderen getrunken, doch der Alkohol konnte den Schmerz nicht betäuben.
„Fliss“, korrigierte sie freundlich, als Damon sie auf die Tanzfläche führte.
Damon sah verständnislos auf sie hinab.
„Sie möchte Fliss genannt werden“, erklärte Rebecca. „Oder hat sie dir das nicht gesagt?“
Sie fühlte den Druck und die Wärme seiner Hand, nahm den herben, sinnlichen Duft seines Aftershaves wahr.
„Sie heißt Felicity“, korrigierte er sie. „Ein wunderschöner Name. Er bedeutet Glück. Der andere klingt substanzlos wie Feenhaar.“
„Aber sie mag ihren Taufnamen nicht. Spielt das für dich keine Rolle?“
Der Name erinnerte Fliss an ihre unglückliche Kindheit. Sie war ein zartes, schüchternes Waisenkind gewesen, das in der Schule oft gehänselt wurde. Ihre Pflegeeltern hatten zwei eigene Töchter, denen ihre ganze Liebe galt. Rebecca wusste das nur zu gut, denn sie lebte auch bei eben diesen Pflegeeltern. Doch wie hätte sie Damon das alles erklären sollen? Rebecca wusste, dass sie sich ab jetzt nicht mehr für Fliss verantwortlich fühlen durfte. Fliss musste ihrem Mann erklären, was sie wollte und was nicht.
„Es geht dich nichts an, wie ich meine Frau nenne“, sagte er. „Alles, was ich will, ist, dass du aufhörst, ihr das Fest zu verderben.“
Meine Frau.
Rebecca fühlte einen Stich, doch sie wollte nicht zulassen, dass der Schmerz die Oberhand gewann. Später, viel später, wenn das alles hier vorbei war, konnte sie beginnen zu trauern.
„Ich, ihr das Fest verderben?“, fragte sie in gespielter Gelassenheit. „Savvas hat mir mitgeteilt, dass das Arrangement perfekt ist, von der Dekoration bis zur Hochzeitstorte.“
Doch sie entlockte Damon mit ihrer koketten Erwiderung kein Lächeln. „Hör auf damit“, sagte er. „Ich bezweifle dein Können nicht. Was mich stört, ist, dass es Ärger gibt, wo immer du auftauchst.“
Rebecca war klar, dass Damon sie nicht mochte. Und in diesem Moment spürte sie etwas wie Hass. Sie hätte ihn umbringen können, diesen gut aussehenden Milliardär. Diesen unmöglichen Macho, dieses rücksichtslose Monster. Wenn er sich ein einziges Mal die Mühe gemacht hätte, sie zu verstehen, wäre er nie auf den Gedanken gekommen, sie könne ihrer Freundin den großen Tag verderben. Ein kleiner Teufel gab ihr ein, Damon herauszufordern.
Verführerisch lächelte sie ihn an. „Ärger? Da muss jemand geplaudert haben …“
Damon führte sie geschmeidig über die Tanzfläche, doch Rebecca spürte seine Wut mit jeder Faser ihres Körpers. „Ich verbiete dir, mit Savvas zu reden“, fauchte er dicht an ihrem Ohr. „Lass ihn in Ruhe. Mein Bruder ist nichts für dich.“
Es kostete Rebecca Mühe, ihre gelassene Haltung zu bewahren. Sie hatte bereits einige Informationen über Damon gekannt, ehe sie ihn dann auf einer Hochzeit kennenlernte. Er war ein erfolgreicher Geschäftsmann, klug, entscheidungssicher, attraktiv. Doch womit sie nicht gerechnet hatte, war die Anziehungskraft, die er auf sie ausübte. Ein Blick auf ihn hatte genügt, und sie war ihm verfallen.
Er war charmant ihr gegenüber, er war aufmerksam, schien interessiert. Jedenfalls bildete sie es sich ein. Als er jedoch erfuhr, dass sie Aaron Graingers skandalumwobene Witwe war, erlosch sein Interesse sofort.
Gedankenverloren gab sich Rebecca dem Rhythmus des Walzers hin. Damon war ein ausgezeichneter Tänzer. Für einen Augenblick berührten sich ihre Körper, und es schien, als seien sie eins mit der Musik. Gleich darauf zog Damon sich jedoch zurück. Es war für Rebecca eine bekannte Erfahrung.
Nachdem sie ihn das erste Mal getroffen hatte, unternahm sie alles, um ihm erneut zu begegnen. Sie nutzte Geschäftskontakte und ihre Verbindungen als Witwe Aaron Graingers, um Einladungen zu Events zu erhalten, an denen auch Damon Asteriades teilnahm. Dort versuchte sie verzweifelt, seine Aufmerksamkeit zu erregen. Manchmal gelang es ihr, und dann gab es Momente, in denen sie spürte, dass sie ihn interessierte. Magische Momente, in denen es zwischen ihnen knisterte wie damals beim allerersten Mal. Doch die Ernüchterung folgte stets auf dem Fuß, und Rebecca musste sich eingestehen, dass sie sich das alles nur eingebildet hatte.
Hier auf der Tanzfläche war es ebenso. Damon führte sie perfekt, aber seine Aufmerksamkeit galt nicht ihr.
Schicksal, dachte Rebecca.
In ihrem Leben war niemals etwas einfach gewesen. Weshalb sollte es mit der Liebe anders sein?
Dennoch hatte sie nicht erwartet, dass das Schicksal ihr derart übel mitspielte: Eine Begegnung mit der zarten blonden Fliss genügte, um Damon zu entflammen – und sie, Rebecca, in hoffnungsloser Verzweiflung zurückzulassen.
Es gab nichts, was sie dagegen tun konnte.
Das, was vergangene Nacht geschehen war, war der Beweis.
Sie schauderte. Vergangene Nacht …
Unwillkürlich wanderte ihr Blick zu Damons Mund, seinen Lippen. Sie erinnerte sich nur zu gut daran, wie sie sich anfühlten, wenn er sie küsste – hart, verlangend …
Nein, bloß nicht dran denken!
Also versuchte sie, Konversation zu machen. „Du und Savvas – ihr tanzt gut. Habt ihr Unterricht genommen?“
„Vergiss Savvas und seine Tanzkünste und hör auf, Unfrieden zu stiften“, fuhr Damon sie an. „Halte dich von ihm fern. Er ist zu jung.“
Unfrieden stiften?
Warum eigentlich nicht? Was hatte sie zu verlieren?
Rebecca verdrängte die unterschwellige Aggression, die in Damons Stimme lag, und summte die Melodie des Walzers mit. Sie gab sich ganz der Musik hin und ließ es ihren Tanzpartner auch spüren. Zufrieden bemerkte sie, dass Damons Atem sich beschleunigte, und sie verstärkte das aufreizende Spiel ihrer Hüften.
„Theos! Lass das!“ Damon packte ihren Arm und brachte ein paar Zentimeter Distanz zwischen sich und Rebecca.
Sie unterdrückte das Bedürfnis, einfach in seine Arme zu sinken. Stattdessen hielt sie sich betont aufrecht und ordnete sich geschmeidig Damons Führung unter, obwohl sich ihre Beine anfühlten wie Blei. Dabei lächelte sie ihn kokett an. Er starrte wütend zurück.
Seine Verachtung, sein Misstrauen brachten sie aus der Fassung. Langsam sank sie gegen seine Brust, suchte Verständnis, Wärme. Doch er schob sie kalt zurück, hielt sie auf Abstand. Rebecca wusste, dass sie einen Fehler begangen hatte. Was wollte sie damit erreichen? Damon hatte recht. Ganz egal, ob er sie verletzt hatte, ob sie Grund zur Rache hatte – diese Hochzeitsfeier war nicht der richtige Ort dafür. Und eines wollte sie auf keinen Fall verlieren: den letzten Rest Selbstachtung.
So ganz aufgegeben hatte sie allerdings noch nicht. Daher erwiderte sie lächelnd: „Savvas hat mir gesagt, er sei siebenundzwanzig. Das heißt, er ist drei Jahre älter als ich. Ich finde, er passt wunderbar zu mir.“
„Hör zu!“ Damon war am Ende seiner Geduld. „Mein Bruder ist Lichtjahre von dir entfernt, was seine Erfahrung angeht. Mit einer Frau wie dir hat er nichts zu schaffen.“
„Mit einer Frau wie mir?“, wiederholte sie zornig. Wie ungerecht das alles war.
Damon Asteriades hatte nicht die geringste Ahnung, was für eine Frau sie war. Wie konnte er denn so blind sein? Warum merkte er nicht, dass zwischen ihnen etwas war? Oder weigerte er sich, es zu bemerken? Er hätte Fliss nicht heiraten dürfen. Es gab nur eine einzige Frau auf der ganzen Welt, der er einen Heiratsantrag hätte machen dürfen. Ihr, Rebecca.
So, jetzt hatte sie es sich selbst eingestanden.
Den Grund für ihre Trauer, ihre Frustration. Und jetzt war es zu spät. Er war verheiratet. Mit ihrer besten Freundin.
Und doch brannte das unsichtbare Feuer zwischen ihnen weiter, ließ sich nicht löschen. Manchmal, in Momenten wie diesem, war sie fast sicher, dass auch Damon es bemerkte – oder sogar fürchtete. Rebecca ließ ihre Hand über seinen Arm gleiten, spürte den feinen Stoff seines Anzugs unter ihren Fingern, den seidenen Hemdkragen, bis sie nackte Haut berührte. Damon schien die Geste zu genießen. Oder bildete sie sich das nur ein?
„Schäm dich“, flüsterte sie. „Du weißt überhaupt nichts über mich.“ Sie blies sanft in sein Haar. „Du hast dich nie bemüht, etwas über mich herauszufinden.“
„Du meine Güte!“, fuhr er auf. „Was gibt es da herauszufinden? Ich weiß bereits jetzt mehr, als ich jemals wissen wollte.“ Bitterkeit lag in seiner Stimme, als er fortfuhr: „Du bist eine Schwarze Witwe. Du nimmst dir, was du willst, forderst, verschlingst und hinterlässt nur Leere.“
„Das ist eine …“
„Eine Lüge? Wirklich? Wie willst du das beweisen? Du hast Aaron Grainger wegen seines Vermögens geheiratet. Als alles verschleudert war, hast du ihn in den Selbstmord getrieben.“
Entsetzt starrte sie ihn an. „Das hat noch niemand gewagt, mir vorzuwerfen.“ Hastig zog sie die Hand zurück, die eben noch seinen Hals liebkost hatte. „Ich wusste, dass solche Gerüchte existieren, aber ich hätte nie geglaubt, dass ein intelligenter Mensch so etwas glaubt. Zumindest dich glaubte ich immun gegen diese Art von Klatsch.“
Er verstärkte seinen Griff um ihre Taille. Das Tempo der Musik wurde schneller, als es auf das Finale zuging.
„Stimmt. Aber ich habe andere Quellen als Klatsch und Tratsch, auf die ich mich verlassen kann. Oder etwa nicht?“ Er näherte sein Gesicht und fügte mit gefährlichem Unterton hinzu: „Ich kenne die Art Frau, die du bist. Du bist eine, die den Mann ihrer besten Freundin küsst und ihn anfleht, mit ihr zu …“
„Halt den Mund!“
Er vollführte eine perfekte Drehung, um die Kollision mit einem anderen Tanzpaar zu vermeiden. „Du bist eine Versuchung, aber alles, was ein Mann von dir bekommt, ist Sex. Vergangene Nacht …“
Sie erstarrte in seinen Armen und blieb abrupt stehen.
„Ich habe gesagt, sei still“, fauchte sie. „Oder willst du, dass ich hier eine der Szenen hinlege, die du so sehr fürchtest? Hier, am großen Tag deiner Frau?“ Sie standen einander gegenüber, unfähig sich zu rühren. Langsam dämmerte es ihnen, wo sie sich befanden. Damon gewann seine Fassung als Erster wieder.
„Ich muss verrückt geworden sein“, zischte er.
Die Band spielte bereits das nächste Lied. Rebecca erwachte wie aus einer Trance.
Damon ist verheiratet, hämmerte es in ihrem Kopf. Er ist unerreichbar. Unerreichbar!
Sie machte sich los von ihm, drehte sich auf dem Absatz um und ging davon. Damon folgte ihr nicht. Und sie warf keinen Blick zurück.
Fast vier Jahre später
Der Dienstagmorgen begann miserabel. Rebecca hatte verschlafen, und als T.J. es endlich schaffte, sie zu wecken, indem er mit seinen kleinen Fingern unaufhörlich gegen ihren Arm stupste, stand die Sonne schon hoch am wolkenlosen Himmel Northlands.
Gestern hatte der Kleine Ohrenschmerzen gehabt, und sie war mit ihm beim Arzt gewesen. Glücklicherweise ging es T.J. jetzt wieder gut.
Er quengelte, während sie ihn hastig anzog. Als sie fertig waren, schob sie ihn aus der Tür, setzte ihn in den Kindersitz im Auto und schnallte ihn an. Er hörte nicht auf zu nerven, und sie nahm sich vor, heute nicht so lange zu arbeiten, damit sie den Nachmittag mit ihm verbringen konnte.
Dorothy, T.J.s Tagesmutter, warf einen Blick auf T.J., der düster zu Boden sah. Sie breitete ihre Arme aus und versprach ihm, er dürfe seine Lieblings-DVD über Thomas, die Lokomotive, anschauen, wenn er dazu seinen Saft trank und Apfelschnitze aß. T.J. strahlte, und Rebecca überließ Dorothy erleichtert die vom Arzt verschriebenen Tropfen.
Dorothy lächelte. „Mach dir bitte keine Sorgen wegen diesem kleinen Mann. Du bist gestern bei ihm geblieben, als er dich brauchte. Heute kannst du dich wieder um Chocolatique kümmern.“
Rebecca war dankbar für das Verständnis, das die Ältere ihr entgegenbrachte. Doch ehe sie etwas sagen konnte, fügte Dorothy hinzu: „Schon gut, Rebecca. An die Arbeit. Und vergiss nicht, mir meine Lieblingstrüffel mit Mandeln mitzubringen, wenn du den Jungen nachher abholst.“
„Als könnte ich das jemals vergessen.“ Rebecca gönnte Dorothy ein warmes Lächeln.
Die gute Laune, die Dorothy stets verbreitete, hielt während Rebeccas Fahrt an. Als sie jedoch ihre Confiserie „Chocolatique“ betrat, verflog die heitere Stimmung, und sie hielt entsetzt inne.
Er.
Damon Asteriades saß so lässig in einem der eleganten Sessel neben der Tür, als sei es ihm völlig gleichgültig, ob der teure Designeranzug dadurch Knitterfalten bekam. Rebeccas Blick flog über die auf Hochglanz polierten Maßschuhe, das offene Jackett und die gelockerte Krawatte. Damon wirkte zu dieser Jahreszeit wie ein absoluter Exot. Im Frühsommer wimmelte es in dieser Gegend von europäischen Rucksacktouristen in T-Shirts, Shorts und Sandalen. Rebecca schaute in Damons Gesicht, verlor sich einen Moment im Anblick des sinnlichen Mundes, ehe sie der kalte Ausdruck seiner Augen in die Wirklichkeit zurückbrachte.
Sie betrat das Café und fragte heiser: „Was willst du denn hier?“
„Was ich an dir so schätze, Rebecca, sind deine guten Manieren“, gab er sarkastisch zurück.
Rebecca konnte den Blick nicht von seinem Gesicht wenden. Sie blieb stumm.
Er richtete sich auf. „Ich muss etwas mit dir besprechen.“
„Mit mir?“ Rebecca fragte sich nervös, was in aller Welt er hier oben im Norden suchte. Tohunga lag Hunderte von Kilometern entfernt von Auckland. War der Tag der Abrechnung, den sie so fürchtete, endlich gekommen?