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Top-Betriebe zeigen, wie es geht • Ergebnisse aus umfangreichen Befragungen • Von Top-Betrieben lernen • Negativbeispiele helfen, Fehler zu vermeiden In Gesprächen mit Betriebsleitern und Experten der Beratung, der Erwachsenenbildung und der Finanzierung forschte der Autor nach den Gründen des Erfolgs und des Misserfolgs. Das Ergebnis ist für alle diejenigen, die ihren Betrieb erfolgreich führen wollen, ein Lehrstück in Betriebsführung. Die Fallbeispiele zeigen landwirtschaftlichen Betrieben Möglichkeiten auf, Fehler oder Mängel in der Betriebs- und Menschenführung zu erkennen, zu vermeiden oder zu beseitigen.
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Seitenzahl: 183
Heinrich Maurer
Landwirtschaftliche Erfolgsbetriebe
Von Top-Betrieben lernen – Fehler vermeiden!
Erläuterung von Fachbegriffen und Abkürzungen
Vorwort
Teil 1 Erfolgsbetriebe
Das Auge des Herrn mästet sein Vieh
Auslaufender Erfolg
Erst draußen zum Unternehmer geworden
Ein anderes Gesicht des Erfolges
Gute Ausbildung ist wichtig
Sich nie auf den Erfolgen ausruhen
Der Ein- und Verkauf ist entscheidend
Vom Ackerwirt zum Energiewirt
Aus dem Dornröschenschlaf erwacht
Auch Lebensunternehmer sein
Teil 2 Misserfolgsbetriebe
Kein Nest für die ganze Familie
Mit dem Milchpreis in der Krise
Scheitern kann auch eine Chance sein
Tiefer Fall einer Festprinzessin
Das Scheitern durch Meistern überwinden
An zu großem Rad gedreht
Nicht weitermachen bis nichts mehr da ist
Die kleinen schwarzen Löcher suchen – oder – viele Wege führen zum Erfolg
Service
Das Beratungsangebot
Landwirtschaftliche Familienberatung in den Bundesländern – Beratungsstellen und Sorgentelefone
Impressum
Erläuterung von Fachbegriffen und Abkürzungen
Gewinn: Aus dem Gewinn müssen der Lohn für familieneigene Arbeitskräfte, die Einkommenssteuer, die Tilgung von Fremdkapital und die Nettoinvestitionen finanziert werden.
FAK: Familienarbeitskräfte. Nicht vollbeschäftigte Arbeitskräfte sind anteilmäßig angesetzt.
Betriebseinkommen: Gewinne zuzüglich außerordentliche Erträge und Aufwendungen, Personalaufwand, Pacht- und Zinsaufwand.
Relative Faktorentlohnung: Verhältnis von Betriebseinkommen zu den gesamten Faktorkosten (Personal, Pacht, Zins, Pachtansatz für selbst bewirtschaftete Eigentumsfläche, Zinsansatz für Eigenkapital ohne Boden).
Gewinnrate: Verhältnis von Gewinn ohne zeitraumfremde Erträge und Aufwendungen (ordentliches Ergebnis) zum Betriebsertrag.
Entnahmen: Summeder privaten Entnahmen (Lebenshaltung, Altenteil, Einkommensübertragungen, private Versicherungen und Steuern, Bildung von Privatvermögen, nicht landwirtschaftliche Einkünfte).
Entnahmen privater Verbrauch: Private Entnahmen ohne Bildung von Privatvermögen (privates Finanzvermögen, Kapitallebensversicherungen, Immobilien und andere dauerhafte Wertgegenstände) und die Entnahmen für nicht landwirtschaftliche Einkünfte.
EK-Veränderung Unternehmen: Eigenkapitalveränderung im Unternehmen selbst. Betrag, der zur Deckung der inflationsbedingten Entwertung des Anlagevermögens und für weiteres betriebliches Wachstum zur Verfügung steht.
EK-Veränderung Unternehmer: Eigenkapital einschließlich Vermögensänderungen im Privatbereich.
Eigene Finanzierungsmittel: Mittel stehen für die Substanzerhaltung, Investitionen und andere Mehrungen des Aktivvermögens zur Verfügung.
Bruttoinvestitionen: Investitionen in Sachanlagen (Boden, Gebäude, Maschinen) nicht materielle Vermögensgegenstände (z.B. Lieferrechte) und Finanzanlagen einschließlich Veränderungen im Tier- und Umlaufvermögen.
Nettoinvestitionen: Bruttoinvestitionen abzüglich Abschreibungen und Abgänge im Anlage-, Tier- und Umlaufvermögen.
Vorwort
Zwischen „gut“ und „schlecht“ liegen nach kaufmännischen Begriffen auch in der Landwirtschaft Welten. Der alle vier Jahre von der Bundesregierung erstattete Agrarbericht, der die wirtschaftliche Situation der deutschen Landwirtschaft darlegt, gibt darüber detailliert Auskunft. So lag das Einkommen je Arbeitskraft im Wirtschaftsjahr 2005/06 zwischen 1341 € im untersten Drittel und 42.236 € beim erfolgreichsten obersten Drittel der Betriebe. Der Gewinn je Unternehmen weist eine Spanne von minus 2759 € bis plus 65.939 € auf. Neuere Zahlen liefern die knapp 10.000 Testbetriebe für das Wirtschaftsjahr 2007/08. Dort reichen die Gewinne der Unternehmen im Ackerbau von 7.635 bis 133.181 €. Bei den Gemischtbetrieben liegt die Spanne zwischen minus 2.209 und plus 39.403 €.
Wie überall in der Volkswirtschaft und im Leben der Menschen hat der Erfolg auch auf den Bauernhöfen viele Väter und Ursachen. Abgesehen von den natürlichen Voraussetzungen wie Betriebsgröße, Bodenqualität, Klima und Lage zum Markt, kommt es ganz entscheidend auf die Menschen an, die den Hof bewirtschaften. Es gibt erfolgreiche Betriebe auf schlechten Böden und bei schwierigem Klima und andere, die auch bei besten natürlichen Voraussetzungen nicht zurechtkommen.
Dieses Buch hat das Ziel, die Erfolgsfaktoren ausfindig zu machen, die sich nur schwer aus Betriebsanalysen, Deckungsbeitragsrechnungen und Betriebsbilanzen herauslesen lassen. Es wurden einzelne Betriebe aufgesucht und in den Gesprächen mit Betriebsleitern und Buchführungsbetreuern nach den Gründen des Erfolges geforscht. Erste Grundlage für die Berichterstattung waren die Zahlen aus der Betriebsanalyse, die aber noch lange nicht die Ursachen des Erfolges aufdecken. Erst in den ausführlichen Gesprächen gelang es, die Wurzeln freizulegen.
Erstaunliches und Lehrreiches trat zu Tage. Es zeigte sich immer wieder, dass Bauern und ihre Familien sehr oft in der Lage sind, auch unter schlechten äußeren Bedingungen, an denen andere längst gescheitert wären, immer noch gute Betriebsergebnisse und ein gesichertes Einkommen für die Familie zu erwirtschaften. Vergleicht man die Landwirtschaft mit anderen Branchen, zeigt sich auch hier, dass Bauern mindestens genauso gute Unternehmer sind wie Handwerker oder Industriemanager. Wären sie das nicht, dann gebe es in vielen Gebieten längst keine Bauernhöfe mehr.
Der zweite Teil des Buches beschäftigt sich in vier Betriebsberichten mit der negativen Seite der Medaille. Dort werden Misserfolge und die Gründe dafür beschrieben. Es sind Fälle mit menschlicher Tragik, aber auch mit Hoffnungen für einen Neuanfang.
Gespräche mit verschiedenen Experten aus der Familien-, Betriebs- und Finanzberatung enthalten schließlich Ratschläge für eine erfolgreiche Betriebsführung. Sie helfen existenzbedrohende Krisen zu überwinden, mit solchen Krisen innerhalb der Familie fertig zu werden und Fehler bei der Unternehmensentwicklung von vornherein zu verhindern.
Heinrich Maurer, Hohengehren, Sommer 2010
Teil 1 Erfolgsbetriebe
Das Auge des Herrn mästet sein Vieh
Erst der zweite Blick zeigt den Erfolg
In dem kleinen Dorf mit fünf Bauernhöfen, einigen Handwerkern und einer nach dem Krieg entstandenen Arbeitersiedlung fällt der am Ortsrand angesiedelte Hof der Familie Köhler (Name geändert) auf den ersten Blick kaum auf. Ein einfaches zweistöckiges Wohnhaus aus den dreißiger Jahren, wie es in dieser Gegend viele gibt. Eine große Scheune, in der früher auch der Viehstall untergebracht war. Rechts davon der niedere, lang gestreckte Boxenlaufstall mit eingebautem Melkstand und als Abschluss quer dazu der große Maschinenschuppen. Hinter der Scheune zwei große Fahrsilos. Die Gebäude zeigen bereits, dass der Betrieb in der eher kleinbäuerlich geprägten Gegend zu den größeren gehört. Das nüchterne Gesamtbild mit dem aufgeräumten Hof und dem auf Nutzbarkeit ausgerichteten großen Hausgarten lässt aber nicht vermuten, dass hier eine sehr erfolgreich wirtschaftende Bauernfamilie wohnt.
90 Hektar zählt die Betriebsfläche. Davon ist die Hälfte Eigentum, das seit mehr als 50 Jahren immer wieder aufgestockt wurde. Von den 90 Hektar sind 75 Hektar Acker- und 15 Hektar Grünland. Mit rund 65 Bodenpunkten können sich die Felder sehen lassen. Die durchschnittliche Schlaggröße von 5 Hektar erlaubt ein rationales Arbeiten. Auf dem Ackerland wachsen 15 Hektar Zuckerrüben, 20 Hektar Weizen, jeweils 5 Hektar Sommer- und Wintergerste und 30 Hektar Silomais. Im Stall stehen 65 Milchkühe und die ganze Nachzucht. Die männlichen Rinder werden als Fresser für die Bullenmast verkauft und von der weiblichen Nachzucht gehen einige Kalbinnen in den Verkauf.
Finanziell sehr gesund
Ein Betrieb, wie es viele in Deutschland gibt, sollte man meinen. Keineswegs. Die Besonderheit zeigt sich an den Buchführungsabschlüssen. Sie weisen den Betrieb Köhler seit Jahren zwar vom Ertrag her als nur durchschnittlich erfolgreich aber als finanziell äußerst stabil aus (siehe Tabelle). Mit einem Gewinn von etwas mehr als 80.000 € im Wirtschaftsjahr 2007/08 liegt der Betrieb leicht unter dem Durchschnitt vergleichbarer Höfe. Die Gewinnrate, die sich aus dem Gewinn minus außerordentlicher Erträge, geteilt durch den um Naturalentnahmen verminderten Umsatz errechnet und als Maßstab für die Stabilität des Unternehmens gegenüber Preisschwankungen gilt, beträgt knapp 22 Prozent gegenüber 26 Prozent im Mittelwert der Vergleichsgruppe.
Ein wichtiger Maßstab für den unternehmerischen Erfolg ist die relative Faktorentlohnung, die sich aus dem Verhältnis von Betriebseinkommen zu den Faktorkosten (Personal, Pacht, Zins) ergibt (s. Erläuterung von Fachbegriffen). Die Faktorentlohnung beträgt 2007/08 im Betrieb Köhler knapp 92 Prozent und in der Vergleichgruppe 123 Prozent. Erst wenn mehr als 100 Prozent erreicht werden, ergibt sich über den Lohnansatz hinaus ein Unternehmensgewinn.
Besonders beeindruckend ist der Stand des aus Sach- und Geldwerten bestehenden Eigenkapitals. Mit 1,41 Millionen € liegt dies fast doppelt so hoch wie im Durchschnitt der Vergleichsgruppe. Der Fremdkapitalanteil liegt mit knapp 9 Prozent deutlich unter der Vergleichsgruppe, die fast 27 Prozent ausweist. Im Laufe des Wirtschaftsjahres hat das Eigenkapital des Betriebes um 72.000 € zugenommen. Dieser Zuwachs liegt um rund 90 Prozent über dem Viertel der besten Betriebe aus der Vergleichsgruppe. Zwar hat der Betrieb aus dem vor 10 Jahren gebauten Boxenlaufstall noch Schulden von 130.000 €, die sich aber gemessen am Eigenkapital als niedrig erweisen. Zudem muss dafür durch die in Anspruch genommene staatliche Förderung nur ein Zinssatz von einem Prozent gezahlt werden. Dieser niedrige Zins und die niedrige Tilgungsrate von 3 Prozent drücken nicht. Vielmehr kann die Familie Köhler aus dem guten Gewinn nicht nur die laufenden Investitionen mit eigenem Geld bezahlen, sondern alljährlich auch einen stolzen Betrag für das Privatvermögen auf die Seite legen.
Aus guten Grundlagen noch mehr gemacht
Der Erfolg, mit denen sich der Betrieb Köhler aus der Masse heraushebt, hat mehrere Väter. „Der Köhler hat leicht reden“, sagen die Nachbarn, „der wurde doch von seinen Vorfahren in ein gemachtes Nest gesetzt“. Tatsächlich hat der jetzt 52-jährige Betriebsleiter von seinen Eltern einen nahezu schuldenfreien Hof mit guten Gebäuden und einem stattlichen Vieh- und Maschinenbestand übernommen. Der Start war deshalb leichter als auf vielen anderen Höfen. Gleichzeitig hat Köhler aber etwas daraus gemacht, was nicht alltäglich ist. Bei der Übernahme vor 18 Jahren, dem eine gemeinsame Bewirtschaftung mit den Eltern in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) vorausging, bewirtschaftete der Betrieb knapp 35 Hektar eigenes Land, die schon vom Vater mehrmals durch Zukäufe aufgestockt worden waren, und dazu 20 Hektar Pachtfläche. Über die Jahre wurden 10 Hektar zugekauft und die Pachtfläche auf 45 Hektar mehr als verdoppelt. Der Viehbestand hat sich von damals knapp 20 Kühen bis heute verdreifacht. Für rund 200.000 € wurde der Boxenlaufstall gebaut und laufend Milchquoten zugekauft. Der Maschinenbestand ist mit drei Traktoren, modernen Ackerbaugeräten, eigenem Mähdrescher und zweireihigem Maishäcksler überdurchschnittlich. Trotz dieser Investitionen, die im Schnitt der letzten fünf Abschlüsse eine Jahresrate von rund 25.000 € erreichten, konnte die Familie auch das in verschiedenen Anlageformen untergebrachte Privatvermögen mehren.
Im Wirtschaftsjahr 2007/08 hat der Betrieb Köhler rund 85.000 € investiert. Er liegt damit um rund ein Drittel unter der Vergleichsgruppe. Mit den über die Abschreibungen hinausgehenden Nettoinvestitionen von 14.300 € bleibt genügend Spielraum für künftiges Wachstum.
Die Kraft kommt aus der Familie
„Die Köhlers können halt auch alles mit eigenen Leuten machen“, lautet eine andere Feststellung der Nachbarn. Auch das ist richtig und eine wichtige Grundlage für den Erfolg. Köhlers Frau arbeitet voll im Betrieb mit. Sie steht im Melkstand und sitzt nicht nur in den Spitzenzeiten auf dem Traktor. Auch die beiden 68- und 72-jährigen Eltern sind noch fast vollwertige Arbeitskräfte. Die Mutter steht der Küche vor und versorgt den umfangreichen Hausgarten. Der Vater ist ständig mit auf dem Feld. In ihrer Freizeit arbeiten auch die beiden 16- und 14-jährigen Söhne mit, die beide aufs Gymnasium gehen. In der Ernte- oder Saatzeit sitzen sie oft bis spät in der Nacht auf dem Traktor, anstatt wie andere ihres Alters mit dem Moped spazieren zu fahren oder in die Disco zu gehen. Ein Schatten fällt auf das schöne Familienbild durch die 13-jährige behinderte Tochter. Um sie mehr als es zuhause möglich wäre zu fördern, gaben ihre Eltern dieses Sorgenkind in ein Internat. Die nicht unerheblichen Kosten dafür belasten das Familienbudget. Würde der Betrieb nicht so erfolgreich wirtschaften, könnte dieses Geld nur schwer aufgebracht werden.
Gute Leistungen sind die erste Grundlage.
Erfolg besteht aus dem Verhältnis von Leistung zu Aufwand. Die Leistungen des Betriebes Köhler sind die erste Grundlage für das gute Ergebnis. Vom Hektar Acker werden im fünfjährigen Durchschnitt 83 Dezitonnen (dt) Weizen, 75 dt Wintergerste und etwas mehr als 60 dt Braugerste geerntet. Im Spitzenjahr 2004 lag der durchschnittliche Weizenertrag bei knapp 100 dt. Der Zuckerrübenertrag liegt im mehrjährigen Durchschnitt zwischen 700 und 800 dt und ist damit ebenfalls hoch. Die Leistung im Stall misst Köhler nicht wie viele andere an den Ergebnissen der für die Zuchtarbeit wichtigen Milchleistungsprüfung. Für ihn ist die an die Molkerei verkaufte Milchmenge der wichtigere Maßstab. Sie beträgt im Schnitt der 60-köpfigen Fleckviehherde 6500 kg je Kuh. Am Fleckvieh hält Köhler nicht nur aus alter Verbundenheit zu dieser Rasse fest. Entscheidend sind für ihn die guten Preise für die zur Mast verkauften Fresser.
Auch am Markt erfolgreich
Schließlich kommt es darauf an, was für die Leistungen in € und Cent erlöst wird. Nicht nur im Stall und auf dem Acker hält sich Köhler an den biblischen Spruch: „Das Auge des Herrn mästet seine Vieh „. Genauso sorgfältig wie er seine Feldbestände und seine Tiere beobachtet und kontrolliert, sieht er auf die Märkte für den Verkauf seiner Produkte. Beim Verkauf von Milch und Zuckerrüben ist er durch die festgelegten Absatzwege und bestehende Verträge an die Molkerei und die Zuckerfabrik gebunden. Wesentlich mehr Spielraum bietet der Getreidemarkt. Dort kommt es auf den Verkaufszeitpunkt und den Abnehmer an. Köhler erhält sich diesen Spielraum durch die Möglichkeit, nahezu sein ganzes Getreide selbst lagern zu können. Dann bestimmt er und nicht der Abnehmer den Verkaufszeitpunkt. Das hat sich in den meisten Jahren ausgezahlt. Im guten Getreide-Wirtschaftsjahr 2007/08 hat Köhler für den Winterweizen 33 € je dt erlöst. Er liegt damit um 30 Prozent über der Vergleichsgruppe. Noch größer ist der Preisabstand mit 31 € gegenüber 21 € bei der Wintergerste. Auch der Milchpreis von etwas mehr als 47 Cent je kg ist überdurchschnittlich.
Köhler verhehlt nicht, dass auch die Eigenlagerung von Getreide nicht umsonst zu haben ist. Wer glaube, ein einfacher Schüttboden oder ein trockener Hallenboden reiche aus, könne durch Qualitätsverluste mehr verlieren, als er durch den besseren Verkaufszeitpunkt gewinne. Der Betrieb profitiert davon, dass schon in der vorausgegangenen Generation viel in das Getreidelager investiert wurde. Ausschlaggebend war die damals in großem Umfang betriebene, inzwischen aber stark zurückgegangene Saatgutvermehrung. Die zu dieser Zeit angeschafften Einrichtungen für Reinigung und Umlagern kommen dem Betrieb bis heute bei der Gesunderhaltung des Getreides zugute. Ob er diese Investitionen bei den hohen Kosten und zwischenzeitlich ständig gesunkenen Getreidepreisen auch heute noch tätigen würde, hält der Betriebsleiter inzwischen allerdings für fraglich.
Ein gleichwertiger Partner sein
Im Umgang mit Abnehmern und Lieferanten hat der Landwirtschaftsmeister seine eigene Philosophie. Er hält den von vielen Landwirten mit geradezu sportlichem Ehrgeiz betriebenen Wechsel der Partner und den Versuch sie ständig gegeneinander auszuspielen für vergebliche Liebesmüh. Das könne hin und wieder und kurzzeitig Vorteile bringen. Auf Dauer ziehe der Landwirt aber in aller Regel den Kürzeren. „Ich kenne keinen Verkäufer oder Einkäufer „, sagte er, „der darauf öfter als einmal hereinfällt. Wenn es ums Schachern geht, ist jeder gute Händler dem Bauern überlegen.“ Viel wichtiger sei es, was Information und Unabhängigkeit anlangt, ein gleichwertiger Partner zu sein. „Ich muss wissen, was auf dem Markt vorgeht, ich muss Preise und Konditionen kennen. Ich muss wissen was meine Ware von der der Qualität her wert ist und ich darf beim Einkauf, was das Zahlungsziel angeht, nicht auf einen Lieferantenkredit angewiesen sein. „Wenn die Liquidität keine sofortige Zahlung der Einkäufe zulässt, ist es immer noch besser bei der Bank ein Darlehen aufzunehmen, anstatt den Lieferantenkredit mit seinem in der Regel höheren Zins in Anspruch zu nehmen und sich so an einen Partner zu binden.“
Bankdarlehen sind oft besser als ein Lieferantenkredit.
Im Aufwand unterscheidet sich der Betrieb Köhler nicht wesentlich von anderen Ackerbau- und Milchviehbetrieben. Hohe Erträge erfordern einen entsprechenden Aufwand an Düngung, Pflanzenschutz und Kraftfutter. Allerdings wird sorgfältig darauf geachtet, dass durch eine gute Ackerkultur die erste Grundlage für hohe Erträge gelegt ist. Düngung und Pflanzenschutz müssten die gute Ackerkultur unterstützen, seien aber nicht dazu da, vorher gemachte Fehler zu reparieren. Mit den im mehrjährigen Durchschnitt aufgewendeten 160 € je Hektar Acker liegt der Betrieb beim Pflanzenschutz auf der Höhe vergleichbarer Höfe. Bei der Düngung trägt der mehrjährige Durchschnitt 150 €. Das sind etwa 10 Prozent mehr als bei der Vergleichsgruppe. Was Köhler heraushebt, ist der bei etwa gleichem Aufwand höhere Ertrag.
Im Stall hält Köhler den Aufwand für Zukäufe durch eine möglichst hohe Qualität des Grundfutters niedrig. Ganz wichtig ist für ihn diese Qualität durch eine zeitgerechte und schnelle Ernte von Grassilage und Silomais zu sichern. Das steigert die Milchleistung und senkt den Kraftfutteraufwand. Bei Letzterem ist Köhler aus Kostengründen vom Fertigfutter auf das Selbstmischen aus eigenem Getreide und zugekauften Komponenten wie Soja und Mineralstoff übergegangen.
Mit Eigenmechanisierung die Ertragsleistung sichern
Über dem Durchschnitt vergleichbarer Betriebe liegen die Maschinenkosten. Dem oft gehörten Vorwurf, die bäuerlichen Betriebe seien total übermechanisiert, begegnet Köhler mit der Aussage: „Nur mit der eigenen Maschine kann ich gute Erträge auf dem Acker und im Stall sichern.“ Es bringe nichts, mit möglichst niedrigen Maschineninvestitionen Kosten zu senken, dann aber durch eine unzureichende Bodenbearbeitung auf Höchsterträge und gute Qualität zu verzichten. Von der Auslagerung bestimmter Arbeiten an den Lohnunternehmer hält Köhler nichts. „Was habe ich davon, wenn ich durch den Lohnunternehmer den eigenen Mähdrescher und den eigenen Häcksler spare, dann aber Trocknungskosten für das Getreide und eine schlechte Qualität bei der Silage habe. Außerdem schone ich meine Nerven, wenn ich nicht auf den Lohnunternehmer warten muss.“
Mit dem eigenen Mähdrescher Trocknungskosten sparen und mit dem eigenen Häcksler die Silagequalität verbessern.
Nicht nur draußen, auch drinnen wird die moderne Technik genutzt. Köhler hat als einer der ersten in seiner Gegend einen Stallcomputer angeschafft, in dem alle Kühe mit ihren Deckzeiten, ihren Leistungen und ihren Besonderheiten gespeichert sind. Im Bürocomputer führt er die Schlagkartei mit allen Aufwendungen für Pflanzenschutz und Düngung Er ist längst mit dem Internet verbunden und informiert sich dort über die Märkte und den technischen Fortschritt. Es gibt so gut wie keinen Tag, an dem Köhler nicht am Computer im Stall oder im Büro sitzt. Er wendet auch viel Zeit auf, um mit seinem Wissen stets auf dem neuesten Stand zu sein. Er liest außer der Standardlektüre, dem regionalen Wochenblatt, zwei weitere Fachzeitschriften, geht im Winter zu einigen Fachvorträgen und beteiligt sich immer wieder an mehrtätigen Lehrfahrten.
Klar ist, dass die gute Mechanisierung nur deshalb richtig genutzt werden kann, weil dazu die eigenen Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Klar ist auch, dass bei der Ernte und vor allem beim Maishäckseln die ganze Familie Höchstleistungen und viele Überstunden erbringen muss. Um die Maschinenkosten in vertretbarem Rahmen zu halten, hält Köhler viel von Maschinenpflege und der eigenen Reparatur. Die eigene Werkstatt ist entsprechend gut ausgestattet. Der Winter wird intensiv dazu genutzt, die Maschinen und Geräte zu pflegen und in Stand zu setzen. „Wenn es draußen losgeht, dann muss alles tipptopp sein“, lautet die Devise.
In den Spitzenzeiten hat die Familie Köhler durchaus Arbeitstage mit 12 bis 15 Stunden. Das wird von allen klaglos akzeptiert. Köhler hält nichts vom Jammern vieler Berufskollegen über 70 Wochenstunden, während andere gerade mal 35 arbeiten.“ Wir sind selbstständig“, sagte er, „wir können uns nur mit dem selbstständigen Handwerker aber nicht mit dem Fabrikarbeiter vergleichen.“ Außerhalb dieser Spitzenzeiten achtet er auf pünktlichen Feierabend, aber auch auf strenge Arbeitsdisziplin. Schlendrian ist ihm verhasst. Auch im Winter sitzt die Familie nach der Stallarbeit bereits um 8:00 Uhr am Frühstückstisch. Bummelzeiten gibt es so gut wie keine.
Mehr sein als scheinen
Landwirtschaftliche Betriebe sind heute Unternehmen, in denen viel Geld bewegt wird. Große Beträge kommen herein und hohe Summen gehen wieder hinaus. Nicht immer stehen Ein- und Ausgang im richtigen Verhältnis. Während in größeren Wirtschaftsunternehmen ein Bilanzbuchhalter über die richtige Finanzierung wacht und darauf sieht, dass für die Ausgaben genügend Eigen- oder zinsgünstiges Fremdkapital zur Verfügung steht, muss der Landwirt oder seine Frau neben der vielen Arbeit im Stall und auf dem Feld selbst darüber wachen, dass auf dem laufenden Konto nicht zu viel Geld unnütz herumliegt oder dieses Konto durch hohe Ausgaben über längere Zeit im Minus steht und dafür hohe Zinsen bezahlt werden müssen.
Dem Betriebsleiter Köhler ist es ein wichtiges Anliegen, die Finanzierung im Griff zu haben. Kein Bankbeleg bleibt tagelang unbeachtet liegen. Für größere Investitionen, wie den Stallbau oder teuere Maschinenkäufe wurden besondere Konten eingerichtet. Größere Anschaffungen werden nicht aus dem laufenden Konto, sondern aus zinskräftigen Geldanlagen investiert. Auf der anderen Seite gehen größere Einnahmen, etwa aus den Zuckerrüben oder dem Getreide, auf solch ein mit höheren Habenzinsen ausgestattetes Sonderkonto. So werden Soll und Haben auf dem Girokonto immer möglichst klein gehalten. Aus dem angesammelten Privatvermögen wird in aller Regel nur für kurzzeitige Finanzierungslücken Geld für den Betrieb entnommen.
Die Familie Köhler lebt nach der Devise „ mehr sein, als scheinen „. Auch das ist eine Grundlage des Erfolges. Die Gebäude, Einrichtungen und Maschinen sind zweckmäßig, aber nicht protzig. Das Wohnhaus ist relativ einfach eingerichtet. Die Familie fährt keinen Mercedes, sondern einen einfachen Golf. Für Essen und Kleidung wird relativ wenig Geld ausgegeben. Selbstversorgung steht im Vordergrund. Darauf ist auch der große Hausgarten ausgerichtet. Außer einigen Ausflügen mit örtlichen Vereinen gibt es keine Urlaubsfahrten. Der Grund sind weniger die gesparten Urlaubskosten, sondern mehr die Sorge, den Betrieb und vor allem den Stall länger als zwei Tage anderen zu überlassen. Mit 52.500 € liegen die Privatentnahmen um ein rundes Drittel unter der Vergleichsgruppe. In diesem Betrag sind auch die Steuern und die Kosten für einige Versicherungen enthalten. Die Familie hält viel von Risikovorsorge. Deshalb wird für die gute Absicherung im Krankheitsfall und gegen Unfälle großzügig vorgesorgt. Damit und mit dem nachhaltigen Erfolg im Rücken kann die Familie Köhler beruhigt in die Zukunft schauen.
Ein Arbeitsengpass bedroht den Erfolg
Außerbetriebliche Beobachter sind von den guten wirtschaftlichen Erfolgen des Betriebes Köhler beeindruckt. Es komme selten vor, sagen sie, dass ein Bauernhof über mehrere Generationen hinweg so konsequent und zielgerichtet weitergeführt wird. Ob es allerdings so weitergehe, hänge von der künftigen Betriebsnachfolge ab. Die Experten weisen darauf hin, dass der Altersabstand zwischen dem Betriebsleiter und seinen Söhnen relativ hoch ist und deshalb beim altersbedingten Ausscheiden der Eltern ein Arbeitskräfteengpass entstehen könne. Dann sei die Weiterführung in der bisherigen Form mit ihrer hohen Eigenmechanisierung nicht mehr möglich. Der Arbeitsengpass werde noch verstärkt, wenn der Betrieb weiter in der Fläche und im Stall wachse. Die gute Kapitalausstattung lasse eine solche Vergrößerung ohne Probleme zu.
Für fraglich wird auch gehalten, ob die Nachfolgegeneration mit der durchaus etwas spartanischen Lebensführung einverstanden ist. Gerade in diesem Bereich drohe der Betrieb von der der allgemeinen Entwicklung der Lebenshaltung abgehängt zu werden. Um die Weiterführung zu sichern, müssten im privaten Bereich durchaus größere Investitionen eingeplant werden.
Auslaufender Erfolg
Erfolgreich auf schlechten Böden
Es ist für Bauern eigentlich keine gute Gegend. Ein nicht sehr weites Flusstal mit im Talgrund guten, aber wegen der Überschwemmungsgefahr nur als Grünland nutzbaren Böden. Auf der einen Seite des Tales reicht der Wald am steilen Hang fast bis zum Fluss. Auf der anderen Seite ist die Landschaft offener. Unterbrochen von Streuobstwiesen ziehen sich dort die Äcker den Hang hinauf. Die vielen Steine, die dort liegen, zeigen, dass die Ackerkrume flach und nicht einfach zu bearbeiten ist.