Lassiter Sammelband 1867 - Jack Slade - E-Book

Lassiter Sammelband 1867 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Seit über 30 Jahren reitet Lassiter schon als Agent der "Brigade Sieben" durch den amerikanischen Westen und mit über 2000 Folgen, mehr als 200 Taschenbüchern, zeitweilig drei Auflagen parallel und einer Gesamtauflage von über 200 Millionen Exemplaren gilt Lassiter damit heute nicht nur als DER erotische Western, sondern auch als eine der erfolgreichsten Western-Serien überhaupt.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 2482, 2483 und 2484.

Sitzen Sie auf und erleben Sie die ebenso spannenden wie erotischen Abenteuer um Lassiter, den härtesten Mann seiner Zeit!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 399

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Jack Slade
Lassiter Sammelband 1867

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2020 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2024 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Sanjulian/Ortega

ISBN: 978-3-7517-6525-1

https://www.bastei.de

https://www.sinclair.de

https://www.luebbe.de

https://www.lesejury.de

Lassiter Sammelband 1867

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Lassiter 2482

Zwei Halunken trumpfen auf

Lassiter 2483

Tausend Rinder für Topeka

Lassiter 2484

Die Ehre des Sheriffs

Guide

Start Reading

Contents

Zwei Halunken trumpfen auf

Dünne Rauchschwaden stiegen über den Überresten des Farmhauses auf. Ein Schleier aus Asche und Vergänglichkeit hatte sich über das Anwesen gesenkt. Das Dach war halb eingestürzt. Verkohlte Balken ragten aus der Ruine auf wie Wegweiser in die Hölle. Blutige Schleifspuren im Staub verrieten, dass das Feuer kein Zufall gewesen war. Nein. Jemand hatte nachgeholfen. Und das gründlich. Kein Laut war zu hören. Es war, als hielte die Natur angesichts der Zerstörung selbst den Atem an …

Lassiter hatte schon bessere Tage erlebt.

Der Sattel über seiner Schulter wurde von Meile zu Meile schwerer.

Seine Ausrüstung hielt er knapp, wenn er für einen Auftrag unterwegs war: Bettrolle, Wasserflasche und Munition. Viel mehr trug er nicht bei sich. Doch es schien unter der glühend heißen Sonne von New Mexico eine Zentnerlast zu sein.

Elendes Pech war es gewesen, das ihn seinen Appaloosa gekostet hatte. Während einer Rast war der Wallach von einer Schlange in die Nüstern gebissen worden. Das Reptil hatte sich ebenso schnell davon geschlängelt, wie es aufgetaucht war, deshalb hatte Lassiter es nur aus dem Augenwinkel gesehen.

Eine Diamant-Klapperschlange!

Sein Reittier war qualvoll verendet.

Auf halber Strecke zwischen Silver City und seinem Ziel, der Double-M-Ranch. Zurückzugehen kam nicht in Frage. Also stapfte der große Mann mit dem sandfarbenen Haar zu Fuß weiter, brachte Meile um Meile durch die einsame Strauchlandschaft hinter sich.

Lassiter erwartete nicht, auf eine Ortschaft zu stoßen. Vor seinem Aufbruch hatte er die Karte studiert und wusste, dass keine an seinem Weg lag. Eine abgelegene Farm, vielleicht, aber keine Siedlung.

Er schätzte, dass er noch zehn Meilen vor sich hatte.

Inzwischen konnte er es kaum erwarten, aus seinen Stiefeln zu kommen und sich den Staub aus der Kehle zu spülen …

Da bemerkte er die Rauchsäule.

Wachsam bewegte er sich vorwärts.

Vor ihm breitete sich eine Farm aus. Oder vielmehr das, was das Feuer davon übriggelassen hatte. Viel war es nicht. Die Überreste zeichneten sich schwarz vom Ruß vor dem Bergland ab, das von Gelbkiefern und immergrünen Eichen bestimmt wurde.

Von allein war das Feuer bestimmt nicht ausgebrochen!

Lassiter behielt den Sattel über seiner Schulter, während er seinen 38er Remington zog und sich prüfend umsah.

Kein Mensch zu sehen.

Hufabdrücke verrieten, dass vor kurzem eine Gruppe Reiter durchgekommen war. Sechs Pferde hatten sich eine Zeitlang hier aufgehalten. Das Gras richtete sich gerade erst wieder auf.

Lassiter blieb auf der Hut, als er sich vorwärtsbewegte.

Er stapfte um die Ruine des Farmhauses herum.

Der beißende Gestank von verkohltem Fleisch und Tod stieg ihm in die Nase.

Neben dem Ziehbrunnen lagen zwei Leichen. Ein Mann und eine Frau, der Statur nach, aber als solche kaum noch zu erkennen. Ihre Leiber waren von entsetzlichen Brandwunden entstellt. Die Kleidung war zu schwarzen Fetzen verkommen, die ihnen auf der Haut klebten. Ein zottiger brauner Hund lag nur einen Steinwurf entfernt im Gras. Jemand hatte ihm zwischen die Augen geschossen.

Lassiter knirschte mit den Zähnen.

Auf der Veranda lag ein weiterer Mann. Eine blutige Spur zog sich über die groben Bretter bis zu seinen Füßen. Anscheinend hatte sich der Siedler mit letzter Kraft hierhergeschleppt. Seine rechte Körperhälfte war verbrannt, schwarze Hautfetzen schälten sich von seinem Arm. Doch er lebte. Gerade noch. Jeder Atemzug wurde begleitet vom Röcheln und Pfeifen seiner Lunge. Er klang wie eine kaputte Kirchenorgel.

»Erlösen … Sie … mich«, keuchte er.

Lassiter schob seine Waffe ins Holster, legte den Sattel ab und beugte ein Knie.

»Was ist hier passiert?«

Der Siedler murmelte etwas, das nicht zu verstehen war.

Lassiter brachte sein Ohr näher an den Mund des Todgeweihten.

»Wer hat das getan, Sir?«

»… das waren … die Männer von … Mc… M… Mi…« Der Siedler bäumte sich auf. Ein Röcheln kam über seine Lippen. Dann sackte sein Kopf zur Seite.

Er war tot.

»Verdammt, ich bin nicht so weit gelaufen, um Ihnen beim Sterben zuzusehen.« Lassiter schloss die Augen des Toten und verharrte kurz. Der Siedler hatte seinen Satz nicht zu Ende bringen können, aber der Agent konnte sich denken, von wem er gesprochen hatte: James McMillan! Der Rancher stand seit längerem im Verdacht, Siedler umzubringen, um sich ihr Land anzueignen. Allerdings existierten noch keine Beweise für sein Treiben. Zeugen, die gegen ihn aussagen wollten, lebten nicht mehr lange. Der Rancher hatte eine Horde Revolverschwinger um sich geschart, die er fürstlich bezahlte. Sie führten jegliche Art von Aufträgen für ihn aus, ohne Fragen zu stellen.

Genau das sollte Lassiter ändern.

Er war im Auftrag der Brigade Sieben unterwegs, einer streng geheimen Organisation mit Sitz in Washington. Lassiter wurde losgeschickt, wenn die örtlichen Sternträger nicht weiterkamen. Diesmal lautete sein Auftrag, Beweise zu finden, die James McMillan mit den Morden in Verbindung brachten. Dann konnte er vor ein ordentliches Gericht gestellt werden.

Lassiter blickte sich grimmig um.

Eine Farm niederzubrennen und die Bewohner zu ermorden, entsprach exakt der Handschrift des Ranchers. Höchstwahrscheinlich sollten auf dem Land der Siedler schon bald Rinder mit dem Brandzeichen der Double-M-Ranch grasen!

Aber vielleicht ließ sich das noch verhindern?

Über einem Seil, das zwischen Scheune und Stall aufgespannt war, waren Betttücher zum Trocknen aufgehängt. Sie wiesen geschwärzte Einschusslöcher auf, würden jedoch ihren Zweck erfüllen. Lassiter nahm sie ab und deckte die Toten damit zu. Er musste weiter, aber er würde den Marshal so schnell wie möglich herschicken. Der Sternträger sollte sich das ansehen und den Kerlen folgen, die das getan hatten.

Ob sich im Stall ein Pferd fand?

Lassiter stapfte hinüber und zog das Tor auf.

Es bewegte sich knirschend zur Seite.

Von drinnen wehte ihm ein widerlich süßlicher Geruch entgegen.

Drei Pferde lagen im Stroh.

Allen drei Tieren hatte jemand ins rechte Auge geschossen.

Was für Unmenschen brachten unschuldige Tiere um?

Lassiter schüttelte kaum merklich den Kopf.

Auf der Farm konnte er nichts mehr ausrichten, deshalb nahm seinen Sattel wieder auf und stapfte los.

Weiter in Richtung Westen. Weiter zur Double-M-Ranch.

Die Sonne ging allmählich unter. Die Schatten der wenigen Bäume hier im Buschland wurden länger. Und die Temperaturen kühlten spürbar ab. Der Wind strich wie unsichtbare kalte Finger über Gesicht und Nacken des einsamen Reiters.

Die ersten Weiden dehnten sich vor ihm. Longhorns grasten hier, so weit das Auge reichte.

Am Firmament zeigte sich bereits die silbrige Mondsichel, als Lassiter das Tor der Double-M-Ranch passierte.

Im Corral waren mehr als drei Dutzend Pferde untergebracht. Davor stand ein rund zwanzig Yards hoher Windmühlenbrunnen, mit dem Grundwasser für die Versorgung der Ranch gefördert wurde. Sein Rad drehte sich quietschend. Neben mehreren Wirtschaftsgebäuden gab es noch weitere Corrals. In einem weideten Zuchtbullen, in einem anderen standen Zuchthengste.

Auf einer Anhöhe erhob sich das imposante Ranch-Haus. Es war ein Prachtbau: drei Stockwerke, hohe Fenster und eine Freitreppe, die zum Eingang führte.

Lassiter blickte sich suchend um.

Am Rand eines weiteren Corrals stand ein Mann von ungefähr fünfzig Jahren. Gekleidet in feinsten Zwirn. Sein Anzug wirkte, als wäre er geradewegs aus Frankreich geschickt worden. Ein grauer Kinnbart kaschierte seine strengen Gesichtszüge kaum. Er hielt einen Spazierstock mit silbernem Knauf in der Hand, wohl eher als schmückendes Beiwerk, denn um sich darauf zu stützen.

»An diesen Taugenichts habe ich mein Geld verschwendet.« Er starrte auf einen Cowboy, der vor ihm im Staub lag. Sein Gesicht und Oberkörper waren von Blutergüssen und Schwellungen gezeichnet. Er regte sich nicht einmal, als zwei andere Männer ihn aufhoben und wegtrugen.

In der Mitte der Umzäunung trabte eine schneeweiße Stute. Temperamentvoll warf sie den Kopf zurück, wieherte und schien durchaus zufrieden mit sich zu sein. Der leere Sattel auf ihrem Rücken verriet, dass sie ihren Reiter abgeworfen hatte.

Lassiter legte seinen Sattel ab und wandte sich an den Anzugträger.

»Mister McMillan?«

»Wer will das wissen?« Augen kalt wie Virginia-Stahl hefteten sich auf ihn.

»Mein Name ist Lassiter, und ich suche einen Job.« Das war seine Tarnung. Als Rancharbeiter würde er einer unter vielen sein und unbemerkt nachforschen können.

»Einen Job willst du? Was kannst du denn?«

»Ich bin ein Cowboy.«

»Ohne Pferd?« Der Rancher warf einen bezeichnenden Blick auf seinen Sattel. »Ist es dir weggelaufen? Oder hast du es beim Spiel verloren?«

»Ich spiele nicht. Es wurde von einer Schlange gebissen und ist verendet.«

»Gute Antwort. Ich kann Glücksspieler nicht ausstehen. Was ein Mann braucht, soll er sich erarbeiten.«

»Genau das habe ich auch vor.«

»Du behauptest also, du hast etwas drauf?«

»In der Tat. Das habe ich.«

»Dann lass mal sehen. Zeig mir, was du kannst, und reite die Stute zu.«

»Diese hier, Sir?« Lassiter gab sich mit Absicht ein wenig einfältig, um keinen Verdacht zu erregen.

»Siehst du hier etwa noch eine andere?«

»Nein, Sir.« Lassiter beobachtete die Stute eine Weile. Es war ein wildes Tier, das nicht leicht zu zähmen sein würde. Das war jedoch auch nicht nötig. Seiner Erfahrung nach lag das ganze Geheimnis darin, einem Tier nicht seinen Willen aufzuzwingen, sondern sein Vertrauen zu erringen.

Er streckte seinen Arm aus und ging langsam auf die Stute zu. Sie tänzelte zurück, wieherte, rollte mit den Augen.

»Schon gut, meine Schöne«, sagte er beruhigend. »Schon gut. Lass mich nur Hallo sagen. Lernen wir uns kennen. Was meinst du?« Er ließ sie an seiner Hand schnuppern, seinen Geruch aufnehmen. Ruhig stand er da, während sie ihn argwöhnisch beäugte. Nach und nach wurde sie ruhiger und stieß ihn schließlich sogar vor die Brust, als wollte sie ihn begrüßen.

Jetzt, jetzt war der Augenblick gekommen, um einen Schritt weiterzugehen!

Lassiter griff nach dem Zügel und schwang sich auf den Rücken der Stute.

Sofort stieg sie auf die Hinterhand, tänzelte und wollte ihn abwerfen, aber Lassiter presste ihr die Oberschenkel in die Flanken. Er brauchte all seine Kraft und Geschicklichkeit, um nicht auf der Stelle aus dem Sattel geschleudert zu werden.

Da stürmte sie los!

In halsbrecherischem Tempo preschte die Stute über den Reitplatz. Sie buckelte, schlug Haken und wurde schneller und schneller. Der Wind fauchte ihm um die Ohren, aber Lassiter ließ sie gewähren. Er klammerte sich auf ihrem Rücken fest. Nur darauf bedacht, nicht abgeworfen zu werden.

Nach einer Weile erlahmten ihre Kräfte, sie wurde langsamer, folgte dem Druck seiner Schenkel und blieb schließlich vor dem Rancher stehen. Ein Zittern lief durch ihren anmutigen Körper.

»Nicht übel«, lobte der Rancher. »Gar nicht übel. Du weißt, wie man ein Weib im Zaum hält. Einen wie dich kann ich brauchen. Was sagst du zu zehn Dollar die Woche und freies Quartier?«

»Zwanzig Dollar klingen besser, Sir.«

»Zwanzig?« Der Rancher starrte ihn angesichts dieser Forderung verblüfft an. Dann lachte er bellend. »Du kennst deinen Wert. Das gefällt mir. Also gut, zwanzig Dollar. Deine Sachen kannst du im Bunkhouse verstauen.«

»Das werde ich machen.«

»Gut.« Der Rancher furchte die Stirn, als eine junge Frau über den Hof kam. Sie konnte nicht älter als zwanzig sein und hatte eine cremeweiße Haut, die keine Spuren der brütend heißen Sonne über New Mexico trug. Ihr gelbes Kleid betonte ihre schmale Taille, und ihre rotblonden Haare waren kunstvoll aufgesteckt. Eine Schönheit. Sie sah Lassiter an und leckte sich über die roten Lippen.

Grüßend zog er seinen Hut vom Kopf.

Sie neigte zur Erwiderung das Kinn, ehe sie sich an den Rancher wandte.

»Ma schickt mich. Du hast Besuch, Vater. Mister Teabody.«

Ein Muskel zuckte im Gesicht des Ranchers. »Ich komme gleich, Janet. Lassiter?« Der Rancher deutete vage zu den Wirtschaftsgebäuden. »Such Buck und lass dir von ihm alles zeigen.« Damit wandte er sich ab und strebte zum Haus.

Seine Tochter warf Lassiter ein kleines Lächeln zu, aber er hütete sich, es zu erwidern. Ganz offensichtlich war sie die Tochter vom Boss. Da hieß es: Finger weg. Er hatte keine Lust, sich Ärger einzuhandeln, ehe er seinen Auftrag erfüllt hatte. Der Job ging bei ihm vor. So bedauerlich das auch manchmal war.

Janet stülpte die Lippen vor. Dann warf sie den Kopf zurück und folgte ihrem Vater.

Lassiter enttäuschte sie nicht gern, aber ein übereilter Flirt konnte seinen Auftrag gefährden. Das wollte er nicht riskieren.

Was mochte es mit diesem Besucher auf sich haben? Der Rancher war kurz zusammengezuckt, als seine Tochter den Namen Teabody erwähnt hatte. Offenbar war der Gast kein Unbekannter für ihn. Ein Handlanger womöglich?

Entschlossen schnappte sich Lassiter den Sattel, kehrte den Wirtschaftsgebäuden den Rücken zu und näherte sich dem Wohnhaus. Die Fenster in der unteren Etage standen offen. Aus dem Inneren waren Stimmen zu vernehmen. Eine gehörte dem Rancher. Bruchstücke der Unterhaltung drangen ins Freie.

»… der Transport darf nicht auffallen … am besten … Route über … Nimm genügend Männer mit, verstanden? Herrgott, es ist mir egal, wenn die Mannschaft …«

Plötzlich knirschten Schritte hinter Lassiter!

Er fuhr herum.

Eine Frau mit leicht getönter Haut und schwarzen Haaren, die zu einem Zopf gefunden waren, kam heran. Sie trug einen Weidenkorb mit frischen Äpfeln in der Hand. Mit ihren fein geschnittenen Zügen und der üppigen Figur war sie eine Augenweide. Sein Körper reagierte sofort auf sie.

Sie blieb vor ihm stehen und musterte ihn.

»Wer bist du?«

»Der Neue. Mein Name ist Lassiter.«

»Ich heiße Rosita. Hast du dich verlaufen, Lassiter?«

»Nicht direkt. Ich soll mich im Bunkhouse melden.«

»Das hier ist es nicht.« Sie zog tadelnd eine Augenbraue hoch. Dabei war sie bildschön. Sie duftete nach Äpfeln und wildem Honig. Ihre zarte Haut schien ihn zum Streicheln einzuladen. Und unter ihren Röcken war ein sanfter Hüftschwung zu erahnen. »Das Schlafhaus für die Männer ist dort drüben.« Sie zeigte darauf. »Du bist neu, deshalb weißt du es vielleicht nicht, aber der Boss kann Schnüffler nicht leiden. Und glaub mir: Man sollte ihn besser nicht verärgern.«

»Musstest du das schon am eigenen Leib erfahren?«

»Dann wäre ich nicht mehr hier.« Mit einem Mal schien ein Schatten auf Rositas hübsches Gesicht zu fallen. Sie blickte ihm geradewegs in die Augen und fügte hinzu: »Niemand, den sein Ärger trifft, lebt lange genug, um davon zu erzählen.«

»Verflixte Pechsträhne! Von diesem Fraß werden ja nicht mal meine Flöhe satt!« Caleb West kratzte sich ausgiebig am Bauch. Stirnrunzelnd starrte er den mageren Kaninchenlauf in seiner Hand an. Über dem Feuer gebraten war davon kaum mehr übrig als ein, zwei Happen und der Knochen.

Das Lagerfeuer knisterte. Hin und wieder stob ein Funken auf und verglühte in der Dunkelheit.

An diesem Abend hatten sie nichts als ein mageres Kaninchen gefangen.

»Zum Essen zu wenig, zum Sterben zu viel«, murrte Caleb.

»Dann nimm das dazu.« Vincent hielt ihm ein Stück Trockenfleisch aus seinem Beutel hin. Es stammte von einem Büffel und war mittlerweile zäher als seine Schuhsohle, füllte aber immerhin ein Loch in seinem Bauch.

»Danke«, nuschelte Caleb kauend.

»Spar dir das Fleisch lieber, Vince«, mahnte der dritte in ihrem Bunde. »An Cal ist es verschwendet. Genauso gut könntest du es den Wildschweinen hinstreuen. Sein Magen ist ein Fass ohne Boden. Das weißt du genauso gut wie ich.«

»Kann nicht jeder ein Dürrländer sein wie du, Ethan«, grummelte Caleb und biss ein weiteres Stück Fleisch ab.

Sein Gegenüber verdrehte die Augen.

Die drei Männer saßen um das Lagerfeuer herum. Sie hatten es in einem Kreis aus faustgroßen Steinen entzündet, hielten es jedoch klein, um etwaige Verfolger nicht auf ihre Spur zu bringen. Ihre Pferde waren in der Nähe angebunden und taten sich an spärlichem Gras und struppigem Strauchwerk gütlich.

Seit dem Bürgerkrieg schlugen sich Caleb West, Vincent Thompson und Ethan Norfield mit kleineren Überfällen und Gaunereien durch. Sie lagerten meistens abseits von menschlichen Siedlungen und blieben nie lange genug an einem Ort, um aufzufallen. Ihre Steckbriefe waren über die Territorien verstreut wie Büffelfladen.

An diesem Tag hatten sie den Weg einer Kutsche gekreuzt. Das Gefährt war ohne Begleitschutz unterwegs gewesen. Eine seltene Gelegenheit. Und leider auch eine Enttäuschung, denn ihre einzige Ausbeute bestand aus dem Lederwams des Kutschers, das Vincent für sich beansprucht hatte. Die Geldbeutel der beiden einzigen Fahrgäste waren so leer wie Calebs Magen gewesen. Einer alten Lady hatte Ethan versehentlich das Augenglas heruntergerissen und zertrampelt, deshalb hatte Cal ihr seines geschenkt. Er sah damit ohnehin alles verschwommen.

Nun stieß er seinen Bowler-Hut in den Nacken und grollte: »Wir müssen dringend etwas unternehmen. Unser Geld reicht nicht mal mehr für eine warme Mahlzeit.«

»Wir finden schon etwas.« Ethan zuckte gleichmütig mit den Schultern. Dann setzte er die Whiskeyflasche an seine Lippen und trank, ohne abzusetzen, in langen, gierigen Schlucken.

»Genug«, mahnte Vincent nach einer Weile. »Lass uns noch etwas von dem Zeug übrig.«

Ethan ließ die Flasche sinken. »Du hast mir nichts zu befehlen, Vince, du bist kein Marshal mehr.«

»Und das ist ein Glück für dich.« Vince grinste. »Sonst würdest du nämlich in meinem Jail einsitzen, bis dir Spinnweben zwischen den Zehen wachsen.«

»Von wegen. Ich würde schneller ausbrechen, als du bis drei zählen kannst. Falls du das überhaupt hinbekommst, ohne die Finger zu nehmen.« Ethan erwiderte sein Grinsen. Sein dunkler Anzug war von Staub bedeckt, wirkte aber trotzdem teuer. Er legte viel Wert auf sein Äußeres, was seine Begleiter manchmal belustigt, manchmal genervt zur Kenntnis nahmen.

Vincent sah man den ehemaligen Marshal zehn Meilen gegen den Wind an. Obwohl er sich inzwischen auf der anderen Seite des Gesetzes bewegte, verriet sein energischer Blick, dass er sich durchsetzen konnte und zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden wusste. Vor dem Krieg hatte er eine Familie gehabt, aber über die sprach er niemals. Nur manchmal, da weckte er Cal mit seinen Schreien in der Nacht. Welche Albträume ihn regelmäßig heimsuchten, konnten sie nur ahnen.

Cal hatte sich seit seiner Kindheit allein durchgeschlagen. Zuerst auf den Straßen von New York. Dann im Westen. Später war er zur Army gegangen. Dort hatte er die beste Zeit seines Lebens verbracht: Er brauchte sich keine Sorgen um die Verpflegung zu machen, hatte Kameraden neben sich und genug Munition, um sich seiner Haut zu erwehren. Nein, das war kein übles Leben gewesen.

Was Ethan früher gemacht hatte, wusste niemand so genau. Cal vermutete, dass er aus einer vermögenden Familie stammte, aber er sprach nie über die Vergangenheit.

Während des Krieges waren sie Kameraden geworden.

Das Ende des Krieges hatte vieles verändert. Es fiel ihnen schwer, anständige Jobs zu finden. Meist handelten sie sich irgendeinen Ärger ein, auch wenn sie das gar nicht wollten.

So hatten sie sich aufs Stehlen verlegt.

Mit eher mäßigem Erfolg.

Trübe nahm Caleb einen Schluck Whiskey.

Ethan zog ein braunes Fläschchen aus seiner Satteltasche und nahm einen Schluck. Ein eigentümlicher Geruch wehte herüber. Kurz vor dem Ende des Krieges hatte ihn eine Kugel am Rücken erwischt. Seitdem kam er kaum einen Tag ohne Laudanum über die Runden. Der eingedickte Milchsaft unreifer Schlafmohnfrüchte betäubte seine Schmerzen. Trotzdem fluchte er oft genug über die endlosen Stunden im Sattel, in denen ihm alles wehtat. Nachts stapfte er umher, getrieben von der Qual in seinem Kreuz.

Während Vince mit einem Zweig in seinen Zähnen herumpulte, nagte Caleb den Kaninchenlauf bis auf den Knochen ab. Dabei entfuhr ihm gut hörbar ein Wind.

»Verdammt noch mal«, grollte Ethan und verzog angewidert das Gesicht. »Halt an dich! Deine Flatulenzen kannst du im Wald fahren lassen, aber doch nicht beim Essen.«

»Ich dachte, du wärst fertig. Außerdem wusste ich nicht, dass ich mit dem Prince of Wales diniere.«

»Du hast einfach keine Manieren.«

»Ein saftiges Steak wäre mir ohnehin lieber.«

Ethan schnaubte. »Du bist unverbesserlich.«

»Das will ich hoffen!« Cal warf den Knochen hinter sich, stand auf und schabte sich die Kehrseite. »Entschuldigt mich. Ich muss ein paar Pilze wässern.« Damit wandte er sich vom Feuer ab und stapfte los.

Rasch brachte er einige Yards zwischen das Lager und sich und erleichterte sich neben einer windschiefen Gelbkiefer. Während er es plätschern ließ, bemerkte er aus dem Augenwinkel einen Lichtschimmer.

Weit genug entfernt, um ihm beinahe zu entgehen.

Aber eben nur beinahe.

Licht konnte nur eines bedeuten: Menschen!

Wer trieb sich denn da drüben herum? Womöglich ein Trupp, der sich wegen ihres Überfalls an ihre Fersen geheftet hatte?

Dieser Sache musste er nachgehen. Auf keinen Fall sollten irgendwelche Verfolger ausgerechnet dann aufkreuzen, wenn sie sich gerade aufs Ohr gelegt hatten. Zwar würden sie wie üblich Wachen einteilen, aber Caleb machte sich nichts vor: Wenn er mit dem Wachdienst dran war, schlief er meistens noch vor den anderen ein.

Also sah er lieber gleich nach dem Rechten.

Leise bewegte er sich durch den Wald. Das hatte er während seiner Zeit bei der Army gelernt. Hin und wieder stieß er sich den Schädel an einem tiefhängenden Ast und verbiss einen Fluch, aber ein Geräusch verursachte er nicht.

Zweige zerrten an seinem Hemd. Unbeirrt schlich er weiter, bis er nahe genug an das Licht heran war. Er ließ sich auf den Bauch nieder und robbte die letzten Yards durch das Unterholz.

Vor ihm flackerte der Feuerschein eines Lagers durch die Bäume.

Wer auch immer sich hier aufhielt, schien sich nicht darum zu scheren, ob er gehört wurde oder nicht. Rufe, Ächzen und derbe Flüche waren zu vernehmen. Der beißende Geruch menschlicher Exkremente wehte herüber.

Caleb zog sein Halstuch vor Mund und Nase.

Vor ihm zeichneten sich die Umrisse einer Kutsche zwischen den Bäumen ab. Ein unauffälliges Gefährt war es, eines, wie es Farmer für den Transport ihrer Waren benutzten. Auf der Ladefläche ragte allerlei an Werkzeug empor. Dazu eine Truhe mit silbrigen Beschlägen. In das Holz war ein doppeltes M eingebrannt. Mit den Beschlägen wirkte das Behältnis viel zu kostbar für einen so schlichten Wagen.

Caleb zählte sechs Männer, die im Lager hin und her huschten wie aufgescheuchte Hühner. Es dauerte eine Weile, bis ihm dämmerte, dass sie wiederholt im Wald verschwanden. Dann drangen Geräusche herüber, die an ein Rudel grunzender Wildschweine denken ließen. Wenig später wankten sie zurück zum Lager und sanken neben dem Feuer nieder – nur um kurz darauf wieder loszuwetzen und das ganze Spiel von vorn zu beginnen.

Was zum Kuckuck hatte das denn zu bedeuten?

Cal schaute dem Treiben eine Weile zu.

Bis es ihm dämmerte.

Die Männer waren bis an die Zähne bewaffnet. Sie sollten vermutlich den Wagen samt Inhalt bewachen. Was auch immer in dieser Truhe war, musste von einigem Wert sein. Allerdings waren die Wachleute gerade anderweitig beschäftigt.

Wenn ihn nicht alles täuschte, litten sie an der Ruhr!

Arme Teufel, schoss es ihm durch den Kopf. Er hatte das selbst schon durchgemacht. Damals hatte er vermutlich dreißig Mal am Tag Stuhlgang gehabt. Die Ruhr hatte sich wie ein Lauffeuer in seiner Kompanie verbreitet, alle Männer erwischt und die Kräfte buchstäblich aus ihnen herausfließen lassen.

Cal hatte genug gesehen.

Diese Truhe mit dem doppelten M musste etwas Wertvolles enthalten, sonst wären kaum so viele Wachmänner mitgeschickt worden. Die waren jedoch sichtlich geschwächt. Es sollte leicht genug sein, sich der Fracht zu bemächtigen und damit aus dem Staub zu machen.

In Cals Schädel formte sich ein Plan.

Lautlos zog er sich vom Lager zurück und kehrte zu seinen eigenen Leuten zurück.

»Halleluja, Kameraden«, verkündete er mit breitem Grinsen. »Macht euch bereit. Heute Nacht lacht uns die launische Lady Fortuna zu.«

»Was soll denn das heißen?«, hakte Vince nach.

»Dass ich eine formidable Entdeckung gemacht habe.«

»Bist du etwa betrunken?«

»Nicht so betrunken, um einen Glücksfall nicht zu schätzen zu wissen, wenn ich einem begegne.«

»Bist du etwa auf eine Rotte Wildschweine gestoßen?«

»Besser, Männer. Viel besser.«

»Was könnte besser als ein saftiges Wildschweinsteak zum Abendessen sein?«

»Eine Truhe mit einem überaus wertvollen Inhalt.«

»Hier in der Einöde? Jetzt ist er endgültig übergeschnappt«, kommentierte Ethan trocken.

»Keineswegs. Ich habe wirklich etwas entdeckt. Hört zu.« Cal holte tief Luft, um seine beiden Begleiter ins Bild zu setzen.

Anfangs beäugten sie ihn ausgesprochen skeptisch, aber je länger er sprach, umso mehr hellten sich ihre Mienen auf. Und bald stand fest: Diese Truhe würden sie sich holen. Mit einem Quäntchen Glück waren sie bald gemachte Männer!

»Das ist ja schon beinahe zu leicht!«, raunte Vincent. Er schob sich auf dem Bauch liegend neben Cal vor und spähte zwischen den Bäumen hindurch zum Lager. »Die Wachleute sind völlig weggetreten. Denen könnten wir die Stiefel klauen, und sie würden es vermutlich nicht mal bemerken.«

Cal schaute auf das Schuhwerk eines der Revolverschwinger und verzog angesichts der dunkelbraunen Spritzer auf dem Leder angewidert das Gesicht. »Muss nicht sein«, murmelte er.

Vom Lager wehten Geräusche herüber, die an einen vollbeschäftigten Holzfällertrupp erinnerten. Die Mannschaft lag in tiefem Schlaf. Lediglich ein hagerer Kerl im Lederanzug saß mit rundem Rücken neben dem Feuer und stützte sich auf den Lauf seiner Schrotflinte. Sein Kopf sank immer tiefer auf seine Brust. Nicht mehr lange, dann würde er ebenfalls einnicken.

»Der Kerl ist so dünn«, raunte Cal. »Seht ihn euch an: Wenn der noch mehr rausscheißt, verschwindet er ganz!«

»Sind das alle Männer, die den Transport begleiten?«, fragte Ethan mit gesenkter Stimme.

»Sechs habe ich vorhin gezählt.« Cal ging den Trupp durch. Fünf Männer schnarchten lautstark. Dazu kam der Wachmann, der auch bald wegtreten würde. »Das müssten alle sein.«

»Bist du sicher, dass nicht noch einer hinter einem Baum kauert und … du weißt schon was erledigt?«

»Sicher bin ich nicht. Diese Typen sind vorhin wie aufgeregte Hummeln hin und her geschwirrt. Keine Chance, sie durchzuzählen?«

»Anfänger«, grollte Ethan. »Auf so was achtet man zuerst!«

»Immerhin habe ich das Lager entdeckt. Das ist mehr, als du zustande gebracht hast.«

»Ihr klingt schon wie ein altes Ehepaar«, grollte Vincent. »Lasst uns einfach kurz warten. Dann merken wir schon, ob noch ein Ausreißer zurückkommt.«

Und so warteten sie.

Minuten verstrichen. Irgendwo im Unterholz raschelte es einmal, aber kein Mensch ließ sich blicken.

Vermutlich nur ein Hirsch, beruhigte sich Cal selber.

»Hier kommt keiner mehr«, zischte Ethan. »Also lasst uns die Sache hinter uns bringen und verschwinden.«

»Einverstanden«, stimmte Cal zu.

»Meinetwegen.« Vincent schaute prüfend zu den Schlafenden hinüber. »Hört zu: Ich werde den Kerl ausschalten, der Wache hält. Ihr ladet derweil den Inhalt der Truhe in unsere Satteltaschen um. Und macht um Himmels willen leise. Ich habe keine Lust auf eine Schießerei.«

»Oder auf die Scheißerei«, ergänzte Cal trocken.

Vince furchte die Stirn. »Werdet bloß nicht übermütig.«

»Keine Sorge. Was soll schon passieren? Das wird ein Kinderspiel. Diese Kerle erwischen wir buchstäblich mit runtergelassenen Hosen. Sollte doch einer aufwachen, lernt er meine Lady kennen.« Cal tätschelte den Griff seines Revolvers.

»Macht bloß keinen Lärm, sonst haben wir im Nu den ganzen Trupp am Hals. Das muss nun wirklich nicht sein.« Vince straffte sich. »Gebt mir einen kurzen Vorsprung, danach macht ihr euch an die Arbeit. Ich stoße zu euch, sobald ich meinen Teil erfüllt habe.« Er nickte ihnen zu, dann robbte er auf das Lager zu.

Lautlos bewegte er sich vorwärts.

Cal tauschte einen Blick mit Ethan.

Sie nickten sich knapp zu, dann setzten sie sich in Bewegung. Einmal knackte ein Zweig unter Cals Stiefel, ansonsten verursachten sie keinerlei Geräusche.

Die Truhe mit den silbernen Beschlägen stand einige Yards von dem Wächter entfernt. Vincent erreichte ihn unbemerkt. Er richtete sich hinter ihm auf, holte aus und schmetterte ihm die rechte Faust gegen die Schläfe. Es gab einen dumpfen Schlag. Dann sackte der Getroffene von dem umgestürzten Baumstamm und blieb reglos liegen. Der Schein des Lagerfeuers warf flackernde Lichter auf sein Gesicht.

»Jetzt«, zischte Ethan. Er fuhr in die Höhe, lüftete den Deckel der Truhe und zog zischend den Atem ein.

Cal wollte ihren Fund gerade genauer betrachten, als er aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Da stürmte tatsächlich noch ein schwarzbärtiger Hombre aus dem Wald! Er stolperte, weil ihm die Hose auf Halbmast hing.

»Verdammt noch mal! Wo kommt dieser Typ denn auf einmal her?« Cal zog seine Schleuder aus dem Gürtel, fischte einen Stein aus seinem Lederbeutel und spannte.

Zielen und Schießen waren bei ihm eins.

Der Stein zackte dem Unbekannten gegen die Schläfe und riss ihn von den Beinen.

»Nicht übel, der schläft erst mal eine Weile«, lobte Ethan.

»Gelernt ist eben gelernt.« Cal schob die Schleuder zurück, beugte sich vor und spähte in die Truhe. »Donnerwetter! Das ist mal ein Fund, was?«

Tatsächlich stapelten sich im Inneren der Truhe dicke Bündel mit Dollarscheinen!

»Packen wir das Zeug in unsere Satteltaschen und dann nichts wie weg hier!« Ethan schnappte sich das erste Bündel.

Vince gesellte sich zu ihnen und machte sich ans Umladen.

Cal tat es ihnen gleich. Ganz unten in der Truhe stieß er auf einen Stapel Dokumente. Nachdenklich beäugte er die Papiere, die mit Siegeln und Unterschriften versehen waren.

»Geld ist das jedenfalls keins«, murmelte er.

»Pack es ein. Verbrennen können wir das Zeug später immer noch, wenn es nichts taugt, aber ich wette, die Papiere sind wichtig. Warum würden sie sonst so gut bewacht transportiert?«

»Gut bewacht stelle ich mir aber anders vor.«

»Du weißt, was ich meine.«

»Sicher. Na schön.« Cal rollte die Unterlagen zusammen und packte sie zusammen mit dem restlichen Geld ein. Kurz flackerte die Frage durch seinen Kopf, wem die Dollars wohl gehören mochten, aber lange grübelte er nicht darüber nach. Jetzt hatten sie das Geld, und das allein zählte.

So leise, wie sie sich in das Lager geschlichen hatten, verließen sie es auch wieder. Niemand bemerkte sie.

Sie luden ihren Pferden die Satteltaschen auf, schwangen sich auf ihre Reittiere und ritten los. Langsam zunächst, um keinen Lärm zu verursachen. Erst, als sie eine halbe Meile entfernt vom Lager waren und sicher sein konnten, nicht mehr gehört zu werden, drückten sie ihren Pferden die Fersen in die Flanken und preschten durch die Nacht davon.

Sie ritten in Richtung Süden, in der Hoffnung, etwaige Verfolger im staubigen Strauchland abzuschütteln.

Der Mond erhellte die Nacht genug, um die Umgebung erkennen zu lassen. Noch wagten sie nicht, zu jubeln, aber ihre Herzen schlugen schon jetzt höher. Sie waren reich. Stinkreich, den dicken Bündeln nach zu urteilen.

Cal kam aus dem Grinsen nicht mehr heraus.

Stunde um Stunde ritten sie, bis die ersten Sonnenstrahlen den Himmel im Osten blutrot färbten.

Von Verfolgern keine Spur.

Sie erreichten einen Fluss, dem sie eine Zeitlang folgten.

Schließlich suchten sie sich einen Platz zum Lagern. Sie blieben in Ufernähe, wo sie ihre Pferde tränken konnten, während sie sich ausruhten. Die Satteltaschen luden sie ab und stapelten ihre Beute vor sich auf.

Eine Zeit lang brachte keiner von ihnen ein Wort hervor.

Die schiere Menge an Dollarscheinen ließ ihnen die Augen übergehen.

»Das müssen dreißigtausend Bucks sein«, murmelte Cal.

»Mindestens«, ergänzte Ethan.

»Also zehntausend für jeden für uns?«

»Genau. Und dazu haben wir noch diese Papiere.« Vincent beugte sich vor und studierte die Unterlagen.

»Was steht da?«, fragte Cal.

»Viel erkennen kann ich nicht. Dazu ist es zu dunkel. Aber das scheinen Urkunden zu sein. Manche bezeugen einen Landkauf, andere den Besitz von bestimmten Grundstücken.«

Cal zog enttäuscht die Mundwinkel nach unten. »Damit brauchen wir uns also nicht abzuschleppen.«

»Womöglich doch. Wer weiß, wozu sie gut sind.«

»Meinetwegen. Behalten wir sie eben.« Cal stapfte zum Fluss und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Seine Augen brannten. Der lange Ritt und der fehlende Schlaf machten sich allmählich bemerkbar. Ob sie es riskieren konnten, sich ein paar Stunden aufs Ohr zu hauen?

Als er zu seinen Gefährten zurückging, reichte Ethan ihm eine Flasche Whiskey.

»Hier. Wir haben was zu feiern.«

Cal nahm einen Schluck und wollte ihm die Flasche zurückgeben.

»Trink ruhig noch etwas.«

»Seit wann bist du denn so großzügig?«

»Warum nicht? Wir haben’s ja jetzt.« Ethan griente.

Das stimmte, und so nahm Cal noch einen Schluck. Dann ließ er sich auf den Boden sinken und verschränkte die Beine unter sich. »Endlich hat sich das Blatt einmal zu unseren Gunsten gewendet. Jetzt können wir uns alles leisten, was wir wollen. Vince, was wirst du mit deinem Anteil anfangen?«

»Ich?« Der Ältere setzte sich neben ihn, nahm die Flasche und wischte mit dem Ärmel über die Öffnung, ehe er trank. »Ich will mir ein Haus kaufen und sesshaft werden. Vielleicht an der Küste, wo die Winter mild sind und ich nicht ständig über meine Schulter gucken muss, ob mir ein Sternträger im Nacken sitzt.«

»Und was genau willst du dann tun?«

»Weiß ich noch nicht genau. Möglicherweise baue ich Wein an. Und du? Hast du schon Pläne?«

»Ich?« Cal kratzte sich am Kinn. »Ich habe endlich genug Geld, um mir keine Sorgen mehr machen zu müssen. Das reicht mir. Ich werde umherziehen und mir ein hübsches Girl suchen. Oder zwei. Leisten kann ich es mir jetzt ja.« Er gluckste.

»Ihr Kleingeister«, schalt Ethan. »Mit dem Geld sind wir gemachte Männer. Ich für meinen Teil werde mir eine Ranch kaufen und Leute anheuern, die für mich arbeiten. Ich verschaffe mir Einfluss und werde irgendwann Gouverneur.«

»Gouverneur? Warum nicht gleich Präsident?«, neckte Cal ihn gutmütig.

Sein Begleiter blieb ernst. »Einen Schritt nach dem anderen.«

Cal zuckte die Achseln. Solche Ambitionen lagen ihm fern. Er war zufrieden, wenn er genug Geld in der Tasche hatte, um nicht hungern zu müssen. Wenn noch genug übrig blieb, um sich ein nettes Girl zu nehmen, umso besser.

Sie ließen die Whiskeyflasche herumgehen.

Irgendwann breitete sich eine warme Schläfrigkeit in Cal aus. Er konnte nichts dagegen tun. Seine Augen fielen zu. Er kämpfte dagegen an, wollte zuerst noch seinen Anteil an der Beute einpacken, aber seine Glieder wurden bleischwer.

Na schön. Würde er eben einen Moment lang die Augen schließen, aber danach würde er gleich sein Geld zählen und … Unbemerkt sackte sein Kopf auf das Kinn und seine Gedanken drifteten davon. Er registrierte noch, dass Vincent neben ihm umkippte und schnarchend in den Staub sackte. Seit wann pennte der so einfach ein?

Cal nuschelte etwas, das er selbst nicht verstand.

Dann umnebelte der Schlaf seinen Verstand.

Er döste ein.

Nicht ahnend, dass es bald ein böses Erwachen geben sollte.

»He! Aufwachen!« Die Stimme klang so rau, als würde sie über ein Waschbrett gezogen.

Jemand stieß Caleb unsanft in die Seite.

Er fuhr in die Höhe – und bereute es sofort, weil sein Magen einen Salto schlug und ihm Magensaft in die Kehle schoss.

Herrgott! Ihm war speiübel. Dabei hatte er doch gar nicht so viel getrunken! Benommen blinzelte er und starrte im nächsten Augenblick in den schwarzen Lauf einer Winchester!

Mehrere Männer hatten sich vor Vincent und ihm aufgebaut. Vince sah genauso elend aus, wie Cal sich fühlte. Die Schatten unter seinen Augen waren groß wie Mondkrater, und eine bläuliche Schwellung an seinem Kinn verriet, dass die Revolverschwinger ihm bereits zugesetzt hatten.

Cal tastete nach seinem Revolver.

Verschwunden.

Ebenso wie seine Schleuder.

Er zerbiss einen Fluch auf den Lippen.

»Na, endlich ausgeschlafen?« Ein bärtiger Hombre stieß Cal die Waffe vor den Bauch. Der Kerl kam Cal bekannt vor. Es dauerte einen Moment, bis sein immer noch umnebelter Verstand die Bruchstücke zu einem Bild zusammensetzte: Das war der hagere Wächter, den Vince ausgeschaltet hatte!

Verdammt! Wie hatten die Kerle sie gefunden?

»Wer seid ihr?«, ächzte er.

»Jemand, mit dem ihr euch besser nicht angelegt hättet. Unser Boss wird nicht erfreut sein, wenn er erfährt, dass ihr euch an seinem Eigentum vergriffen habt.«

»Wer ist euer Boss?«

»Mister McMillan.«

»Nie gehört den Namen.«

»Das wirst du dir noch wünschen. Das verspreche ich dir.«

Cal schaute sich um und stutzte. »Wo ist Ethan?«

»Wer soll das sein?«

»Unser Freund. Er hat mit uns hier gelagert.«

»Hier wart nur ihr beide.«

»Das ist nicht möglich.« Cal war verwirrt. Wo war ihr Freund?

Die Sonne brannte ihm in den Nacken. Sie stand südwestlich von ihnen … Moment mal! Südwestlich? Wie konnte es schon Nachmittag sein? Waren sie über acht Stunden weggetreten?

»Das verdanken wir Ethan«, murmelte Vince.

»Hä?« Cal war ratlos.

»Er muss den Whiskey mit seinem Laudanum versetzt haben, sonst hätten wir nie und nimmer so lange geschlafen.«

»Das glaube ich nicht. Er würde nie … Oh! Dieser verdammte … Hey! Jetzt reicht es mir aber!« Gereizt funkelte Cal den Fremden an, als der ihm erneut den Lauf seines Gewehrs vor die Brust stieß. »Falls du erwartest, dass ich Nuggets scheiße, wenn du das machst, muss ich dich enttäuschen.«

Die Bemerkung brachte ihm einen weiteren Stoß ein.

»Wo ist es?«, knurrte sein Gegenüber. »Wo ist das Zeug, das ihr uns gestohlen habt?«

»In den Satteltaschen.« Cal blickte sich suchend um. Das gab es doch nicht! Die Dinger waren verschwunden! Einfach weg!

»Hier sind keine Satteltaschen«, krächzte der Fremde. »Einen Versuch hast du noch, dann werde ich richtig ungemütlich: Also, wo ist das Geld? Und wo sind die Dokumente?«

»Nicht mehr hier«, murmelte Cal.

In der nächsten Sekunde traf ihn ein Fausthieb am Kinn. Sein Kopf wurde zurückgerissen. Sterne flammten vor seinen Augen auf. Die Übelkeit in seinem Magen ballte sich zusammen wie eine Faust und entlud sich im nächsten Augenblick genau über den Stiefeln des schwarzbärtigen Hombres.

Der fuhr zurück und fluchte. »Verarsch mich nicht!«

»Ich weiß nicht, wo die Dollars sind«, schnaufte Cal matt.

Der Hombre wechselte einen Blick mit einem seiner Begleiter.

»Was meinst du, Joe?«

»Bringen wir die beiden zum Boss. Der wird die Wahrheit schon aus ihnen herauskitzeln.«

»Geht klar. – Stillhalten!« Der Fremde bedeutete seinem Kumpan, Cal und Vince zu fesseln, und der ging nicht eben sanft zu Werke. Seine Stricke schnitten ihnen ins Fleisch.

»Hey, nicht so straff«, protestierte Cal. »Ich brauche meine Hände noch.«

»Nicht da, wo wir euch hinbringen. Dort benötigt ihr nur eure Zunge, und ich rate euch, zu reden, wenn ihr sie behalten wollt.« Der Hombre nickte hinter sich. Daraufhin traten zwei seiner Kumpane vor, packten Vince und wollten ihn auf eines der Pferde hieven. Vince sträubte sich, was ihm einen Fausthieb gegen die Schläfe einbrachte. Sein Körper erschlaffte. Die Kerle wuchteten ihn wie einen nassen Sack quer über den Sattel. Einer der Revolverschwinger stieg hinter ihm auf und nahm die Zügel.

»Keine Sperenzchen«, knurrte der Hombre in Cals Richtung. Der verspürte kaum Lust, dieselbe Behandlung wie sein Freund zu erfahren, und leistete darum keinen Widerstand, als ihn die Kerle auf eines der Pferde verfrachteten. Der Schwarzbart stieg hinter ihm auf. Er nahm das Gewehr vor sich und drückte Cal stattdessen den Lauf seines Revolvers ins Kreuz. Er nahm die Zügel und trieb sein Pferd mit einem Zungenschnalzen an.

Cals Schädel fühlte sich an, als wäre er in der geborsten.

Er wurde unsanft durchgerüttelt auf dem Pferderücken, wagte jedoch keinen Widerstand. Der Revolverlauf in seinem Rücken vereitelte vorerst jeden Gedanken an Flucht. Dafür brodelte nun die Empörung in ihm hoch. Ethan war ebenso verschwunden wie ihre Beute. Das konnte nur eins bedeuten: Er hatte sich mit ihrem Geld aus dem Staub gemacht!

Wenn ich dich erwische, brate ich dich am Spieß über dem Lagerfeuer, grollte Cal, aber schön langsam, damit du lange etwas davon hast. Ich kann nicht glauben, dass du uns so hereingelegt hast. Ausgerechnet du. Nach all den Jahren, in denen wir zusammen geritten sind!

Tief im Herzen wusste Cal, was seinen Freund zu dem Verrat getrieben hatte: die Aussicht auf Macht und Reichtum. Mit zehntausend Dollar ließ sich allerhand anfangen. Wie viel mehr konnte Ethan mit dreißigtausend Dollar erreichen!

Sie ritten mehrere Stunden, ohne eine Pause einzulegen.

Vince ächzte, als er zu sich kam, aber die Kerle gönnten ihm keine bequemere Lage.

Schließlich passierten sie eine Weide, auf der mehr Rinder standen, als das Auge überblicken konnte. Die Herde schien bis zum Horizont zu reichen!

Sie erreichten ein Tor. Ein doppeltes M war in das Holz eingebrannt. Die Double-M-Ranch. Cal behagte es gar nicht, dass die Kerle ihnen nicht die Augen verbanden, sondern ihnen ihr Ziel offen zeigten. Anscheinend hatten diese Typen nicht vor, sie wieder laufen zu lassen!

Ihr Trupp hielt vor einem flachen Holzbau an.

Cal und Vince wurden wie faule Äpfel in den Staub gestoßen.

Zwei der Kerle zerrten sie an den Armen in die Scheune. Nein, keine Scheune. Eine Werkstatt. Es gab eine Feuerstelle, Schmiedewerkzeuge, einen Amboss und noch allerlei mehr.

Die Revolverschwinger fesselten Cal und Vince an zwei Stühle. Cal spannte sich an, weil er hoffte, die Fesseln später mit seinen Muskeln lockern zu können, aber die Typen kannten den Trick. Er bekam wieder den Lauf des Gewehrs zu schmecken und stieß prustend den Atem aus.

Prompt zerrte der Schwarzbart die Stricke fest.

Sie saßen in der Falle!

Der Trupp ließ sie allein, aber als Cal mit seinem Freund einen Fluchtplan ausbaldowern wollte, betrat ein Mann die Werkstatt. Das erste Weiß mischte sich in seine Haare, und ein Kranz aus Falten zog sich um seine Augen. Selbst im schummrigen Halbdunkel füllte er die Scheune mit seiner Präsenz, einfach, indem er sie betrat. Breite Schultern und schwielige Hände zeugten davon, dass dieser Mann keine schwere Arbeit scheute. Der tadellose Sitz seines Anzugs verriet den teuren Schneider.

Schweigend beugte er sich über die Feuerstelle und entfachte das Feuer. Dann musterte er die Werkzeuge und legte zwei lange Zangen in die Glut. Schließlich wandte er sich um.

»Ich bin James McMillan«, erklärte er in festem Ton. »Und ihr beide habt etwas, das mir gehört. Ich will es wiederhaben.«

»Wir haben Ihr Geld nicht mehr«, erwiderte Cal.

»Du lügst. Meine Männer sind eurer Spur bis zu eurem Lager gefolgt. Ihr wart es, die meinen Trupp ausgeraubt haben.«

»Das gebe ich zu, aber wenn uns Ihre Leute gefolgt sind, müssen sie auch wissen, dass wir zu dritt waren. Unser Begleiter hat uns betäubt und ist mit dem Geld auf und davon.«

»Das mag die Wahrheit sein oder auch nicht.«

»Es ist wahr.« Cal warf seinem Freund einen Blick zu. Vince schüttelte kaum merklich den Kopf. Das wird uns nicht helfen, signalisierte er stumm. Cal seufzte. Verdammter Ethan! Sein Ehrgeiz hatte sie in diese Lage gebracht. Sie wären längst weg, wenn er sie nicht betäubt hätte!

Der Rancher trat einen Schritt auf ihn zu.

»Ihr solltet wissen, dass ich niemals zweimal frage.«

»Ich kann Ihnen wirklich nicht sagen, wo das Geld ist.«

»Und meine Papiere?«

»Die sind bei den Dollars. Ethan ist damit verschwunden.«

»Ist das so?« Der Rancher trat vor, hob einen braunen Sack vom Boden auf und stülpte ihn ohne lange Umstände über Cals Kopf. Schlagartig saß er im Dunkeln!

Cal roch Stroh, Kuhmist und etwas, das ihm einen sauren Geschmack auf die Zunge trieb. Instinktiv riss er die Augen auf, konnte jedoch nicht das Geringste erkennen.

Dafür hörte er plötzlich einen dumpfen Schlag. Vince stöhnte.

Verdammt! Was machte dieser Mistkerl mit ihm?

Cal zerrte an seinen Stricken, erreichte aber nur, dass sie sich noch tiefer in seine Haut eingruben.

In seinem Magen ballte sich ein kalter Klumpen zusammen.

Und dann hörte er seinen Freund schreien.

Vince schrie, wie er nicht einmal im Krieg geschrien hatte.

Eiskalt rieselte es Cal den Rücken hinunter.

»Was tun Sie?«, brüllte er. »Was tun Sie da? Hören Sie auf!«

»Sobald du mir sagst, was ich wissen will.«

»Aber das kann ich nicht.« Cals Herz wummerte schmerzhaft gegen seine Rippen. »Haben Sie mir denn nicht zugehört? Unser Freund hat uns verraten. Ethan ist mit der Beute auf und davon. Sie verlieren kostbare Zeit. Während Sie uns hier festhalten, verschwindet Ethan mit Ihrem Geld über alle Berge!«

Etwas schepperte metallisch. Dann zischte es hörbar.

Ein beißender Geruch breitete sich aus.

Vince brüllte erneut. Seine Schreie klangen nicht mehr menschlich. Es brachte Cal beinahe um.

»Wir wissen nichts«, stöhnte er. »Bitte, glauben Sie mir doch! Ich würde es Ihnen sagen, wenn ich könnte, bei Gott, das ist die Wahrheit.«

Die Schreie seines Freundes gingen in ein dumpfes Stöhnen über.

»Wohin reitet euer Freund?«, knurrte der Rancher.

»Ich weiß es nicht … Ethan könnte überall sein.« Verzweifelt zermarterte sich Cal das Gehirn. Wohin würde Ethan gehen? Er wollte sich Land kaufen. Aber wo? Das hatte er nie erwähnt. Cal war ratlos. »Was ist so wichtig an diesen Dokumenten?«

»Das geht dich nichts an.«

»Wir können Ihren Männern helfen, Ethan zu finden. Wenn Sie uns freilassen …« Cal biss sich auf die Zunge, als die Schreie seines Freundes wieder einsetzten. Im Krieg war Vince schlimm verletzt worden. Nicht einen Laut hatte er von sich gegeben. Und jetzt? Jetzt brüllte er seine Qual laut heraus.

Cal sah förmlich vor sich, wie sich die glühenden Eisen in die Haut seines Freundes einbrannten. Er ballte die Hände zu Fäusten. Schwor bittere Rache.

Und dann brachen die Schreie plötzlich ab.

»Vince?« Sein Kopf ruckte hoch. »Vince? Was ist los?«

Das Schweigen, das seiner Frage folgte, dröhnte in seinen Ohren.

Auf einmal waren Schritte zu vernehmen.

Cal wurde am Arm gepackt.

»Denk gut nach«, raunte der Rancher. »In dreißig Minuten komme ich zurück. Dann solltest du eine Antwort für mich haben, sonst muss dein Freund es ausbaden!«

Lassiter teilte sich ein Zimmer im Bunkhouse mit drei anderen Cowboys. Die Etagenbetten waren längst vergeben. Ein unteres Bett war noch frei, das gehörte ihm.

Auf der Double-M-Ranch begann der Tag vor dem ersten Hahnenschrei und endete, wenn es längst dunkel war. Dann fielen die Männer todmüde ins Bett, zu erschöpft, um noch an etwas anderes zu denken, als aus ihren Stiefeln zu kommen.

Ein Haudegen namens Piet spielte abends manchmal auf seiner Mundharmonika. Ein anderer, der von allen nur Neunfinger gerufen wurde, schnitzte gern. Pokerspiele zur Unterhaltung waren auf der Ranch jedoch streng verboten. Drei der Cowboys hatten Striemen auf dem Rücken, die bewiesen, dass der Boss keine Ausnahmen erlaubte.

An diesem Morgen war Lassiter für das Markieren der Kälber eingeteilt. Vor der Arbeit wollte er sich jedoch im Büro des Ranchers umsehen. Womöglich fand sich dort ein Hinweis auf seine Machenschaften?

Unbemerkt brach Lassiter ein und stöberte im Licht des beginnenden Morgens im Schreibtisch von James McMillan.

Vergeblich.

Es gab keinerlei Unterlagen, die den Rancher mit den Morden an den Siedlern in Verbindung brachten.

Entweder war James McMillan unschuldig oder er verstand sich darauf, seine Spuren sorgfältig zu verwischen.

Lassiter vermutete das Zweite.

Er ordnete den Schreibtisch so, wie er ihn vorgefunden hatte, und verließ das Arbeitszimmer wieder.

Nachdenklich umrundete er das Ranchhaus.

In einem der Corrals kniete Rosita neben einem Maultier und mühte sich mit einer Zange ab. Die Köchin reckte dem großen Mann ihr hübsches rundes Hinterteil entgegen. Ein Anblick, der ihm sogleich das Feuer in die Lenden schießen ließ.

»Guten Morgen«, rief er ihr zu.

Sie wirbelte herum. »Kein guter Morgen. Mein Maultier lahmt.«

»Hat es sich etwas eingetreten?«

»Leider ja. Einen Nagel. Weiß der Himmel, wie das passieren konnte. Ich bekomme ihn einfach nicht heraus.«

»Soll ich einmal schauen, ob ich etwas tun kann?«

Sie nickte und richtete sich auf.

Lassiter trat durch das Gatter und strich dem Maultier sacht über die Stirn. »Dann wollen wir einmal sehen, was dir Unbehagen bereitet, was, Großer?« Er hob den rechten Vorderlauf des Tieres und spähte darunter.

Tatsächlich! Ein Nagel!

Er bat Rosita um die Zange, nahm den Huf des Tieres auf sein Knie und zog kraftvoll. Ein Ruck – dann glitt der Nagel aus dem Huf. »Das wäre geschafft.« Er gab das Maultier wieder frei.

»Vielen Dank.« Rosita strahlte ihn an. »Bist du hungrig?«

»Und ob. Ich könnte einen halben Grizzly verspeisen.«

»Warte kurz, ja?« Rosita eilte ins Haus.

Das Maultier trottete davon und zupfte an einigen grünen Halmen. Lassiter ließ sich einer Holzbank nieder.

Es dauerte nicht lange, dann kam die Köchin Hüften schwingend auf ihn zu. In der Hand trug sie einen Teller mit seinem Frühstück: gebratene Eier, Speck, Bohnen und Sauerteigbrötchen. Sie stellte den Teller neben ihm auf der Bank ab. Ein Becher Kaffee kam daneben.

»Danke dir, Rosita. Das wäre doch nicht nötig gewesen.«

»Doch, für deine Mühe. Lass es dir gut schmecken!« Ihr Lächeln ließ weiße Zähne blitzen, die sinnliche Bilder in ihm wachriefen. Wie sie an seinem Schwanz saugte, ihn leckte und sacht zubiss, ehe sie ihn tief in ihren Mund nahm … Prompt schoss ihm das Blut in die Lenden. Ein wilder Hunger erwachte in ihm, aber der hatte nichts mit dem Frühstück zu tun …

»Ich habe mir gedacht, du willst vielleicht im Freien frühstücken«, sagte sie. »Drinnen kann man sich kaum umdrehen, wenn alle Essen fassen.«

»Oh, die Enge stört mich nicht, solange die Mahlzeit stimmt.«

»Und? Gefällt dir, was du siehst?«