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Klaus Hemmerle (1929-1994), Religionsphilosoph und langjähriger Aachener Bischof, erweist sich heute mehr denn je als spirituell-theologischer Impulsgeber. Sein Biograf, Freund und Weggefährte Wilfried Hagemann hat aus Hemmerles schriftlicher Hinterlassenschaft Texte zusammengestellt, die in unserer von mancher »eucharistischen Not« (Klaus Hemmerle) geprägten Zeit Orientierung geben können. Die Publikation richtet sich an alle - ob Hauptamtliche oder Laien -, denen eine Kirche auf den Spuren Jesu Christi am Herzen liegt: Leben aus der Verbundenheit mit dem »Weinstock« - für die Welt.
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Seitenzahl: 92
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Klaus Hemmerle
LEBEN AUS DER EUCHARISTIE
Klaus Hemmerle
Ein LesebuchHg. von Wilfried Hagemann
VERLAG NEUE STADT
MÜNCHEN • ZÜRICH • WIEN
Wir danken der Diözese Aachen für die freundlicheGenehmigung zum Abdruck der Texte von Klaus Hemmerle.
Zum Herausgeber: Dr. Wilfried Hagemann, Jahrgang 1938, 1987–1995 Rektor im Zentralkomitee der deutschen Katholiken, 1996–2004 Regens des Priesterseminars Münster, seit 2009 Leiter des Zentrums für Spiritualität für Priester, Diakone und Seminaristen (ZSP) in der ökumenischen Siedlung Ottmaring bei Augsburg, Herausgeber der Zeitschrift „DAS PRISMA. Beiträge zu Pastoral, Katechese und Theologie“, Autor mehrerer Bücher, u. a. einer Biografie Klaus Hemmerles.
2015, 1. Auflage© Alle Rechte für die Auswahl und Zusammenstellungbei Verlag Neue Stadt GmbH, MünchenUmschlagabbildung: Klaus HonermannGestaltung und Satz: Neue-Stadt-GrafikISBN 978-3-7346-1043-1eISBN 978-3-87996-429-1
www.neuestadt.com
Klaus Hemmerle, der 1994 verstorbene Bischof von Aachen, hat uns ein reiches theologisches, philosophisches und spirituelles Erbe hinterlassen. In seiner Bibliografie stoßen wir auf 2500 Titel. In der vorliegenden kleinen Zusammenschau verschiedener Texte möchte ich Gedanken von Klaus Hemmerle zur Eucharistie vorstellen. Ich wage es, weil ich das Glück hatte, ihn beruflich wie persönlich kennenzulernen, unter anderem während meiner Tätigkeit als geistlicher Rektor im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (1987–1995). Viele Male, auch im Urlaub mit ihm, habe ich seine außerordentliche Nähe zur Eucharistie erlebt. Das ging so tief, dass er einmal bekundete: „Ein Tag ohne Kommunion wäre wie eine Monstranz ohne Hostie.“
Klaus Hemmerle lebte in seiner katholischen Tradition; er feierte jeden Tag die heilige Messe und betete gerne vor dem Tabernakel. In dieser täglichen Realität hat er bedeutsame Dimensionen entdeckt, nicht zuletzt hat er immer wieder die großen Verbindungslinien herausgestellt, die gerade heute für die Ökumene von zentraler Bedeutung sind. Mit dieser seiner Sichtweise erschließt Hemmerle Dimensionen, die zum gemeinsamen Erbe der christlichen Tradition gehören. Seine aus persönlicher Erfahrung und theologischer Arbeit entwickelten Gedanken führen hin zur Eucharistie, zur Göttlichen Liturgie, zum Abendmahl, zum Herrenmahl, und sie führen von da zurück ins Ganze des Glaubens und Lebens. So schrieb er einmal: „Kehren wir um, kehren wir um zum Herrn. Aber wo finden wir ihn? Gewiss hier in unserer Mitte, hier auf dem Altar. Aber nur dann finden wir ihn ganz und wirklich, wenn wir ihn auch noch irgendwo anders finden – im Letzten und Geringsten der Brüder, der am Rand steht. Nur dann finden wir den Herrn, wenn wir mit derselben Intensität und Überzeugung und Klarheit aufbrechen zu ihm, seinem Wort und Mahl – und zu seinen Brüdern [und Schwestern] am Rand.“1
Vielleicht liegt es an dieser Akzentsetzung, dass sich bei Hemmerle einerseits keine systematische Abhandlung über die Eucharistie als solche findet, andererseits aber – in Briefen, in zahlreichen Predigten und Meditationen, in philosophischen und theologischen Abhandlungen – die Eucharistie ein immer wieder aufgesuchter Fokus ist, sozusagen die beispielhafte Verdichtung des Menschseins und Christseins. In diesem Ansatz, aber auch in so mancher einzelnen Akzentuierung ist eine tiefe Prägung durch Chiara Lubich (1920–2008) und ihre Spiritualität unverkennbar, aus der heraus Klaus Hemmerle viele Jahrzehnte gelebt hat.
Die vorliegende Textsammlung hat zum Ziel, den Leserinnen und Lesern einen Weg zu einem vertieften Verständnis der Eucharistie zu bahnen – aus verschiedenen Perspektiven, von denen her Klaus Hemmerle mehr oder weniger direkt auf die Eucharistie zu sprechen kommt.
Den Anfang bilden einige kurze (auto)biografische Zeugnisse. Es folgen Vertiefungen, in denen aus unterschiedlichen Zusammenhängen heraus ein je eigenes Licht auf die Eucharistie geworfen wird. Weitere Abschnitte betreffen ausdrücklicher die Verbindung von Eucharistie und Leben sowie die „Weltdimension“ der Eucharistie. Den Abschluss bildet eine theologisch-philosophische Reflexion über ein eucharistisches Seins- und Schöpfungsverständnis.
Dass sich Motive, Gedanken wiederholen, liegt in der Natur eines solchen Lesebuchs, das ja nicht einfach durchgelesen werden will, sondern der nach-denkenden Betrachtung dienen möchte. Gerade in der heutigen vielgesichtigen Situation der Kirche könnte es von Bedeutung sein, sich von Klaus Hemmerle inspirieren zu lassen. Er ermöglicht eine sensible und theologisch verantwortete neue Tuchfühlung mit der Eucharistie, diesem Geheimnis des Glaubens und des Lebens.
Wilfried Hagemann
In seinen Ferien in Alghero/Sardinien traf Klaus Hemmerle im Haus von Don Francesco Manunta immer wieder den Maler Nicola Marotta (ein Agnostiker). Marotta trat unerwartet in den Raum, in dem Hemmerle mit Freunden ganz schlicht die Eucharistie am Tisch feierte. Marotta selbst erahnte eine ihn zutiefst anrührende „Gegenwart“.
„Die Szene im Haus meines Schwagers Don Francesco in Alghero: ein Kelch, eine Patene, Brot und Wein und um einen runden Tisch sitzend vier Männer im Gebet. Reife, gebildete Männer, starke Charaktere. Das gab mir zu denken. Ich fragte mich, ob sie vielleicht doch recht haben, wenn sie an irgendetwas jenseits des Lebens glauben. Nicht einmal mein unverhofftes Erscheinen störte sie.“2
Aus einer Antwort an Schüler einer 10. Klasse
Das Zweite Vatikanische Konzil hat viel mehr, als das früher der Fall war, wieder den Mahlcharakter der Eucharistiefeier in den Vordergrund gerückt. Dies entspricht auch der sogenannten „Liturgischen Bewegung“, die schon zu Anfang des 20. Jahrhunderts vor allem in Belgien und Deutschland aufbrach und die dann zur Erneuerung der Liturgie im Zweiten Vatikanischen Konzil führte. Wir Menschen von heute lieben mehr die unmittelbare, erfahrbare Nähe als die große und fremde Feierlichkeit, und so herrlich auch festlich gestaltete große Gottesdienste zu sein vermögen, so spricht viele doch mehr der im kleineren Rahmen gehaltene, überschaubare, die Gemeinschaft betonende Gottesdienst an. Es war ja auch die Form, wie die ersten Christen allein Eucharistie feiern konnten, da sie sich im Stillen, in den Häusern der Einzelnen nur versammeln konnten.
Ich möchte auf drei Erlebnisse zu sprechen kommen, die mir sehr lebendig in Erinnerung stehen.
Eine Messe nach dem Abitur
Das eine reicht weit zurück hinter die Zeiten des Konzils, als wir Abitur machten und mit einem uns befreundeten Priester im kleinen Rahmen Eucharistie feierten. Da ging mir richtig das Herz auf, und der Wunsch, diese Nähe Gottes zu den Menschen in der Nähe zueinander feiern zu können, war in mir auch lebendig auf meinem Weg zum Priestertum.
Eine Messe in der Kathedrale von Split
Sodann denke ich an einen Besuch bei einem mir befreundeten Bischof, Erzbischof Franic von Split in Jugoslawien. Bei seiner uralten Bischofsstadt liegt eine noch ältere, Salona, die aber völlig zerstört wurde; im 6. Jahrhundert wurde dann nebenan in den alten Kaiserpalast des Diokletian hinein das „neue“ Split gebaut. In der alten Stadt Salona finden wir noch die Reste der allerersten Kirche dort. Sie war ein Bürgerhaus unter den anderen Bürgerhäusern, sie durfte äußerlich gar nicht als Kirche auffallen, weil eben noch die Zeit der Verfolgung war, und in diesem Haus des römischen Bürgers Domnius, der heimlich der erste Bischof war, versammelte man sich. Man findet eingebaute Sitznischen, die den alten Tischaltarplatz umgaben, in der Mitte der Sitz des Vorstehers der Eucharistiefeier, eben des Bischofs, der Ausdruck der Gemeinschaft und der Einheit aller war. Aber neben dieser Kirche oder diesem heimlich als Kirche dienenden Bürgerhaus finden sich die Ruinen einer großen Basilika, in der dann vom 4. bis zum 6. Jahrhundert die Eucharistie gefeiert wurde. Alle freuten sich, dass das, was man nur heimlich tun konnte, jetzt öffentlich möglich ist, die Gemeinde war inzwischen gewachsen, und es wäre gar nicht mehr denkbar gewesen, sie im kleinen Rahmen zu feiern. Die Gemeinschaft wusste: Wir sind als Gemeinschaft Gott Lob und Ehre schuldig, wir wollen alle miteinander zeigen, dass wir in seinem Namen eins sind – und wir können es nur, indem wir das Mahl feiern, bei dem Jesus selber sein Opfer für das Heil der Welt gegenwärtig werden lässt und sich liebend als unser Bruder uns zur Speise gibt im Brot.
Es ist ganz klar, diese Entwicklung bringt ein Stück Verlust der Intimität, der unmittelbaren Erfahrung im überschaubaren Kreis mit sich, aber andererseits bringt sie auch neue Möglichkeiten mit sich: eben dass die Gemeinde als Ganze feiert und Menschen, die sonst nie etwas miteinander zu tun haben, im Hören des einen Wortes Gottes, im gemeinsamen Beten und in der Feier des einen Mahles ihre Gemeinschaft im Glauben zeigen.
Eine Eucharistiefeier bei einer Bischofsweihe in Brasilien
Wie beide Gesichtspunkte miteinander verbunden werden können, das habe ich bei einer der bewegendsten Eucharistiefeiern erlebt, die ich mitfeiern konnte, bei jener, in welcher im armen Nordosten Brasiliens, in Palmares, einer meiner nächsten Freunde zum Bischof geweiht wurde. Die Bischofskirche war viel zu klein für diese Feier, man ging in eine große Sporthalle. Abertausende versammelten sich, vorne das Dutzend der anwesenden Bischöfe und die 40 oder 50 von überall her zusammengekommenen Priester (eine für die dortigen Verhältnisse riesengroße Zahl). Das war ein einziges Gedränge, und der Altar war für viele weit vorne, weit weg, und doch habe ich wohl noch nie so dicht und herzlich Gemeinschaft und Nähe bei einer Eucharistiefeier erfahren wie gerade hier. Als dann noch das Licht ausging und wir im Stockdunklen saßen mitten während der Weihepräfation, als der weihende Bischof dann in das Dunkel hinein das Heilig-Geist-Lied anstimmte: „Zünd an in uns des Geistes Licht!“, als dann ein einfacher armer Mann irgendwoher eine ganze Fülle von kleinen Lichtlein „organisierte“ und einer dem andern das Licht weitergab, da war das wie Abendmahl und Pfingsten zugleich.
Feier der Gemeinsamkeit der ganzen Gemeinde und der ganzen Kirche
Warum erzähle ich das? Ich möchte auf folgenden Zusammenhang hinweisen; es ist gut und positiv, wo in einer kleinen überschaubaren Form oder in einer neu gebauten Kirche oder in einer kleinen Gemeinde es sich ermöglichen lässt, etwa nach dem von euch gezeichneten Plan den Gottesdienstraum zu ordnen und so Eucharistie zu feiern. Aber zur Liturgie gehört einfach auch der andere Aspekt: Sie ist Feier der Gemeinsamkeit, und zwar der Gemeinsamkeit der ganzen Gemeinde und über die ganze Gemeinde hinaus der ganzen Kirche. Und mir scheint, durch eine entsprechende Gestaltung kann auch dann, wenn – ihr habt das selber gut angemerkt – ein Entgegenkommen verschiedener Gruppen und Generationen aufeinander nötig ist, eine sehr positive Erfahrung der Gemeinschaft wachsen.